BGH
Urteil vom 09.02.2023 I ZR 61/22
Kosten für Abschlussschreiben III
BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 677, 683 Satz 1; UWG § 13 Abs. 3
Der BGH hat entschieden, dass der Schuldner einer Beschlussverfügung den Gläubiger im Regelfall binnen 2 Wochen über seinen Entschluss zum Widerspruch informieren muss. Andernfalls sind die Kosten eines Abschlussschreibens erstattungsfähig.
Leitsatz des BGH:
Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.
BGH, Versäumnisurteil vom 9. Februar 2023 - I ZR 61/22 - OLG Düsseldorf - LG Wuppertal
Der BGH hat entschieden, dass vorausgegangener Vortrag als Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite zu werten sein kann.
Leitsatz des BGH:
Auch in einem vorausgegangenen Vortrag der Partei kann ein Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite liegen, wenn jener Vortrag diesen Behauptungen widerspricht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 15. Mai 2001 - VI ZR 55/00, NJW-RR 2001, 1294 unter II 1).
BGH, Beschluss vom 21. Juni 2022 - VIII ZR 285/21 - LG Berlin - AG Mitte
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG sind.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit ist nach § 98 ZPO auf Antrag der Antragsgegnerin an die Kammer für Handelssachen zu verweisen.
Der Antrag gehört nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG (ggf. in analoger Anwendung) vor die Kammer für Handelssachen. Handelssachen sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch aus den „Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen sowie der eingetragenen Designs beziehen“, geltend gemacht wird. Es ist davon auszugehen, dass auch Ansprüche, die ihre Grundlage auf ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach der VO (EG) Nr. 6/2002 (nachfolgend: GGV) haben, als Handelssachen anzusehen sind. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen. Denn die Begriffe „Design“ und „Geschmacksmuster“ sind synonym zu verstehen. Dies ergibt bereits die Gegenüberstellung der entsprechenden Definitionen in § 1 DesignG und Art. 3 Buchst. a) GGV. In § 1 DesignG (bzw. § 1 GeschmMG a.F.) wird bzw. wurde in Nr. 1 ein „Design“ (bzw. ein „Muster“) als „die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt“, definiert. Nach Art. 3 Buchst. a) GGV ist ein Geschmacksmuster „die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt“. Dass es zwischen den beiden Begriffen einen Unterschied geben soll, ist nicht ersichtlich. So gesehen kann auch ein Anspruch aus einem eingetragen Gemeinschaftsgeschmacksmuster grundsätzlich als ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis, das sich auf den Schutz der eingetragenen Designs bezieht, subsumiert werden. Denn der Wortlaut des GVG stellt nicht auf die Begrifflichkeiten wie „Designstreitsache“ oder „Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsache“ ab. Im Übrigen wird – insbesondere zur historischen Auslegung – auf den Beitrag Bomba, GRUR-Prax 2014, 452 ff. verwiesen, den sich die Kammer zu eigen macht.
Der Verweisungsantrag ist nach § 101 GVG rechtzeitig gestellt worden. Da die Antragsgegnerin bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht angehört worden ist, ist der Verweisungsantrag mit dem Widerspruch rechtzeitig.
Das VG Köln hat entschieden, dass die Anordnung der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch di Datenschutzbehörde jedenfalls nach summarischer Prüfung unzulässig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der zulässige – sinngemäß gestellte - Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),Gründe
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (13 K 5069/21) gegen Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung des Antragsgegners vom 27. September 2021wiederherzustellen,
hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Form Erfolg.
Dabei ist zunächst die Anordnung der sofortigen Vollziehung schon formell rechtswidrig. Insoweit genügt bereits die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 27. September 2021 nicht den maßgeblichen Anforderungen.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet; er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle und ermöglicht gleichzeitig bei der eigenständig vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung das Erkennen der gegebenenfalls maßgeblichen Parameter.
Notwendig ist dafür eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Insbesondere muss die Vollziehbarkeitsanordnung erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes genügen nicht. Ebenso wenig reicht es aus, dass sich die Begründung erst aus dem Gesamtzusammenhang eines Bescheids ermitteln lässt, sofern nicht ausnahmsweise die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist vielmehr gesondert zu begründen. Aus ihr muss hervorgehen, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt,
vgl. nur Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rdn. 247 m.w.N.
Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die Begründung des Sofortvollzuges der Ziffer 2 und 3 in der angegriffenen Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht:
Zwar wird aus der Begründung, die sich ausführlich zu der abstrakten Frage verhält, ob die Aufsichtsbehörde überhaupt – entgegen § 20 Abs. 7 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) - die sofortige Vollziehung gegenüber einer Behörde anordnen darf, hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist. In der Folge werden in der Begründung jedoch keinerlei konkrete Umstände des Einzelfalles in den Blick genommen. Zudem wird sodann lediglich einseitig das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung hervorgehoben, ohne dass eine Abwägung mit den Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgte. Etwaige Interessen des Antragstellers werden vielmehr nicht einmal bezeichnet.
