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EuGH: Bei fehlender Belehrung über Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenem Dienstleistungsvertrag muss Kunde nach Widerruf schon erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen

EuGH
Urteil vom 17.05.2023
C-97/22
Widerruf nach Vertragserfüllung)


Der EuGH hat entschieden, dass bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, der Kunde nach Widerruf bereits erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen muss.

Tenor der Entscheidung:

Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht: Widerruft ein Verbraucher einen bereits erfüllten, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, so ist er von jeder Zahlungspflicht befreit

Der Unternehmer muss somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.

Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Das Unternehmen versäumte es jedoch, ihn über das Widerrufsrecht zu unterrichten, das dem Verbraucher grundsätzlich während 14 Tagen zusteht, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war.

Nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen legte das Unternehmen dem Verbraucher die entsprechende Rechnung vor. Dieser beglich die Rechnung nicht, sondern widerrief den Vertrag. Er macht geltend, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Vergütung habe, da es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist (die sich bei einem solchen Versäumnis um ein Jahr verlängere) ausgeführt worden seien.

Das mit einem Rechtsstreit über diesen Anspruch befasste deutsche Gericht vertritt die Auffassung, dass ein Verbraucher nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, die zur Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher erlassen worden seien, nicht für die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbrachte Dienstleistung aufzukommen brauche, wenn der Unternehmer es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten.

Das deutsche Gericht fragt sich jedoch, ob diese Richtlinie jeglichen Anspruch des Unternehmers auf „Wertersatz“ auch dann ausschließt, wenn dieser Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags ausgeübt hat. Auf diese Weise könnte der Verbraucher nämlich einen Vermögenszuwachs erlangen, was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe. Das deutsche Gericht hat daher den Gerichtshof ersucht, die Richtlinie unter diesem Gesichtspunkt auszulegen.

Mit seinem Urteil vom heutigen Tag beantwortet der Gerichtshof dieses Ersuchen dahingehend, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in dem besonderen Kontext des Abschlusses eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In diesem Kontext steht der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher ist die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete indessen in Gefahr, falls zugelassen würde, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.5.2021
6 U 18/20


Das OLG Frankfurt hat bestätigt, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf.

Untersagung der Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App bestätigt

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat gestern die Berufung des Fahrdienstvermittlers Uber gegen die Untersagung, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mittels einer Applikation zu übermitteln, zurückgewiesen.

Der klagende Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten Deutschlands wendet sich gegen eine von dem Fahrdienstvermittler Uber genutzte Applikation. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht und abgerechnet werden. Der Fahrgast fragt mit der App eine Fahrt zu einem angegebenen Ziel an. Vor Bestätigung der Anfrage erhält er u.a. Angaben zum Preis und zur Dauer der Bereitstellung des Mietwagens. Die App ermittelt dann automatisiert einen geeigneten Fahrer eines Mietwagenunternehmens. Dieser erhält eine Push-Mitteilung nebst einer Dienstanweisung. Kommt es zur Auftragsannahme, rechnet die Beklagte nach Fahrtende die Fahrt über die App ab.

Die Kläger halten dieses Vorgehen unter Hinweis auf die Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in mehrfacher Hinsicht für wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen untersagt. Zur Begründung hatte das Landgericht u.a. darauf hingewiesen, dass Uber die hier für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer erforderliche Mietwagenkonzession fehle. Aus der maßgeblichen Sicht des Fahrgastes erbringe Uber selbst die Dienstleistung und sei damit Unternehmerin. Uber trete als Anbieter der Beförderungsleistung nach außen auf, bestimme die Konditionen und rechne ab. Folglich sei Uber selbst konzessionspflichtig.

Nach der gestrigen Berufungsverhandlung hat das OLG die Berufung von Uber gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.5.2021, Az. 6 U 18/20

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 19.12.2019, Az. 3-08 O 44/19)

Die Entscheidung ist demnächst im Volltext unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:
§ 2 PBefG Genehmigungspflicht
(1) 1Wer im Sinne des § PBEFG § 1 Abs. PBEFG § 1 Absatz 1

1. ...
4.mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (§ PBEFG § 46)
Personen befördert, muß im Besitz einer Genehmigung sein. ...

§ 49 PBefG Verkehr mit Mietomnibussen und mit Mietwagen
(1) Verkehr mit Mietomnibussen ist die Beförderung von Personen mit Kraftomnibussen, die nur im ganzen zur Beförderung angemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt. Die Teilnehmer müssen ein zusammengehöriger Personenkreis und über Ziel und Ablauf der Fahrt einig sein.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 sind nicht gegeben, wenn Fahrten unter Angabe des Fahrtziels vermittelt werden. Mietomnibusse dürfen nicht durch Bereitstellen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen angeboten werden.

(3) Die Vorschriften der §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.

(4) Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrages erhalten. Der Eingang des Beförderungsauftrages am Betriebssitz oder in der Wohnung hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig zu erfassen und die Aufzeichnung ein Jahr aufzubewahren. Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Den Taxen vorbehaltene Zeichen und Merkmale dürfen für Mietwagen nicht verwendet werden. Die §§ 21 und 22 sind nicht anzuwenden.



BGH: Aushändigung der Widerrufsbelehrung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen bei vorzeitigem Beginn mit Dienstleistung und der Wertersatz

BGH
Urteil vom 26.11.2020
I ZR 169/19
BGB § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 3 und 4, § 357 Abs. 8; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1

Leitsätze des BGH:


a) Der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen setzt nicht nur voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat, sondern erfordert darüber hinaus, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Informationen gemäß Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Zu diesen Informationen gehört auch diejenige über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB.

b) § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB fordert für den Verlust des Widerrufsrechts eine Erklärung des Verbrauchers, dass er Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer hat. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss zwar erteilt, die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB jedoch nicht ausgehändigt hat.

c) Hat der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB nicht ausgehändigt, steht ihm kein Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung zu.

BGH, Urteil vom 26. November 2020 - I ZR 169/19 - OLG Hamm - LG Münster

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: App die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist Dienst der Informationsgesellschaft sofern nicht integraler Bestandteil einer Verkehrsdiensteistung

EuGH
Urteil vom 03.12.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureşti prin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH hat entschieden, dass eine App, die Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, sofern sie nicht integraler Teil einer wesentlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eine Dienstleistung, die Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt bringt, stellt einen Dienst der Informationsgesellschaft dar, sofern sie nicht integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung ist

Die Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Applikation, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Applikation ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt zur Verfügung stehenden Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen der aufgelisteten Fahrer zu wählen. Star Taxi App übermittelt weder die Aufträge an die Taxifahrer, noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer entrichtet wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Consiliul General al Municipiului București (Rat der Stadt Bukarest) den Beschluss Nr. 626/2017, mit dem die Pflicht, für die sogenannte DispatchingTätigkeit eine Zulassung einzuholen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet wurde. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine
Geldbuße in Höhe von 4 500 rumänischen Lei (ca. 929 Euro) verhängt.

Da Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr1 vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

In diesem Zusammenhang fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte es vom Gerichtshof wissen, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht2 vereinbar ist.

Mit seinem heute verkündeten Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Definition in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr darstellt, da diese Dienstleistung gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird. Der Umstand, dass ein solcher Dienst an die Person, die eine innerstädtische Fahrt unternimmt oder unternehmen möchte, unentgeltlich erbracht wird, ist insoweit unbeachtlich, sofern der Dienst – wie hier – Anlass dafür ist, dass sein Anbieter mit jedem zugelassenen Taxifahrer einen Dienstleistungsvertrag schließt, in dessen Rahmen der Fahrer einen festen monatlichen Betrag zahlt.

Allerdings fällt eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs3 unter Umständen nicht unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“, obwohl sie die in der Definition enthaltenen Merkmale aufweist. Dies gilt insbesondere, wenn ein Vermittlungsdienst offensichtlich integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistung besteht.

Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst aufbaut. Zudem wählt der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und legt den Fahrpreis weder fest, noch erhebt er ihn; er kontrolliert auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer.
Folglich kann diese Dienstleistung nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestünde.

Sodann prüft der Gerichtshof, ob eine Regelung wie der Beschluss Nr. 626/2017 mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Zunächst untersucht er, ob ein solcher Beschluss eine technische Vorschrift darstellt. Die Informationsverfahrensrichtlinie 2015/15354 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission jeden Entwurf einer „technischen Vorschrift“ unverzüglich übermitteln. Eine nationale Regelung, die einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ berührt, wird als „technische Vorschrift“ eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt und u. a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist.

Da aber die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug nimmt und ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art erfasst, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden, befindet der Gerichtshof, dass sie keine „technische Vorschrift“ darstellt. Daraus folgt, dass die Pflicht, Entwürfe „technischer Vorschriften“ vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gilt.

Anschließend weist der Gerichtshof darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten ist, die Aufnahme und die Ausübung einer in der Erbringung von „Diensten der Informationsgesellschaft“ bestehenden Tätigkeit einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Allerdings gilt dieses Verbot nicht für Zulassungspflichten, die – wie der Beschluss Nr. 626/2017 – nicht speziell und ausschließlich „Dienste der Informationsgesellschaft“ betreffen.

Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/1235 erlaubt es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen sind folgende: Die Regelung darf nicht diskriminierend sein, sie muss durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel darf nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können.

Insoweit befindet der Gerichtshof, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob die Zulassungsregelung für Taxi-Dispatchingdienste durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Eine Zulassungsregelung beruht jedoch nicht auf Kriterien, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Zulassung von Anforderungen abhängt, die in technologischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Dienstleistung passen.

Der Gerichtshof kommt zu folgendem Ergebnis:

Erstens stellt eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ dar, wenn sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden und daher kein integraler Bestandteil von ihm ist.

Zweitens stellt eine Regelung einer örtlichen Behörde, mit der die Erbringung eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ einer Zulassungspflicht unterworfen wird, der andere Anbieter von Taxibestelldiensten bereits unterliegen, keine „technische Vorschrift“ im Sinne der Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar.

Drittens steht die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dem nicht entgegen, dass auf Anbieter eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ eine Zulassungspflicht angewandt wird, die bereits für Anbieter von wirtschaftlich äquivalenten, keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellenden Dienstleistungen gilt.

Viertens und letztens steht die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 der Anwendung einer entsprechenden Zulassungsregelung entgegen, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie genannten Kriterien, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Dienstleistung die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt ist ein Dienst der Informationsgesellschaft

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 10.09.2020
C-62/19
Star Taxi App SRL / Unitatea Administrativ Teritorială Municipiul Bucureştiprin Primar General und Consiliul General al Municipiului Bucureşti


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die per App Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt bringt, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar ist eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft

Diese Dienstleistung muss nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung mit Taxis verbunden sein, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt S.C. Star Taxi App SRL, eine Gesellschaft mit Sitz in Bukarest (Rumänien), betreibt eine Smartphone-Anwendung, die eine direkte Verbindung zwischen Taxikunden und Taxifahrern herstellt. Diese Anwendung ermöglicht eine Suche, die dazu führt, dass eine Liste der für eine Fahrt verfügbaren Taxifahrer angezeigt wird. Dem Kunden steht es dann frei, einen bestimmten Fahrer auszuwählen. Star Taxi App übermittelt weder die Anfragen an die Taxifahrer noch legt sie den Fahrpreis fest, der am Ende der Fahrt direkt an den Fahrer bezahlt wird.

Am 19. Dezember 2017 erließ der Rat der Stadt Bukarest den Beschluss Nr. 626/2017, der die Verpflichtung, für die sogenannte „Dispatching“-Tätigkeit eine Zulassung zu beantragen, auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App erweiterte. Wegen Verstoßes gegen diese Regelung wurde gegen Star Taxi App eine Geldbuße von 4 500 rumänischen Lei (RON) (ca. 929 Euro) verhängt.

Weil Star Taxi App der Ansicht war, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle, für den der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit gelte, erhob sie beim Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.

Vor diesem Hintergrund fragt das Tribunalul București den Gerichtshof, ob eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ ist. Sollte dies bejaht werden, ersucht es den Gerichtshof, eine Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses Nr. 626/2017 im Licht einiger Bestimmungen des Unionsrechts durchzuführen.

In seinen heutigen Schlussanträgen führt Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst aus, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgenommenen Definition des Dienstes der Informationsgesellschaft entspricht, da diese Dienstleistung gegen Entgelt, im Fernabsatz, elektronisch und auf individuellen Abruf eines Empfängers der Dienstleistung erbracht wird.

Er weist aber darauf hin, dass eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs möglicherweise nicht als unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ fallend anzusehen ist, selbst wenn sie die in der Definition aufgeführten Merkmale aufweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die elektronisch erbrachte Dienstleistung untrennbar mit einer anderen Dienstleistung verbunden ist, die die Hauptdienstleistung darstellt und nicht elektronisch erbracht wird, wie z. B. eine Verkehrsdienstleistung. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist diese untrennbare Verbindung dadurch gekennzeichnet, dass der Anbieter der elektronisch erbrachten Dienstleistung die wesentlichen Aspekte der anderen Dienstleistung kontrolliert, einschließlich der Auswahl der
Anbieter dieser anderen Dienstleistung.

Nach Ansicht des Generalanwalts ist die Situation von Star Taxi App anders. Er erläutert, dass Star Taxi App keine Taxifahrer einzustellen braucht und weder eine Kontrolle über noch einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen ausübt, unter denen die Beförderungsdienstleistungen von den Taxifahrern erbracht werden. Im Unterschied zu anderen ähnlichen Dienstleistungen, wie Uber, baut die von Star Taxi App erbrachte Dienstleistung auf einem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst auf. Die Rolle von Star Taxi App beschränkt sich auf die eines externen Anbieters einer Nebendienstleistung, die für die Effizienz der Hauptdienstleistung, nämlich der Beförderung, nützlich, aber nicht wesentlich ist.

Dann prüft der Generalanwalt den Beschluss Nr. 626/2017 im Licht des Unionsrechts. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbietet den Mitgliedstaaten, die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Dieses Verbot gilt jedoch nicht für Zulassungsverfahren, die wie im vorliegenden Fall nicht speziell und ausschließlich Dienste der Informationsgesellschaft betreffen.

Diese Feststellung ist allerdings von der Voraussetzung abhängig, dass die von der bestehenden Zulassungsregelung erfassten Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht werden, und die Dienste der Informationsgesellschaft, auf die diese Regelung ausgedehnt wird, tatsächlich wirtschaftlich gleichwertig sind.

Die Dienstleistungsrichtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von einer solchen Regelung abhängig zu machen. Diese Voraussetzungen sind: nicht diskriminierender Charakter der Regelung, ihre Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und das Fehlen weniger einschneidender Maßnahmen, mit denen dasselbe Ziel erreicht werden könnte. Es wird daher Sache des nationalen Gerichts sein, zu prüfen, ob es zwingende Gründe des Allgemeininteresses gibt, die die Zulassungspflicht von Taxi-Dispatchingdiensten rechtfertigen.

Der Generalanwalt stellt aber klar, dass eine Genehmigungsregelung nicht auf Kriterien beruht, die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn die Erteilung der Genehmigung von Anforderungen abhängig ist, die für den vom Antragsteller beabsichtigten Dienst technologisch ungeeignet sind.
Er kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass eine Dienstleistung, die darin besteht, durch eine elektronische Anwendung Taxikunden mit Taxifahrern unmittelbar in Kontakt zu bringen, ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, wenn sie nicht untrennbar mit der Dienstleistung der Beförderung durch Taxis verbunden ist, so dass sie keinen integralen Bestandteil derselben darstellt.

Dann stellt er fest, dass es die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht verbietet, auf einen Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft eine Zulassungsregelung anzuwenden, die für Anbieter wirtschaftlich gleichwertiger Dienstleistungen gilt, die keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellen.
Schließlich weist er darauf hin, dass die Dienstleistungsrichtlinie der Anwendung einer solchen Zulassungsregelung entgegensteht, es sei denn, diese entspricht den in dieser Richtlinie festgelegten Kriterien, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

Volltext liegt vor LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

LG Frankfurt
Urteil vom 19.12.2019
3-06 O 44/19


Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung zu.

Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Beide Parteien stehen als Anbieter von Vermittlungsdienstleistungen betreffend individueller Personenbeförderung im Wettbewerb. Die Tatsache, dass die Klägerin diese Leistungen für Taxibeförderungen und die Beklagte für Mietwagenbeförderungen anbietet, steht der Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen, da die Leistungen für den angesprochenen Verkehr austauschbar sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten müssen sich die Parteien als Wettbewerber nicht bundesweit in den gleichen Städten gegenüberstehen. Vielmehr ist der wettbewerbliche Unterlassungsanspruch in seinem räumlichen Umfang durch ein räumlich beschränktes Tätigkeitsfeld des Gläubigers oder des Schuldners nicht eingeschränkt (BGH GRUR 1999, 509, 510 – Vorratslücken; Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 37. Aufl. § 8 Rn. 1.85). Die Klägerin kann als Wettbewerber der Beklagten daher ihren Verbotsantrag auf das gesamte Bundesgebiet beziehen, unabhängig von der örtlichen Verbreitung ihrer Vermittlungsleistungen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 1. des Tenors aus §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG, § 2 Abs. 1 PBefG zu.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG, wonach die Erbringung von Personenbeförderungsleistungen mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr einer Genehmigung bedarf, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar (Köhler / Bornkamm /Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.148). Die Norm sieht für die Betätigung auf einem bestimmten Markt eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis vor und will damit im Interesse der Marktteilnehmer eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der Dienstleistung sicherstellen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2018, 199, Rn. 13 – Ersatz-Taxi).

Bei der Beklagten handelt es sich um einen Unternehmer im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 PBefG. Als solcher benötigt sie für die Personenbeförderung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG eine Mietwagenkonzession, die sie unstreitig nicht hat.

Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft entscheidend ist, wer aus Sicht der Fahrgäste der Erbringer der Dienstleistung ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2016, Az. 6 U 73/15, Rn. 48 ff. – zit. nach juris). Nach der Vertragsgestaltung und der Durchführung der Dienstleistung der Beklagten wird diese als Dienstleistungserbringerin der Beförderungsleistung wahrgenommen. Aus der Sicht der Fahrgäste ist es die Beklagte selbst und nicht die einzelnen Mietwagenunternehmen, die die Personenbeförderungsleistung erbringt.

Dies ergibt sich aus der Gesamtschau derjenigen Elemente, die die Dienstleistung der Beklagten maßgebend prägen.

Dass die Beklagte Erbringer der Dienstleistung ist, ergibt sich für die Fahrgäste zunächst aus dem Außenauftritt der Beklagten. Dieser wird durch deren Werbung wie aus der Anlage K 6 ersichtlich maßgeblich bestimmt. Bei der Wahrnehmung der Werbetafeln erkennt der Kunde, dass ……………….eine Personenbeförderungsleistung anbietet und nunmehr professionelle Fahrer – im Gegensatz zu dem vorher praktizierten Modell der Privatfahrer – tätig sind. Die sehr klein gedruckten Zusatzinformationen, wonach …………………….. die Aufträge an Mietwagenunternehmer vermittelt und selbst keine Beförderungsdienstleistungen anbietet, werden von dem flüchtigen Beobachter nicht wahrgenommen. Gleiches gilt für die von der Beklagten vorgelegte Werbeanzeige Anlage B 18.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Nutzer, die Vermittlungsplattformen in verschiedenen Lebensbereichen gewöhnt sind, sich bei dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell der Beklagten ohne Weiteres im Klaren darüber sind, dass es sich um eine Vermittlung von einzelnen Mietwagenfirmen durch die Beklagte handele. Der Außenauftritt der Beklagten legt dies gerade nicht nahe, sondern wird so wahrgenommen, dass …………………………der Dienstleistungserbringer ist. Im Bereich der Personenbeförderung ist auch anders als im Bereich von Vermittlungsplattformen, auf dem Verkauf von Produkten dienen, nach Auffassung der Kammer kein allgemeines Verkehrsverständnis dahingehend gegeben, dass das dem Verbraucher in der Außendarstellung gegenübertretende Unternehmen eine reine Vermittlungsfunktion erfüllt.

Der Nutzer, der die App lädt, wird sich nach Auffassung der Kammer auch nach der Lebenserfahrung nicht mit den Einzelheiten der Allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten beschäftigen, in denen auf eine Vermittlungstätigkeit der Beklagten hingewiesen wird.

Dass Mietwagenunternehmer, die dem System der Beklagten angeschlossen sind, eigenständig am Markt aufträten wie von der Beklagten unter Hinweis auf die Anlagen B 1, 2 behauptet, hindert die Annahme einer Unternehmerschaft der Beklagten nicht. Die Mietwagenunternehmer können nach dem Geschäftsmodell der Beklagten sowohl selbständig und außerhalb des Systems der Beklagten, aber auch als Teil des Geschäftssystems der Beklagten tätig sein (vgl. BGH a.a.O. Rn. 48).

Weiter ist es Sache der Beklagten, denjenigen Fahrer auszuwählen, der die Fahrt ausführen soll. Dass sie dabei nach objektiven Kriterien vorgeht – nämlich der Nähe zum potentiellen Fahrgast – ändert nichts an der Tatsache, dass sie es ist, die die Auswahl trifft.

Ein weiteres zu berücksichtigendes Merkmal stellt die Preisgestaltung dar. Die Beklagte bestimmt den Beförderungspreis, insbesondere die einzelnen Bestandteile wie den Grundpreis, die km-Kosten, die Zeitkosten und den Mindestfahrpreis. Dass ein freies Verhandeln des Fahrpreises zwischen Fahrgast und Fahrer möglich ist, ergibt sich aus dem beispielhaften Buchungsprozess Anlage B 6 nicht. Daher liegt die Entscheidung über die Preiszusammensetzung aber auch die über den tatsächlichen Fahrpreis bei der Beklagten. Es handelt sich also entgegen deren Ansicht nicht um eine für das Mietwagenunternehmen unterstützende Serviceleistung durch die Beklagte, sondern um eine Festlegung. Das zeigt sich auch darin, dass der Fahrer die Fahrt zu dem von der Beklagten angegebenen Preis annehmen kann oder die Fahrt ausschlagen kann, nicht aber den Preis ändern.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt der Preis einer Beförderung für den Fahrgast durchaus eine wichtige Rolle. Hierauf fußt das Geschäftsmodell der Beklagten, mit dessen Hilfe die Beförderungsleistungen deutlich günstiger sind als z. B. die Beförderung durch ein Taxi."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig - Uber tritt als Mietwagenunternehmen ohne eigene Mietwagenkonzession auf

LG Frankfurt
Urteil vom 19.12.2019
3-08 O 44/19


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Es fehlt bereits an der notwendigen Mietwagenkonzession, da Uber als Mietwagenunternehmen auftrete.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Frankfurt am Main untersagt Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App

In einem heute verkündeten Urteil hat das Landgericht Frankfurt am Main dem Fahrdienstvermittler Uber untersagt, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mit seiner aktuellen Applikation zu übermitteln. Geklagt hatte ein Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten in Deutschland.

Die Vermittlung von Fahrten an Mietwagenunternehmen durch die Applikation Uber sei wettbewerbswidrig, so die Kammer des Landgerichts. In dem Geschäftsmodell von Uber erkannte das Gericht verschiedene Wettbewerbsverstöße.

Zum einen fehle Uber eine eigene Mietwagenkonzession. Diese sei für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer im vorliegenden Fall aber notwendig. „Aus der Sicht des Fahrgastes erbringt Uber selbst die Dienstleistung und ist daher Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes“, erklärte die Vorsitzende Richterin. Uber trete nämlich durch seine Werbung gegenüber den Kunden als Anbieter der Beförderungsleistung auf. Außerdem wähle Uber den konkreten Fahrer eigens aus und bestimme den Preis.

„Uber hat auch gegen die Verpflichtung verstoßen, wonach Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausführen dürfen, die vorher am Betriebssitz des Mietwagenunternehmens eingegangen sind“, erläuterte das Gericht. Die klagende Taxivereinigung hatte durch zwei Testfahrten nachgewiesen, dass Fahrer von Mietwagen über die Uber-App Aufträge angenommen hatten, ohne zuvor die Beförderungsanfrage auf dem Unternehmer-Smartphone zu beantworten. Zwar fordert Uber die Mietwagenunternehmen auf, die gesetzlichen Regeln einzuhalten. Uber habe die Mietwagenfirmen aber nicht ausreichend kontrolliert, befand die Kammer.

Schließlich werde gegen die sog. Rückkehrpflicht verstoßen. Sie besagt, dass ein Mietwagenfahrer nach der vermittelten Fahrt unverzüglich zum Betriebssitz zurückkehren muss, es sei denn, er hat zwischenzeitlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Die Taxivereinigung hatte belegt, dass ein Fahrer vor dem Beförderungsauftrag mittels Uber-App eine längere Zeit in der Nähe des Frankfurter Flughafens gewartet hatte.

Wirkung des Urteils
Die mit dem heutigen Urteil ausgesprochene Untersagung der Fahrvermittlung durch Uber gilt ab sofort. Eine Umstellungsfrist hat das Landgericht Frankfurt am Main nicht gewährt. Uber habe wegen einer vorangegangenen Abmahnung und anderer gerichtlicher Verfahren mit einer Untersagung rechnen müssen.

Das Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 3-08 O 44/19) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.

Zum Hintergrund:
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte Uber bereits im Jahr 2015 untersagt, über die Applikation „Uber Pop“ Fahrten an Privatfahrer zu vermitteln. Gegenstand des heute entschiedenen Verfahrens ist eine mittlerweile in mehreren deutschen Städten verfügbare neue Applikation von Uber. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht werden.

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Personenbeförderungsgesetz:

Wer (…) mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (…) Personen befördert, muss im Besitz einer Genehmigung sein. Er ist Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes.

§ 49 Absatz 4 Satz 2 und 3 Personenbeförderungsgesetz:

Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.




EuGH: Marke "Der Grüne Punkt" der Duales System Deutschland GmbH ist doch nicht überwiegend wegen Verfalls zu löschen

EuGH
Urteil vom 12.12.2019
C-143/19
Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH / Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)


Der EuGH hat entschieden, dass die Marke "Der Grüne Punkt" der Duales System Deutschland GmbH doch nicht überwiegend wegen Verfalls zu löschen ist. Der EuGH hat die anderslautenden Entscheidungen des EUIPO und des EuG aufgehoben.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Mietwagen-App UBER Black und Vermittlung von Mietwagen über die App rechtswidrig - Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG

BGH
Urteil vom 13.12.2018
I ZR 3/16
Uber Black II


Der BGH hat entschieden, dass die Mietwagen-App UBER Black und Vermittlung von Mietwagen über die App rechtswidrig ist. Es liegt ein Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG vor, der zugleich auch wettbewerbswidrig ist. UBER haftet als Teilnehmerin für die Wettbewerbsverstöße der beteiligten Mietwagenunternehmen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Mietwagen-App "UBER Black" unzulässig

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Vermittlung von Mietwagen über die App "UBER Black" unzulässig ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, bot die Applikation "UBER Black" für Smartphones an, über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden konnten. Dabei erhielt der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am Nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server der Beklagten. Zeitgleich benachrichtigte die Beklagte das Mietwagenunternehmen per EMail.

Die Beklagte bezeichnete die Fahrzeuge der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer als "UBER". Die Preisgestaltung, Abwicklung der Zahlungen und die Werbung erfolgte durch die Beklagte, für die Fahraufträge galten die von ihr gestellten Bedingungen.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rückkehrgebot für Mietwagen (§ 49 Abs. 4 PBefG) für wettbewerbswidrig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof hat zunächst den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu der Frage gebeten, ob der Dienst der Beklagten eine nicht unter die unionsrechtlichen Bestimmungen zur Dienstleistungsfreiheit fallende Verkehrsdienstleistung darstellt (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - I ZR 3/16 - Uber Black I). Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Dezember 2017 zu dem Dienst "UBER Pop" (C-434/15) hat der Bundesgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen zurückgenommen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Verwendung der beanstandeten Version der App "UBER Black" verstößt gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn der Fahrer den Fahrauftrag unmittelbar erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zugleich unterrichtet wird.

In dieser Auslegung ist § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG gegenüber den Mietwagenunternehmen und der Beklagten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung. Sie ist zum Schutz des Taxiverkehrs gerechtfertigt, für den - anders als für Mietwagenunternehmen - feste Beförderungstarife gelten und ein Kontrahierungszwang besteht.

Unionsrechtliche Bestimmungen stehen einem Verbot von "UBER Black" nicht entgegen. Bedenken gegen ein Verbot könnten sich insoweit allein aus den Regeln der Union zur Dienstleistungsfreiheit ergeben. Diese Bestimmungen finden aber auf Verkehrsdienstleistungen keine Anwendung. Wie in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union am 20. Dezember 2017 entschiedenen Fall "UBER Pop" ist der mittels einer Smartphone-Applikation erbrachte Vermittlungsdienst der Beklagten integraler Bestandteil einer hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung bestehenden Gesamtdienstleistung. Die Bedeutung der Leistungen der Beklagten für die Beförderungsleistung hängt nicht davon ab, ob es sich um einen privaten (UBER Pop) oder berufsmäßigen (UBER Black) Fahrer handelt oder ob das für die Fahrt benutzte Fahrzeug Eigentum einer Privatperson (UBER Pop) oder eines Unternehmens (UBER Black) ist.

Für die Wettbewerbsverstöße der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer und Fahrer haftet die Beklagte als Teilnehmerin.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. Februar 2015 - 101 O 125/14, GRUR-RR 2015, 350

KG - Urteil vom 11. Dezember 2015 - 5 U 31/15, GRUR-RR 2016, 84

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 49 Abs. 4 PBefG lautet:

1Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. 2Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. 3Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] 5Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]




BGH: Keine wettbewerbswidrige Nachahmung durch Verwendung der Slogans "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität"

BGH
Urteil vom 15.02.2018
I ZR 243/16
Gewohnt gute Qualität
ZPO §§ 139, 286; UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Verwendung der Slogans "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität" mangels wettbewerblicher Eigenart keine wettbewerbswidrige Nachahmung darstellen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Rechtsmittelführer, der die Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO geltend macht, muss darlegen, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was er hierauf im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre. Er ist dabei grundsätzlich nicht gehindert, sein bisheriges Vorbringen zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Eine durch Änderungen etwa entstehende Widersprüchlichkeit in seinem Vortrag
ist allein im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

b) Eine "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität" sind keine besonderen Merkmale einer Dienstleistung und daher nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart einer Dienstleistung zu begründen.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 243/16 - OLG Naumburg - LG Stendal

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH-Vorlagebeschluss an EuGH zur Zulässigkeit und Einordnung der Mietwagen-App UBER Black liegt vor

BGH
Beschluss vom 18.05.2017
I ZR 3/16
Uber Black
AEUV Art. 58 Abs. 1; Richtlinie 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 16 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage vor ob UBER Mietwagen-App UBER Black eine Verkehrsdienstleistung ist und so gegen das PBerfG verstößt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 58 Abs. 1 AEUV und der Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erbringt ein Unternehmen, das in Kooperation mit zur Personenbeförderung zugelassenen Mietwagenunternehmen eine Smartphone-Applikation bereitstellt, über die Nutzer Mietwagen mit Fahrern bestellen können, selbst eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG, wenn die Organisationsleistungen dieses Unternehmens eng mit der Beförderungsleistung verbunden sind, insbesondere wenn es

- die Preisgestaltung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Beförderungsbedingungen für die Fahraufträge bestimmt

und

- für die von ihm vermittelten Fahrzeuge unter seiner Unternehmensbezeichnung sowie mit
einheitlichen Rabattaktionen wirbt?

Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage 1 verneinen sollte:

2. Kann es aufgrund des Ziels, die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten, unter dem Aspekt des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG bei den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein, eine Dienstleistung der im Streitfall in Rede stehenden Art zu untersagen?

BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - I ZR 3/16 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Mangels Verwechslungsgefahr keine Markenrechtsverletzung - Keine Warenähnlichkeit zwischen Tennis- bzw. Squashschlägern und Billardqueues

OLG Frankfurt am Main
Beschluss vom 04.01.2017
6 W 122/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass zwischen Tennis- bzw. Squashschlägern und Billardqueues keine Warenähnlichkeit besteht. Das Gericht hat daher im entschiedenen Falle mangels Verwechslungsgefahr eine Markenrechtsverletzung abgelehnt.

Die Entscheidungsgründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, fehlt es an der für die Verfügungsansprüche erforderlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 II Nr. 2 MarkenG, weil zwischen Tennis- und Squashschlägern auf der einen Seite und Billardqueues auf der anderen Seite keine Warenähnlichkeit besteht. Die sich gegenüberstehenden Sportgeräte weisen keine so engen Berührungspunkte auf, dass der angesprochene Verkehr der Meinung sein könnte, sie stammten - bei identischer oder ähnlicher Kennzeichnung - aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen.

Der Antragsteller hat zunächst selbst keinen Hersteller benannt, der die fraglichen Sportgeräte unter derselben Marke anbietet.

Die genannten Berührungspunkte ergeben sich auch nicht aus der Beschaffenheit der Waren. Seine Behauptung, Billardqueues bestünden aus dem gleichen Material wie Tennis- und Squashschläger, hat der Antragsteller weder konkretisiert noch belegt. Nach Kenntnis des Senats werden Billardqueues in der Regel aus Holz und damit einem Material gefertigt, das für Tennis- und Squashschläger jedenfalls seit langem nicht mehr in nennenswertem Umfang Verwendung findet. Die sich gegenüberstehenden Sportgeräte weisen auch keine Ähnlichkeiten hinsichtlich der Formgebung oder ihrer Handhabung auf. Allein der Umstand, dass sie jeweils dazu dienen, runde Gegenstände zu bewegen, reicht nicht aus, um beim Verkehr die Erwartung der gemeinsamen betrieblichen Herkunft zu erwecken.

Ebenso wenig bestehen hinreichende Berührungspunkte zwischen den in Rede stehenden Sportarten, die sich in den Anforderungen an den Spieler erheblich unterscheiden. Seine Behauptung, einige Betreiber von Squashanlagen seien dazu übergegangen, in ihren Anlagen Billard als zusätzliches Angebot zu führen, hat der Antragsteller ebenfalls nicht näher substantiiert. Jedenfalls fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass diese angebliche Übung dem angesprochenen Verkehr bereits in dem erforderlichen Maß bekannt ist.

Unter diesen Umständen reicht auch die Tatsache, dass ein großer Sportfachhändler sowohl Tennis- und Squashschläger als auch Billardqueues vertreibt, für eine Bejahung der Warenähnlichkeit nicht aus. Denn der gemeinsame Vertriebsweg über dieselben Händler ruft für sich allein beim Publikum nicht die Annahme einer Ursprungsidentität hervor (vgl. hierzu BGH GRUR 2014, 488 [BGH 06.11.2013 - I ZB 63/12] - DESPERADOS/DESPERADO, juris-Tz. 17); andernfalls müsste eine Ähnlichkeit zwischen sämtlichen Waren bejaht werden, die von großen Handelsunternehmen angeboten werden.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH legt EuGH Frage vor ob UBER Mietwagen-App UBER Black eine Verkehrsdienstleistung ist und so gegen das PBerfG verstößt

BGH
Beschluss vom 18.05.2017
I ZR 3/16
Mietwagen-App


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur UBER Mietwagen-App UBER Black vorgelegt. Insbesondere geht es um die Frage, ob es sich dabei um eine Verkehrsdienstleistung handelt und daher gegen das PBerfG verstößt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Zulässigkeit der Mietwagen-App "UBER Black" vor

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mietwagen über die App "UBER Black" dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, bot die Applikation "UBER Black" für Smartphones an, über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden konnten. Dabei erhielt der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am Nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server der Beklagten. Zeitgleich benachrichtigte die Beklagte das Mietwagenunternehmen per E-Mail.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rückkehrgebot für Mietwagen (§ 49 Absatz 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)* für wettbewerbswidrig. Er hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Verwendung der beanstandeten Version der App "UBER Black" verstößt gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn der Fahrer unmittelbar den Fahrauftrag erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zeitgleich unterrichtet wird. Dabei ist es unerheblich, ob die unmittelbare Auftragserteilung an den Fahrer durch die Fahrgäste selbst oder – wie im Streitfall – über die Beklagte erfolgt.

In dieser Auslegung ist § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG gegenüber den Mietwagenunternehmen und der Beklagten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung. Sie ist zum Schutz des Taxiverkehrs gerechtfertigt, für den feste Beförderungstarife und Kontrahierungszwang gelten.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die eigene Tätigkeit der Beklagten dem Personenbeförderungsgesetz unterfällt. Für die Wettbewerbsverstöße der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer und der Fahrer haftet die Beklagte als Teilnehmerin.

Fraglich ist jedoch, ob unionsrechtliche Bestimmungen einem Verbot von "UBER Black" entgegenstehen. Bedenken gegen ein Verbot könnten sich allein aus den Vorschriften der Union zur Dienstleistungsfreiheit ergeben. Diese Bestimmungen finden aber keine Anwendung auf Verkehrsdienstleistungen. Zu der für die gesamte Union einheitlich zu beantwortenden Frage, ob die Vermittlungstätigkeit der Beklagten in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Verkehrsdienstleistung darstellt, besteht noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Da sich diese Frage nicht ohne weiteres beantworten lässt, hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob der Dienst der Beklagten eine Verkehrsdienstleistung ist.

Sollte der Gerichtshof der Europäischen Union eine Verkehrsdienstleistung verneinen, stellt sich im vorliegenden Verfahren die weitere Frage, ob es aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt unter den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein kann, eine App der im Streitfall beanstandeten Art zu untersagen, um die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten.

Beim Gerichtshof der Europäischen Union ist bereits ein Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Barcelona (C-434/15) anhängig, das den Dienst UberPop betrifft, bei dem Privatpersonen in ihren eigenen Fahrzeugen Fahrgäste ohne behördliche Genehmigung befördern. In diesem Verfahren hat der Generalanwalt die Schlussanträge am 11. Mai 2017 vorgelegt. Im Hinblick auf Unterschiede im Sachverhalt in beiden Verfahren ist jedoch nicht absehbar, ob die Antworten auf die im Streitfall aufgeworfenen Fragen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Vorlageverfahren aus Barcelona zu entnehmen sein werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen gestellt.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. Februar 2015 - 101 O 125/14

KG - Urteil vom 11. Dezember 2015 - 5 U 31/15

Karlsruhe, den 18. Mai 2017

§ 49 Absatz 4 PBefG lautet:

Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]

OLG Frankfurt: Verwechslungsgefahr zwischen Marken Weinstein und WeinStein ums Eck hinsichtlich Dienstleistung Verpflegung von Gästen

OLG Franfurt
Urteil vom 23.02.2017
6 U 86/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass zwischen der Marke "Weinstein" und der Marke "WeinStein ums Eck" hinsichtlich der Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" Verwechslungsgefahr besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Wortmarke "Weinstein" hat von Haus aus für die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das ist vom Landgericht bereits zutreffend herausgearbeitet worden und wird mit der Berufung nicht substantiiert angegriffen.

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist nicht durch identische oder ähnliche Drittzeichen geschwächt worden.

Eine nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft kann grundsätzlich nur durch benutzte Drittmarken oder benutzte Geschäftsbezeichnungen eintreten. Die nachträgliche Schwächung stellt einen Ausnahmetatbestand dar und kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn der Verkehr durch das Auftreten identischer oder ähnlicher Zeichen im Bereich der eigenen oder einer benachbarten Branche daran gewöhnt ist und sie deshalb nicht mehr einem bestimmten Unternehmen zuordnet (BGH GRUR 2001, 1161 [BGH 15.02.2001 - I ZR 232/98] - CompuNet/ComNet Tz. 34 bei juris; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn 651 ff. zu § 14 MarkenG). Maßgeblich ist die Auffassung der durch die Marke angesprochenen Verkehrskreise, hier also der bundesdeutsche Durchschnittsverbraucher.

Eine identische oder ähnliche Marke dritter Personen ist von der Beklagten nicht angeführt worden.

Die Beklagte hat vielmehr sechzehn Internet - Anzeigen von Weinlokalen und Weinhandlungen vorgelegt, die in Alleinstellung oder mit ortsbezogenem Zusatz das Zeichen "Weinstein" in ihrer Geschäftsbezeichnung führen (Anlagen H 3 und H 5). Daraus allein lässt sich aber nicht ableiten, dass der Verkehr in der Weise an das Zeichen "Weinstein" gewöhnt wäre, dass er es als gebräuchliche Bezeichnung für eine Weinhandlung oder ein Weinlokal auffassen würde. Dagegen spricht auch, dass die von der Beklagten vorgelegten Anzeigen von inhabergeführten Weinhandlungen, Weinlokalen oder -restaurants stammen, die ganz offensichtlich nur eine begrenzte lokale oder regionale Bedeutung haben. Bei derartigen Betrieben verbindet der Kunde mit der Geschäftsbezeichnung gerade eine konkrete Vorstellung über das dahinter stehende Unternehmen.

2. Es besteht teilweise Identität und teilweise hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit, da die im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Dienstleistungen einen Ausschnitt aus dem Oberbegriff "Bewirtung von Gästen" bilden oder - soweit es um die Unterhaltung von Gästen oder um die Durchführung von Weinproben geht - ihm hochgradig nahekommen.

3. Das Landgericht hat auch zutreffend Zeichenähnlichkeit angenommen, die der Senat als hochgradig (überdurchschnittlich) bewertet. Beim Zeichenvergleich stehen sich "Weinstein" und "WeinStein ums Eck" gegenüber. Der Zusatz "...ums Eck" wird vom Verkehr als beschreibend verstanden, weil er darunter einen in seiner Nähe liegenden Weinhandel oder Weinausschank vermutet.

Die unterschiedliche Schreibweise des prägenden Bestandteils "Weinstein" im angegriffenen Zeichen ist ebenfalls unerheblich. Für die Bejahung der Markenähnlichkeit reicht regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der Wahrnehmungsbereiche (klanglich, schriftbildlich oder begrifflich) aus (BGH GRUR 2011, 824 [BGH 20.01.2011 - I ZR 31/09] - Kappa). Bei der klanglichen Wahrnehmung spielt die unterschiedliche Schreibweise keine Rolle.

Klageantrag zu I. 2) - Abmahnkosten

Der Kläger verlangt auch mit Recht die Erstattung seiner Kosten für das Abmahnschreiben vom 20.1.2015 (Anlage K 6). Der Anspruch ergibt sich aus § 14 VI MarkenG bzw. aus §§ 677, 670 BGB, jeweils in Verbindung mit § 14 II Nr. 2 MarkenG.

Die Abmahnung war berechtigt, weil die Beklagte durch den Betrieb ihres Geschäfts unter "Weinstein ums Eck" und durch die Markenanmeldung mindestens die o. g. Wortmarke "Weinstein" des Klägers verletzt hat (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 1301, Tz. 67 - Kinderstube).

Die Beklagte hat die Bezeichnung "Weinstein" markenmäßig zur Kennzeichnung ihrer Einzelhandelsdienstleistungen genutzt. Es spielt keine Rolle, dass "WeinStein ums Eck" die Geschäftsbezeichnung der Beklagten ist. Für eine markenmäßige Nutzung ist es ausreichend, wenn der angesprochene Verkehr zu der Annahme veranlasst wird, dass eine Verbindung zwischen dem angegriffenen Unternehmenskennzeichen und den Waren oder Dienstleistungen besteht, die der Dritte vertreibt (BGH GRUR 2009, 772 [BGH 18.12.2008 - I ZR 200/06] Tz. 48 - Augsburger Puppenkiste). Dies ist aufgrund der Aufmachung des Geschäftsbetriebs der Beklagten ohne weiteres gegeben.

Die Beklagte hat durch ihre Markenanmeldung auch eine Erstbegehungsgefahr für die Nutzung ihres Zeichens zur Kennzeichnung der im Tatbestand aufgeführten Dienstleistungen (Oberbegriff: Bewirtung von Gästen) geschaffen.

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist durchschnittlich, die Zeichenähnlichkeit zwischen "Weinstein" und "Weinstein ums Eck" ist hoch. Dazu ist oben schon alles Entscheidende gesagt worden. Die mit der Klagemarke geschützte Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" hat gewisse Überschneidungen mit dem Vertrieb von Weinen und ist daher im Ähnlichkeitsbereich mit der von der Beklagten ausgeübten "Einzelhandelsdienstleistung mit Weinen" angesiedelt (BGH GRUR 2000, 883, 884 [BGH 20.01.2000 - I ZB 32/97] - Papagallo)."





OLG Frankfurt: Keine Branchennähe zwischen Haarfärbemitteln und den Dienstleistungen eines Frisiersalons und somit keine Markenrechtsverletzung

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.07.2014
6 U 45/13


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die für eine markenrechtliche Verwechlsungsgefahr erforderliche Branchennähe nicht besteht, wenn sich als Warren Haarfärbemittel einerseits und Dienstleistungen eines Frisiersalons andererseits gegenüberstehen. Aber Vorsicht: Andere Gerichte würden dies anders beurteilen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Im vorliegenden Fall stellt sich mithin die Frage, ob das Publikum der Vorstellung erliegen könnte, dass der Hersteller bzw. Vertreiber eines Haarfärbemittels zugleich Friseursalons betreibt oder umgekehrt.

Dabei hat außer Betracht zu bleiben, dass die Herstellerin des streitgegenständlichen Haarfärbemittels, die Firma A GmbH, ein umfassendes Sortiment an Haarfärbe-, Haarpflege- und Haarstylingmitteln anbietet und - unter dem Kennzeichen „A“ - … betreibt. Die Marke A steht, ebenso wie die Marke „B“ (vgl. Anlage K 26, Bl. 174 ff. d. A.) für ein umfassendes Konzept der Haarpflege und Verschönerung der Haare, welches alle hierauf bezogenen Produkte und Dienstleistungen umfasst. Da die Klagemarke jedoch nur für Haarfärbemittel benutzt wurde, kommt es darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs ein Unternehmen deshalb einen oder mehrere Friseursalons betreiben oder wirtschaftlich mit ihnen verbunden sein könnte, weil es ein Haarfärbemittel herstellt bzw. vertreibt.

Eine solche Vorstellung könnte bei den angesprochenen Verkehrskreisen geweckt werden, weil der Einsatz eines Haarfärbemittels mit gewissen Risiken verbunden sein kann, was die Haarstruktur und die erzielte Farbe angeht; der Vertreiber eines Haarfärbemittels könnte deshalb ein Interesse daran haben, den Einsatz seines Produkts den geschulten Hände eines Friseurs vorzubehalten. Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch, dass Haarfärbemittel in großem Umfang in Drogerien und Supermärkten angeboten werden. Es liegt deshalb für den Verkehr nicht nahe, dass der Vertreiber eines Haarfärbemittels Friseursalons betreibt oder wirtschaftlich mit ihnen verbunden ist, um den fachgerechten Einsatz seines Produkts sicherzustellen.

Noch weniger nahe liegt es, dass der Betreiber eines oder mehrerer Friseursalons sich entschließen könnte, ein Haarfärbemittel herzustellen bzw. herstellen zu lassen und zu vertreiben.

Zwar hat die Klägerin einen Internetauftritt eines Friseurs C (Anlage BB 3, Bl. 320 f. d. A.) vorgelegt, der dort „D“, also offenbar ein fremdes Produkt, anbietet. Dieses eine Beispiel für den Verkauf eines Haarfärbemittels durch einen Friseur über das Internet ist nicht geeignet, die Verkehrsgewohnheit zu belegen, dass Friseure auch Haarfärbemittel herstellen bzw. herstellen lassen und vertreiben. Dagegen spricht, dass sich - anders als beispielsweise die Dienstleistung des Einzelhandels und die auf sie bezogenen Waren - die Dienstleistung des Haarefärbens und das freiverkäufliche Produkt Haarfärbemittel nicht ergänzen, sondern miteinander in Konkurrenz stehen. Aus Sicht des Verkehrs gibt es zwei Möglichkeiten des Haarefärbens, und zwar entweder der Kauf eines Färbemittels und das anschließende Selberfärben oder das Färbenlassen beim Friseur. Anders ist die Situation in Bezug auf Haarpflege- und Haarstylingmittel. Da es unüblich ist, für jede Haarwäsche und jedes Styling den Friseur aufzusuchen, bieten Frisöre in aller Regel solche Produkte zum Verkauf an und erwecken unter Umständen den Eindruck, mit den Produzenten wirtschaftlich verbunden zu sein oder auch den Eindruck, selbst der Hersteller zu sein, wie die Klägerin dies in Bezug auf die Friseurkette E belegt hat (Bl. 548 f. d. A.); dieses Unternehmen bietet ausweislich der Internetauftritte der Drogerien Douglas und Rossmann allerdings keine Haarfärbemittel an.

Es liegt daher eine Waren- und Dienstleistungsunähnlichkeit vor, die die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausschließt."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: