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EuGH: Zur Notwendigkeit der Apothekereigenschaft beim Online-Verkauf rezeptfreier Arzneimittel über Online-Marktplätze

EuGH
Urteil vom 29.02.2024
C-606/21
Doctipharma


Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Notwendigkeit der Apothekereigenschaft beim Online-Verkauf rezeptfreier Arzneimittel über Online-Marktplätze befasst.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln im Fernabsatz: Der Gerichtshof erläutert die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat einen Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht, verbieten kann.

Die Gesellschaft Doctipharma betreibt eine Website, auf der es bis 2016 möglich war, über Websites von Apotheken rezeptfrei erhältliche pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zu kaufen. Konkret stellte die Website von Doctipharma die Waren mittels eines vorgespeicherten Katalogs zur Verfügung, der Kunde wählte die Arzneimittel aus und seine Bestellung wurde anschließend an die Apotheken weitergeleitet, deren Websites Doctipharma hostete. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte über ein für alle Apotheken anwendbares einheitliches Zahlungssystem von einem dafür vorgesehenen Konto.

Die Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) stellte die Rechtmäßigkeit dieser Website in Frage: Durch den Dienst, den Doctipharma mittels ihrer Website erbringe, nehme sie am elektronischen Arzneimittelhandel teil und verstoße daher gegen die nationalen Rechtsvorschriften, die den Verkauf von Arzneimitteln durch Personen, die nicht die Eigenschaft eines Apothekers hätten, verböten.

Die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) fragt den Gerichtshof zum einen, ob es sich bei der Tätigkeit von Doctipharma um einen Dienst der Informationsgesellschaft handelt, und zum anderen, ob das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Erbringung eines solchen Dienstes zu verbieten, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben.

Der Gerichtshof stellt insoweit klar, dass der Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und potenziellen Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln besteht, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne des Unionsrechts fällt.

Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof wie folgt:

1. Wird der Anbieter, der keine Apothekereigenschaft besitzt, selbst als Verkäufer der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel angesehen, kann der Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, die Erbringung dieses Dienstes verbieten.

2. Beschränkt sich der betreffende Anbieter hingegen durch eine eigene und vom Verkauf unabhängige Leistung darauf, Verkäufer und Kunden zusammenzuführen, dürfen die Mitgliedstaaten diesen Dienst nicht mit der Begründung verbieten, dass die betreffende Gesellschaft am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne die Eigenschaft eines Apothekers zu haben.

Zwar sind allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Personen zu bestimmen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft ermächtigt oder befugt sind, doch müssen sie auch sicherstellen, dass der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten werden und dürfen folglich einen solchen Dienst für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verbieten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH legt EuGH vor: Gutscheine oder Rabatte einer Versandapotheke aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel für nachfolgende Käufe

BGH
Beschluss vom 13.07.2023
I ZR 182/22
Gutscheinwerbung
Richtlinie 2001/83/EG Art. 86, Art. 87 Abs. 3; ZPO § 945; AMG § 78 Abs. 1; HWG § 7 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11


BGH hat dem EuGH erneut Fragen zur Zulässigkeit von Werbegaben in Form von Gutscheinen und Rabatten beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Versandapotheke aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat vorgelegt.

Leitsatz des Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 ff.), zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/642 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG in Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte Humanarzneimittel in Bezug auf Nordirland und in Bezug auf Zypern, Irland und Malta (ABl. L 118 vom 20. April 2022, S. 4), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Unterliegt Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100)?

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet ?

3. Weiter für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie
2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2
Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment
verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet ?

BGH, Beschluss vom 13. Juli 2023 - I ZR 182/22 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG durch Gewährung von Payback-Punkten bei Vorbestellung rezeptpflichtiger Arzneimittel

OLG Karlsruhe
Urteil vom 12.10.2022
6 U 108/21

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG durch Gewährung von Payback-Punkten bei der Vorbestellung rezeptpflichtiger Arzneimittel vorliegt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG erfüllt.

a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, es liegt einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HWG gesetzlich geregelten Ausnahmefälle vor. Von dem Verbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HWG sind Zuwendungen oder Werbegaben ausgenommen, bei denen es sich um geringwertige Kleinigkeiten handelt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 HWG) oder die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Buchst. a HWG). Allerdings bleiben bei beiden Ausnahmen Zuwendungen oder sonstige Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten (BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 28 – Versandapotheke; GRUR 2019, 1071 Rn. 9 ff – Brötchen-Gutschein; vgl. auch Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/v. Jagow, 5. Aufl. 2021, UWG § 3a Rn. 81d).

Der Zweck der Regelung besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen kann (BGH, GRUR 2015, 504, 505 – kostenlose Zweitbrille; GRUR 2019, 1071 Rn. 16 – Brötchen-Gutschein; GRUR 2020, 659 Rn. 13 – Gewinnspiel). Soweit Zuwendungen und Werbegaben gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG grundsätzlich – und damit unabhängig von ihrem Wert – unzulässig sind, wenn sie entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG) gewährt werden, soll dadurch ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und so eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden (BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 45 – Versandapotheke; GRUR 2019, 1071 Rn. 12 – Brötchen-Gutschein).

b) Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist im Streitfall anwendbar. Die in Rede stehende Gewährung von [X.]punkten weist den für die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes erforderlichen Produktbezug auf. Soweit die Berufung geltend macht, das beanstandete Verhalten stelle eine reine Unternehmens- und Imagewerbung dar, die nicht mit Bonussystemen von Apotheken vergleichbar sei, bei welchen die Werbegabe an den Erwerb (auch) verschreibungspflichtiger Arzneimittel gekoppelt ist, greift dieser Einwand nicht durch.

Zwar unterfällt nicht jede Werbung für Arzneimittel den Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes. Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) und nicht die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird.

Jedoch handelt es sich vorliegend um eine den Anwendungsbereich eröffnende produktbezogene Arzneimittelwerbung.

aa) Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht (BGH, Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 Rn. 30 – Freunde werben Freunde). Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke kann produktbezogen sein (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 31 – Freunde werben Freunde; GRUR 2019, 203 Rn. 19 – Versandapotheke; GRUR 2019, 1071 Rn. 22 – Brötchen-Gutschein). Es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird (BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles & more).

bb) Gemessen hieran kommt der in Rede stehenden Werbung mit der Gewährung von 50 [X.]punkten für die (Vor-)Bestellung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels ein hinreichender Produktbezug zu.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um eine reine Unternehmens-/Imagewerbung für Apotheken. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, auf welches Unternehmen sich diese Unternehmens-/Imagewerbung beziehen soll. Vielmehr werden die Kunden zur Einlösung eines Rezepts in einer beliebigen, an der App der Beklagten teilnehmenden Apotheke aufgefordert, wobei die Vorbestellung eines (rezeptpflichtigen) Arzneimittels mit 50 [X.]-Punkten begünstigt wird. Letztlich geht es weder um die Anpreisung der Leistungen der teilnehmenden Apotheken noch um eine Zuwendung aus anderen unternehmensbezogenen Gründen. Vielmehr ist die Gewährung von 50 [X.]punkten einzig mit der Vorbestellung und der Einsendung der Fotografie eines Rezepts zum Zwecke der Vorbestellung an eine Apotheke verknüpft, die der Kunde zum Zeitpunkt der Wahrnehmung der Werbung in der Regel noch nicht kennt. Damit bezieht sich die Werbung auf sämtliche verschreibungspflichtige Arzneimittel und ist damit ohne Weiteres produktbezogen (vgl. BGH, GRUR 2020, 659 Rn. 22 – Gewinnspielwerbung).

Soweit die Berufung auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15.07.2021, Az. C-190/20) verweist, folgt hieraus keine abweichende Beurteilung. Im Gegenteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Werbung für ein gesamtes Arzneimittelsortiment einer Apotheke europarechtlich nicht harmonisiert ist, so dass es den nationalen Gesetzgebern freistehe, nationale Vorschriften betreffend die Werbung für ein gesamtes Warensortiment an Arzneimitteln zu erlassen. In seinem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Vorabentscheidungsersuchen (BGH, GRUR 2020, 659) hat der Bundesgerichtshof indessen ausgeführt, dass eine Werbung im Sinne von § 1 HWG selbst dann als produktbezogene Arzneimittelwerbung zu gelten hat, wenn seitens einer Apotheke für ein Gewinnspiel geworben wird, dessen Teilnahme die Einsendung eines Arzneimittelrezepts voraussetzt und überdies keinen konkreten Bezug auf ein bestimmtes Arzneimittel aufweist. Nichts Anderes kann gelten, wenn für die Einsendung eines Arzneimittelrezepts im Rahmen einer Vorbestellung 50 [X.]punkte – und damit ein geldwerter Vorteil – gewährt werden. Soweit die Beklagte erneut anführt, die gewährten [X.]punkte sollten Verbraucher dazu motivieren, über die Nutzung der Vorbestellfunktion Unannehmlichkeiten, wie doppelte Apothekenbesuche aufgrund Nicht-Verfügbarkeit der Ware und unnötige, in Zeiten der Corona-Pandemie möglichst zu meidende Wartezeiten in vollen Geschäften zu umgehen, wodurch die Apotheken zugleich logistische und organisatorische Vorteile und den an sich selbst gesetzten Leistungsanspruch verwirklichen könnten, steht dies der Annahme der Produktbezogenheit nicht entgegen. Ein solcher Aussagegehalt lässt sich dem beanstandeten Werbeauftritt ohnehin nicht entnehmen. Zu Recht weist die Berufungsantwort in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese vermeintlichen Vorteile nicht einmal beiläufig erwähnt werden und vielmehr der Erhalt von [X.]punkten im Gegenzug für den Einkauf eines (rezeptpflichtigen) Arzneimittels im Vordergrund steht. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, welcher Zweck mit der Gewährung des den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes widersprechenden Vorteils verfolgt wird (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 28 – Brötchen-Gutschein). Soweit die Berufung offenbar allgemein der Kundenbindung dienende, kundenfreundliche Aufmerksamkeiten vom Verbot der Wertreklame bei preisgebundenen Arzneimitteln ausnehmen will, bietet die Regelung des § 7 HWG hierfür keine Grundlage mehr. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ergänzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung zum 13.8.2013 (BGBl. I 2013, 3108) abhängig von der Motivation des Werbenden bestimmte Werbegaben vom Verbot hat ausnehmen wollen (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 30 – Brötchen-Gutschein).

Ohne Erfolg wendet die Beklagte schließlich ein, dass die Gewährung der ausgelobten [X.]punkte nicht an den Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gekoppelt sei, da der Kaufvertrag über die rezeptpflichtigen Arzneimittel erst in einem späteren Schritt vor Ort vollzogen werde. Der Apothekenkunde, der sich mittels einer ärztlichen Verordnung über die streitgegenständliche App an eine ihm örtlich genehme Apotheke wendet und dort rezeptpflichtige Arzneimittel vorbestellt, wird diese im Regelfall dort erwerben. Der angesprochene Verbraucher, der durch seine Vorbestellung an die Apotheke einen Auftrag zur Bestellung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels erteilt hat, wird bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig davon ausgehen, dass er über die Nutzung der App bzw. durch Einsendung eines Rezepts eine Verpflichtung zum Kauf des so bestellten Arzneimittels eingegangen ist und dabei davon ausgehen, dass er die 50 [X.]punkte nicht allein deshalb erhält, weil er eine unverbindliche Vorbestellung aufgegeben hat, sondern weil er bei der betreffenden Apotheke einen Arzneimittelkauf tätigt. Dessen ungeachtet hat das Landgericht zudem zutreffend ausgeführt, dass auch ohne eine unmittelbare Koppelung der Punkte an einen späteren Erwerb der rezeptpflichtigen Arzneimittel von einem hinreichenden Produktbezug auszugehen ist, denn im Unterschied zu Zugaben im Sinn der früheren ZugabeV kommt es bei den Zuwendungen und Werbegaben des § 7 HWG nicht darauf an, ob sie zusammen mit einer Hauptware gewährt werden. Erfasst sind vielmehr alle Leistungen, die angeboten, angekündigt oder gewährt werden, um den Absatz zu fördern (Zipfel/Rathke in LebensmittelR/Sosnitza, 182. EL November 2021, HWG § 7 Rn. 19;Spickhoff/Fritzsche, 3. Aufl. 2018, HWG § 7 Rn. 10 f). Das Inaussichtstellen einer Vergünstigung für die Einsendung eines Rezeptes (per App) im Rahmen einer Vorbestellung genügt hierfür.

c) Das Landgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass es sich bei der Gewährung von 50 [X.]punkten um eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG i.V.m. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG unzulässige Werbegabe handelt.

aa) Das Landgericht hat zu Recht einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbestimmungen bejaht.

Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem niedrigeren Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der vorgeschriebene Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (vgl. BGH, GRUR 2010, 1138 Rn. 17– UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, mwN; GRUR 2017, 635 Rn. 37 – Freunde werben Freunde; GRUR 2019, 203 Rn. 29 – Versandapotheke; GRUR 2019, 1071 Rn. 27 – Brötchen-Gutschein).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte gewährt Kunden beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels mit der Zuwendung von 50 [X.]punkten einen Vorteil, der den Erwerb des Arzneimittels wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Nach der Lebenserfahrung können – gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch ist – auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in derselben Apotheke zu erwerben. Entscheidend ist dabei, dass der gewährte Vorteil nach der Verkehrsauffassung den Erwerb des Arzneimittels bei der fraglichen Apotheke wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Dies ist bei der Gewährung von 50 [X.]punkten zweifelsfrei der Fall, da dieser geldwerte Vorteil nicht nur als Ausdruck von Kundenfreundlichkeit aufgefasst werden kann.

bb) Der Arzneimittelpreisbindung unterfällt im Übrigen jede Werbegabe nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die dem Kunden einen geldwerten Vorteil gewährt. Die Berufung rügt deshalb im Ergebnis auch in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, die beanstandete Werbung stelle lediglich eine der Kundenbindung dienenden Maßnahme dar. Es kommt nicht darauf an, welcher Zweck mit der Gewährung des den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes widersprechenden Vorteils verfolgt wird (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 28 – Brötchen-Gutschein). Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist mit Blick auf den Zweck der Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 22 = WRP 2012, 1517 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; Urteil vom 6. November 2014 - I ZR 26/13, GRUR 2015, 504 Rn. 14 = WRP 2015, 565 - Kostenlose Zweitbrille, jeweils mwN).