Dieses Vorgehen genügt nach den aufgezeigten Maßstäben nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil bereits die Parameter für die Interessenabwägung nicht benannt werden.
Der Aussetzungsantrag hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 5069/21, soweit Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 in Rede stehen, festzustellen war.
Es steht nämlich im Ergebnis ein so genannter Fall der „faktischen“ Vollziehung in Rede, d.h. einer Vollziehung, die unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs erfolgt,
Nach § 20 Abs. 7 BDSG darf die Aufsichtsbehörde gegenüber einer Behörde oder deren Rechtsträger nicht die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung anordnen.
Dies hat der Antragsgegner im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionrechts dennoch getan, weil er § 20 Abs. 7 BDSG für unanwendbar hält.
Es kann dahinstehen, ob die europarechtlichen Bedenken, die gegen die Regelung des § 20 Abs. 7 BDSG geltend gemacht werden,
Zwar kann gerade bei Rechtsverletzungen im Datenschutzrecht mitunter schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten sein. Im Konfliktfall mag daraus die Unanwendbarkeit der innerstaatlichen Bestimmung bei Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO),
Verordnung Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Abl. L 119),
folgen,
vgl. Schoch, a.a.O.
Dass aber hier ein solcher Konfliktfall vorläge bzw. schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten wäre, ist vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Eine solche Konstellation ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Antragsteller derzeit über einen behördlichen Datenschutzbeauftragten (Herrn C. F. ) verfügt.
Weiter maßgeblich zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Antragsgegner herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 58 Abs. 2 lit. d) DSGVO ohnehin nicht gegeben sind.
Nach der genannten Norm darf die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der DSGVO zu bringen.
„Verarbeitung“ im Sinne der DSGVO meint jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung, Art. 4 Abs. 2 DSGVO.
Dabei stellen die – allenfalls als einschlägig heranzuziehende - Organisation und das Ordnen von Daten Vorgänge dar, durch die Möglichkeiten zur Auffindung und Auswertung dieser Daten vereinfacht oder verbessert werden, etwa indem sie in einer in bestimmter Weise aufgebauten Datei gespeichert werden. Das Ordnen stellt einen Unterfall des allgemeineren Begriffs der Organisation dar; der Begriff des Ordnens stellt auf ein bestimmtes Kriterium ab, nach dem jeweils die Daten geordnet werden (z.B. nach alphabetischer oder numerischer Reihenfolge).
BGH
Urteil vom 11.02.2021
Rechtsberatung durch Architektin
RDG §§ 3 und 5 Abs. 1
Leitsatz des BGH:
Die Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage und die Geltendmachung von mit dem Widerspruchsverfahren zusammenhängenden Kostenerstattungsansprüchen durch eine Architektin stellen keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubten Rechtsdienstleistungen dar, die als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.
BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 227/19 - OLG Koblenz - LG Koblenz
BGH
Urteil vom 10.02.2021 IV ZR 32/20
BGB §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 242; VVG a.F. § 5a; VAG a.F. § 10a Abs. 1 Satz 1; Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F.
Der BGH hat entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Widerspruchsrechts durch einen Versicherungsnehmer vorliegen kann, wenn dieser eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse nutzt.
Leitsatz des BGH:
Zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts, wenn in der Verbraucherinformation gemäß § 10a VAG a.F. die Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds verneint wird.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV ZR 32/20 - LG Köln - AG Köln
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Mobilfunkkunden unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht haben. Zudem hat das Gericht entschieden, dass die Ankündigung einer Anschlusssperre per Textform erfolgen kann.
Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:
Handy-Kunden haben unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht
Bei einseitigen Preiserhöhungen durch den Mobilfunkanbieter haben Kunden stets - auch bei Erhöhungen unter 5 % - ein Widerspruchsrecht. Die Androhung einer Sperre für den Fall eines Zahlungsverzugs mit mindestens 75 € kann auch in Textform erfolgen, entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichten Urteil.
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen, die Beklagte ist eine Mobilfunkanbieterin. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Ziff. 7 der AGBs berechtigt die Beklagte, „unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften“ den Anschluss zu sperren, wenn der Kunde mit einem Betrag von mindestens 75 € in Verzug ist und sie die Sperrung zwei Wochen vorher in Textform einschließlich eines Hinweises auf Rechtschutzmöglichkeiten angedroht hat. Nach Ziff. IX.6. kann der Kunde einer Preiserhöhung der Beklagten widersprechen, wenn die Erhöhung mehr als 5 % des bis zum Zeitpunkt der Erhöhung geltenden Preises beträgt. Der Kläger hält beide Klauseln für unwirksam.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt, soweit es die Form der Androhung der Sperre (in Textform) und den Widerspruch des Kunden bei Preiserhöhungen betraf. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.
