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EuG: Bekanntheit einer Marke wird schrittweise erworben und geht schrittweise verloren - Joyful by nature

EuG
Urteil vom 24.04.2024
T-157/23
Kneipp / EUIPO – Patou (Joyful by nature)


Das EuG hat entschieden, dass die Bekanntheit einer Marke schrittweise erworben wird und schrittweise verloren geht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unionsmarken: Das Gericht bestätigt, dass die Bekanntheit einer Marke im Allgemeinen schrittweise erworben wird und schrittweise verloren geht

Im November 2019 meldete die Kneipp GmbH (Kneipp), ein deutsches Unternehmen für kosmetische Mittel, beim EUIPO das Wortzeichen „Joyful by nature“ als Unionsmarke an. Die angemeldete Marke erfasste vor allem kosmetische Mittel, Duftkerzen und Marketing-Dienstleistungen. Im Juli 2020 legte das Maison Jean Patou, ein französisches Unternehmen für Luxuswaren (vor allem Mode und Parfüms), Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke ein. Das EUIPO gab dem Widerspruch teilweise statt und stellte fest, dass die Marke „JOY“ in einem wesentlichen Teil der Union große Wertschätzung genieße, die der Inhaber der angemeldeten Marke angesichts der Ähnlichkeit der beiden Marken in unlauterer Weise ausnutzen könnte.

Kneipp hat beim Gericht der Europäischen Union Klage gegen die Entscheidung des EUIPO erhoben.

Das Gericht weist diese Klage ab.

Das Gericht stellt fest, dass die Marke „JOY“ in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets, insbesondere in Frankreich, für Parfümeriewaren und Parfüms Wertschätzung genießt. Diese Marke hat in der Vergangenheit einen hohen Bekanntheitsgrad erworben, der, selbst wenn man annähme, dass er über die Jahre abgebaut haben mag, noch zum Zeitpunkt der Anmeldung der angemeldeten Marke vorlag, so dass bis zu diesem Zeitpunkt eine gewisse „Restbekanntheit“ überdauern konnte. Des Weiteren äußert sich das Gericht zur Beweislast für die Bekanntheit und weist darauf hin, dass ein einige Zeit vor oder nach dem Anmeldetag der in Rede stehenden Marke erstelltes Dokument sachdienliche Hinweise enthalten kann, wenn man berücksichtigt, dass die Bekanntheit einer Marke im Allgemeinen schrittweise erworben wird. Es stellt klar, dass die gleichen Erwägungen für den Verlust einer solchen Bekanntheit gelten, die im Allgemeinen ebenfalls schrittweise verloren geht. Da keine konkreten Beweise dafür vorliegen, dass die Bekanntheit, die die ältere Marke im Lauf von vielen Jahren schrittweise erlangt hat, im letzten geprüften Jahr plötzlich verschwunden ist, war die Marke „JOY“ zum maßgeblichen Zeitpunkt noch bekannt.

Das Gericht bestätigt auch, dass die ältere Marke eine ihre Eintragung rechtfertigende Unterscheidungskraft besitzt, dass sie der angemeldeten Marke ähnlich ist und dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die beiden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Unter diesen Umständen besteht aber die Gefahr, dass der Inhaber der angemeldeten Marke den Ruf der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen könnte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Paderborn: Widerspruch gegen weitere Zusendung von Werbung per E-Mail muss vom Versender sofort umgesetzt werden

LG Paderborn
Urteil vom 12.03.2024
2 O 35/23


Das LG Paderborn hat entschieden, dass ein Widerspruch gegen die weitere Zusendung von Werbung per E-Mail vom Versender sofort umgesetzt werden muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Letztlich kann aber dahinstehen, ob die Beklagte einen hinreichenden Werbehinweis gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG erteilt hat, da das anwaltliche Schreiben vom 14.09.2023 jedenfalls als Widerspruch im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG gegen (weitere) Werbe-E-Mails zu verstehen war.

