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Filesharing-Abmahnung Frommer Legal für Warner Bros. Entertainment Inc. - Barbie Film - Ruhe bewahren und richtig reagieren

Seit vielen Jahren ein Dauerbrenner in unserer Kanzlei sind Filesharing-Abmahnungen der Rechtsanwälte Frommer Legal (vormals Waldorf Frommer) für Warner Bros. Entertainment Inc. und andere Rechteinhaber.

Derzeit steht insbesondere der Film "Barbie" im Fokus.

Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen, da andernfalls noch höhere Kosten drohen.

Dabei ist es wichtig, richtig auf die Abmahnung zu reagieren und die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten.

BGH: Zur unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften zur Deckelung des Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 3 UrhG und der Billigkeitsklausel in § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG

BGH
Urteil vom 01.09.2022
I ZR 108/20
Riptide II
UrhG § 97 Abs. 2 Satz 1, § 97a Abs. 3; Richtlinie 2004/48/EG Art. 14


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften zur Deckelung des Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 3 UrhG und der Billigkeitsklausel in § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG geäußert (siehe auch zum Thema EuGH: Deckelung der Abmahnkosten in § 97a Abs. 3 UrhG mit Art. 14 der EU-Richtlinie 2004/48/EG (Enforcement-Richtlinie) vereinbar und unionsrechtskonform )

Leitsätze des BGH:
a) Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG, nach der für die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen in einer Abmahnung unter den in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG genannten Voraussetzungen nur Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000 Euro verlangt werden kann, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht unbillig ist, steht mit dem Unionsrecht - insbesondere mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums - im Einklang (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. April 2022 - C-559/20, GRUR 2022, 849 = WRP 2022, 708 - Koch Media).

b) Die Billigkeitsklausel des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG bedarf dahingehend der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die darüber hinaus zu berücksichtigenden ("besonderen") Umstände des Einzelfalls die bereits nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale in der Gesamtbetrachtung überwiegen müssen, um von der Begrenzung des
Gegenstandswerts absehen zu können.

c) Die so auszulegende Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist entsprechend auf den Schadensersatzanspruch des Rechtsinhabers nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG, § 249 Abs. 1 BGB anzuwenden, der die Kosten der Abmahnung des nicht mit dem Rechtsverletzer identischen Internetanschlussinhabers umfasst (Fortführung von BGH, Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, GRUR 2018, 914 [juris Rn. 15 bis 27] = WRP 2018, 1087 - Riptide I). Auch dies ist unionsrechtskonform.

BGH, Urteil vom 1. September 2022 - I ZR 108/20 - OLG Zweibrücken - LG Frankenthal

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anschlussinhaber muss Rechteinhaber nicht vorgerichtlich über bekannten Täter informieren - Keine rechtliche Sonderbeziehung bei unberechtigter Filesharing-Abmahnung

BGH
Urteil vom 17.12.2020
I ZR 228/19
Saints Row
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 677, 683 Satz 1, § 826; UrhG § 97a Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses den Rechteinhaber nicht vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing informieren muss. Eine unberechtigter Filesharing-Abmahnung des Anschlussinhabers begründet kein rechtliche Sonderbeziehung.

Leitsatz des BGH:

Zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, besteht regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 228/19 - LG München I - AG Landshut

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Inhaber eines Internetanschlusses muss in Filesharing-Fällen Familienmitglied benennen - Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen

BVerfG
Beschluss vom 18.02.2019
1 BvR 2556/17


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses in Filesharing-Fällen ggf. auch das Familienmitglied benennen muss, welches den Anschluss genutzt hat, über den eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen, da das Grundrecht nicht vor negativen prozessualen Folgen des Schweigens in einer derartigen Fallkonstellation schützt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Zur Darlegungslast bei Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing

Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG steht einer zivilprozessualen Obliegenheit der Inhaber eines Internetanschlusses nicht entgegen, zu offenbaren, welches Familienmitglied den Anschluss genutzt hat, wenn über den Anschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Mit dieser Begründung hat die 2. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss die Verfassungsbeschwerde eines Elternpaares gegen eine Verurteilung zu Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten nicht zur Entscheidung angenommen, das zwar wusste, welches seiner Kinder Musikinhalte urheberrechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht hatte, dies aber im Zivilprozess nicht offengelegt hatte. Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich danach zwar ein Recht, Familienmitglieder nicht zu belasten, nicht aber ein Schutz vor negativen prozessualen Folgen dieses Schweigens.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind als Ehepaar gemeinsame Inhaber eines Internetanschlusses. Über den Anschluss wurde ein Musikalbum mittels einer sogenannten Filesharing-Software in einer Internet-„Tauschbörse“ zum Herunterladen angeboten. Der Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) stehen die Verwertungsrechte an den betroffenen Musiktiteln zu. Die Beschwerdeführer gaben auf die Abmahnung der Klägerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, verweigerten aber die Zahlung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten. Sie selbst hätten ihren Anschluss während der maßgeblichen Zeit nicht genutzt; sie wüssten zwar, dass eines ihrer Kinder den Anschluss genutzt hätte, wollten aber nicht offenbaren, welches. Das Landgericht verurteilte sie zur Zahlung von Schadensersatz und Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen Urheberrechtsverletzung. Berufung und Revision blieben in der Sache erfolglos.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Gesetzesauslegung in den angegriffenen Entscheidungen verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG.

1. Zwar liegt ein Eingriff in dessen Schutzbereich vor, der die Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt und auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern umfasst. Familienmitglieder sind danach berechtigt, ihre Gemeinschaft in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten.

2. Allerdings ist diese Beeinträchtigung gerechtfertigt. Die Auslegung der entscheidungserheblichen Normen - § 97 Abs. 2 Satz 1, § 85 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 138 ZPO - durch den Bundesgerichtshof und durch die Instanzgerichte verletzt nicht das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 1 GG. Dem Schutz des Art. 14 GG, auf den sich die Klägerin als Rechteinhaberin berufen kann, kommt in Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter im Streitfall ebenfalls ein erhebliches Gewicht zu.

Die Fachgerichte sind bei Abwägung der Belange des Eigentumsschutzes mit den Belangen des Familienschutzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht geworden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs müssen die Beschwerdeführer zur Entkräftung der Vermutung für ihre Täterschaft als Anschlussinhaber ihre Kenntnisse über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung mitteilen und auch aufdecken, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen hat, sofern sie davon Kenntnis erlangt haben. Diese Abwägung trägt dem Erfordernis praktischer Konkordanz ausreichend Rechnung und hält sich jedenfalls im Rahmen des fachgerichtlichen Wertungsrahmens. Die Ausstrahlungswirkung der von den Entscheidungen berührten Grundrechte ist bei der Auslegung von § 138 ZPO hinreichend beachtet.