Zu Unrecht habe das Landgericht die Klausel beanstandet, wonach eine Sperre in Textform angedroht werden kann, entschied das OLG. Die einfache Textform sei hier nicht zu beanstanden. Mit dem Erfordernis der Textform gebe die Beklagte vielmehr die Rechtslage wieder, „wie sie bei richtiger Auslegung des in § 45k TKG bestimmten Gebots, dass die Sperre „schriftlich“ angedroht werden muss, ohnehin besteht“, begründet das OLG seine Entscheidung. „Schriftlich“ bedeute nicht „Schriftform“ im Sinne von § 126 BGB. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzesgeschichte. Die Notwendigkeit der Androhung diene zudem allein der Information des Kunden. Dieser Zweck werde „durch eine papiergebundene Mitteilung ebenso sicher erfüllt wie durch eine auf einem elektronischen Datenträger dauerhaft verfügbare und lesbare Erklärung, insbesondere also durch eine E-Mail,“ stellt das OLG fest.
Zu Recht sei die Beklagte jedoch verurteilt worden, es zu unterlassen, den Kunden im Falle einer Preiserhöhung ein Widerspruchsrecht erst ab einer Preiserhöhung über 5 % zu gewähren. Den Kunden müsse vielmehr bei jeder einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen - hier in Form einer Preiserhöhung - ein Widerrufsrecht zugestanden werden. Dies folge aus der sog. Universaldienste Richtlinie der EU (Art. 20 Abs. 2 RL 2002/2 20/EG in der Fassung RL 2009/135/EG). Auf die Frage, ob es sich um eine „wesentliche“ Preiserhöhung handele, komme es damit nicht an. Im Übrigen sei eine Preiserhöhung von 5 % nicht wenig und könne für manchen Kunden erheblich sein.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH zugelassen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.04.2020, Az.: 1 U 46/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.02.2019, Az. 2/24 O 99/18)
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) 1Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. 2Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
§ 126 b Textform
1Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. 2Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
1.es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2.geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, auch die Anlagen im Parteibetrieb zugestellt werden müssen. Andernfalls ist die einstweilige Verfügung nach Ablauf der Vollziehungsfrist aufzuheben.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. In dem Widerspruchsverfahren hätte die Antragsgegnerin obsiegt, da die einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 II ZPO nicht ordnungsgemäß vollzogen wurde. Dies führt dazu, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben gewesen wäre. Die Kosten sind daher der Antragstellerin aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 1998, 330; Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.68).
a) Gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller die von ihm im Beschlusswege erwirkte einstweilige Verfügung dem Antragsgegner im Parteibetrieb zustellen zu lassen. Dazu hat er das zuzustellende Schriftstück dem mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollzieher zu übergeben (§ 192 Abs. 1 und 2 ZPO). Hierfür kann eine Ausfertigung des Beschlusses (§ 329 Abs. 2 ZPO) oder eine vom Gericht beglaubigte Abschrift (§ 329 Abs. 1 Satz 2, § 317 Abs. 2 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO) verwendet werden (BGH WRP 2019, 767 Rn. 11). Im Streitfall hat die Antragstellerin eine Ausfertigung beantragt. Ausfertigungen enthalten regelmäßig weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe (§ 317 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO). Gleichwohl muss das zugestellte Schriftstück die einstweilige Verfügung vollständig und leserlich wiedergeben (Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.62).