Die Verwendung der Adresse für die eigene Direktwerbung des Unternehmers ist ausgeschlossen, wenn der Kunde ihrer Verwendung zu Werbezwecken widersprochen hat. Der Widerspruch gegen die Verwendung der elektronischen Postadresse zum Zwecke der Übersendung von Werbung nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist formlos möglich und setzt nicht voraus, dass der Kunde selbst bestimmte Einstellungen im “Kundenverwaltungssystem” des Unternehmens tätigt.

Hat der Beworbene einer Werbung mittels elektronischer Post wirksam iSd § 7 Abs. 3 Nr. 3 widersprochen, so ergibt sich die Unzulässigkeit der Werbung, weil dem Unternehmer der entgegenstehende Wille des Beworbenen dann erkennbar ist.

Soweit sich die Beklagte hiernach gem. Art. 12 Abs. 3 DSGVO eine Bearbeitungsdauer von bis zu einem Monat ausbedingen will, kann sie damit nicht durchdringen.

Art. 21 Abs. 3 DSGVO stellt klar, dass nach Widerspruch gegen die Verarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung, die Daten für diese Zwecke nicht mehr verarbeitet werden dürfen. Art. 12 Abs. 3 DSGVO sieht hingegen lediglich eine Bearbeitungsdauer von bis zu einem Monat für die Bereitstellung von Informationen vor; nicht für die Umsetzung des Widerspruchs. Ein datenschutzrechtliches Informationsrecht nimmt die Klägerin aber nicht für sich in Anspruch.

Der Verwender ist gehalten, den Widerspruch umgehend zu respektieren, d.h., dass die Umsetzung unverzüglich zu erfolgen hat. Diesem Maßstab hat die Beklagte nicht genügt. Nach dem Werbewiderspruch vom 14.09.2023 hat die Beklagte noch 5 (weitere) Werbe-E-Mails an die Klägerin versandt.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass eine bereits angelaufene Werbeaktion nicht mehr gestoppt werden könne. Wenn durch die Betätigung des Abmeldelinks die Zusendung weiterer Werbe-E-Mails verhindert werden kann, dann muss dieses für die Beklagte nach Eingang des Widerspruchs erst Recht – unverzüglich - möglich sein. Die durch die Beklagte zu Rate gezogene Orientierungshilfe der DSK zur Umsetzungsfrist des Werbewiderspruchs nach Art. 21 Abs. 3 DSGVO bezieht sich unzweifelhaft auf postalische Werbung. Ein

Bearbeitungszeitraum hinsichtlich des Werbewiderspruchs in Bezug auf E-Mail-Werbung kann daraus nicht abgeleitet werden.

Der entscheidende Referenzrahmen für die Beklagte war nicht, dass diese nach Betätigung des Abmeldelinks durch die Klägerin am 26.09.2023, den Stopp weiterer Werbe-E-Mails bis zum 04.10.2023 umsetzte, sondern inwieweit die Beklagte auf den Widerspruch vom 14.09.2023 tätig geworden ist. Die Umsetzung des Werbewiderspruchs vom 14.09.2023 war auf vor dem Hintergrund der selbst skizierten Anforderungen der Beklagten unzureichend. Insbesondere die Zusendung von insgesamt drei (weiteren) Werbe-E-Mails nach Betätigung des Abmeldelinks ist mit einer zügigen Umsetzung des Werbewiderspruchs nicht in Einklang zu bringen.

Da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG nicht vorliegen und die Klägerin der Zusendung (weiterer) Werbe-E-Mails widersprochen hat, war im Unterlassungstenor auch keine Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass Bestandskundenwerbung grds. erlaubt ist.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten der Beklagten indiziert. (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. VI ZR 721/15). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Beklagte nach den Feststellungen der Kammer abgelehnt.

Die Klägerin kann auch die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten iHv 652,60 € von der Beklagten verlangen.

Der Verletzte, der seinen Unterlassungsanspruch auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2

BGB stützt, hat einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet war. Lässt sich der Verletzte bei der Abmahnung anwaltlich vertreten, so hat der Verletze die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu tragen, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen einen deliktsrechtlichen Tatbestand ist nur dann nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügt (vgl. BGH, Urt. v. 12.09. 2013 – I ZR 208/12 = GRUR 2013, 1259).