cc) Eine Werbegabe setzt schließlich voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird; er muss diese als ein Geschenk ansehen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1279 Rn. 24 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; GRUR 2015, 504 Rn. 14 - Kostenlose Zweitbrille, jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist ebenfalls gegeben, da die angesprochenen Verkehrskreise die Gewährung von 50 [X.]punkten als eine geldwerte Vergünstigung und als Geschenk verstehen. Soweit in der früheren Rechtsprechung die Unentgeltlichkeit von Zuwendungen verneint wurde, wenn sich der Empfänger der Vergünstigung dafür nicht unerheblichen Testanstrengungen unterziehen (OLG, Köln GRUR-RR 2008, 446, 447) oder beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen musste (BGH, GRUR 2010, 1136 Rn. 18 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE; so auch die durch die Berufung wiederholt bemühte Entscheidung des OLG Hamburg, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 U 21/07 –, Rn. 35, juris – Saartaler), liegt der Fall hier anders. Die [X.]punkte sollen vielmehr gerade nicht als eine Kompensation für etwaige Unannehmlichkeiten gewährt werden. Insbesondere werden die [X.]punkte aus der Sicht des adressierten Verbrauchers nicht als Kompensation für den Aufwand gewährt, der mit der Nutzung der Vorbestellfunktion der App einhergeht. Dieser Aufwand in Gestalt der Übersendung eines Fotos des Rezepts im Rahmen der Vorbestellung steht vielmehr typischerweise im Interesse des Verbrauchers, um eigene Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Er wird die Vorbestellfunktion nutzen, um die Apotheke nicht (mehrfach) aufsuchen zu müssen und den mit der Vorbestellung verbundenen – nach Dafürhalten des Senats im Übrigen auch überschaubaren – Aufwand nur aus dieser Motivation heraus erbringen. Vor allem aber wird er die Nutzung der Vorbestellfunktion nicht als eine gegenüber dem Apothekenbetreiber zu erbringende Leistung begreifen und daher auch die Gewährung der [X.]punkte nicht als eine Entschädigung hierfür ansehen, sondern als eine unentgeltliche Zuwendung.

dd) Soweit die Berufung einwendet, das Landgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Gewährung der 50 [X.]punkte mit einem Gegenwert von 50 Cent für die Nutzung der Vorbestellfunktion eine abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Verbraucher darstelle, erweist sich auch dieser Berufungsangriff als nicht durchgreifend.

Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 HWG verbietet entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell und soll damit einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindern und so eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen. Auch dieses Ziel dient dem Interesse der Verbraucher (vgl. BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 12 – Brötchen-Gutschein; GRUR 2019, 203 Rn. 45 – Versandapotheke). Die Gewährung von geringwertigen Werbegaben ist jedenfalls dann, wenn preisgebundene Arzneimittel erworben werden, nicht mehr zulässig, es sei denn, es liegt eine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 HWG geregelten Ausnahmen vor (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 30 Brötchen-Gutschein). Hieraus folgt zugleich, dass vorliegend die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten durch die Gewährung von 50 [X.]punkten im Rahmen der Vorbestellung über die streitgegenständliche App zu bejahen ist. Diese Zuwendung wird durch die Verbraucher als eine geldwerte Vergünstigung und als Geschenk verstanden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (BT-Drs. 17/13770, 20 f.) führt der Verstoß gegen aufgrund des Arzneimittelrechts geltende Preisvorschriften indessen unabhängig davon, ob mittels Barrabatten und Zugaben oder Werbegaben in Form von geringwertigen Kleinigkeiten betriebenen Rabattaktionen für Arzneimittel zur Unzulässigkeit der Werbegabe. Eine Unterscheidung zwischen der Bewertung von Barrabatten und zu einem späteren Zeitpunkt einlösbaren geldwerten Rabatten ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Verbraucher soll in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Entgegen der Auffassung der Berufung ist hierbei nicht erforderlich, dass aus der unsachlichen Beeinflussung eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Kunden folgen kann. Ein solches Erfordernis ist auch nicht der – in der Verhandlung vor dem Senat durch die Berufung hierfür angeführten – Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2021 (I ZR 214/18, BGH, GRUR 2022, 391 – Gewinnspielwerbung II) zu entnehmen. In dem dortigen Fall wurde eine unsachliche Beeinflussung bejaht, weil der Kunde sich für die Einlösung des Rezepts bei einer Versandapotheke entscheiden könnte, ohne zu erwägen, dass der Erwerb des Arzneimittels bei einer stationären Apotheke seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entspreche (vgl. Rn. 44). Dies steht indessen nicht der Annahme einer unsachlichen Beeinflussung entgegen, die – wie hier – darin begründet liegt, dass der Kunde beim Erwerb des Arzneimittels bei einer an dem [X.]programm teilnehmenden Apotheke den – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers schon im Ansatz zu unterbindenden – Preiswettbewerb zwischen den Apotheken fördert, was dem letztlich auch in seinem Interesse stehenden Ziel einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln abträglich sein könnte (vgl. BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 12 – Brötchen-Gutschein).

ee) Es liegt auch keine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 HWG geregelten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Wertreklame vor. Im Streitfall kommt von vornherein allenfalls eine Einordnung des Gutscheins als handelsübliches Zubehör oder handelsübliche Nebenleistung i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG in Betracht. Die Ausnahmebestimmung greift zwar auch bei preisgebundenen Arzneimitteln, da sie insoweit keine Einschränkung enthält (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 29 – Brötchen-Gutschein). Bei der Gewährung von 50 [X.]punkten handelt es sich aber ersichtlich weder um ein Zubehör noch um eine Nebenleistung i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG. Maßgeblich für die Eigenschaft als Zubehör ist eine funktionale Beziehung zur Hauptware (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 29 – Brötchen-Gutschein; GRUR 1968, 53, 55 – Probetube, zur ZugabeV), an der es im Streitfall fehlt. Eine Nebenleistung muss geeignet sein, die Durchführung der Hauptleistung sachlich zu ermöglichen oder zu fördern (vgl. BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 29 – Brötchen-Gutschein); auch dies trifft im Streitfall nicht zu. Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt, dass die Gewährung von [X.]punkten im Rahmen der Bestellung von Arzneimitteln über eine App handelsüblich sei, ist dieser Vortrag zudem als neues Angriffsmittel in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

d. Die Zuwiderhandlung der Beklagten ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.

Die Werbung entgegen den Preisbindungsvorschriften führt nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Beurteilung des Sachverhalts zu einem Preiswettbewerb zwischen den Apotheken. Der Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung vom 13.8.2013 vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. Für eine betragsmäßige Spürbarkeitsschwelle beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel ist damit kein Raum mehr (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 57 – Brötchen-Gutschein; OLG Hamm, Urteil vom 11.6.2015 – 4 U 12/15, BeckRS 2016, 3123; OLG München, GRUR-RR 2017, 451, 455 – Smiles®Plus Partnerprogramm). Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Karlsruhe: Online-Markplatz für Apotheken nicht mit § 8 Satz 2, § 11 Abs. 1a ApoG vereinbar und wettbewerbswidrig

LG Karlsruhe
Urteil vom 08.12.2022
13 O 17/22 KfH


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Online-Markplatz für Apotheken nicht mit § 8 Satz 2, § 11 Abs. 1a ApoG vereinbar und somit wettbewerbswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil über die Zulässigkeit eines Online-Marktplatzes für Apotheken

Kurzbeschreibung: Landgericht Karlsruhe entscheidet über die Zulässigkeit eines Online-Marktplatzes für Apotheken (LG Karlsruhe, Urteil vom 08.12.2022 - 13 O 17/22 KfH -)

Mit Urteil vom heutigen Tage hat das Landgericht Karlsruhe (Kammer für Handelssachen) in einem Rechtsstreit eines (von einem großen niederländischen Anbieter betriebenen) Online-Marktplatzes für Apotheken mit einer Apothekerkammer, deren Mitglieder niedergelassene Apotheker*innen sind, wie folgt entschieden:

Angesichts der Regelungen in § 8 Satz 2, § 11 Abs. 1a ApoG ist es nicht zulässig, für Apotheken eine Online-Plattform bereitzustellen, über welche Apotheken Arzneimittel an Patienten verkaufen können, wobei der Marktplatzbetreiber von den teilnehmenden Apotheken eine monatliche Grundgebühr und eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr (letztere auf Verkäufe von rezeptfreien Arzneimitteln) verlangt. Die beklagte Apothekerkammer kann einen entgegen den Vorschriften des Apothekengesetzes erfolgten Betrieb eines solchen Online-Marktplatzes nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts (UWG) untersagen lassen.

Dies ergibt sich insbesondere aus dem vom Gesetzgeber mit den genannten Vorschriften verfolgten Zweck. Der Schutzzweck des § 11 Abs. 1a ApoG liegt im Allgemeininteresse an der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dafür ist nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich. Die Versorgung der Bevölkerung mit wohnortnahen Apothekendienstleistungen kann gefährdet sein, wenn wirtschaftlicher Druck auf die niedergelassenen Apotheken entsteht. Sind solche Marktplätze wie derjenige der Klägerin erst einmal am Markt etabliert, stehen Apotheker*innen vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren.

Der Gesetzeszweck des § 8 Satz 2 ApoG liegt darin, Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apotheker*innen zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert. Apotheker*innen soll die eigenverantwortliche Führung und Leitung ihres Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein, ohne (auch nur indirekt) bei ihren Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Apotheker*innen ihrer öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommen. Apotheken können, wenn sie sich dem Marktplatz der Klägerin angeschlossen haben, möglicherweise in einigen Jahren aufgrund gestiegener Marktmacht der Klägerin und sich ggf. ändernder Vertragsbedingungen in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten, wie dies von anderen Marktplätzen, etwa booking.com, als allgemeinbekannt vorausgesetzt werden kann.

Das Urteil gewinnt zusätzliche Bedeutung vor dem Hintergrund des elektronischen Rezepts, welches seit 01.09.2022 schrittweise in Deutschland eingeführt wird. Dabei übermitteln Arztpraxen die Verordnungsdaten elektronisch an den e-Rezept-Server. Patient*innen erhalten einen Zugangscode, den sie (ggf. unter Nutzung einer e-Rezept-App) einer Apotheke ihrer Wahl bereitstellen. Die Apotheke kann sich damit die Daten vom Server laden und die Medikamente ausgeben. Indem die Abläufe im Gesundheitswesen aufgrund der Einführung des e-Rezepts in naher Zukunft weitaus digitaler sein werden, würden sich die aufgezeigten – möglichen – Entwicklungen am Markt, die der Gesetzgeber gerade verhindern will, nochmals beschleunigen.

Die Klägerin (Marktplatzbetreiberin) kann das Urteil durch Berufung zum Oberlandesgericht anfechten.

§ 8 Satz 2 ApoG lautet:

Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge sind unzulässig.

§ 11 Abs. 1a ApoG lautet:

Es ist für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Dritten unzulässig, Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.


BGH: Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker kann nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG unzulässig sein

BGH
Urteil vom 17.12.2020
I ZR 235/16
Apothekenmuster II
Richtlinie 2001/83/EG Art. 96 Abs. 1, Art. 94 Abs. 1; AMG § 47 Abs. 3; HWG § 7 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG unzulässig sein kann.

Leitsätze des BGH:
a) Die unionsrechtskonforme Auslegung von § 47 Abs. 3 AMG im Lichte von Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG ergibt, dass es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt ist, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen stehen diese Bestimmungen der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-786/18, GRUR 2020, 764 = WRP 2020, 1004 - ratiopharm).

b) Die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker kann jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG als Zuwendung in Form einer Ware unzulässig sein.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 235/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Pharmaunternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben - Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulässig

EuGH
Urteil vom 12.06.2020
C-786/18
ratiopharm GmbH / Novartis Consumer Health GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass Pharmaunternehmen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben dürfen. Die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken ist hingegen zulässig.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Pharmazeutische Unternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben

Dagegen verbietet es das Unionsrecht nicht, Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben.

Das Pharmaunternehmen Novartis stellt das Arzneimittel Voltaren Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac her. Vor den deutschen Gerichten beantragt Novartis, dem Generikahersteller ratiopharm die Abgabe von Gratismustern des Arzneimittels Diclo-ratiopharm-Schmerzgel, das ebenfalls den Wirkstoff Diclofenac enthält, an Apotheker zu untersagen. Nach Auffassung von Novartis verstößt eine solche Abgabe gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Dort seien unter den Personen, an die Gratismuster von Arzneimitteln abgegeben werden dürften, zwar Ärzte, nicht aber Apotheker genannt. Diese Abgabe sei daher eine unzulässige Gewährung von Werbegaben.

Der Bundesgerichtshof ersucht in diesem Zusammenhang den Gerichtshof um die Auslegung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (im Folgenden auch: Kodex). Er möchte wissen, ob dieser Kodex es pharmazeutischen Unternehmen erlaubt, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker abzugeben.

Mit seinem Urteil von heutigen Tag entscheidet der Gerichtshof, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben.

Dagegen verbietet es der Kodex nicht, Gratismuster von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an Apotheker abzugeben.

Der Kodex ist nach Ansicht des Gerichtshofs dahin auszulegen, dass nur zur Verschreibung von
der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegenden Arzneimitteln berechtigte Personen, also
Ärzte, Gratismuster solcher Arzneimittel erhalten dürfen, was zur Folge hat, dass eine Abgabe an
Apotheker nicht zulässig ist. Diese Arzneimittel dürfen in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch
verbundenen Gefahr oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheit nämlich nicht
ohne ärztliche Überwachung verwendet werden.

Allerdings wird den Apothekern durch den Kodex nicht die Möglichkeit genommen, im Rahmen des
nationalen Rechts Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten,
damit sie sich mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung
sammeln können.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren

BGH
Urteile vom 06.06.2019
I ZR 206/17
Brötchen-Gutschein
UWG § 3a; Richtlinie 2001/83/EG Art. 4 Abs. 3; HWG § 7 Abs. 1 Satz 1; AMG § 78 Abs. 2 und 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:


a) Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und zu ihrer Einhaltung von dieser Richtlinie unberührt.

b) Der weit zu verstehende Begriff der Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG umfasst abgesehen von den in § 7 HWG vorgesehenen Ausnahmen sowohl branchenbezogene als auch branchenferne Geschenke jeder Art und jeden Wertes.

c) Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 78 Abs. 2 und 3 AMG) sind bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ (Urteil vom 19. Oktober 2016 - C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) weder aus unionsrechtlichen Gründen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen
unanwendbar oder unwirksam (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 29. November 2018 - I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 = WRP 2019, 187 - Versandapotheke).

d) Mit Blick auf die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung vom 13. August 2013 kann die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung nicht mehr wegen des geringen Wertes der Werbegabe verneint werden.

BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 206/17 - OLG Frankfurt - LG Darmstadt

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Apotheken dürfen beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren

BGH
Urteile vom 06.06.2019
I ZR 206/17 und I ZR 60/18


Der BGH hat entschieden, dass Apotheken beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch keine geringwertigen Werbegaben wie Brötchengutscheine oder Ein-Euro-Gutscheine gewähren dürfen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Gewährung von Werbegaben durch Apotheken

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren.

Verfahren I ZR 206/17

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt in Darmstadt eine Apotheke. Sie händigte einem Kunden im September 2014 anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstoße gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei (§ 3a UWG). Die Rechtsprechung habe zwar im Blick darauf, dass die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem Heilmittelwerbegesetz zulässig gewesen sei, die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint. Daran könne aber nicht mehr festgehalten werden, nachdem der Gesetzgeber die entsprechende Bestimmung des Heilmittelwerbegesetzes mit Wirkung vom 13. August 2013 ausdrücklich um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe einer Anwendung dieser Vorschriften auf in Deutschland ansässige Apotheken weder aus Gründen des Unionsrechts noch aus Gründen des Verfassungsrechts entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Verfahren I ZR 60/18

Sachverhalt:

Der Beklagte betreibt in Berlin eine Apotheke. Er gewährte seinen Kunden im Jahr 2014 zeitweise eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins. Die Kunden konnten den Gutschein bei einem weiteren Einkauf in der Apotheke des Beklagten einlösen. Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gewährung eines Ein-Euro-Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an Verbraucher verstoße zwar gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Diese Preisbindungsvorschriften seien mit der Berufsausübungsfreiheit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe ihrer Anwendung auf den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln nicht entgegen und führe nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung in Deutschland ansässiger Apotheken. Der hier in Rede stehende Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften durch Zuwendung einer geringwertigen Kleinigkeit sei aber nicht wettbewerbswidrig. Er sei nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG). Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass nach der geltenden Fassung des Heilmittelwerbegesetzes auch die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei (§ 7 Abs. 1 Satz Nr. 1 HWG).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 206/17 die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin im Verfahren I ZR 60/18 hatte dagegen Erfolg.

Nach den Entscheidungen des Senats ist die Zugabe sowohl eines Brötchen-Gutscheins als auch eines Ein-Euro-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften verstoßen (§§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG).

Bei einer Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG dürfen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt.

Bei diesem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann Unterlassungsansprüche begründen (§ 8 UWG). Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG soll der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell verbietet, soll damit außerdem ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.

Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/?Zentrale" (Urteil vom 24. November 2016 - C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) steht der Anwendung der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes für in Deutschland ansässige Apotheken nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung liegt in den Regelungen über die Preisbindung für Apotheken, die in anderen Staaten der Europäischen Union ansässig sind, ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV). Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug wie in den Streitfällen sind die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit allerdings nicht anwendbar.

Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union führt auch nicht zu einer nach nationalem Verfassungsrecht unzulässigen Inländerdiskriminierung. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nicht, dass eine Regelung für Inländer derjenigen für andere Unionsbürger entsprechen muss, solange die Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht. Im Blick auf die Arzneimittelpreisbindung ergibt sich ein gewichtiger sachlicher Grund bereits aus der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit zwar hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkaufs von Arzneimitteln durch die im Primärrecht der Europäischen Union geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeschränkt ist, für den Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands aber keine entsprechende Einschränkung besteht. Eine unterschiedliche Behandlung von in Deutschland ansässigen Apotheken einerseits und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen Apotheken andererseits ist zudem gerechtfertigt, weil sich die Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken weniger stark auswirkt als auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken, die für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen sind. Die Fortgeltung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften verstößt für im Inland ansässige Apotheken auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der mit den Bestimmungen des § 78 Abs. 1 und 2 AMG einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist mit Blick auf ihren Zweck der Sicherstellung einer im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens ist die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften erst dann in Frage gestellt, wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs des Verkaufs preisgebundener Arzneimittel durch ausländische Versandapotheken nicht mehr allgemein erreicht werden kann oder die gesetzliche Regelung für inländische Apotheken angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland nicht mehr zumutbar ist. Dass dies derzeit der Fall ist, haben die Berufungsgerichte nicht festgestellt.

Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist schließlich im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändert daran nichts. Der Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung vom 13. August 2013 vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe ist ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.

Vorinstanzen I ZR 206/17:

LG Darmstadt - Urteil vom 10. Juni 2016 - 14 O 186/15

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. November 2017 - 6 U 164/16, GRUR 2018, 208 = WRP 2018, 105

Vorinstanzen I ZR 60/18:

LG Berlin - Urteil vom 13. Mai 2015 - 97 O 12/15, PharmR 2015, 414

KG Berlin - Urteil vom 13. März 2018 - 5 U 97/15, GRUR 2018, 839

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG

Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

§ 7 Abs. 1 HWG

Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten;

2. die Zuwendungen oder Werbegaben in

a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder

b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;

Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist;

3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur in handelsüblichem Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden darf;

4. die Zuwendungen oder Werbegaben in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen bestehen oder

5. es sich um unentgeltlich an Verbraucherinnen und Verbraucher abzugebende Zeitschriften handelt, die nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Kundenwerbung und den Interessen der verteilenden Person dienen, durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck erkennbar machen und in ihren Herstellungskosten geringwertig sind (Kundenzeitschriften).

LG Mosbach: Versandapotheke DocMorris verstößt durch Abgabestelle für Arzneimittel gegen Arzneimittelgesetz

LG Mosbach
Urteile vom 15.02.2018
4 O 37/17, 4 O 39/17, 3 O 9/17, 3 O 10/17 und 3 O 11/17


Das LG Mosbach hat entschieden, dass die Versandapotheke DocMorris durch Abgabestellen für Arzneimittel gegen das Arzneimittelgesetz verstößt und zugleich wettbewerbswidrig handelt. Zulässig ist - so das Gericht - die Arzneimittelabgabe nur in einer Apotheke oder mittels Versandhandels durch eine Apotheke.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

"Zwei Urteile der Kammer für Handelssachen und drei Urteile der 3. Zivilkammer in Hauptsacheverfahren wegen wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche nach Inbetriebnahme einer Arzneimittelabgabestelle in Hüffenhardt

Auf die Klagen eines Versandapothekers aus Deutschland, von drei Apothekern aus dem Umkreis und eines Verbandes wurde es der niederländischen Betreiberin eines Medikamentenversandhandels sowie der Mieterin der Räume, in denen sich die Arzneimittelabgabestelle in 74928 Hüffenhardt befindet, verboten, apothekenpflichtige und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel in vorgenannter Arzneimittelabgabestelle an Patienten abzugeben, wenn sich die Arzneimittel bei Initiierung des Abgabevorgangs nicht in Räumen befinden, die von einer Apothekenbetriebserlaubnis der niederländischen Betreiberin eines Medikamentenversandhandels in den Niederlanden umfasst sind. Gleichzeitig wurde den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Zusätzlich wurde es der niederländischen Betreiberin eines Medikamentenversandhandels verboten, apothekenpflichtige Arzneimittel in Deutschland zu lagern, um diese über die Arzneimittelabgabestelle an Kunden in Hüffenhardt abzugeben.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die von der niederländischen Betreiberin eines Medikamentenversandhandels und der Mieterin in Hüffenhardt im bewussten und gewollten Zusammenwirken praktizierte Abgabe von Arzneimitteln sowie deren Lagerung verstoße gegen das Arzneimittelgesetz und sei damit auch wettbewerbswidrig. Zulässig sei nur die Arzneimittelabgabe in einer Apotheke oder mittels Versandhandels durch eine Apotheke. Beides liege bei der Arzneimittelabgabestelle in Hüffenhardt nicht vor. Alleine der Umstand, dass die Arzneimittel nach einer Videoschaltung zur Abgabe freigegeben würden, mache deren Abgabe nicht zum Versandhandel. Anders als beim Versandhandel erfolge hier eine Arzneimittelabholung von dem Ort, an dem die Medikamente gelagert seien. Auch bestimme der Kunde - abweichend vom Versandhandel - nicht, wohin die Ware zu liefern sei. Die Abgabestelle Hüffenhardt sei mit einer reinen Abholstation nicht vergleichbar, da der Kunde in Hüffenhardt Medikamente erwerbe, über die zuvor kein Kaufvertrag abgeschlossen und die nicht konkret für ihn nach Hüffenhardt geliefert worden seien. Außerdem beabsichtige der Kunde, bei Aufsuchen der Medikamentenausgabestelle in Hüffenhardt das Medikament - wie bei einer Präsenzapotheke - unmittelbar nach dem Bestellvorgang zu erhalten und nicht - wie beim Versandhandel - einige Zeit auf den Erhalt des Bestellten zu warten.

Die Urteile sind mit der Berufung anfechtbar, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt werden kann.



OVG Münster: Zugabe von Kuschelsocken oder einer Rolle Geschenkpapier bei preisgebundenen Arzneimitteln durch Apotheke unzulässig

OVG Münster
Urteile vom 08.09.2017
13 A 2979/15 und 13 A 3027/15


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Zugabe von Kuschelsocken oder einer Rolle Geschenkpapier bei preisgebundenen Arzneimitteln durch eine Apotheke einen unzulässigen geldwerten Vorteil darstellt.

Die Pressemitteilung des OVG Münster:

Keine Zugabe von Kuschelsocken bei preisgebundenen Arzneimitteln

Deutsche Apotheker dürfen ihren Kunden beim Erwerb verschreibungspflichtiger und sonstiger preisgebundener Arzneimittel keine geldwerten Vorteile gewähren. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit zwei Urteilen vom 8. September 2017 entschieden.

Die Klägerinnen, zwei Apothekerinnen aus dem Kreis Coesfeld, gaben in den Jahren 2013 und 2014 Gutscheine für eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschel­socken heraus. Diese Gutscheine wurden „bei Abgabe eines Rezeptes“ eingelöst. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Preisbin­dung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und untersagte die Abgabe solcher Gutscheine. Dagegen klagten die Apothekerinnen. Ihre Klagen hatten sowohl beim Verwaltungsgericht in Münster wie auch jetzt im Berufungsverfahren vor dem Ober­verwaltungsgericht keinen Erfolg.

Zur Begründung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hieß es: Deutschen Apothekern sei es verboten, von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung er­gebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis abzugehen, insbesondere durch das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie von Zuwendungen und Werbegaben und die Werbung hierfür. Gegen diese Preisbindung hätten die beiden Apothekerinnen verstoßen, weil die in dem Gutschein versprochene Sachzu­wendung den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen lasse. Der Kunde spare eigene Aufwendungen, indem er gegen Abgabe des Gutscheins eine Ware des täglichen Bedarfs erhalte. Dass diese nur einen ge­ringen Wert (weniger als 0,50 Euro) habe, sei im Rahmen der Preisbindung unerheb­lich, weil diese keine Bagatellgrenze für (zulässige) Abweichungen kenne.

Die Preisbindungsvorschriften seien verfassungsgemäß. Sie dienten der bundesweiten gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln und verstießen weder gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz.

Unionsrecht sei ebenfalls nicht verletzt. Es lasse bei Arzneimitteln nationale Vorschriften zur Preisbindung und zu deren Durchsetzung zu. Daran ändere auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Okto­ber 2016 (C-148/15) nichts, nach dem die Preisbindungsvorschriften für auslän­dische Versandapotheken nicht gälten. Dieser Wettbewerbsvorteil für ausländi­sche Versandapotheken habe sich noch nicht gravierend zu Lasten inländischer Apotheken ausgewirkt. Ob, wann und wie der nationale Gesetzgeber auf die Ent­scheidung des EuGH reagieren werde, um die Inländerdiskriminierung zu beseitigen, aber gleichwohl die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, sei offen.

Jedenfalls seien die Apothekerkammern nicht gehalten, bei dieser Sachlage von Maßnahmen bei Verstößen gegen nationale Preisbindungsvorschriften abzusehen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seine Urteile nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entschei­det.

Aktenzeichen: 13 A 2979/15 (I. Instanz: VG Münster 5 K 954/14) - 13 A 3027/15 (I. Instanz: VG Münster 5 K 953/14)

BVerfG: Verbot der Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ist verfassungswidrig

BVerfG
Beschluss vom 12.01.2016
1 BvL 6/13


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Verbot der Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern verfassungswidrig ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

"Verbot der Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ist verfassungswidrig

Beschluss vom 12. Januar 2016
1 BvL 6/13
§ 59a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist insoweit verfassungswidrig und nichtig, als er Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verbietet, sich mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden. Der mit dem Sozietätsverbot verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist unverhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber hat den Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit anderen Berufsgruppen - insbesondere mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern - in einer Partnerschaftsgesellschaft zugelassen. Im Vergleich hierzu birgt eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern keine so wesentlichen zusätzlichen Risiken für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten, dass dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigte.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die beiden Antragsteller des Ausgangsverfahrens sind ein Rechtsanwalt sowie eine Ärztin und Apothekerin. Sie gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft und meldeten diese zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Amtsgericht und Oberlandesgericht wiesen die Anmeldung zurück. Der Eintragung stehe die abschließende Regelung des § 59a Abs. 1 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) entgegen, in der die Berufe des Arztes und des Apothekers nicht aufgeführt seien. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Die Vorlagefrage ist auf den entscheidungserheblichen Teil des zur Prüfung gestellten § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO zu beschränken. Sie bedarf in zweifacher Hinsicht der Einschränkung: hinsichtlich der betroffenen Berufe auf die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern sowie hinsichtlich der Form der Zusammenarbeit auf die Partnerschaftsgesellschaft.

2. § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als die Regelung einer Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten sowie mit Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft entgegensteht.

a) Zwar verfolgt der Gesetzgeber mit dem Eingriff in die freie Berufsausübung durch Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe einen legitimen Zweck. Die Vorschrift soll die Beachtung der wesentlichen anwaltlichen Grundpflichten aus § 43a BRAO sichern. Hierzu zählen auch die Verschwiegenheitspflicht, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen sowie die Pflicht, keine die berufliche Unabhängigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen.

b) Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass ein grundrechtseinschränkendes Gesetz geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um den vom Gesetzgeber erstrebten Zweck zu erreichen. In diesem Sinne erforderlich ist ein Gesetz, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Angemessen ist das Gesetz, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs, dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird.

aa) Für die Sicherstellung der anwaltlichen Verschwiegenheit ist das Sozietätsverbot mit Ärzten und Apothekern in weiten Bereichen nicht erforderlich und im Übrigen unangemessen.

(1) Die Verpflichtung der Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit nach § 43a Abs. 2 BRAO ist nach Maßgabe des § 203 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) strafbewehrt. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, solche Berufe von der gemeinschaftlichen Ausübung auszuschließen, für die ein ausreichendes Maß an Verschwiegenheit nicht gesichert erscheint. Diesem Ansatz folgend hat er solche Defizite nur bei den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen nicht zugrunde gelegt und sie daher als sozietätsfähig zugelassen.

(2) Der hiernach erfolgte Ausschluss von Ärzten und Apothekern aus dem Kreis der sozietätsfähigen Berufe ist jedoch regelmäßig schon nicht erforderlich, um das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten zu sichern. Eine Weitergabe mandatsrelevanter Informationen an die nichtanwaltlichen Partner wird bei Beauftragung einer interprofessionellen Sozietät regelmäßig erwartet und stellt daher keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht dar. Auch zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit gegenüber außenstehenden Dritten ist ein solches Sozietätsverbot zumindest in weiten Bereichen nicht erforderlich. Denn Ärzte sowie Apotheker sind gleich den Rechtsanwälten zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet. Die Pflicht gilt umfassend für alle nicht allgemein bekannten Tatsachen, die dem Berufsträger in seiner Eigenschaft als Arzt beziehungsweise Apotheker anvertraut oder sonst bekannt werden; sie ist nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt.

(3) Soweit die Kenntnisse nicht bei der Berufsausübung als Arzt oder Apotheker anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, besteht für den nichtanwaltlichen Partner zwar keine Verschwiegenheitspflicht. Gleichwohl ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht mehr gewahrt, wenn das Sozietätsverbot allein darauf gestützt wird. Denn für eine qualifizierte Beratung, aber auch für den wirtschaftlichen Erfolg einer Anwaltskanzlei kann es entscheidend sein, anwaltliche Hilfe in spezialisierten Bereichen anzubieten und sich dauerhaft mit Angehörigen hierfür geeigneter Berufe zusammenzuschließen. Die hiermit verbundene zusätzliche Gefährdung der Verschwiegenheit ist gering und kann den erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit im Ergebnis nicht rechtfertigen. Insbesondere hat der Gesetzgeber bei den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen keine zusätzlichen Gefährdungen zugrunde gelegt und sie daher für eine gemeinsame Berufsausübung mit Rechtsanwälten zugelassen. Auch bei der Zusammenarbeit mit hiernach als sozietätsfähig anerkannten Berufen sind aber Situationen nicht ausgeschlossen, in denen der berufsfremde Partner von Umständen Kenntnis erlangt, die zwar der anwaltlichen Verschwiegenheit, nicht aber seiner eigenen beruflichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterfallen. Hinzu kommt, dass nach § 30 Satz 1 und § 33 der Berufsordnung für Rechtsanwälte
(BORA) zu gewährleisten ist, dass auch die berufsfremden Partner und die Partnerschaftsgesellschaft das anwaltliche Berufsrecht beachten.

(4) Zur Sicherung der anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechte ist ein Verbot einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ebenfalls weitgehend nicht erforderlich, zumindest aber unangemessen. Nach den einschlägigen Verfahrensordnungen können auch Ärzte und Apotheker ein eigenes Recht zur Zeugnisverweigerung beanspruchen. Sollten sich in einzelnen Fällen Situationen ergeben, in denen das Zeugnisverweigerungsrecht des nichtanwaltlichen Partners hinter dem des Rechtsanwalts zurückbleibt, so ist die mit dem reduzierten Schutz der Verschwiegenheit verbundene Gefahr gering und unterscheidet sich wiederum nicht von der, die der Gesetzgeber für die von ihm bereits als sozietätsfähig zugelassenen Berufe hinnimmt.

(5) Auch die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote, die ebenfalls dem Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt dienen, macht ein Verbot der Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern nicht erforderlich. Der Schutz dieser Berufsgruppen vor einer Beschlagnahme bleibt nicht hinter dem Schutz zurück, den Rechtsanwälte beanspruchen können. Vielmehr knüpft § 97 StPO die Untersagung der Beschlagnahme an das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b StPO und ist daher sowohl auf Rechtsanwälte als auch auf Ärzte und Apotheker anwendbar.

(6) Bei Ermittlungsmaßnahmen im repressiven Bereich der Strafverfolgung und im präventiven Bereich der Gefahrenabwehr sowie bei der Straftatenverhütung sind zwar Unterschiede im Schutzniveau zu verzeichnen, die das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten berühren können. Insbesondere gilt nach § 160a Abs. 1 StPO zugunsten von Rechtsanwälten ein absolutes, zugunsten von Ärzten und Apothekern nach § 160a Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO aber nur ein relatives Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Jedoch unterfallen auch die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe nur dem relativen Schutz; insoweit nimmt der Gesetzgeber eine begrenzte Schwächung der Geheimhaltungsinteressen der Mandanten zugunsten der Berufsfreiheit hin.

bb) Zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit mag sich ein Sozietätsverbot, das Partnerschaftsgesellschaften zwischen Rechtsanwälten und Ärzten oder Apothekern entgegensteht, noch als erforderlich darstellen; auch hier ist aber jedenfalls die Angemessenheit nicht mehr gewahrt.

(1) Bei der Zusammenarbeit mehrerer Berufsträger lassen sich Beeinträchtigungen der beruflichen Unabhängigkeit der einzelnen Partner etwa wegen der Rücksichtnahme auf die Belange anderer zur Vermeidung oder Lösung von Interessenskonflikten oder auch aufgrund entstehender Machtstrukturen nie völlig ausschließen. Die Annahme des Gesetzgebers, insoweit gelte es einer Gefährdung der Unabhängigkeit zu begegnen, ist daher plausibel und nicht zu beanstanden.

(2) Im Vergleich zu den nach § 59a BRAO zulässigen Konstellationen der gemeinsamen Berufsausübung bietet die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern jedoch kein entscheidend erhöhtes Gefährdungspotential für die anwaltliche Unabhängigkeit, so dass deren Verbot sich als unangemessen erweist. Zwar fehlt es hier im Unterschied zu den sozietätsfähigen Berufen an der Gemeinsamkeit einer im weitesten Sinne wirtschaftlichen oder wirtschaftsrechtlichen Beratung; dies lässt jedoch keinen plausiblen Grund für einen gesteigerten Schutzbedarf zugunsten der anwaltlichen Unabhängigkeit erkennen. Im Gegenteil spricht das grundlegend andere Tätigkeitsfeld der Ärzte und Apotheker eher dafür, dass diese schon wegen ihrer beruflichen Distanz zu rechtlichen Fragestellungen die Unabhängigkeit des anwaltlichen Partners stärker respektieren werden.

Eine stärkere Gefährdung der Unabhängigkeit folgt auch nicht aus der hier in Frage stehenden Organisationsform. Die Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft befreit den jeweiligen Berufsträger nicht von seinen berufsrechtlichen Pflichten (vgl. § 6 Abs. 1 PartGG). Zudem kann die Geschäftsführungsbefugnis des einzelnen Partners insoweit nicht beschränkt werden, als seine Berufsausübung betroffen ist (vgl. § 6 Abs. 2 PartGG). Darüber hinaus gelten - unabhängig von der Gesellschaftsform - die bereits genannten Sicherungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte.

cc) Auch das Ziel, Interessenkonflikte zu vermeiden, rechtfertigt nicht ein Sozietätsverbot, das Partnerschaftsgesellschaften zwischen Rechtsanwälten und Ärzten oder Apothekern hindert.

(1) Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und nach näherer Maßgabe des § 3 BORA ist es Rechtsanwälten untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Strafrechtlich abgesichert ist dieses Verbot in wesentlichen Teilen durch die Strafbarkeit des Parteiverrats nach § 356 StGB. Entsprechende Bestimmungen finden sich in den Berufsordnungen für Ärzte und Apotheker nicht; diese können auch nicht Täter des § 356 StGB sein. Der Verzicht auf vergleichbare Regelungen erscheint nachvollziehbar, weil Ärzte und Apotheker typischerweise nicht im Interesse ihrer Patienten in ein Gegnerverhältnis zu Dritten geraten. Jedoch sind auch nicht alle der in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe zu geradliniger Interessenvertretung gemäß § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verpflichtet. Zudem können sich allenfalls noch Patentanwälte - sowie in dem sehr eingeschränkten Rahmen des § 392 AO auch Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer - wegen Parteiverrats strafbar machen. Daher bleibt regelmäßig nur der Weg, den anwaltlichen Partner gemäß § 30 Satz 1 BORA zu verpflichten, diese nichtanwaltlichen Partner vertraglich an die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts zu binden. Hinzu kommt die Verpflichtung des Rechtsanwalts, gemäß § 33 Abs. 2 BORA zu verhindern, dass durch sozietätsweit wirkende Maßnahmen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen missachtet wird.

(2) In dem damit gezogenen engen Rahmen hat es auch der Gesetzgeber bei Zulassung der sozietätsfähigen Berufe durch § 59a Abs. 1 BRAO hingenommen, dass Gefährdungen für die Geradlinigkeit anwaltlicher Tätigkeit durch interprofessionelle Zusammenarbeit nicht völlig auszuschließen sind. Da sich wiederum zeigt, dass bei einer Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern im Vergleich zu Angehörigen sozietätsfähiger Berufe keine spezifisch erhöhten Gefährdungen der anwaltlichen Geradlinigkeit auszumachen sind, erweist sich das Sozietätsverbot unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls als unangemessener Eingriff in deren Berufsfreiheit."

OLG Celle: Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung auch wenn Werbeanzeige in Fachzeitschrift für Ärzte, Apotheker und Ernährungsberater erscheint

OLG Celle
Urteil vom 22.10.2015
13 U 47/15


Das OLG Celle hat entschieden, dass auch dann ein Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung vorliegt, wenn eine Werbeanzeige mit unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben in einer Fachzeitschrift für Ärzte, Apotheker oder Ernährungsberater erscheint.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die HCVO gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 - wie oben näher ausgeführt - für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die bei der Werbung für Lebensmittel, die an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, gemacht werden.

Der Anwendbarkeit der Verordnung steht nicht entgegen, dass die fragliche Werbeanzeige in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden ist. Dass sich die Werbemaßnahme nicht direkt an den durchschnittlichen Endverbraucher, sondern an Fachkreise wie Ärzte, Apotheker oder Ernährungsberater richtet, ist unerheblich.

Schon seinem Wortlaut nach erfasst Art. 1 Abs. 2 HCVO uneingeschränkt die Abgabe an Endverbraucher, einschließlich der sog. - ohnehin kaum definierbaren - Fachkreise. Demgegenüber wäre eine auf Fachkreise bezogene Einschränkung vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt (vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., Art. 1 Rn. 16a). Sie ist auch aus systematischen oder teleologischen Erwägungen nicht geboten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel sind unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben

OLG Hamburg
Beschluss vom 10.02.2015
3 U 16/13

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hier insbesondere kein Fall vor, der mit den von § 47 Abs. 3 AMG nicht erfassten Arzneimittelproben vergleichbar wäre (vgl. zu „Arzneimittelproben“: Miller a. a. O. § 47 Rdnr. 66; Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 47 Rdnr. 16, Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Losebl., Stand: 2011, § 47 Anm. 53). Dabei handelt es sich nämlich um Proben, die in Apotheken oder im sonstigen Einzelhandel zum Zwecke der Werbung für das betreffende Arzneimittel an Verbraucher unentgeltlich verteilt werden (Kloesel/Cyran a. a. O.), wobei diese im Gegensatz zum Muster in der Regel in kleineren als der kleinsten für den Verkehr zugelassenen Packungsgröße abgegeben werden (Miller a. a. O.). Es kann dahinstehen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Abgabe solcher Proben mit Blick auf § 11 Nr. 14 HWG zulässig ist, da die betreffende Konstellation (Abgabe von Apotheker an Verbraucher) mit der hier vorliegenden (Abgabe durch den pharmazeutischen Unternehmer an Apotheker) nicht vergleichbar ist. Wie der Wortlaut des § 47 Abs. 3 AMG zeigt, wird darin allein die Arzneimittelabgabe durch „pharmazeutische Unternehmer“ begrenzt. Es findet sich darin jedoch keine Regelung über das Verhältnis von Arzt oder Apotheker zum Verbraucher. Auch die weiteren Anforderungen an die Musterabgabe in § 47 Absätze 3 und 4 AMG sowie in Art. 96 Abs. 1 AMG der Richtlinie 2001/83/EG zeigen, dass damit das Verhältnis vom pharmazeutischen Unternehmer zu den dort geregelten Fachkreisen in den Blick genommen wird. Dies lässt sich etwa an den Bestimmungen zur erforderlichen schriftlichen Anforderung in § 47 Abs. 4 AMG bzw. Art. 96 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG erkennen, welche zwar auf die Musterabgabe an Fachkreise passen, nicht aber an die Abgabe einer Probe durch solche Fachkreise an den Verbraucher.

bb) Durch die Abgabe von Mustern von Fertigarzneimitteln an Apotheker hat die Beklagte gegen § 47 Abs. 3 AMG verstoßen, da Apotheker nicht zu dem in der Vorschrift genannten Personenkreis gehören, an welche unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittelmuster abgegeben werden dürfen."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hannover: Rabatt auf Einkaufspreis wenn sich Händler verpflichtet Mindestpreis nicht zu unterschreiten ist kartellrechtswidrig

LG Hannover
Urteil vom 25.08.2015
18 O 91/15


Das LG Hannover hat wenig überraschend entschieden, dass die Vereinbarung von Mindestverkaufspreisen zwischen Hersteller und Lieferanten kartellrechtswidrig sind. Vorliegend ging es um einen Rabatt auf den Einkaufspreis, wenn sich der Händler (hier Apotheken) verpflichtet den vorgegebenen Mindestpreis nicht zu unterschreiten. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen den Hersteller des Abnehmpodukts "Almased Vitalkost".




BGH: Wer nicht Adressat einer Marktverhaltensregel ist haftet nicht als Täter bei Wettbewerbsverstoß - Wartezimmer-TV mit unzulässiger Werbung für Apotheken

BGH
Urteil vom 12.03.2015
I ZR 84/14
TV-Wartezimmer
UWG § 4 Nr. 11; ApoG § 11 Abs. 1 Satz 1; StGB §§ 26 f., 28 Abs. 1, § 30
Abs. 1 StGB analog


Der BGH hat entschieden, dass derjenige, der nicht Adressat einer Marktverhaltensregel ist, nicht als Täter bei einem entsprechenden Wettbewerbsverstoß haftet. Vorliegend ging es um einen Anbieter von Wartezimmer-TV für Arztpraxen mit unzulässiger Werbung für Apotheken


Leitsätze des BGH:


a) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG geregelten Tatbestände, die Kooperationen zwischen Inhabern von Erlaubnissen nach § 1 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 16 oder § 17 ApoG und dem Personal von Apotheken einerseits und Ärzten verbieten, sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher und Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen.

b) An der Rechtsprechung, wonach eine täterschaftliche Haftung desjenigen ausscheidet, der nicht selbst Adressat der dem Unlauterkeitsvorwurf nach § 4 Nr. 11 UWG zugrundeliegenden Norm ist, und daher insoweit allein eine Teilnehmerhaftung in Betracht kommt, wird auch nach der Aufgabe der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht festgehalten.

BGH, Urteil vom 12. März 2015 - I ZR 84/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Limburg

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