b) Die wirksame Vollziehung einer Unterlassungsverfügung, die - wie hier - bereits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen ist, erfordert, dass der Schuldner Umfang und Inhalt des Verbotes zweifelsfrei ermitteln kann. Aus diesem Grund wird eine ohne Begründung versehene Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, nur dann wirksam vollzogen, wenn dem Schuldner neben dem Beschluss selbst auch zumindest diejenigen Anlagen zugestellt werden, die Aufschluss über den Inhalt und die Reichweite des Verbots geben können. Hierzu gehören in jedem Fall Anlagen, auf die im Verbotstenor verwiesen wird, sowie in der Regel auch die Antragsschrift, die in Ermangelung einer Beschlussbegründung zur Ermittlung des Verbotskerns herangezogen werden kann. Ob darüber hinaus die Zustellung weiterer Anlagen für eine wirksame Vollziehung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Schuldner ihnen weitere Anhaltspunkte über Inhalt und Umfang des ausgesprochenen Verbots entnehmen kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 8.6.2017 - 6 U 2/17 -, juris; Beschl. v. 1.6.2011 - 6 W 12/11 -, Rn. 7, juris)
c) Die Beschlussverfügung vom 16.8.2019 enthält keine Begründung, sondern verweist auf beigefügte Schriftstücke. Diese Vorgehensweise entspricht der Üblichkeit. Im Streitfall besteht jedoch eine Unklarheit, weil nicht genau bezeichnet wurde, auf welchem konkreten Schriftsatz und wie vielen Anlagen der Beschluss beruht. Im Anschluss an den Tenor heißt es lediglich, der Beschluss beruhe auf dem Sachvortrag „in dem beigefügten Schriftsatz nebst Anlagen“. Es folgt außerdem eine Auflistung der angewandten Vorschriften. Da die Antragstellerin mehrere Schriftsätze zur Begründung des Verfügungsbegehrens eingereicht hat, ist nicht eindeutig erkennbar, auf welche Schriftstücke sich der Beschluss stützt. Bei dieser Sachlage kann von einer wirksamen Vollziehung nur dann ausgegangen werden, wenn die zugestellte Ausfertigung sämtliche Schriftstücke umfasst, auf die sich der Beschluss bei sachgerechter Auslegung bezieht.
d) Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die der Antragsgegnerin im Parteibetrieb zugestellte, mit Band versiegelte Ausfertigung die Antragsschrift nebst Anlagen. Zusätzlich enthielt sie offenbar die Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes vom 22.7.2019 nebst der Anlage Ast8. Nicht enthalten war der gerichtliche Hinweis vom 17.7.2019 sowie die ersten beiden Seiten des Schriftsatzes vom 22.7.2019, mit denen zu dem gerichtlichen Hinweis Stellung genommen wurde. Dies erscheint nicht nur merkwürdig, sondern führt auch dazu, dass Inhalt und Umfang des Verbots nicht eindeutig ermittelt werden konnten.
aa) In der Antragsschrift hat die Antragstellerin den Irreführungsvorwurf allein damit begründet, es sei unzutreffend, dass die „Diamant-Blading“ Methode der Antragsgegnerin „einzigartig“ sei. Dieser Vortrag war - auch nach Ansicht des Landgerichts zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Antragsschrift - unzureichend. Denn es fehlte an Darlegungen, warum der Verkehr die streitgegenständliche, zum Gegenstand des Verbots gemachte Werbeangabe
„Die neue Diamant Blading-Methode eröffnet ganz neue, kreative Möglichkeiten, ein wunderbares, einzigartiges Permanent Make up speziell für Augenbrauen zu kreieren“
in dem Sinn versteht, dass gerade die Methode des „Diamant-Blading“ einzigartig ist. Denkbar war auch eine Auslegung, wonach nur das Ergebnis der Anwendung, also der speziell von der Antragsgegnerin erzeugte Behandlungserfolg einzigartig ist. Das Landgericht hat die Antragstellerin daher darauf hingewiesen, dass sich das Adjektiv „einzigartig“ in der angegriffenen Werbung nicht auf die Methode des „Diamant-Blading“, sondern auf das Ergebnis beziehe. Erst daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.7.2019 dargelegt, dass im Kontext der Werbung das „einzigartige Permanent Make up“ als Synonym für die „Diamant-Blading“-Technik verstanden werde, die zu einer besonders feinen und natürlich wirkenden Härchen-Optik führe. Im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich durch diese Stellungnahme überzeugen ließ und daher die einstweilige Verfügung erlassen hat.
bb) Demgegenüber war aus den übermittelten Unterlagen für die Antragsgegnerin der Verbotsumfang nicht eindeutig ersichtlich. Der Beschlussverfügung waren weder der der gerichtliche Hinweis noch die ersten beiden Seiten der Stellungnahme der Antragstellerin beigefügt. Stattdessen wurden offenbar neben der Antragschrift die weiteren Seiten der Stellungnahme vom 22.7.2019 übermittelt, die eine Hilfsbegründung des Verfügungsantrags enthielten. Dort berief sich die Antragsgegnerin darauf, auch das Ergebnis der Make-up-Methode sei nicht einzigartig, weil die (unterschiedlichen) Gerätschaften der Parteien letztlich zu ganz ähnlichen Behandlungsergebnissen führen würden. Die Antragsgegnerin musste bei dieser Sachlage davon ausgehen, die Werbeangabe sei verboten worden, weil ein einzigartiges Behandlungsergebnis versprochen werde. Das Landgericht wollte der Antragsgegnerin hingegen verbieten, das neue „Diamant-Blading“ als einzigartige Methode zu bewerben.
EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 04.03.2020 C‑61/19
Orange România SA gegen Autoritatea Naţională de Supraveghere a Prelucrării Datelor cu Caracter Personal (ANSPDCP)
Der EuGH-Generalanwalt hat sich mit den Anforderungen an die Wirksamkeit einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO befasst. Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts liegt keine wirksame Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO vor, wenn ein Mobilfunkkunde in einem standardisierten Vertrag handschriftlich die Anfertigung und Speicherung von Ausweiskopien verweigern muss.
Vorschlag des EuGH-Generalanwalts:
Eine betroffene Person, die ein Vertragsverhältnis über die Erbringung von Mobiltelekommunikationsdiensten mit einem Unternehmen einzugehen beabsichtigt, erteilt dem Unternehmen keine „Einwilligung“, d. h. bekundet nicht „ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage“ ihren Willen, im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und von Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), wenn sie auf einem ansonsten standardisierten Vertrag handschriftlich erklären muss, dass sie die Einwilligung in die Anfertigung und Aufbewahrung von Fotokopien ihrer Ausweispapiere verweigert.
Das BPatG hat entschieden, dass zwischen der Wortmarke Rösta und der Wort-/Bildmarke Barösta Kaffebar im Bereich Kaffee - Tee - Kakao keine Verwechslungsgefahr besteht.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Das angesprochen allgemeine Publikum und auch der Handel werden das Markenwort „barösta“ als phantasievollen, einheitlichen Gesamtbegriff mit beschreibendem Anklang zu „barista“ auffassen. Sie haben insgesamt keinen Anlass, sich innerhalb der angegriffenen Marke „barösta“ an der für die hier beanspruchten Kaffeewaren beschreibenden Buchstabenfolge „rösta“ zu orientieren und hierin einen den Gesamteindruck dieser Marke prägenden Bestandteil zu sehen."
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unzumutbare Belästigung durch Zusendung eines persönlich adressierten Werbeschreibens per Post an einen Verbraucher vorliegt, wenn dieser der Zusendung von Werbung zuvor widersprochen hat
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 1 S. 2 UWG zu.
1. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG findet neben § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Anwendung, soweit es um "nicht hartnäckige" Briefwerbung gegenüber Verbrauchern geht (so auch Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7, Rn. 34; Koch in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl. 2016, § 7 UWG, Rn. 192; befürwortend, jedoch unter Hinweis darauf, dass endgültige Klärung noch aussteht: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Aufl. 2019, § 7, Rn. 32a). Das Verhältnis beider Vorschriften ist im Wege richtlinienkonformer Auslegung zu klären. Für eine Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG neben § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG beim Einsatz von Fernkommunikationsmitteln spricht, dass beide Vorschriften unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen, nämlich § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG in richtlinienkonformer Auslegung am Maßstab der Nr. 26 S. 1 Anh. I UGP-RL den Schutz der Verbraucher vor einer Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit und § 7 Abs. 1 S. 2 UWG hingegen den Schutz der privaten Sphäre der Verbraucher.
Gegen eine Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG als Auffangtatbestand spräche allerdings, dass damit auch die einmalige (d.h. nicht "hartnäckige") Verwendung eines sonstigen Fernkommunikationsmittels (z.B. Briefwerbung) erfasst und dadurch faktisch ein höheres Verbraucherschutzniveau geschaffen würde, als es die UGP-RL in Nr. 26 S. 1 Anh. I UGP-RL vorsieht. Ein Wertungswiderspruch lässt sich jedoch dadurch vermeiden, dass bei Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die Interessen der beteiligten Marktteilnehmer unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abgewogen werden (Koch in: Ullmann, a.a.O., § 7 UWG, Rn. 192; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 7, Rn. 32-32b).
Die Beschränkung auf "hartnäckiges" Ansprechen in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG war unionsrechtlich ferner nicht veranlasst (a.A. Begr. RegE UWG 2008, BT-Drucks 16/10145, S 29), weil Nr. 26 S. 1 Anh. UGP-Richtlinie auch die (allerdings 2014 außer Kraft getretene) Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG) unberührt lässt (vgl. hierzu auch Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., § 7, Rn. 34). Art. 10 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie sieht wiederum zwingend vor, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, "dass Fernkommunikationstechniken, die eine individuelle Kommunikation erlauben, mit Ausnahme der in Abs. 1 genannten Techniken, nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Verbraucher ihre Verwendung nicht offenkundig abgelehnt hat" (vgl. auch Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., § 7, Rn. 12).