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LG Augsburg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung - Aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

LG Augsburg
Urteil vom 06.10.2023
081 O 1161/23


Das LG Augsburg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zu einer Preiserhöhung darstellt und eine entsprechende Regelung als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1,S.2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.

Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben - ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig — nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.

Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, 8 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden.


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BGH: Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. bei fehlender oder fehlerhafter Widerspruchsbelehrung kann gegen Treu und Glauben verstoßen

BGH
Urteil vom 19.07.2023
IV ZR 268/21
BGB §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 242
VVG vom 21. Juli 1994 § 5a Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. bei fehlender oder fehlerhafter Widerspruchsbelehrung gegen Treu und Glauben verstoßen kann.

Leitsätze des BGH:
a) Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteile vom 24. Februar 2022, u.a. [Unit-Linked-Versicherungsverträge], C-143/20 und C-213/20,EU:C:2022:118 = NJW 2022, 1513; vom 9. September 2021, Volkswagen
Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736 = NJW 2022, 40; vom 19. Dezember 2019, Rust-Hackner u.a., C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, EU:C:2019:1123 = NJW 2020, 667) daran fest, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG (hier in der Fassung vom 21. Juli 1994) auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung ausnahmsweise Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und damit unzulässig sein kann, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (Fortführung des Senatsurteils vom 15. März 2023 - IV ZR 40/21,
VersR 2023, 631 Rn. 21).

b) Zum Einwand von Treu und Glauben ist keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geboten (Fortführung des Senatsurteils vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, r+s 2023, 298 Rn. 27 ff.).

BGH, Urteil vom 19. Juli 2023 - IV ZR 268/21 - OLG Karlsruhe in Freiburg - LG Freiburg

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BGH: Gegen unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde in Markenlöschungsverfahren kann nur Verfassungsbeschwerde eingelegt werden

BGH
Beschluss vom 01.06.2023
I ZB 65/22
Silver Horse / Power Horse
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 6


Der BGH hat entschieden, dass gegen die unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde in Markenlöschungsverfahren nur Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann.

Leitsätze des BGH:
a) Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt keinen Begründungsmangel dar und kann deshalb nicht mit Erfolg gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

b) Für das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden.

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2023 - I ZB 65/22 - Bundespatentgericht

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BGH: Schuldner einer Beschlussverfügung muss binnen 2 Wochen über Entschluss zum Widerspruch informieren - andernfalls sind Kosten eines Abschlussschreibens erstattungsfähig

BGH
Urteil vom 09.02.2023
I ZR 61/22
Kosten für Abschlussschreiben III
BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 677, 683 Satz 1; UWG § 13 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass der Schuldner einer Beschlussverfügung den Gläubiger im Regelfall binnen 2 Wochen über seinen Entschluss zum Widerspruch informieren muss. Andernfalls sind die Kosten eines Abschlussschreibens erstattungsfähig.

Leitsatz des BGH:
Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

BGH, Versäumnisurteil vom 9. Februar 2023 - I ZR 61/22 - OLG Düsseldorf - LG Wuppertal

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BGH: Vorausgegangener Vortrag kann als Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite zu werten sein

BGH
Beschluss vom 21.06.2022
VIII ZR 285/21
ZPO § 138 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass vorausgegangener Vortrag als Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite zu werten sein kann.

Leitsatz des BGH:
Auch in einem vorausgegangenen Vortrag der Partei kann ein Bestreiten nachfolgender Behauptungen der Gegenseite liegen, wenn jener Vortrag diesen Behauptungen widerspricht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 15. Mai 2001 - VI ZR 55/00, NJW-RR 2001, 1294 unter II 1).

BGH, Beschluss vom 21. Juni 2022 - VIII ZR 285/21 - LG Berlin - AG Mitte

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LG Frankfurt: Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern sind Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG

LG Frankfurt
Beschluss vo 19.05.2022
2-03 O 94/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit ist nach § 98 ZPO auf Antrag der Antragsgegnerin an die Kammer für Handelssachen zu verweisen.

Der Antrag gehört nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) GVG (ggf. in analoger Anwendung) vor die Kammer für Handelssachen. Handelssachen sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch aus den „Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen sowie der eingetragenen Designs beziehen“, geltend gemacht wird. Es ist davon auszugehen, dass auch Ansprüche, die ihre Grundlage auf ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach der VO (EG) Nr. 6/2002 (nachfolgend: GGV) haben, als Handelssachen anzusehen sind. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen. Denn die Begriffe „Design“ und „Geschmacksmuster“ sind synonym zu verstehen. Dies ergibt bereits die Gegenüberstellung der entsprechenden Definitionen in § 1 DesignG und Art. 3 Buchst. a) GGV. In § 1 DesignG (bzw. § 1 GeschmMG a.F.) wird bzw. wurde in Nr. 1 ein „Design“ (bzw. ein „Muster“) als „die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt“, definiert. Nach Art. 3 Buchst. a) GGV ist ein Geschmacksmuster „die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt“. Dass es zwischen den beiden Begriffen einen Unterschied geben soll, ist nicht ersichtlich. So gesehen kann auch ein Anspruch aus einem eingetragen Gemeinschaftsgeschmacksmuster grundsätzlich als ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis, das sich auf den Schutz der eingetragenen Designs bezieht, subsumiert werden. Denn der Wortlaut des GVG stellt nicht auf die Begrifflichkeiten wie „Designstreitsache“ oder „Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsache“ ab. Im Übrigen wird – insbesondere zur historischen Auslegung – auf den Beitrag Bomba, GRUR-Prax 2014, 452 ff. verwiesen, den sich die Kammer zu eigen macht.

Der Verweisungsantrag ist nach § 101 GVG rechtzeitig gestellt worden. Da die Antragsgegnerin bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht angehört worden ist, ist der Verweisungsantrag mit dem Widerspruch rechtzeitig.




VG Köln: Anordnung der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch Datenschutzbehörde jedenfalls nach summarischer Prüfung unzulässig

VG Köln
Beschluss vom 10.11.2021
13 L 1707/21


Das VG Köln hat entschieden, dass die Anordnung der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch di Datenschutzbehörde jedenfalls nach summarischer Prüfung unzulässig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der zulässige – sinngemäß gestellte - Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),Gründe

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (13 K 5069/21) gegen Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung des Antragsgegners vom 27. September 2021wiederherzustellen,

hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Form Erfolg.

Dabei ist zunächst die Anordnung der sofortigen Vollziehung schon formell rechtswidrig. Insoweit genügt bereits die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 27. September 2021 nicht den maßgeblichen Anforderungen.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet; er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle und ermöglicht gleichzeitig bei der eigenständig vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung das Erkennen der gegebenenfalls maßgeblichen Parameter.

Notwendig ist dafür eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Insbesondere muss die Vollziehbarkeitsanordnung erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes genügen nicht. Ebenso wenig reicht es aus, dass sich die Begründung erst aus dem Gesamtzusammenhang eines Bescheids ermitteln lässt, sofern nicht ausnahmsweise die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist vielmehr gesondert zu begründen. Aus ihr muss hervorgehen, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt,

vgl. nur Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rdn. 247 m.w.N.

Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die Begründung des Sofortvollzuges der Ziffer 2 und 3 in der angegriffenen Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht:

Zwar wird aus der Begründung, die sich ausführlich zu der abstrakten Frage verhält, ob die Aufsichtsbehörde überhaupt – entgegen § 20 Abs. 7 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) - die sofortige Vollziehung gegenüber einer Behörde anordnen darf, hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist. In der Folge werden in der Begründung jedoch keinerlei konkrete Umstände des Einzelfalles in den Blick genommen. Zudem wird sodann lediglich einseitig das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung hervorgehoben, ohne dass eine Abwägung mit den Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgte. Etwaige Interessen des Antragstellers werden vielmehr nicht einmal bezeichnet.

Dieses Vorgehen genügt nach den aufgezeigten Maßstäben nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil bereits die Parameter für die Interessenabwägung nicht benannt werden.

Der Aussetzungsantrag hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 5069/21, soweit Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 in Rede stehen, festzustellen war.

Es steht nämlich im Ergebnis ein so genannter Fall der „faktischen“ Vollziehung in Rede, d.h. einer Vollziehung, die unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs erfolgt,

vgl. hierzu: W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 80 Rdn. 20.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 20 Abs. 7 BDSG darf die Aufsichtsbehörde gegenüber einer Behörde oder deren Rechtsträger nicht die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung anordnen.

