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VG Hannover: Ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen

VG Hannover
Urteil vom 09.02.2023
10 A 6199/20


Das VG Hannover hat entschieden, dass die ununterbrochene Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten durch Amazon im Fulfilment Center Winsen keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Datenerhebung bei Amazon in Winsen ist rechtmäßig

10. KAMMER HAT DER KLAGE VON AMAZON STATTGEGEBEN: DAS PERSÖNLICHKEITSRECHT DER BESCHÄFTIGTEN ÜBERWIEGT HIER NICHT DIE UNTERNEHMERISCHEN INTERESSEN VON AMAZON

Die Klägerin darf weiterhin Handscanner einsetzen, mithilfe derer bestimmte Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang erfasst werden:

Die Klägerin betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum zur Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon (sogenanntes „Fulfillment Center“). In bestimmten Arbeitsbereichen benutzen die Beschäftigten Handscanner, mittels derer bestimmte Arbeitsschritte erfasst werden. Die Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden mit den Daten auch Bewertungsgrundlagen für Qualifizierungsmaßnahmen sowie für Feedback und Personalentscheidungen gelegt.

Wegen dieser Vorgehensweise leitete die Beklagte ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren gegen die Klägerin ein mit dem Ergebnis, dass sie der Klägerin mit Bescheid von Oktober 2020 untersagte, aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsdaten ihrer Beschäftigten ununterbrochen zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die ununterbrochene Erhebung der entsprechenden Leistungsdaten der Beschäftigten rechtswidrig sei und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung. So würden aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte bei der Steuerung der Logistikprozesse kurzfristig dazu benötigt, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen reagieren zu können. Anhand der aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne sie erkennen, ob Mitarbeitende an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und hierauf durch Umverteilung reagieren. Mittelfristig würden zurückliegende individuelle Leistungswerte benötigt, um die konstanten Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden zuverlässig erfassen und bei der flexiblen Einsatzplanung berücksichtigen zu können. Zudem ermögliche diese Vorgehensweise die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könne objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei.

Das Gericht hat am 9. Februar 2023 in öffentlicher Sitzung im Amazon Logistikzentrum verhandelt und im Rahmen der Verhandlung das Fulfillment-Center besichtigt. Es hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben.

Das Gericht sieht in der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. In Deutschland gebe es (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, sodass sich der Beschäftigtendatenschutz weiterhin nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz richte. Danach dürften personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses oder die Beendigung erforderlich sei.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Datenverarbeitung für alle drei Zwecke – Steuerung der Logistikprozesse, Steuerung der Qualifizierung und Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback und Personalentscheidungen – erforderlich ist. Hinsichtlich der Optimierung der Logistikprozesse leuchte der Kammer ohne weiteres ein, dass die Klägerin die verarbeiteten Daten dazu nutzen kann, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen von Beschäftigten ad hoc zu reagieren und so den reibungsfreien Ablauf aller Prozesse innerhalb des Fulfillment Centers, das auf die Auslieferung der Ware zu einem genau definierten Zeitpunkt (Cut-Off-Zeitpunkt) ausgerichtet ist, zu garantieren. Auch könne die Klägerin individualisierte Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten schnell detektieren und auf diese reagieren. Schließlich verschafften die erhobenen Daten eine breite und objektive Grundlage für Feedback und Personal- und Beförderungsentscheidungen.

Nach Auffassung des Gerichts steht der durch die Überwachung der Beschäftigten bedingte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen der Klägerin, so dass der Eingriff auch angemessen sei:

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse und nach der Befragung der Zeugen – der früheren Betriebsratsvorsitzenden und des jetzigen Betriebsratsvorsitzenden – in der mündlichen Verhandlung geht nach Auffassung des Gerichts eine Abwägung der gegenläufigen Interessen hier zu Gunsten der Klägerin aus. Das Gericht hat dabei unter anderem berücksichtigt, dass keine heimliche Datenerhebung erfolgt, die Beschäftigten die Datenerhebung vielmehr vorhersehen können und wissen, dass die Klägerin die Daten für die logistischen Prozesse benötigt. Zudem finde keine Verhaltenskontrolle statt, die Kommunikation und physische Bewegungen würden nicht erfasst, vielmehr finde „nur“ eine Leistungskontrolle statt. Die Privatsphäre sei nicht betroffen. Außerdem sei der Hauptzweck der Datenerhebung nicht die Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten, sondern die Steuerung der Logistikabläufe. Schließlich werde die Möglichkeit objektiven Feedbacks und fairer Personalentscheidungen von vielen Beschäftigten als positive Wirkung der Überwachung gewertet; dies hätten auch die Zeugen bestätigt, die deutlich gemacht hätten, dass die Überwachung kein besonderes Thema im Betrieb sei.

Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat demnach die Möglichkeit Berufung gegen das Urteil vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe einzulegen.

Urteil vom 9. Februar 2023

Az.: 10 A 6199/20



VG Hannover: Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche unterliegt den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch Landesdatenschutzbehörde

VG Hannover
Urteil vom 30.11.2022
10 A 1195/21


Das VG Hannover hat entschieden, dass die Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbehörde unterliegt.

SELK unterliegt der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Aufsicht durch die Nds. Landesdatenschutzbeauftragte

10. KAMMER WEIST KLAGE EINER KIRCHE GEGEN LANDESBEAUFTRAGTE FÜR DEN DATENSCHUTZ NIEDERSACHSEN AB

Die 10. Kammer hat auf die mündliche Verhandlung vom heutigen Tage die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin zum einen nicht der Datenschutzgrundverordnung unterfalle, sondern eigene Datenschutzvorschriften erlassen dürfe, und zum anderen nicht der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbeauftragte in Niedersachsen unterliege, abgewiesen.

Die Klägerin ist eine Kirche in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bundesweit gehören ihr 150 Kirchengemeinden mit ca. 32.000 Mitgliedern an.

Bereits 1993 setzte sie die "Richtlinie über den Datenschutz in der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" mit Teilregelungen zum Datenschutz in Kraft. 2018 beschloss die Klägerin eine neue Richtlinie, die im Wesentlichen dem Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland entspricht.

In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anwendbarkeit der eigenen Datenschutzregeln und die Datenschutzaufsicht zwischen den Beteiligten, infolge derer die Klägerin Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhob.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, dass sie aufgrund von Art. 91 Abs. 1 DSGVO berechtigt sei, eigene Datenschutzvorschriften in Kraft zu setzen und daher nicht der Anwendung der DSGVO unterliege. Infolgedessen sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Die Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht zur Aufsicht berechtigt.

Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht gegeben. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO, auf den es maßgeblich ankomme, lediglich rudimentäre Regelungen zum Datenschutz in Kraft gehabt, die die Anforderungen an umfassende Datenschutzvorschriften i.S.d. Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllten. Art. 91 Abs. 1 DSGVO sei als Bestandsvorschrift ausgestaltet. Angesichts des klaren Wortlaut und des Sinns und Zwecks der Norm sei sie auch abschließend zu verstehen. Darin liege kein Verstoß gegen Unionsrecht. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass die Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts über den Datenschutz keinen Eingriff in die organisatorische Autonomie der Religionsgemeinschaften, Art. 17 AEUV, darstelle. Soweit die Klägerin aber bereits nach Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht berechtigt sei, eigene Datenschutzregeln weiter anzuwenden, sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO auch nicht berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Sie unterfalle damit der Aufsicht der Beklagten.

Gegen das Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe die Zulassung der Berufung beantragt werden.

Urteil vom 30.11.2022 - Az. 10 A 1195/21



VG Hannover: Online-Apotheke darf bei Bestellungen nicht bei allen Produkten das Geburtsdatum des Kunden abfragen - Verstoß gegen Grundsatz der Datenminimierung

VG Hannover
Urteil vom 09.11.2021
10 A 502/19


Das VG Hannover hat entschieden, dass eine Online-Apotheke bei Bestellungen nicht bei allen Produkten das Geburtsdatum des Kunden abfragen darf. Insofern liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung vor.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Online-Versandapotheke darf im Bestellvorgang das Geburtsdatum nicht bei jedem Produkt abfragen
10. KAMMER WEIST KLAGE EINER ONLINE-VERSANDAPOTHEKE AB

Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat mit Urteil vom 09. November 2021 die Klage einer Online-Versandapotheke abgewiesen. Die Klägerin ist eine Firma mit Sitz in Niedersachsen und Betreiberin einer Online-Versandapotheke. Die beklagte Landesbeauftrage für den Datenschutz Niedersachsen (LfD) wies die Klägerin mit Bescheid vom 08. Januar 2019 an, es zu unterlassen, unabhängig von der Art des bestellten Medikamentes das Geburtsdatum des Bestellers/der Bestellerin zu erheben und zu verarbeiten. Zudem wies sie die Klägerin zur Unterlassung der Verwendung der im Bestellprozess erhobenen Anrede (Herr/Frau) an, soweit Gegenstand der Bestellung Medikamente seien, die nicht geschlechtsspezifisch zu dosieren und/oder einzunehmen seien.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover erhoben. Die Klägerin hatte bereits vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Anrede „Herr/Frau“ die Auswahloption „ohne Angabe“ in ihrem Bestellformular eingefügt. Die Parteien haben diesbezüglich übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklärt.

Bezüglich der Abfrage des Geburtsdatums trug die Klägerin vor, aufgrund der für Apotheker geltenden Berufsordnung bestimmten Beratungsobliegenheiten zu unterfallen. Hierzu gehöre auch die Pflicht zur altersgerechten Beratung. Um diese Verpflichtung erfüllen zu können, müsse eine entsprechende Abfrage im Bestellprozess erfolgen. Zudem habe sie ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob der Besteller bzw. die Bestellerin volljährig und damit voll geschäftsfähig sei.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Die Kammer hat zunächst klargestellt, dass der von der LfD gerügte Bestellvorgang sich nur auf rezeptfrei erwerbbare Produkte beziehe. Die Verarbeitung des Geburtsdatums in diesem Bestellvorgang habe nach Ansicht der Kammer zumindest für solche Produkte zu unterbleiben, die keine altersspezifische Beratung erforderten. Ein Blick auf die von der Klägerin auf ihrer Webseite angebotenen Produktpalette zeige, dass sie eine große Zahl von Drogerieartikeln aber auch apothekenpflichtigen Medikamenten anbiete, die nicht altersspezifisch zu dosieren seien. Für diese Produkte könne in der Datenschutzgrundverordnung – nachdem sich die Klägerin bislang von ihren Kunden im Bestellprozess auch keine Einwilligung zur Datenverarbeitung einhole – keine Rechtsgrundlage zur Datenverarbeitung gefunden werden. Soweit die Klägerin die Geschäftsfähigkeit ihrer Kunden überprüfen wolle, so erfordere das datenschutzrechtliche Prinzip der Datenminimierung, dass lediglich die Volljährigkeit und nicht das genaue Geburtsdatum abgefragt werde.

Gegen die Entscheidung kann vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung beantragt werden.

Urteil vom 09. November 2021 - Az.: 10 A 502/19


VG Hannover: Unzulässige Werbung für verbotene Zweitlotterie auf Website eines Verlagshauses - Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rechtmäßig

VG Hannover
Entscheidung vom 16.09.2020
7 A 7393/18


Das VG Hannover hat eine Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wegen der unzulässigen Werbung für eine verbotene Zweitlotterie auf der Website eines Verlagshauses bestätigt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Verbot für eine Onlinewerbung rechtmäßig - VERLAGSHAUS SCHALTETE AUF SEINER INTERNETDOMAIN ANZEIGE FÜR ZWEITLOTTERIE

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat am 16. September 2020 auf die mündliche Verhandlung die Klage eines großen hannoverschen Verlagshauses gegen eine Untersagungsverfügung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als unzulässig abgewiesen. Der Beklagte hat dem Verlagshaus mit der angegriffenen Verfügung untersagt, auf seiner Internetdomain Werbung für eine verbotene Zweitlotterie zu schalten.

Der Hauptantrag der Klägerin auf Aufhebung der angegriffenen Verfügung hatte sich bereits dadurch erledigt, dass die Klägerin die Werbung für die Zweitlotterie von ihrer Internetdomain entfernt hat und damit der Untersagungsverfügung nachgekommen ist.

Hinsichtlich des Hilfsantrages der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung festzustellen, mangelte es nach Ansicht der Kammer an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Indem der Zweitlotterie rechtskräftig in Niedersachsen die Vermittlung und Bewerbung von sogenannten Zweitlotterien untersagt wurde, besteht nicht die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein vergleichbarer Verwaltungsakt ergehen wird. Auch einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff in die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vermochte die Kammer nicht zu erkennen.



VG Hannover: Veröffentlichung von Fotos einer Person auf Facebook-Fanpage des Ortsvereins einer Partei ohne Einwilligung nach KUG und DSGVO unzulässig

VG Hannover
Urteil vom 27.11.2019
10 A 820/19


Das VG Hannover hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Fotos einer Person auf der Facebook-Fanpage des Ortsvereins einer Partei ohne Einwilligung nach den Vorhaben des KUG und der DSGVO unzulässig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Verwarnung ist formell rechtmäßig.

Zuständige Aufsichtsbehörde ist hier die Beklagte. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 BDSG und § 22 Satz 1 Nr. 1 NDSG. Nach § 40 Abs. 1 BDSG bestimmt das Landesrecht die Aufsichtsbehörden nach Artikel 51 DS-GVO, die im Anwendungsbereich der DS-GVO dafür zuständig sind, die Anwendung der Vorschriften über den Datenschutz bei den nichtöffentlichen Stellen zu überwachen. Nach § 22 Satz 1 Nr. 1 NDSG ist die Beklagte in diesem Sinne die in Niedersachsen zuständige Aufsichtsbehörde für die Datenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen. Der Kläger ist als privatrechtlich organisierter Ortsverein einer politischen Partei eine solche nichtöffentliche Stelle (§ 2 Abs. 4 BDSG).

Im Übrigen richten sich die Anforderungen an das Verfahren gemäß Artikel 58 Abs. 4 DS-GVO nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats – hier: § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) i. V. m. den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) –, das im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 129 der DS-GVO anzuwenden und auszulegen ist.

Die Verwarnung leidet danach nicht an Form- oder Verfahrensfehlern.

Insbesondere ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2019 hinsichtlich der Verwarnung hinreichend bestimmt (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „klar und eindeutig“). Denn in dem Bescheid werden das beanstandete Verhalten des Klägers, die Vorschrift, gegen die dieses Verhalten nach Auffassung der Aufsichtsbehörde verstoßen hat (Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO), und die wegen dieses Verstoßes gegen ihn erlassene Maßnahme (Verwarnung nach Artikel 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO) unzweifelhaft angegeben. Weitergehende Anforderungen sind insoweit nicht zu stellen, zumal durch eine Verwarnung nur ein Verstoß gegen eine Vorschrift über den Datenschutz festgestellt wird, ohne dass dem Adressaten ein ggf. näher zu bestimmendes Tun, Dulden oder Unterlassen aufgegeben wird.

Der Bescheid ist insoweit auch in formeller Hinsicht hinreichend begründet (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 39 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „Begründung“). Denn die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Beklagte zu ihrer Entscheidung bewogen haben, einschließlich Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, werden angegeben. Ob die angegebenen Gründe die Entscheidung in rechtlicher Hinsicht tragen, ist eine Frage der materiellen Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsakts.

Ferner ist der Kläger ausreichend angehört worden (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „das Recht einer jeden Person, gehört zu werden …“). Sein Vorbringen in dem Schreiben seiner Rechtsanwältin vom 16. Dezember 2018 ist von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 9. Januar 2019 offensichtlich auch berücksichtigt worden, indem sie sich mit der Argumentation des Klägers zu § 23 KUG und zu seinem berechtigten Interesse im Hinblick auf seinen verfassungsrechtlichen Auftrag nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG auseinandergesetzt hat.

Die Verwarnung ist auch materiell rechtmäßig.

Tatbestandsvoraussetzung für eine Verwarnung nach Artikel 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO ist, dass der Adressat der Verwarnung – hier: der Kläger – als Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet hat, und er damit gegen die DS-GVO – oder eine Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats über den Datenschutz – verstoßen hat.

Der Kläger hat vorliegend als Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos durch den Kläger auf seiner Fanpage bei Facebook stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der abgebildeten Personen dar (Artikel 2 Abs. 1, Artikel 4 Nrn. 1 und 2 DS-GVO). Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich nach Artikel 2 Abs. 2 und 3 DS-GVO liegen nicht vor. Als Betreiber einer Fanpage bei Facebook ist der Kläger für die streitgegenständliche Datenverarbeitung auch Verantwortlicher im Sinne des Artikels 4 Nr. 7 DS-GVO (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – C210/16 –, juris Rn. 25 ff.).

Zudem hat der Kläger durch die Veröffentlichung des Fotos auf seiner Fanpage bei Facebook gegen die DS-GVO bzw. Vorschriften des KUG verstoßen. Hierbei kann offen bleiben, ob sich die Rechtmäßigkeit – wie der Kläger meint – nach §§ 22, 23 KUG i. V. m. Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO oder – wie die Beklagte meint – nach Artikel 6 Abs. 1 DS-GVO richtet. Denn sowohl nach den §§ 22, 23 KUG (hierzu unter a) als auch unter Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e und f DS-GVO (hierzu unter b) war die Veröffentlichung rechtswidrig.

a. Der Kläger beruft sich auf eine Erlaubnis zur Veröffentlichung des Fotos nach § 23 KUG i. V. m. Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO. Dies setzt voraus, dass die §§ 22 und 23 KUG auf Grundlage des Artikels 85 DS-GVO als gegenüber Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO vorrangige Rechtsvorschriften des nationalen Rechts anzusehen sind und damit auch nach Inkrafttreten der DS-GVO noch anwendbar sind.

Die Anwendbarkeit der Vorschriften des KUG seit Inkrafttreten der DS-GVO ist umstritten. Grundsätzlich genießt die DS-GVO Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen, da europäisches Sekundärrecht gegenüber nationalen Regelungen Anwendungsvorrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14 –, juris Rn. 37 ff. m. w. N.; EuGH, Urteil vom 15.7.1964 – Rs. 6.64 – Costa/E.N.E.L, juris). Die §§ 22, 23 KUG können deshalb nur dann angewendet werden, wenn und soweit sie sich auf Artikel 85 DS-GVO als Öffnungsklausel stützen lassen.

Nach Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO dürfen die Mitgliedstaaten der EU Abweichungen und Ausnahmen von Kapitel 2 der DS-GVO (und damit auch von Artikel 6) vorsehen, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz personenbezogener Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen (vgl. Grages in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Artikel 85 DSGVO Rn. 3). Dies gilt jedoch nur insoweit, als es um eine Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken geht. In diesen Fällen kann sich § 23 KUG als eine Spezifizierung von Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO qualifizieren lassen und neben der DS-GVO anwendbar sein. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.

Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Verarbeitung des Fotos journalistischen Zwecken diente. Zwar ist der Begriff des Journalismus weit auszulegen (vgl. Erwägungsgrund 153 der DS-GVO). Journalismus bezeichnet die publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen. Der Kläger hat mit seiner Fanpage in erster Linie zum Ziel, für seine Interessen und seine Arbeit zu werben, den Erfolg der eigenen Arbeit zu veranschaulichen und sich dadurch selbst darzustellen. Bildveröffentlichungen, die der Selbstdarstellung dienen, lassen sich aber nicht mehr als eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken qualifizieren (vgl. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, „Personenbildnisse im Spannungsfeld zwischen Äußerungs- und Datenschutzrecht“ in NJW 2017, S. 1057, 1061).

Ob die §§ 22, 23 KUG als Normen im Sinne von Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO für Fälle wie den vorliegenden, der nicht unter journalistische, wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Zwecke im Sinne von Artikel 85 Abs. 2 DSGVO fällt, weiter gelten oder nicht (zum Streit darüber, ob Artikel 85 Abs. 1 DSGVO einen zwingend durch die Mitgliedstaaten zu erfüllenden Regelungsauftrag enthält – so die überwiegende Auffassung – oder die §§ 22, 23 KUG insoweit fortgelten können, s. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4 m. w. N.), kann offen bleiben. Denn die Voraussetzungen der §§ 22, 23 KUG liegen nicht vor.

Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet werden. Eine ausdrückliche Einwilligung liegt nicht vor. Da das KUG für das Recht am eigenen Bild keine Formerfordernisse normiert, ist zwar auch eine konkludente Einwilligung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2014 – VI ZR 9/14 –, juris Rn. 6). Auch eine solche liegt jedoch nicht vor. Hier hat der Kläger über die örtliche Presse zu der Veranstaltung im Sommer 2014 eingeladen. Aufgrund der Art der Veranstaltung als öffentliche Veranstaltung des Klägers, über die in der örtlichen Presse eingeladen worden ist, muss zwar damit gerechnet werden, dass Fotos erstellt werden, die in der Presse veröffentlicht werden, und man mit der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung konkludent darin einwilligt. Keinesfalls willigt man aber mit der Teilnahme an der Veranstaltung zugleich in die Veröffentlichung von Fotos auf einer Fanpage bei Facebook ein. Eine Veröffentlichung von Bildern auf einer Fanpage einer Partei bei Facebook hat eine ganz andere Qualität als die Veröffentlichung in der Presse, zumal wenn, wie hier anzunehmen ist, keine Vereinbarung nach Artikel 26 DS-GVO zwischen Facebook und dem Betreiber der Fanpage - hier: dem Kläger - abgeschlossen wurde. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung von Daten auf einer Fanpage bei Facebook mit unkalkulierbaren Risiken für die betroffenen Personen verbunden ist, insbesondere keine effektive Kontrolle mehr über die Weiterverwendung der Daten ausgeübt und auch ein etwaiger Löschungsanspruch nicht mehr wirksam durchgesetzt werden kann. Gemäß den Nutzungsbedingungen mit Facebook werden mit dem Teilen von Inhalten, wie es der Kläger mit der Veröffentlichung des Fotos unternommen hat, weitreichende, weltweite Lizenzen an Facebook erteilt, die geteilten Inhalte zu verwenden, zu verbreiten, zu modifizieren, auszuführen, zu kopieren und öffentlich vorzuführen. In den USA, in denen die Facebook Inc. ihren Firmensitz hat, sind die Datenschutzstandards außerdem gegenüber dem europäischen Datenschutzstandard erheblich geringer.

Ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung dürfen nach § 23 Abs. 1 KUG verbreitet werden Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte (Nr. 1), Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (Nr. 2), Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben (Nr. 3), und Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient (Nr. 4).

Hier liegen zwar die Voraussetzungen der Nr. 3 vor. Unter den Erlaubnistatbestand der Nr. 3 fallen Bildberichterstattungen über Menschenansammlungen verschiedenster Art wie Demonstrationen, Sportveranstaltungen, Konzerte, Karnevalsumzüge, Tagungen, Parteitage, Hochzeiten und Trauerfeiern. Voraussetzung ist, dass nicht einzelne Personen gezeigt werden, sondern ein Vorgang. Es muss sich um eine größere Anzahl von Personen handeln, so dass sich der Einzelne nicht mehr aus ihr hervorhebt (vgl. von Strobl-Albeg in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 8 Rn. 77). Bei der öffentlichen Veranstaltung im Sommer 2014, bei der über den Bau einer Ampelanlage gesprochen wurde, handelt es sich um eine Versammlung bzw. einen ähnlichen Vorgang in diesem Sinne. Die auf dem bei Facebook veröffentlichten Foto abgebildeten Personen waren bewusst auf der Veranstaltung des Klägers und haben somit an ihr teilgenommen. Gegenüber der abgebildeten Menge treten die einzelnen der insgesamt etwa 30 Personen auch in den Hintergrund.

Die Befugnis nach § 23 Abs. 1 KUG erstreckt sich nach § 23 Abs. 2 KUG jedoch nicht auf eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird. Der Grundsatz des § 23 KUG ist ein wichtiges Korrektiv zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten, der auch in den gesetzlichen Ausnahmefällen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KUG eine Interessenabwägung vorschreibt (vgl. hierzu Götting in Urheberrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 23 KUG Rn. 106 ff.). Die abgebildeten Personen haben – wie oben dargelegt – ein erhebliches Interesse daran, dass kein Foto, auf dem sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird. Nicht nur, dass eine Veröffentlichung von Daten auf einer Fanpage bei Facebook mit unkalkulierbaren Risiken für die betroffenen Personen verbunden ist, insbesondere keine effektive Kontrolle mehr über die Weiterverwendung der Daten ausgeübt und auch ein etwaiger Löschungsanspruch nicht mehr wirksam durchgesetzt werden kann, vielmehr wird durch das Foto auf einer Fanpage auch eine – möglicherweise nicht bestehende – Zustimmung der abgebildeten Personen zu der politischen Tätigkeit des Klägers suggeriert.

Die Veröffentlichung des Fotos auf der Fanpage bei Facebook war somit gemäß § 23 Abs. 2 KUG unzulässig.

b. Die Veröffentlichung des Fotos war auch nicht nach Artikel 6 Abs. 1 DS-GVO gerechtfertigt. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn eine der dort im Folgenden geregelten Bedingungen erfüllt ist. Da die abgebildeten Personen – wie oben dargelegt – nicht in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt haben (Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Artikel 4 Nr. 11 und Artikel 7 DS-GVO), kommt hier nur der Tatbestand nach Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO in Betracht. Danach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Ein „berechtigtes Interesse“ an der Veröffentlichung des Fotos durch den Kläger auf seiner Fanpage liegt vor. Der Begriff der „berechtigten Interessen“ ist in der DS-GVO nicht definiert. Der sehr weite Begriff der „berechtigten Interessen“ erfasst jedes von der Rechtsordnung anerkannte Interesse (vgl. Plath in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rn. 53, 54). Der Kläger hat als politische Partei ein berechtigtes Interesse daran, auch durch die öffentliche Verwendung von Fotos für seine politische Tätigkeit zu werben und damit gemäß Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken.

Die Verwendung eines Fotos, auf dem bestimmte Personen erkennbar abgebildet sind, ist aber nicht „erforderlich“. Auch der Begriff der „Erforderlichkeit“ ist in der DS-GVO nicht weiter definiert (vgl. aber Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO – Grundsatz der Datenminimierung –). Unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 39 ist die Verarbeitung „erforderlich“, wenn kein milderes, wirtschaftlich gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, den entsprechenden Zweck mit gleicher Sicherheit zu verwirklichen (vgl. Plath in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rn. 17, 56). Gemessen hieran war die Veröffentlichung des Fotos ohne Unkenntlichmachung der abgebildeten Personen nicht „erforderlich“, da es hier nicht darauf ankommt, dass gerade die abgebildeten Personen als solche in einen spezifischen Kontext zur politischen Tätigkeit des Klägers gesetzt werden, sondern es dem Kläger nur darum geht, zu dokumentieren, dass das Thema, für das er sich politisch eingesetzt hat, eine größere Anzahl von Personen interessiert. In diesem Fall reicht es aus, das Foto unter Unkenntlichmachung der abgebildeten Personen, z. B. durch Verpixelung der Gesichter, zu verwenden. Die Verwendung des Fotos mit einer Abbildung individuell erkennbarer Personen hingegen ist zur Erreichung des vom Kläger angestrebten Zwecks nicht erforderlich. Mit seinem Einwand, eine Unkenntlichmachung sei ihm aufgrund fehlender finanzieller oder organisatorischer Mittel nicht möglich, hat der Kläger schon deshalb keinen Erfolg, weil eine Verpixelung mit Hilfe gängiger Bildbearbeitungssoftware ohne erheblichen Zeit- und Kostenaufwand umgesetzt werden kann.

Ungeachtet dessen überwiegt aber auch das Interesse der abgebildeten Personen das Interesse des Klägers an der Verwendung der Fotos zur Werbung für seine politischen Tätigkeiten.

Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen sind die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person“ und die „Absehbarkeit“ einer möglichen Datenverarbeitung der betroffenen Person zu berücksichtigen (vgl. Erwägungsgrund 47). Die abgebildeten Personen haben ein Interesse daran, dass kein Foto, auf dem sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird. Zwar mussten die Teilnehmer der Veranstaltung erwarten, dass unmittelbar nach der Veranstaltung im Sommer 2014, auf der erkennbar fotografiert worden ist, eine Veröffentlichung zu journalistischen Zwecken etwa in den örtlichen Tageszeitungen erfolgt. Wie oben dargelegt, fällt aber eine Veröffentlichung auf einer Fanpage, die in erster Linie der Darstellung der Partei dient, nicht darunter. Im Übrigen führt der Umstand, dass ein Presseunternehmen oder Privatpersonen Fotos anfertigen, nicht zugleich zu der Erwartung, dass andere, insbesondere der Kläger, die Fotos für eigene Zwecke veröffentlichen. Schließlich war mit einer Veröffentlichung nach vier Jahren nicht mehr zu rechnen.

Die Veröffentlichung des Fotos war entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e DS-GVO gerechtfertigt.

Der Kläger kann sich nicht unmittelbar auf Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO berufen. Dies folgt schon daraus, dass diese Regelung selbst keine Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung bildet, sondern, wie sich aus Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ergibt, auf die Umsetzung durch eine gesonderte Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder im Recht eines Mitgliedstaates angewiesen ist. Als eine solche Rechtsgrundlage könnte hier nur § 3 BDSG oder § 3 Satz 1 NDSG in Betracht kommen. Im ersten Fall müsste der Kläger eine öffentliche Stelle des Bundes im Sinne des § 2 Abs. 1, ggf. i. V. m. Abs. 4 Satz 2 BDSG, im zweiten Fall eine öffentliche Stelle des Landes im Sinne von § 2 Abs. 2, ggf. i. V. m. Abs. 4 Satz 2 BDSG (zur Zuordnung vgl. Eßer in Auernhammer, DSGVO/BDSG, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 2 BDSG Rn. 24) bzw. eine öffentliche Stelle im Sinne des § 1 Abs. 1 NDSG sein. Auch dies ist nicht der Fall. Eine öffentliche Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 BDSG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NDSG ist der Kläger schon deshalb nicht, weil er als Ortsverein einer politischen Partei keine „öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtung“ im Sinne dieser Vorschriften ist. Politische Parteien nehmen zwar eine öffentliche Aufgabe wahr (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes), sind jedoch weder funktional noch organisatorisch Teil des Staates (BVerfG, Beschluss vom 6.12.2013 – 2 BvQ 55/13 –, juris Rn. 6 m. w. N.), sondern dem gesellschaftlichen Bereich angehörende Vereinigungen von Bürgern (§ 2 des Parteiengesetzes). Der Kläger ist auch nicht als Beliehener eine öffentliche Stelle nach § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG oder § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NDSG. Denn dafür müsste ihm eine „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ übertragen worden sein. Um eine solche Aufgabe handelt es sich bei der öffentlichen Aufgabe einer politischen Partei nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes aber nicht (dazu, dass politische Parteien keine öffentliche Gewalt ausüben, vgl. auch BVerfG, a. a. O., Rn. 5 m. w. N.). Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 3 NDSG nicht vor, weil der Kläger eben keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und an ihm auch keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, wie es die Vorschrift voraussetzt. Politische Parteien sind mithin nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG (so auch der Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder - Datenschutzkonferenz - vom 5.9.2018, dort unter 5.) und können sich daher für ihre Datenverarbeitung nicht auf die für öffentliche Stellen geltenden Rechtsgrundlagen nach Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO berufen.

Die Veröffentlichung des Fotos auf der Fanpage bei Facebook war somit weder gemäß § 23 Abs. 2 KUG noch nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f DS-GVO gerechtfertigt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO vorliegen.

Das ihr nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO zustehende Ermessen (vgl. hierzu Martini/Wenzel: „Gelbe Karte von der Aufsichtsbehörde: die Verwarnung als datenschutzrechtliches Sanktionenhybrid“ in PinG 2017, S. 92, 96) hat die Beklagte rechtsfehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist die Verwarnung geeignet und erforderlich, um gegenüber dem Kläger das datenschutzrechtswidrige Verhalten verbindlich festzustellen. In dem nach Eingriffsintensität abgestuften Instrumentarium des Artikels 58 DS-GVO sind Warnungen und Verwarnungen die mildesten Mittel, da sie sich auf die Feststellung des Datenschutzverstoßes beschränken."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Hannover: TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur sind nicht gestattet - RTL gegen Niedersächsische Landesmedienanstalt

VG Hannover
Urteile vom 17.11.2016
7 A 430/16
7 A 280/15


Das VG Hannover hat entschieden, dass TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur nicht gestattet sind.

Die Pressemitteilung des VG Hannover:

TV-Programmhinweise im Werbeblock ohne Zäsur unzulässig
7. KAMMER HAT MIT URTEILEN VOM 17.11.2016 ZWEI KLAGEN VON RTL GEGEN BEANSTANDUNGSVERFÜGUNGEN DER NIEDERSÄCHSISCHEN LANDESMEDIENANSTALT ABGEWIESEN.

Im ersten Fall hatte RTL innerhalb eines gekennzeichneten Werbeblocks einen Programmhinweis auf das Jugendformat „Toggo" in dem zur Senderfamilie gehörenden Programm Super RTL ausgestrahlt, sog. Cross-Promotion. Werbung muss nach § 7 Abs. 3 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) als solches leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein (Erkennungs- und Trennungsgebot). Programmhinweise zählen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Programm und nicht zur Werbung. Sie werden nach § 45 Abs. 2 RStV auch nicht auf die zulässige Dauer der Fernsehwerbung angerechnet. Der Zuschauer muss klar erkennen können, wann auf Programm wieder Werbung folgt. Folgt auf einen Programmhinweis ohne Zäsur (Werbelogo) erneut kommerzielle Werbung, wird das Trennungsgebot von Werbung und redaktionellem Inhalt verletzt.

Aktenzeichen: 7 A 430/16

Im zweiten Fall hatte RTL innerhalb eines gekennzeichneten Werbeblocks einen Programmhinweis auf die Sendung „Yps" in dem zur Senderfamilie gehörenden Programm RTLNITRO ausgestrahlt und diesen Hinweis mit einem kommerziellen Werbespot für eine Programmzeitschrift verbunden, sog. Kombispot. Auch hier erkannte das Gericht einen Verstoß gegen das Trennungsgebot von Werbung und Programm. Ein sog. Kombispot trägt den Verstoß bereits in sich. Er ist regelmäßig unzulässig. Lässt sich der Kombispot in Programmhinweis und Werbung trennen, muss auch hier ein Werbelogo platziert werden. Das Gericht hat in diesem Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen: 7 A 280/15



VG Hannover: Unzulässige Werbung durch Produktplatzierung im RTL-Dschungelcamp 2014 - Bahlsen Leibniz Pick up

VG Hannover
Urteil vom 18.02.2016
7 A 13293/15

Das VG Hannover hat entschieden, dass die Werbung für den Keksriegel Leibniz Pick up von Bahlsen durch Produktplatzierungen im RTL Dschungelcamp 2014 - "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" unzulässig war.

Die Pressemitteilung des VG Hannover:

Zu starke Kekspräsentation im „Dschungelcamp“ 2014 - 7. Kammer weist Klage des Senders RTL gegen Beanstandungsverfügung ab

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) hatte die Produktplatzierung des Schokoladengebäcks „Leibniz Pick up" in einer im Jahr 2014 von RTL ausgestrahlten Folge der Fernsehreihe „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" (Dschungelcamp) als unzulässig beanstandet. Produktplatzierung ist die „gekennzeichnete Erwähnung oder Darstellung u. a. von Waren in Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung mit dem Ziel der Absatzförderung". Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) erlaubt die Produktplatzierung u. a. in Sendungen der leichten Unterhaltung (§ 44 RStV), wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Eine diese Voraussetzungen ist, dass das Produkt nicht „zu stark" herausgestellt wird (§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 RStV).

In der beanstandeten, ca. eineinhalb Minuten dauernden Sequenz war den Teilnehmern der Sendung als „Preis" für eine erfolgreich absolvierte „Prüfung" eine Metallkiste gefüllt mit einer Großpackung „Pick up" überlassen worden. Nach Öffnen der Truhe wurde die Packung sichtbar in die Höhe gehalten. Die Akteure reagierten mit Jubel. In Einzeleinstellungen wurde gezeigt, wie die Teilnehmer lustvoll das Gebäck verzehrten. In weiteren Äußerungen einzelner Teilnehmer in einer Interviewkabine („Dschungeltelefon") bzw. "aus dem Off" wurde auf das Produkt lobend Bezug genommen.
Nach Inaugenscheinnahme der beanstandeten Sequenz in der mündlichen Verhandlung hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts die Einschätzung der NLM, das Produkt sei in unzulässiger Weise hervorgehoben worden, bestätigt. Zwar erlaube der RStV im vorliegenden Zusammenhang die Produktplatzierung sogar im Sinne einer starken Hervorhebung. Unzulässig sei jedoch eine „zu starke" Hervorhebung, damit eine Abgrenzung zur Werbung erkennbar bleibe. Eine Herausstellung sei „zu stark", wenn der Werbezweck das Sendungsgeschehen dominiere und der natürliche Handlungsablauf ihm gegenüber in den Hintergrund gerückt sei.
Die ersten Szenen der Produktplatzierung hätten den programmatisch-dramaturgischen Zusammenhang noch gewahrt. Dies gelte für die Verwendung des Produkts als Belohnung für die hungrigen Kandidaten ebenso wie für den Jubel der Akteure bei Öffnung der Truhe. Auch die Einzelaufnahmen der Kandidaten beim "genüsslichen" Verzehr der Kekse hätten noch nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die Grenze zur unzulässigen Produktplatzierung sei jedoch mit den nachfolgenden Äußerungen einzelner Kandidaten zum Produkt in der Interviewkabine („Dschungeltelefon") und „aus dem Off" überschritten worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der eigentliche Handlungsstrang abgeschlossen gewesen. Mit den Sätzen: „Man weiß gar nicht, wie man wirklich diese kleinen Dinge im Leben jetzt auf einmal zu schätzen weiß. Das ist eine Geschmacksbombe", „Die süße Schokolade war absolut ein Traum. Ich hätte gern alle fünf Riegel auf einmal gegessen, muss ich gestehen", „Hammer, krass, lecker, yummi", „Geil", „War echt traumhaft. Ich möchte einfach mehr", „Das hat wirklich alles: Karamell, Schokolade und Keks. Was will man mehr?", „Kannst Du Dich auch vermehren?" sei nach Abschluss des Handlungsstrangs ausschließlich auf das Produkt Bezug genommen worden. Liege ohne weitere Handlung eine übertriebene verbale Lobpreisung des Produkts durch Akteure in der Sendung vor, sei das Produkt „zu stark" hervorgehoben und die Produktplatzierung unzulässig. Bei den zitierten Einzeläußerungen der Akteure habe der Werbezweck dominiert.
Gegen das Urteil steht RTL der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu. Az. 7 A 13293/15


VG Hannover: Einscannen und Speichern des Personalausweises unzulässig - Unterlassungsverfügung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen bestätigt

VG Hannover
Urteil vom 28.11.2013
10 A 5342/11


Das VG Hannover hat entschieden, dass das Einscannen und Speichern des Personalausweises unzulässig. Das Gericht bestätigte eine Unterlassungsverfügung des Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen und wies die Klage eines Automobillogistikunternehmens, welches die Personalausweisdaten ihrer Kunden speicherte, zurück.

Die Pressemitteilung des VG Hannover:

"Durch Urteil vom 28.11.2013 hat die 10. Kammer die Klage eines Automobillogistikunternehmens gegen den Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen abgewiesen.

Die Klägerin - eine Logistikdienstleisterin aus Rehden, die insbesondere in der Automobillogistik tätig ist - lagert auf ihrem Betriebsgelände ständig mehrere tausend Kraftfahrzeuge. Täglich wird eine Vielzahl von Fahrzeugen abgeholt, die den Abholern - insbesondere Fahrern von Speditionen - übergeben werden. Um den Speditionsvorgang zu überwachen, werden die Personalausweise der Abholer eingescannt und auf einem eigenen Rechner gespeichert. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen hatte der Klägerin aufgegeben, das Einscannen von Personalausweisen zu unterlassen und die rechtswidrig gespeicherten Daten zu löschen.

Das Gericht hat mit dem heutigen Urteil die Klage gegen die Untersagung des Speicherns und die Anordnung des Löschens abgewiesen, weil diese rechtmäßig seien. Nach den hier anzuwendenden Vorschriften des Personalausweisgesetzes sei der Personalausweis ein Identifizierungsmittel, das der Inhaber vorlege und vorzeige, um sich auszuweisen. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers sei aber das unbeschränkte Erfassen der Daten - und damit auch das Einscannen und Speichern durch ein Unternehmen - untersagt. Dadurch solle die Datensicherheit geschützt werden, weil einmal erfasste und gespeicherte Daten leicht missbräuchlich verwendet werden könnten. Die Kammer hat nicht den Vorwurf gegen die Klägerin erhoben, sie verwende die Daten missbräuchlich. Um den Zweck des Gesetzes zu erfüllten, dürften aber so wenig Daten wie möglich in Umlauf gebracht werden, so dass auch die Praxis der Klägerin zu untersagen sei.
Die Berufung gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Die Klägerin kann beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen."