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OLG Frankfurt: Kein Schmerzensgeldanspruch gegen Arzneimittelhersteller wegen Verunreinigung eines Medikaments bei übersteigerter Krebsangst ohne objektive Grundlage

OLG Frankfurt
Urteil vom 26.04.2023
13 U 69/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Schmerzensgeldanspruch gegen einen Arzneimittelhersteller wegen der Verunreinigung eines Medikaments bei übersteigerter Krebsangst ohne objektive Grundlage besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Überzogene Krebsangst - Kein Schmerzensgeld bei Verunreinigung eines Medikaments

Die Klägerin kann kein Schmerzensgeld verlangen, soweit sie seit Kenntnis der Verunreinigung an der Angst leide, an Krebs zu erkranken.

Erhöht die Einnahme eines verunreinigten Arzneimittels das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 0,02 %, ist es nicht generell geeignet, psychische Belastungen in Form von Ängsten und Albträumen zu verursachen. Das allgemeine Lebensrisiko einer Krebserkrankung liegt für Frauen in Deutschland bei 43,5%. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute veröffentlichter Entscheidung, dass die Klägerin von der Arzneimittelherstellerin kein Schmerzensgeld verlangen kann, soweit sie seit Kenntnis der Verunreinigung an der Angst leide, an Krebs zu erkranken.

Die Klägerin erhielt seit vielen Jahren blutdrucksenkende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan. Die Beklagte stellt Medikamente mit diesem Wirkstoff her. 2018 rief die Beklagte alle Chargen mit diesem Wirkstoff zurück, da es beim Wirkstoff-Hersteller produktionsbedingt zu Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gekommen war. NDMA ist von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als „wahrscheinlich krebserregend“ bei Menschen eingestuft worden. Nach dem Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur ist das theoretisch erhöhte Lebenszeit-Krebsrisiko aufgrund möglicher Verunreinigungen mit NDMA bei täglicher Einnahme der Höchstdosis über ein Zeitraum von 6 Jahren um 0,02 % erhöht. Das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, wird für Deutschland mit 43,5 % angegeben.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld von mindestens 21.500 € in Anspruch. Sie behauptet, seit Kenntnis des Rückrufs unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken, zu leiden.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin habe bereits keine „erhebliche“ Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen, bestätigte das OLG die Entscheidung des LG. Der sich aus den Angaben der Klägerin ergebende Krankheitswert liege unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Die Klägerin berufe sich darauf, dass sie bereits das Wort “krebserregend“ beunruhige. Tagsüber denke sie oft an die ungewisse gesundheitliche Zukunft; nachts plagten sie Albträume. Diese Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.

Die Haftung der Beklagten scheide auch aus, da die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht „infolge“ der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. Das Arzneimittel selbst sei - auch nach dem Vortrag der Klägerin - nicht geeignet, die hier beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form der Ängste und Albträume zu verursachen. Auslöser der psychischen Folgen sei vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, wonach die Klägerin mit einem geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung rechnen müsse. Diese anzunehmende Risikoerhöhung verbleibe aber in einem Rahmen, „der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen“, begründet das OLG weiter, „die (...) nur ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos durch die Verunreinigung des Arzneimittels gegenüber dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken, ist nicht per se als Schaden zu werden, ebenso wie eine Verunreinigung des Arzneimittels an sich, die auch folgenlos bleiben kann (...)“. Die individuelle Risikoeinschätzung der Klägerin sei hier nicht objektiv nachvollziehbar.

Darüber hinaus lägen auch andere schadensverursachende Umstände vor. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ihre Ängste, an Krebs zu erkranken, dadurch verursacht würden, dass ihre Mutter, ihr Bruder und die Cousine an Krebs verstorben seien.

„Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, können (...) der Beklagten nicht zugerechnet werden“, schloss das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.04.2023, Az. 13 U 69/22
Landgericht Darmstadt, Urteil vom 03.02.2022, Az. 27 O 119/21




BGH: Formulare für Patientenaufklärung unterliegen nicht der AGB-Kontrolle - Es gelten Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung

BGH
Urteil vom 02.09.2021
III ZR 63/20
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass Formulare für die Patientenaufklärung nicht der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB unterliegen. Es gelten vielmehr die Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung.

Leitsatz des BGH:

Formulare, die eine ärztliche Aufklärung und die Entscheidung des Patienten, ob er eine angeratene Untersuchung vornehmen lassen will, dokumentieren sollen, unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht einer Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB, da für die ärztliche Aufklärung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen.

BGH, Urteil vom 2. September 2021 - III ZR 63/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Ärzte die Applikationsarzneimittel beschaffen und in Praxis am Patienten anwenden verstoßen nicht gegen § 43 Abs. 1 AMG

BGH
Urteil vom 26.04.2018
I ZR 121/17
Applikationsarzneimittel
AMG § 43 Abs. 1, § 73 Abs. 1, § 78 Abs. 1; AMPreisV §§ 1, 3; ApoG § 11; BOÄ Nordrhein § 31 Abs. 2; EuGH-Verfahrensordnung Art. 94 Buchst. a


Der BGH hat entschieden, dass Ärzte die Applikationsarzneimittel beschaffen und in ihrer Praxis am Patienten anwenden verstoßen nicht gegen § 43 Abs. 1 AMG

Leitsätze des BGH:

a) In einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Sachverhalt festzustellen und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur rechtlichen Beurteilung zu unterbreiten. Handelt es sich bei dem Ausgangsverfahren um einen Zivilprozess, trifft das vorlegende Gericht seine Feststellungen nach den Regeln der Zivilprozessordnung auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien.

b) Ärzte, die Applikationsarzneimittel beschaffen und in ihrer Praxis am Patienten anwenden, verstoßen nicht gegen das in § 43 Abs. 1 AMG geregelte Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel für den Endverbrauch außerhalb von Apotheken in den Verkehr zu bringen.

c) Einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland liefern darf, ist es gestattet, Applikationsarzneimittel an den anwendenden Arzt zu liefern.

d) Das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG erfasst Rechtsgeschäfte und Absprachen zwischen Apotheken und Ärzten, die Applikationsarzneimittel zum Gegenstand haben.

e) Dem Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG unterliegen nur Inhaber einer Erlaubnis nach dem Apothekengesetz, nicht dagegen Apotheken eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, die über eine Erlaubnis nach ihrem nationalen Recht verfügen.

BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Arzt muss nur über solche Risiken aufklären die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind

BGH
Beschluss vom 29.05.2018
VI ZR 370/17
BGB § 280, § 823 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 531 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Arzt nur über solche Risiken aufklären muss, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind.

Leitsätze des BGH:

a) Eine Aufklärungspflicht des Arztes besteht nur hinsichtlich solcher Risiken, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind.

b) Der in erster Instanz siegreiche Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten.

c) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat. Hiervon ist aber bereits dann auszugehen,
wenn das Gericht des ersten Rechtszugs, hätte es die später vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Rechtsauffassung geteilt, zu einem Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre.

BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 - VI ZR 370/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Zum Umfang der ärztlichen Belehrungspflicht bei einem dem ärztlichen Eingriff spezifisch anhaftenden Risiko der Lähmung

BGH
Urteil vom 11.10.2016
VI ZR 462/15
BGB § 611, § 280 Abs. 1; § 823 Abs. 1



Über das einem ärztlichen Eingriff spezifisch anhaftende Risiko der Lähmung des Beines oder Fußes, das bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet, ist der Patient aufzuklären. Ohne Vorliegen besonderer Umstände gibt es grundsätzlich keinen Grund für die Annahme, der im Rahmen der Aufklärung verwendete Begriff "Lähmung" impliziere nicht die Gefahr einer dauerhaften Lähmung, sondern sei einschränkend dahin zu verstehen, dass er nur vorübergehende Lähmungszustände erfasse. Damit, dass der Patient einer solchen Fehlvorstellung unterliegt, muss - bei Fehlen entsprechender Anhaltspunkte - der aufklärende Arzt nicht rechnen.

BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - VI ZR 462/15 - Thüringer Oberlandesgericht - Landgericht Erfurt

BGH: Zur Beweislast bei einer Gesundheitsbeschädigung durch eine mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig ausgeführte Operation

BGH
Urteil vom 22.03.2016
VI ZR 467/14
BGB § 823, § 249


Leitsatz des BGH:

Hat eine - mangels wirksamer Einwilligung - rechtswidrig ausgeführte Operation zu einer Gesundheitsbeschädigung des Patienten geführt, so ist es Sache der Behandlungsseite zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten
Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde (im Anschluss an Senatsurteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942).

BGH, Urteil vom 22. März 2016 - VI ZR 467/14 - OLG Koblenz - LG Mainz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel sind unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben

OLG Hamburg
Beschluss vom 10.02.2015
3 U 16/13

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hier insbesondere kein Fall vor, der mit den von § 47 Abs. 3 AMG nicht erfassten Arzneimittelproben vergleichbar wäre (vgl. zu „Arzneimittelproben“: Miller a. a. O. § 47 Rdnr. 66; Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 47 Rdnr. 16, Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Losebl., Stand: 2011, § 47 Anm. 53). Dabei handelt es sich nämlich um Proben, die in Apotheken oder im sonstigen Einzelhandel zum Zwecke der Werbung für das betreffende Arzneimittel an Verbraucher unentgeltlich verteilt werden (Kloesel/Cyran a. a. O.), wobei diese im Gegensatz zum Muster in der Regel in kleineren als der kleinsten für den Verkehr zugelassenen Packungsgröße abgegeben werden (Miller a. a. O.). Es kann dahinstehen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Abgabe solcher Proben mit Blick auf § 11 Nr. 14 HWG zulässig ist, da die betreffende Konstellation (Abgabe von Apotheker an Verbraucher) mit der hier vorliegenden (Abgabe durch den pharmazeutischen Unternehmer an Apotheker) nicht vergleichbar ist. Wie der Wortlaut des § 47 Abs. 3 AMG zeigt, wird darin allein die Arzneimittelabgabe durch „pharmazeutische Unternehmer“ begrenzt. Es findet sich darin jedoch keine Regelung über das Verhältnis von Arzt oder Apotheker zum Verbraucher. Auch die weiteren Anforderungen an die Musterabgabe in § 47 Absätze 3 und 4 AMG sowie in Art. 96 Abs. 1 AMG der Richtlinie 2001/83/EG zeigen, dass damit das Verhältnis vom pharmazeutischen Unternehmer zu den dort geregelten Fachkreisen in den Blick genommen wird. Dies lässt sich etwa an den Bestimmungen zur erforderlichen schriftlichen Anforderung in § 47 Abs. 4 AMG bzw. Art. 96 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG erkennen, welche zwar auf die Musterabgabe an Fachkreise passen, nicht aber an die Abgabe einer Probe durch solche Fachkreise an den Verbraucher.

bb) Durch die Abgabe von Mustern von Fertigarzneimitteln an Apotheker hat die Beklagte gegen § 47 Abs. 3 AMG verstoßen, da Apotheker nicht zu dem in der Vorschrift genannten Personenkreis gehören, an welche unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittelmuster abgegeben werden dürfen."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Haftung des aufklärenden Arztes, wenn dieser den Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt

BGH
Urteil vom 03.12.2014
VIII ZR 370/13
BGB § 823

Leitsätze des BGH:


a) Auch der Arzt, der einen Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt, kann dem Patienten im Falle einer fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung aus unerlaubter Handlung haften.

b) Zur Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes.

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - VI ZR 14/14 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Preisausschreiben im Zusammenhang mit Werbung für Arzneimittel sind auch innerhalb der Fachkreise nicht generell erlaubt - Testen Sie Ihr Fachwissen

BGH
Urteil vom 12. 12.2013
I ZR 83/12
Testen Sie Ihr Fachwissen
UWG § 4 Nr. 11; HeilmittelwerbeG § 7 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13


Leitsätze des BGH:


a) Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG, wonach außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren geworben werden darf, deren Ergebnis vom Zufall abhängt, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, rechtfertigt nicht den Umkehrschluss, dass Preisausschreiben innerhalb der Fachkreise generell erlaubt sind.

b) Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot der Wertreklame soll Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken. Damit nicht vergleichbar ist eine mögliche Beeinflussung der Werbeadressaten, die sich daraus ergibt, dass sie sich mit den Angaben in einer Werbebeilage näher befassen müssen, wenn sie mit Aussicht auf Gewinn an einem vom Werbenden durchgeführten Gewinnspiel teilnehmen wollen (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 17. August 2011 I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163 Rn. 15 und 18 bis 20 = WRP 2011, 1590 Arzneimitteldatenbank; Urteil vom 25. April 2012 I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 24 und 28 = WRP 2012, 1517 DAS GROSSE RÄTSELHEFT, mwN).

BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 83/12 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Brücken statt Einzelkronen - 6.000 Euro Schmerzensgeld für Zahnbehandlung wegen fehlerhafter Aufklärung

OLG Hamm
Urteil vom 17.12.2013
26 U 54/13


Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

"6.000 Euro Schmerzensgeld für Zahnbehandlung ohne wirksame Einwilligung der Patientin

Ein Zahnarzt hat einen Patienten über eine prothetische Versorgung mittels Einzelkronen oder einer Verblockung vollständig aufzuklären, wenn beide
Behandlungsmethoden medizinisch gleichermaßen indiziert und üblich sind und wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, so
dass der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.12.2013 entschieden und insoweit das
erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum bestätigt.

Im Jahre 2007 empfahl der Beklagte, ein in Bochum niedergelassener Zahnarzt, der im Jahre 1942 geborenen Klägerin eine prothetische Neuversorgung
und gliederte sodann neue Brücken und Veneers im Unter- und im Oberkiefer ein. Im Jahre 2009 beendete die Klägerin die Zahnbehandlung durch den
Beklagten und verlangte Schadensersatz. Unter Hinweis auf Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und überempfindliche Zähne hat sie gemeint, die
neue Versorgung weise ungenügende Zahnkontakte zwischen Ober- und Unterkiefer auf, es hätten Einzelkronen und keine verblockten Brücken geplant
werden müssen, über die mögliche Versorgung mit Einzelkronen sei sie zudem nicht aufgeklärt worden.

Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das der Klägerin bereits vom Landgericht
zugesprochene Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro bestätigt. Zwar lasse sich kein Behandlungsfehler feststellen, weil nicht auszuschließen
sei, dass die mit der Versorgung des Beklagten geschaffene Bisssituation zunächst fachgerecht gewesen sei und sich erst nachträglich verändert habe.
Der Beklagte schulde aber ein Schmerzensgeld, weil seine Behandlung mangels wirksamer Einwilligung der Klägerin rechtswidrig gewesen sei. Er
habe es versäumt, die Klägerin über die für den Oberkiefer bestehende alternative Behandlungsmöglichkeit einer Versorgung mit Einzelkronen aufzuklären.
Diese sei medizinisch gleichermaßen indiziert und üblich gewesen und habe gegenüber der ausgeführte Verblockung wesentlich unterschiedliche
Risiken und Erfolgschancen aufgewiesen, so dass die Klägerin eine echte Wahlmöglichkeit gehabt habe. Einzelkronen hätten Vorteile gegenüber einer
Verblockung, weil sie ästhetisch ansprechender und besser zu reinigen seien. In Bezug auf die Zahnbehandlung des Oberkiefers habe der Beklagte die
Klägerin über die Behandlungsalternativen vollständig aufklären und ihr die Entscheidung über überlassen müssen. Dass er seiner Aufklärungspflicht
genügt habe, habe der Beklagte nicht bewiesen.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.12.2013 (26 U 54/13)"


OLG Hamm: Zahnarzt darf Teilprothese durch Prothese mit Teleskopkronen ersetzen - Kein Behandlungs- und Aufklärungsfehler

OLG Hamm
Urteil vom 10.01.2014
26 U 76/12


Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

"Zahnarzt durfte Teilprothese durch Prothese mit Teleskopkronen ersetzen

Ein Zahnarzt handelt nicht behandlungsfehlerhaft, wenn er eine mit Stiften zu befestigende, beschädigte Teilprothese durch eine Prothese mit Teleskopkronen ersetzt. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.01.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum bestätigt.

Die Klägerin, eine heute 57 Jahre alte Patientin aus Oer-Erkenschwick, trug seit dem Jahre 1989 im Unterkiefer eine herausnehmbare, mit einem Stiftsystem befestigte Teilprothese. Aufgrund eines Prothesenschadens fertigte die beklagte Zahnärztin aus Oer-Erkenschwick im April 2008 eine prothetische Neuversorgung an, bei der die ältere Prothese durch eine Prothese mit Teleskopkronen ersetzt wurde. In den nächsten Monaten ersetzte die Beklagte die Prothese durch eine Neuanfertigung und nahm Reparaturen und Anpassungen vor. Aus Sicht der Klägerin verblieben dennoch Beschwerden. Mit der Begründung, die Neuversorgung sei bereits nicht indiziert gewesen, fehlerhaft ausgeführt und sie, die Klägerin, nicht hinreichend aufgeklärt worden, hat die Klägerin von der Beklagten sodann Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro und Ersatz eines Haushaltsführungsschadens von über 40.000 Euro.

Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen hat der 26. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm weder einen Behandlungs- noch einen Aufklärungsfehler der Beklagten feststellen können.

Die prothetische Neuversorgung der Klägerin sei indiziert gewesen. Eine Reparatur der alten Prothese wäre ebenso aufwendig gewesen
wie die Neuversorgung. Auch die Reparatur hätte das Risiko von Druckstellen beinhaltet, zudem wäre eine Schwachstelle im Bereich
der Stifte zurückgeblieben. Die Neuversorgung sei fachgerecht ausgeführt worden, eine unzureichende parodontale Befundung oder die Beschädigung
eines in die Neuversorgung einbezogenen Eckzahns seien nicht festzustellen. Dass die Beklagte eine parodontale Befundung
nicht dokumentiert habe, habe keine gegenteilige Indizwirkung, weil insoweit aus zahnmedizinischer Sicht keine Dokumentationspflicht bestanden
habe. Dann sei sie auch aus juristischer Sicht nicht zu fordern. Dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, insbesondere
Druckstellen, unzureichend reagiert habe, lasse sich ebenfalls nicht Feststellen.

In die zahnärztliche Behandlung habe die Klägerin auch wirksam eingewilligt. Über die Neuversorgung sei sie ausreichend informiert worden, diese sei auf der Basis eines der Klägerin zuvor ausgehändigten Kostenvoranschlages vorgenommen und der Klägerin gegenüber abgerechnet worden, wobei sie ihren Eigenanteil gezahlt habe. Hieraus sei zu schließen, dass ihr der Umfang der Arbeiten bekannt gewesen sei und sie diese gebilligt habe. Über Behandlungsalternativen sei die Klägerin nicht unzureichend aufgeklärt worden. Die Möglichkeit einer komplett auf Implantate gestützten Neuversorgung sei mit ihr erörtert und letztlich wegen der Kosten und auch aus medizinischen Gründen abgelehnt worden. Weitere fachgerechte Behandlungsalternativen habe es nicht gegeben.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10.01.2014 (26 U 76/12)"



BGH: Messgerät ist kein Medizinprodukt, wenn Hersteller die Verwendung für medizinische Zwecke deutlich ausschließt und dies nicht willkürlich geschieht

BGH
Urteil vo, 18.04.2013
I ZR 53/13
Messgerät II
Richtlinie 93/42/EWG Art. 1 Abs. 2 Buchst. a 3. Spiegelstrich; MPG § 3 Nr. 1 Buchst. c

Leitsatz des BGH
:
Ein Gegenstand, der von seinem Hersteller zur Anwendung für Menschen zum Zwecke der Untersuchung eines physiologischen Vorgangs konzipiert wurde, fällt dann nicht unter den Begriff „Medizinprodukt“, wenn der Hersteller eine Verwendung des Gegenstands für medizinische Zwecke mit hinreichender Deutlichkeit ausschließt, ohne dabei willkürlich zu handeln.

BGH, Urteil vom 18. April 2013 - I ZR 53/09 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BVerwG: Magnetschmuck darf nicht in Apotheken verkauft werden - Mangels Nachweis der Wirksamkeit keine apothekenübliche Ware

BVerwG
Urteil vom 19.09.2013
3 C 15.12
Magnetschmuck


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass sogenannter Magnetschmuck nicht zu den apothekenüblichen Waren gehört und somit nicht in Apotheken angeboten und verkauft werden darf.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG:

"Die Beklagte hat den Verkauf von Magnetschmuck zu Recht untersagt, weil das Produkt nicht zum zulässigen Warensortiment einer Apotheke gehört. Es ist weder Arzneimittel noch Medizinprodukt und erfüllt auch nicht die Voraussetzung einer apothekenüblichen Ware. Als apothekenüblich bestimmt die Apothekenbetriebsordnung u.a. „Gegenstände, die der Gesundheit von Menschen unmittelbar dienen oder diese fördern“ (§ 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO 2012). Das Produkt muss objektiv geeignet sein, die menschliche Gesundheit positiv zu beeinflussen. Das ist der Fall, wenn es zur Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes beitragen kann. Ob einem Produkt ein solcher Gesundheitsbezug beigemessen werden kann, beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung am Maßstab eines verständigen Verbrauchers. Gemessen hieran ist Magnetschmuck keine apothekenübliche Ware. Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen lässt sich die behauptete positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit nicht nachvollziehen. Danach gibt es keine wissenschaftlich tragfähige Erklärung oder belastbare, aussagekräftige Erkenntnisse, die jenseits eines Placebo-Effekts eine Wirksamkeit von Magnetschmuck belegen könnten."

Die vollständige Pressemitteilung des Gerichts finden Sie hier:




BGH: Angaben mit Werbecharakter auf der Umhüllung eines Arzneimittels sind unzulässig auch wenn sie ablösbar angebracht sind - Voltaren

BGH
Urteil vom 13.12.2012
I ZR 161/11
Voltaren
UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11; AMG § 10 Abs. 1 Satz 1 und 5; Richtlinie 2001/83/EG
Art. 1 Nr. 23 bis 25, Art. 54, 56, 62 Halbs. 1 und 2; GG Art. 103 Abs. 2


Leitsätz des BGH:

a) Die in § 10 AMG enthaltenen Bestimmungen stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen.

b) Auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels angebrachte Angaben, die Werbecharakter haben können, sind unabhängig davon unzulässig, ob sie dort unauslöschlich aufgeführt oder nur - etwa mit Klebepunkten - ablösbar angebracht sind und ob sie den Eindruck erwecken, dass sie mit der übrigen Etikettierung eine Einheit bilden.

c) Das in Art. 103 Abs. 2 GG statuierte Bestimmtheitsgebot schlägt zwar dann auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch, wenn die Marktverhaltensregelung, auf die wettbewerbsrechtliche Ansprüche gemäß § 4 Nr. 11 UWG gestützt werden, selbst eine Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts ist, nicht aber dann, wenn die Einhaltung der Marktverhaltensregelung auch straf- oder bußgeldbewehrt ist (im Anschluss an BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 303/90, NJW 1993, 1969).

BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Schüssler-Salze dürfen nicht mit dem Slogan "Sanfte Begleiter in der Schwangerschaft" beworben werden

OLG Hamm
Urteil vom 13.12.2012
I-4 U 141/12


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Schüssler-Salze dürfen nicht mit dem Slogan "Sanfte Begleiter in der Schwangerschaft" beworben werden dürfen. Insofern liegt ein nach § 3 Abs. 1 Ziff. 1 HWG falsches Wirkungsversprechen vor, da die versprochene Wirkung nicht wissenschaftlich gesichert ist

"§ 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG)
Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,
1.
wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben,
[...]"