Dies hat der Antragsgegner im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionrechts dennoch getan, weil er § 20 Abs. 7 BDSG für unanwendbar hält.

Es kann dahinstehen, ob die europarechtlichen Bedenken, die gegen die Regelung des § 20 Abs. 7 BDSG geltend gemacht werden,

vgl. hierzu statt Vieler: Schoch, a.a.O., § 80 Rdn. 222a,

zutreffen:

Zwar kann gerade bei Rechtsverletzungen im Datenschutzrecht mitunter schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten sein. Im Konfliktfall mag daraus die Unanwendbarkeit der innerstaatlichen Bestimmung bei Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO),

Verordnung Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Abl. L 119),

folgen,

vgl. Schoch, a.a.O.

Dass aber hier ein solcher Konfliktfall vorläge bzw. schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten wäre, ist vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Eine solche Konstellation ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Antragsteller derzeit über einen behördlichen Datenschutzbeauftragten (Herrn C. F. ) verfügt.

Weiter maßgeblich zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Antragsgegner herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 58 Abs. 2 lit. d) DSGVO ohnehin nicht gegeben sind.

Nach der genannten Norm darf die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der DSGVO zu bringen.

„Verarbeitung“ im Sinne der DSGVO meint jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung, Art. 4 Abs. 2 DSGVO.

Dabei stellen die – allenfalls als einschlägig heranzuziehende - Organisation und das Ordnen von Daten Vorgänge dar, durch die Möglichkeiten zur Auffindung und Auswertung dieser Daten vereinfacht oder verbessert werden, etwa indem sie in einer in bestimmter Weise aufgebauten Datei gespeichert werden. Das Ordnen stellt einen Unterfall des allgemeineren Begriffs der Organisation dar; der Begriff des Ordnens stellt auf ein bestimmtes Kriterium ab, nach dem jeweils die Daten geordnet werden (z.B. nach alphabetischer oder numerischer Reihenfolge).

vgl. Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DSGVO Art. 4 Abs. 2 Rdn. 23.

Dass die (Ab-)Berufung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten hierunter fallen könnte, ist nicht ersichtlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Unzulässige Rechtsberatung einer Architektin durch Vertretung der Grundstückseigentümer in Widerspruchsverfahren gegen abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage

BGH
Urteil vom 11.02.2021
Rechtsberatung durch Architektin
RDG §§ 3 und 5 Abs. 1


Leitsatz des BGH:
Die Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage und die Geltendmachung von mit dem Widerspruchsverfahren zusammenhängenden Kostenerstattungsansprüchen durch eine Architektin stellen keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubten Rechtsdienstleistungen dar, die als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 227/19 - OLG Koblenz - LG Koblenz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Widerspruchsrechts bei bloß formal bestehender Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse des Versicherungsnehmers

BGH
Urteil vom 10.02.2021
IV ZR 32/20
BGB §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 242; VVG a.F. § 5a; VAG a.F. § 10a Abs. 1 Satz 1; Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F.


Der BGH hat entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Widerspruchsrechts durch einen Versicherungsnehmer vorliegen kann, wenn dieser eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse nutzt.

Leitsatz des BGH:
Zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts, wenn in der Verbraucherinformation gemäß § 10a VAG a.F. die Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds verneint wird.

BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV ZR 32/20 - LG Köln - AG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Mobilfunkkunden haben unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht - Ankündigung einer Sperre kann per Textform erfolgen

OLG Frankfurt
Urteil vom 09.04.2020
1 U 46/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Mobilfunkkunden unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht haben. Zudem hat das Gericht entschieden, dass die Ankündigung einer Anschlusssperre per Textform erfolgen kann.


Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:

Handy-Kunden haben unabhängig von der Höhe einer angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht

Bei einseitigen Preiserhöhungen durch den Mobilfunkanbieter haben Kunden stets - auch bei Erhöhungen unter 5 % - ein Widerspruchsrecht. Die Androhung einer Sperre für den Fall eines Zahlungsverzugs mit mindestens 75 € kann auch in Textform erfolgen, entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichten Urteil.