Daraus folgt, dass nach europarechtlichen Vorgaben bereits die einmalige Zusendung unerwünschter Briefwerbung unzulässig sein kann. Diese Anforderung erfüllt nur § 7 Abs. 1 S. 2 UWG, nicht hingegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, weil letzterer nur die wiederholte (hartnäckige) unerwünschte Briefwerbung verbietet. Demgegenüber kann nach § 7 Abs. 1 S. 2 UWG bereits die einmalige unerwünschte Briefwerbung unlauter sein. Dass Art. 10 Fernabsatzrichtlinie durch Art. 31 der Richtlinie 2011/83 EU mit Wirkung vom 13.06.2014 aufgehoben wurde, hat auf das Verhältnis von § 7 Abs. 1 S. 2 UWG zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG und deren richtlinienkonforme Auslegung keinen Einfluss, weil damit ersichtlich keine Verschlechterung des Verbraucherschutzes einhergehen sollte.
2. Die Klägerin ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (vgl. Anlage K1, Bl. 8a d.A.) und somit aktivlegitimiert. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass - wie noch auszuführen sein wird - im Rahmen der Begründetheitsprüfung des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen ist. Denn durch die Antragsfassung wird ein hinreichender Bezug zum konkreten Einzelfall hergestellt ("wie aus Anlage K2 ersichtlich" und "wie geschehen durch die Verbraucherin …..") und gleichzeitig werden diejenigen Umstände aufgeführt, aus denen sich nach Auffassung des Klägers die (generelle) Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Vorfalls ergibt (vgl. zur Antragsfassung bei unzulässiger Telefonwerbung OLG Frankfurt, WRP 2008, 1272 [OLG Düsseldorf 15.01.2008 - I -20 U 99/07]). Hierdurch wird verhindert, dass anders gelagerte Fälle von dem streitgegenständlichen Verbot erfasst werden.
3. Gemäß § 7 Abs. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, unzulässig. Dies gilt nach § 7 Abs. 1 S. 2 UWG insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
a) Das hier streitgegenständliche Schreiben gemäß der Anlage K2 (Bl. 8b d.A.) ist eine Werbung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2 UWG.
Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a) der Werbe-Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, GRUR 2009, 980 [BGH 20.05.2009 - I ZR 218/07], Rn. 13 - E-Mail-Werbung II; BGH, GRUR 2013, 1259, Rn. 17 - Empfehlungs-E-Mail). Die Definition ist weit und nicht auf die Formen klassischer Werbung beschränkt (BGH, GRUR 2013, 1259 [BGH 12.09.2013 - I ZR 208/12], Rn. 18 - Empfehlungs-E-Mail; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 2, Rn. 15).
Die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 UWG bezieht sich aber nur auf Werbung, durch die ein Marktteilnehmer angesprochen wird. Der Inhalt dieses Begriffs ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des Ansprechens in § 7 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Es muss sich lediglich um eine Individualwerbung handeln (ebenso Sosnitza, GRUR 2003, 739 (744)). Angesprochen im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG ist ein einzelner Marktteilnehmer also bereits dann, wenn ihm die Werbung in einer Weise nahegebracht wird, die seine private oder geschäftliche Sphäre berührt, auch wenn er nicht persönlich als potenzieller Kunde angesprochen wird (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 7, Rn. 33).
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien ist das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten (vgl. Anlage K2, Bl. 8b d.A.) eine Individualwerbung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2 UWG. Denn es dient der Förderung des Absatzes der von der Beklagten angebotenen Bankdienstleistung der Führung eines Girokontos und ist namentlich an Frau ….. adressiert.
b) Die Adressatin der streitgegenständlichen Werbung, Frau ….., ist eine Verbraucherin und somit ein Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Nr. 2 UWG.
c) Auch war die Werbung vom 01.03.2017 für die Beklagte aufgrund der bereits am 12.01.2017 an die Beklagte übersandten E-Mail (K3, Bl. 8 c d.A.), mit welcher Frau …… die Beklagte aufforderte, ihr keine Werbung mehr zuzusenden, erkennbar unerwünscht.
d) Die Zusendung des Werbeschreibens stellt auch eine unzumutbare Belästigung dar. Belästigend sind solche Auswirkungen einer geschäftlichen Handlung, die bereits wegen der Art und Weise des Herantretens an andere Marktteilnehmer, unabhängig vom Inhalt der Äußerung, von den Adressaten als Beeinträchtigung ihrer privaten oder beruflichen Sphäre empfunden werden. Unzumutbar ist eine Belästigung, die eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab eines durchschnittlich empfindlichen Adressaten zu Grunde zulegen und eine Abwägung zwischen den Interessen des betroffenen Marktteilnehmers und des handelnden Unternehmens vorzunehmen ist (BGH, 2011, 1054, Rn. 17 - Kreditkartenübersendung; OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2012 - 6 U 199/11, Rn. 20 m.w.N.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Zusendung von erkennbar unerwünschter Briefwerbung, anders als in den Fällen des § 7 Abs. 2 UWG, nicht per se zu einer unzumutbaren Belästigung der Verbraucher führt. Vielmehr ist - auch zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs zu den Vorgaben der UGP-RL in Nr. 26 S. 1 Anh. I (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 7, Rn. 91d) - zu prüfen, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels des § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG bei einer Abwägung der betroffenen Interessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls ausnahmsweise entfällt (Koch in: Ullmann, a.a.O., § 7, Rn. 192; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 7, Rn. 32a; Sosnitza, WRP 08, 1014, 1034). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Unzumutbarkeit durch den Widerspruch des Adressaten indiziert wird. Allerdings erlaubt § 7 Abs. 1 UWG eine differenzierende Beurteilung von "Ausreißern" (Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., § 7, Rn. 28). Denn "Ausreißer" stellen keine hartnäckige Ansprache im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar und auch unter § 7 Abs. 1 S. 2 UWG sind sie zu tolerieren, wenn der Werbende ausreichende Vorkehrungen getroffen hat (so zu § 1 a.F. BGH, GRUR 92, 617, 618 [BGH 30.04.1992 - I ZR 287/90] - Briefkastenwerbung; Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., § 7, Rn. 38-40; LG Dortmund, BeckRS 2016, 119869, Rn. 8 ff.).
Die Interessenabwägung führt hier zu einem Vorrang der Interessen der Frau……….
In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend aufgrund der E-Mail der Frau …… vom 12.02.1017 (K3, Bl. 8c d.A.) um einen Fall der erkennbar unerwünschten Werbung handelt, was zu einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG und nicht des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG führt. Dies hat erhebliche Auswirkung auf die Gewichtung des Interesses der Frau ….. einerseits, als Adressatin von Werbung verschont zu werden, und andererseits des Interesses der Beklagten, als werbendes Unternehmen, ihre gewerblichen Leistungen zur Geltung zu bringen. Denn nur dann, wenn kein Fall der erkennbar unerwünschten Werbung vorliegt, ist persönlich adressierte Werbung grundsätzlich nicht als unzumutbar einzustufen, weil der Grad der Belästigung des Empfängers als gering einzuschätzen ist, während das Interesse des werbenden Unternehmens an einer persönlichen Ansprache zumindest von einigem Gewicht ist (vgl. BGH, GRUR 2011, 747 [BGH 03.03.2011 - I ZR 167/09], Rn. 19 - Kreditkartenübersendung; BGH, GRUR 1973, 552, 553 - Briefwerbung). Ist hingegen - wie hier - ein Widerspruch gegen den Erhalt der Werbung gegeben, so wird die Unzumutbarkeit im Grundsatz durch den Widerspruch des Adressaten indiziert (Ohly/Sosnitza/Ohly, a.a.O., § 7, Rn. 28).
Soweit die Beklagte sich demnach auf die Ausführungen von Köhler in Köhler/Bornkamm/Köhler a.a.O. unter § 7, Rn. 22 und 24 bezieht und betont, dass die Anforderungen an die Unzumutbarkeit geringer seien, wenn die Werbung in Gestalt eines unerbetenen persönlichen Kontakts erfolge und eine Unzumutbarkeit in der Regel nur bei einem Eingriff der Werbung in die Intimsphäre vorliege, so verfängt dies schon deshalb nicht, weil sich die von Köhler im vorgenannten Abschnitt genannten Beispiele auf den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG beziehen, welcher - wie gezeigt - von einer im Grundsatz anderen Gewichtung der Interessen des Werbenden und des Adressaten ausgeht, als der hier einschlägige § 7 Abs. 1 S. 2 UWG. Aus demselben Grunde scheidet eine unzumutbare Belästigung vorliegend schon nicht deshalb aus, weil das Werbeschreiben gemäß der Anlage K2 (Bl. 8b d.A.) als Dialogpost gekennzeichnet und auch nach Öffnen des Umschlags auf den ersten Blick als Werbung erkennbar war.
Auch ist es nicht zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass Frau …….. ursprünglich mit der Übersendung von Werbung einverstanden war und Ihre Adresse zum Zwecke dessen der Beklagten mitgeteilt hat. Denn durch die E-Mail gemäß Anlage K3 (Bl. 8 c d.A.) hat Frau ….. unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie künftig keine Werbung der Beklagten mehr wünscht, was sich im Rahmen der Interessenabwägung klar zu Lasten der Beklagten auswirkt.
Ferner liegt hier - anders als in dem vom Landgericht Dortmund am 22.12.2016 (Az. 3 O 110/16, BeckRS 2016, 119869) entschiedenen Fall (vorgelegt als Anlage B2, Bl. 44 d.A.) - kein sogenannter "Ausreißer" vor, welcher im Rahmen des § 7 Abs. 1 S. 2 UWG zu tolerieren wäre. Anders als dort liegt nämlich kein Fall der sogenannten Briefkastenwerbung, also des Einwurfs von nichtadressiertem oder teiladressiertem (z.B. "an alle Bewohner der Straße x") Werbematerial in die Briefkästen der Empfänger (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O. § 7, Rn. 91a) vor, sondern ein Fall der adressierten Briefwerbung. Dies hat zur Folge, dass es dem Werbenden leichter möglich ist, ein System vorzuhalten, welches effektiv und zuverlässig verhindert, dass - wie auch hier - konkret adressierte Briefwerbung nicht in die Briefkästen derjenigen gelangt, die dem Erhalt von Werbung konkret widersprochen haben. Anders als im Falle der sogenannten Briefkastenwerbung ist der Werbende nämlich nicht davon abhängig, dass eine Vielzahl von Personen - die gegebenenfalls sogar außerhalb seines Unternehmens tätig sind (wie z.B. Briefträger) - sich an einen an dem jeweiligen Briefkasten des Adressaten angebrachten Sperrvermerk oder Ähnliches halten. Im Falle der - wie hier - individuell adressierten Werbung hat der Webende vielmehr die Möglichkeit schon durch entsprechende Vorkehrungen in seinem Unternehmen dafür zu sorgen, dass entsprechende Werbung nicht an solche Empfänger adressiert und versendet wird, die dem Erhalt von Werbung widersprochen haben.
Hier hat die Beklagte jedoch ersichtlich keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Fälle wie den Vorliegenden zu verhindern. Bei der händischen Erfassung kann es (aufgrund menschlichen Versagens) zu diversen Fehlern (Nichterfassung, Schreibfehler etc.) kommen. Diesem Risiko hätte die Beklagte jedoch ohne weiteres entgegenwirken können, z.B. durch die Einführung eines "4-Augen-Prinzips" oder - wie zwischenzeitlich geschehen - die Umstellung auf die elektronische bzw. automatisiert maschinelle Erfassung. Tut sie dies nicht, so kann dies - selbst wenn es sich vorliegend um einen Einzelfall handeln sollte, in welchem unerwünschte Werbung verschickt wurde - im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu Lasten des Adressaten der Werbung gehen und in der Folge einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 S. 2 UWG ausschließen. Zumal das generelle Zugestehen eines solchen "Freischusses" der Indizwirkung des Regelbeispiels des § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG entgegenstehen würde."
Das LG Nürnberg hat entschieden, dass die Datenschutzbestimmunen des Freundschaftsportals StayFriends in Teilen unzulässig und zugleich Widersprüchlich sind. Zudem sah der Anmeldevorgang vor, dass die Option für die Einwilligung dafür, dass die Daten des Nutzers in Suchmaschinen und auf Drittseiten veröffentlicht werden, voreingestellt war, so dass der Nutzer diese Option hätte abwählen müssen. Die Einwilligung muss aber durch ein aktives Handeln des Nutzers erfolgen.
Jedes Jahr werden zur Weihnachtszeit und zum Jahresende zahlreiche gerichtliche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten verschickt. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.
Tipp: Wer einen gerichtlichen Mahnbescheid erhält, sollte Ruhe bewahren. Auch wer bislang noch keinen anwaltlichen Rat eingeholt hatte, sollte sich juristisch beraten lassen. Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat.
Die Widerspruchsfrist gegen den Mahnbescheid beträgt 14 Tage. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden. Andernfalls wird die Sache rechtskräftig, auch wenn an sich kein Anspruch besteht.
Wie immer zum Ende des Jahres werden zur Weihnachtszeit zahlreiche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten verschickt. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.
Tipp: Wer einen Mahnbescheid erhält, sollte Ruhe bewahren. Auch wer bislang noch nicht anwaltlich beraten wird, sollte sich juristisch beraten lassen.
Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat. Gerade in Filesharing-Angelegenheiten geschieht nach einem fristgemäßen Widerspruch häufig nichts mehr.
Dabei gilt es die 14tägige Widerspruchsfrist einzuhalten. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden.
Wie immer zum Ende des Jahres werden derzeit zahlreiche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten erlassen. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.
Tipp: Flattert ein Mahnbescheid ins Haus so gilt es, Ruhe zu bewahren. Auch wer bislang noch nicht anwaltlich beraten wird, sollte sich juristisch beraten lassen.
Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat. Gerade in Filesharing-Angelegenheiten geschieht nach einem fristgemäßen Widerspruch häufig nichts mehr.
Dabei gilt es die 14tägige Widerspruchsfrist einzuhalten. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden.