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OLG Frankfurt: MVZ-GmbH ist nicht an Vorgaben der GOÄ gebunden da Normadressat nur Ärzte nicht aber Kapitalgesellschaften sind

OLG Frankfurt
Beschluss vom 21.09.2023
6 W 69/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine MVZ-GmbH nicht an die Vorgaben der GOÄ gebunden ist, da Normadressat nur Ärzte nicht aber Kapitalgesellschaften sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ob der Antragstellerin ein Dringlichkeitsverlust vorzuwerfen kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG sind, da der Antragstellerin jedenfalls ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 III Nr. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 1,5 GoÄ nicht zustehen würde.
[...]
Die Antragsgegnerin ist nicht Normadressatin der GoÄ. Adressat der GOÄ sind ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag (§ 1 Abs 1 GOÄ). Hingegen ist die GOÄ nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer und Behandelnder iSd § 630a Abs 1 BGB (Prütting/Hübner § 1 GOÄ Rn. 7; Spickhoff/Spickhoff § 1 GOÄ Rn. 6 unter Hinweis auf BSGE 111, 289; Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage 2019, Rnr. 4; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006). Eine Ärzte-GmbH oder MVZ-GmbH sind also nicht verpflichtet, ihre Leistungen an Selbstzahlern nach GOÄ abzurechnen. Sie können also – anders als Ärzte – freie Preise vereinbaren. Diesem Verständnis von dem Anwendungsbereich der GoÄ folgt auch der Bundesgerichtshof, wenn er die Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen Arzt (zum Beispiel in seiner Eigenschaft als Honorararzt) und Krankenhausträger ablehnt (BGH NJW 2019, 1519, Rnr. 13; BGH NJW 2015, 1375, Rnr. 14). In der Folge ist die Antragsgegnerin nicht gehindert, mit Patienten Behandlungsverträge nach § 630a BGB (die weder formbedürftig noch exklusiv
Ärzten vorbehalten sind) abzuschließen und hierbei das Honorar unabhängig von GoÄ frei zu vereinbaren.



OLG Frankfurt: Keine wettbewerbswidrige Irreführung wenn sich eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten als "Zentrum" bezeichnet

OLG Frankfurt
Urteil vom 11.5.2023
6 U 4/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn sich eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten als "Zentrum" bezeichnet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bezeichnung einer Gemeinschaftspraxis als "Zentrum"
Die Bezeichnung einer Arztpraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum“ für ästhetische und plastische Chirurgie ist nicht irreführend.

Jedenfalls im medizinischen Bereich weist der Begriff „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe hin. Der Gesetzgeber gibt Medizinischen Versorgungszentren keine Mindestgröße vor. Die Bezeichnung einer aus zwei Ärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis als „Zentrum“ für ästhetische plastische Chirurgie ist damit nicht irreführend und unlauter, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.


Der Antragsteller betreibt eine Praxis für plastische Chirurgie in Darmstadt. Die beiden Antragsgegner sind Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie; einer der beiden Antragsgegner ist zudem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Sie betreiben eine Gemeinschaftspraxis, die sie als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ bezeichnen. Der Antragsteller hält diese Bezeichnung für irreführend. Das Landgericht hatte daraufhin im Eilverfahren den Antragsgegnern untersagt, Dienstleistungen eines plastischen Chirurgen, insbesondere Penisoperationen, unter diesem Namen zu bewerben oder anzubieten, wenn in dem Zentrum insgesamt lediglich zwei Ärzte beschäftigt sind.

Die hiergegen eingelegte Berufung der beiden Ärzte hatte vor dem OLG Erfolg. Die Bezeichnung der von den Antragsgegnern betriebenen Arztpraxis als „Zentrum“ für ästhetischen und plastische Chirurgie sei für den Verkehr nicht irreführend, begründete das OLG seine Entscheidung. Maßgeblich sei, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung verstehe. Grundsätzlich erwarte der Verkehr zwar bei dem Begriff „Zentrum“ eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über vergleichbare Durchschnittsunternehmen hinausgehe. Jedenfalls im medizinischen Bereich weise der Begriff „Zentrum“ aber nicht (mehr) auf eine besondere Größe hin. Nach den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen erfordere ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) keine bestimmte Größe (§ 95 Abs. 1 S. 1 SGB V). Das früher bestehende Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation sei 2015 entfallen. Praxen mit zwei tätigen Ärzten hätten demnach die Möglichkeit, unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Der Verkehr sei mit der gerichtsbekannten Häufigkeit des Auftretens von MVZs auf dem Markt an diese Begrifflichkeit gewöhnt. „Das häufige Auftreten der (Versorgungs-)Zentren auf dem Markt der Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen wirkt einem Verständnis entgegen, dass von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis ausgeht“, untermauert der Senat seine Einschätzung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.5.2023, Az. 6 U 4/23

(vorgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.11.2022, Az. 2-06 O 209/22)



SG Stuttgart: Pflicht von Vertragsärzten zum Anschluss an Telematikinfrastruktur verstößt nicht gegen Vorgaben der DSGVO

SG Stuttgart
Urteil vom 27.01.2022
S 24 KA 166/20


Das SG Stuttgart hat entschieden, dass die Pflicht von Vertragsärzten zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur nicht gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Kläger argumentiert zunächst mit Verstößen gegen die DSGVO. Insofern kann mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dahin gestellt bleiben, ob diese unmittelbar oder über § 35 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entsprechend Anwendung findet (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 25 f.), denn § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V aF stehen mit den Vorgaben der DSGVO auch bei deren unmittelbarer Anwendung als höherrangigem Recht in Einklang.

Konkret geht es im vorliegenden Verfahren für das Quartal 1/2019 um die Durchführung des Online-VSD-Abgleichs, also einer Abfrage der von den Krankenkassen gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Daten (§ 291 Abs. 2 SGB V aF) sowie gegebenenfalls deren Aktualisierung. Dazu werden die Informationen auf der elektronischen Gesundheitskarte beim erstmaligen Arztbesuch des Versicherten im Quartal online unter Nutzung der TI mit den Informationen abgeglichen, die bei der Krankenkasse hinterlegt sind. Stimmen die Angaben nicht überein, werden veraltete Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte überschrieben. Hierbei handelt es sich um einen überschaubaren Datenverarbeitungsprozess der Daten, die zuvor bereits von den Krankenkassen erhoben worden sind und die auf die elektronische Gesundheitskarte übertragen werden. Es geht nicht um Daten, die durch den Vertragsarzt erhoben werden (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.03.2021, Az. L 3 KA 63/20 B ER, juris, Rdnr. 32).

Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten bei Einlesen und Abgleich der elektronischen Gesundheitskarte durch den Kläger ist nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO zulässig. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten u. a. dann, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt, oder wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (Buchst c und e).Für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer wie den Kläger sind die Überprüfung der Leistungspflicht der Krankenkasse unter Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte und der von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Dienste einschließlich der Online-Abgleich und ggf. die Online-Aktualisierung der auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Daten in § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 4 SGB V aF verpflichtend angeordnet (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 c DSGVO). Die Verarbeitung der auf Daten erfolgt gemäß Art 6 Abs. 1 e DSGVO zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR7/20 R, juris, Rdnr. 30 f.).

Einschlägig für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte sind die nationalen Vorschriften der § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB I, § 67a Abs. 1 und § 67b Abs. 1 SGB X, § 15 Abs. 2 und §§ 284, 291, 291a, 291b SGB V aF. Aus ihnen ergibt sich auch der von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSGVO geforderte Zweck der Datenverarbeitung. Die elektronische Gesundheitskarte dient mit den in § 291 Abs. 2 SGB V aF genannten Angaben dem Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Versicherungsnachweis). Sie erschwert dadurch den Leistungsmissbrauch und dient der Abrechnung mit den Leistungserbringern, was der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zugutekommt (BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 30 - 45). Der von dem Kläger durchzuführende VSD-Abgleich ermöglicht es, die Aktualität und Zuordnung der elektronischen Gesundheitskarte zum jeweiligen Karteninhaber zu überprüfen, und damit ungültige sowie als verloren oder gestohlen gemeldete Karten zu identifizieren, um so Missbrauch zu verhindern (BT-Drs. 17/2170, S. 38). Weiter dient die Aktualisierung bzw. Berichtigung von auf der Karte gespeicherten Daten auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot (BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 35/13 R, juris, Rdnr. 27). Ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel liegt damit vor.

Die mit dem VSD-Abgleich verbundene Datenverarbeitung wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 47 f.).

Die Verarbeitung der Daten beim VSD-Abgleich ist auch mit Art. 9 DSGVO vereinbar. Soweit dabei Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich nicht verarbeitet werden dürfen, liegt hier eine Ausnahmevorschrift nach Art. 9 Abs. 2 h DSGVO vor, denn die Verarbeitung ist für die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich oder für die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage der §§ 67a Abs. 1 Satz 2, 67b Abs. 1 Satz 2 SGB X, 291 f. SGB V aF erforderlich (s. dazu, auch zur Erforderlichkeit, BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 66 f.).

Der Kläger hat hier insbesondere Verstöße gegen die seiner Ansicht nach unzureichende Sicherheit der Datenverarbeitung und damit gegen Art. 5 Abs. 1 f, Art. 32 DSGVO, die angeblich ungeklärte Verantwortlichkeit der Datenverarbeitung und fragliche Mitverantwortung der G. nach Art. 26 DSGVO (Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1, 2 und Art. 24 Abs. 1 DSGVO) sowie die fehlende Datenschutzfolgenabwägung nach Art. 35 DSGVO geltend gemacht.

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Sicherheit der Datenverarbeitung nach Art. 5 Abs. 1 f DSGVO ist nicht ersichtlich. Es muss eine angemessene Sicherheit personenbezogener Daten gewährleistet werden, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“). Dazu gehört auch, dass Unbefugte keinen Zugang zu den Daten haben und weder die Daten noch die Geräte, mit denen diese verarbeitet werden, benutzen können. Wie das Bundessozialgericht erneut ausdrücklich festgestellt hat, kann es eine absolute Datensicherheit jedoch nicht geben. Insofern werden die zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen durch den in Art. 24 DSGVO zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt (BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 76 m. w. N.). Dabei verfolgt die DSGVO einen risikobasierten Ansatz. Abhängig vom spezifischen Risiko der Datenverarbeitung und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit hat der jeweils Verantwortliche die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Näher konkretisiert werden diese allgemeinen Vorgaben in Art. 25, 32 und 35 DSGVO.

Nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO sind der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter verpflichtet, unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Mögliche Maßnahmen sind dabei u. a. die Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten, die Fähigkeit, die Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme und Dienste im Zusammenhang mit der Verarbeitung auf Dauer sicherzustellen, die Fähigkeit, die Verfügbarkeit der personenbezogenen Daten und den Zugang zu ihnen bei einem physischen oder technischen Zwischenfall rasch wiederherzustellen, sowie ein Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung.

Diese Anforderungen werden hier erfüllt. Denn auch vor Inkrafttreten des PDSG enthielt § 291b SGB V aF Vorschriften zur TI, durch die die beispielhaft aufgezählten Sicherheitsvorgaben der DSGVO im Einzelnen hinreichend umgesetzt und konkretisiert werden. Zentrale und koordinierende Aufgaben wies der Gesetzgeber hierbei der Gesellschaft für T., der G., zu (§ 291a Abs. 7 Satz 1, Satz 2 SGB V aF - in der Fassung vom 20.11.2019). Zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 11.12.2019 bildeten die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene eine Gesellschaft für T. nach Maßgabe des § 291b SGB V aF, die die Regelungen zur Telematikinfrastruktur trifft sowie deren Aufbau und Betrieb übernimmt (§ 291a Abs. 7 Satz 1, Satz 2 SGB V aF).Die Bundesrepublik Deutschland nimmt in der G. die Stellung einer Mehrheitsgesellschafterin mit 51 Prozent der Gesellschaftsanteile ein. Die Gesellschaft fasst ihre Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit (§ 291b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 SGB V aF). Insofern hat die Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, wesentlichen Einfluss auf den Entscheidungsprozess."

Im Rahmen der Aufgaben hat die G. nach § 291b Abs. 1 Satz 1 SGB V aF
1. die funktionalen und technischen Vorgaben einschließlich eines Sicherheitskonzepts zu erstellen,
2. Inhalt und Struktur der Datensätze für deren Bereitstellung und Nutzung festzulegen,
3. Vorgaben für den sicheren Betrieb der Telematikinfrastruktur zu erstellen und ihre Umsetzung zu überwachen,
4. die notwendigen Test- und Zertifizierungsmaßnahmen sicherzustellen und
5. Verfahren einschließlich der dafür erforderlichen Authentisierungsverfahren festzulegen zur Verwaltung
a) der in § 291a Absatz 4 und 5a geregelten Zugriffsberechtigungen und
b) der Steuerung der Zugriffe auf Daten nach § 291a Absatz 2 und 3.

Die G. ist damit gesetzlich verpflichtet, Vorgaben für die Datensicherheit beim Betrieb der TI zu erstellen und deren Umsetzung zu überwachen. Dass die G. ihren Aufgaben ordnungsgemäß nachkommt, wird auch dadurch gewährleistet, dass sie in deutlichem Umfang der Kontrolle durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterliegt und auch der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zu beteiligen ist: So muss die G. nach § 291b Abs. 1 Satz 3 SGB V aF, soweit bei den Festlegungen und Maßnahmen nach Satz 1 Fragen der Datensicherheit berührt werden, diese im Einvernehmen mit dem BSI treffen. Die Gesellschaft für T. hat die Interessen von Patienten zu wahren und die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sowie zur Barrierefreiheit sicherzustellen (§ 291b Abs. 1 Satz 4 SGB V aF). Bei der Zulassung von Komponenten und Diensten der TI durch die G. ist der Nachweis der Sicherheit nach den Vorgaben des BSI durch eine Sicherheitszertifizierung zu erbringen. Das BSI entwickelt und veröffentlich dazu geeignete Prüfvorschriften. Näheres zum Zulassungsverfahren und zu den Prüfkriterien wird von der G. in Abstimmung mit dem BSI beschlossen (§ 291b Abs. 1a Satz 5 - 7 SGB V aF). Vor Beschlussfassung der G. zu den Regelungen, dem Aufbau und dem Betrieb der TI ist dem BfDI und dem BSI Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn Belange des Datenschutzes oder der Datensicherheit berührt sind (§ 291b Abs. 4 Satz 2 SGB V aF; vgl. auch den Hinweis darauf bei SG München, Beschluss vom 22.03.2019, Az. S 38 KA 52/19 ER, juris, Rdnr. 24). Soweit von Komponenten und Diensten eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit oder Sicherheit der TI ausgeht, ist die G. in Abstimmung mit dem BSI befugt, die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr zu treffen. Betreiber von nach den Absätzen 1a und 1e zugelassenen Diensten und Betreiber von Diensten für nach Absatz 1b bestätigte Anwendungen haben erhebliche Störungen der Verfügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit dieser Dienste unverzüglich an die G. zu melden. Die G. hat die ihr gemeldeten Störungen sowie darüber hinausgehende bedeutende Störungen, die zu beträchtlichen Auswirkungen auf die Sicherheit oder Funktionsfähigkeit der TI führen können oder bereits geführt haben, unverzüglich an das BSI zu melden, und kann zur Gefahrenabwehr im Einzelfall insbesondere Komponenten und Dienste für den Zugang zur TI sperren oder den weiteren Zugang zur TI nur unter der Bedingung gestatten, dass die von der G. angeordneten Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr umgesetzt werden (§ 291b Abs. 6 SGB V aF). Nach § 291b Abs. 7 SGB V aF kann die G. für Komponenten und Dienste, die die TI nutzen, aber außerhalb der TI betrieben werden, in Abstimmung mit dem BSI solche Maßnahmen zur Überwachung des Betriebs treffen, die erforderlich sind, um die Sicherheit, Verfügbarkeit und Nutzbarkeit der TI zu gewährleisten. Die G. legt hierzu fest, welche näheren Angaben ihr die Betreiber der Komponenten und Dienste offenzulegen haben, damit die Überwachung durchgeführt werden kann. Nach § 291b Abs. 8 Satz 1 SGB V aF legt die G. dem BSI auf Verlangen die folgenden Unterlagen und Informationen vor:

1. die Zulassungen und Bestätigungen nach den Absätzen 1a bis 1c und 1e einschließlich der zugrunde gelegten Dokumentation,
2. eine Aufstellung der nach den Absätzen 6 und 7 getroffenen Maßnahmen einschließlich der festgestellten Sicherheitsmängel und Ergebnisse der Maßnahmen und
3. sonstige für die Bewertung der Sicherheit der Telematikinfrastruktur sowie der zugelassenen Dienste und bestätigten Anwendungen erforderlichen Informationen.

Ergibt die Bewertung der in Satz 1 genannten Informationen Sicherheitsmängel, so kann das BSI der G. verbindliche Anweisungen zur Beseitigung der festgestellten Sicherheitsmängel erteilen; die G. wiederum ist befugt, Betreibern von zugelassenen Diensten und bestätigten Anwendungen nach den Absätzen 1a bis 1c und 1e verbindliche Anweisungen zur Beseitigung festgestellter Sicherheitsmängel zu erteilen (§ 291b Abs. 8 Satz 2, Satz 3 SGB V aF).

Im Ergebnis wird so eine kontinuierliche Überwachung der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die G. und die Anbieter von Diensten und Anwendungen im Rahmen der TI hinreichend gewährleistet (vgl. Art 32 Abs. 1 Buchst d DSGVO). Die enge Einbindung des BSI in den gesamten Verfahrensablauf beim Ausbau und Betrieb der TI sichert zudem die durch Art. 32 Abs. 1 DSGVO angeordnete Berücksichtigung des Stands der Technik (vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 87).

Der Gesetzgeber hat damit nach den Vorgaben der DSGVO hinreichend Vorkehrungen zur Gewährleistung der Datensicherheit im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte und der TI getroffen; dass nunmehr mit dem PDSG weitere Spezifizierungen und Verschärfungen in punkto Datenschutz und Datensicherheit erfolgt sind, beweist entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die §§ 291 f. SGB V aF im hier streitigen Quartal gegen Art. 5 Abs. 1 f, Art. 32 DSGVO verstießen, sondern dass der Gesetzgeber seiner Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nachgekommen ist, auf sich in der Praxis zeigende Sicherheitslücken zu reagieren (BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 101; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.03.2021, Az. L 3 KA 63/20 B ER, juris, Rdnr. 33). Wie bereits ausgeführt, ist eine absolute Datensicherheit weder möglich, noch im Sinne der DSGVO erforderlich.

b) Weiter liegt entgegen der Ansicht des Klägers kein Verstoß gegen Art. 5 Abs.1, Abs. 2, 24, 26 Abs. 1 Satz 2 DSGVO wegen der ungeklärten Verantwortlichkeit in der dezentralen Zone der TI im Quartal 1/2019 vor, sodass auch sein Vortrag zu etwaigen Haftungsproblematiken nicht relevant ist. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass eine ausdrückliche gesetzliche Regelung (auf mitgliedstaatlicher Ebene) mit § 307 SGB V nF erst mit Geltung ab dem 20.10.2020 und damit nach dem hier streitigen Quartal mit dem PDSG geschaffen wurde (Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/18793, S. 100: „Zur Klarstellung der Rollen der Beteiligten…“) und die Rechtslage hinsichtlich der Frage des Verantwortlichen im Quartal 1/2019 strittig war (vgl. dazu Beschluss der DSK vom 12.09.2019; Tätigkeitsbericht des BfDI 2017-2018, S. 59; Tätigkeitsbericht des BfDI 2019, S. 26; Stellungnahme des Bundesrates, 20.05.2020, BT-Drs. 19/19365, S. 4 f).

Es ist nicht ersichtlich, dass die maßgeblichen Regelungen in §§ 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V aF rechtwidrig wären, weil dort keine explizite Festlegung der Verantwortlichkeiten erfolgt. Eine solche Benennung der Verantwortlichkeit im Recht der Mitgliedstaaten ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO zwar unter bestimmten Voraussetzungen möglich, aber nicht erforderlich.

Im Übrigen ist auch kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz wegen fehlender Bestimmbarkeit des Verantwortlichen ersichtlich. Denn anhand der Regelungen der DSGVO ist der Verantwortliche festgelegt und bestimmbar. In Art. 4 Nr. 7 DSGVO wird festgelegt, dass Verantwortlicher die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle ist, die allein oder gemeinsam mit anderen über Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche bzw. können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden. Die Pflichten des Verantwortlichen ergeben sich u. a. aus Art. 24 DSGVO.

Legen nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DSGVO zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung fest, so sind sie gemeinsam Verantwortliche für eine Verarbeitung. Mittel der Datenverarbeitung sind die organisatorischen und technischen Mittel, mit denen die Datenverarbeitung durchgeführt wird. Darunter fallen die für die Datenverarbeitung genutzte Hard- und Software und der Einsatz von Personal. Das wesentliche Merkmal ist jedoch die Entscheidungsbefugnis über den Zweck, d. h. über das Ob, Wofür und Wieweit einer Datenverarbeitung (Kühling/Buchner/Hartung, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4 Nr. 7, Rdnr. 13). Eine gemeinsame Verantwortlichkeit ist danach nicht gegeben, wenn zwei Verantwortliche gemeinsam etwa nur die Mittel festlegen (Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4, Rdnr. 51).

Für gemeinsam Verantwortliche i. S. d. Art. 26 DSGVO werden konkrete technische Einflussnahmen oder eine eigene unmittelbare Nutzung der Ergebnisse der Datenverarbeitung nicht verlangt. Ausreichend sind eine gewisse Kausalität, die Einflussnahme auf die Tätigkeit und insbesondere übereinstimmende Interessen an der Datenverarbeitung (Kühling/Buchner/Hartung, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 26, Rdnr. 37, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 10.7.2018, Az. C-25/17, ZD 2018, 469 – Z.J.) bzw. eine gewisse Mitwirkung an der Entscheidung über Zweck oder Mittel der Datenverarbeitung und dass bei der Datenverarbeitung übereinstimmende Eigeninteressen verfolgt werden (EuGH, Urteil vom 29.7.2019, Az. C-40/17, ZD 2019, 455 – F. ID).

Eine entsprechende Entscheidungsgewalt der G. ist allenfalls bei den Mitteln der Datenverarbeitung ersichtlich, da sie die von den Herstellern entwickelten TI-Komponenten spezifiziert und zulässt sowie den Betrieb koordiniert. Entscheidungen über den Zweck, über das Ob, Wofür und Wieweit einer Datenverarbeitung, trifft die G. jedoch nicht. Eine bloß organisatorische und koordinierende Hoheit kann eine Verantwortlichkeit nur insoweit indizieren, als die operative handelnde Person im Eigeninteresse tätig wird. Die G. hat jedoch kein Eigeninteresse an der Verarbeitung der Versichertenstammdaten in der dezentralen Zone, sondern erfüllt nur ihre gesetzlichen Aufgaben (so auch Gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. Heckmann für den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags, Ausschuss-Drs. 19(14)164(25)).

c) Ein Verstoß gegen Art. 35 Abs. 1 Satz 1 DSGVO mit der etwaigen Folge einer Haftungsproblematik des Klägers ist ebenfalls nicht ersichtlich. § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V aF verhält sich zur Frage einer Datenschutz-Folgenabschätzung nicht.

Art. 35 Abs. 1 Satz 1 DSGVO verpflichtet den Verantwortlichen für den Fall, dass eine Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz personenbezogener Daten durchzuführen (Datenschutz-Folgenabschätzung).

Dass die Verarbeitung der Daten anhand einer Risikoprognose – hinsichtlich der genannten vier Attribute - im Rahmen des VSD-Abgleichs in der Praxis des Klägers voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Zudem ist der in Erwägungsgrund 91 der DSGVO genannte Sonderfall einschlägig, wonach u. a. der Berufsstand des Arztes privilegiert wird: Sofern die Verarbeitung personenbezogene Daten von Patienten betrifft sowie durch einen einzelnen Verantwortlichen erfolgt, soll sie nicht als umfangreich und damit riskant gelten (vgl. Kühling/Buchner/Jandt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO, Art. 35, Rdnr. 10). Eine umfangreiche Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist zu verneinen (wie auch in den meisten anderen Arztpraxen; vgl. BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 84).

3. § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V aF verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. In Betracht kommt allein ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Durch Art. 12 Abs. 1 GG ist dem Einzelnen das Recht gewährt, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Die Vorschrift konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab. Sie formuliert ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit, dessen verschiedene Gewährleistungen allerdings insofern Bedeutung haben, als an die Einschränkungen der Berufswahl höhere Anforderungen gestellt werden als an die Einschränkung der Berufsausübung (BVerfG, Beschluss vom 20.03.2001, Az. 1 BvR 491/96, juris, Rdnr. 36 f.). Hier kommt, da es nicht zum Zugang zum Beruf geht, allein die Berufsausübungsfreiheit in Betracht.

Eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers kann hier nur darin liegen, dass er in § 291 Abs. 2b Satz 3, Satz 14 SGB V aF verpflichtet wird, den Abgleich der VSD über die TI durchzuführen und andernfalls ein einprozentiger Honorarabzug im Quartal durchgeführt wird. Derartige Berufsausübungsregelungen sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Grundrechtsbeschränkung dem Betroffenen zumutbar ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.04.2000, Az. 1 BvR 422/00, juris, Rdnr. 21, m. w. N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier zur Überzeugung der Kammer vor (so im Ergebnis auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.03.2021, Az. L 3 KA 63/20 B ER, juris, Rdnr. 33 f.)

Eine gesetzliche Grundlage der Verpflichtung des Klägers liegt vor. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck - die Verhinderung von Missbrauch der elektronischen Gesundheitskarten durch Dienste, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und Aktualität der Daten nach den bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der elektronischen Gesundheitskarte aktualisieren können, und damit letztlich der Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 20.01.2020, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 98) - ist als legitim anzusehen; die Durchführung des VSD-Abgleichs ist dafür auch geeignet und erforderlich. Ob die vom Kläger vorgeschlagene Möglichkeit eines Abgleichs mit Barcode-Scanner-Technologie als milderes Mittel anzusehen ist, kann hier dahinstehen; die Kammer geht unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers davon aus, dass dies jedenfalls nicht gleich wirksam ist, zumal die (teils noch in Planung befindlichen) weiteren Aufgaben der TI so nicht verwirklicht werden könnten.

Der Eingriff ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (vgl. BVerfGE 68, 193, 218). Zur Verwirklichung dieses Ziels darf der Gesetzgeber gerade auch die Leistungserbringer innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung in die Pflicht nehmen, denen andererseits besondere Vorteile durch die Einbeziehung in das öffentlich-rechtliche System des Vertragsarztrechts erwachsen. Im Rahmen ihrer Einbeziehung unterliegen sie in erhöhtem Maße der Einwirkung sozialstaatlicher Gesetzgebung, durch die zur Sicherung der finanziellen Stabilität in das System regulierend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 68, 193, 221).

Entgegen des Vortrags des Klägers wird er nicht „in einen datenschutzrechtlich rechtswidrigen Zustand, verbunden mit der Mithaftung und dem Bußgeldrisiko“ gezwungen, sondern die angegriffenen Regelungen stehen grundsätzlich im Einklang mit der DSGVO (s. o.). Auch wenn die vom Kläger geltend gemachten Sicherheitsrisiken für die Verarbeitung von Patienten- bzw. Gesundheitsdaten im Einzelfall z. B. aufgrund eines Hacker-Angriffs nicht jederzeit ausgeschlossen werden können, liegt auch der Rechtsprechung des BVerfG zugrunde, dass es keine absolute Datensicherheit gibt und dass allein dieser Umstand die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten nicht verbietet, solange ein Standard gewährleistet wird, der der Sensibilität der betroffenen Daten und dem jeweiligen Gefährdungsrisiko Rechnung trägt, und sich an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert und neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt (BSG, Urteil vom 20.01.2021, Az. B 1 KR 7/20 R, juris, Rdnr. 102 m. w. N.). Insofern überwiegt hier das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Missbrauch der Gesundheitskarte und letztlich an der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung; den Gesetzgeber trifft eine Beobachtungspflicht und gegebenenfalls die Pflicht zur Nachbesserung bei in der Praxis zu Tage tretenden Sicherheitslücken hinsichtlich des Datenschutzes.


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Volltext BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App wenn nach fachlichen Standards persönlicher Kontakt erforderlich

BGH
Urteil vom 09.12.2021
I ZR 146/20
Werbung für Fernbehandlung
UWG §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1; HWG § 9; BGB § 630a Abs. 2; MBO-Ä § 7 Abs. 4


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App bei Schweizer Ärzten wenn persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Der für die Zulässigkeit der Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung maßgebliche Begriff der "allgemein anerkannten fachlichen Standards" im Sinne von § 9 Satz 2 HWG ist unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB
und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen.

b) Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In dem Umfang, in dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hinausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuweisen, sofern auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr fehlen.

BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 9 HWG durch Werbung für digitalen Arztbesuch per App bei Schweizer Ärzten wenn persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist

BGH
Urteil vom 09.12.2021
I ZR 146/20
Werbung für Fernbehandlung


Der BGH hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel § 9 HWG durch Werbung für digitale Arztbesuche per App bei Schweizer Ärzten vorliegt, wenn ein persönlicher Kontakt nach fachlichen Standards erforderlich ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Werbung für ärztliche Fernbehandlungen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche Fernbehandlungen geworben werden darf.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit der Aussage "Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App." für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines "digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG mit Wirkung zum 19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt worden. Danach gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine - dem Gesundheitsschutz dienende - Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur Unterlassung der Werbung verpflichtet.

Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch - etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall - untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.

Nach § 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung ist das in Satz 1 geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den allgemein anerkannten fachlichen Standards sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint. Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist. Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V ergeben. Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der Bundesgerichtshof abschließend entscheiden, dass die beanstandete Werbung unzulässig ist.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O 4026/18

OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 9 HWG in der bis zum 18. Dezember 2019 geltenden Fassung

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).

§ 9 HWG seit dem 19. Dezember 2019 geltenden Fassung

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

§ 630a BGB

(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.

(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.



BGH: Formulare für Patientenaufklärung unterliegen nicht der AGB-Kontrolle - Es gelten Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung

BGH
Urteil vom 02.09.2021
III ZR 63/20
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass Formulare für die Patientenaufklärung nicht der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB unterliegen. Es gelten vielmehr die Grundsätze des BGH zur ärztlichen Aufklärung.

Leitsatz des BGH:

Formulare, die eine ärztliche Aufklärung und die Entscheidung des Patienten, ob er eine angeratene Untersuchung vornehmen lassen will, dokumentieren sollen, unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht einer Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB, da für die ärztliche Aufklärung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen.

BGH, Urteil vom 2. September 2021 - III ZR 63/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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OLG Frankfurt: Verstoß gegen ärztliche Schweigepflicht und Schmerzensgeldanspruch wenn Mahnung für Botox-Behandlung über Arbeitgeber des Behandelten geschickt wird

OLG Frankfurt
Beschluss vom 5.12.2019 i.V.m. dem Hinweisbeschluss vom 31.10.2019
8 U 164/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht vorliegt und ein Schmerzensgeldanspruch besteht, wenn eine Mahnung für eine Botox-Behandlung über den Arbeitgeber des Behandelten geschickt wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OLG Frankfurt am Main: Keine Mahnung für Botox-Behandlungskosten über den Arbeitgeber der Behandelten

Versendet ein Arzt eine Rechnung über die Behandlung mit Botox-Spritzen über den Arbeitgeber der Behandelten, rechtfertigt dieser Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht ein Schmerzensgeld von € 1.200,00. Kurzfristige Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens nach der Behandlung seien dagegen Bagatellschäden, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Beschluss.

Die Klägerin betreibt ein Kosmetikstudio. Ihr Ehemann ist Arzt. Er behandelte die Beklagte im klägerischen Kosmetikstudio mit zwei Botox-Spritzen im Gesicht. Die Beklagte bezahlte die Behandlung nicht vollständig. Sie rügte, dass ein anhaltender Effekt der Behandlung ausgeblieben sei. Die dritte Mahnung über die Botox-Injektion wurde per Fax über die Arbeitgeberin der Beklagten an diese gesandt.

Die Klägerin begehrt nunmehr restliche Zahlung. Die Beklagte verlangt widerklagend Schmerzensgeld in Höhe von €15.000,00. Sie beruft sich darauf, nicht über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden zu sein. Der Versand der Mahnung über ihre Arbeitsgeberin verstoße zudem gegen die ärztliche Schweigepflicht.

Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen und widerklagend der Beklagten Schmerzensgeld i.H.v. 1.200,00 € zugesprochen. Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte weiterhin Zahlung von insgesamt 15.000,00 € Schmerzensgeld. Damit hatte sie auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der zugesprochene Betrag von 1.200,00 € sei ausreichend. Für Nichtvermögensschäden könne nur in den im Gesetz bestimmten Fällen Schadensersatz verlangt werden.

Hier komme es für die Bemessung eines Schmerzensgeldes allein auf die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht an. Dabei sei nur zu bewerten, dass eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin der Beklagten die dritte Mahnung über eine Botox-Injektion per Fax erhalten habe. „Die allein abstrakte Gefährlichkeit, das zu schützende Daten einem weiteren Personenkreis zugänglich waren, ist mit dem zuerkannten Betrag angemessen berücksichtigt“, stellt das OLG fest.

Weitere Aspekte seien dagegen nicht in die Bemessung des Schmerzensgeldes einzustellen. Die von der Beklagten behauptete Verletzung des Selbstbestimmungsrechts aufgrund unterlassener Aufklärung rechtfertige kein höheres Schmerzensgeld. „Die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts hat per se kein solches Gewicht, dass die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes geboten wäre“, begründet das OLG. (Spät)-Risiken der Behandlung seien hier nicht feststellbar. „Soweit die rechtswidrigen Injektionen aber das körperliche Wohlbefinden der Beklagten kurzfristig beeinträchtigt haben, ist bei diesen physischen Bagatellgesundheitsschäden die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes nicht gerechtfertigt“, stellt das OLG abschließend fest.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 5.12.2019 i.V.m. dem Hinweisbeschluss vom 31.10.2019, Az. 8 U 164/19 (vorausgehend Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 11.7.2019, Az. 2 O 247/18)




BGH: Arzt muss nur über solche Risiken aufklären die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind

BGH
Beschluss vom 29.05.2018
VI ZR 370/17
BGB § 280, § 823 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 531 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Arzt nur über solche Risiken aufklären muss, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind.

Leitsätze des BGH:

a) Eine Aufklärungspflicht des Arztes besteht nur hinsichtlich solcher Risiken, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind.

b) Der in erster Instanz siegreiche Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten.

c) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat. Hiervon ist aber bereits dann auszugehen,
wenn das Gericht des ersten Rechtszugs, hätte es die später vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Rechtsauffassung geteilt, zu einem Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre.

BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 - VI ZR 370/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Formnichtiger Heil- und Kostenplan eines Zahnarztes schließt auch Ansprüche des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung aus

BGH
Urteil vom 03.11.2016
II ZR 286/15
BGB § 125 Satz 1, § 126 Abs. 2 Satz 1, § 242; GOZ § 2 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein formnichtiger Heil- und Kostenplan eines Zahnarztes auch Ansprüche des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung ausschließt.

Leitsätze des BGH:

a) Zur Anwendbarkeit des § 242 BGB bei formnichtiger Honorarvereinbarung für eine über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende zahnärztliche Versorgung.

b) Bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag
oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.

BGH, Urteil vom 3. November 2016 - III ZR 286/15 - LG Wuppertal - AG Wuppertal





OLG Köln: Kostenloser Lasik Quick-Check durch Augenarzt verstößt gegen Zuwendungsverbot nach § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz

OLG Köln
Urteil vom 20.05.2016
6 U 155/15


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein kostenloser Lasik Quick-Check durch einen Augenarzt gegen das Zuwendungsverbot nach § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstößt. Insbesondere handelt es sich nach Ansicht des Gerichts nicht um eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG handelsübliche Nebenleistung.

BGH: Zur Beweislast bei einer Gesundheitsbeschädigung durch eine mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig ausgeführte Operation

BGH
Urteil vom 22.03.2016
VI ZR 467/14
BGB § 823, § 249


Leitsatz des BGH:

Hat eine - mangels wirksamer Einwilligung - rechtswidrig ausgeführte Operation zu einer Gesundheitsbeschädigung des Patienten geführt, so ist es Sache der Behandlungsseite zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten
Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde (im Anschluss an Senatsurteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942).

BGH, Urteil vom 22. März 2016 - VI ZR 467/14 - OLG Koblenz - LG Mainz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Haftung des aufklärenden Arztes, wenn dieser den Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt

BGH
Urteil vom 03.12.2014
VIII ZR 370/13
BGB § 823

Leitsätze des BGH:


a) Auch der Arzt, der einen Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt, kann dem Patienten im Falle einer fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung aus unerlaubter Handlung haften.

b) Zur Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes.

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - VI ZR 14/14 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Keine Liquidation wahlärztlicher Leistungen durch im Krankenhaus nicht fest angestellte Honorarärzte

BGH
Urteil vom 16.10.2014
III ZR 85/14


Die Pressemitteilung des BGH:

Keine Liquidation wahlärztlicher Leistungen durch im Krankenhaus nicht fest angestellte Honorarärzte

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass vom Krankenhausträger nicht fest angestellte Honorarärzte, die im Krankenhaus Operationen durchführen, ihre operative Tätigkeit gegenüber (Privat-)Patienten nicht als Wahlleistung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) erbringen und gesondert abrechnen können.

Unter einem Honorararzt ist ein Facharzt zu verstehen, der im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Er wird zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätig, wobei das Honorar mit dem Krankenhausträger frei und unabhängig von den Vorgaben der Gebührenordnung für Ärzte vereinbart wird.

Der Beklagte, ein niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie, hatte die Versicherungsnehmerin des auf Honorarrückzahlung klagenden privaten Krankenversicherungsunternehmens im Jahre 2010 zunächst als Patientin behandelt und sodann in einem Krankenhaus operiert, mit dessen Träger eine Kooperationsvereinbarung über eine Tätigkeit als Honorararzt bestand. Die Versicherungsnehmerin unterzeichnete vor der Aufnahme im Krankenhaus eine von dem Beklagten vorgelegte "Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung" und erklärte sich mit einer privaten Abrechnung der ärztlichen Leistungen durch den Beklagten einverstanden. Zudem schloss sie mit dem Krankenhausträger eine Wahlleistungsvereinbarung ab. Darin wurde der Beklagte allerdings nicht aufgeführt. Die Klägerin erstattete den von der Versicherungsnehmerin an den Beklagten bezahlten Rechnungsbetrag und ließ sich etwaige Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten abtreten.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Honorarrückzahlung verurteilt. Seine Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten das landgerichtliche Urteil bestätigt.

Die Versicherungsnehmerin schuldete weder aus der Wahlleistungsvereinbarung noch aus der "Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung" eine gesonderte Vergütung für die erbrachten ärztlichen Leistungen. Der Beklagte ist deshalb gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zur Rückzahlung des zu Unrecht erhaltenen Honorars verpflichtet.

In der Wahlleistungsvereinbarung ist er weder als Wahlarzt noch als "gewünschter" Stellvertreter des Wahlarztes aufgeführt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG erstreckt sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen zwar auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären Behandlung (§ 115a SGB V) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses (so genannte Wahlarzt- oder Liquidationskette). Honorarärzte wie der Beklagte sind jedoch weder Beamte noch Angestellte des Krankenhauses. Der Beklagte hat seine ärztlichen Leistungen auch nicht als externer Wahlarzt "auf Veranlassung" eines angestellten oder beamteten Krankenhausarztes mit eigener Liquidationsberechtigung ausgeführt.

Die "Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung" ist gemäß § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) nichtig. § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG legt den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend fest. Es handelt sich um eine dem Schutz des Privatpatienten dienende zwingende preisrechtliche Norm. Hiervon kann auch nicht im Wege einer unmittelbar zwischen dem behandelnden (nicht liquidationsberechtigten) Honorararzt und dem Patienten zustande gekommenen individuellen Vergütungsabrede abgewichen werden.

Urteil vom 16. Oktober 2014 - III ZR 85/14

AG Düsseldorf - Urteil vom 16. April 2012 - 39 C 11058/11

LG Düsseldorf - Urteil vom 6. März 2014 - 21 S 186/12"





LG Oldenburg: Rabattaktion per Gutschein im Internet durch Zahnarzt verstößt gegen Gebührenrecht und ist wettbewerbswidrig

LG Oldenburg
Urteil 08.01.2014
5 O 1233/13


Das LG Oldenburg hat entschieden, dass eine Gebührenunterschreitung durch die Rabattaktion (Gutschein im Internet) eines Zahnarztes wettbewerbswidrig ist. Der Zahnarzt hatte u.a ein Zahnbleaching für 250 EURO anstelle der gesetzlich vorgesehenen 350 EURO angeboten.

OLG Hamm: Krankenhaus haftet nicht bei Schwangerschaft trotz Sterilisation, wenn Patient über Restrisiko aufgeklärt und ordnungsgemäß operiert wurde

OLG Hamm
Urteil vom 17.06.2014
26 U 112/13

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Schwangerschaft nach Sterilisation – Krankenhaus haftet nicht

Für eine nach einer Sterilisation eingetretene, ungewollte Schwanger-schaft haftet das behandelnde Krankenhaus nicht, wenn die behandelte Patientin über eine verbleibende Versagerquote zutreffend informiert worden ist. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.06.2014 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg bestätigt.

Die im Jahre 1969 geborene Klägerin aus Menden ließ sich anlässlich der Geburt ihres 2. Kindes im Oktober 2006 im beklagten Krankenhaus in Menden sterilisieren. Gleichwohl kam es im Jahre 2008 zu einer erneuten, ungewollten Schwangerschaft. Im August 2009 kam ein weiteres Kind zur Welt. Mit der Begründung, die Sterilisation sei fehlerhaft durchgeführt und sie, die Klägerin, über die verbleibende Versagerquote unzureichend aufgeklärt worden, hat die Klägerin und ihr ebenfalls klagender Ehemann Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro und einen Unterhaltsschaden von ca. 300 Euro monatlich.

Die Klage ist erfolglos geblieben. Nach sachverständiger Begutachtung konnte der 26. Zivilsenat keine Behandlungsfehler feststellen. Es sei keine falsche Operationsmethode gewählt worden. Ein für die Schwangerschaft kausaler Behandlungsfehler durch einen fehlerhaft unterlassenen oder unzureichenden Verschluss eines Eileiters könnten die Kläger nicht beweisen. In der Schwangerschaft könne sich die auch bei einer fachgerechten Sterilisation verbleibende Versagerquote schicksalhaft realisiert haben. Die Kläger könnten auch nicht nachweisen, dass die behandelnden Ärzte des beklagten Krankenhauses gegen die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung verstoßen hätten, indem sie die Klägerin über die verbleibende Versagerquote und die daraus folgende Notwendigkeit weiterer Verhütungsmaßnahmen unzureichend aufgeklärt hätten. Nach der Vernehmung des die Klägerin behandelnden Arztes stehe fest, dass er die Klägerin mündlich zutreffend auf eine Versagerquote von 4 in 1000 Fällen hingewiesen habe. Für die gebotene therapeutische Aufklärung sei das ausreichend. Die Patientin wisse dann, dass das Risiko einer Schwangerschaft in dem genannten Promillebereich fortbestehe und sie ggfls. weitere Verhütungsmaßnahmen ergreifen müsse, wenn sie einen einhundertprozentigen Sicherheitsstandard anstrebe.

Rechtskräftiges Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.06.2014 (26 U 112/13) "