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen, die Beklagte ist eine Mobilfunkanbieterin. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Ziff. 7 der AGBs berechtigt die Beklagte, „unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften“ den Anschluss zu sperren, wenn der Kunde mit einem Betrag von mindestens 75 € in Verzug ist und sie die Sperrung zwei Wochen vorher in Textform einschließlich eines Hinweises auf Rechtschutzmöglichkeiten angedroht hat. Nach Ziff. IX.6. kann der Kunde einer Preiserhöhung der Beklagten widersprechen, wenn die Erhöhung mehr als 5 % des bis zum Zeitpunkt der Erhöhung geltenden Preises beträgt. Der Kläger hält beide Klauseln für unwirksam.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt, soweit es die Form der Androhung der Sperre (in Textform) und den Widerspruch des Kunden bei Preiserhöhungen betraf. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.

Zu Unrecht habe das Landgericht die Klausel beanstandet, wonach eine Sperre in Textform angedroht werden kann, entschied das OLG. Die einfache Textform sei hier nicht zu beanstanden. Mit dem Erfordernis der Textform gebe die Beklagte vielmehr die Rechtslage wieder, „wie sie bei richtiger Auslegung des in § 45k TKG bestimmten Gebots, dass die Sperre „schriftlich“ angedroht werden muss, ohnehin besteht“, begründet das OLG seine Entscheidung. „Schriftlich“ bedeute nicht „Schriftform“ im Sinne von § 126 BGB. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzesgeschichte. Die Notwendigkeit der Androhung diene zudem allein der Information des Kunden. Dieser Zweck werde „durch eine papiergebundene Mitteilung ebenso sicher erfüllt wie durch eine auf einem elektronischen Datenträger dauerhaft verfügbare und lesbare Erklärung, insbesondere also durch eine E-Mail,“ stellt das OLG fest.

Zu Recht sei die Beklagte jedoch verurteilt worden, es zu unterlassen, den Kunden im Falle einer Preiserhöhung ein Widerspruchsrecht erst ab einer Preiserhöhung über 5 % zu gewähren. Den Kunden müsse vielmehr bei jeder einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen - hier in Form einer Preiserhöhung - ein Widerrufsrecht zugestanden werden. Dies folge aus der sog. Universaldienste Richtlinie der EU (Art. 20 Abs. 2 RL 2002/2 20/EG in der Fassung RL 2009/135/EG). Auf die Frage, ob es sich um eine „wesentliche“ Preiserhöhung handele, komme es damit nicht an. Im Übrigen sei eine Preiserhöhung von 5 % nicht wenig und könne für manchen Kunden erheblich sein.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.04.2020, Az.: 1 U 46/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.02.2019, Az. 2/24 O 99/18)

Erläuterungen:
§ 126 BGB Schriftform

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) 1Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. 2Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 126 b Textform

1Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. 2Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1.es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2.geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.


OLG Frankfurt: Zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung die auf Anlagen Bezug nimmt müssen auch die Anlagen im Parteibetrieb zugestellt werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 01.04.2020
6 W 34/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, auch die Anlagen im Parteibetrieb zugestellt werden müssen. Andernfalls ist die einstweilige Verfügung nach Ablauf der Vollziehungsfrist aufzuheben.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. In dem Widerspruchsverfahren hätte die Antragsgegnerin obsiegt, da die einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 II ZPO nicht ordnungsgemäß vollzogen wurde. Dies führt dazu, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben gewesen wäre. Die Kosten sind daher der Antragstellerin aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 1998, 330; Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.68).

a) Gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller die von ihm im Beschlusswege erwirkte einstweilige Verfügung dem Antragsgegner im Parteibetrieb zustellen zu lassen. Dazu hat er das zuzustellende Schriftstück dem mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollzieher zu übergeben (§ 192 Abs. 1 und 2 ZPO). Hierfür kann eine Ausfertigung des Beschlusses (§ 329 Abs. 2 ZPO) oder eine vom Gericht beglaubigte Abschrift (§ 329 Abs. 1 Satz 2, § 317 Abs. 2 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO) verwendet werden (BGH WRP 2019, 767 Rn. 11). Im Streitfall hat die Antragstellerin eine Ausfertigung beantragt. Ausfertigungen enthalten regelmäßig weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe (§ 317 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO). Gleichwohl muss das zugestellte Schriftstück die einstweilige Verfügung vollständig und leserlich wiedergeben (Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.62).

b) Die wirksame Vollziehung einer Unterlassungsverfügung, die - wie hier - bereits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen ist, erfordert, dass der Schuldner Umfang und Inhalt des Verbotes zweifelsfrei ermitteln kann. Aus diesem Grund wird eine ohne Begründung versehene Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, nur dann wirksam vollzogen, wenn dem Schuldner neben dem Beschluss selbst auch zumindest diejenigen Anlagen zugestellt werden, die Aufschluss über den Inhalt und die Reichweite des Verbots geben können. Hierzu gehören in jedem Fall Anlagen, auf die im Verbotstenor verwiesen wird, sowie in der Regel auch die Antragsschrift, die in Ermangelung einer Beschlussbegründung zur Ermittlung des Verbotskerns herangezogen werden kann. Ob darüber hinaus die Zustellung weiterer Anlagen für eine wirksame Vollziehung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Schuldner ihnen weitere Anhaltspunkte über Inhalt und Umfang des ausgesprochenen Verbots entnehmen kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 8.6.2017 - 6 U 2/17 -, juris; Beschl. v. 1.6.2011 - 6 W 12/11 -, Rn. 7, juris)

c) Die Beschlussverfügung vom 16.8.2019 enthält keine Begründung, sondern verweist auf beigefügte Schriftstücke. Diese Vorgehensweise entspricht der Üblichkeit. Im Streitfall besteht jedoch eine Unklarheit, weil nicht genau bezeichnet wurde, auf welchem konkreten Schriftsatz und wie vielen Anlagen der Beschluss beruht. Im Anschluss an den Tenor heißt es lediglich, der Beschluss beruhe auf dem Sachvortrag „in dem beigefügten Schriftsatz nebst Anlagen“. Es folgt außerdem eine Auflistung der angewandten Vorschriften. Da die Antragstellerin mehrere Schriftsätze zur Begründung des Verfügungsbegehrens eingereicht hat, ist nicht eindeutig erkennbar, auf welche Schriftstücke sich der Beschluss stützt. Bei dieser Sachlage kann von einer wirksamen Vollziehung nur dann ausgegangen werden, wenn die zugestellte Ausfertigung sämtliche Schriftstücke umfasst, auf die sich der Beschluss bei sachgerechter Auslegung bezieht.

d) Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die der Antragsgegnerin im Parteibetrieb zugestellte, mit Band versiegelte Ausfertigung die Antragsschrift nebst Anlagen. Zusätzlich enthielt sie offenbar die Seiten 3 und 4 des Schriftsatzes vom 22.7.2019 nebst der Anlage Ast8. Nicht enthalten war der gerichtliche Hinweis vom 17.7.2019 sowie die ersten beiden Seiten des Schriftsatzes vom 22.7.2019, mit denen zu dem gerichtlichen Hinweis Stellung genommen wurde. Dies erscheint nicht nur merkwürdig, sondern führt auch dazu, dass Inhalt und Umfang des Verbots nicht eindeutig ermittelt werden konnten.

aa) In der Antragsschrift hat die Antragstellerin den Irreführungsvorwurf allein damit begründet, es sei unzutreffend, dass die „Diamant-Blading“ Methode der Antragsgegnerin „einzigartig“ sei. Dieser Vortrag war - auch nach Ansicht des Landgerichts zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Antragsschrift - unzureichend. Denn es fehlte an Darlegungen, warum der Verkehr die streitgegenständliche, zum Gegenstand des Verbots gemachte Werbeangabe

„Die neue Diamant Blading-Methode eröffnet ganz neue, kreative Möglichkeiten, ein wunderbares, einzigartiges Permanent Make up speziell für Augenbrauen zu kreieren“

in dem Sinn versteht, dass gerade die Methode des „Diamant-Blading“ einzigartig ist. Denkbar war auch eine Auslegung, wonach nur das Ergebnis der Anwendung, also der speziell von der Antragsgegnerin erzeugte Behandlungserfolg einzigartig ist. Das Landgericht hat die Antragstellerin daher darauf hingewiesen, dass sich das Adjektiv „einzigartig“ in der angegriffenen Werbung nicht auf die Methode des „Diamant-Blading“, sondern auf das Ergebnis beziehe. Erst daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.7.2019 dargelegt, dass im Kontext der Werbung das „einzigartige Permanent Make up“ als Synonym für die „Diamant-Blading“-Technik verstanden werde, die zu einer besonders feinen und natürlich wirkenden Härchen-Optik führe. Im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich durch diese Stellungnahme überzeugen ließ und daher die einstweilige Verfügung erlassen hat.

bb) Demgegenüber war aus den übermittelten Unterlagen für die Antragsgegnerin der Verbotsumfang nicht eindeutig ersichtlich. Der Beschlussverfügung waren weder der der gerichtliche Hinweis noch die ersten beiden Seiten der Stellungnahme der Antragstellerin beigefügt. Stattdessen wurden offenbar neben der Antragschrift die weiteren Seiten der Stellungnahme vom 22.7.2019 übermittelt, die eine Hilfsbegründung des Verfügungsantrags enthielten. Dort berief sich die Antragsgegnerin darauf, auch das Ergebnis der Make-up-Methode sei nicht einzigartig, weil die (unterschiedlichen) Gerätschaften der Parteien letztlich zu ganz ähnlichen Behandlungsergebnissen führen würden. Die Antragsgegnerin musste bei dieser Sachlage davon ausgehen, die Werbeangabe sei verboten worden, weil ein einzigartiges Behandlungsergebnis versprochen werde. Das Landgericht wollte der Antragsgegnerin hingegen verbieten, das neue „Diamant-Blading“ als einzigartige Methode zu bewerben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH-Generalanwalt: Keine wirksame Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO wenn Kunde in standardisiertem Vertrag handschriftlich Anfertigung / Speicherung von Ausweiskopien verweigern muss

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 04.03.2020
C‑61/19
Orange România SA gegen Autoritatea Naţională de Supraveghere a Prelucrării Datelor cu Caracter Personal (ANSPDCP)


Der EuGH-Generalanwalt hat sich mit den Anforderungen an die Wirksamkeit einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO befasst. Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts liegt keine wirksame Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO vor, wenn ein Mobilfunkkunde in einem standardisierten Vertrag handschriftlich die Anfertigung und Speicherung von Ausweiskopien verweigern muss.

Vorschlag des EuGH-Generalanwalts:

Eine betroffene Person, die ein Vertragsverhältnis über die Erbringung von Mobiltelekommunikationsdiensten mit einem Unternehmen einzugehen beabsichtigt, erteilt dem Unternehmen keine „Einwilligung“, d. h. bekundet nicht „ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage“ ihren Willen, im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und von Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), wenn sie auf einem ansonsten standardisierten Vertrag handschriftlich erklären muss, dass sie die Einwilligung in die Anfertigung und Aufbewahrung von Fotokopien ihrer Ausweispapiere verweigert.

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BPatG: Zwischen der Wortmarke Rösta und der Wort-/Bildmarke Barösta Kaffebar besteht im Bereich Kaffee - Tee - Kakao keine Verwechslungsgefahr

BPatG
Beschluss vom 19.03.2019
27 W (pat) 116/16

Das BPatG hat entschieden, dass zwischen der Wortmarke Rösta und der Wort-/Bildmarke Barösta Kaffebar im Bereich Kaffee - Tee - Kakao keine Verwechslungsgefahr besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das angesprochen allgemeine Publikum und auch der Handel werden das Markenwort „barösta“ als phantasievollen, einheitlichen Gesamtbegriff mit beschreibendem Anklang zu „barista“ auffassen. Sie haben insgesamt keinen Anlass, sich innerhalb der angegriffenen Marke „barösta“ an der für die hier beanspruchten Kaffeewaren beschreibenden Buchstabenfolge „rösta“ zu orientieren und hierin einen den Gesamteindruck dieser Marke prägenden Bestandteil zu sehen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: