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OLG Hamburg: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt nur wenn besondere Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens besteht

OLG Hamburg
Urteil vom 07.09.2023
5 U 65/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur für Fallkonstellationen gilt, bei denen von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage – soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die örtliche Zuständigkeit der Hamburger Gerichte gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG zu bejahen. Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 14 Abs. 2 S. 1 UWG. Gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, außerdem das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Vorliegend wurde die Zuwiderhandlung auch in Hamburg begangen. Mit dem Begehungsort ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 14 Rn. 16). Erfolgsort ist der Ort, an dem das durch die fragliche Norm geschützte Rechtsgut nach dem Vortrag des Klägers verletzt wurde (Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 100). Bei über das Internet verbreiteten Inhalten ist der Erfolgsort überall dort, wo der Inhalt abgerufen werden kann (vgl. Scholz in BeckOK UWG, 21. Ed., § 14 Rn. 51). Ob es darüber hinaus auf den bestimmungsgemäßen Abruf ankommt (vgl. BGH GRUR 2018, 935 Rn. 18 f. – goFit; BGH GRUR 2016, 1048 Rn. 18 – An Evening with Marlene Dietrich), kann offenbleiben, da sich das Video des Beklagten an ein bundesweites und nicht nur an ein regional begrenztes Publikum richtet.

Randnummer55
§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG steht der Zuständigkeit der Hamburger Gerichte nicht entgegen. Gem. § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt § 14 Abs. 2 S. 2 UWG nicht für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“. Vorliegend handelt es sich nicht um eine hiervon umfasste Rechtsstreitigkeit.

Randnummer56
a. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltene Begrenzung des „fliegenden Gerichtsstands“ einschränkend auszulegen ist. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG – wie § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG – nur auf im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten anzuwenden sei (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2022, 135 Rn. 11; LG Hamburg Beschl. v. 26.8.2021 – 327 O 214/21, GRUR-RS 2021, 29072 Rn. 2; LG Hamburg Urt. v. 20.04.2023 – 312 O 58/22, GRUR-RS 2023, 20801 Rn. 37; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 14 Rn. 29; Sosnitza GRUR 2021, 671 (678); vgl. auch Wagner/Kefferpütz WRP 2021, 151 Rn. 35 ff.). Andere legen die Vorschrift dahingehend aus, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur Fälle einer spezifischen Verletzung von Regelungen erfasse, die sich gerade auf spezialgesetzliche Vorgaben zu Darstellungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien bezögen, also tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpften (LG Düsseldorf GRUR-RR 2021, 330 Rn. 3 ff.; LG Düsseldorf GRUR-RR 2021, 333 Rn. 8 ff.; Doepner/Reese in BeckOK HWG, 10. Ed., HWG Einleitung Rn. 380). Wiederum andere vertreten die Ansicht, es sei eine einschränkende Auslegung (nur) dahingehend vorzunehmen, dass nur Rechtsverletzungen erfasst werden, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden (LG Stuttgart Beschl. v. 27.10.2021 – 11 O 486/21, GRUR-RS 2021, 35486; Rüther, WRP 2021, 726, 731). Nach Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 14 Rn. 21a und 21b, sei eine mit Blick auf § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG reduzierende Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG abzulehnen. Dies stehe allerdings einer teleologischen Reduktion in Einzelfällen, die nicht das vom Gesetzgeber adressierte Missbrauchspotential aufwiesen, nicht entgegen. Der Anwendungsbereich der Regelung erfasse nur Rechtsverletzungen, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden, indem etwa durch den Inhalt eines im Internet angezeigten Angebots oder einer Internet-Werbung gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften verstoßen werde (vgl. auch Feddersen, WRP 2021, 713, 718). Schließlich wird zum Teil eine Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm insgesamt abgelehnt (OLG Düsseldorf GRUR 2022, 183 Rn. 36 ff.; OLG Düsseldorf GRUR 2021, 984 Rn. 19 ff., wobei das Gericht es offenlässt, ob die Auffassung zutrifft, dass Rechtsverletzungen nicht erfasst werden, die nicht ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden; Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 85; vgl. auch Scholz in BeckOK UWG, 21. Ed., § 14 Rn. 60).

b. Nach Auffassung des Senats ist § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dahingehend auszulegen, dass von der Beschränkung des Wahlrechts aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Zwar lässt der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei isolierter Betrachtung eine solche Beschränkung der Ausnahme vom fliegenden Gerichtsstand nicht erkennen. Auch ist bei einer systematischen Betrachtung festzustellen, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vom Wortlaut des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG abweicht, wonach der Anspruch auf Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen ausgeschlossen ist bei im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten.

Allerdings ergibt sich aus der Historie der Gesetzesentstehung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Auslegung, wonach jedenfalls solche Fälle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien vom Anwendungsbereich ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Während § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in der Fassung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 17.05.2019 bereits den Wortlaut aufwies, dass der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 UWG für Anspruchsberechtigte nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen ist bei „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“, lautete § 14 Abs. 2 UWG-E in der Fassung des Entwurfs der Bundesregierung vom 17.05.2019 noch:

„Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nur wenn sich die geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Kreis von Marktteilnehmern wendet, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Das Gericht, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde, ist ferner zuständig, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat.“

In der Begründung hierzu hieß es u.a., dass der „fliegende Gerichtsstand“ eine Benachteiligung für den Beklagten darstelle, weil sich der Kläger ein Gericht in seiner Nähe aussuchen könne oder ein Gericht, das eher in seinem Sinn über den Streitwert entscheide. Für Abgemahnte bedeute eine angedrohte Klage an einem weit entfernten Gericht eine Belastung, die sie oft dazu bewege, sich nicht gegen die Forderungen zu wehren und die geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen (BT-Drs. 19/12084, S. 35).

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hielt die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes für zu weit und schlug dem Bundestag daher die Fassung des § 14 Abs. 2 UWG vor, die letztlich auch Gesetz wurde (BT-Drs. 19/22238, S. 8; vgl. auch Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Anm. 5; Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 (703 f.)). Im Bericht des Ausschusses heißt es, dass die Änderungen auf einem Änderungsantrag beruhen, den die Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingebracht haben. Die Begründung zu der geänderten Fassung lautet:

„Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung wird auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung grundsätzlich besteht, kann die im Regierungsentwurf enthaltene Eröffnung für Handlungen, die sich an einen örtlich begrenzten Kreis von Teilnehmern richten, entfallen. Aus diesem Grund wird die im Regierungsentwurf entfallene Beschränkung des § 14 Absatz 2 Satz 2 UWG wieder vorgesehen.“ (BT-Drs. 19/22238, S. 18).

Außerdem wird im Bericht des Ausschusses aus einer Petition der CDU/CSU-Fraktion zitiert (BT-Drs. 19/22238, S. 16). Auszugsweise heißt es:

„Entscheidend sei, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag in den Fällen, in denen über potentielle Verstöße im Internet massenhaft Abmahnungen konstruiert würden, der finanzielle Anreiz genommen werde. […] Hinsichtlich des ‚fliegenden Gerichtsstandes‘ sei in der Sachverständigenanhörung sowie in vielen Gesprächen deutlich geworden, dass es durchaus Bereiche gebe, in denen beide Seiten froh seien, vor entsprechend spezialisierten Gerichten zu stehen, so dass von einer vollständigen Abschaffung abgesehen worden sei. Für die beschriebenen Fälle der rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen falle das Wahlrecht jedoch künftig weg.“

Der Berichterstatter für die CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuss, Jung, führte dazu in der Bundestagsdebatte vom 10.09.2020 u.a. aus:

„Aber die Fälle, von denen wir eben gesprochen haben, die Informations- und Kennzeichnungspflichten, das, was typischerweise, vielfach im Internet passiert, da wollen wir eben dem, der nur darauf aus ist, Aufwendungsersatzansprüche, möglicherweise Vertragsstrafen auszulösen, das Abmahnrecht zu missbrauchen, nicht mehr die Möglichkeit geben, ein Gericht sich auszusuchen, das möglicherweise einmal anders entschieden hat als viele andere, und somit das Recht wieder zu missbrauchen. Deswegen glaube ich, dass wir auch da genau die richtige Trennlinie gefunden haben: den fliegenden Gerichtsstand dort erhalten, wo es Sinn macht, aber dort nicht erhalten, wo der Missbrauch stattfindet“ (Plenarprotokoll 19/173, 21743).

Die Begründung des Ausschusses für die Änderung des § 14 Abs. 2 UWG macht deutlich, dass es darum ging, die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ zu begrenzen. Die Äußerungen in der Bundestagsdebatte – v.a. des Berichterstatters für die CDU/CSU-Fraktion – bringen zum Ausdruck, dass kein Unterschied gemacht wurde in Bezug auf die Beschränkung des Aufwendungsersatzes bei Abmahnungen und die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes, soweit es um Zuwiderhandlungen im Internet ging. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Ausschuss in seinem letztlich vom Bundestag angenommenen Vorschlag den fliegenden Gerichtsstand stärker einschränken wollte als den Aufwendungsersatz für Abmahnungen. In Bezug auf beide Bereiche hatten die Regierungsfraktionen vor allem den Fall vor Augen, dass ein Wettbewerber einen (einfachen) Verstoß verfolgt, der von einer Vielzahl potenzieller Verletzer begangen wird (vgl. Jung, GRUR 2021, 986). Dass für den Ausschuss – und damit letztlich auch für den Gesetzgeber – die Möglichkeit bestanden hätte, den Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dem Wortlaut des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG anzugleichen, führt zu keiner anderen Betrachtung (a.A. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 183 Rn. 39; Rüther, WRP 2021, 726, 730), da wie ausgeführt nicht erkennbar ist, dass die Abweichung im Wortlaut der beiden Vorschriften bewusst vorgenommen wurde. Auf die Begründung zum ursprünglichen Regierungsentwurf und die darin erkennbare Intention ist nicht abzustellen, da die Regelung durch den Ausschuss entscheidend verändert wurde.

Dem genannten gesetzgeberischen Willen würde es entgegenstehen, den fliegenden Gerichtsstand für alle im Internet begangenen Verstöße auszuschließen. Angesichts des Umstands, dass mittlerweile ein Großteil des geschäftlichen Verkehrs im Internet stattfindet, würde dies einer weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands nahekommen, was durch die seitens des Ausschusses vorgenommene Änderung gerade verhindert werden sollte. Da es dem Ausschuss darum ging, eine Beschränkung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ vorzunehmen, sind jedenfalls diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine entsprechende Auslegung. Dass der Gerichtsstand des Ortes der Zuwiderhandlung im Grundsatz erhalten wird, aber im Bereich der Telemedien eine Einschränkung erfährt, ist allein mit der besonderen Missbrauchsanfälligkeit der Verfolgung entsprechender Verstöße zu begründen (so auch OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2022, 135 Rn. 11). Mittels technischer Mittel ist es möglich, das Internet nach potentiellen Verstößen zu durchsuchen, massenhaft abzumahnen und in der Folge gerichtliche Verfahren einzuleiten. Diese Missbrauchsgefahr realisiert sich vor allem in Fällen, in denen konkrete Vorgaben für die Gestaltung von (Online-)Angeboten bestehen – wie etwa bei den Impressumspflichten – und Verstöße daher ohne größeren Aufwand festgestellt werden können. In diesen Fällen würde es einen zusätzlichen Anreiz für ein massenhaftes Vorgehen darstellen, wenn der Anspruchsteller die Verfahren an einem Gerichtsstand seiner Wahl „bündeln“ könnte (so auch Jung, GRUR 2021, 986). Besteht der Grund für die unterschiedliche Behandlung von jenseits des Internets begangenen Verletzungshandlungen und „online“ begangenen Verletzungshandlungen in diesem besonderen Missbrauchspotential, so entspricht es Sinn und Zweck der Norm, diejenigen Fälle auszunehmen, in denen nicht von einem solchen Missbrauchspotential auszugehen ist.

Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BGH für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich ist, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, und demgegenüber die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung nicht entscheidend ist. Zwar kann laut BGH die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (vgl. BGH GRUR 2019, 970 Rn. 66 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater; BGH GRUR 2017, 1281 Rn. 40 – Großhandelszuschläge). Wie ausgeführt, entspricht es aber gerade Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 UWG, die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands auf besonders missbrauchsanfällige Fälle zu begrenzen. Indem der Ausschuss eine vom Regierungsentwurf abweichende Formulierung vorschlug, die dann auch als gesetzliche Regelung in Kraft trat, hat die sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift und der Historie der Gesetzesentstehung ergebende Auslegung im Wortlaut der Norm auch einen Ausdruck erhalten.

Im Ergebnis sind damit von der Beschränkung des Wahlrechts in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist. Ob damit von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten erfasst sind – wofür spricht, dass der Gesetzgeber ausweislich § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in diesen Fällen von einem besonderen Missbrauchspotential ausgeht –, kann vorliegend offenbleiben.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: In einem Äußerungsrechtsstreit ist Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums unter Berücksichtigung des sprachlichen Kontexts und der Begleitumstände maßgeblich

BGH
Urteil vom 01.08.2023 - VI ZR 307/21
Urteil vom 01.08.2023 - VI ZR 308/21
ZPO § 306, § 555 Abs. 3; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass in einem Äußerungsrechtsstreit für die Sinndeutung einer Aussage das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums unter Berücksichtigung des sprachlichen Kontexts und der Begleitumstände maßgeblich ist.

Leitsätze des BGH:
a) Entsprechend der Regelung in § 555 Abs. 3 ZPO für das Anerkenntnisurteil ergeht ein Verzichtsurteil in der Revisionsinstanz nur auf gesonderten Antrag des Beklagten.

b) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen.

BGH, Urteil vom 1. August 2023 - VI ZR 307/21 - KG - LG Berlin
und
BGH, Urteil vom 1. August 2023 - VI ZR 308/21 - KG - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
- VI ZR 307/21 -
- VI ZR 308/21 -

BGH: Unternehmer ist nicht verpflichtet Muster-Widerrufsbelehrung zu verwenden trägt aber das Risiko dass die gewählte Formulierung den gesetzlichen Vorgaben entspricht

BGH
Urteil vom 01.12.2022
I ZR 28/22
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Abs. 4 Satz 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1; BGB § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 3 Satz 2; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, § 4 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Unternehmer zur Erfüllung seiner gesetzlichen Informationspflichten nicht verpflichtet ist, die Muster-Widerrufsbelehrung zu verwenden. Er trägt aber dann das Risiko, dass die gewählte Formulierung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Leitsätze des BGH:
a) Die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB kommt nur dem Unternehmer zugute, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung unverändert verwendet und richtig ausfüllt.

b) Der Unternehmer kann seine Informationspflichten auch durch eine Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, dass seine Information den allgemeinen Anforderungen an eine umfassende, unmissverständliche und nach dem Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers eindeutige Belehrung genügt.

BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 28/22 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: "Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel in AGB einer Versicherung bedeutet "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.02.2023
7 U 66/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der "Wohnort“ in einer Gerichtsstandsklausel in den AGB einer Versicherung "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss bedeutet.

Die Pressemitteilung des Gerichhts:
"Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel einer Versicherung ist Wohnort bei Klageerhebung

Es kommt auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.

Stellen Versicherungsbedingungen einer ausländischen Lebensversicherung in einer Gerichtsstandsklausel auf den Wohnort des Versicherungsnehmers ab, kommt es auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.


Der Kläger beantragte im Jahre 2000 den Abschluss einer Lebensversicherung bei der Beklagten. Sitz der Beklagten ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. Hinsichtlich des Gerichtsstands für Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherung enthalten die Versicherungsbedingungen folgende Regelung: „Hat der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt der Vertrag deutschem Recht. Das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat oder etabliert ist, ist zuständig, jegliche Streitigkeiten zu entscheiden, die sich möglicherweise aus diesem Vertrag ergeben“.

Der Kläger wohnte bei Abschluss des Vertrages in Frankfurt am Main. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 befand sich sein Wohnsitz in der Schweiz.

Das vom Kläger angerufene Landgericht Frankfurt am Main hat die auf Rückabwicklung des Lebensversicherungsvertrages gerichtete Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Sie hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Das Landgericht habe die Klage zu Recht mangels seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen, führt das OLG aus. Die Versicherungsbedingungen stellten hinsichtlich des örtlichen Gerichtsstands auf den Wohnsitz ab. Der Klausel sei nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob es auf den Wohnsitz bei Vertragsschluss oder bei Klageerhebung ankomme. Im Wege der aus Sicht eines durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmers vorzunehmenden Auslegung sei auf den Wohnsitz bei Klageerhebung abzustellen. Dafür spreche nicht nur der im Präsens gehaltene Wortlaut der Klausel, sondern insbesondere auch der Sinn und Zweck der Regelung. „Dem Versicherungsnehmer soll durch die Regelung die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Rechte wohnortnah zu verfolgen“, betont das OLG. Dadurch sollten für ihn Erschwernisse vermieden werden, die mit einer Prozessführung in einem weit entfernten Ort verbunden sein könnten. Bei Versicherungs- und Verbraucherverträgen solle - auch im Rahmen anderer Vorschriften - die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger seien.

Bei der Auslegung erlangten die konkreten Umstände des Einzelfalls dagegen keine Bedeutung. Insoweit komme es nicht darauf an, dass nach Einschätzung des Klägers eine Klage in Frankfurt am Main für ihn günstiger wäre.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.2.2023, Az. 7 U 66/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 1.4.2021, Az. 2-23 O 27/20



LG München: Zum Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und zur Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie

LG München
Urteil vom 25.02.2021
7 O 8011/20


Das LG München hat sich in dieser Entscheidung mit dem Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und der Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie befasst und im Ergebnis in diesem Fall einen Vertragsschluss verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht München I ist zuständig.
a) Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO.

aa) Die Parteien streiten über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Lizenzvertrags. Die charakteristische Leistung des geltend gemachten Vertrags liegt in der Gewährung eines Nutzungsrechts durch die Klägerin. Dies ergibt sich zum einen vor dem Hintergrund des in Schweden geführten Verfahrens. Wenn die Parteien - wie von der Klägerin geltend gemacht - ein Nutzungsrecht der Beklagten vereinbart hätten, wäre die Klage in Schweden wegen des dann bestehenden Einwands unbegründet. Zum anderen begehrt die Klägerin allein die Feststellung, ob ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der Patentfamilie besteht. Auf die Gegenleistung (Zahlung) als nur mittelbare Folge eines geschlossenen Vertrags kommt es nach dem Antrag nicht maßgeblich an.

Bei einer Feststellungsklage, die den Vertrag insgesamt betrifft, ist auf den Erfüllungsort des Anspruchs abzustellen, auf den es dem Kläger hauptsächlich ankommt (Gottwald in: MüKo ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 7, Rn. 34). Die vertragscharakteristische Leistung ist bei Verträgen i. S. des Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO nicht maßgeblich (EuGH NJW 1977, 490).

bb) Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, findet hier deutsches Recht Anwendung.

Leistungsort für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, die in der Einräumung des Nutzungsrechts liegen würde, ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Sitz der Klägerin als Schuldnerin der maßgeblichen vertraglichen Leistung. Nach Art. 3 Nr. 1 b) EGBGB i.V. mit Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 1 Rom-I VO bestimmt sich der Erfüllungsort hier nach deutschem Recht. Da die Beklagte ihren Sitz in Schweden hat, ist Auslandsbezug gegeben. Die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes richtet sich nach dem lex causae. Die Rom-I VO bestimmt das anwendbare Recht, weil es um das Bestehen eines Vertrages geht. Nach Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 2 Rom-I VO ist das Recht des Staats anwendbar, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei juristischen Personen ist dies nach Art. 19 Abs. 1 Rom-I VO der Ort ihrer Hauptverwaltung.

b) Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich nicht aus Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, weil sich die Beklagte nicht rügelos auf den Gerichtsstand eingelassen hat.

Im Schriftsatz vom 19. August 2020 ist der Terminverlegungsantrag lediglich als Handlung zu werten, die eine Verteidigung gegen die Klage vorbereitet und ihr vorgelagert ist. Da er nicht auf Klageabweisung zielt, ist er keine Einlassung im Sinne von Art. 26 EuGVVO. Die Beklagte rügte zudem die internationale Zuständigkeit mit Schriftsatz vom 18. September 2020, bevor sie zur Sache ausführte, was ebenfalls keine rügelose Einlassung ist.

c) Das Landgericht München I ist überdies örtlich und sachlich zuständig, was zwischen den Parteien zu Recht nicht umstritten ist.

2. Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend bestimmt.

a) Ein Antrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., 2018, § 253 Rn. 193).

Bei Feststellungsanträgen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, muss zur Individualisierung des Anspruchs der Anspruchsgrund bereits im Antrag so konkret benannt werden, dass der Umfang der Rechtshängigkeit und der Umfang der Rechtskraft feststehen (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 253 Rn. 255).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Sachantrag der Klägerin hinreichend bestimmt, weil der Rahmen der hier begehrten gerichtlichen Entscheidung abgesteckt ist und der Umfang der begehrten Rechtskraft deutlich wird. Der Klägerin geht es in der Sache darum, feststellen zu lassen, ob der Beklagten aufgrund des behaupteten Vertrags der Parteien von 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des europäischen Patents 512 eingeräumt den ist bzw. noch einzuräumen ist.

3. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage sind erfüllt.

a) Es liegt ein gemäß § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor.

aa) Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete derzeitige (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2021, VI ZR 194/18) rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu Sachen (BGH NJW 2015, 873 Rn. 22; 2009, 751 Rn. 10).

bb) Nach diesem Maßstab betrifft das konkret begehrte zeitlich unbegrenzte Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der besagten Streitpatentfamilie ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis und nicht lediglich eine Klärung von Elementen oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Denn es geht um die Frage, ob der Beklagten aufgrund des geltend gemachten Vertrags mit der Klägerin vom 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des Streitpatents zusteht, was eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen den Parteien mit der Rechtsfolge betrifft, dass die Beklagte die geschützte Lehre der Patente nutzen darf.

b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse.

aa) Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung ist die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses. Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet oder, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Könnte der Kläger sofort auf Leistung klagen, fehlt ihm wegen des Vorrangs der Leistungsklage in der Regel das Feststellungsinteresse (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 256 Rn. 3).

bb) Es besteht Unsicherheit, ob die Klägerin mit der Beklagten den behaupteten Vertrag geschlossen hat. Jedenfalls ist das erstrebte Feststellungsurteil geeignet, diese zu beseitigen. Die begehrte Feststellung besitzt Relevanz für die Verletzungsklage in Schweden. Die Klärung, ob ein Nutzungsrecht besteht, kann einfacher im vorliegenden Verfahren erreicht werden, weil hierauf deutsches Recht Anwendung findet.

Da es der Klägerin um das Bestehen des Nutzungsrechts geht, ist eine auf Zahlung der Lizenzgebühr gerichtete Leistungsklage nicht vorrangig. Diese entspricht angesichts des schwedischen Verfahrens nicht dem Begehren der Klägerin und bildet nicht dasselbe Klagebegehren ab, weil es bei ihr neben dem Prüfungspunkt, ob der (vertragliche) Anspruch überhaupt entstanden ist, weiterhin darauf ankommen kann, ob der Zahlungsanspruch untergegangen bzw. erloschen ist und ob er durchsetzbar ist.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Auf die Frage des Zustandekommens des Vertrages ist gemäß Art.10 Abs. 1 Rom-I VO i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Rom-I VO deutsches Recht anwendbar.

2. Entgegen der Annahme der Klägerin haben die Parteien am 16. April 2020 den geltend gemachten Vertrag nicht geschlossen. Die E-Mail der Beklagten vom 9. April 2020 enthält - anders als die Klägerin meint - keinen Antrag.

a) Jeder Vertrag betrifft mindestens zwei Personen, die nach dem Grundsatz der Privatautonomie durch Willenserklärungen an seinem Abschluss teilnehmen. Das Zustandekommen eines Vertrags erfordert Konsens: zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen. Dabei wird die zeitlich erste Erklärung im Gesetz „Antrag“ (in der Praxis oft auch „Angebot“) genannt. Die sich hierauf beziehende spätere Erklärung des anderen Teils wird als „Annahme“ bezeichnet, §§ 145 ff. BGB. Die Annahme ist mit dem Antrag zu vergleichen, weil sie nach § 150 Abs. 2 BGB den Vertrag nur zustande bringt, wenn sie gegenüber dem Antrag keine Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält. Nur dann besteht Konsens.

Ein Antrag liegt erst dann vor, wenn allein schon durch seine Annahme der Vertrag zustande kommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Antrag zunächst von der bloßen Aufforderung zu unterscheiden, Anträge zu machen (sog. invitatio ad offerendum). Eine solche Aufforderung bindet denjenigen, der sie gemacht hat, noch nicht. Er kann den ihm daraufhin zugegangenen Antrag noch frei ablehnen. Aus diesem Unterschied ergibt sich zugleich das Kriterium, nach dem durch Auslegung zu entscheiden ist, ob eine Erklärung (bereits) ein Antrag ist oder lediglich einen vorbereitenden Charakter besitzt. Bloß vorbereitend ist eine Erklärung in aller Regel dann, wenn sie noch nicht sämtliche für den Vertrag notwendigen Angaben enthält (vgl. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Auflage, 2002, § 26). Aber auch vollständige Erklärungen bedeuten nicht notwendig einen Antrag. Das kann der Fall sein, wenn sich der Erklärende regelmäßig noch eine Ablehnung vorbehalten will, so dass seine Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich als Aufforderung zu Anträgen zu verstehen ist (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Ihr Inhalt ist nach der beim Zugang gegebenen Verständnismöglichkeit des Empfängers (dem Empfängerhorizont) zu bestimmen. Dabei muss der Empfänger zu erkennen versuchen, was der Erklärende gemeint hat (Auslegungssorgfalt). Die Person des Erklärenden ist mit zu berücksichtigen. Ermittelt werden muss, was der Empfänger von Rechts wegen als wirklichen Willen verstehen konnte und durfte (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Über welche Punkte sich die Parteien einigen müssen, ergibt sich aus der Art des Vertrags und dem Parteiwillen. Die Art hat insofern Bedeutung, als sich die gesetzliche Regelung für die einzelnen Vertragstypen unterscheidet. An der Stelle, an der das Gesetz detaillierte Vorgaben zu den jeweiligen Rechten und Pflichten macht, brauchen die Parteien keine Regelung zu treffen. Enthält das Gesetz indes keine allgemeine Regelung für einzelne Punkte, müssen die Parteien über diese eine individuelle Einigung erzielen. Das sind die sog. essentialia negotii. Dies betrifft insbesondere den Vertragsgegenstand, den Preis, die Art der jeweiligen Verfügung sowie stets eine individuelle Einigung darüber, welche Personen Vertragspartei werden und welche Rolle sie übernehmen sollen (vgl. Medicus, aaO, § 29).

Nach § 145 BGB ist der Antragende regelmäßig eine gewisse Zeit an seinen Antrag gebunden. Es ist aber auch möglich, die Gebundenheit an den Antrag auszuschließen. Die hierfür in Betracht kommenden Zusätze, die eine Unverbindlichkeit erzeugen sollen, können zum einen dazu führen, dass noch kein Antrag vorliegt, sondern nur eine Aufforderung zu Anträgen. Zum anderen können sie einen Widerrufsvorbehalt bedeuten, so dass der Antrag (entgegen § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (in der Regel unverzüglich nach Zugang der Annahmeerklärung) noch widerrufen werden kann. Entgegen der in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung führt eine Änderung der Umstände nicht dazu, dass sich der Antragsempfänger nicht auf die Vertragsannahme berufen kann, wenn ihm evident ist, dass sich die Umstände wesentlich zu Lasten des Antragenden geändert haben. In solchen Fällen greift die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB (vgl. Medicus, aaO, § 26).

b) Die Kammer kann das im Antrag wiedergegebene Rechtsverhältnis nicht feststellen, weil der behauptete Vertrag zwischen den Parteien entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen wurde. Es fehlt an den korrespondierenden Willenserklärungen: Antrag und Annahme.

aa) Die Erklärung der Beklagten in der E-Mail vom 9. April 2020 (Anlage K1) ist entgegen der Klägerin kein (verbindlicher) Antrag auf Abschluss eines Vertrags auf Einräumung eines einfachen, zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts zugunsten der Beklagten an sämtlichen Familienmitgliedern des Streitpatents zu einem Preis von 3 Mio. €. Diese Erklärung besitzt nach objektivem Empfängerhorizont lediglich vorbereitenden Charakter für einen in seinen Details konkret auszuhandelnden und später schriftlich abzuschließenden Lizenzvertrag. Sie ist insofern lediglich eine invitatio ad offerendum und hat den Inhalt, dass die Beklagte bereit wäre, im Rahmen eines noch auszuhandelnden Vertrags einen Betrag von 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen. Sie enthält insbesondere nicht sämtliche für einen Lizenzvertrag notwendige Angaben. Es fehlen die essentialia negotii.

(A) Aus der Erklärung ergibt sich nicht hinreichend, wer auf Seite der Beklagten Vertragspartner wird und/oder wer durch die Lizenz berechtigt wird. Dass dies auf die Beklagte zutrifft, erscheint aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zwar gegeben. Dies genügt aber nicht. Denn die Beklagte hatte stets einen umfassenden, weltweiten Vergleich angestrebt, was die Klägerin auch weiß, und im Hinblick auf die begünstigten Personen keine Insellösung für das erst Anfang 2020 begonnene schwedische Verfahren im Blick gehabt (vgl. Anlage B4). Nicht angesprochen und unklar bleibt bei dieser Erklärung, ob für die Zahlung von 3 Mio. € das Nutzungsrecht auch die Konzerngesellschaften der Beklagten erfasst. In diesem Sinn fehlt es gleichfalls an einer, ggf. ergänzenden Regelung, ob die Beklagte an diese Gesellschaften Unterlizenzen vergeben darf.

Dass das Thema der Vertragsparteien bzw. Begünstigten für die Beklagte von nicht zu überschätzender Bedeutung ist, ergibt sich aus der objektiven Auslegung der Erklärung der Beklagten. Für die Klägerin musste es evident sein, dass ohne Klarstellung der begünstigten Personen die von beiden Seiten bezweckte, endgültige Befriedung hinsichtlich der Auseinandersetzungen um das Streitpatent nicht eintreten und ein „sich vertragen“ (daher kommt das Wort „Vertrag“) nicht erreicht werden kann. Denn die Klägerin weiß aufgrund der langen Historie der Auseinandersetzungen um das Streitpatent und seiner Familienmitglieder, dass die Beklagte bis auf das Verfahren in Schweden in keinem Konflikt als Partei beteiligt ist, sondern insofern stets eine ihrer Konzerngesellschaften betroffen ist. Dieses Wissen musste die Klägerin bei der geltenden Auslegungssorgfalt mit in Betracht ziehen. Die nachfolgende Aufzählung zeigt die auf Beklagtenseite jeweils beteiligten (weiteren) Personen, wobei die Kammer durch Unterstreichen die jeweils betroffenen Gesellschaften hervorgehoben hat:
- So hat die E. R. GmbH Factory and Development Anfang 2010 Einspruch gegen die Erteilung des Streitpatents erhoben und das Verfahren bis zur Entscheidung vom 14. September 2018 geführt, in dem die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts das Stammpatent in geändertem Umfang aufrechterhält (Az. T0621/15-3.2.04).
- Wegen Verletzung des Streitpatents hat die Klägerin zwei Konzerngesellschaften der Beklagten, E. Hausgeräte GmbH und E. R. GmbH Factory and Development, am 16. Dezember 2009 im Wege der Klageerweiterung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 2 U 139/08) in Anspruch genommen.
- Auf die Nichtigkeitsklage der E. Appliances AB hat das ungarische Patentamt das zur Streitpatentfamilie gehörende ungarische Patent 228 972 am 7. März 2017 für nichtig (Az. P0401758) erklärt, was am 11. Dezember 2019 die Curia, das oberste ungarische Gericht, bestätigt hat (Az. Pvf.21.463/2018).
- Am 12. Oktober 2018 hat die E. R. GmbH Factory and Development Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht (Az. 5 Ni 25/18 (EP)) gegen das Streitpatent erhoben.
- Am 15. Oktober desselben Jahres hat die Klägerin gegen die E. Hausgeräte GmbH beim Landgericht Düsseldorf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der am 10. Januar 2018 mangels Verletzung zurückgewiesen worden ist (Az. 4 c O 71/18). Am 4. Juli 2019 hat dann das Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund der Berufung der Klägerin eine einstweilige Verfügung gegen die E. Hausgeräte GmbH in Nürnberg erlassen. Die Klägerin hat die einstweilige Verfügung nach Erbringung der tenorierten Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 € vollzogen. Die E. Hausgeräte GmbH hat wegen des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens bislang keine Abschlusserklärung abgegeben. Deswegen hat die Klägerin gegen diese Gesellschaft am 14. August 2019 Hauptsacheklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht (Az. 4c O 49/19).

Überdies zeigt der weitere Streit der Parteien um die persönliche Reichweite, dass in der E-Mail kein Antrag für einen Vertrag unterbreitet worden ist. So verlangte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2020 für das Einbeziehen von Konzerngesellschaften der Beklagten einen weiteren Betrag in Höhe von 1,5 Mio. €, was die Beklagte ablehnte.

(B) Aus der Erklärung vom 9. April 2020 ergibt sich auch nach Auslegung nicht, dass überhaupt - wie von der Klägerin behauptet - ein Nutzungsrecht eingeräumt werden sollte.

Selbst wenn man die vorherige Korrespondenz der Parteien in Betracht zieht, geht es (allein) um eine „business solution“ und ein „global settlement“. Grundsätzlich in Betracht können insofern alle möglichen Arten von Gestattungen kommen: von einer Vollrechtsübertragung, über die einzelnen Lizenzarten hin zur Nichtangriffsabrede oder ähnlichen Vereinbarungen. Sofern in der E-Mail der Beklagten vom 30. Januar 2020 (Anlage B5) an einer Stelle von einem „cross-licensing“ die Rede ist, betrifft dies einen anderen Gegenstand der Verhandlungen der Parteien und nicht das Streitpatent sowie seine Familie.

(C) Unabhängig davon fehlt es in der Erklärung vom 9. April 2020 an den essentialia negotii hinsichtlich des Vertragsinhalts. Zur Legitimierung einer unberechtigten Patentbenutzung und zur Lösung eines Patentkonflikts können vielfältige Regelungen getroffen werden, was den Parteien bekannt ist. Vorliegend ist aber insbesondere unklar, welchen Charakter das von der Klägerin behauptete Nutzungsrecht haben soll.

Anders als bei den im BGB geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietvertrag handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui generis (vgl. McGuire in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 167). Außerdem stehen die Rechtsnatur (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 139 ff.) und der Rechtscharakter des Lizenzvertrags (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.) nicht fest. Die Rechtsnatur ist vor allem bei einer Insolvenz der Parteien von Bedeutung (vgl. OLG München, Urteil vom 25. Juli 2013 - 6 U 541/12 = GRUR 2013, 1125). Vernünftige Vertragspartner werden daher in aller Regel bestrebt sein, hierfür eine angemessene und interessengerechte Lösung zu finden, die sich nicht zwingend aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergeben dürfte.

Mangels feststehenden Rechtscharakters ist nicht vorgegeben, was eine antragende Willenserklärung zwingend enthalten muss. Insofern ist die Bestimmung des Rechtscharakters erforderlich, um entscheiden zu können, welche allgemeinen Regelungen das Gesetz enthält und worüber die Parteien eine individuelle Einigung erzielen müssen. Da eine hinreichende gesetzliche Regelung fehlt, wird versucht, den Lizenzvertrag als Rechtspacht oder als Kombination von Befugnissen und Verpflichtungen verschiedener normierter Vertragsarten zu erfassen (Typenmischvertrag), bei dem für die einzelnen Rechte und Pflichten Rechtsnormen herangezogen werden, die für den jeweiligen Vertragsbestandteil passend erscheinen. Zudem besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Rechtspacht (§ 581 Abs. 1 BGB), so dass lückenfüllend auf die Vorschriften des Pachtrechts (§§ 581 ff BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB des Mietrechts (§§ 535 ff BGB) zurückgegriffen werden könnte, während auch eine Nähe der Lizenz zum Rechtskauf vertreten wird (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.).

Je nach gewollter Gestaltung über die Art der Gestattung kommt die Ausgestaltung als ausschließliche, einfache (positive) oder negative Lizenz sowie ggf. auch als bloßes pactum de non petendo sowie als „covenant not to sue“ in Betracht (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 119 ff.). Entgegen einer in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht (McGuire, aaO, § 15 Rn. 193) handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Frage nach der Art der „Lizenz“ nicht um accidentalia negotii, sondern um essentialia negotii. Denn vor allem die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt werden soll (was jedenfalls bei der negativen Lizenz umstritten ist und für pactum de non petendo und „covenant not to sue“ überwiegend abgelehnt wird), betrifft den essenziellen Kern der Willenserklärung und ist für den späteren Vertragsinhalt sowie für das damit entstehende Rechte- und Pflichtenprogramm der Parteien maßgeblich. Das in der Literatur angeführte Argument, insofern könne bei einem Vertrag die Lücke durch (ergänzende) Vertragsauslegung geschlossen werden, steht dem nicht entgegen. Das kann genauso gut auf einen Kaufvertrag zutreffen, bei dem der Kaufpreis (sicherlich unstreitig essentialia negotii) nicht geregelt ist, sich aber durch Auslegung ermitteln lässt, ohne dass er damit als accidentalia negotii einzuordnen wäre. Außerdem sind bei einer Lizenz der inhaltliche, räumliche und/oder zeitliche Umfang der Nutzungsbefugnis zu regeln, weil er insofern ganz unterschiedlich sein kann.

All diese Punkte enthält die Erklärung der Beklagten vom 9. April 2020 nicht. Erst mit dem Vertragsentwurf der Klägerin (Anlage K2a) wird hierfür eine Regelung vorgeschlagen.

(D) Der unverbindliche und bloß vorbereitende Charakter der Erklärung folgt nach dem objektiven Empfängerhorizont weiterhin aus dem Gesamtinhalt der E-Mail und den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Zwar werden in der E-Mail Begriffe wie „offer“, „accept“ und „settlement“ benutzt sowie eine Antwortfrist gesetzt. Gleichzeitig ergibt sich, dass die jeweiligen Verantwortlichen auf Seiten der Beklagten eingebunden worden sind und dass diese Erklärung (anders als die vorherigen) nicht unter einen ausdrücklichen Vorbehalt („without prejudice“) gestellt worden ist. Doch ist bei der Auslegung nicht am Wortlaut zu verhaften, sondern auf das Verständnis nach dem objektiven Empfängerhorizont abzustellen.

Die Erklärung ist objektiv so zu verstehen, dass sich die Beklagte mit ihr vertraglich nicht binden, sondern lediglich die Vertragsverhandlungen vorbereiten wollte. Die geäußerte Bereitschaft, 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen, ist insofern conditio sine qua non für die Vertragsanbahnung, aber noch kein (verbindlicher) Antrag. Denn die Verhandlungen der Parteien waren zuvor in eine Sackgasse geraten. Die Klägerin verlangte mit E-Mail vom 13. Januar 2020 einen Betrag von 7 Mio. €, während die Beklagte in der E-Mail vom 30. Januar 2020 den Betrag von 2,5 Mio. € angab und die Klägerin am 31. Januar 2020 sodann 5 Mio. € forderte. Um einen höheren Betrag in die Verhandlung zu bringen, musste die Beklagte ihre „Stakeholder“ vorab einbinden. Ohne deren grundsätzliches Einverständnis würde das Verhandeln mit der Klägerin keinen Sinn ergeben, falls sich später herausstellte, dass die „Stakeholder“ mit dem Betrag bereits nicht einverstanden wären.

(E) Darüber hinaus musste die Klägerin die E-Mail vom 9. April 2020 so verstehen, dass die Beklagte den Vertragsschluss regelmäßig noch ablehnen kann. Einen verbindlichen Willen, diesen Betrag zu zahlen, ergibt die Auslegung nicht. Sie ergibt auch keinen Sinn.

So gibt es zwischen den Parteien andere Einigungsbestrebungen (vgl. Anlage B5) und falls diese Versuche erfolgreich wären, könnten diese unter Umständen auch die Streitpatentfamilie miteinbeziehen. Da dies der Fall sein kann, durfte die Klägerin bereits nicht davon ausgehen, dass diese Erklärung ein bindender Antrag ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Parteien um langjährige Konkurrenten handelt, die eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ausgetragen haben und austragen. Es ist davon auszugehen, dass einerseits grundsätzliches Vertrauen bestehen dürfte, weil man sich kennt, dieses aber andererseits nicht sehr weitreichend ist, weil es zahlreiche Konflikte gibt. Würde die Klägerin bei anderen Klauseln auf Regelungen (z. B. in für die Parteien wichtigen und teilweise geradezu zentralen Punkten bei den Nebenabreden) bestehen, die für die Beklagte als nicht tragbar erscheinen, besteht gleichfalls ein Interesse der Beklagten, sich von dieser Erklärung wieder lösen zu können, so dass diese nicht als Antrag, sondern als inivitatio ad offerendum zu bewerten ist, was der Klägerin auch so hätte bewusst werden können.

(F) Entgegen der Annahme der Klägerin ist eine Einigung oder ein Rechtsbindungswillen dafür, im Rahmen eines - wie es die Klägerin nennt - „mehraktigen“, jeweils verbindlichen Vorgehens zu zwei Verträgen zu gelangen, dem Erklären und Verhalten der Beklagten nicht zu entnehmen.

Der von der Klägerin angeführte mehraktige Ansatz, wonach sich die Parteien in einem ersten Vertrag zunächst nur über Leistung und Gegenleistung einigen und anschließend dann in einem zweiten Vertrag die weiteren, „üblichen“ Punkte verhandeln wollen, zu denen sie dann eine umfassendere Einigung erzielen, wäre bereits dann nicht interessengerecht und davon musste die Klägerin auch ausgehen, wenn die Einigung allein das Synallagma von Einräumung des Nutzungsrechts und Vergütung beträfe. Denn es ist bereits unklar, was die Hauptleistung der Klägerin ist, weil mehrere Vertragsarten in Betracht kommen (s. o.). Insofern musste die Klägerin als Empfängerin den von der Beklagten an anderer Stelle immer wieder betonten Wunsch, eine globale Einigung zu erzielen, und die Formulierung am Ende der E-Mail
… If you confirm that B. accepts this offer, I can arrange for the draft settlement agreement to be prepared so that this matter may be finalised as soon as possible. …
so verstehen, dass die Vertragsverhandlungen erst dann abgeschlossen sein sollen, wenn über den Vertragstext Konsens besteht, so dass er unterzeichnet werden kann. Alles andere vorher dient der Vorbereitung des zu „finalisierenden“ Vertragstexts.

Dies wird einem objektiven Empfänger auch dadurch deutlich, dass die Beklagte lediglich in Aussicht stellt, einen Vertragsentwurf vorzubereiten. Es ergibt jedenfalls objektiv wenig Sinn, für die Parteien wichtige und zentrale Punkte in eine zweite Vereinbarung auszulagern, die erst noch ausgehandelt werden muss. Angesichts des konfliktträchtigen Verhältnisses der Parteien wären Streitigkeiten über Details vorprogrammiert und die von der Klägerin behauptete erste Einigung wäre aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit für die Beklagte wertlos. In diese Richtung weist auch die Höhe der vorgeschlagenen Geldsumme vom 3 Mio. €. Selbst bei Unternehmen von der Größe der Parteien werden Verträge über diese Summen in aller Regel erst mit Vorliegen des Vertragstexts geschlossen.

Zudem hat die Klägerin die Erklärung der Beklagten selbst nicht als Antrag verstanden. Denn sie schreibt in ihrer E-Mail vom 16. April 2020:
… In order to speed up the settlement, please find enclosed a draft settlement agreement. …

Außerdem fügt sie der Nachricht einen Vertragsentwurf bei, der von der Beklagten noch ergänzt und geändert werden könne.

Unabhängig davon hätte eine mehraktige Lösung mit mehreren bindenden Verträgen zwischen den Parteien vereinbart werden müssen. Das ist weder ausdrücklich der Fall, noch ergibt es sich aus den Umständen. Sofern die Klägerin behauptet, eine Zweistufigkeit stehe im Einklang mit etlichen zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen, so ist dieser Vortrag nach dem als Bestreiten zu bewertendem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend (z. B. durch Angabe der entsprechenden Vereinbarungen) dargetan. Sofern sich die Parteien in der Vergangenheit teils zunächst auf einen Preis für die Einräumung eines Nutzungsrechts geeinigt und Nebenabreden in einem nachgelagerten Verfahren getroffen haben, besagt dies nicht, dass zwei rechtlich separate Verträge geschlossen worden sind.

(G) Angesichts der vorangegangenen Gründe lässt die Kammer den Gesichtspunkt ausdrücklich offen, ob und inwiefern Frau S. für die Beklagte zum Abschluss eines bindenden Vertrags vertretungsbefugt gewesen ist.

bb) Mangels (verbindlichen) Antrags der Beklagten bedeutet die E-Mail der Klägerin vom 16. April 2020 (Anlage K2) keine rechtswirksame Annahme. Zugunsten der Klägerin kann die Kammer aber unterstellen, dass es sich bei dieser Erklärung um einen Antrag handelt.

cc) Mit der Erklärung der Beklagten vom 16. April 2020 (Anlage K3) hat sie das (zugunsten der Klägerin unterstellte) Angebot vom selben Tag nicht angenommen. Es fehlt am Rechtsbindungswillen.

Dies ergibt sich aus der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Hiernach durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte habe ihr Angebot verbindlich angenommen und mit ihr daher einen (Lizenz-) Vertrag geschlossen. Denn die Erklärung der Beklagten ist so zu verstehen, dass sie keine verbindliche Annahme ist. Zwar teilt die Beklagte mit, dass sie sich für die Annahme ihres Einigungsvorschlags bedanke. Sie führt aber gleichzeitig aus, dass sie den Inhalt sorgfältig prüfen („carefully consider“) und hierzu an ihre Anwälte („external counsel“) weiterreichen werde. Außerdem sei eine Abstimmung mit den „Stakeholders” erforderlich:
… We are of course keen to finalise this matter quickly, but we will need to carefully consider the contents of the settlement agreement, pass it by our external counsel and align it with our stakeholders. …

Darüber hinaus ergibt sich hier das von der Klägerin geltend gemachte mehraktige Vorgehen nicht.

dd) Die Regelungen über den Dissens finden keine Anwendung. § 154 Abs. 1 BGB greift nicht. Denn die Parteien sind sich nicht über die Lückenhaftigkeit ihrer Einigung im Klaren, weil diese umstritten ist. Gleichfalls findet § 155 BGB keine Anwendung. Denn die Parteien sehen den Vertrag gerade nicht übereinstimmend als geschlossen an.

c) Der Vertrag ist ebenfalls nicht durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in Form der „Vertragsbestätigung“ der Klägerin vom 19. Mai 2020 (Anlage K5) zustande gekommen.

Aufgrund der spätestens mit E-Mail der Beklagten vom 13. Mai 2020 offensichtlichen Einigungsmängel, durfte die Klägerin nicht auf eine Billigung vertrauen.

d) Der hilfsweise erklärten Anfechtung der Beklagten bedarf es nicht.

e) Ob ein Verschulden der Beklagten bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommt, kann offenbleiben, weil aus den sich allenfalls ergebenden Ausgleichsansprüchen das im Feststellungsantrag bezeichnete Rechtsverhältnis nicht folgen kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Zur Auslegung der Einwilligung eines Profifußballers im Vertrag mit Fußballverein hinsichtlich der Bildrechte für Fußball-Tausch- und Sammelkarten

OLG Frankfurt
Beschluss vom 30.11.2022
16 W 52/22


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung zur Auslegung der Einwilligung eines Profifußballers im Vertrag mit seinem Fußballverein hinsichtlich der Bildrechte für Fußball-Tausch- und Sammelkarten geäußert.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ob die Einwilligung eines Berufsfußballspielers im Rahmen des mit einem englischen Fußballverein geschlossenen Vertrags, sein Bildnis u.a. auf Fußball-Tausch- und Sammelkarten zu veröffentlichen, auch die Verbreitung seiner Bilder als Nationalspieler umfasst, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) konnte dem Vertrag keine Beschränkung auf Bilder als Clubspieler entnehmen. Der Vertrieb der Karten ist demnach nicht rechtswidrig, entschied das OLG gestern.

Der Antragsteller ist als Berufsfußballer unter Vertrag eines englischen Fußballvereins und Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Die Antragsgegnerin vertreibt Fußball-Tausch- und Sammelkarten mit Bildnissen u.a. des Antragstellers in einem schwarzen Trikot nebst Spielernummer und im Hintergrund die Farben der deutschen Nationalflagge, nicht aber das DFB-Logo. Die Karten werden über Kioske und das Internet vertrieben. Der Antragsteller wendet sich gegen diesen Vertrieb. Er meint, das Verbreiten seiner Bilder als Nationalspieler erfolge ohne seine Einwilligung. Er habe nur in das Verwenden der Bilder, die ihn als Clubspieler zeigten eingewilligt. Das Landgericht hatte den auf Unterlassen gerichteten Eilantrag zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Antragsteller stehe kein Unterlassungsanspruch zu, entschied das OLG. Er habe vielmehr in die Veröffentlichung und die Verbreitung der Karten eingewilligt. Dies folge aus dem Vertrag mit dem englischen Fußballverein. Dort sei der Antragsgegnerin das Recht eingeräumt worden, „die definierten Eigenschaften des Antragstellers ... zu nutzen. Als Eigenschaften ... sind ... der Name, das Bildnis, das Konterfei/Erscheinungsbild und Fotos des Antragstellers definiert“. Die Regelung erfasse nicht nur Bildnisse des Antragstellers, die ihn als Spieler des englischen Fußballvereins zeigten, sondern auch solche, die ihn als deutschen Nationalspieler zeigten. Dem Vertrag lasse sich eine Beschränkung auf Bilder als Clubspieler nicht entnehmen. Soweit der Antragsteller sich in dem Vertrag verpflichtete, pro Jahr zwei in UEFA-Spielen getragene Club-Shirts zur Verfügung zu stellen, deute dies zwar möglicherweise darauf hin, dass „die Parteien den Marketingwert des Antragstellers in erster Linien in seiner Rolle als Clubspieler ...gesehen haben“. Daraus folge aber nicht hinreichend sicher, dass die Nutzung von Bildern in anderen, etwas neutralen Trikots oder in anderen Zusammenhängen ausgenommen werden sollte. Eine solche Beschränkung folge auch nicht aus der weiteren vertraglichen Regelung, wonach die Antragsgegnerin im Fall der längerfristigen Verschiebung oder Absage der UEFA-Champions-League zur Kündigung berechtigt sei. Auch dies unterstreiche zwar, dass die Antragsgegnerin ihr jedenfalls ganz überwiegendes Interesse an dem Vertrieb der Bilder des Antragstellers in seinem Marketingwert als Clubspieler sehe. Daraus folge aber nicht, dass sie nicht auch einen „Marktwert“ (mit)nutzen wollte, den der Antragsteller als Nationalspieler mit hohem Bekanntheitsgrad habe. Schließlich ergebe sich auch nichts Anderes daraus, dass der englische Fußballverein am Vertrag über die Nutzung der Bilder beteiligt werde. Es sei davon auszugehen, dass der Wert der Bilder auch im Fall eines neutralen Zusammenhangs oder als Nationalspieler mindestens zu einem erheblichen Teil auch aus seiner Tätigkeit als Clubspieler resultiere.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2022, Az. 16 W 52/22

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.9.2022, Az. 2-34O 255/22)



LG Köln: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG gilt nur bei Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr bzw. in Telemedien

LG Köln
Beschluss vom 22.03.2022
33 O 166/22


Das LG Köln hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG nur bei Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr bzw. in Telemedien gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Insbesondere ist das angerufene Gericht für die Entscheidung über den Verfügungsantrag gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG örtlich zuständig, da der streitgegenständliche Internetverstoß unter anderem im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Köln abgerufen werden kann.

Der danach gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes ist nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen. Insoweit schließt sich die Kammer der verbreiteten Auffassung an, dass dieser Ausnahmetatbestand dahin auszulegen ist, dass er nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt. Für diese Auslegung spricht neben dem erklärten Willen des Gesetzgebers der systematische Zusammenhang mit §§ 13 Abs. 4 Nr. 1 und 13a Abs. 2 UWG. Sinn und Zweck aller drei genannten Regelungen ist die Verhinderung von Rechtsmissbrauch, was gegen einen gegenüber den §§ §§ 13 Abs. 4 Nr. 1 und 13a Abs. 2 UWG erweiterten Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG spricht. (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 8.10.2021 – 6 W 83/21, GRUR-RR 2022, 135, m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf GRUR 2021, 984 Rn. 19 ff. – Internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften). Ein derartiger Verstoß liegt im Streitfall nicht vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Keine rückwirkende Vereinbarung einer ausschließlichen Patentlizenz mit Wirkung gegenüber Dritten mit Ausnahme gesetzlich vorgesehener Rückwirkungstatbestände

BGH
Urteil vom 22.02.2022
X ZR 102/19
Aminosäureproduktion
PatG § 15; BGB § 133 § 157


Der BGH hat entschieden, dass die rückwirkende Vereinbarung einer ausschließlichen Patentlizenz mit Wirkung gegenüber Dritten mit Ausnahme gesetzlich vorgesehener Rückwirkungstatbestände nicht möglich ist.

Leitsätze des BGH:
a) Die Frage, ob ein Patentlizenzvertrag dem Begünstigten die Stellung eines ausschließlichen Lizenznehmers einräumt, ist nach dem Recht des Staates zu beurteilen, für den der Patentschutz geltend gemacht wird.

b) Die rückwirkende Vereinbarung einer ausschließlichen Patentlizenz mit Wirkung gegenüber Dritten ist außerhalb von gesetzlich vorgesehenen Rückwirkungstatbeständen grundsätzlich ausgeschlossen.

c) Eine wegen fehlender Vertretungsmacht unwirksame Vereinbarung über die Einräumung einer ausschließlichen Patentlizenz kann gemäß § 177 Abs. 1 und § 184 Abs. 1 BGB mit rückwirkender Kraft genehmigt werden.

d) Wird dem Lizenznehmer in einem Patentlizenzvertrag das Recht eingeräumt, Rechte aus einer Verletzung des Schutzrechts in eigener Verantwortung zu verfolgen und übt der Lizenznehmer im Anschluss an den Vertragsschluss die mit einer ausschließlichen Lizenz verbundenen Rechte aus, ist die Vereinbarung regelmäßig als Einräumung einer ausschließlichen Lizenz auszulegen.

BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - X ZR 102/19 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Auslegung eines Designs und zum Schutzumfang eines Kombinationserzeugnisses - Designrecht kennt keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs

BGH
Urteil vom 24.03.2022
I ZR 16/21
Schneidebrett
DesignG § 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 37 Abs. 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Auslegung eines eingetragenen Designs und zum Schutzumfang eines Kombinationserzeugnisses geäußert. Das Designrecht kennt keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs.

Leitsätze des BGH:
a) Die Auslegung eines Designs kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 31] = WRP 2012, 1540 - Weinkaraffe; Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 25/18, BGHZ 220, 344 [juris Rn. 17] - Sporthelm; Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 26/18, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 31] = WRP 2019, 1032 - Sportbrille). Das gilt auch dann, wenn eine Darstellung Elemente enthält, die auf den anderen Darstellungen nicht zu sehen sind, so dass das in den anderen Darstellungen zu sehende Erzeugnis vollständig in der einen Darstellung enthalten ist.

b) Die Auslegung eines Designs kann ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis - ein sogenanntes Kombinationserzeugnis - bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (Bestätigung von BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 32] - Weinkaraffe). Die Auslegung kann auch lediglich aufgrund einer dieser Eigenschaften - gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer Umstände - zur Annahme eines Kombinationserzeugnisses führen. Maßgeblich ist, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen.

c) Im Fall eines Kombinationserzeugnisses ist ein isolierter Schutz für die Komponenten des Kombinationserzeugnisses - ohne eine gesonderte Anmeldung - ausgeschlossen, weil das Designrecht keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs kennt (Bestätigung von BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 28 und 35 bis 40] - Weinkaraffe).

d) Führt die Auslegung nicht zu einem hinreichend klaren Ergebnis und bleibt offen, ob Schutz für einen Einzelgegenstand oder ein Kombinationserzeugnis beansprucht wird, geht die Unklarheit zu Lasten des Anmelders und ist das Design nichtig.

BGH, Urteil vom 24. März 2022 - I ZR 16/21 - OLG München - LG München I

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OLG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG gilt nicht für Gerichtsstand des Begehungsorts bei Zusendung von E-Mail-Spam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 27.01.2022
I-20 U 105/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG nicht für den Gerichtsstand des Begehungsorts bei Zusendung von E-Mail-Spam gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Zuständigkeit des Begehungsortes ist im Streitfall nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 UWG ausgeschlossen.

Nach § 14 Abs. 2 S. 3 UWG gilt Satz 2 des § 14 Abs. 2 UWG nicht für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien. Telemedien sind nach der Legaldefinition des § 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht ausschließlich Telekommunikationsdienste oder Rundfunk sind. Was im Einzelnen unter die Definition fällt, ist unklar, denn einen Katalog mit Regelbeispielen, die den Begriffshof näher konturieren, enthält § 1 TMG nicht. Typische Anwendungsfälle von Informations- und Kommunikationsdiensten, die als Telemedien zu qualifizieren sind, listet aber die Gesetzesbegründung zum Elektronischen-Geschäftsverkehr Vereinheitlichungsgesetz auf (BT-Drs. 16/3078, 13). Dieser kann entnommen werden, dass auch die kommerzielle Verbreitung von Informationen über Waren-/Dienstleistungsangebote mit elektronischer Post, zum Beispiel Werbe-Mails, als Telemediendienst anzusehen ist (vgl. hierzu auch Martini in BeckOK Informations- und Medienrecht, 34. Edition, § 1 TMG Rn. 7).

Ungeachtet dessen, dass im Streitfall keine Zuwiderhandlung in Telemedien, sondern durch Telemedien erfolgt ist, so dass die seitens des Landgerichts erfolgte Auslegung ohne Weiteres vom Wortlaut der Norm gedeckt ist, ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift fraglich, ob überhaupt dieses Telemedium unter § 14 Abs. 2 S. 3 UWG fällt. Hintergrund der Änderung der Vorschrift waren vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten. Der Entwurf sah diese vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12084, 35; vgl. auch Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage, § 14 UWG Rn. 20 ff.), die eine Vielzahl von Gerichtsständen zur Folge hätten, während er den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung jedoch für die Fälle weiterhin für anwendbar erachtete, in denen sich die Handlung an einen örtlich begrenzten Kreis von Marktteilnehmern wende. Die Bemerkung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/22238, 18) bezieht sich hierauf. Anders als beispielsweise bei Online-Angeboten, die von jedermann und damit auch von überall abgerufen werden können, richten sich E-Mails aber regelmäßig nur an einen bestimmten Kreis von Empfängern und können durch den jeweiligen Empfänger – wie bei Telefon- und Faxwerbung auch, die unzweifelhaft nicht unter den Begriff „Telemedium“ fallen, – jeweils nur an einem Ort empfangen werden. Regelmäßig erkennen ein Empfänger einer Werbe-Mail und/oder ein Mitbewerber auch nicht ohne Weiteres, an welche anderen Empfänger sich diese richtete. Demnach steht einem potentiellen Antragsteller von vornherein auch nicht eine Vielzahl an Gerichtsständen offen.

Dies rechtfertigt eine teleologische Reduktion dahingehend, dass Zuwiderhandlungen in oder mittels E-Mail nicht unter den Begriff des „Telemediums“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 3 UWG fallen.

Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht die vom Landgericht angenommene Zuständigkeit überprüfen kann (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2021 – I-20 U 83/21), bedarf mithin keiner Entscheidung.


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BGH legt EuGH Fragen vor: Ist eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie nach § 443 Abs. 1 BGB und welche Anforderungen sind an Zufriedenheitsgarantien zu stellen

BGH
Beschluss vom 10.02.2022
I ZR 38/21
Zufriedenheitsgarantie
Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 14, Richtlinie (EU) 2019/771 Art. 2 Nr. 12


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie nach § 443 Abs. 1 BGB ist und welche Anforderungen an Zufriedenheitsgarantien zu stellen sind.

Leitsatz des Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) sowie zur Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. L 136 vom 22. Mai 2019, S. 28) in der berichtigten Fassung (ABl. L 305 vom 26. November 2019, S. 66) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU und eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 vorliegen, wenn die Verpflichtung des Garantiegebers an in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, insbesondere an seine subjektive Haltung zur Kaufsache (hier: die in das Belieben des Verbrauchers gestellte Zufriedenheit mit der Kaufsache) anknüpft, ohne dass diese persönlichen Umstände mit dem Zustand oder den Merkmalen der Kaufsache zusammenhängen müssen?

2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Muss das Fehlen von Anforderungen, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände (hier: seine Zufriedenheit mit den erworbenen Waren) gründen, anhand objektiver Umstände feststellbar sein?

BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21 - OLG München - LG München I

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LG Stuttgart: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG ist jedenfalls bei rein virtuellen Sachverhalten nicht entgegen dem Wortlaut einschränkend auszulegen

LG Stuttgart
Beschluss vom 27.10.2021
11 O 486/21


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG jedenfalls bei rein virtuellen Sachverhalten nicht entgegen dem Wortlaut einschränkend auszulegen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Entscheidung beruht auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht ist örtlich unzuständig, da der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand i. S. von § 14 Abs. 2 S. 1 UWG im Landgerichtsbezirk Kiel hat und der sog. fliegende Gerichtsstand gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für den hier rein virtuellen Sachverhalt nicht gilt (vgl. bereits Hinweis des Gerichts vom 11.10.2021, GA 9 f.).

Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 15.10.2021 vorgebrachten Argumente (GA 13 ff.) vermögen die Kammer im Ergebnis nicht zu überzeugen. Vielmehr erachtet die Kammer die vom OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.02.2021, 20 W 11/21, Rn. 19 ff., juris) formulierte Kritik an der vom LG Düsseldorf erstmals bereits in seinem Beschluss vom 15.01.2021 vertretenen, erheblichen Einschränkung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für stichhaltig (so jetzt auch Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 32 Rn. 10; ebenso z. B. Moteijl/Rosenow, WRP 2021, 699 Rn. 39, die als Beamte im BMJV mit der Erstellung des Regierungsentwurfs befasst waren sowie Feddersen, WRP 2021, 713, 717, Rn. 26 ff., insb. Rn. 30).

Die vom Kläger genannten weiteren Entscheidungen der Landgerichte Düsseldorf und Frankfurt a. M. (sowie nunmehr LG Hamburg, GRUR-​RS 2021, 27788, Rn. 4, sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.10.2021, 6 W 83/21, Rn. 18, juris) greifen die Argumentation zur einschränkenden Auslegung lediglich auf, setzen sie fort und vertiefen sie.

Der Wortlaut von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist indes eindeutig und weicht von jenem des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG gerade ab. Ausweislich der jeweiligen Gesetzesbegründungen hat der Gesetzgeber die Regelungen in § 13 UWG einerseits und § 14 UWG andererseits bewusst unterschiedlich ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund gebieten auch Sinn und Zweck der Neuregelung keine vom Wortlaut abweichende weitere Einschränkung oder teleologische Reduktion (so auch Feddersen, WRP 2021, 713, 717, Rn. 30):

Bei der Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs in § 13 UWG ging es darum, das ausufernde Abmahnwesen zu begrenzen, das bei einfach und automatisiert festzustellenden Online-​Verstößen gegen die zahlreichen Informationspflichten rein aus Gebührenerzielungsinteresse um sich griff. Hierbei hatte der Gesetzgeber ausdrücklich nur „Verstöße im Online-​Handel“ und zwar „gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten“ im Blick (BT-​DS. 19/12084, S. 32). Dies findet sich dementsprechend auch im Gesetzeswortlaut wieder.

Der zunächst angedachte, fast vollständige Ausschluss des fliegenden Gerichtsstands in § 14 UWG beruhte hingegen auf anderen Gründen. Insoweit führte der Gesetzgeber eine allgemeine „Missbrauchsgefahr“ an, da sich der Kläger insb. bei Verstößen im Internet durch die Möglichkeit, quasi „überall“ hiergegen vorgehen zu können, „etliche Vorteile sichern“ könne. So könne er sich ein Gericht aussuchen, das besonders klägerfreundlich sei oder bereitwillig einstweilige Beschlussverfügungen ohne Anhörung des Gegners erlasse oder hohe Streitwerte festsetze. Mit der Androhung einer Klage an einem weit entfernten Ort könne zudem oft die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung erreicht werden (BT-​DS. 19/12084, S. 35 f.). Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands sodann „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ (BT-​DS. 19/22238, S. 18). Von Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten war an dieser Stelle, anders als bei § 13 UWG, gerade nicht die Rede. Dies ist auch folgerichtig, weil die dargestellten allgemeinen Missbrauchsgefahren des fliegenden Gerichtsstands bei allen Internet-​Verstößen gleichermaßen bestehen.

Dem steht auch nicht der vom Kläger zitierte, persönlich verfasste Beitrag des Berichterstatters der CDU/CSU-​Fraktion J... (GRUR 2021, 984, 986) entgegen. Eine positive und dezidierte Aussage, dass der Gesetzgeber nur und allein die Fälle des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG im Blick hatte, lässt sich dem Beitrag gerade nicht entnehmen. So heißt es lediglich, dass die Regierungsfraktionen „vor allem“ den Musterfall eines einfachen Verstoßes vor Augen hatten, der nur zum Zweck der Abmahnung unter Androhung einer Vertragsstrafe per Webcrawler automatisiert ermittelt werde. Man werde „kaum“ andere Beispiele finden als die Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet. Der Gesetzgeber müsse sich aber auch aus seiner Sicht „die Frage gefallen lassen, warum er in beiden Regelungen unterschiedliche Formulierungen gewählt bzw. warum er nicht einfach auf § 13 IV Nr. 1 UWG verwiesen hat“. Wie oben dargestellt und auch von J... einleitend in seinem Beitrag ausgeführt, äußerte der Gesetzgeber allerdings umfassende Kritik an der Geltung des fliegenden Gerichtsstands im Lauterkeitsrecht in verschiedenen Fallkonstellationen. Diese Kritik greift losgelöst von den beispielhaft angeführten Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten und belegt die andersartige Stoßrichtung der Einschränkung in § 14 UWG.

Den vom Kläger anhand von mehreren Beispielsfällen, die zu vermeintlich „grotesken Ergebnissen“ führten, geäußerten Bedenken wegen Wertungswidersprüchen bei medienübergreifenden Verstößen (Schriftsatz vom 15.10.2021, S. 2, 3, 7) lässt sich schließlich anderweitig begegnen. So bietet sich bei solchen medienübergreifenden Verstößen wegen des vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Missbrauchspotentials des fliegenden Gerichtsstands im Falle von Internet-​Verstößen ausnahmsweise eine einschränkende Auslegung an, wonach die Neuregelung auf rein „virtuelle“ Verstöße beschränkt wird. Wird der Verstoß also nicht ausschließlich im Internet, sondern auch auf anderen Verbreitungswegen verwirklicht, und handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand, ist die Neuregelung nicht anwendbar (Feddersen, WRP 2021, 713, 717, Rn. 31; so auch bereits Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 14 Rn. 21).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf erneut: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen

OLG Düsseldorf
Urteil vom 16.12.2021
I-20 U 83/21


Das OLG Düsseldorf hat nochmals bekräftigt, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen ist. Die Vorschrift gilt nach Ansicht des OLG Düsseldorf daher nicht nur für Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften oder Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften im elektronischen Rechtsverkehr.

OLG Frankfurt: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG gilt nur bei Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr bzw. in Telemedien

OLG Frankfurt
Beschluss vom 08.10.2021
6 W 83/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG einschränkend auszulugen ist und nur für Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Informationspflichten und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gilt. Das Gericht hat zudem entschieden, dass die getrennte Inanspruchnahme von Konzernschwestergesellschaften nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Zuständigkeitsrüge keinen Erfolg.

Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Grenze ist erst überschritten, wenn das Gericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen und damit den Beklagten seinem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) hat. Eine willkürliche Entscheidung liegt vor, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das GG beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit ist auch willkürlich, wenn sie sich bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese Normen beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 513 Rn 22).

Eine Willkür liegt hier fern. Im Gegenteil ist die Annahme des Landgerichts, die Einschränkung des „fliegenden“ Gerichtsstandes in § 14 Abs. 2 S. 3 UWG n.F. sei einschränkend auszulegen, eine in Literatur und Rechtsprechung stark vertretene, wenn nicht sogar die herrschende Meinung, der auch der Senat folgt (LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.2.2021 - 38 O 19/21 = GRUR-RS 2021, 4044 Rn 3 ff. - Schutz vor doppelten Kosten; Wagner/Kefferpütz WRP 2021, 151 Rn 35 ff.; Lerach jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5; a.A. OLG Düsseldorf WRP 2021, 513 Rn 19 ff. - Internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften). Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nimmt Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien aus. Dies liegt auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG. Genau aus diesem Grunde muss § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt. Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG. Schließlich entspricht auch nur diese Auslegung dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die allein Missbrauchsfälle erfassen sollen. Anderenfalls wäre der Tatortgerichtsstand auch in zahllosen „Normalfällen“ beseitigt, zumal heute Vertrieb und Werbung in den meisten Branchen nebeneinander analog und digital erfolgen.

2. Der Verfügungsantrag ist nicht als rechtsmissbräuchlich nach § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG anzusehen.

a) Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR 2000, 1089, 1090 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 - Abmahnaktion II; BGH GRUR 2019, 966, Rn 33 - Umwelthilfe). Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich (BGH GRUR 2001, 82 - Neu in Bielefeld I). Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 - Abmahnaktion II).

Auch die Zweifelsregelung des § 8c Abs. 2 entbindet das Gericht nicht von der für die Feststellung des Rechtsmissbrauchs erforderlichen Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 8c Rn 12). Im Gesetzgebungsverfahren ist klargestellt worden, dass es sich bei den Fällen des Abs. 2 nicht um eine Vermutung im Sinne von § 299 ZPO handelt, sondern lediglich um die Anordnung einer Indizwirkung (Senat, Beschl. v. 12.5.2021 - 6 W 23/21, GRUR-RS 2021, 14368 Rn 29, 30; vgl. BT-Drs. 19/22238, 17).

b) Nach der danach notwendigen Gesamtschau kann entgegen der Auffassung des Landgerichts ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht festgestellt werden.

Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich u. a. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere rechtlich unabhängige Konzernunternehmen als verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH GRUR 2000, 1089, 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2001, 78, 79 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I; BGH GRUR 2002, 715, 717 - Scanner-Werbung; BGH GRUR 2006, 243 Tz 16 f. - MEGA SALE).

Die Indizwirkung des § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG kann hier schon deshalb nicht eintreten, da ein sachlicher Grund für die Aufspaltung der Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin einerseits und ihrer slowakischen Schwestergesellschaft anderseits besteht. Ein sachlicher Grund, zwei Konzerngesellschaften wegen derselben Werbung in zwei getrennten Klageverfahren in Anspruch zu nehmen, liegt vor, wenn eine der Beklagten ihren Sitz im Ausland hat (OLG Düsseldorf LMRR 2009, 76; Teplitzky in: FS 100 Jahre Wettbewerbszentrale, S. 195, 204). Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt der Grund hierfür nicht nur darin begründet, dass die Erlangung des Titels bei im Ausland ansässigen Gegnern erschwert ist. Zwar weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass ein Titel im Eilverfahren im Wege der Beschlussverfügung auch bei ausländischen Schuldnern leicht zu erlangen ist. Das Landgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die Erlangung des Titels für die Antragstellerin allein wertlos ist, sondern der Titel auch der Vollziehung bedarf, die wiederum im Ausland mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die hiermit verbundenen Unterschiede in der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügungen, aber auch hierdurch ausgelöste unterschiedliche Zeitpunkte für Widersprüche können zu zeitlichen Interferenzen und prozessualen Komplikationen führen.

Hinzu kommt, dass mehrere Zuwiderhandlungen mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten vorliegen. Schließlich bestehen Unsicherheiten im Hinblick auf die Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 UWG. Die einheitliche Geltendmachung vor dem Landgericht München (Sitz der Antragsgegnerin) oder dem Landgericht Frankfurt am Main barg das Risiko, dass das jeweilige Gericht sich (teilweise) für unzuständig erklärte. Hinsichtlich des Landgerichts Frankfurt am Main ist umstritten, ob es hinsichtlich der hiesigen Antragsgegnerin zuständig ist.

In der Gesamtschau kann daher ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin nicht festgestellt werden.

3. Bei den Anträgen 1. bis 3. handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände.

Richtet sich die Klage gegen die sog konkrete Verletzungsform, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, so ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn 18 - Betriebspsychologe).

Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger sich auf bestimmte Rechtsverletzungen gestützt hat. Denn er überlässt es in diesem Fall dem Gericht, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es das beantragte Unterlassungsgebot stützt („jura novit curia“). Das Gericht kann daher ein Verbot auch auf Anspruchsgrundlagen stützen, die der Kläger gar nicht vorgetragen hat (OLG Köln WRP 2013, 95). Soweit der Kläger sein Begehren auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützt, begründet dies nicht eine Mehrheit von Streitgegenständen. Auch ist das Gericht nicht gehalten, alle vom Kläger angeführten Verbotstatbestände - und noch dazu in der von ihm angegebenen Reihenfolge - zu prüfen. Das Gericht hat insoweit ein Wahlrecht. Das gilt auch für das Berufungsgericht, unabhängig davon, wie das Landgericht das Verbot begründet hat (OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 755, 756). Hält das Gericht eine Anspruchsgrundlage für gegeben, kann es sich daher damit begnügen, das Verbot darauf zu stützen (OLG Stuttgart GRUR-RS 2013, 00436). Die Klage ist nur dann abzuweisen, wenn die konkrete Verletzungsform unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, für den der Kläger die tatsächlichen Grundlagen vorgetragen hat, untersagt werden kann (OLG Hamburg WRP 2012, 1594 Rn 30-32). Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime darf das Gericht aber ein Verbot nur auf solche Beanstandungen stützen, die der Kläger vorgetragen hat (OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1482).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Anträge 1. bis 3. verschiedene Streitgegenstände darstellen. Innerhalb des Antrags 1. hat die Antragstellerin zwar verschiedene Unlauterkeitsaspekte (Art. 20 KosmetikVO, § 5 Abs. 1 UWG) vorgetragen, diese jedoch nicht zum Gegenstand eigener (Unter-)Anträge gemacht, so dass auch insoweit nur ein Streitgegenstand vorliegt und der Senat nicht gehalten ist, alle von der Antragstellerin angeführten Verbotstatbestände und noch dazu in der von ihr angegebenen Reihenfolge zu prüfen.

4. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu Antrag 1. aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 20 KosmetikVO zu.

a) Die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar, die einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt und deshalb gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen Regelung über irreführende Handlungen vorgeht (BGH GRUR 2016, 418 - Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir).

b) Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO verbietet die Vortäuschung von Merkmalen und Funktionen kosmetischer Mittel bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung. Trotz der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist davon auszugehen, dass mit dieser Vorschrift generell jede täuschende - d.h. irreführende - Angabe für kosmetische Mittel verboten werden soll. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale sich ergänzen und deshalb lediglich beispielhaft aufgeführt sind. Es entspricht einem Grundanliegen des Rechts der Union, allerdings vorgegeben durch das viel ältere Recht der meisten Mitgliedstaaten, die Irreführung auszuschließen, soweit sie für die Adressaten von Angaben relevant sind (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 179. EL März 2021, VO (EG) 1223/2009 Art. 20 Rn 2).

Bei der Anwendung des Begriffes „irreführend“ ist auf die angesprochenen Verkehrskreise abzustellen. Dazu gehören insbesondere die Verbraucher, einschließlich der Gewerbetreibenden, die kosmetische Mittel verbrauchen, z.B. Friseure und Kosmetikerinnen. Auch bei kosmetischen Mitteln werden die Abnehmerkreise mit den Angaben und sonstigen Aussagen über ein kosmetisches Mittel oft bestimmte Vorstellungen verbinden. Die Angaben müssen deshalb so eindeutig sein, dass unzutreffende Vorstellungen nicht erweckt werden können. Dabei müssen gegebenenfalls auch die Kreise der Adressaten berücksichtigt werden, an die sich Kennzeichnung und Werbung gegebenenfalls richten.

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt eine Irreführung darin, dass die Antragsgegnerin auslobt, dass das Produkt „Chlorhexamed“ effektiv Plaquebakterien „beseitigt“.

Schon vom Wortlaut her wird jedenfalls ein signifikanter Teil des Verkehrs bei der Verwendung des Wortes „beseitigt“ Anlass zu der Annahme haben, es werde die vollständige Entfernung von Plaquebakterien versprochen. Der Gegensatz zur bloßen „Reduzierung“ von Bakterien liegt auf der Hand. Dies wird verstärkt durch die Auslobung einer „effektiven“ Entfernung (jedenfalls für 24 Stunden). Damit wird der Verkehr in seiner Auffassung gestärkt, dass alle Bakterien abgetötet werden. Schließlich leitet auch die Auslobung eines „antibakteriellen Schutzschildes“ in diese Richtung. Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat, dessen Mitglieder zu dem angesprochenen, allgemeinen Verkehr gehören, aus eigener Anschauung beurteilen.

Eine derartige Wirkung hat die Antragsgegnerin nicht belegen können. Die vorgelegten Studien vermögen lediglich eine Reduktion der Bakterien, nicht aber deren vollständige Beseitigung zu belegen. Nach Art. 20 Abs. 1 KosmetikVO liegt die Darlegungslast (vgl. Natterer in Reinhart, KosmetikVO, 2014, Art. 20 Rn 27) wie auch die Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, allerdings grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht, und daher vorliegend bei der Antragstellerin (Bruggmann, LMuR 2010, Seite 141, 145 m.w.N.; Natterer in Reinhart a.a.O., Art. 20 Rn 28). Abweichendes gilt, wenn - wie hier - der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist (Bruggmann, LMuR 2010, Seite 141, 145; Natterer in Reinhart a.a.O. Art. 20 Rn 29).

5. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag 2. aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 3a UWG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 a) KosmetikVO nicht zu.

a) Art. 19 KosmetikVO stellt eine Marktverhaltensregel dar. Sie dient der Unterrichtung der Verbraucher (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/v.Jagow, 4. Aufl. 2016, UWG § 3a Rn 83-84; Beyerlein ZLR 2012, 567, 584; MüKoUWG/Schaffert, 3. Aufl. 2020, UWG § 3a Rn 458)

b) Nach Art. 19a Abs. 1 a) KosmetikVO hat ein kosmetisches Mittel u.a. auf der Verpackung die Firma und die Anschrift der verantwortlichen Person zu enthalten. Werden mehrere Anschriften angegeben, so ist die Anschrift der verantwortlichen Person, bei der die Produktinformationsdatei leicht zugänglich gemacht wird, hervorzuheben. „Hersteller” ist nach Art. 2 Abs. 1 d) der Verordnung jede natürliche oder juristische Person, die ein kosmetisches Mittel herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und es unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke in Verkehr bringt. Dem Hersteller weist Art. 4 Abs. 3 KosmetikVO grundsätzlich die Rolle der verantwortlichen Person zu, die nach Art. 4 Abs. 2 die Einhaltung der in der Verordnung aufgeführten Verpflichtungen zu gewährleisten hat, sofern sie ihren Sitz in der Europäischen Union hat. Die Verantwortlichkeiten werden in der Person des Herstellers konzentriert.

An einer hinreichend klaren Benennung der verantwortlichen Person fehlt es im vorliegenden Fall nicht.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Vorschrift es zulässt, mehrere Anschriften der verantwortlichen Person anzugeben. Es können auch mehrere unterschiedliche Unternehmen angegeben werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die verantwortliche Person eindeutig erkennbar ist (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 179. EL März 2021, VO (EG) 1223/2009 Art. 19 Rn 14). Durch die Unterstreichung der „A, Stadt1 …, SK“ hat die Antragstellerin hier für die nötige Hervorhebung gegenüber dem zweiten Unternehmen gesorgt.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 19 Abs. 1 a) KosmetikVO grundsätzlich auch Abkürzungen verwendet werden dürfen, was auch beinhaltet, den Rechtsformzusatz wegzulassen. Dies steht aber unter dem Vorbehalt, dass trotz der Abkürzung die gekennzeichnete verantwortliche Person eindeutig erkennbar und postalisch ohne weiteres erreichbar ist (vgl. zur alten KosmetikVO BGH, LMRR 1994, 12). Das Weglassen des Firmenbestandteils „Stadt1“ und des Rechtsformzusatzes „s.r.o.“ steht daher grundsätzlich Art. 19 Abs. 1 a) KosmetikVO nicht entgegen. Auch die Identifizierbarkeit der verantwortlichen Person steht nicht in Frage. Nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin ist in Stadt1 nur einer Gesellschaft mit dem Firmenbestandteil „A“ ansässig. Die Tatsache, dass unterhalb der Angabe der Zusatz „Stadt2“ erscheint, kann nicht zu einer Verwirrung führen. Da dies - im Gegensatz zu der Angabe der Gesellschaft selbst - nicht unterstrichen ist, fehlt es an dem notwendigen Bezug zu der Angabe nach Art. 19 Abs. 1 a) KosmetikVO. Dass die Antragsgegnerin hier eine weitere - deutsche - Adresse angibt, führt danach nicht zu einem Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 a) KosmetikVO.

6. Der Unterlassungsanspruch zu 3. steht der Antragstellerin aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 20 KosmetikVO zu. Durch die Formulierung „Beseitigt effektiv Plaque-Bakterien“ erwartet der Verkehr eine vollständige Entfernung der Bakterien für einen gewissen Zeitraum, die jedoch nicht stattfindet. Auf die obigen Ausführungen kann insoweit Bezug genommen werden.

7. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Antragsgegnerin hat die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 1 UWG nicht durch ihr eigenes Verhalten widerlegt.

Die für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung notwendige Kenntnis hat der Antragstellerin schon im Dezember 2020 vermutet („dürfte klar sein“). Diese Vermutung ins Blaue hinein ist jedoch nicht geeignet, bei der Antragstellerin eine sekundäre Darlegungslast auszulösen.

Auch die „besondere“ Dringlichkeit des § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO liegt vor. Eine mündliche Verhandlung ist entbehrlich, wenn die Notwendigkeit des schnellen Zugriffs oder der Sicherungszweck den Verzicht erfordern. Die Tatsache, dass seit der Abmahnung nunmehr bereits drei Monate vergangen sind, kann entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin das Vorliegen einer „besonderen“ Dringlichkeit für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht in Frage stellen. Die durch die Beschwerde eintretende Verzögerung intensiviert im Gegenteil das Bedürfnis nach einer schnellen Entscheidung. Im Übrigen übersieht die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang, dass im Beschwerdeverfahren nach § 572 Abs. 4 ZPO durch Beschluss ergeht und eine mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 4 ZPO daher nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme darstellt (BeckOK ZPO/von Selle, 41. Ed. 1.7.2021, ZPO § 128 Rn 18-19)


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LG Düsseldorf erneut: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist einschränkend auszulegen

LG Düsseldorf
Urteil vom 21.05.2021
38 O 3/21


Das LG Düsseldorf hat abermals entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einschränkend auszulegen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die angegriffenen Handlungen sind im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf begangen worden.

a) Unter dem von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG erfassten Begehungsort ist nach dem zu § 32 ZPO entwickelten und für § 14 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. gleichermaßen geltenden überkommenen deutschen zivilprozessualen Verständnis ebenso wie nach den für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ I und LugÜ II anzuwenden Maßstäben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – C-12/15 – Universal Music International Holding/Schilling u.a. [Rn. 28]; Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – Arzneimittelwerbung im Internet [unter II 1]; Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 1]) sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 StGB; 7 Abs. 1 OWiG). Letzterer ist bei unlauteren Wettbewerbshandlungen überall dort belegen, wo sich die Handlung bestimmungsgemäß (zumindest auch) auswirken soll und wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Marktteilnehmer verletzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 2 a]; Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 1/11 – Parfumflakon III [unter II 3 b, c und e aa und bb]; Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 131/12 – englischsprachige Pressemitteilung [unter B II 2 und 3]; EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – C-360/12, Coty Germany GmbH/First Note Perfumes NV [Rn. 56 ff.]). Demgemäß ist bei im Internet begangenen unlauteren Wettbewerbshandlungen – bei gerügten Verletzungen etwa von Urheber-, Kennzeichen- und Persönlichkeitsrechten kann das anders liegen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 – C-509/09 und C-161/10, eDateAdvertisingGmbH/X und Martinez/MGN Ltd [Rn. 48 ff.]; BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 1 a bb (2)]; Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16 [unter B I 1]; s.a. Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 2 b und c]) – die gerichtliche Zuständigkeit an einem bestimmten Ort nicht schon deshalb gegeben, weil dort der rechtsverletzende Inhalt über das Internet abgerufen werden kann.

b) Der in diesem Sinne zu verstehende Begehungsort liegt unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts für alle von der Antragstellerin angegriffenen Handlungen im Bezirk des von ihr angerufenen Landgerichts. Sämtliche Handlungen der Antragsgegnerin sind bestimmungsgemäß an hier ansässige Verbraucher gerichtet. Beide Parteien sind bundesweit tätig und bieten ihre Leistungen im hiesigen Gerichtsbezirk an. Dementsprechend sollen die angegriffenen Handlungen (unter anderem) die hier ansässigen Verbraucher in ihrer Willensbildung bei Marktentscheidungen beeinflussen und wirken sich auf diese Weise auf die hiesigen Wettbewerbsbedingungen der Parteien aus.

2. Der Gerichtsstand des Begehungsortes ist wegen der über das Internet verbreiteten Werbemaßnahmen nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einige der angegriffenen Handlungen ausgeschlossen. Das Youtube-Video und die Darstellungen in der Internetpräsenz der Antragsgegnerin werden von ihr zwar über das Internet verbreitet. Bereitstellen und Verfügbarhalten dieser Inhalte sind aber keine „Zuwiderhandlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG.

a) Unter den von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen.

aa) Diese Sichtweise hat die Kammer bereits in mehreren Verfahren eingenommen und in zwei – beiden Parteien bekannten – Entscheidungen näher begründet. Auf die dort entfaltete Argumentation (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [unter I 1 b aa = Rn. 8 ff.] und Beschluss vom 26. Februar 2021 – 38 O 19/21, WRP 2021, 688 = GRUR-RS 2021, 4044 [unter I 1 = Rn. 3 ff.]) wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Die Antragsgegnerin sieht in dem Kammerbeschluss vom 15. Januar 2021 und weiteren gegen sie ergangenen Entscheidungen, in denen die Kammer unter Verweis auf diesen Beschluss ihre Zuständigkeit ebenfalls angenommen hat, den Versuch, sie unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist das von ihr in diesem Verfahren mehrfach – zuletzt mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 – geäußerte Fazit zu sehen, es gebe „niemanden, der dogmatisch argumentativ die vorläufige Auffassung des Gerichts zur Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 UWG teilt“. Tatsächlich deckt sich dieses von der Antragsgegnerin wiederholt gezogene Resümee nicht mit dem sich aus der derzeit verfügbaren Rechtsprechung und Literatur ergebenden Befund.

Schon vor Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 wurden Äußerungen mit Tendenzen zu einer Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG veröffentlicht. Diese beziehen sich nicht nur auf in diesem Verfahren nicht einschlägige Problemstellungen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21, der unter Berufung auf nur rein „virtuelle“ Verstöße erfassende Schutzzweckerwägungen den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Rechtsverletzungen beschränkt sieht, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden), sondern gehen bereits in die Richtung des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 (vgl. Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 69], der in der Neuregelung eine nicht nachvollziehbare „Einschränkung auf Verstöße gegen Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien“ sieht). Ferner wurden – zeitlich parallel zu dem Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 – Argumente für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG in Richtung eines Gleichklangs mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG diskutiert (vgl. Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41], die eine solche Auslegung für „sicherlich wünschenswert“ halten [Rn. 37]).

Die Kammerbeschlüsse vom 15. Januar und 26. Februar 2021 selbst sind bald nach ihrem Erlass Gegenstand einer kontrovers geführten Diskussion geworden. Darin sind sie einerseits auf unterschiedlich stark akzentuierte Ablehnung gestoßen (wohl am deutlichsten OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Beyer, jurisPR-ITR 6/2021 Anm. 5; Rüther, WRP 2021, 726 [727 ff.] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177; ebenfalls kritisch, aber auf die abzuwartende Meinungsbildung der Landgerichte verweisend Feddersen, WRP 2021, 713 [717 f. Rn. 28 ff. und 34 f.] und Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39 f.]; in der Tendenz eher kritisch, aber ohne abschließende eigene Festlegung Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]; kritische Anmerkungen finden sich ferner bei Alber, IPRB 2021, 112, der allerdings der Sache nach den in den Kammerbeschlüssen vertretenen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einen „praktikablen und wirkungsvollen Kompromiss zwischen effektivem Rechtsschutz und Verhinderung von Rechtsmissbrauch“ hält [116] und ebenfalls auf die abzuwartende Entwicklung der erstinstanzlichen Spruchpraxis verweist [117]). Auf der anderen Seite haben die Kammerbeschlüsse ausdrückliche Zustimmung erfahren, die – was die Antragsgegnerin in ihrem schriftsätzlichen Vortrag freilich konsequent ausblendet – mehrfach argumentativ unterlegt ist (vgl. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. Mai 2021 – 3-06 O 14/21 [bislang n.v.]; Dissmann, GRUR-Prax 2021, 268; Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C II bis IV]; Löffel, GRUR-Prax 2021, 158; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; ders., jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5; vgl. außerdem Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 42], der selbst zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht abschließend Position bezieht, sondern es bei der Feststellung belässt, dass der Kammer keine willkürliche Annahme ihrer Zuständigkeit vorgehalten werden könne, und hierzu anmerkt, dass sich die systematische Begründung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zwar schlüssig lese, die Auslegung anhand der Systematik aber, da sie einen logischen Aufbau des Gesetzes voraussetze, angesichts des wenig stringent formulierten UWG in seiner seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung nur von eingeschränkter Überzeugungskraft sei).

cc) Die gegen eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Argumente schlagen, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 26. Februar 2021 festgestellt hat, nicht durch (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2021, a.a.O. Rn. 3 ff.; ebenso Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5 sowie – jeweils vertiefend und anschaulich zur Auslegungsbedürftigkeit des Wortlauts von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der Regelungssystematik, in die sie eingebettet ist, und dem von ihr verfolgten Zweck – Isele, MMR 2021, 334 [unter 1 bis 3 und 5] und Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; vgl. in diesem Zusammenhang auch Hohlweck, a.a.O. Rn. 42). Diese Feststellung bezog sich naturgemäß auf den damaligen Stand der Diskussion. Sie hat aber vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erschienenen Veröffentlichungen weiterhin Bestand.

Alber (IPRB 2021, 112) hält, wie bereits erwähnt, der Sache nach einen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für sinnvoll, meint aber, einen solchen dem Gesetz nicht entnehmen zu können. Die hierfür vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. So bezweifelt Alber, „dass der Gesetzgeber sich bei der Neugestaltung der Zuständigkeitsregeln im UWG über die Tragweite insbesondere der weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für die besonders häufig im elektronischen Geschäftsverkehr begangenen Wettbewerbsverstöße im Klaren gewesen ist“ (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [116]), möchte den Gesetzgeber aber gleichwohl an dem (verunglückten) Wortlaut festhalten. Insoweit erkennt Alber an (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [115]), dass eine wortlautgetreue Anwendung von § 14 UWG „deutlich über das hinausgeht, was für eine wirksame Eindämmung […] der […] Missbrauchsauswüchse erforderlich gewesen wäre“, bezieht sich zur Ermittlung des (nach seiner Sicht wohl mit dem Wortlaut übereinstimmenden) Willens des Gesetzgebers aber auf die Begründung für die ursprünglich geplante, nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands. Diese Begründung freilich ist durch die Änderung des Gesetzentwurfs überholt und bezieht sich nicht auf die erst später im Gesetzgebungsverfahren entwickelte und verabschiedete, nun lediglich noch eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands für bestimmte Fälle vorsehende Regelung. Die Begründung des Regierungsentwurfs für den ursprünglichen Regelungsansatz gibt deshalb keinen Aufschluss darüber, wie die am Ende des Gesetzgebungsverfahrens verabschiedete Regelung auszulegen ist. Sie kann allenfalls als Beleg dafür angeführt werden, welches Ergebnis letztlich vermieden werden sollte.

Eine solche, die Gefahr von Fehlschlüssen hervorrufende Vermengung der während des Gesetzgebungsverfahrens für grundsätzlich verschiedene Regelungsziele gegebenen Begründungsansätze (die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung betonen auch Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 f. Rn. 72 f.], ziehen daraus Schlüsse allerdings nur für „gemischte“ Fallgestaltungen) findet sich ebenso bei den beiden weiteren, sich gleichfalls ausschließlich mit der Neuregelung der örtlichen Zuständigkeit befassenden Aufsätzen von Rüther und Wettig/Kiparski (vgl. Rüther, WRP 2021, 726 [727 Rn. 9]; Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 25]). Davon – und von den in sie eingestreuten, mehr oder weniger verbrämten bzw. subtilen unsachlichen Anwürfen und Unterstellungen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 24]; Rüther, WRP 2021, 726 [726 Rn. 1 und 729 Rn. 19]) – abgesehen, verbleibt in diesen beiden Aufsätzen eine Argumentationslinie, die inhaltlich in den Kernpunkten nicht über diejenige hinausgeht, die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 16. Februar 2021 vertreten und von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren ausführlich vorgetragen worden ist. Wesentliche neue oder bislang unberücksichtigt gebliebene Gesichtspunkte zeigen beide Aufsätze nicht auf (vgl. zu Wettig/Kiparski auch Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]). Das in ihnen und in dem von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren gehaltenen Vortrag zum Ausdruck kommende tiefe Misstrauen gegenüber dem Gerichtsstand des Begehungsortes und die verzerrte Darstellung von dessen Reichweite lassen es allerdings angezeigt erscheinen, den Gesamtkontext, in dem die zu betrachtende Vorschrift des § 14 Abs. 2 UWG steht, noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Festzuhalten ist zunächst, dass die Reichweite des Gerichtsstands des Begehungsortes für im Internet begangene Wettbewerbsverletzungen keineswegs so groß und uferlos ist, wie das die Antragsgegnerin und die beiden Aufsätze nahelegen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [Rn. 3]: „Erfolgsort das gesamte Bundesgebiet“; Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13] sieht für „Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit Internet“ grundsätzlich keine besonderen Gründe um „für jeden Gerichtsstandort in Deutschland“ eine Zuständigkeit anzunehmen). Wie bereits eingangs unter I 1 a aufgezeigt, genügt alleine die Abrufbarkeit einer Wettbewerbsrechtsverletzung über das Internet nicht zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit. Deshalb begründen beispielsweise Wettbewerbsrechtsverletzungen im Internetauftritt eines lokalen Pizzabringdienstes mit Angabe eines beschränkten Liefergebietes oder eines sonstigen Anbieters von Leistungen, die typischerweise nur an dessen Sitz oder unweit davon erbracht werden, allein wegen ihrer bundesweiten Abrufbarkeit keinen bundesweiten Gerichtsstand (vgl. Mühlberger, WRP 2008, 1419 [1423]; LG Karlsruhe, Beschluss vom 13. März 2020 – 18 O 23/20, GRUR-RS 2020, 4592). Liegen hingegen Anknüpfungspunkte für eine Relevanz der Rechtsverletzung am Ort eines abseits der Niederlassung des Unternehmers angerufenen Gerichts vor, ist es sachgerecht, dessen örtliche Zuständigkeit anzunehmen (so lag es im Übrigen in den Fällen, die Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13 bei und in Fn. 37 und 38] lobend als Versuche einer Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung anführt, die allerdings durchweg nicht das Wettbewerbsrecht betrafen und bei denen in der Berufungsinstanz jeweils die örtliche Zuständigkeit mit überzeugender Begründung bejaht worden ist, vgl. LG Hamburg, Urteil vom 19. September 2014 – 324 S 1/14, bei juris, und LG Berlin, Urteil vom 7. April 2011 – 27 S 20/10, bei juris, jeweils für Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie LG Frankfurt/Main, Urteil vom 5. November 2009 – 2/3 S 7/09, bei juris, für eine Urheberrechtsverletzung). Das entspricht im Übrigen – worauf sogleich noch zurückzukommen ist – international anerkannten Grundsätzen.

Historisch gesehen bedeutet das Inkrafttreten von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einen Schritt in die Vergangenheit. Die Vorschrift fällt – und das ausgerechnet für den gesamten „modernen“ Bereich des Handelns in der „virtuellen“ Welt, sofern man in ihr einen generellen Ausschluss des fliegenden Gerichtsstands für die „Internet-Fälle“ erblickt (so Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 55 f.]) – noch hinter den durch das UWG von 1896 geschaffenen Zustand zurück. Mit § 2 UWG 1896 wurde eine (als § 24 in das UWG 1909 übernommene) Sondervorschrift geschaffen, durch welche die an sich gegebene Zuständigkeit der Gerichte des Begehungsortes nach § 32 CPO (heute § 32 ZPO) verdrängt und wettbewerbswidrig handelnde Unternehmer in gewissem Maße vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme auch durch Mitbewerber geschützt wurden. Die so bewirkte Konzentration der Zuständigkeit am Ort der gewerblichen Niederlassung schloss allerdings – und insoweit reicht § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG noch weiter – den Gerichtsstand des Begehungsortes nur für Hauptsacheklagen aus, während gemäß § 3 S. 2 UWG 1896 (= § 25 S. 2 UWG 1909) Anträge auf einstweilige Verfügungen am Gericht des Begehungsortes erwirkt werden konnten. Außerdem hatte das Reichsgericht schon 1931 in ständiger Rechtsprechung die Privilegierung des wegen wettbewerbswidrigen Handelns in Anspruch genommenen Unternehmers – deren Sinn der Bundesgerichtshof später vornehmlich darin sah, den Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht auf die nach Wettbewerbsrecht klagebefugten Verbände auszudehnen (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 2]) – bei einer Inanspruchnahme durch Mitbewerber zurückgedrängt und in solchen Fällen einen Rückgriff auf Vorschriften des UWG durch das nach § 32 ZPO zuständige Gericht zugelassen (vgl. RG, Urteil vom 18. September 1931 – II 462/30, MuW 1931, 571; Urteil vom 6. Oktober 1931 – II 495/30, GRUR 1931, 1299 [unter 1]). Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts setzte der Bundesgerichtshof fort (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1954 – I ARZ 233/54, NJW 1954, 1932; Urteil vom 30. November 1954 – I ZR 143/52 – GEMA, GRUR 1955, 351 [unter B III b]; Urteil vom 14. Mai 1974 – VI ZR 48/73, GRUR 1975, 150 [unter II 1]; s.a. Urteil vom 20. März 1956 – I ZR 162/55 – Olivin, GRUR 1956, 297 [unter II und unter III 1]; Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 1]; zu der Frage, ob und inwieweit neben § 14 Abs. 2 UWG in der seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung auf § 32 ZPO zurückgegriffen werden kann vgl. Feddersen, WRP 2021, 713 [718 Rn. 33]; Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 43]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C III]). Die auf diese Weise für Mitbewerberklagen in der Wettbewerbsrechtspraxis schon mehrere Jahrzehnte gelebte Rückkehr zum Prinzip des § 32 ZPO wurde 1969 allgemein in das UWG übernommen, und zwar durch die Einfügung von § 24 Abs. 2 („Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“, s. dazu OLG Köln, Beschluss vom 17. Dezember 1969 – 6 W 73/69, NJW 1970, 476). Diese Regelung ist seit dem UWG 2004 inhaltsgleich in § 14 Abs. 2 S. 1 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung enthalten und findet sich nunmehr – mit leichten Änderungen im Wortlaut – in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG.

Die zum 2. Dezember 2020 mit § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für Mitbewerber erstmals (für Verbände wurde der Gerichtsstand des Begehungsortes schon 1994 erneut ausgeschlossen) seit mehr als 100 Jahren wieder eingeführte Beschneidung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten greift nun abermals in den – vielen Rechtsordnungen bekannten und als wichtiger Pfeiler neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten stehenden – deliktischen Gerichtsstand ein. 1877 wurde das forum delicti, das seinerzeit „den meisten Gesetzgebungen“ entsprach (vgl. Entwurf einer Civil-Prozeß-Ordnung für das Deutsche Reich, Vorlage für den Reichstag mit Motiven und Anlagen, 1874, S. 414), in § 32 CPO übernommen. Seit 1968 ist der dem besonderen Gerichtsstand des Tatorts zugrundeliegende einfache Gedanke, dass der durch eine unerlaubte Handlung Verletzte die Gerichte dort anrufen kann, wo das entsprechende Unrecht begangen wurde, sich ausgewirkt hat oder sich auszuwirken droht, im europäischen Justizraum verankert und steht dort dem Kläger als Regelung der internationalen und zugleich örtlichen Zuständigkeit gleichrangig neben dem beklagtenfreundlichen allgemeinen Gerichtsstand zur Wahl (vgl. Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Paulus, Art. 7 EuGVVO Rn. 138, 142 und 144; s.a. EuGH, Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]), wobei sich die europarechtlichen Normen (zunächst Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und heute Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ) nicht auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit beschränken, sondern die örtliche Zuständigkeit mit einschließen („vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“; ob sich daraus, wie Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 56] meint, eine durch § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bewirkte Inländerdiskriminierung ergibt, erscheint allerdings fraglich, da für die Anwendbarkeit von Art. 7 EuGVVO mit Blick auf den einleitenden Wortlaut der Vorschrift ein qualifizierter Auslandsbezug dergestalt erforderlich sein dürfte, dass der Beklagte außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt werden soll, vgl. Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr/Paulus, Vorbemerkung zu Art. 7 ff. EuGVVO Rn. 11; Art. 7 EuGVVO Rn. 12 und 152).

Der von der Bundesregierung im Sommer 2019 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs sah vor, von diesem Rechtsregime und dem sich aus ihm – im Einklang mit den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 Rom II VO zur Ermittlung des anwendbaren Sachrechts – ergebenden allgemeinen Grundsatz, wonach ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich wettbewerbswidrig verhält, vernünftigerweise damit rechnen muss, vor den Gerichten des Ortes verklagt zu werden, an dem seine Verhaltensweisen die Regeln eines gesunden Wettbewerbs verfälscht haben (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-451/18, Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. / DAF Trucks NV [Rn. 34 f.]; Urteil vom 9. Juli 2020 – C-343/19, Verein für Konsumenteninformation/VW AG [Rn. 36 ff. und 39]; s.a. Urteil vom 5. September 2019 – C-172/18, AMS Neve Ltd., Barnett Waddingham Trustees, Mark Crabtree ./. Heritage Audio SL, Pedro Rodriguez Arribas [Rn. 47 ff. und 57 ff.]), für das deutsche Wettbewerbsrecht nahezu vollständig abzurücken. Die dafür angeführten Gründe (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 35 f.) konnten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens allerdings nicht überzeugen. Der Rechtsausschuss des Bundestages wollte den im Regierungsentwurf beabsichtigten weitgehenden historischen Rückschritt (sozusagen über die Grenzen von zwei Jahrhunderten hinweg zurück in das Jahr 1896) nach intensiven Beratungen nicht mitgehen. Stattdessen schlug er vor, den Gerichtsstand des Begehungsortes mit der für Verbände seit 1994 wieder geltenden Einschränkung beizubehalten und um eine weitere Einschränkung für die „besonders missbrauchsanfälligen Verstöße“ zu ergänzen.

Diese besonders missbrauchsanfälligen Konstellationen aber sind genau jene, die in einem früheren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens für die Kodifizierung des Abmahnkostenausschlusses in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG identifiziert worden waren. Eine andere (größere) Fallgruppe wurde im weiteren Verlauf der Beratungen nicht herausgearbeitet und wird in der Beschlussempfehlung nicht benannt. Vielmehr sprechen die Gesetzgebungsmaterialien für einen von der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gewollten Gleichlauf zwischen Abmahnkostenausschluss einerseits und Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes andererseits (oder, mit anderen Worten, zwischen § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG). Vor diesem Hintergrund stellen sich die Unterschiede im Wortlaut beider Vorschriften als das Ergebnis eines Redaktionsversehens dar. Wie, wenn nicht durch einen unbeabsichtigten Missgriff bei der Formulierung, soll eine zuvor von den Gesetzgebungsorganen nicht diskutierte, im reinen Normvergleich scheinbar verschiedene Fallgruppen in den Blick nehmende Regelung zur Eindämmung eines einheitlichen, während des Gesetzgebungsverfahrens zunächst im Zusammenhang mit der Einschränkung des Abmahnkostenersatzes diskutierten und später vom Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung mit dem Ziel der Übernahme für eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands in Bezug genommenen Missbrauchsphänomens in das Gesetz gelangt sein (vgl. auch Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II 2 b cc]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C III]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5)? Für die von Motejl/Rosenow vertretene gegenteilige These, der Gesetzgeber sei ausdrücklich von einer allgemeinen Missbrauchsanfälligkeit von Rechtsverstößen im Internet ausgegangen, wie die vergleichbare Vorschrift des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG zeige (vgl. Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39]), geben die Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls nichts her, da der in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG vorgesehene Ausschluss des Abmahnkostenersatzes auf einen Teilbereich des virtuellen Handelns (nämlich Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten) beschränkt ist und die Gesetzesbegründung hierzu auf die einfache und automatisierte Feststellbarkeit dieser Verstöße verweist. Enthalten aber die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit einer Neuregelung eine Rechtsänderung beabsichtigt, können Sinn und Zweck einer Vorschrift auch eine von ihrem Wortlaut abweichende Anwendung des Gesetzes rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2002 – VIII ZR 253/99 [unter B I 4]). Entsprechendes gilt für § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, zumal die dort verwandte, dem Vertrags- und Telemedienrecht entnommene, tautologische Begrifflichkeit ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig ist.

dd) Vor diesem Hintergrund geht es bei einer den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gegenüber dem Wortlaut – sei er nun für sich betrachtet missverständlich oder nicht – einschränkenden Auslegung entgegen den Befürchtungen der Antragsgegnerin nicht darum, die Vorschrift praktisch leerlaufen zu lassen (in diese Richtung auch Rüther, WRP 2021, 726 [731 Rn. 24] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 28 f.]) und die Antragsgegnerin ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. Es steht außer Frage, dass bei der Gesetzesauslegung die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Sachverhalt in bestimmter Weise zu regeln, hinzunehmen ist, mag man diese auch für unzweckmäßig halten. Dementsprechend ist es nicht das Ziel der hier vertretenen Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, den Anwendungsbereich der Vorschrift so weit zu verengen, dass sie ihren Regelungszweck nicht mehr erfüllen kann, und auf diese Weise die in ihr zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers gleichsam zu korrigieren, selbst wenn diese bei genauerer Betrachtung geeignet sein dürfte, die Aufdeckung von Abmahnmissbrauch nicht zu fördern, sondern eher zu erschweren (vgl. zur insoweit gegebenen Leistungsfähigkeit des Gerichtsstands des Begehungsortes Hohlweck, WRP 2021, 719 [722 Rn. 20 ff., insbes. Rn. 22; s.a. S. 725 Rn. 45 f.]; zu einem denkbaren Alternativmodell siehe Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 74] und Föhlisch, CR 2020, 796 [801]).

32
Rechnung zu tragen ist der von einer gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecksetzung aber nur so weit, wie sie reicht. Da eine über die identifizierten missbrauchsanfälligen Fälle hinausreichende Abschaffung des Gerichtsstands des Begehungsortes für alle Formen online begangener geschäftlicher Handlungen weder beabsichtigt war noch von dem auf eine Einschränkung des Gerichtsstands des Begehungsortes (nur) für besonders missbrauchsanfällige Konstellationen abzielenden Regelungszweck gedeckt ist, verbietet sich eine an dem weiten, nur vermeintlich eindeutigen Wortlaut ausgerichtete Auslegung. Diese nämlich würde der geschaffenen Einschränkung über die adressierte Fallgruppe hinaus eine Vielzahl von Sachverhalten unterwerfen, auf die die Vorschrift weder zugeschnitten ist noch von ihrer Zwecksetzung her passt, und damit ihrerseits zu Ergebnissen führen, die weit außerhalb des von der Norm verfolgten Regelungszwecks liegen. So lassen sich alle von § 4 UWG erfassten Handlungen online – oder, anders gewendet, „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ – begehen. Im Bereich des wettbewerblichen Leistungsschutzes gilt das bei nicht körperlichen Produkten über das in § 4 Nr. 3 UWG genannte „Anbieten“ hinaus sogar für deren „Auslieferung“ als letztem Akt des Inverkehrbringens (beispielsweise bei der elektronischen Übermittlung eines Downloadcodes oder der Freischaltung bestimmter Inhalte zum Abruf von einer Webseite). Ebenso erfasst wäre der gemäß § 3a UWG unlautere, nach Jugendschutzrecht unzulässige online durchgeführte Vertrieb jugendgefährdender Computerspiele. Diese und die weiteren in Rn. 11 des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 angeführten Beispiele zu den § 4a bis § 6 UWG weisen das von der Beschlussempfehlung in den Blick genommene Missbrauchspotential nicht ansatzweise auf.


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