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LG Nürnberg: Autohändler erhält 20 Prozent Wertersatz wenn Käufer sein Widerrufsrecht nach der Erstzulassung ausübt

LG Nürnberg
Urteil vom 23.04.2025
16 O 5436/24


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass ein Autohändler 20 Prozent Wertersatz erhält, wenn der Käufer sein Widerrufsrecht nach der Erstzulassung ausübt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Bei der Berechnung zugrundezulegen ist dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Händlerverkaufspreis.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 357a Abs. 1 BGB, wonach der Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust der Ware zu leisten hat. Der Begriff Wertverlust bedeutet die Verringerung des materiellen Werts einer Sache. Der materielle Wert einer Sache drückt sich in ihrem Verkehrswert aus (Senat BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307 Rn. 41). Der Verkehrswert, für den der objektive Wert der Sache maßgeblich ist (Senatsurteil, Rn. 43), ist der Preis, den ein durchschnittlicher Empfänger auf dem für ihn maßgeblichen Ankaufsmarkt hätte zahlen müssen, um die Ware zu erlangen (BeckOGK/Mörsdorf, 1.6.2022, BGB § 357a Rn. 33; Hampe BKR 2021, 709 (710)). Dieser Preis ist für den Käufer eines Kraftfahrzeugs der Händlerverkaufspreis, weil für ihn der Markt der gewerblichen Kraftfahrzeugverkäufer maßgeblich ist. Hingegen hat für ihn der Händlereinkaufspreis keine Bedeutung, weil dieser den Wert beschreibt, den ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler im Durchschnitt bereit ist, für den Ankauf eines vergleichbaren, gebrauchten Fahrzeugs zu bezahlen, und dieser Markt dem Verbraucher verschlossen ist (Hampe BKR 2021, 709 (710)).

Nach § 357a Abs. 1 Nr. 1 BGB schuldet der Verbraucher Wertersatz für einen Wertverlust der Ware, sofern der Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist. In diesem Fall verliert der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht, haftet aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware. Damit soll der Wertersatzanspruch den Nachteil ausgleichen, den der Unternehmer dadurch erleidet, dass er die Ware nur zu einem reduzierten materiellen Wert zurückerhält, obwohl dieser Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist. Aufgrund dieses Wertverlusts ist es dem Unternehmer nicht mehr möglich, die Ware zu dem objektiven Wert zu verkaufen, den die Ware hätte, wenn der Verbraucher nur einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware notwendigen Umgang mit der Sache vorgenommen hätte. Damit ist dem Unternehmer hinsichtlich des Gegenstands aufgrund des Wertverlusts zumindest teilweise die Gewinnmöglichkeit genommen, die ihm nach dem Regelungsziel des § 357 VII BGB aF (nunmehr § 357a Abs. 1 BGB) der Verbraucher zu ersetzen hat.

Ein Abstellen auf den objektiven Wert der Ware ohne Gewinnanteil ist nicht zur effektiven und zweckentsprechenden Gewährleistung des Rechts zum Widerruf geboten (vgl. OLG Stuttgart WM 2022, 771 = BeckRS 2021, 39566 Rn. 51). Denn eine gesetzliche Bestimmung, die den Verbraucher verpflichtet, den Wertverlust auszugleichen, der an der Kaufsache eingetreten ist, beeinträchtigt das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht. Mit § 357 VII BGB aF hat der nationale Gesetzgeber Art. 14 II RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung RL 93/13/EWG des Rates und RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung RL 85/577/EWG des Rates und RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011 L 304, 64) umgesetzt. Deren Erwägungsgrund 47 hebt ausdrücklich hervor, dass der Verbraucher zwar sein Widerrufsrecht nicht verlieren soll, wenn er die Ware in einem größeren Maß genutzt hat, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre, er aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware haften soll, ohne dass diese Verpflichtung ihn allerdings davon abhalten soll, sein Widerrufsrecht auszuüben. Nähere Einzelheiten zur Bemessung des Wertverlusts sieht die Richtlinie nicht vor. Dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird, wenn sich der Wertersatzanspruch im Ausgangspunkt nach dem Händlerverkaufspreis bemisst, ist indes nicht erkennbar und wird auch weder von der Anschlussrevision noch von der Gegenmeinung näher begründet. Gleiches gilt nunmehr auch für § 357a BGB.

Etwas anderes würde auch dem in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union verankerten gemeinsamen Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung zuwiderlaufen, der vom EuGH als einer der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts anerkannt worden ist (vgl. EuGH ECLI:ECLI:EU:C:2020:530 = BeckRS 2020, 15223 Rn. 82 – Tschechische Republik/Kommission). Nach diesem Grundsatz hat eine Person, die einen Verlust erlitten hat, der zu einem Vermögenszuwachs bei einer anderen Person geführt hat, ohne dass ein gültiger Rechtsgrund für diese Bereicherung besteht, gegen den Bereicherten einen Herausgabeanspruch bis zur Höhe dieses Verlusts. Der Verbraucher wäre aber ungerechtfertigt bereichert, wenn er die Ware über einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendigen Umfang nutzt, den dadurch entstandenen Wertverlust aber nur teilweise ausgleichen müsste (BGH, Urteil vom 25.10.2022 – XI ZR 44/22; NJW 2023, 910 Rn. 60-69, beck-online).

2. Durch die Zulassung des KfZ ist ein erheblicher Wertverlust eingetreten, welcher mit 20% anzusetzen ist (BT-Drucksache 14/16040, S. 199). Die Höhe des Wertverlustes ist gemäß § 287 ZPO zu schätzen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2021, 49 Rn. 33; BKR 2021, 711 Rn. 65, beck-online).

Ein Wertersatzanspruch besteht auch bei einem nur unerheblichen Gebrauch der Sache, wenn dieser zur Prüfung nicht erforderlich war (Grüneberg BGB, 84. Auflage 2025, § 357a, Rn. 3). Auch die Höhe des Wertverlustes von 20% ist nicht zu beanstanden. Ein solcher ist sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung als angemessen angesehen worden. Anhaltspunkte hiervon abzuweichen, hat das Gericht nicht. Aus Sicht des Gerichts ist daher, auch mangels vorgetragener Anhaltspunkte, eine Schätzung durch das Gericht möglich. Ein Sachverständigengutachten war nicht zu erholen. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum ein Elektrofahrzeug einen geringeren Wertverlust durch die Erstzulassung erleiden sollte, als ein Verbrenner. Tragfähige Argumente hat die Klagepartei hierfür nicht vorgetragen. Das Gericht nimmt daher in Übereinstimmung mit der Literatur und Rechtsprechung einen solchen von 20% an.

Ein Kfz darf, wie im stationären Kfz-Handel üblich, über eine kurze Strecke Probe gefahren werden. Eine den Wert des Kfz erheblich mindernde dauerhafte Zulassung des Kfz hat in diesem Zusammenhang aber zu unterbleiben, weil die Probefahrt alternativ auf Privatgelände oder – naheliegender – unter Verwendung einer vorübergehenden Zulassung gem. § 16 FZV (rotes Kennzeichen) erfolgen kann (BeckOGK/Mörsdorf, 1.8.2024, BGB § 357a Rn. 20, beck-online). Vorliegend hat die Beklagte die Möglichkeit eröffnet, ein ähnliches Fahrzeug Probe zu fahren, wie der Fahrzeugbestellvertrag auf S. 2 (Anlage K1) zeigt.

Wenn der Kunde – wie vorliegend – hingegen zwecks Prüfung der Ware Maßnahmen ergreift, die ihm im stationären Handel nicht zur Verfügung stünden, verpflichtet ihn dies grundsätzlich zum Wertersatz (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 55/15, Rn. 21 ff. – juris). Dies ist im Fall einer Zulassung des Fahrzeugs zu bejahen, denn in diesem Fall stünde dem Kunden, hier dem Kläger, die Möglichkeit einer Probefahrt, jedoch nicht der Zulassung, zur Verfügung.

3. Die Beklagte hat den Kläger auch gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB ordnungsgemäß belehrt. Insbesondere ist eine konkrete Belehrung darüber, dass der Pkw durch die Zulassung einen Wertverlust erleidet, nicht erforderlich. Der Verbraucher muss jedoch deutlich und unmissverständlich darüber informiert werden, dass er im Fall des Widerrufs die durch die übermäßige Nutzung entstandene Verschlechterung zu ersetzen hat. Dabei genügt die Verwendung des Textes der Musterwiderrufsbelehrung, damit genügt der Unternehmer den gesetzlichen Anforderungen (Grüneberg, BGB, 84. Auflage 2025, § 357a, Rn. 4).

Die Beklagte hat den Text der Musterwiderrufsbelehrung verwendet, sodass sie ihren gesetzlichen Belehrungspflichten genügt und eine weitere Information nicht erforderlich war. Das Argument der Klagepartei, dass in der Widerrufsbelehrung geschrieben wird, dass bei Widerruf des Vertrags alle Zahlungen, die die Beklagte vom Kläger erhalten hat, einschließlich der Lieferkosten unverzüglich zurückzuzahlen sind, verfängt dabei nicht. Denn die Beklagte hat entsprechend des Textes der Musterwiderrufsbelehrung auf den Wertersatzanspruch hingewiesen.

4. Auch der vom Kläger angeführte, jedoch nicht nachgewiesene, Weiterverkauf des Fahrzeugs durch die Beklagte für einen Betrag von 43.400,00 € führt zu keiner anderen Beurteilung.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte das Fahrzeug zum genannten Preis weiterveräußert hat, spielt dies für die Wertersatzpflicht des Klägers keine Rolle.

Denn maßgeblich ist bei der Rückgabe des Fahrzeugs an die Beklagte der Händlereinkaufspreis. Entscheidend ist, dass es sich hierbei um den Preis handelt, zu dem der Verbraucher das Fahrzeug veräußern kann (OLG Schleswig BKR 2021, 708 Rn. 52; Müller-Christmann jurisPR-BKR 6/2022 Anm. 4). Dieser Preis stellt zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rückgabe auch den Wert des Fahrzeugs für den Händler dar. Demgegenüber beinhaltet der Händlerverkaufspreis neben der Gewinnmarge, die auch die Allgemeinkosten des Händlers und seine Bemühungen um den Weiterverkauf des Fahrzeugs abdeckt (zB Erstellung der Verkaufsanzeigen, Zeitaufwand für Verkaufsgespräche und Probefahrten), auch die Kosten eines gewerblichen Händlers, die er vor einem Weiterverkauf zwecks besserer Verkäuflichkeit aufwendet, wie zB für die Aufbereitung des Fahrzeugs (Hampe BKR 2021, 709 (711)). Zudem ist der Preis bei Verkauf eines Gebrauchtwagens durch einen Händler schon deshalb höher, weil dem Käufer bei Fahrzeugerwerb von einem gewerblichen Händler Gewährleistungsrechte zustehen, die bei einem Kauf von einem Privatverkäufer regelmäßig ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 25.10.2022 – XI ZR 44/22; NJW 2023, 910 Rn. 79, beck-online).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankenthal: Handwerker hat bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und unterbliebener Widerrufsbelehrung keinen Anspruch auf seine Vergütung

LG Frankenthal
Urteil vom 15.04.2025
8 O 214/24


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass ein Handwerker bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und unterbliebener Widerrufsbelehrung keinen Anspruch auf seine Vergütung hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Gartenbauer den gesamten Lohn

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Die für Bausachen zuständige Kammer hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen.

Im April 2024 bestellte der Besitzer eines im Landkreis Bad Dürkheim gelegenen großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.

Die Kammer gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so die Kammer unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 17. Mai 2023, Az. C-91/22).

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken möglich.

Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 15.04.2025, Az. 8 O 214/24


OLG Stuttgart: Kein Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz nach Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts durch Verbraucher bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

OLG Stuttgart
Urteil vom 08.04.2025
6 U 126/24


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass kein Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz nach Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts durch einen Verbraucher bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit dem bezifferten Gegenanspruch in Höhe von 28.270,00 € hat keinen Erfolg, weil der Kläger nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz für den am Fahrzeug eingetretenen Wertverlust zu leisten hat.

aa) Der Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz setzt gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.

Soweit der Bundesgerichtshof für den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages im Fall des Verbunds mit einem im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag entschieden hat, dass die Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht abhängt, sondern nur von einer Unterrichtung des Verbrauchers über eine mögliche Wertersatzpflicht (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 –, Rn. 31 ff., juris), beruht das auf den Besonderheiten der Regelung verbundener Verträge und kann nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der Anspruch auf Wertersatz voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat. Diese Regelung setzt Art. 14 Abs. 2 Satz 2 der Verbraucherrechterichtlinie um, wonach der Verbraucher in keinem Fall für den Wertverlust der Waren haftet, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Die Belehrung ist nur dann „gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h“ der Richtlinie erfolgt, wenn die Belehrung unter Beachtung der dort geregelten Vorgaben erteilt wurde. Soweit in Erwägungsgrund 43 der Verbraucherrechterichtlinie ausgeführt wird, dass sich die Widerrufsfrist verlängern sollte, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht informiert, folgt daraus nicht, dass die Richtlinie an eine unzureichende Belehrung keine weiteren Rechtsfolgen knüpft.

Diese vom Gesetz eindeutig angeordnete Befreiung des Verbrauchers von einer Ersatzpflicht kann auch nicht unter Hinweis darauf korrigiert werden, der Verlust der Wertersatzpflicht stelle angesichts der bloß fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine unverhältnismäßige Sanktion dar. Sind die Mängel der Belehrung so gewichtig, dass sie sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten einzuschätzen auswirken, ist die fehlerhafte Belehrung der gänzlich fehlenden Belehrung gleichzustellen, was nach dem Gesetz zur Folge hat, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt und der Verbraucher nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz zu leisten hat. Auch der Einwand, die Regelung widerspreche dem allgemeinen Verbot ungerechtfertigter Bereicherung, greift nicht durch (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22 –, juris).

Leidet die Widerrufsbelehrung des Unternehmers an Mängeln, die den Lauf der Widerrufsfrist hindern, steht das auch dem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 – VII ZR 133/24 –, Rn. 37, juris; BeckOGK/Mörsdorf, 1.8.2024, BGB § 357a Rn. 32, beck-online; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 71. Ed. 1.2.2025, BGB § 357a Rn. 11, beck-online; MüKoBGB/Fritsche, 9. Aufl. 2022, BGB § 357a Rn. 14, beck-online; Koch in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 357a BGB, Rn. 11, a. A. Nordholz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497).

bb) Für die Auffassung der Beklagten, der Kläger müsse in jedem Fall den innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist verursachten Wertverlust ersetzen, bietet das Gesetz keine Grundlage. Sind die Anspruchsvoraussetzungen nach § 357a Abs. 1 BGB nicht erfüllt, scheidet ein Anspruch auf Wertersatz insgesamt aus.

cc) Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, nach denen es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, wenn sich der Kläger auf den gesetzlich angeordneten Wegfall der Wertersatzpflicht beruft. Im Hinblick auf den hier zu beurteilenden, bis zum Widerruf eingetretenen Wertverlust ergibt sich das insbesondere nicht daraus, dass der Kläger das Fahrzeug weiter im Besitz hat und nutzen kann, denn das ist Folge der verweigerten Annahme des Fahrzeugs durch die Beklagte und betrifft allenfalls Ansprüche der Beklagten auf Ausgleich von Verschlechterungen nach dem Widerruf.

j) Infolge des wirksamen Widerrufs hat der Kläger deshalb gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB Anspruch auf Erstattung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 64.970,00 € nebst den ab Rechtshängigkeit beantragten Zinsen (§ 291 BGB). Dass der Leistungsaustausch Zug um Zug erfolgt, beruht auf dem Antrag des Klägers (§ 308 Abs. 1 Satz1 ZPO).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Bei fehlender Belehrung über Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenem Dienstleistungsvertrag muss Kunde nach Widerruf schon erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen

EuGH
Urteil vom 17.05.2023
C-97/22
Widerruf nach Vertragserfüllung)


Der EuGH hat entschieden, dass bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, der Kunde nach Widerruf bereits erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen muss.

Tenor der Entscheidung:

Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht: Widerruft ein Verbraucher einen bereits erfüllten, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, so ist er von jeder Zahlungspflicht befreit

Der Unternehmer muss somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.

Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Das Unternehmen versäumte es jedoch, ihn über das Widerrufsrecht zu unterrichten, das dem Verbraucher grundsätzlich während 14 Tagen zusteht, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war.

Nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen legte das Unternehmen dem Verbraucher die entsprechende Rechnung vor. Dieser beglich die Rechnung nicht, sondern widerrief den Vertrag. Er macht geltend, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Vergütung habe, da es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist (die sich bei einem solchen Versäumnis um ein Jahr verlängere) ausgeführt worden seien.

Das mit einem Rechtsstreit über diesen Anspruch befasste deutsche Gericht vertritt die Auffassung, dass ein Verbraucher nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, die zur Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher erlassen worden seien, nicht für die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbrachte Dienstleistung aufzukommen brauche, wenn der Unternehmer es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten.

Das deutsche Gericht fragt sich jedoch, ob diese Richtlinie jeglichen Anspruch des Unternehmers auf „Wertersatz“ auch dann ausschließt, wenn dieser Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags ausgeübt hat. Auf diese Weise könnte der Verbraucher nämlich einen Vermögenszuwachs erlangen, was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe. Das deutsche Gericht hat daher den Gerichtshof ersucht, die Richtlinie unter diesem Gesichtspunkt auszulegen.

Mit seinem Urteil vom heutigen Tag beantwortet der Gerichtshof dieses Ersuchen dahingehend, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in dem besonderen Kontext des Abschlusses eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In diesem Kontext steht der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher ist die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete indessen in Gefahr, falls zugelassen würde, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: § 656 Abs. 1 BGB nicht auf Online-Partnervermittlung anwendbar wenn Leistung im wesentlichen in Zugang zu Internetplattform besteht

BGH
Urteil vom 17.06.2021
III ZR 125/19
Online-Partnervermittlungsvertrag
BGB § 656 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass § 656 Abs. 1 BGB nicht auf eine Online-Partnervermittlung anwendbar ist, wenn die Leistung im wesentlichen aus dem unbeschränkten Zugang zur vom Anbieter betriebenen Internetplattform besteht.

Leitsatz des BGH:

§ 656 Abs. 1 BGB ist auf einen Vertrag über eine Online-Partnervermittlung, bei der
die Leistungspflicht des Partnervermittlers vor allem darin besteht, Kunden einen unbeschränkten Zugang zu seiner Internetplattform zu gewähren, auf der die Kunden aus
eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können, und bei der
die Partnervorschläge des Partnervermittlers allein auf einem elektronischen Abgleich
der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden beruhen, nicht entsprechend anwendbar (Abgrenzung von Senat, Urteile vom 4. März 2004 - III ZR 124/03,
NJW-RR 2004, 778, 779 und vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982
Rn. 21; BGH, Urteil vom 11. Juli 1990- IV ZR 160/89, BGHZ 112, 122, 126).

BGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - III ZR 125/19 - LG Hamburg - AG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verwender gesetzlicher Muster-Widerrufsbelehrung kann sich nicht auf Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen wenn Verbraucher durch weitere unzutreffende Belehrung irregeführt wird

BGH
Urteil vom 20.05.2021
III ZR 126/19
Unwirksamkeit einer Widerrufsbelehrung
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass sich der Verwender der gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung sich nicht auf die Schutzwirkung von Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen kann, wenn der Verbraucher durch eine weitere formal oder inhaltlich unzutreffende Belehrung irregeführt wird.

Leitsatz des BGH:

Ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zum EGBGB verwendet, kann sich auf die Schutzwirkung des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nicht berufen, wenn der Verbraucher durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einer rechtzeitigen Ausübung seines Rechts abgehalten wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14, juris Rn. 11 sowie Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 2. April 2019 - XI ZR 463/18, juris).

BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - III ZR 126/19 - LG Hamburg - AG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Kunde von Partnervermittlung verliert sein Widerrufsrecht nicht wenn Anbieter Partnervorschläge zusammenstellt - Wertersatz ist zeitanteilig zu berechnen

BGH
Urteil vom 06.05.2021
III ZR 169/20


Der BGH hat entschieden, dass der Kunde einer Partnervermittlung sein Widerrufsrecht nicht verliert, wenn der Anbieter Partnervorschläge zusammenstellt. Ein etwaiger Wertersatz ist im Regelfall zeitanteilig zu berechnen

Die Pressemitteilung des BGH:
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrags

Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat hat heute entschieden, dass der Kunde einer Partnervermittlungsagentur sein Widerrufsrecht nicht dadurch verliert, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als "Hauptleistung" bestimmt ist; zudem ist der Wertersatzanspruch der Partnervermittlungsagentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen.

Sachverhalt:

Die Klägerin schloss in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag. In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als "Hauptleistung" 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten" 10% des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330 €. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin "kündigte" daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der 8.330 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte hingegen zur Rückzahlung verurteilt. Von der Klageforderung seien aber 1.191 € abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 € gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Klägerin kann den Großteil des an die Beklagte geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf war wirksam.

Das Widerrufsrecht der Klägerin war nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte.

Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, dass die Beklagte ihre Leistung vollständig erbracht hatte. Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht der Beklagten. Vielmehr ist für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, nach denen die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der Vertragsgegenstand nicht verändert werden.

Der Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB ist jedenfalls geringer als der Betrag, den das Berufungsgericht von der Klageforderung abgezogen hat. Für die Berechnung dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB sowie seine Rechtsfolgen auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 € übersteigt. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht jedoch vor.

Vorinstanzen:

LG Aachen - Urteil vom 23. Oktober 2019 - 8 O 332/18

OLG Köln - Urteil vom 25. Juni 2020 - 21 U 107/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. [...]

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist [...]

§ 312g BGB Widerrufsrecht

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. [...]

§ 355 BGB Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. [...]

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. [...]

§ 357 BGB Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen

[...]

(8) Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen [...], so schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Der Anspruch aus Satz 1 besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert hat. [...]

Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020:

C-641/19, NJW 2020, 3773



BGH: Aushändigung der Widerrufsbelehrung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen bei vorzeitigem Beginn mit Dienstleistung und der Wertersatz

BGH
Urteil vom 26.11.2020
I ZR 169/19
BGB § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 3 und 4, § 357 Abs. 8; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1

Leitsätze des BGH:


a) Der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen setzt nicht nur voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat, sondern erfordert darüber hinaus, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Informationen gemäß Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Zu diesen Informationen gehört auch diejenige über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB.

b) § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB fordert für den Verlust des Widerrufsrechts eine Erklärung des Verbrauchers, dass er Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer hat. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss zwar erteilt, die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB jedoch nicht ausgehändigt hat.

c) Hat der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB nicht ausgehändigt, steht ihm kein Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung zu.

BGH, Urteil vom 26. November 2020 - I ZR 169/19 - OLG Hamm - LG Münster

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Bei Vertrag mit Online-Partnervermittlung Parship besteht gesetzliches Widerrufsrecht - Wertersatzanspruch des Anbieters bei Beginn vor Ablauf der Widerrufsfrist ist zeitanteilig zu berechnen

EuGH
Urteil vom 08.10.2020
C‑641/19
EU gegen PE Digital GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass bei einem Vertrag mit einer Online-Partnervermittlung wie Parship das gesetzliche Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge besteht. Der Wertersatzanspruch des Anbieters bei Beginn mit den Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist ist zeitanteilig zu berechnen

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass zur Bestimmung des anteiligen Betrags, den der Verbraucher an den Unternehmer zu zahlen hat, wenn er ausdrücklich verlangt hat, dass die Ausführung des geschlossenen Vertrags während der Widerrufsfrist beginnt, und dann den Vertrag widerruft, grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen ist. Nur wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, ist bei der Berechnung des dem Unternehmer nach Art. 14 Abs. 3 dieser Richtlinie zustehenden Betrags der volle für eine solche Leistung vorgesehene Preis zu berücksichtigen.

2. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 im Licht deren 50. Erwägungsgrundes ist dahin auszulegen, dass für die Beurteilung, ob der Gesamtpreis im Sinne dieser Bestimmung überhöht ist, der Preis für die Dienstleistung, den der betreffende Unternehmer anderen Verbrauchern unter den gleichen Bedingungen anbietet, sowie der Preis einer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von anderen Unternehmern erbrachten gleichwertigen Dienstleistung zu berücksichtigen sind.

3. Art. 16 Buchst. m in Verbindung mit Art. 2 Nr. 11 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass die Erstellung eines Persönlichkeitsgutachtens auf einer Partnervermittlungs-Website auf der Grundlage eines auf dieser Website durchgeführten Persönlichkeitstests keine Lieferung „digitaler Inhalte“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH: Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Onlinekauf einer Matratze auch wenn versiegelte Schutzfolie entfernt wird

BGH
Urteil vom 03.07.2019
VIII ZR 194/16
BGB § 312g Abs. 1, 2 Nr. 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Onlinekauf einer Matratze auch wenn versiegelte Schutzfolie entfernt wird über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Schließt ein Verbraucher mit einem Online-Händler einen Kaufvertrag über eine neue Matratze, die ihm mit einer Schutzfolie versiegelt geliefert wird, handelt es sich hierbei nicht um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dem Verbraucher steht daher auch dann das Recht zu, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen, wenn er die Schutzfolie entfernt hat.

BGH, Urteil vom 3. Juli 2019 - VIII ZR 194/16 - LG Mainz - AG Mainz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Onlinekauf einer Matratze auch wenn versiegelte Schutzfolie entfernt wird

BGH
Urteil vom 03.07.2019
VIII ZR 194/16


Der BGH hat nach der Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen (siehe dazu EuGH: Verbraucher hat Widerrufsrecht bei Onlinekauf einer Matratze auch wenn dieser Schutzfolie entfernt - aber ggf Anspruch auf Wertersatz) entsprechend entschieden, das ein Verbraucher beim beim Onlinekauf einer Matratze auch dann ein Widerrufsrecht hat, wenn die versiegelte Schutzfolie entfernt wird.

Die Pressemitteilung des BGH:

Widerrufsrecht des Verbrauchers auch bei Online-Matratzenkauf

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Beklagte ist eine Online-Händlerin, die unter anderem Matratzen vertreibt. Der Kläger bestellte zu privaten Zwecken über die Website der Beklagten eine Matratze zu einem Kaufpreis von 1.094,52 €, die ihm mit einer versiegelten Schutzfolie geliefert wurde.

In der Rechnung der Beklagten vom 26. November 2014 wurde auf dort abgedruckte Allgemeine Geschäftsbedingungen hingewiesen, in denen auch eine "Widerrufsbelehrung für Verbraucher" enthalten ist. Dort ist unter anderem ausgeführt, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, vorzeitig erlischt, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Nach Erhalt der Matratze entfernte der Kläger die Schutzfolie.

Der Kläger bat die Beklagte mit E-Mail vom 9. Dezember 2014 um die Vereinbarung eines Termins zum Rücktransport, da er die Matratze zurücksenden wolle. Da die Beklagte den erbetenen Rücktransport nicht veranlasste, gab der Kläger den Transport selbst zu Kosten von 95,59 € in Auftrag.

Die auf Erstattung des Kaufpreises und der Transportkosten, insgesamt 1.190,11 €, nebst Zinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es sich bei einer Matratze nicht um einen Hygieneartikel im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB handele, so dass der Widerruf auch nach dem Entfernen der Schutzfolie durch den Kläger nicht ausgeschlossen gewesen sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) unter anderem die Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt, ob Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind, auch Waren (wie etwa Matratzen) gehören, die zwar bei bestimmungsgemäßem Gebrauch direkt mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers wieder verkehrsfähig gemacht werden können (Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – VIII ZR 194/16, NJW 2018, 453). Zugleich hat der Senat das Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es sich bei einem Kaufvertrag, den ein Verbraucher mit einem Online-Händler über eine Matratze schließt, die ihm mit einer Schutzfolie versiegelt geliefert wird, nicht um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren handelt, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene zur Rückgabe ungeeignet sind, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dem Verbraucher steht daher auch dann das Recht zu, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen, wenn er die Schutzfolie entfernt hat.

Diese Rechtsprechung folgt im Ergebnis und in der Begründung den Maßstäben, die der Gerichtshof auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 15. November 2017 hin im Urteil vom 27. März 2019 (C-681/17) vorgegeben hat. Denn die deutsche Ausnahmevorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB geht auf die gleichlautende europarechtliche Vorschrift des Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie zurück, die der deutsche Gesetzgeber vollständig in deutsches Recht umsetzen wollte.

Eine Ausnahme von dem bei Fernabsatzverträgen Verbrauchern grundsätzlich eingeräumten Widerrufsrecht ist vor allem mit Blick auf dessen Sinn und Zweck zu verneinen. Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in der besonderen Situation im Fernabsatzhandel schützen, in der er keine Möglichkeit hat, das Erzeugnis vor Abschluss des Vertrages zu sehen und seine Eigenschaften zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Nachteil soll mit dem Widerrufsrecht ausgeglichen werden, das dem Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit einräumt, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren.

Im Hinblick hierauf greift die Ausnahmeregelung nur dann ein, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist, weil der Unternehmer Maßnahmen, die sie unter Wahrung des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene wieder verkehrsfähig machten, nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ergreifen könnte.

Bei Anlegung dieses Maßstabs fällt eine Matratze, deren Schutzfolie der Verbraucher entfernt hat, nicht unter den Ausnahmetatbestand. Eine Matratze kann im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, das ebenfalls mit dem menschlichen Körper direkt in Kontakt kommen kann. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmer bezüglich beider Waren in der Lage sind, diese nach Rücksendung mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen.

Da das Berufungsgericht die Ankündigung der Rücksendung der Matratze und die Bitte um Übernahme der Transportkosten rechtsfehlerfrei als Widerrufserklärung ausgelegt hat, waren die Parteien gemäß § 355 Abs. 1 BGB nicht mehr an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen gebunden mit der Folge, dass die beklagte Online-Händlerin den Kaufpreis und die verauslagten Transportkosten an den Kläger zu erstatten hat. Die Revision der Beklagten hatte daher keinen Erfolg.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 312g BGB Widerrufsrecht

Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei Verträgen:

[…]

[…]

3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde

[…]

§ 355 BGB Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf eindeutig hervorgehen. […]

[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Mainz – Urteil vom 26. November 2015- 86 C 234/15

Landgericht Mainz – Urteil vom 10. August 2016 - 3 S 191/15



Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Auch ohne Folie zurück - EuGH: Widerrufsrecht bei Online-Matratzenkauf

In Ausgabe 7/2019, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel " Auch ohne Folie zurück - EuGH: Widerrufsrecht bei Online-Matratzenkauf gilt auch, wenn Schutzhülle entfernt wird".

Zum Thema: EuGH: Verbraucher hat Widerrufsrecht bei Onlinekauf einer Matratze auch wenn dieser Schutzfolie entfernt - aber ggf Anspruch auf Wertersatz

EuGH: Verbraucher hat Widerrufsrecht bei Onlinekauf einer Matratze auch wenn dieser Schutzfolie entfernt - aber ggf Anspruch auf Wertersatz

EuGH
Urteil vom 27.03.2019
C-681/17
slewo // schlafen leben wohnen GmbH / Sascha Ledowski

Der EuGH hat entschieden, dass ein Verbraucher ein Widerrufsrecht beim Onlinekauf einer Matratze auch dann hat, wenn dieser die Schutzfolie entfernt. Der Verkäufer hat aber ggf. einen Anspruch auf Wertersatz. Die Ausnahmevorschrift wonach versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde, greift - so der EuGH - nicht.

Tenor der Entscheidung:

Art. 16 Buchst. e der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, nicht unter den Begriff „versiegelte Waren …, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“ im Sinne dieser Vorschrift fällt.




Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Widerrufsrecht der Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs gilt für eine Matratze, deren Schutzfolie nach der Lieferung entfernt wurde

Wie bei einem Kleidungsstück kann davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer in der Lage ist, die Matratze mittels einer Reinigung oder Desinfektion wieder verkehrsfähig zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde Herr Sascha Ledowski kaufte über die Website des deutschen Onlinehändlers slewo eine Matratze. Nach Erhalt der Ware entfernte er die Schutzfolie, mit der die Matratze versehen war. Sodann sandte er die Matratze an slewo zurück und verlangte die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 1 094,52 Euro und der Rücksendekosten.

Nach Auffassung von slewo konnte Herr Ledowski das Widerrufsrecht, das dem Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs normalerweise 14 Tage lang zusteht, nicht ausüben. Die Verbraucherschutzrichtlinie schließe nämlich das Widerrufsrecht für „versiegelte Waren …, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“, aus.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie. Insbesondere möchte er wissen, ob eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, unter den in der Richtlinie vorgesehenen Ausschluss fällt.

Mit seinem heutigen Urteil verneint der Gerichtshof diese Frage. Folglich ist der Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts gehindert, weil er die Schutzfolie einer im Internet gekauften Matratze entfernt hat.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation eines Verkaufs im Fernabsatz schützen soll, in der er keine Möglichkeit hat, die Ware vor Vertragsabschluss zu sehen. Es soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren,
soweit dies erforderlich ist, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise festzustellen.

Was den hier in Rede stehenden Ausschluss anbelangt, ist es die Beschaffenheit einer Ware, die die Versiegelung ihrer Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen rechtfertigen kann. Die Entfernung der Versiegelung der Verpackung einer solchen Ware lässt daher die Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen.

Wenn bei einer solchen Ware die Versiegelung der Verpackung vom Verbraucher entfernt wurde und daher ihre Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen ist, kann sie möglicherweise nicht mehr von einem Dritten verwendet und infolgedessen nicht wieder in den Verkehr gebracht werden.

Eine Matratze wie die hier in Rede stehende, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, fällt nach Auffassung des Gerichtshofs nicht unter die fragliche Ausnahme vom Widerrufsrecht.

Zum einen ist nämlich nicht ersichtlich, dass eine solche Matratze, auch wenn sie möglicherweise schon benutzt wurde, allein deshalb endgültig nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht erneut in den Verkehr gebracht werden kann. Insoweit genügt der Hinweis, dass ein und dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen dient, ein Markt für gebrauchte Matratzen besteht und gebrauchte Matratzen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden können. Zum anderen kann eine Matratze im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, d. h. mit einer Warenkategorie, für die die Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorsieht. Eine solche Gleichsetzung kommt insofern in Betracht, als selbst bei direktem Kontakt dieser Waren mit dem menschlichen Körper davon ausgegangen werden kann, dass der Unternehmer in der Lage ist, sie nach der Rücksendung durch den Verbraucher mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde.

Der Gerichtshof betont allerdings, dass der Verbraucher gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust einer Ware haftet, der auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang zurückzuführen ist, ohne dass er deshalb sein Widerrufsrecht verlöre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Hamm: Bei Widerruf eines Vertrages über Vermittlung von Ehrendoktor muss Wertersatz in Höhe des Vertragsentgelts geleistet werden

OLG Hamm
Urteil vom 23.08.2017
12 U 111/16


Das OLG Hamm hat entschieden, dass bei Widerruf eines Vertrages über Vermittlung von Ehrendoktorwürde ggf. Wertersatz in Höhe des Vertragsentgelts geleistet werden muss.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Wertersatz für vermittelten Ehrendoktor entspricht Vertragsentgelt

Kann ein Kunde empfangene Dienstleistungen - im vorliegenden Fall zur Unterstützung des Erwerbs einer Ehrendoktorwürde - nach dem wirksamen Widerruf des Dienstvertrages nicht herausgeben, kann er Wertersatz in Höhe des vereinbarten Vertragsentgeltes schulden. Das hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm 23.08.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum vom 20.07.2016 (Az. 2 O 28/16 LG Bochum) im Ergebnis bestätigt.

Die klagende Gesellschaft aus Köln bietet ihren Kunden gewerblich die Unterstützung beim Erwerb von Doktor-, Ehrendoktor-und Professorentiteln an. Sie hat einen Kunden aus Bochum verklagt, der - zuvor an der Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte beteiligt - im Jahre 2015 den Erwerb einer Ehrendoktorwürde wünschte. Für Vermittlungsleistungen der Klägerin sah das von der Klägerin dem Beklagten übergebene Vertragsformular ein Honorar von brutto 17.850 Euro vor.

Die Klägerin vermittelte dem Beklagten in der Folgezeit den Kontakt zu einer rumänischen Universität, die bereit war, dem Beklagten in einer Zeremonie den Titel "Dr. h.c." zu verleihen. Zu der Verleihung der Ehrendoktorwürde reisten der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte im November 2015 gemeinsam nach Rumänien. Die danach von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung beglich der Beklagte nicht und erklärte den Widerruf des abgeschlossenen Vertrages.

Gegen die von der Klägerin daraufhin erhobene Zahlungsklage hat der Beklagte eingewandt, den Vertrag nicht selbst unterzeichnet, ihn jedenfalls wirksam widerrufen zu haben. Zudem hat er gemeint, dass dieser - weil auf das Erlangen eines Doktortitels ohne wissenschaftliche Leistung gerichtet - sittenwidrig sei. Die Zahlungsklage der Klägerin war erfolgreich.

Zwischen den Parteien sei, so der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, zunächst ein Dienstvertrag zustande gekommen. Das an ihn gerichtete Vertragsangebot der Klägerin habe der Beklagte zumindest durch schlüssiges Verhalten angenommen, indem er nach Erhalt des Vertragsangebotes die Vermittlungsleistungen der Klägerin in Anspruch genommen habe. Darauf, ob er das Angebot auch selbst unterzeichnet habe, komme es insoweit nicht an.

Der abgeschlossene Vertrag sei nicht sittenwidrig. Die Klägerin habe sich zu Unterstützungsleistungen beim Erwerb eines akademischen Titels verpflichtet, die der Beklagte im Erfolgsfalle habe bezahlen müssen. Dieser Vertrag sei kein entgeltliches Geschäft über das Verschaffen öffentlicher Ämter und Titel, mit ihm habe sich die Klägerin auch nicht verpflichtet,
dem Beklagten behilflich zu sein, sich gegen Geld einen akademischen Grad zu verschaffen. Zudem habe der für die Sittenwidrigkeit

beweispflichtige Beklagte auch nicht dargelegt, dass für das Verleihen der Ehrendoktorwürde ein Entgelt an die rumänische Universität gezahlt worden sei. Vielmehr seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass zum Erlangen des Titels (jedenfalls auch) eine gewisse wissenschaftliche Leistung des Beklagten erforderlich sei. Eine sich aus der vereinbarten Vergütungshöhe ergebende Sittenwidrigkeit habe der Beklagte ebenfalls nicht ausreichend vorgetragen. Ihren Entgeltanspruch könne die Klägerin allerdings nicht mehr auf die vertragliche Vergütungsabsprache stützen. Der Beklagte habe nämlich von dem ihm im Vertrag eingeräumten Recht, den Vertrag innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen, wirksam Gebrauch gemacht. Die in den Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Klausel zum Beginn der Widerrufsfrist sei unwirksam. Die Klausel stelle im Hinblick auf den Beginn der Widerrufsfrist auf die Erfüllung von Informationspflichten nach einer bei Vertragsschluss so nicht existierende Norm ab. Das benachteilige einen Kunden unangemessen, da dieser allein mit dem Hinweis auf die Norm den Beginn der Widerrufsfrist nicht überprüfen könne. Aus diesem Grunde sei die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden, so
dass der Beklagte seine Zustimmung zu dem Vertrag noch nach Rechnungstellung habe widerrufen können.

Der wirksame Widerruf führe zu einem Wegfall der primären Leistungspflichten. Die im Vertrag als primäre Leistung des Beklagten vereinbarte Vergütung schulde er daher nicht mehr. Dafür sei der Beklagte allerdings verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Da der Beklagte nicht in der Lage sei, die Unterstützungsleistungen der Klägerin herauszugeben, schulde er insoweit Wertersatz. Bei der Berechnung des Wertersatzes sei wiederum die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen. Dass im vorliegenden Fall hiervon ausnahmsweise zu Gunsten des Beklagten abzuweichen sei, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte schulde der Klägerin daher als Wertersatz den ursprünglich vereinbarten Bruttobetrag von 17.850 Euro.

OLG Hamburg: Online-Partnervermittlung Parship kann vom Verbraucher Wertersatz nach Ausübung des Widerrrufsrechts verlangen

OLG Hamburg
Urteil vom 02.03.2017
3 U 122/14


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Online-Partnervermittlung Parship vom Verbraucher, der seinen Vertrag widerruft, Wertersatz verlangen kann. Eine entsprechende Klausel in den AGB von Parship, wonach die Berechnung anhand einer Gesamtpauschale erfolgt, ist nach Ansicht des OLG Hamburg ebenfalls nicht zu beanstanden.

Obwohl die Rechtsprechung umstritten ist, hat das OLG Hamburg die Revision zum BGH leider nicht zugelassen.