Zwar kennt das Zivilprozessrecht einen Schutz vor Selbstbezichtigungen und findet die Wahrheitspflicht einer Partei dort ihre Grenzen, wo sie gezwungen wäre, etwa eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren. Entsprechendes dürfte gelten, wenn es um Belastungen von nahen Angehörigen geht. Den grundrechtlich gegen einen Zwang zur Selbstbezichtigung geschützten Prozessparteien und Verfahrensbeteiligten kann dann aber das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung auferlegt werden. Ein weitergehender Schutz ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr ist auch der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen - hier dem nach Art. 14 GG geschützten Leistungsschutzrecht des Rechteinhabers aus § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG - angemessen Rechnung zu tragen.

Der Bundesgerichtshof berücksichtigt, dass Rechteinhaber zur Durchsetzung ihrer Rechte in Filesharing-Verfahren regelmäßig keine Möglichkeit haben, zu Umständen aus dem ihrem Einblick vollständig entzogenen Bereich der Internetnutzung durch den Anschlussinhaber vorzutragen oder Beweis zu führen. Zugunsten der Klägerin als Inhaberin des Art. 14 GG unterfallenden Leistungsschutzrechts berücksichtigt er damit deren Interesse an einer effektiven Durchsetzung ihrer urheberrechtlichen Position gegenüber unberechtigten Verwertungshandlungen. Die Beeinträchtigung der familiären Beziehungen der Beschwerdeführer hält er dabei in Grenzen. Denn Familienangehörige müssen sich nicht gegenseitig belasten, wenn der konkret Handelnde nicht ermittelbar ist. Vielmehr tragen sie nur das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung, wenn sie die Darlegungs- und Beweisanforderungen nicht erfüllen. Die Möglichkeit, innerfamiliäre Spannungen und Verhältnisse durch Schweigen im Prozess zu verhindern oder jedenfalls nicht nach außen tragen zu müssen, führt umgekehrt nicht dazu, dass dieses Schweigen eine Haftung generell - also ohne prozessuale Folgen - ausschließen müsste. Die zur Wahrung von Art. 6 GG gewährte faktische „Wahlmöglichkeit“ im Zivilprozess, innerfamiliäres Wissen zu offenbaren oder aber zu schweigen, kann bei der Tatsachenwürdigung keinen Vorrang vor der Durchsetzung des Art. 14 GG unterfallenden Leistungsschutzrechts beanspruchen. Der Schutz der Familie dient nicht dazu, sich aus taktischen Erwägungen der eigenen Haftung für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums zu entziehen. Der bloße Umstand, mit anderen Familienmitgliedern zusammenzuleben, führt nicht automatisch zum Haftungsausschluss für den Anschlussinhaber. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es gebe bessere und im Verhältnis zu der Zivilrechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen konsistentere Lösungen für den Ausgleich zwischen den Rechtspositionen der Inhaber geistiger Eigentumsrechte und deren Nutzern, fällt dies verfassungsrechtlich nicht ins Gewicht. Ob es darüber hinaus gerechtfertigt wäre, dem Anschlussinhaber auch Nachforschungs- oder Nachfragepflichten aufzuerlegen, bedurfte keiner Entscheidung.

3. Aus den europäischen Grundrechten ergibt sich nichts anderes. Insbesondere steht das Recht der Europäischen Union nicht schon der Anwendbarkeit der Grundrechte des Grundgesetzes entgegen. Denn soweit das Unionsrecht nicht abschließend zwingende Vorgaben macht, bleiben die Grundrechte des Grundgesetzes anwendbar. In dem Rahmen, in dem den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume belassen sind, sind die Fachgerichte folglich auch im Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie und der Durchsetzungsrichtlinie an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Dies ist für die Durchsetzung der urheberrechtlichen Ansprüche nach Maßgabe des nicht harmonisierten Zivilverfahrensrechts der Fall. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet die unionsrechtlichen Anforderungen zutreffend ab.


LG Frankfurt: Anschlussinhaber genügt Belehrungspflicht wenn Kindern aufgegeben wird nichts Illegales herunterzuladen bzw zu intstallieren - Tauschbörsennutzung ist erfasst

LG Frankfurt am Main
Beschuss vom 18.12.2018
2-03 S 14/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Anschlussinhaber seinen Belehrungspflichten genügt, wenn seinen Kindern aufgegeben wird, nichts Illegales herunterzuladen bzw zu intstallieren. Die Tauschbörsennutzung ist davon erfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Amtsgericht ist auf dieser Grundlage jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die hier - nach Durchführung der Beweisaufnahme festgestellte und unstreitige - den Kindern des Beklagten erteilte Belehrung auch nach dem Maßstab, den der BGH in solchen Fällen angelegt hat, hinreichend ist.

Der BGH hat in seiner Tauschbörse II-Entscheidung (GRUR 2016, 184 [BGH 11.06.2015 - I ZR 7/14]) ausgeführt:

"Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben."

Weiter hat der BGH in der angeführten Entscheidung geprüft, ob sich aus den dortigen Belehrungen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Belehrung über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen ergebe (Rn. 32). Eine Belehrung nur zu "ordentlichem Verhalten" ergebe diese nicht.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die hier erfolgte Belehrung auch ohne den expliziten Hinweis, dass an Tauschbörsen nicht teilgenommen werden dürfe, als hinreichend anzusehen. Denn einerseits verlangt der BGH ausweislich seiner Urteilsbegründung gerade nicht immer und in jedem Fall, dass der Anschlussinhaber die Nutzer explizit auf Tauschbörsen hinweist. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass die Aufsichtspflicht "regelmäßig" durch einen solchen Hinweis erfüllt werden könne. Anders als im Fall "Tauschbörse II" hat der Beklagte hier auch nicht nur allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt, sondern explizit illegale Downloads untersagt. Die Ehefrau des Beklagten hat insoweit in ihrer Befragung ausgeführt, dass gesagt worden sei, dass die Kinder nur etwas herunterladen dürften, wenn das vorher mit ihnen abgesprochen worden sei. Der Sohn des Beklagten hat geäußert, dass sich bei ihm der Satz eingebrannt habe, wenn etwas in der realen Welt etwas kostet, dann gibt es das im Internet auch nicht umsonst (Protokoll vom 08.06.2018, S. 8, Bl. 76 d.A.). Auf dieser Grundlage ist das Amtsgericht in seiner Beweiswürdigung - von der Klägerin nicht angegriffen und ohne erkennbare Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder Erfahrungssätze - zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte seine Kinder darüber belehrt habe, dass man keine illegalen Downloads aus dem Internet vornehmen dürfe. Es gebe im Internet grundsätzlich nichts umsonst, was in der realen Welt etwas koste.

Die Kammer ist der Auffassung, dass mit einem solch konkreten Hinweis - und nicht nur ordentlichen Verhaltensregeln - dem vom BGH aufgestellten Erfordernis Genüge getan ist. Der Urteilsbegründung des BGH in der Sache "Tauschbörse II" ist zu entnehmen, dass der Aufsichtspflicht durch Belehrung auch dann genügt werden kann, wenn die Nutzer deutlich und klar darüber aufgeklärt werden, dass eine Nutzung, die auch die Tauschbörsennutzung umfasst, nicht erfolgen darf. Dies soll jedenfalls nur bei Regeln zu "ordentlichem Verhalten" nicht der Fall sein.

Diese Voraussetzungen sind hier aber erfüllt. Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Amtsgerichts seinen Kindern ausdrücklich aufgegeben, nichts Illegales herunterzuladen bzw. zu installieren. Der Beklagte hat darüber hinaus auch klar und deutlich definiert, was als "illegal" in diesem Sinne anzusehen sei, so dass die Kinder des Beklagten auch selbst ersehen konnten, welche Handlungen vom Verbot erfasst waren. Durch den Hinweis im Rahmen der Belehrung, dass es im Internet nichts umsonst gibt, was in der realen Welt etwas kostet, wurde faktisch auch jedwedes Agieren bei einer Tauschbörse von der Belehrung umfasst. Dies ist insbesondere dem Sohn des Beklagten erkennbar haften geblieben. Das Amtsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass jedenfalls der Sohn des Beklagten anhand der konkreten und eindrücklichen Belehrung zum Zeitpunkt einer angeblichen Rechtsverletzung davon ausgegangen wäre, dass der Download über Tauschbörsen-Software vom expliziten Verbot des Beklagten umfasst gewesen wäre.

Auch soweit die Klägerin rügt, dass das Amtsgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Belehrung nicht wiederholt worden sei, verhilft das ihrer Berufung nach Auffassung der Kammer nicht zum Erfolg.

Zum einen ist bereits fraglich, ob der Beklagte die - wie oben dargestellt eindrückliche und haften gebliebene - Belehrung gegenüber seinen Kindern überhaupt hätte wiederholen müssen. Denn der BGH hat festgestellt, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normalentwickeltes Kind durch eine entsprechende Belehrung genügen. Weitere Pflichten sollen nur bestehen, wenn entsprechende Hinweise darauf bestehen, dass den Geboten nicht Folge geleistet wird. Ein solcher Anlass ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

Zum anderen ist der Vortrag der Klägerin, dass die Belehrung im Verletzungszeitpunkt sicher einige Jahre zurückgelegen habe und nicht wiederholt worden sei, neu und damit nach den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO nicht zu berücksichtigen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Filesharer muss auch Kosten für Abmahnung zahlen die zunächst gegenüber nicht verantwortlichen Anschlussinhaber ausgesprochen wurde

BGH
Urteil vom 22.03.2018
I ZR 265/16
Riptide
UrhG §§ 19a, 69c Nr. 4, 97 Abs. 2; UrhG § 97a aF


Der BGH hat entschieden, dass ein Filesharer, der eine Urheberrechtsverletzung über den Internetanschluss eines Dritten begangen hat, als Schadensersatz auch die Kosten für eine Abmahnung zahlen muss, die für den Rechteinhaber zunächst gegenüber dem nicht verantwortlichen Anschlussinhaber ausgesprochen wurde.

Leitsatz des BGH:

Spricht der Rechtsinhaber im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse gegenüber dem für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhaber eine Abmahnung aus, der daraufhin den Rechtsverletzer benennt, so umfasst der vom Rechtsverletzer zu leistende Schadensersatz die Kosten dieser Abmahnung.

BGH, Versäumnisurteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Inhaber eines Internetanschlusses kann für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing von Familienangehörigen haften

Generalanwalt beim EuGH
Schlussantrag vom 06.06.2018
C-149/17
Bastei Lübbe GmbH & Co. KG gegen Michael Strotzer


Der Generalanwalt beim EuGH kommt im Rahmen dieses Verfahrens zu dem Ergebnis, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing von Familienangehörigen haften kann. Wenn der Anschlussinhaber keine Auskunft über den Familienangehörigen gibt, der das Filesharingprogramm genutzt hat, haben nach Ansicht des Generalanwalts die Rechte des Urhebers Vorrang vor dem Recht auf Achtung des Familienlebens.

Diese Einschätzung ist für den EuGH nicht bindend. Meistens folgt der EuGH aber der Einschätzung des Generalanwalts.

Schlussantrag:

Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass sie nicht vorschreiben, im nationalen Recht der Mitgliedstaaten eine Vermutung der Haftung der Inhaber eines Internetanschlusses für über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Sieht das nationale Recht jedoch zum Schutz dieser Rechte eine solche Vermutung vor, muss sie kohärent angewandt werden, um die Wirksamkeit dieses Schutzes zu gewährleisten. Das durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht auf Achtung des Familienlebens kann nicht dahin ausgelegt werden, dass den Rechtsinhabern jede reelle Möglichkeit genommen wird, ihr durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte verbürgtes Recht des geistigen Eigentums zu schützen.

Den Vollständige Verfahrensdokumentation finden Sie hier:




LG Köln: Filesharing über Internetanschluss der Eltern - Volljähriger Haushaltsangehöriger haftet auch für Kosten der gegen Anschlussinhaber ausgesprochenen Abmahnung

LG Köln
Urteil vom 19.04.2018
14 O 38/17


Das LG Köln hat entschieden, dass ein volljähriger Haushaltsangehöriger bei einer Urheberrechtsverletzung durch Nutzung von Filehsharingprogrammen über den Internetanschluss der Eltern auch für die Kosten der gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochenen Abmahnung haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"d) Der Beklagte zu 2) ist passivlegitimiert. Der Beklagte zu 2) hat gegenüber der Beklagten zu 1) auf Befragen die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen eingeräumt, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Zwar hat der Beklagte zu 2) nach Klageerweiterung gegenüber der Klägerin seine Täterschaft bestritten, jedoch nicht vorgetragen, dass er der Beklagten zu 1) gegenüber die Unwahrheit gesagt habe. Die Kammer hat den Beklagten mit Beschluss vom 02.05.2017 (Bl. 24 f BA), mit welchem das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten zu 2) zurückgewiesen worden ist, darauf hingewiesen, dass sie davon ausgeht, der Beklagte zu 2) habe seinen Vortrag unter Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die begehrte Prozesskostenhilfe erklärt. Dem ist der Beklagte zu 2) in der Folge nicht entgegengetreten. Insbesondere hat der Beklagte zu 2) keine Erklärung für sein widersprüchliches Verhalten vorgetragen.

Entgegen der Ansicht des Beklagten steht seiner Haftung nicht entgegen, dass die Erfassungszeitpunkte vom Umfang her nicht einen Zeitraum umfassen, der für einen vollständigen Download des streitgegenständlichen Computerspiels von dem seitens des Beklagten genutzten Internetanschluss erforderlich gewesen wäre. Dahinstehen kann ferner, ob die zu den Erfassungszeitpunkten von den Beklagten zum Download bereit gestellten Dateifragmente für sich genommen den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen im Sinne von § 69 a Abs. 3 UrhG genügten. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in der von dem Beklagten zu 2) genutzten Filesharing-Tauschbörse im Tatzeitraum (02.05.2012 – 05.05.2012) eine vollständige Version des streitgegenständlichen Computerspiels zum Herunterladen angeboten worden ist. Die von dem Beklagten zu 2) zu den Erfassungszeitpunkten zum Download bereitgestellten Dateifragmente waren damit kein „Datenmüll“, sondern individuell adressierte Datenpakete, die auf dem Computer des herunterladenden Nutzers zu einer Gesamtdatei zusammengefügt werden konnten. Aus der Funktion des Peer-to-Peer-Netzwerkes als arbeitsteiliges System folgt zugleich, dass den Tatbeiträgen der Teilnehmer eine kumulative Wirkung zukommt und die Gesamtheit der im Netzwerk verfügbaren Dateifragmente eine funktionsfähige Kopie der Ursprungsdatei ergibt (BGH, Urteil vom 06.12.2017, I ZR 106/16 - Konferenz der Tiere, juris Rn. 26). Das Bereitstellen von Dateien oder Dateifragmenten über ein Peer-to-Peer- Netzwerk erfolgt regelmäßig im Rahmen eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens der Teilnehmer, denn den Teilnehmern ist regelmäßig geläufig und sie nehmen zumindest billigend in Kauf, dass sie nicht nur Dateien oder Dateifragmente von den Computern anderer Teilnehmer auf ihren Computer herunterladen, sondern zugleich im Netzwerkverbund anderen Nutzern des Herunterladen von Dateien oder Dateifragmente ermöglichen, um eine funktionsfähige Gesamtdatei zu erhalten. Dies reicht für die Annahme von Mittäterschaft aus (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2017, I ZR 106/16 - Konferenz der Tiere, juris Rn. 27). Der Beklagte haftet damit als Mittäter einer gemeinschaftlich mit den anderen Nutzern des Fielsharing-Netzwerkes begangenen Verletzung der Rechte der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels „Risen 2“.

d) Die öffentliche Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspieles war auch rechtswidrig, da sie ohne Zustimmung der Rechteinhaber erfolgte.

e) Der Beklagte zu 2) hat auch schuldhaft gehandelt. Es ist davon auszugehen, dass dem Beklagten zu 2) jedenfalls im Grundsatz die tatsächliche und rechtliche Problematik des Filesharings bekannt war. Dem Beklagten zu 2) musste sich insbesondere der Gedanke aufdrängen, dass ein Computerspiel nicht ohne Zustimmung der Rechteinhaber weniger als eine Woche nach dessen Erstveröffentlichung „kostenlos“ einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern zum Download angeboten werden durfte. Ein Einverständnis der Rechteinhaber mit einer solchen Vorgehensweise war undenkbar. Der Beklagte musste deshalb wissen, dass es sich bei der Teilnahme an einer derartigen Tauschbörsen um rechtswidriges Verhalten handelte. Dies genügt; insbesondere reicht einfache Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB) aus.

f) Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2) aus vorstehenden Gründen ein Anspruch auf Lizenzschadensersatz wegen der unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspieles in Filesharing-Netzwerken zu, §§ 97 Abs. 2, 69 c Nr. 4 UrhG. Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz von 3899,00 EUR ist auch der Höhe nach begründet.

Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – Restwertbörse I; Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte überhaupt beabsichtigte, eine Lizenzierung vorzunehmen; die Zuerkennung einer angemessenen Lizenzgebühr kommt selbst dann in Betracht, wenn die vorherige Erteilung der Zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint (vgl. BGH GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II) oder ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321). Zur Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr ist zu fragen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts auf den Beklagten zu 2) vereinbart hätten, infolge dessen dieser das streitgegenständliche Computerspiel im Internet im Rahmen eines Netzwerks für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereit halten durfte.

Für den Schadensersatzanspruch entspricht es unter Anwendung dieser Grundsätze der Rechtsprechung der Kammer, als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der Kammer ist aus einer Reihe von Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Anbieten einer Single im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Euro-Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharingnetzwerke im Internet für den Regelfall jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz an. Dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 U 209/13; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 – 5 U 222/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 – 11 U/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 11.06.2015 zu I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14 – Tauschbörse I-III; Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch).

Vor diesem Hintergrund hält die Kammer ebenfalls in ständiger Rechtsprechung Schadensersatzverlangen im Bereich von 400,00 EUR bis 600,00 EUR für das rechtswidrige Download-Angebot im Internet im Rahmen eines Filesharingnetzwerks für einen kompletten Film und auch ein Computerspiel nicht für übersetzt. So hat die Kammer in vergleichbaren Fällen Schadensersatzbeträge von 500,00 EUR bezüglich eines Computerspiels als angemessen angesehen (Urteil vom 11.02.2016 – 14 S 23/14; vgl. zu einem Schadensersatzbegehren in Höhe von 510,00 EUR auch den Rechtstreit vor der Kammer 14 O 277/13, bestätigt durch Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 24.01.2016 – 6 W 7/14). Dabei ist die Kammer jeweils dem Antrag der jeweiligen Klägerin gefolgt, ohne abschließend darüber urteilen zu müssen, ob auch ein höherer Betrag angemessen gewesen wäre.

Vorliegend macht die Klägerin wegen der Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels in der Zeit vom 02.05.2012 bis 05.05.2012 einen Anspruch auf Lizenzschadensersatz i.H.v. 3899,00 € geltend. Auch diesen Betrag erachtet die Kammer gemäß § 287 ZPO als Lizenzschadensersatz nicht für übersetzt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles. Streitgegenständlich ist nicht eine einmalige Rechtsverletzung, sondern die mehrfache öffentliche Zugänglichmachung des Computerspiels „Risen 2“ im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse. Rechtsverletzungen wurden, insoweit unstreitig, in der Zeit vom 02.05.2012 bis 05.05.2012 zu vier verschiedenen Zeitpunkten unter vier verschiedenen IP-Adressen ermittelt. Zu berücksichtigen ist neben der Anzahl der Rechtsverletzungen auch deren konkreter Zeitpunkt (02.05.2012 – 05.05.2012), beginnend weniger als eine Woche nach Erstveröffentlichung des Spiels am 27.04.2012. Der Beklagte ist nicht in erheblicher Weise dem Vortrag der Klägerin zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung entgegen getreten. Mit Schriftsatz vom 20.06.2016 (dort S. 2, Bl. 71 GA) hat die Klägerin einen Screenshot der Webseite www.pcgames.de/Risen-2-Dark-Waters-Spiel-30277 vorgelegt, mit dem Vermerk „Release 27.04.2012“. Auch aus der Darstellung der Preisentwicklungen, das streitgegenständliche Spiel betreffend, auf der Webseite www.geizhals.de (Anlage K 5, Bl. 190 GA) ist zu entnehmen, dass die Erstveröffentlichung des Computerspiels Ende April 2012 erfolgte, weil der Verkaufspreis (38,99 EUR) am 02.05.2012 für das Computerspiele mit dem Vermerk „Verlauf eine Woche“ angegeben ist. Die öffentliche Zugänglichmachung eines Werkes in einer Filesharing-Tauschbörse und der damit verbundene Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 1/15 - Tannöd, Juris Rn. 41). Das illegale Upload-Angebot im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse war vorliegend in besonderem Maße geeignet, die der Klägerin zustehenden Verwertungsrechte der öffentlichen Zugänglichmachung und auch des Vertriebs wirtschaftlich zu beeinträchtigen. Wegen der nahezu zeitgleichen Erstveröffentlichung und rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung war der Klägerin der Eintritt in die wirtschaftliche Verwertung des Computerspieles von vornherein massiv erschwert. Aufgrund der Zeitumstände ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) mit zu den ersten zählte, die die illegale „Verteilerkette“ in Gang setzten, weshalb seine Rechtsverletzung aus Sicht der Klägerin besonders schwer wiegt. Es liegt auf der Hand, dass eine Vielzahl von Nutzern nicht den Kaufpreis für ein neu auf den Markt gekommenes Computerspiel entrichten, wenn dieses ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien hätten diese Umstände bei der Bemessung der Lizenzgebühr für die von dem Beklagten zu 2) in Anspruch genommene Nutzung berücksichtigt und im Hinblick auf die Aktualität des Computerspiels und die zu erwartenden Nachfrage nach dem Download-Angebot des Beklagten zu 2) eine entsprechend höhere Lizenzgebühr vereinbart. Der von der Klägerin angesetzte Lizenzschadensersatz i.H.v. 3899,00 EUR, welcher wertmäßig dem Betrag entspricht, den die Klägerin für 100 als DVD vertriebene Computerspiele erzielen konnte, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch ohne konkrete Kenntnis von der Zahl der Teilnehmer der Filesharing-Tauschbörse zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine Zahl von (mindestens) 400 möglichen Zugriffen auf ein in einer solchen Tauschbörse zum Download angebotenes, aktuelles Werk durchaus realistisch ist und zur Grundlage der Bemessung eines Anspruchs auf Lizenzschadensersatz geeignet ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013, 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014, 11 U 115/13; OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015; 6 U 209/13; nicht beanstandet von BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris Rn. 56). Umgerechnet ergibt der von der Klägerin begehrte Lizenzschadensersatz eine Lizenzgebühr für den einzelnen Download in Höhe von 10,00 EUR für ein aktuelles Computerspiels zu Beginn der Verwertungsphase. Diesen Betrag erachtet die Kammer vorliegend nicht für übersetzt auch in Relation zu den Beträgen, die regelmäßig wegen des illegalen Download-Angebotes einer Single mit 200,00 EUR (0,50 EUR/Download) für angemessen erachtet werden. Dies im Hinblick auf die wesentlich höheren Produktionskosten, dass weit umfangreichere Werk und die wesentlich höheren auf dem Markt erzielbaren Verwertungspreise, die zumindest zu Beginn der aktuellen Verwertungsphase des Computerspiels die Annahme rechtfertigen, dass das 20fache der Lizenzgebühr für eine einfache Single vereinbart worden wäre.

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) ferner gemäß § 97 a Abs. 3 S. 1 UrhG Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung des Beklagten zu 2) vom 13.09.2016 (Anl. K3, Bl. 149 ff) in Höhe von 243,60 EUR. .

Die Abmahnung war berechtigt, weil der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) gemäß §§ 97 Abs. 1, 69c Nr. 4, 31 UrhG ein Unterlassungsanspruch wegen der unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels zustand. Die Abmahnung entspricht auch den Anforderungen des § 97 a Abs. 2 Nr. 1 – 4 UrhG und ist unter Berücksichtigung der weiter geltend gemachten Ansprüche der Klägerin auf Beseitigung, Schadensersatz und Auskunftserteilung auch der Höhe nach zutreffend mit 243,60 berechnet (Anlage K3, Bl. 190 ff. GA). Dabei die Klägerin zutreffend berücksichtigt, dass für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als solchen im Rahmen der Abmahnung lediglich ein Gegenstandswert von 1000,00 EUR gemäß § 97 a Abs. 3 S. 2 UrhG anzusetzen ist.

3.

Die Klägerin kann des Weiteren von dem Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs. 1, 249, 250 BGB in Verbindung mit § 69 c Nr. 4, 31 UrhG Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung gegenüber der Beklagten zu 1) in Zusammenhang mit der Abmahnung der Beklagten zu 1) vom 14.06.2012 in Höhe von 555,60 EUR verlangen (Klageantrag zu I). Die Abmahnung der Anschlussinhaberin steht in adäquat ursächlichen Zusammenhang mit den von dem Beklagten zu 2) begangenen, rechtswidrigen und schuldhaften Verletzungen der Rechte der Klägerin aus § 69 c UrhG, die als sonstige Rechte gemäß § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) selbst kein Anspruch aus § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. zu, weil diese weder als Täterin, noch als Störerin für die streitgegenständliche Verletzungen haftet. Naheliegend und für den Beklagten zu 2) vorhersehbar war, dass die Klägerin als Rechteinhaberin sich zunächst an die Beklagte zu 1) als Anschlussinhaberin (außergerichtlich und ohne Kenntnis des Täters auch gerichtlich) wenden würde, weil diese für die Klägerin zunächst die einzige Ansprechpartnerin war mangels Kenntnis der Tatumstände auf Klägerseite.

Der von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 8.000,00 EUR, nach dem diese die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung der Beklagten zu 1) zutreffend in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach § 13 RVG VV 2300 a.F. zuzüglich 20,00 Auslagenpauschale mit 555,60 EUR berechnet, ist nicht zu beanstanden. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiele nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000,00 EUR angemessen (BGH, Versäumnisurteil vom 06.10.2016, I ZR 97,15, juris Rn. 48).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten eine von den Vorschriften des RVG abweichende Honorarvereinbarung getroffen habe, sind nicht ersichtlich und von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht dargetan.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin die Gebührenforderungen ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten zu I und V des Tenors (vorstehend Ziffern 2 und 3) zwischenzeitlich ausgeglichen hat, weil aufgrund der Zahlungsverweigerung von Seiten des Beklagten zu 2) die Klägerin nunmehr anstelle eines Freistellungsanspruchs gemäß § 250 BGB Zahlung verlangen kann."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor - Anschlussinhaber muss in Filesharing-Fällen Familienangehörige im Rahmen der sekundären Darlegungslast benennen

BGH
Urteil vom 30.03.2017
I ZR 19/16
Loud
GG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 A; EU-Grundrechtecharta Art. 7, Art. 17 Abs. 2, Art. 47; UrhG § 85 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 2 Satz 1; ZPO §§ 138, 383, 384


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anschlussinhaber haftet für Filesharing von Familienangehörigen wenn dieser ermittelt aber nicht benannt wird - sekundäre Darlegungslast beim Filesharing über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Im Falle einer über den von Eltern unterhaltenen Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internettauschbörse umfasst die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber bei Inanspruchnahme durch
den Urheber oder den Inhaber eines verwandten Schutzrechts - hier durch den Tonträgerhersteller - die Angabe des Namens ihres volljährigen Kindes, das ihnen gegenüber die Begehung der Rechtsverletzung zugegeben hat.

BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 19/16 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Pay by Call - Keine Haftung des Anschlussinhabers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses

BGH
Urteil vom 06.04.2017
III ZR 368/16


Der BGH hat entscheiden, dass der Anschlussinhaber bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für Zahlungen per "Pay by Call" nicht haftet. Insofern gilt die Regelung in § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG:

§ 45i TKG
[...]
4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer. Der Anspruch entfällt auch, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Dritte durch unbefugte Veränderungen an öffentlichen Telekommunikationsnetzen das in Rechnung gestellte Verbindungsentgelt beeinflusst haben.


Die Pressemitteilung des BGH:

Keine Haftung des Anschlussinhabers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für ein "Pay by Call-Verfahren" Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist durch Verfügung ohne Unterschrift wirksam

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungsdienstes keine Anwendung findet und der Inhaber eines Telefonanschlusses somit für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines "Pay by Call-Verfahrens" nicht haftet. Weiterhin hat sich der Senat mit der Frage befasst, ob die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden der Unterschrift bedarf.

Der Sachverhalt:

Die Beklagte ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses. Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des "Pay by Call-Verfahrens" über eine Premiumdienstenummer (0900) geltend. Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche Funktionen gegen sogenannte Credits freigeschaltet werden konnten. Die "Credits" konnten entgeltlich erworben werden. Die Zahlung konnte unter anderem durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreiberin angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten "Credits" zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von 1.253,93 Euro werden von der Klägerin geltend gemacht.

Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat hiergegen beim Landgericht Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Eine vom Kammervorsitzenden unterschriebene Fristverlängerungsverfügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte hat das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist begründet. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat nachträglich in der Akte vermerkt, dass er die Rechtsmittelbegründungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das Landgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und diese zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Er hat die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bejaht. Die Begründung des Rechtsmittels ist rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert wurde. Es ist nicht erforderlich gewiesen, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Fristverlängerungsverfügung unterschrieben hatte. Der Senat hat entschieden, dass eine solche Verfügung keiner Unterschrift bedarf. Es genügt, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ergangen ist.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof einen Zahlungsanspruch der Klägerin verneint. Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtete konkludente Willenserklärungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben haben könnte, sind dieser nicht zuzurechnen. Weder war das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt noch lagen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor. Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG scheidet aus. Diese Vorschrift findet auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gehen § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG vor. Der Berechtigte schuldet keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (vgl. insbesondere § 675u BGB). Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen.

§ 520 Abs. 2 ZPO:

Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG:

(4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.

§ 675 BGB:

Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Vorinstanzen:

AG Delmenhorst – Urteil vom 12. Mai 2015 – 45 C 5298/13 (VI)

LG Oldenburg – Urteil vom 30. Juni 2016 – 1 S 315/15


BGH: Anschlussinhaber haftet für Filesharing von Familienangehörigen wenn dieser ermittelt aber nicht benannt wird - sekundäre Darlegungslast beim Filesharing

BGH
Urteil vom 30.03.2017
I ZR 19/16
Loud


Der BGH hat in Fortführung seiner Filesharing-Rechtsprechung entschieden, dass der Anschlussinhaber für Filesharing von Familienangehörigen haftet, wenn der Anschlussinhaber, weiß, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, den Namen aber nicht benennt.

Leider ist der Anschlussinhaber im vorliegenden Fall bei der Abwehr der Ansprüche nicht sonderlich geschickt vorgegangen. Dies hat für den Anschlussinhaber nun ein teures Nachspiel. (Siehe auch zum Thema "Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden".)

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zum Filesharing über einen Familienanschluss

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat hat sich erneut mit Fragen der Haftung wegen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen befasst.

Die Klägerin hat die Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum "Loud" der Künstlerin Rihanna enthaltenen Musiktiteln inne. Sie nimmt die Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 2.500 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € in Anspruch, weil diese Musiktitel über den Internetanschluss der Beklagten im Januar 2011 im Wege des "Filesharing" öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Beklagten haben bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben, und darauf verwiesen, ihre bei ihnen wohnenden und bereits volljährigen drei Kinder hätten jeweils eigene Rechner besessen und über einen mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Router Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Beklagten haben erklärt, sie wüssten, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen habe; nähere Angaben hierzu haben sie jedoch verweigert.

Das Landgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.500 € und den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Im Ausgangspunkt trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagten für die Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich sind. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen - etwa die Familienangehörigen - diesen Internetanschluss benutzen konnten. Zu dieser Frage muss sich der Anschlussinhaber im Rahmen einer sogenannten sekundären Darlegungslast erklären, weil es sich um Umstände auf seiner Seite handelt, die der Klägerin unbekannt sind. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der klagenden Partei, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

Die Beklagten haben im Streitfall ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt, weil sie den Namen des Kindes nicht angegeben haben, das ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hat. Diese Angabe war den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Parteien zumutbar. Zugunsten der Klägerin sind das Recht auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta und auf Seiten der Beklagten der Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Danach ist der Anschlussinhaber etwa nicht verpflichtet, die Internetnutzung seines Ehegatten zu dokumentieren und dessen Computer auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen. Hat der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, muss er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 1. Juli 2015 - 37 O 5394/14 (ZUM-RD 2016, 308)

OLG München - Urteil vom 14. Januar 2016 - 29 U 2593/15 (WRP 2016, 385)




LG München akzeptiert anschlussinhaberfreundliche Filesharing-Rechtsprechung des BGH bei Mehrpersonenhaushalten nicht und ruft EuGH an

LG München
Beschluss vom 17.03.2017
Aktenzeichen nicht veröffentlicht


Das LG München akzeptiert offenbar die anschlussinhaberfreundliche Filesharing-Rechtsprechung des BGH bei Mehrpersonenhaushalten nicht und ruft in einem Verfahren nun den EuGH an.

Leider haben sich die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren bestätigt, dass sich die Gerichte in München ganz erheblich gegen die Anwendung der BGH-Rechtsprechung sträuben, soweit diese zu Gunsten der Anschlussinhaber ausfällt.

Dem LG München missfällt insbesondere das Urteil des BGH vom 06.10.2016 - I ZR 154/15 (siehe dazu auch BGH: Haftung und sekundäre Darlegungslast beim Filesharing - Inhaber eines Internetanschlusses muss Ehepartner nicht überwachen). Das LG München ist der Ansicht, dass die Rechtsansichten des BGH keine ausreichend abschreckenden Sanktionen bei
Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing ermöglichen.

Die Pressemitteilung des LG München:

EuGH-Vorlage zum Filesharing

Die 21. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Beschluss vom vergangenen Freitag dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg in einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen Fragen zur Auslegung europäischer Regelungen zum Urheberrecht vorgelegt.

Hintergrund ist ein Rechtsstreit, in dem ein Verlag den Inhaber eines Internetanschlusses auf Schadensersatz verklagt hat, weil über dessen Anschluss ein Hörbuch des Autors D. B. im Wege des Filesharing unberechtigt anderen Internetnutzern zum Herunterladen angeboten wurde. Der Beklagte hat bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Gleichzeitig hat er mitgeteilt, seine Eltern hätten ebenfalls Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt.

Das Landgericht versteht ein jüngst veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. I ZR 154/15) zum Filesharing dahin, dass bei dieser Sachlage eine Schadensersatzhaftung des An-schlussinhabers ausscheidet, da auch Dritte als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kom-men. Da aber auch eine Klage des Verlages gegen die Eltern, von denen lediglich bekannt ist, dass sie generell Zugriff auf den fraglichen Internetanschluss hatten, kaum Aussicht auf Er-folg haben dürfte, hat die Kammer dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob eine solche Handhabung des urheberrechtlichen Anspruchs auf Schadensersatz eine wirksame und abschreckende Sanktion bei
Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing darstellt, wie sie das europäische Recht von den Mitgliedstaaten fordert (Richtlinie 2001/29/EG und 2004/48/EG).


BGH: Haftung und sekundäre Darlegungslast beim Filesharing - Inhaber eines Internetanschlusses muss Ehepartner nicht überwachen

BGH
Urteil vom 06.10.2016
I ZR 154/15
Afterlife
EU-Grundrechtecharta Art. 7, Art. 17 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; UrhG §§ 94, 97 Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat zutreffend entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses seinen Ehepartner hinsichtlich der Internetnutzung und eventuellen Verwendung von Filesharingprogrammen nicht überwachen muss. Dabei verweist der BGH auf den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie in Art. 7 EUGrundrechtecharta und
Art. 6 Abs. 1 GG. Dieser Schutz geht - so der BGH - den Rechten des Urheberrechtsinhabers insoweit vor.

(Siehe auch zum Thema "Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden".)

Leitsätze des BGH:

a) Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte
gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des Anschlussinhabers der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EUGrundrechtecharta,
Art. 6 Abs. 1 GG).

b) Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist es regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines
Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung
des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 154/15 - LG Braunschweig - AG Braunschweig

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Keine automatische Störerhaftung des Anschlussinhabers wenn werkseitig eingestellter WPA2-Schlüssel des Routers nicht geändert wird - Filesharing

LG Hamburg
Urteil vom 29.09.2015
310 S 3/15


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht automatisch in Filesharing-Fällen als Störer haftet, wenn dieser den werkseitig eingestellter WPA2-Schlüssel des Routers nicht ändert.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Beklagten ist aber auch keine Prüfpflichtverletzung vorzuwerfen, den (nach vorstehend 2.) hier anzunehmenden individuellen WLAN-Schlüssel des Herstellers nicht noch einmal selbst geändert zu haben.

a)
Eine solche generelle Pflicht zur Änderung eines werkseitig voreingestellten individuellen Schlüssels lässt sich nicht schon der BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ entnehmen.

Zwar war nach den Entscheidungsgründen, (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010, I ZR 121/08, zit. nach juris-Rn. 33 und 34) der Router des dortigen Beklagten

„bei aktivierter WLAN-Unterstützung werkseitig durch eine WPA-Verschlüsselung geschützt, die für die Einwahl in das Netzwerk des Beklagten einen 16-stelligen Authentifizierungsschlüssel erfordert. […] Der Beklagte hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.“

Es ist jedoch der Kammer nicht nachvollziehbar, dass im dortigen Sachverhalt ein individuell vergebenes Passwort streitgegenständlich war. Dem Tatbestand der BGH-Entscheidung lässt sich dies nicht entnehmen, er verweist insofern auf die Feststellungen der ersten Instanz. Der Tatbestand des voraufgegangenen oberlandesgerichtlichen Urteils (OLG Frankfurt, Urteil vom 01. Juli 2008 - 11 U 52/07 -, vgl. dort juris-Rn 18) lässt den Sachverhalt insofern ebenfalls nicht erkennen. Das voraufgegangene landgerichtliche Urteil (LG Frankfurt, 5. Oktober 2007, Az: 2/3 O 19/07) ist - soweit der Kammer bekannt - nicht in Fachzeitschriften oder -publikationen veröffentlicht, wird aber teilweise in Volltextauszügen im Internet zitiert; danach soll die einschlägige Passage in den Entscheidungsgründen wie folgt lauten (zit. nach http://www. f.- a..de/rechtsanwalt/it-recht/gewichtige-anderung-in-sachen-bgh-und-storerhaftung/1734/, abgerufen am 28.09.2015, Unterstreichungen hinzugefügt):

„Schließlich sorgte der Beklage auch nicht dadurch für eine hinreichende Sicherung seines Routers, dass der Zugang auf diesen Router bei aktivierter WLAN-Funktion werkseitig mit einer WPA-Verschlüsselung gesichert worden war. Dabei kann dahinstellt bleiben, ob eine WPA-Verschlüsselung nach derzeitigem Standard noch als sicher und zuverlässig angesehen werden kann oder bereits - wie die Klägerin behauptet - gängige Methode die Verwendung von WPA2 ist.

Denn der Beklagte hat seinem eigenen Vorbringen zufolge es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den Standardsicherheitseinstellungen belassen, die der Hersteller vorgegeben hat. Dies stellt nach Auffassung der Kammer indes keinen ausreichend sicheren WPA-Netzwerkschlüssel dar. Zum einen sind solche Standardsicherheitseinstellungen bei vielen Herstellern auf allen ausgelieferten Geräten gleich und damit auch den Internet-Kriminellen bekannt.

Zum anderen befindet sich auf der Fritz-Box, wie sie auch von dem Beklagten genutzt wird; ein Aufkleber, auf welchem sich neben der Seriennummer auch der werkseitig voreingestellte Code befindet. Für eine ausreichende Sicherung seines WLAN-Anschlusses gegen Passwort-Attacken hätte der Beklagte daher das Standard-Passwort für die Fritz Box durch ein persönliches, ausreichend langes Passwort aus einer losen Kombination von Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen ändern müssen.“

Danach ist der Kammer jedenfalls nicht nachvollziehbar, dass dem Urteil „Sommer unseres Lebens“ ein Sachverhalt zugrunde gelegen haben soll, bei dem ein werkseitig individualisiertes Passwort vergeben worden sein soll.

b)

Ob eine Änderung des werkseitig-individuellen Passworts notwendig sein kann, weil der vergebene Schlüssel auf der Rückseite des Gerätes aufgedruckt ist und daher für einen unberechtigten Dritten sichtbar ist, wenn er Zutritt zum Routergerät hat, kann hier offen bleiben, weil sich ein entsprechender Kausalzusammenhang vorliegend nicht feststellen lässt (so dass ebenfalls offen bleiben kann, inwieweit dieser Gefahr durch andere Maßnahmen, z.B. Zugangsbeschränkungen, ausreichend vorgebeugt werden kann).

Der Kausalzusammenhang wäre vorliegend nur gegeben gewesen, wenn der unberechtigte Dritte die Kenntnis des WPA2-Schlüssels der Beklagten gerade dadurch erlangt hätte, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, von der Aufschrift auf dem Gerät der Beklagten Kenntnis zu nehmen.

Davon ist aber im vorliegenden Verfahren keine der Parteien ausgegangen; vielmehr sehen beide Parteien die Ursache für den unberechtigten Drittzugriff in einer Entschlüsselung des Codes von außen wegen der in Anlagen B 4 und B 5 beschriebenen Sicherheitslücke des werkseitig vergebenen individuellen Passworts. Zu diesem Geschehensverlauf besteht jedoch kein Schutzzweckzusammenhang bzgl. einer Pflicht zur Verhinderung eines Ausspähens des Aufdrucks auf der Rückseite des Gerätes.

c)
Der Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, den werkseitig vergebenen individuellen 16-stelligen Zahlencode nicht zur Erschwerung eines über das WLAN erfolgenden Ausspähens überhaupt und möglichst in einen Code unter Verwendung auch von Buchstaben und/oder Sonderzeichen geändert zu haben.

Wie gesehen, hatte der BGH in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (a.a.O., vgl. oben 1.) eine Prüfpflicht des privaten Internetanschlussbetreibers angenommen, „jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen“. Der BGH begründete seine Annahme einer insofern anlasslosen Prüfpflicht damit, das „hoch zu bewertende, berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, [werde] nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich verkehrsüblich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung angewandt [würden]“ (a.a.O., zit. nach juris-Rz. 24). Die Anknüpfung an „für den privaten Bereich marktübliche Sicherungen“ und „verkehrsüblich vorhandene Sicherungsmaßnahmen“ lässt erkennen, dass der BGH dem privaten Anschlussinhaber die im privaten Verkehr gebotene, letztlich in seinem eigenen Interesse liegende Sorgfalt abverlangt und ihm diesem Rahmen - aber auch nur diesem - entsprechende Erkundigungspflichten zumutet.

Nach dem Sach- und Streitstand im vorliegenden Verfahren ist nicht erkennbar, dass ein 16-stelliger reiner Zahlenschlüssel schon generell oder auch hier im Besonderen nicht als ausreichend sicher hätte beurteilt werden müssen:

Zwar ist es auch für einen mathematisch nur durchschnittlich vorgebildeten Anschlussinhaber leicht nachvollziehbar, dass ein 16-stelliger Zahlenschlüssel bei Verwendung allein der zehn Ziffern 0-9 weniger Kombinationsmöglichkeiten eröffnet als ein 16-stelliger Schlüssel unter Einbeziehung auch von Buchstaben und Sonderzeichen.

Andererseits eröffnet ein 16-stelliger reiner Zahlenschlüssel bereits 1016 Kombinationsmöglichkeiten. Zudem ist dem von außen zugreifenden Dritten auch nicht bekannt, ob der Anschlussinhaber sich auf einen reinen Zahlencode beschränkt hat; das gilt zumindest im vorliegenden Fall, in welchem die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, den Modem-Namen, der bei der Anzeige des WLAN-Netzes angegeben wird, in „O.“ geändert zu haben, so dass der verwendete Routertyp einem außenstehenden Dritten nicht erkennbar war und er daher keinen Rückschluss auf einen reinen Zahlencode vornehmen konnte.

d)
Bei dieser Ausgangslage wäre der Beklagten eine Prüfpflichtverletzung nur dann vorzuwerfen gewesen, wenn sie Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass ein 16-stelliger Zahlenschlüssel generell oder der auf ihrem Gerät spezielle verwendete Schlüssel im Besonderen ausspähbar gewesen wäre. Solche Anhaltspunkte lagen aber nach Sach- und Streitstand im vorliegenden Verfahren nicht vor.

Insbesondere hat die Beklagte unbestritten geltend gemacht, dass die dem Gerät beigefügte Betriebsanleitung den Erwerber nicht dazu aufforderte, den voreingestellten 16-stelligen Code durch einen eigenen Code mit Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen (oder überhaupt durch ein eigenes Passwort) zu ersetzen (die entsprechenden Empfehlungen in der Kundenwarnung der T. G. GmbH & Co OHG gem. Anlage B 4 erfolgten vorliegend erst nach Inbetriebnahme des Routers und den streitgegenständlichen Verletzungshandlungen); anderes hätte von der Klägerin substanziiert dargelegt und ggf. bewiesen werden müssen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte über besondere persönliche Kenntnisse verfügt hätte, die sie sich hätte entgegen halten lassen müssen.

Anhaltspunkte dafür, dass der auf dem Router voreingestellte konkrete 16-stellige Zahlencode „2...4“ eine für einen solchen Code unsichere Kombination aufwies, bestanden für die Beklagte ebenfalls nicht. Weder folgte der Code einem bestimmten für den Laien erkennbaren Muster noch hatte er irgendeinen Bezug zur Beklagten und deren sonstigen persönlichen Daten (Geburtstag, Hausnummer, Telefonnummer o.ä.), aus denen ein außenstehender bei Kenntnis auf den Code hätte rückschließen können. Auch die späteren Veröffentlichungen zur Sicherheitslücke gem. Anlagen B 4 und B 5 geben keinen Anhaltspunkt, inwiefern der Beklagten bei Inbetriebnahme des Routers eine Unsicherheit des voreingestellten individuellen Passworts hätte auffallen müssen.

Dass der Code in einer offenbar unsicheren Weise vom Hersteller generiert worden war, war der Beklagten ebenfalls nicht erkennbar. Sie hatte keine Möglichkeit, das Generierungsverfahren zu kontrollieren, und die späteren Mitteilungen B 4 und B 5, mit denen die Sicherheitslücke öffentlich bekannt wurde, wurden erst im März 2014 veröffentlicht und damit nach dem Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Verletzungshandlungen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH-Entscheidung zur sekundären Darlegungslast in Filesharing-Fällen liegt im Volltext vor - Anschlussinhaber haftet nicht als Störer, wenn volljährige Familienangehörige den Anschluss nutzen

BGH
Urteil vom 08.01.2014
I ZR 169/12
BearShare
UrhG § 97 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Keine Haftung des Anschlussinhabers für illegales Filesharing volljähriger Familienangehöriger, sofern kein Verdacht bestand - Bearshare" über die Entscheidung berichtet.

a) Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

b) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tat-sächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (Anschluss an BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 - Sommer unseres Lebens; Ur-teil vom 15. November 2012 I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 - Morpheus).

c) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der An-schlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rah-men des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 15. November 2012 I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 - Morpheus).

BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: