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VG Ansbach legt EuGH vor: Besteht ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen Datenschutzbehörde

VG Ansbach
Beschluss v. 19.02.2025
AN 14 K 22.02562


Das VG Ansbach hat dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgeleget, ob ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen eine Datenschutzbehörde besteht.

Tenor der Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 15 VO (EU) 2016/679 i.V.m. Art. 4 Nr. 7 VO (EU) 2016/679 dahingehend auszulegen, dass eine Aufsichtsbehörde nach Art. 4 Nr. 21 VO (EU) 2016/679, die im Rahmen eines von einer betroffenen Person eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nach Art. 77 VO (EU) 2016/679 tätig wird, gleichzeitig im Sinne von Art. 15 VO (EU) 2016/679 i.V.m. Art. 4 Nr. 7 VO (EU) 2016/679 „Verantwortlicher“ und damit auf Grundlage des Art. 15 VO (EU) 2016/679 gegenüber der betroffenen Person zur Auskunft verpflichtet ist ?

2. Für den Fall, dass Frage 1 mit „ja“ beantwortet wird:
Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 23 VO (EU) 2016/679, dahingehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung – wie dem im Ausgangsverfahren streitigen Art. 20 Abs. 2 BayDSG – entgegensteht, wonach Auskunfts- oder Einsichtsrechte hinsichtlich Akten und Dateien der Aufsichtsbehörden nach Art. 4 Nr. 21 VO (EU) 2016/679 pauschal nicht bestehen ?

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VGH München: Kein Anspruch auf Einsicht in den Auftragsverarbeitungsvertrag zwischen Beitragsservice und Inkassounternehmen

VGH München
Beschluss vom 21.02.2025
7 ZB 24.651


Der VGH München hat entschieden, dass ein Betroffener keinen Anspruch auf Einsicht in den Auftragsverarbeitungsvertrag zwischen dem Beitragsservice und einem Inkassounternehmen hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).

Die klägerischen Ausführungen stellen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage und zeigen keine Gesichtspunkte auf, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften. Der Kläger begehrt, dies stellt er in seiner Zulassungsbegründung ausdrücklich klar, Einsicht in die Urkunde des Auftragsverarbeitungsvertrags, der zwischen dem Beklagten und der P. GmbH geschlossen wurde, gleichzeitig bezweifelt er deren Existenz.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich der Kläger insbesondere nicht auf § 11 Abs. 8 Satz 1 RBStV berufen kann. Der geltend gemachte Einsichtsanspruch ist von dieser Norm nicht erfasst. Auch die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DS-GVO) räumt dem Kläger kein solches Einsichtsrecht ein. Der Kläger führt in seiner Zulassungsbegründung selbst aus, ein materielles Gesetz mit einer entsprechenden Anspruchsgrundlage „gebe es bekanntlich nicht“.

Entgegen seinem Vorbringen kann er sich für den geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in den Auftragsverarbeitungsvertrag auch nicht auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 16.9.1980 – 7 C 10.81 – juris; U.v. 5.6.1984 – 5 C 73.82 – juris) stützen. Der Kläger stellt ohne Erfolg auf das sog. ungeschriebene Akteneinsichtsrecht außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 29 BayVwVfG ab. Soweit das in Art. 29 BayVwVfG normierte Recht auf Akteneinsicht durch Beteiligte nicht eingreift und positiv-rechtliche Regelungen nicht bestehen, bleibt der Betroffene nicht schutzlos, wenn und soweit er ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht geltend machen kann. In diesen Fällen steht die Gewährung von Akteneinsicht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 29 Rn. 10 m.w.N.).

Vorliegend fehlt es hierfür bereits an der Voraussetzung des berechtigten Interesses. Der Kläger weist selbst darauf hin, dass das berechtigte Interesse durch „rechtliche Aspekte bestimmt“ wird. Nicht ausreichend ist insoweit ein schlichtes persönliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht. Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Einsichtnahme in den zwischen dem Beklagten und der P. GmbH gemäß Art. 28 DS-GVO geschlossen Auftragsverarbeitungsvertrag besteht nicht. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht – wie der Kläger meint – daraus, dass er selbst in der Lage sein müsse, zu überprüfen, ob ein „wirksamer Auftragsverarbeitungsvertrag“ mit dem nach Art. 28 Abs. 3 DS-GVO „vorgeschriebenen Inhalt“ tatsächlich geschlossen wurde. Denn für die Überwachung der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung ist gemäß Art. 51 Abs. 1 DS-GVO die Aufsichtsbehörde zuständig, nicht Private. Als externe Datenschutzaufsichtsbehörde i.S.v. Art. 51 DS-GVO ist für den Beklagten gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayRG der Rundfunkdatenschutzbeauftragte bestellt. Zu dessen Aufgaben gehört gemäß Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO die Überwachung und Durchsetzung der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung. Hierbei hat er als Aufsichtsbehörde gegebenenfalls im Rahmen einer Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO die Rechtmäßigkeit einer Auftragsdatenverarbeitung zu prüfen und die ihm hierzu eingeräumten Befugnisse nach Art. 58 DS-GVO zu nutzen (vgl. Art. 21 Abs. 6 BayRG). Dem Betroffenen selbst ist hingegen nach Art. 15 DS-GVO nur ein Auskunftsrecht über die eigenen personenbezogenen Daten eingeräumt (vgl. auch Erwägungsgrund 63 DS-GVO). Ein Recht auf eigenständige Rechtmäßigkeitsüberprüfung steht ihm hingegen nicht zu. Vor diesem Hintergrund hat vorliegend der Kläger kein berechtigtes Interesse, selbst den Abschluss und die Rechtmäßigkeit eines Auftragsverarbeitungsvertrags zu prüfen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen soziales Netzwerk (hier: X / Twitter) kann auch durch Self-Service-Tool vollständig erfüllt werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 02.07.2024
6 U 41/24


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen ein soziales Netzwerk (hier: X / Twitter) auch durch ein Self-Service-Tool vollständig erfüllt werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte durch die Bereitstellung eines Self-Service-Tool sowie das Schreiben vom 18.04.2023 (Anlage K 3) den Auskunftsanspruch des Klägers nach § 15 II DSGVO erfüllt hat.

Die Bereitstellung des Selbstbedienungstools führt dazu, dass der Kläger die Auskünfte an seinem Wohnsitz abrufen kann, wenn er dies will. Der Auskunftserfolg tritt damit auch dann am rechten Ort ein, wenn man - mit der Berufungsbegründung - zugrunde legt, dass Erfüllungsort der Sitz des Klägers ist.

Anderes ergibt sich (entgegen der Berufungsbegründung) auch nicht aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO. Dieser lautet:

„Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies schließt das Recht betroffener Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Jede betroffene Person sollte daher ein Anrecht darauf haben zu wissen und zu erfahren, insbesondere zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und, wenn möglich, wie lange sie gespeichert werden, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind, nach welcher Logik die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt und welche Folgen eine solche Verarbeitung haben kann, zumindest in Fällen, in denen die Verarbeitung auf Profiling beruht. Nach Möglichkeit sollte der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde. Dieses Recht sollte die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.“

Der Erwägungsgrund 63 besagt somit nirgends, dass der Fernzugang (hier: Selbstbedienungstool) nur dann erfüllungstauglich wäre, wenn der Nutzer mit dieser Art der Erfüllung einverstanden ist. Auch gebietet er keine solche Folgerung. Die Bereitstellung eines angemessenen Fernzugangs über ein Self-Service-Tool wird daher als ausreichend angesehen, um den Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zu erfüllen (OLG Dresden, Urteil vom 5. Dezember 2023, Az. 4 U 1094/23, Rn. 65, juris; OLG München, Vfg. vom 29.01.2024, 14 U 4826/23 - nicht veröffentlicht; LG Bonn, Urteil vom 8. März 2023, Az.: 17 O 165/22, GRUR-RS 2023, 3854 Rn. 59 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 2 O 170/22, GRUR-RS 2023, 4566, Rn. 54 ff.; LG Bonn, Urteil vom 3. Februar 2023, Az.: 18 O 127/22, GRUR-RS 2023, 4565, Rn. 56 f.; LG Paderborn, Urteil vom 19. Dezember 2022, Az.: 3 O 99/22, GRUR-RS 2022, 39349, Rn. 162 ff.; LG Paderborn, Urteil vom 13. Dezember 2022, Az.: 2 O 212/22, GRUR-RS 2022, 41028 Rn. 176 ff.; LG München I, Urteil vom 2. September 2021, Az.: 23 O 10931/20, juris Rn. 23 f.; Krämer/Burghoff, ZD 2022, 428, 432; Paal, in: Paal/Pauly DSGVO, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 38 iVm Rn. 14; Franck, in: Gola/Heckmann DSGVO, 3. Aufl. 2022, Art. 15 Rn. 40.), sie ist sogar die gewünschte Form der Übermittlung

Soweit eine einzelne Stimme (Schmidt-Wudy, BeckOK Datenschutzrecht, Art. 15 DS- GVO Rn. 84) der Auffassung ist, ein Fernzugriffssystem ersetze nur dann die Übersendung der Auskunft bzw. Datenkopie im Wege der Schickschuld per Post oder auf elektronischem Wege, wenn sich der Anspruchsteller hiermit einverstanden erkläre, fehlt es hierfür ebenso an einer tragfähigen Begründung wie in der Entscheidung des LAG Niedersachsen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46), die ohne Begründung diese Literaturstelle zitiert.

Die Verweisung auf den Fernzugang kann im Einzelfall zwar dazu führen, dass der betroffenen Person faktisch die Auskunft verweigert wird: Beispielsweise haben auch Menschen, die „analog leben“ oder/und keine nennenswerten Fähigkeiten im Umgang mit IT-gestützten Portalen haben, ein Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, dieses könnte untergraben werden, wenn man sie auf das ihnen unzugängliche Selbstbedienungstool verwiese. Darüber muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden, denn wer sich bei der Beklagten registriert, lebt denknotwendig nicht (mehr) analog und lässt auch nicht erwarten, im Umgang mit IT-gestützten Portalen unbeschlagen zu sein.

2. Es kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf Schäden infolge der reinen Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO begrenzt ist und daher ein Verstoß gegen Art. 15 (oder Art. 34) DSGVO überhaupt einen Schadensersatzanspruch zur Folge hat. Der Kläger hat das Vorliegen eines Schadens nämlich nicht substantiiert vorgetragen.

a) Auch wenn - wie Erwägungsgrund 146 unterstreicht - der Schadensbegriff im Ansatz weit zu verstehen ist, ergibt schon die Zählung der Tatbestandsmerkmale des Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Anzahl von drei (so auch EuGH C-300/21), nämlich (1) Verstoß, (2) Schaden, (3) Kausalität.

Der Verstoß (Herbeiführung des Kontrollverlustes an den Daten) ist schon deshalb nicht bereits der Schaden und führt auch nicht „automatisch“ zu einem Schaden (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, C-300/21 - Österreichische Post). Da die Erwägungsgründe besagen, dass der Schaden "erlitten" sein muss, kann der Kontrollverlust (als rein objektiver Befund) nicht für sich allein bereits der Schaden sein (OLG Hamm, 7 U 19/23 Rn 72 ff).

Dergleichen hat insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Union nicht postuliert, sondern im Gegenteil (EuGH 5.12.2023, C-807/21 Rn 82) den „Verlust der Kontrolle“ in Erwägungsgrund 85 als Beispiel für Umstände gesehen, die „erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile“ darstellen können. Daraus leitet der EuGH aber gerade nicht her, dass schon der Kontrollverlust ohne weiteres der Schaden „sei“, sondern lediglich: dass der Schaden nicht eine bereits eingetretene „missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil“ der betroffenen Person voraussetzt, sondern die Befürchtung (Rn 81) zukünftiger missbräuchlicher Verwendung ausreichen kann (vgl. auch EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 32 f.). Ein Schadensersatzanspruch besteht auch bei einem Kontrollverlust über personenbezogenen Daten nur, sofern die betroffene Person darlegt und bei Bedarf nachweist, dass sie tatsächlich einen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (EuGH, U. v. 20.6.2024 - C.590/22, juris Rn. 33 mwN), Die Fokussierung des EuGH auf den Begriff der „Befürchtung“ (englisch: „fear“, französisch: „crainte“) wäre überflüssig, wenn in dem objektiven Vorgang des Kontrollverlustes bereits ein Schaden im Sinne von § 82 Abs. 1 DSGVO läge.

Vorliegend ist das Landgericht zutreffend zum Schluss gelangt, dass nach dem Klägervortrag ein (hier unterstellter) Verstoß der Beklagten in keiner Weise irgendeine persönlich erlebte belastende Folge kausal verursacht hat. Wie gezeigt, ist der bloße Kontrollverlust als solcher nicht „der“ Schaden des Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Er führt auch nicht etwa gleichsam „automatisch“ zu „einem Zustand, in dem sich die Klägerseite berechtigt wie nachvollziehbar in Sorge um den Verbleib sowie einen möglichen Missbrauch ihrer Daten“ befinden würde: Die für Art. 82 Abs. 1 DSGVO erforderliche Befürchtung (deutlicher englisch „fear“ und französisch „crainte“, also blanke „Furcht“) besteht nicht allein in einer logischen Gedankenoperation des Betrachters oder der Klagepartei, sondern wäre ein (negatives) Gefühl der Klagepartei, das bestritten und von dieser zu beweisen war - und anhand objektiver Umstände nachvollziehbar sein muss.

Jedenfalls hat das Landgericht zu Recht den klägerischen Vortrag als pauschal und substanzlos angesehen (“Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“). Das ist angesichts des formelhaften und erkennbar nicht individualisierten Zuschnitts dieses Vorbringens nicht zu beanstanden; hiergegen erinnert die Berufungsbegründung auch nichts. Hinzu kommt, dass nicht nachvollziehbar ist, wieso im Fall einer mutmaßlichen Verletzung der Auskunftspflicht - in der bisher überhaupt kein Indiz für einen Datenabfluss bestanden hat - der „Zustand des Unwohlseins und der Sorge des Datenmissbrauchs“ gegeben sein kann.

3. Da sich die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes nach nationalem Recht richtet (vgl. z.B. EuGH, U. v.26.2024 - C-182/22, juris Rn. 33), ist ein Anspruch auf Schadensersatz insoweit auch wegen überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen, da der Kläger von der naheliegenden Möglichkeit, sich über das Selbstbedienungstool zu informieren, keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Rechtsgrundlage für den Ersatz der außergerichtlichen Kosten ist nicht ersichtlich. Insbesondere lag kein Verzug vor. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt vor der erstmaligen Geltendmachung des Rechts aus Art. 15 DSGVO gegenüber der Beklagten.

Ein möglicher Verzug der Beklagten - der wegen Art. 12 III DSGVO vor Ablauf einer Monatsfrist wegen der von der Beklagten geschilderten Vielzahlt von Anfragen schwer zu begründen ist - wäre daher nicht kausal für den geltend gemachten Schaden in Form der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert entgegen der Angabe des Klägers in der Klageschrift (8.000,-- €) auf 2.000 € festzusetzen.

Zwar sind die Angaben des Klägers in der Klageschrift bei der Ermessensausübung nach § 3 ZPO regelmäßig ein ganz erhebliches Indiz, da die Angabe unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits erfolgt und damit eine erhöhte Richtigkeitsgewähr einhergeht. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Wert offensichtlich über- oder untersetzt ist.

Dies ist hier der Fall. Der Senat hält die Schmerzensgeldangabe von 3.000 € als um ein Vielfaches übersetzt an; der Kläger selbst hat schriftsätzlich einen Betrag von 1.500 € als angemessen angegeben.

Den Wert des Klagantrags zu 1.) und 2.) hingegen setzt der Senat nicht mit zusammen 5.000 €, sondern mit 500 € fest. Auskunftsansprüche bewegen im Regel im Bereich eines Bruchteils des Hauptanspruchs, wenn sie diesen unterstützen. Der Anspruch nach § 15 DSGVO ist zwar ein selbständiger Anspruch, bewegt sich jedoch wertmäßig in einer vergleichbaren Höhe. Hinzu kommt, dass der Anspruch keinen wirtschaftlichen Interessen des Klägers dient. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung nicht bestehen. Der Senat hält daher einen Wert von 500 € für angemessen (vgl. z.B. OLG Köln ZD 2018, 268; OLG Köln ZD 2019, 463)

5. Einer Entscheidung nach § 522 II ZPO steht auch nicht ein etwaiger Revisionszulassungsgrund der Divergenz oder der grundsätzlichen Bedeutung entgegen. Soweit das LAG Niedersachen (NZA-RR 2020, 571, Rnr. 46) eine Datenübersendung in elektronischer Form als zur Erfüllung ungeeignet ansieht, kann dies eine Revisionszulassung nicht begründen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (st Rspr; BGH NJW 2002, 3029). Klärungsbedürftig in diesem Sinne ist eine Rechtsfrage, wenn sie vom BGH nicht entschieden und von Oberlandesgerichten oder in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird (BGH NZG 2010, 625 Rn. 3; DStR 2014, 383 Rn. 2). Der Klärungsbedarf entfällt, wenn abweichende Ansichten im Schrifttum vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (NZG 2024, 249 Rn. 9; BGH NZG 2010, 625). So verhält es sich hier.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Dresden: Unzureichende Kontrolle des Auftragsverarbeiters kann Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO des Betroffenen gegen den Verantwortlichen begründen

OLG Dresden
Urteil vom 15.10.2024
4 U 940/24


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die unzureichende Kontrolle des Auftragsverarbeiters einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO des Betroffenen gegen den Verantwortlichen begründen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gemäß Art. 18 Abs. 1 EuGVVO sowie gemäß Art. 79 Abs. 2, Satz 2 DSGVO gegeben, denn die Klagepartei hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Der sachliche, räumliche und zeitliche Anwendungsbereich der am 25.05.2018 in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung ist eröffnet.

2. Die Beklagte ist der Klagepartei dem Grunde nach gemäß Art. 82 DSGVO zum Schadensersatz verpflichtet. Der Verantwortliche und Auftragsverarbeiter haftet im Grundsatz nach Art. 82 DSGVO für das Handeln seiner Auftragsverarbeiter und deren Mitarbeiter jedenfalls dann, wenn dem Mitarbeiter erst durch die ihm vom Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter übertragene Tätigkeit die Gelegenheit gegeben wurde, auf die Rechtsgüter der betroffenen Person einzuwirken. Der Verantwortliche haftet auch, wenn der Auftragsverarbeiter die Weisungen des Verantwortlichen ausführt und dadurch ein Schaden entsteht. Missachtet der Auftragsverarbeiter eine rechtmäßige Weisung des Verantwortlichen, haftet der Verantwortliche auch hierfür (Hans-Jürgen Schaffland; Gabriele Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), 8. Ergänzungslieferung 2024, Art. 82 EUV 2016/679, Rz. 30a). Zwar besteht in diesem Fall auch eine Haftung des Auftragsdatenverarbeiters. Der Verantwortliche kann den Betroffenen aber nicht auf dessen vorrangige Inanspruchnahme verweisen, weil dies einem „wirksamen Schadensersatz“ im Sinne des Art. 82 Abs. 4 DSGVO (vgl. auch Erwägungsgrund 146 S. 6) entgegenstünde. Ein Abschieben der Haftung auf den Auftragsverarbeiter widerspricht auch dem Grundgedanken der Auftragsverarbeitung, wonach der Verantwortliche zwar ohne Weiteres Dritte einschalten darf, aber gegenüber der betroffenen Person verantwortlich bleibt. Der Auftragsverarbeiter ist letztlich – mit einigen formalen und inhaltlichen Anforderungen, die aus der fehlenden arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis und tatsächlichen Kontrollmöglichkeit herrühren – wie ein sonstiger Mitarbeiter zu behandeln (vgl. Bergt, in: Kühling/Buchner, DSGVO, 4. Auflage, 2024, Art. 82 Rn. 55 mwN).

a) Die Beklagte hat gegen die ihr obliegende Pflicht zur sorgfältigen Überwachung des von ihr beauftragten externen Auftragsdatenverarbeiters verstoßen, Art. 28, 32 DSGVO.

Art 28 Abs. 1 DSGVO regelt unmittelbar nur die Anforderungen an die Auswahl des Auftragsverarbeiters durch den Verantwortlichen. Dieser darf nur solche Auftragnehmer als Auftragsverarbeiter beauftragen, „die hinreichende Garantie dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen“ im Einklang mit der DSGVO durchgeführt werden. Dies führt aber nicht nur zu einer Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, sondern auch zu einer Pflicht zur sorgfältigen Überwachung des Auftragsverarbeiters durch den Verantwortlichen. Diese Pflicht zur Überwachung des Auftragsverarbeiters - im Anschluss an dessen Auswahl - ist in Art. 28 Abs. 1 DSGVO zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus der Formulierung der Norm („arbeitet [...] nur mit“). Absatz 3 lit h) setzt eine solche Kontrollpflicht voraus, was auch die ordnungsgemäße Datenlöschung betrifft. Zugleich enthält er eine Verpflichtung der Vertragsparteien, die Details zu den Prüfrechten auszugestalten und hierdurch eine effektive Kontrolle durch den Verantwortlichen sicherzustellen (Schaffland/Wiltfang, Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), 8. Ergänzungslieferung 2024, Art. 28 EUV 2016/679, Rn. 61). De facto ist die Pflicht zur Überwachung daher auch ohne konkrete zeitliche Vorgaben als Dauerpflicht zu verstehen (vgl. Plath in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Rz. 17 mwN). Durch diese vertragliche Ausgestaltung werden aber nicht nur die Pflichten des Auftragsdatenverarbeiters, sondern auch die korrespondierenden Prüfpflichten des Unternehmers konkretisiert. Ob dies auch dann gilt, wenn dem Auftragsdatenverarbeiter Pflichten auferlegt werden, die über das nach der DSGVO gebotenen Schutzniveau hinausgehen, bedarf hier entgegen der Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 9.9.2024 keiner Entscheidung, weil die durch Ziff. 9 des Nachtrags geregelten Pflichten nicht über diese Mindestanforderungen hinausgehen. Wie die Beklagte im Schriftsatz vom 9.9.2024 insofern zu Recht geltend macht, ist der Auftragsverarbeiter nämlich nach Vertragsende – als Ausfluss der allgemeinen Grundsätze der „Rechtmäßigkeit“, (Art. 5 Abs. 1 lit. (a) DSGVO), der „Datenminimierung“ (Art. 5 Abs. 1 lit. (c) DSGVO) sowie der Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 (e) DSGVO) – verpflichtet, alle noch vorhandenen personenbezogenen Daten entweder zu löschen oder zurückzugeben (vgl. Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 28 Rn. 22, 23, beck-online mit Verweisen auf Spoerr in BeckOK DatenschutzR DS-GVO Art. 28 Rn. 78). Dies entspricht Art. 9 des Nachtrags.

Die Anforderungen an Auswahl und Überwachung dürfen dabei in der Praxis zwar nicht überspannt werden. Wählt ein Unternehmen z.B. einen führenden und am Markt als zuverlässig bekannten IT-Dienstleister aus, so darf es grundsätzlich auf dessen Fachwissen und Zuverlässigkeit vertrauen, ohne dass etwa eine - vollkommen praxisfremde - Vor-OrtKontrolle erforderlich wäre (Schaffland/Wiltfang aaO.). Gesteigerte Anforderungen ergeben sich indes, soweit z.B. große Datenmengen oder besonders sensible Daten gehostet werden sollen (Plath, a.a.O., Rz. 18). Diese gesteigerten Kontrollpflichten gelten auch außerhalb der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 9, 10 DSGVO. Ungeachtet der Frage, ob die von dem zwischen der Beklagten und dem Autragsdatenverarbeiter geschlossenen Vertrag erfassten Daten auch Daten über das Nutzerverhalten und hieraus zu erstellende Profile beinhalteten, betraf die Verarbeitung vorliegend jedenfalls nicht unbedeutende Datenmengen, deren Verlust potentiell vielen Millionen Nutzern Schaden zufügen konnte. Infolgedessen war die Beklagte auch nach Vertragsbeendigung zu einer Überwachung ihres Auftragsdatenverarbeiters dahingehend angehalten, dass dieser die ihm zur Verfügung gestellten Daten tatsächlich löscht und hierüber eine aussagekräftige Bescheinigung ausstellt. Diese durch die DSGVO gesetzlich aufgestellten Anforderungen werden in Ziff. 9 der am 18.7.2019 geschlossenen Zusatzvereinbarung (Anlage B 2a) Datenschutznachtrag ("Nachtrag") als Teil des Dienstleistungsvertrags vom 01. Dezember 2016 wie folgt präzisiert:

„9. BEENDIGUNG DER VERARBEITUNG
9.1 Vorbehaltlich des Abschnitts 9.2, ist der Anbieter verpflichtet, nach Wahl des Unternehmens entweder (a) eine vollständige Kopie aller Personenbezogenen Daten des Unternehmens durch sichere Dateiübertragung in einem Format, das das Unternehmen dem Anbieter in angemessener Weise mitteilt, an das Unternehmen zurückzusenden und anschließend alle anderen Kopien der Personenbezogenen Daten des Unternehmens, die vom Anbieter oder den Unterauftragsverarbeitern verarbeitet wurden, innerhalb von einundzwanzig (21) Kalendertagen nach dem Datum der Beendigung der Dienstleistungen, die die Verarbeitung Personenbezogener Daten des Unternehmens beinhalten (das "Beendigungsdatum"), zu löschen und für die Löschung zu sorgen oder (b) die Daten innerhalb von einundzwanzig (21) Kalendertagen nach dem Beendigungsdatum zu löschen und für die Löschung aller anderen Kopien der Personenbezogenen Daten des Unternehmens, die vom Anbieter oder den Unterauftragsverarbeitern verarbeitet wurden, zu sorgen.

9.2 Der Anbieter und jeder Unterauftragsverarbeiter dürfen Personenbezogene Daten des Unternehmens nur in dem Umfang und für den Zeitraum aufbewahren, wie es die anwendbaren EU-Gesetze vorschreiben, und immer nur unter der Voraussetzung, dass der Anbieter die Vertraulichkeit aller Personenbezogenen Daten des Unternehmens sicherstellt und gewährleistet, dass diese Personenbezogenen Daten des Unternehmens nur für Zwecke verarbeitet werden, die mit denen vereinbar sind, für die sie gemäß Artikel 5.1 (b) der DSGVO erhoben wurden, und wie es die anwendbaren EU-Gesetze vorschreiben, die ihre Speicherung vorschreiben.

9.3 Der Anbieter muss dem Unternehmen schriftlich bestätigen, dass er und jeder Unterauftragsverarbeiter diesen Abschnitt 9 innerhalb von einundzwanzig (21) Kalendertagen nach dem Beendigungsdatum vollständig eingehalten haben.

In Ergänzung hierzu regelt Ziff. 10.1 des Nachtrags das Recht der Beklagten, von dem Auftragsdatenverarbeiter „alle erforderlichen Informationen“ verlangen zu dürfen, „soweit dies vernünftigerweise erforderlich ist“. Folgerichtig war die Beklagte zum einen verpflichtet, von ihrem Wahlrecht nach Ziff. 9.1. Gebrauch zu machen, d.h. entweder die Rückübertragung oder die Löschung der von dem Auftragsdatenverarbeiter gehosteten Daten innerhalb der dort genannten Fristen zu verlangen. Zum anderen war sie gehalten, die Erfüllung der den Auftragsdatenverarbeiter hiernach treffenden Verpflichtungen zu kontrollieren, also die nach dem Vertrag erforderlichen Bestätigungen einzuholen, bei deren Ausbleiben innerhalb der 21-Tage Frist die Vorlage unverzüglich anzumahnen und ggf. auch eine Vorort-Prüfung nach Art. 10 des Nachtrags vorzunehmen. Nichts davon ist hier geschehen. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich bereits nicht entnehmen, dass diese gegenüber dem Auftragsdatenverarbeiter ihr Wahlrecht gem. Ziff. 9.1. des Nachtrags überhaupt ausgeübt hätte, ein entsprechendes Schreiben ist nicht vorgelegt worden.

Insbesondere hat sie aber dadurch gegen ihre Kontrollpflichten aus Art. 28 DSGVO verstoßen, dass sie nicht nach Ablauf der vertraglich geregelten 21-tägigen Frist von ihrer Auftragsverarbeiterin die ausdrückliche schriftliche Bestätigung einer tatsächlich durchgeführten Löschung aller bei dieser vorhandenen Datensätze angefordert hat, die eine detaillierte Auflistung der gelöschten Daten enthielt. Die von dem Auftragsdatenverarbeiter unter dem Datum 9.12.2020 versandte Mail genügte dessen vertraglichen Verpflichtungen nicht, schon weil sie nicht dem Schriftformerfordernis in Ziff. 9.3. (“written certification“ in der englischen Originalfassung Anlage B 2b) entsprach (in diesem Sinne auch LG Lübeck, Beschluss vom 8. Mai 2024 – 15 O 224/23 –, Rn. 16, juris). Auch wenn, wozu die Parteien nichts vorgetragen haben, der Nachtrag dem französischen Zivilrecht unterfallen sollte, wäre die elektronische Form der Schriftform nur gleichgestellt, wenn die Identität der Person, die es erstellt hat, eindeutig nachgewiesen und die Integrität der E-Mail gewährleistet wäre (Art. 1366 cc:..“sous réserve que puisse être dûment identifiée la personne dont il émane et qu'il soit établi et conservé dans des conditions de nature à en garantir l'intégrité“). Da aus der als Anlage B4 vorgelegten anonymisierten Kopie deren Absender nicht erkenntlich ist, liegen auch diese Voraussetzungen nicht vor. Art. 28 Abs. 9 DSGVO der nur für den „Vertrag oder das andere Rechtsinstrument im Sinne der Absätze 3 und 4“ gilt, ist auf die Löschungsbestätigung, für die die Parteien ausdrücklich die Schriftform gewählt haben, nicht anwendbar. Schwerer wiegt indes, dass die E-Mail des Auftragsdatenverarbeiters vom 9.12.2020 lediglich die Ankündigung einer bevorstehenden, nicht aber die Bestätigung einer erfolgten Löschung enthielt. Die bloße Ankündigung einer Maßnahme ist jedoch nicht gleichwertig zu einer Bestätigung über deren Ausführung. Es ist allgemein bekannt, dass gleich ob in kleinen oder großen Unternehmen anstehende Vorgänge aufgeschoben und in der Folge auch vergessen werden können. Indem die Bestätigung der tatsächlichen Durchführung einer vertraglich festgelegten Aufgabe eingefordert wird, minimiert der Verantwortliche das Risiko, dass es beim Auftragsverarbeiter bei der bloßen Ankündigung eines Tätigwerdens bleibt und sorgt zugleich dafür, dass der Auftragsverarbeiter in seiner eigenen Sphäre überprüft, ob die vertraglich übernommene Verpflichtung tatsächlich gewissenhaft erfüllt wurde - auch um das eigene Haftungsrisiko zu minimieren.

Die als Anlage B4 vorgelegte Löschungsankündigung des Auftragsdatenverarbeiters erfüllte aber auch unabhängig hiervon nicht die zum Zwecke und zur Sicherstellung der gesetzlichen Pflichten vertraglich festgelegten Anforderungen, weil sie sich lediglich auf „your site and all the data on the site“, d.h. die unmittelbar von der Beklagten zur Verfügung gestellte Website einschließlich der dort befindlichen Daten, nicht jedoch auf die „Löschung aller anderen Kopien der personenbezogenen Daten des Unternehmens, die vom Anbieter ... verarbeitet wurden“.

erstreckte, wie es Ziff. 9.1. vorsieht. Angesichts dessen hätte sich die Beklagte mit dieser weder formal noch inhaltlich hinreichenden Ankündigung nicht zufrieden geben dürfen, sondern auf eine vollständige und rechtzeitige Löschungsbestätigung hinwirken müssen. Wäre diese auf Anforderung nicht unverzüglich vorgelegt worden, hätte sie ggf. eine nach Ziff. 10.1. des Nachtrags vorgesehene Vor-Ort Kontrolle durchführen müssen. Dies ist indes unstreitig nicht geschehen. Eine Nachfrage beim Auftragsdatenverarbeiter ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht vor dem Jahr 2023 erfolgt. Die als Anlage B5 vorgelegte, als „Declaration of Data Destruction“ bezeichnete E-Mail vom 22.3.2023 liegt aber weit außerhalb eines für diese nach Art. 28 DSGVO erforderliche Kontrolle vertretbaren Prüfzeitraums. Ob sie eine hinreichende Bescheinigung im Sinne von Ziff. 9 Abs. 1 des Nachtrags enthält, kann schon aus diesem Grund dahinstehen. Schließlich kann auch die Kausalität dieser Kontrollpflichtenverletzung für den streitgegenständlichen Hacking-Vorfall nicht verneint werden. Ausgehend vom Regelfall des redlichen Auftragsdatenverarbeiters muss vielmehr angenommen werden, dass die Mitarbeiter der Firma O...... spätestens auf eine Nachfrage der Beklagten reagiert und die bei ihnen noch vorhandenen Daten gelöscht hätten; jedenfalls die Ankündigung einer Vorort-Kontrolle hätte dazu geführt, dass entsprechende Aktivitäten in die Wege geleitet worden wären. Zu einem Abgreifen der Daten, das nach dem Vorbringen der Beklagten erst im Jahr 2022 erfolgt ist, wäre es dann nicht gekommen. Dass der Dienstleister unter dem Eindruck des erfolgten und ihm bekannten Datenlecks und angesichts der zu erwartenden Haftungsansprüche am 22.3.2023 nachträglich eine unrichtige Löschungsbescheinigung erteilt hat, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass er dies auch im Jahr 2020 getan hätte. Anders wäre dies lediglich dann, wenn der Auftragsdatenverarbeiter selbst unredlich gehandelt und die Daten deshalb nicht gelöscht hätte, um sie selbst später weiter zu veräußern oder für eigenen Zwecke zu verarbeiten. Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht sind von der hierfür beweisbelasteten Beklagten indes nicht aufgezeigt worden. Nur in einem solchen Fall käme auch ein Auftragverarbeiterexzess gem. Art. 82 Abs. 3 DSGVO in Betracht, der die Verantwortlichkeit der Beklagten entfallen ließe (vgl. zu deren Voraussetzungen i.E. unter 2. d)). Das bloß versehentliche Nichtlöschen der Daten, das noch dazu durch eine unzureichende Kontrolle seitens der Beklagten maßgeblich erleichtert wurde, hält sich jedoch noch im Rahmen des Erwartbaren und erfüllt damit die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 3 DSGVO nicht.

b) Angesichts des Verstoßes der Beklagten gegen ihre Kontroll- und Überwachungspflichten kommt es nicht darauf an, ob sie ihrer Pflicht zur Einhaltung aller erforderlichen technischen und organisatorischen sowie personellen Sicherheitsstandards im eigenen Hause nachgekommen ist. Gleiches gilt im Ergebnis für die Einhaltung der technischen Sicherheitsstandards im Hause des Auftragsdatenverarbeiters „O......“. Den hierauf abzielenden Behauptungen der Klägerseite war auch deshalb nicht nachzugehen, weil sie ersichtlich „ins Blaue hinein“ erfolgen. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, der Hacking-Vorfall habe sich bereits 2019 ereignet. Hierfür ist nach den von der Beklagten vorgelegten Ermittlungsergebnissen, insbesondere den zeitnah erfolgten Meldungen an die CNIL nichts ersichtlich. Angesichts des detaillierten Vortrags der Beklagtenseite zum Zustandekommen ihrer irrtümlichen Erstmeldung, des Verweises auf die Ermittlungsergebnisse und wegen der Tatsache der Erstveröffentlichung der Daten im Jahre 2022, die eine Erbeutung der Daten bereits im Jahre 2019 als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen, hätte es der Klagepartei nach den Grundsätzen der gestuften Darlegungslast oblegen, diesen Beklagtenvortrag substantiiert zu bestreiten.

Gleiches gilt im Ergebnis für die Behauptung eines Datenschutzverstoßes im direkten Verantwortungsbereich der Beklagten oder bei der Übermittlung der Daten an den Auftragsdatenverarbeiter. Steht - wie hier - ein objektiver Verstoß gegen Datenschutzvorschriften fest bzw ist unstreitig, so obliegt die Beweislast für die Einhaltung der Grundsätze des Art. 32 DSGVO allerdings dem Verantwortlichen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 14.12.2023 - C-340/21, Rz. 57). Vorliegend steht ein solcher Verstoß jedoch lediglich im Bereich der Kontrollpflichten fest; Verstöße im eigenen Bereich der Beklagten sind jedoch nicht ersichtlich und angesichts des Umstandes, dass die Daten unstreitig bei dem Auftragsdatenverarbeiter abhanden gekommen sind, auch nicht plausibel. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte umfangreich zu den von ihr ergriffenen Sicherheits- und Überprüfungsmaßnahmen vorgetragen und detailliert und dabei sowohl ihre IT-Infrastruktur, den von ihr benutzten Sicherheitssystemen beim IP-Transit, bei der Kommunikation als solcher, ihre Firewalls, ihre physische Zutrittskontrollen, insbesondere zu den Datenzentren dargelegt hat und auch zur Ausgestaltung ihrer Zugriffsrechte, insbesondere zu den Authentifizierungssystemen, zur Rückverfolgbarkeit, zur Isolierung der Anmeldedaten, zu Warnsystemen, und zur Bot-Analyse vorgetragen (S. 8 - 12 der Klageerwiderung) umfangreichen Sachvortrag gehalten hat, hätte es der Klagepartei nach den Grundsätzen der gestuften Darlegungslast oblegen, ihre Behauptungen zu einem vermeintlichen Datenschutzverstoß zu präzisieren.

c) Offenbleiben kann ebenfalls, ob die Beklagte ihre Benachrichtigungspflicht aus Art. 34 DSGVO gegenüber der Klagepartei, aus Art. 33 DSGVO gegenüber der Aufsichtsbehörde oder die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO verletzt hat, denn ein kausaler Schaden der Klagepartei, der auf der Verletzung von Benachrichtigungspflichten beruhen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 - 7 U 19/23, Rn 147 - juris). Die Klagepartei hat nicht dargelegt, welcher Schaden ihr daraus entstanden sein soll. Der Kontrollverlust und die Veröffentlichung der Daten und die nach der Behauptung der Klagepartei darauf beruhenden ungebetenen spam e-mails können nur auf dem HackingVorfall und nicht auf der Verletzung von Benachrichtigungs- und Auskunftspflichten zurückzuführen sein.

Unabhängig davon kann ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO ohnehin nicht auf die Verletzung der vorgenannten Pflichten gestützt werden, da keine „Verarbeitung personenbezogener Daten“ vorliegt. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt der Anspruch die Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmung der DSGVO voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C - 300/21, Rn 36 - juris; vgl. Moos/Schlefzig in Taeger/Gabel (Hrsg.) DSGVO, 2022, Art. 82 Rn 22). Dies belegt auch die Formulierung in Erwägungsgrund Nr. 146, wonach Schäden ersetzt werden, die „aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“.

d) Die Beklagte kann sich nicht nach Art. 82 Absatz 3 DSGVO entlasten.

Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird nach dem Wortlaut dieser Vorschrift von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. „Nicht verantwortlich“ bedeutet, dass den Verantwortlichen bzw. den Auftragsverarbeiter keinerlei Verschulden an dem Ereignis trifft, das den Schaden auslöste (Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 82 Rdn. 49; im Ergebnis auch Spindler, DB 2016, 937 ff. (947) Schaffland/Wiltfang, a.a.O, Rz. 28). „In keinerlei Hinsicht“ bedeutet, dass der Verantwortliche bzw. der Auftragsverarbeiter nachweist, er habe alle Sorgfaltspflichten erfüllt und damit ihm nicht die geringste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (Becker in Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 82 DS-GVO Rdn. 5). Hält er alle erforderlichen technischen und organisatorischen Datensicherungsmaßnahmen ein und kommt es dennoch zu einem unbefugten Datenzugriff, kann ihm dies nicht angelastet werden (Becker in Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 82 DS-GVO Rdn. 5; Frenzel in Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 82 Rdn. 15; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 82 Rdn. 54; Schaffland/Wiltfang, a.a.O, Rz. 29). Die Haftung des Verantwortlichen für das Verhalten eines Auftragsverarbeiters erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Fälle, in denen der Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten für eigene Zwecke verarbeitet hat oder diese Daten auf eine Weise verarbeitet hat, die nicht mit dem Rahmen oder den Modalitäten der Verarbeitung, wie sie vom Verantwortlichen festgelegt wurden, vereinbar ist oder auf eine Weise, bei der vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verantwortliche ihr zugestimmt hätte (EuGH, Urteil vom 5. Dezember 2023 – C-683/21 –, juris Rz. 85).

Vorliegend hat der Auftragsdatenverarbeiter zwar sowohl gegen allgemeine Regeln der DSGVO als auch gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen. Ungeachtet vertraglicher Verpflichtungen ist der Auftragsverarbeiter bereits nach der DSGVO im Rahmen der Auftragsverarbeitung grundsätzlich nicht berechtigt, die im Auftrag verarbeiteten Daten für eigene Zwecke bzw. für die Zwecke Dritter zu verarbeiten. Darüber hinaus hat der Auftragsverarbeiter die Rückgabe- und Löschpflichten nach Beendigung des Auftrags zu beachten (vgl. Plath in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Rz. 17 mwN). Vorliegend ist unstreitig, dass Datensätze der Beklagten bei der Firma O...... zum einen unzulässigerweise von der Produktiv- in eine Testumgebung überführt wurden, deren Sphäre verlassen haben und anschließend im Darknet zum Verkauf angeboten wurden, nachdem Mitarbeiter dieser Firma entgegen ihrer Zusicherung aus dem Jahre 2023 nicht alle Datensätze der Beklagten wie vertraglich vereinbart unverzüglich nach Vertragsende gelöscht hatten, sondern zumindest einer der Datensätze schließlich entweder von Hackern erbeutet, oder von Mitarbeitern unbefugt weitergegeben wurden.

Wie oben ausgeführt, käme die Beklagte allerdings nur dann in den Genuss der Haftungsprivilegierung nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO, wenn ihr selbst keinerlei Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre. Dies ist vorliegend angesichts des eigenen Pflichtenverstoßes der Beklagten nicht der Fall. Dem kann auch nicht das fehlende Zugriffsrecht der Beklagten nach Ablauf des Auftragsverarbeitungsverhältnisses entgegen gehalten werden; wie aufgezeigt standen hier nämlich der Beklagten die in Ziff. 9, 10 des Nachtrags geregelten nachwirkenden Kontrollmöglichkeiten offen.




LG Lübeck: Fehlende Vereinbarung über Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO zwischen Auftragsverarbeiter und Unterauftragsverarbeiter kann Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zur Folge haben

LG Lübeck
Urteil vom 04.10.2024
15 O 216/23

Das LG Lübeck hat entschieded, dass das Fehlen einer Auftragsverarbeitungsvereinbarung nach Art. 28 DSGVO zwischen Auftragsverarbeiter und Unterauftragsverarbeiter einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zur Folge haben kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
bbb. Das Gericht ist jedoch überzeugt, dass bereits die Übertragung der streitgegenständlichen Daten von der Beklagten an die O. (vgl. oben) unter Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO erfolgte.

Dabei ergeben sich die Anforderungen an die Übertragung von Daten auf Auftragsverarbeiter aus Art. 28 DSGVO. Hiernach setzt die Verarbeitung von Daten durch Auftragsverarbeiter (und entsprechend die Übergabe der Daten an den Auftragsverarbeiter) voraus, dass zwischen der Beklagten und dem Auftragsverarbeiter ein Vertrag oder ein anderes Rechtsinstrument gem. Art. 28 Abs. 3 DSGVO vorliegt, der die dort im Einzelnen aufgezählten Maßnahmen und Gewährleistungen vorsieht. Entsprechendes gilt für eventuelle Unterauftragsverarbeiter: diesen muss ebenfalls verbindlich durch Vertrag oder ein anderes Rechtsinstrument dieselben Datenschutzpflichten auferlegt worden sein wie dem Auftragsverarbeiter selbst, § 28 Abs. 4 DSGVO. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, so stellt sich (entgegen der hierzu geäußerten Rechtsansicht der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung) auch die Übermittlung der Daten von dem Verantwortlichen an den Auftragsverarbeiter oder Unterauftragsverarbeiter als rechtswidrig dar (vgl. hierzu etwa BeckOK DatenschutzR/Spoerr, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 28 Rn. 29-32.1 m.w.N. zur dogmatischen Herleitung; Kühling/Buchner/Hartung, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 28 Rn. 61-63: „Umgekehrt ist eine fehlende oder unvollständige Vereinbarung ein eigener Normverstoß (…)“).

Diese vorgenannten Voraussetzungen für die rechtskonforme Übermittlung geschützter Daten an Auftragsdatenverarbeiter wurden hier nicht beachtet. Dabei kann dahinstehen, ob die O. als Auftragsdatenverarbeiter oder - wie dies der Vortrag der Beklagten nahelegt - als Unterauftragsdatenverarbeiter der M. tätig wurde. Denn nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt liegt weder ein den Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 DSGVO genügender Auftragsverarbeitungsvertrag zwischen der Beklagten und der O. vor - an welche aber dennoch die Daten herausgegeben wurden -, noch ein Unterauftragsverarbeitungsvertrag zwischen der O. und der M.. Auch auf entsprechenden Hinweis vom 8. Mai 2024 erfolgte hierzu kein weiterer Sachvortrag. Eine wirksame Übertragung von Datenschutzverpflichtungen auf die O. lag damit entgegen der Vorgaben der DSGVO zu keinem Zeitpunkt vor.

Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass es „marktüblich und nicht zu beanstanden“ sei, „dass Verträge innerhalb eines Konzerns von der Muttergesellschaft (auch mit Wirkung für verbundene Unternehmen) abgeschlossen werden“. Dies überzeugt die Kammer nicht. Nach deutschem und europäischen Gesellschaftsrecht handelt es sich auch bei konzernverbundenen Gesellschaften grundsätzlich um rechtlich selbständige Rechtspersönlichkeiten. Eine automatische Verpflichtung der Konzerntochter durch einen Vertrag der Konzernmutter findet nicht statt, so dass auch vertragliche Datenschutzpflichten der Konzernmutter nicht ohne weiteres zugleich sämtliche Töchter verpflichten. Entsprechend nimmt es nicht Wunder, dass auch in der einschlägigen datenschutzrechtlichen Literatur betont wird, dass es sich bei konzernverbundenen Gesellschaften um getrennte Organisationen handelt und auch datenschutzrechtlich eine Privilegierung von Konzernen nicht stattfindet (vgl. Nickel: Alternativen der konzerninternen Auftragsverarbeitung, ZD 2021, 140).

ccc. Des Weiteren muss sich die Beklagte auch die bei O. selbst unstreitig geschehenen Verstöße gegen die DSGVO zurechnen lassen.

(1) Die Verarbeitung der Daten bei der O. erfolgte unter Außerachtlassung des nach der DSGVO erforderlichen Schutzniveaus, welches - im Wege der Vertragsgestaltung nach Art. 28 Abs. 3 und 4 - sicherzustellen die Beklagte verpflichtet war. Da die Beklagte es unterlassen hat, die entsprechenden Verträge zu schließen bzw. deren Abschluss durch die M. zu gewährleisten, sieht die Kammer insoweit die Beklagte zumindest in der sekundären Darlegungslast, dass dennoch und entgegen des entsprechenden Anscheins bei der O. durchgängig ein den Vorgaben der DSGVO hinreichendes Schutzniveau aufrechterhalten wurde. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte schon deshalb nicht nachgekommen, da sie selbst vorträgt, dass Mitarbeiter der O. die streitgegenständlichen Daten weisungswidrig aus der hierfür vorgesehenen Produktivumgebung („production environment") entnommen und in eine vom Dienstleister außerhalb der Vertragsbeziehung mit der Beklagten betriebene Nicht-Produktivumgebung („non-production environment“) überführt hätten. Vortrag der Beklagten, dass in dieser vertragswidrigen Produktivumgebung dennoch alle maßgeblichen und erforderlichen Schutzvorkehrungen gewahrt wurden, findet sich nicht. Vielmehr geht auch die Beklagte davon aus, dass gerade diese Verschiebung der Daten in einen nicht hinreichend gesicherten Bereich ursächlich für den Datenschutzvorfall war.

(2) Diese Verstöße muss sich die Beklagte - entgegen der vorläufigen Einschätzung der Kammer in der Verhandlung am 22. Februar 2024 (vgl. hierzu auch den nachfolgenden Hinweis vom 8. Mai 2024) - zurechnen lassen. Der Begriff der Beteiligung an einer rechtswidrigen Datenverarbeitung nach der DSGVO geht insoweit deutlich weiter als von der Kammer zunächst angenommen. In der einschlägigen Literatur ist insoweit weitgehend Konsens, dass eine Beteiligung im Sinne der Verordnung nicht zwingend voraussetzt, dass der Verantwortliche selbst an dem letztlich schadensauslösenden Vorgang direkt mitgewirkt hat. Vielmehr genügt es grundsätzlich, wenn er im Sinne einer conditio sine qua non an der Vorgangsreihe beteiligt war, die letztlich die schädigende Handlung ermöglicht hat (Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 82 Rn. 22; Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 13, 14; Paal, MMR 2020, 14, 15; Spindler/Schuster/Spindler/Horváth, 4. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 82 Rn. 9, 10; i.d.S. wohl auch: BeckOK DatenschutzR/Quaas, 47. Ed. 1.2.2024, DS-GVO Art. 82 Rn. 39-43). Hieraus folgt, dass selbst ein Verantwortlicher, der rechtmäßig Daten an einen Dritten weitergibt, an der weiteren, auch weisungswidrigen Verarbeitung dieser Daten durch den Dritten weiterhin „beteiligt“ im Sinne der Verordnung ist (Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 13, 14). Vor diesem Hintergrund liegt hier eine Beteiligung der Beklagten im Rechtssinne an der Datenverarbeitung durch Mitarbeiter von O. vor. Denn die Beklagte hat jedenfalls durch die (zudem rechtswidrige) Herausgabe der Daten an O. eine conditio sine qua non für diese nachfolgende Verarbeitung gesetzt. Durch diese weite Zurechnung wird auch nicht die Haftung der Verantwortlichen überzogen. Eine Begrenzung der Haftung findet vielmehr nach der Konzeption des Art. 82 DSGVO nicht über den weiteren Begriff der „Beteiligung“, sondern über die Exkulpationsmöglichkeit des Art. 82 Abs. 3 DSGVO statt.

dd. Soweit nach den obigen Ausführungen haftungsbegründende und der Beklagten zuzurechnende Verletzungen der DSGVO vorliegen, sind diese auch von der Beklagten zu vertreten.

Dabei kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, ob Art. 82 DSGVO eine verschuldensunabhängige Haftung begründet (BAG, EuGH-Vorlage vom 26. August 2021 - 8 AZR 253/20 (A) -, juris Rn. 40), eine Gefährdungshaftung mit der bloßen Möglichkeit der rechtsvernichtenden Einwendung fehlenden Verschuldens (vgl. hierzu etwa BeckOK DatenschutzR/Quaas DS-GVO Art. 82 Rn. 17-22) oder ob mit der wohl h.M. angenommen werden kann, Art. 82 Abs. 3 DSGVO enthalte ein Verschuldenserfordernis im Sinne der gängigen deutschen Terminologie mit einer entsprechenden Vermutung zu Lasten des Normverletzers und einer bei dem Verpflichteten liegenden Beweislast, dass weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorlag (vgl. etwa BeckOK DatenschutzR/Quaas DS-GVO Art. 82 Rn. 17-22; Ehmann/Selmayr/Nemitz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 14, 15; so wohl auch: Hans-Jürgen Schaffland; Gabriele Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), Artikel 82 Haftung und Recht auf Schadenersatz; EuArbRK/Franzen, 4. Aufl. 2022, EU (VO) 2016/679 Art. 82 Rn. 17, 18; Gola/Heckmann/Gola/Piltz, 3. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 82 Rn. 24-26).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Betreiber sozialer Netzwerke wie X haften nur dann für rechtsverletzende Inhalte der Nutzer wenn eine konkrete Verdachtsmeldung erfolgt die eine rechtliche Prüfung ermöglicht

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 13.06.2024
16 U 195/22

Betreiber sozialer Netzwerke wie X haften nur dann für rechtsverletzende Inhalte der Nutzer wenn eine konkrete Verdachtsmeldung erfolgt die eine rechtliche Prüfung ermöglicht

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Haftung Hostprovider - Haftung für rechtsverletzende Inhalte setzt konkrete Verdachtsmeldung voraus

Ein Plattformbetreiber haftet für rechtsverletzende Inhalte von Nutzern der Plattform nur, wenn die Beanstandungen eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein können - so konkret gefasst sind, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Unterlassungsansprüche mangels hinreichend konkret erhobener Beanstandungen zurückgewiesen.

Der Kläger ist Antisemitismusbeauftragter in Baden-Württemberg. Die Beklagte betreibt die Plattform „X“ (vormals Twitter). Der Kläger meldete der Beklagten mit Anwaltsschreiben eine Vielzahl von Tweets mit aus seiner Sicht rechtsverletzenden Inhalten und forderte zur Entfernung und Unterlassung auf. Die Beklagte löschte im Ergebnis den Account eines Nutzers, der sechs der beanstandeten Tweets veröffentlicht hatte. Das Landgericht hatte die Beklagte auf den Eilantrag des Klägers hin verpflichtet, es zu unterlassen, fünf näher benannte Äußerungen des Nutzers über den Kläger zu verbreiten.

Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG den Unterlassungsantrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Beklagte nach den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Providerhaftung hier nicht in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte stelle lediglich eine Plattform für Äußerungen Dritter zur Verfügung. Damit hafte sie als Provider für etwaige rechtsverletzende Inhalte erst nach Kenntniserlangung. Ein Betroffener müsse sie zunächst mit Beanstandungen konfrontieren, die so konkret gefasst sein müssten, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Erst dann treffe den Provider die Verpflichtung zur weiteren Ermittlung und Bewertung des angezeigten Sachverhalts.

Vorliegend habe das Anwaltsschreiben der Beklagten keine hinreichende Kenntnis von den Tatsachen vermittelt, aus denen ihr eine Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung erkennbar gewesen sei. Es sei ohne jegliche Begründung oder Sachverhaltsdarstellung allein von „rechtswidrigen Inhalten“ die Rede gewesen. Aus den beanstandeten Tweets allein sei nicht hervorgegangen, dass der Kläger sich gegen die Verbreitung konstruierter Lebenssachverhalte wende, denen es an einer tatsächlichen Grundlage fehle bzw. gegen nicht erweislich wahre Tatsachen. Dies sei den Tweets auch nicht immanent und damit für die Beklagte klar gewesen.

Dass die Beklagte letztlich den gesamten Account des Nutzers gesperrt - und nicht nur die angezeigten Tweets gelöscht habe - zeige, dass für sie der Rechtsverstoß gerade nicht unschwer erkennbar gewesen sei.

Ohne Erfolg berufe sich der Kläger auch darauf, dass das von der Beklagten bereitgestellte Meldeformular kein Textfeld für weitere konkretisierende individuelle Angaben bereitstelle. Das Meldeformular entspreche den Vorgaben des NetzDG und bezwecke damit in erster Linie eine Kontrolle nach strafbaren Inhalten. Zudem wären nähere Angaben sowohl in der Spalte „Inhalt“ als auch im Rahmen eines Anhangs möglich gewesen.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.6.2024, Az. 16 U 195/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2022, Az. 2-03 O 325/22)


BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO umfasst alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle

BGH,
Urteil vom 16.04.2024
VI ZR 223/21
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3


Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle umfasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).

BGH, Urteil vom 16. April 2024 - VI ZR 223/21 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).

a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.

b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).

c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).


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EuGH: Datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde darf auch ohne Antrag des Betroffenen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen

EuGH
Urteil vom 14.03.2024
C‑46/23


Der EuGH hat entschieden, dass eine datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde auch ohne Antrag des Betroffenen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen darf.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 58 Abs. 2 Buchst. d und g der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter in Ausübung ihrer in diesen Bestimmungen vorgesehenen Abhilfebefugnisse selbst dann zur Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anweisen darf, wenn die betroffene Person keinen entsprechenden Antrag auf Ausübung ihrer Rechte nach Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung gestellt hat.

2. Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass sich die Befugnis der Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter personenbezogener Daten anzuordnen, sowohl auf bei der betroffenen Person erhobene als auch auf aus einer anderen Quelle stammende Daten beziehen kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Schutz personenbezogener Daten: Die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats kann selbst dann die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten anordnen, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt hat

Eine solche Löschung kann sich sowohl auf bei der betroffenen Person erhobene als auch auf aus einer anderen Quelle stammende Daten beziehen.

2020 beschloss die Kommunalverwaltung Újpest (Ungarn), Personen, die zu einer von der Covid-19-Pandemie gefährdeten Gruppe gehörten, finanziell zu unterstützen. Sie ersuchte deshalb die ungarische Staatskasse und die Regierungsbehörde des IV. Bezirks der Hauptstadt Budapest, ihr die zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

Aufgrund eines Hinweises stellte die zuständige ungarische Datenschutzbehörde (im Folgenden: Aufsichtsbehörde) fest, dass sowohl die Verwaltung Újpest als auch die ungarische Staatskasse und die Regierungsbehörde gegen Regelungen der DSGVO1 verstoßen hatten. Entsprechende Geldbußen wurden verhängt.

Die Aufsichtsbehörde stellte fest, dass die Verwaltung Újpest die betroffenen Personen innerhalb der dafür geltenden Frist von einem Monat weder über die Verwendung ihrer Daten und den Zweck dieser Verarbeitung noch über ihre Datenschutzrechte informiert hatte. Zudem wies sie die Verwaltung Újpest an, die Daten anspruchsberechtigter Personen, die keine Unterstützung beantragt hatten, zu löschen.

Die Verwaltung Újpest hat diese Entscheidung beim Hauptstädtischen Stuhlgericht (Ungarn) angefochten und macht geltend, die Aufsichtsbehörde sei nicht befugt, die Löschung personenbezogener Daten anzuordnen, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt habe.

Das ungarische Gericht ersucht den Gerichtshof um Auslegung der DSGVO.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats von Amts wegen die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten anordnen darf, also selbst dann, wenn die betroffene Person zuvor keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, falls eine solche Maßnahme zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist, die darin besteht, über die umfassende Einhaltung der DSGVO zu wachen. Erkennt die Aufsichtsbehörde, dass eine Datenverarbeitung nicht der DSGVO entspricht, so muss sie dem festgestellten Verstoß abhelfen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person zuvor keinen Antrag gestellt hat. Denn das Erfordernis einer solchen Antragstellung würde bedeuten, dass der Verantwortliche bei fehlendem Antrag die betreffenden personenbezogenen Daten weiterhin speichern und unrechtmäßig verarbeiten dürfte.

Außerdem kann die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats die Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten unabhängig davon anordnen, ob sie unmittelbar bei der betroffenen Person erhoben wurden oder aus einer anderen Quelle stammen.


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BGH: Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei wettbewerbswidriger Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG nur wenn eine Vielzahl von Mitbewerbern und mindestens ein Mitglied betroffen ist

BGH
Urteil vom 23.01.2024
I ZR 147/22
UWG § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 2

Der BGH hat entschieden, dass die Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei wettbewerbswidriger Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG nur dann bestehen wenn eine Vielzahl von Mitbewerbern und mindestens ein Mitgliedsunternehmen betroffen ist.

Leitsatz des BGH:
Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass stets allein die in ihrem individuellen Schutzinteresse betroffenen Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer (möglichen) Anschwärzung gemäß § 4 Nr. 2 UWG befugt sind. Eine kollektive Anspruchsdurchsetzung durch Wirtschaftsverbände im Sinn des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist vielmehr dann zulässig, wenn sich die Anschwärzung nicht lediglich gegen einen individualisierten Mitbewerber, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern richtet, und zumindest einer der betroffenen Mitbewerber Mitglied des klagenden Verbands ist.

BGH, Urteil vom 23. Januar 2024 - I ZR 147/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach

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EuGH: Wird datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde mittelbar für Betroffenen tätig muss dieser gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidung haben

EuGH
Urteil vom 16.11.2023
C-333/22
Ligue des droits humains (Prüfung der Datenverarbeitung durch die Aufsichtsbehörde)


Der EuGH hat entschieden, dass dem Betroffenen ein gerichtlicher Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde zustehen muss, wenn die Datenschutzbehörde mittelbar die Rechte des Betroffenen wahrgenommen hat.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Verarbeitung personenbezogener Daten: Beschlüsse, die eine Aufsichtsbehörde im Rahmen der mittelbaren Ausübung von Rechten der betroffenen Person erlässt, sind rechtsverbindlich

Die Gründe und Beweise, auf die sie sich stützen, müssen gerichtlich überprüft werden können.

Ein Bürger beantragte zu beruflichen Zwecken bei der belgischen nationalen Sicherheitsbehörde die Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung. Das Dokument wurde ihm mit der Begründung verweigert, dass er an Demonstrationen teilgenommen habe. Unter Berufung auf sein Recht auf Auskunft über seine Daten wandte sich der Bürger an das Organ für die Kontrolle polizeilicher Informationen, das ihm mitteilte, dass ihm nur ein mittelbarer Auskunftsanspruch zustehe und es selbst die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten prüfen werde. Im Einklang mit dem belgischen Recht beschränkte sich das Organ nach Abschluss der Prüfung jedoch darauf, dem Bürger zu antworten, dass die erforderlichen Prüfungen durch die Aufsichtsbehörde erfolgt seien. Der Bürger erhob daraufhin Klage vor dem Gericht des ersten Rechtszugs, das sich für sachlich unzuständig erklärte.

Die vom Betroffenen und der Ligue des droits humains angerufene Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) möchte vom Gerichtshof wissen, ob das Unionsrecht die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der von der Verarbeitung ihrer Daten betroffenen Person die Möglichkeit zu geben, den Beschluss der Aufsichtsbehörde anzufechten, wenn diese Behörde die Rechte dieser Person in Bezug auf die Datenverarbeitung ausübt.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die zuständige Aufsichtsbehörde dadurch, dass sie die betroffene Person über das Ergebnis der Prüfungen unterrichtet, einen rechtsverbindlichen Beschluss erlässt. Gegen diesen Beschluss muss ein Rechtsbehelf eingelegt werden können, damit der Betroffene die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Aufsichtsbehörde und die Entscheidung zugunsten bzw. gegen die Ausübung von Abhilfebefugnissen anfechten kann.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Aufsichtsbehörde nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, die betroffene Person „zumindest“ darüber zu unterrichten, „dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind“, und diese „über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf“ zu informieren. Wenn die im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke dem nicht entgegenstehen, haben die Mitgliedstaaten jedoch vorzusehen, dass die Unterrichtung der betroffenen Person über diese Mindestangaben hinausgehen kann, damit die betroffene Person ihre Rechte verteidigen und entscheiden kann, ob sie das zuständige Gericht anruft.

Außerdem müssen die Mitgliedstaaten in den Fällen, in denen die der betroffenen Person übermittelten Informationen auf das strikte Minimum beschränkt wurden, dafür Sorge tragen, dass das zuständige Gericht bei der Prüfung der Stichhaltigkeit der Rechtfertigungsgründe für eine solche Beschränkung der Informationen die im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke (Sicherheit des Staates, Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten) und die Notwendigkeit, den Bürgern die Wahrung ihrer Verfahrensrechte zu gewährleisten, gegeneinander abwägen kann. Im Rahmen dieser gerichtlichen Kontrolle müssen die nationalen Vorschriften es dem Gericht ermöglichen, von den Gründen und Beweisen, auf die die Aufsichtsbehörde den Beschluss gestützt hat, aber auch von den daraus gezogenen Schlüssen Kenntnis zu nehmen.


Tenor der Entscheidung:

1. Art. 17 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. g, Art. 47 Abs. 1 und 2 und Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates sowie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass dass eine Person, wenn ihre Rechte in Anwendung von Art. 17 dieser Richtlinie über die zuständige Aufsichtsbehörde ausgeübt worden sind und diese Behörde sie über das Ergebnis der durchgeführten Prüfungen unterrichtet, über einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen den Beschluss dieser Behörde, das Überprüfungsverfahren abzuschließen, verfügen muss.

2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was geeignet wäre, die Gültigkeit von Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/680 zu berühren.

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Volltext BGH-Vorlagebeschluss an EuGH: Unterlassungsanspruch des Betroffenen bei DSGVO-Verstoß - Voraussetzungen und Höhe des Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 DSGVO

BGH
Beschluss vom 26.09.2023
VI ZR 97/22
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 17, Art. 18, Art. 79, Art. 82 Abs. 1, Art. 84; GG Art. 2 Abs. 1; BGB §§ 253, 823, § 1004 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH vor: Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO - Unterlassungsanspruch des Betroffenen bei DSGVO-Verstoß über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Vorlagefragen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 17, Art. 18, Art. 79, Art. 82 Abs. 1 und Art. 84 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. EU L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) zur Frage des Bestehens eines unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, bzw. zu der insoweit bestehenden Möglichkeit eines Rückgriffs auf das nationale Recht und zum Begriff des immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22 - OLG Frankfurt in Darmstadt - LG Darmstadt

Die Vorlagefragen:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung, DSGVO, ABl. EU L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a) Ist Art. 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?

b) Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art. 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben?

2. Falls Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:

a) Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?

b) Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?

3. Falls Fragen 1a) und 1b) verneint werden:

Sind Art. 84 i.V.m. Art. 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO und den sich aus Art. 17 und Art. 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt? 6. Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden: Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

6. Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden:

Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH legt EuGH vor: Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO - Unterlassungsanspruch des Betroffenen bei DSGVO-Verstoß

BGH
Beschluss vom 26. 09.2023
VI ZR 97/22

Der BGH hat dem EuGH diverse sehr praxisrelevante Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Entscheidung vorgelegt. Zunächst geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO besteht und welche Kriterien bei der Bemessung der Höhe des Schadens zu berücksichtigen sind. Ferner soll die Streitfrage geklärt werden, ob der Betroffene bei einem DSGVO-Verstoß einen Unterlassungsanspruch hat und ob dieser aus der DSGVO oder anderen Vorschriften außerhalb der DSGVO hergeleitet werden kann.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Bestehen eines
unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs und zum Begriff des immateriellen Schadens nach der
Datenschutz-Grundverordnung vor

Der unter anderem für Ansprüche nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung zur Auslegung von Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hinsichtlich des Bestehens eines unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, bzw. zu der insoweit bestehenden Möglichkeit eines Rückgriffs auf das nationale Recht und zum Begriff des immateriellen Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgelegt.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Weitergabe persönlicher Daten auf Unterlassung und Ersatz immateriellen Schadens in Anspruch. Er befand sich bei der beklagten Privatbank in einem Bewerbungsprozess, der über ein Online-Portal stattfand. Im Zuge dessen versandte eine Mitarbeiterin der Beklagten über den Messenger-Dienst des Portals eine nur für den Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte, nicht am Bewerbungsprozess beteiligte Person, die mit dem Kläger vor einiger Zeit in derselben Holding gearbeitet hatte und ihn deshalb kannte. In der Nachricht wird unter anderem mitgeteilt, dass die Beklagte die Gehaltsvorstellungen des Klägers nicht erfüllen könne.

Der Kläger macht geltend, sein - immaterieller - Schaden liege nicht im abstrakten Kontrollverlust über die offenbarten Daten, sondern darin, dass nunmehr mindestens eine weitere Person, die den Kläger und potentielle wie ehemalige Arbeitgeber kenne, über Umstände Kenntnis habe, die der Diskretion unterlägen. Es sei zu befürchten, dass der in der gleichen Branche tätige Dritte die in der Nachricht enthaltenen Daten weitergegeben habe oder sich durch ihre Kenntnis als Konkurrent auf etwaige Stellen im Bewerbungsprozess einen Vorteil habe verschaffen können. Zudem empfinde er das "Unterliegen" in den Gehaltsverhandlungen als Schmach, die er nicht an Dritte - vor allem nicht an potentielle Konkurrenten - weitergegeben hätte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und dem Kläger, der immateriellen Schadensersatz von mindestens 2.500 € fordert, einen Betrag in Höhe von 1.000 € zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er seine Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a)Ist Art. 17 DSGVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?

b)Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art. 18 DSGVO oder einer sonstigen Bestimmung der DSGVO ergeben?

2. Falls Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:

a)Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DSGVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?

b)Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DSGVO vermutet?

3.Falls Fragen 1a) und 1b) verneint werden:

Sind Art. 84 i.V.m. Art. 79 DSGVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO und den sich aus Art. 17 und Art. 18 DSGVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?

4.Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5.Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt?

6.Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden:

Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

Vorinstanzen:

LG Darmstadt - Urteil vom 26. Mai 2020 - 13 O 244/19

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. März 2022 - 13 U 206/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a)

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.

b)

Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.

c)

Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d)

Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.

e)

Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.

f)

Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.

(2) Hat der Verantwortliche die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gemäß Absatz 1 zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass eine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt hat.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a)

zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information;

b)

zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

c)

aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben h und i sowie Artikel 9 Absatz 3;

d)

für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1, soweit das in Absatz 1 genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder

e)

zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.

Art. 18 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf Einschränkung der Verarbeitung

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen die Einschränkung der Verarbeitung zu verlangen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

a)

die Richtigkeit der personenbezogenen Daten von der betroffenen Person bestritten wird, und zwar für eine Dauer, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Richtigkeit der personenbezogenen Daten zu überprüfen,

b)

die Verarbeitung unrechtmäßig ist und die betroffene Person die Löschung der personenbezogenen Daten ablehnt und stattdessen die Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten verlangt;

c)

der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger benötigt, die betroffene Person sie jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigt, oder

d)

die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung gemäß Artikel 21 Absatz 1 eingelegt hat, solange noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen gegenüber denen der betroffenen Person überwiegen.

(2) Wurde die Verarbeitung gemäß Absatz 1 eingeschränkt, so dürfen diese personenbezogenen Daten - von ihrer Speicherung abgesehen - nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder zum Schutz der Rechte einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats verarbeitet werden.

(3) …

Art. 79 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche
oder Auftragsverarbeiter

(1) Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.

(2) …

Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(2) …

Art. 84 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Sanktionen

(1) Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung - insbesondere für Verstöße, die keiner Geldbuße gemäß Artikel 83 unterliegen - fest und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(2) …


BGH: Beschwerdewert eines Anspruchs auf Unterlassung einer Äußerung richtet sich nicht nur nach Breitenwirkung sondern auch nach Wirkung auf den Betroffenen selbst

BGH
Beschluss vom 16.11.2021
VI ZB 58/20
ZPO § 2, § 3, § 511 Abs. 2 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass sich der Beschwerdewert eines Anspruchs auf Unterlassung einer Äußerung nicht nur nach der Breitenwirkung sondern auch nach der Wirkung auf den Betroffenen selbst richtet.

Leitsatz des BGH:
Für die Bemessung des Beschwerdewerts eines Berufungsantrags auf Unterlassung einer Äußerung kommt es nicht nur auf deren Breitenwirkung, sondern auch auf die Wirkung der Äußerungen auf den Kläger selbst an.

BGH, Beschluss vom 16. November 2021 - VI ZB 58/20 - LG Hamburg - AG Hamburg-Wandsbek

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Berlin: Nach DSGVO kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen

VG Berlin
Beschluss vom 21.04.2021
1 K 360.19


Das VG Berlin hat entschieden, dass nach der DSGVO kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist voraussichtlich unbegründet. Der Antragsteller und künftige Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner (Beklagte) über seine Beschwerde vom 1. August 2019 erneut entscheidet. Mögliche Anspruchsgrundlage ist Art. 57 Abs. 1 lit. f) DS-GVO. Erhebt eine betroffene Person eine Beschwerde im Sinne von Art. 77 DS-GVO, muss sich die Aufsichtsbehörde nach Art. 57 Abs. 1 lit. f) DS-GVO mit der Beschwerde befassen, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten. Die Aufsichtsbehörde ist hiernach verpflichtet, die Beschwerde mit der gebotenen Sorgfalt und in angemessenem Umfang zu prüfen. Maßstab für den Umfang der Ermittlungen ist insbesondere die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes, aber auch alle weiteren relevanten Aspekte sind zu berücksichtigen, insbesondere die in Art. 83 Abs. 2 DS-GVO genannten (Bergt, in: Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 77 DS-GVO, Rn. 16). Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsgegner seine Pflichten bei der Bearbeitung der Beschwerde des Antragstellers erfüllt. Er hat den Sachverhalt ermittelt, indem er das Beschwerdevorbringen zur Kenntnis genommen und die D... zur Stellungnahme aufgefordert hat. Er hat den Sachverhalt anschließend bewertet und dem Antragsteller das Ergebnis seiner Prüfung mit Abschlussbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 25. September 2019 mitgeteilt. Weiter hat er den Antragsteller auf die Möglichkeit gerichtlichen Rechtschutzes gegen die Beschwerdeentscheidung nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO hingewiesen und der Mitteilung eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung beigefügt (siehe hierzu Art. 77 Abs. 2 DS-GVO).

Umstritten ist zwar, ob eine weitergehende gerichtliche Überprüfung zum Inhalt der Beschwerdeentscheidung vorzunehmen ist. Dies hat die Kammer in einer Eilentscheidung verneint, weil das Beschwerderecht als Petitionsrecht ausgestaltet sei (Beschluss vom 28. Januar 2019, VG 1 L 1.19, juris, Rn. 5; so nunmehr auch OVG Koblenz, Urteil vom 26. Oktober 2020 – 10 A 10613/20, juris, Rn. 37 ff.; a.A. Halder, jurisPR-ITR 16/2020 Anm. 6; Bergt, a.a.O., Rn. 17, jeweils mwN). Ausgehend hiervon ist der Anspruch des Antragstellers erfüllt, weil dessen Beschwerde zur Kenntnis genommen, geprüft und beschieden worden ist. Selbst unter Zugrundelegung der Gegenmeinung wäre der Anspruch hier erfüllt. Nach der Gegenauffassung steht der betroffenen Person ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu, welche gerichtlich überprüfbar und durchsetzbar sein soll (Halder, jurisPR-ITR 16/2020 Anm. 6); eine konkrete Maßnahme kann die betroffene Person hingegen nicht verlangen (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Januar 2021 – VG 1 K 206.19; Bergt, a.a.O., Rn. 17). Auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabs gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Anspruch des Antragstellers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Einschreiten des Beklagten gegen die D... ist erfüllt. Der Abschlussbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 25. September 2019 führt aus, dass die D... wegen ihrer unvollständigen Auskunft gegen Art. 15 DS-GVO verstoßen habe und sie deshalb verwarnt worden sei. Den datenschutzrechtlichen Belangen des Antragstellers ist damit ausreichend Rechnung getragen. Warum der Antragsteller gleichwohl meint, der Abschlussbescheid sei für ihn nicht positiv, bleibt unklar. Ein Anspruch auf Verhängung eines Bußgeldes gegen die D... steht ihm dagegen nicht zu, weil er eine konkrete Maßnahme nicht verlangen kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Koblenz: Kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen nach DSGVO

OVG Koblenz
Urteil vom 26.10.2020
10 A 10613/20.OVG


Das OVG Koblenz hat entschieden, dass kein individueller Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde und Einleitung bestimmter Maßnahmen besteht. Die DSGVO enthält keine entsprechende Anspruchsgrundlage.