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OLG Hamburg: Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes muss in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen - Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter

OLG Hamburg
Urteil vom 07.09.2023
15 U 113/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen muss. Vorliegend ging es um wettbewerbswidrige Werbung für eine "innovative" Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Verfügungsgrund wird in Wettbewerbsverfahren vermutet, § 12 Abs. 1 UWG.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist allerdings widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (st. Rspr; vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1999 – I ZB 7/99 –, Rn. 11 - Späte Urteilsbegründung). Das kann der Fall sein, wenn er mit der Rechtsverfolgung längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Dabei obliegt es dem Antragsgegner, Umstände darzutun und glaubhaft zu machen, die auf eine „dringlichkeitsschädliche“ Kenntnis des Gegners schließen lassen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer, 5. Aufl. 2021, UWG § 12 Rn. 68 m.w.N.).

Dass die Antragstellerin die hier angegriffene, konkrete Werbung in Gestalt des Pappaufstellers und der darin einliegenden Werbeflyer mit den beanstandeten Aussagen und Gestaltungen schon vor dem 28.03.2022 (vgl. eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers und Leiters der Rechtsabteilung der Antragstellerin, G.H., Anlage AS 2) gekannt haben soll, behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht. Sie beruft sich lediglich darauf, dass Produkte mit dem neuen Filter T. bereits seit 2021 auf dem Markt seien und u.a. als „Schutz gegen HEV Blue Light“ beworben worden seien. Das genügt aber nicht, um die Dringlichkeitsvermutung für die vorliegenden Anträge zu widerlegen. Hierfür müsste es sich um kerngleiche Wettbewerbsverstöße gehandelt haben, die der Antragstellerin zur Kenntnis gelangt sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 2.15a m.w.N.).

Die Antragsgegnerin hat keine vorangegangene Werbung präsentiert, die kerngleich mit der hier angegriffenen wäre. Die von ihr aufgezeigten früheren Werbeformate (vgl. Anlagen Sch 6 bis Sch 8, Abb. 7 bis 11 in Schutzschrift Anlage AG 1 sowie Anlagen AG 3 bis AG 8) sind nicht ansatzweise identisch oder auch nur sehr ähnlich wie die hier streitgegenständlichen. In keiner der eingereichten Werbungen werden dieselben Aussagen, etwa „Innovation“, in vergleichbarem Kontext getroffen wie vorliegend beanstandet. Dasselbe gilt für das Thema „Blue Light“ wie etwa in Anlage AG 3. Hier wird zwar mit einem „Blue Light Filter“ bzw. „Blue Light-Schutz“ geworben, die Begriffe „HEV“ oder „High Energy Visible“ fehlen indes, die für die vorliegenden Anträge wesentlich sind. Die Gesamtaufmachung ist wiederum gänzlich anders und keinesfalls kerngleich mit den vorliegenden.

Im Übrigen ist eine Kenntnis der Antragstellerin von den einzelnen Werbungen nicht glaubhaft gemacht. Hierzu hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht nicht besteht; das gilt auch in einem engen wettbewerblichen Umfeld.

In Frage kommt in Anbetracht des substanziierten Vortrags der Antragsgegnerin allerdings eine dringlichkeitsschädliche Kenntnis der Antragstellerin vom Filter T., für den die Antragsgegnerin seit längerem schon eine Schutzwirkung vor (HEV) Blue Light ausgelobt hat. Dies könnte den Verfügungsgrund für ein Verbot unter dem Aspekt „fehlende Wirksamkeit des Produktes gegen HEV Blue Light“ entfallen lassen. Hierauf kommt es indessen nicht an, weil sich die Irreführung der angegriffenen Werbung auch aus anderen Gründen ergibt, für die eine frühere Kenntnis der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht ist.

2. Der Antragstellerin steht für jeden der geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch ein Verfügungsanspruch zur Seite. Die angegriffenen Werbungen erweisen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung als irreführend und damit unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG, so dass die Antragstellerin als Mitbewerberin Unterlassung verlangen kann, §§ 8 Abs. 1 Satz, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den begangenen Rechtsverstoß in Gestalt der veröffentlichten Werbung indiziert und wurde nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt.

a) aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht es der Antragsgegnerin untersagt, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussagen
„Innovation“
und/oder
„1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (sog. Pappaufsteller). Der Anspruch folgt für beide Teile aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: die wesentlichen Merkmale der Ware, …, Vorteile, …, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, …, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse, u.a.

Für die Prüfung, ob eine Werbeangabe unwahr oder zur Täuschung geeignet ist, ist zunächst auf das Verständnis des angesprochenen Verkehrs von der Angabe abzustellen. Maßgeblich ist das Leitbild des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise. Dieses Verständnis kann der Senat, dessen Mitglieder zum hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreis zählen, selbst beurteilen. Von einer Irreführung ist auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/19, Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; Urteil vom 12. Mai 2022 - I ZR 203/20, Rn. 18 - Webshop Awards; Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 21 - 7 x mehr). Ist, wie vorliegend, eine konkrete Verletzungsform streitgegenständlich, verbietet sich eine zergliedernde Betrachtung einzelner Elemente der Werbung. Zu würdigen ist vielmehr der Gesamteindruck der angegriffenen Werbung (BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 23 – 7 x mehr; Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett).

(1) „Innovation“

Der Senat hält das von der Antragstellerin angeführte und vom Landgericht geteilte Verständnis dieses Begriffs in der konkreten Verletzungsform für zutreffend. Beim Begriff „Innovation“ in der Werbung für ein Sonnenschutzmittel denkt der Verbraucher an eine positive, also produktverbessernde Neuerung oder Erfindung, die einen Fortschritt im Bereich Sonnenschutz mit sich bringt.

Die Antragstellerin macht hierzu geltend, das Wort „Innovation“ sei schon deshalb irreführend, weil das beworbene Produkt tatsächlich gar keine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light entfalte, wie sie mit ihrer als Anlage AS 5 eingereichten Studie belegt habe. Dies unterstellt, wären „Innovation“, aber auch die beiden anderen zu Ziffer 1.a) des Verfügungsantrags angegriffenen Angaben „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ und „Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“ im konkreten Kontext unzutreffend und damit ohne Weiteres zu untersagen. Der Senat kann diesen, zwischen den Parteien heftig umstrittenen und mit diametralen Studienergebnissen untermauerten Aspekt indes offen lassen. Damit kann auch die Frage dahinstehen, ob für ein Verbot unter diesem Aspekt – (kein) Schutz vor HEV Blue Light – die erforderliche Dringlichkeit noch besteht.

Denn die Werbung mit „Innovation“ wie in der konkreten Verletzungsform geschehen ist auch unabhängig von einer evt. fehlenden Schutzwirkung gegen HEV Blue Light als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 UWG anzusehen. Hierzu wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, dort Seite 11, verwiesen.

Der Senat verkennt nicht, dass – eine Wirksamkeit des neuen Filters in den Sonnenschutzprodukten der Antragsgegnerin gegen HEV Blue Light unterstellt – darin tatsächlich eine Innovation im o.g. Sinne liegen kann. Denn es wäre unstreitig der erste rein organische Filter, der diesen Bereich der Sonnenstrahlen mit abdeckt. Indessen wird genau diese Tatsache dem Verbraucher in der streitgegenständlichen Werbung vorenthalten. Er erfährt von der neuartigen Filterart nichts, sondern liest zur Erklärung: „1. SONNENSCHUTZ aus der P.F. Forschung mit HEV BLUE LIGHT FILTER“. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nimmt der Verbraucher angesichts dieser Formulierung an, es handele sich um den ersten Sonnenschutz überhaupt mit HEV Blue Light Filter. Wenn er das kleingedruckte „aus der P.F. Forschung“ überhaupt wahrnimmt, wird er dies als Urheberangabe des ersten Sonnenschutzes mit HEV Blue Light Filter ansehen, also annehmen, das Haus P.F. habe einen solchen erstmals erfunden. Dies ist unstreitig falsch. Damit ist die Werbung mit „Innovation“ jedenfalls in der konkreten Verletzungsform wie beantragt zu untersagen.

Dass „Innovation“ für sich genommen zutreffend und in anderem Zusammenhang, wie etwa in Abb. 9 der Schutzschrift, zulässig sein mag, steht dem nicht entgegen. Für die Beurteilung einer konkreten Werbung gilt, wie oben ausgeführt, dass einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung nicht aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett). Vielmehr sind sie genau und gerade in diesem Zusammenhang zu würdigen.

(2) „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“

Auch diese Angabe ist in der konkreten Verletzungsform irreführend. Der angesprochene Verbraucher versteht die Aussage entweder wie eben dargelegt so, dass P.F. den ersten Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter auf dem Markt überhaupt anbietet. Dies ist unzutreffend. Oder der Verbraucher nimmt an, es sei die erste Sonnencreme bei/von P.F. mit HEV Blue Light Filter, was ebenfalls nicht richtig ist, weil auch die Antragsgegnerin unstreitig schon zuvor mineralische Filter aus Titandioxid gegen HEV Blue Light in ihren Produkten verwendet hat.

Zwar trifft es zu, dass beide Angaben – „Innovation“ und „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ – ganz wörtlich genommen nicht falsch sind. Sie werden im konkreten Zusammenhang aber in der dargelegten Art und Weise falsch verstanden. Es ist anerkannt, dass unter Umständen auch inhaltlich zutreffende, also wahre Tatsachenbehauptungen eine Irreführungsgefahr begründen. Das ist der Fall, wenn ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der objektiv richtigen Angabe eine unrichtige Vorstellung verbindet (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 114/20 –, Rn. 31 – Kieferorthopädie). So liegt es hier. Für den Durchschnittsverbraucher ist die Urheberschaft der Innovation – deren Inhalt ihm vorenthalten wird – nicht interessant, weil nicht von praktischer Relevanz. Interesseweckend ist hingegen die Information „Erster Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter“. Hierin wird der Verbraucher die „Innovation“ sehen. So verstanden ist die Werbung aber irreführend: Die Innovation liegt allenfalls in der neuen Filterart. Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter gibt es schon lange. Denkt der Verbraucher, „jetzt auch bei P.F. mit HEV Blue Light Filter“, ist dies ebenfalls unzutreffend, denn auch die Antragsgegnerin vermarktet schon länger solche Produkte. Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin diese Fehlvorstellungen bewusst erzeugt hat und ein sehr großer Teil des angesprochenen Verkehrs ihnen unterliegt. Die im Falle wörtlich genommen richtiger Angaben vorzunehmende Interessenabwägung führt damit zu keinem anderen Ergebnis als dem vom Landgericht ausgesprochenen Verbot.

bb) Der Antragstellerin steht auch ein Anspruch auf Untersagung zu, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussage
„Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (weiße Rückseite des Flyers).

Auch dieser Unterlassungsanspruch ist aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet, denn die Antragstellerin hat ein rechtlich relevantes Irreführungspotenzial überzeugend dargelegt. Angesichts der Aufmachung dieser Flyerseite wird der angesprochene Verkehr im „neuen Standard“ einen Schutz gegen HEV Blue Light sehen. Dieses ist farblich hervorgehoben und wird einem Durchschnittsverbraucher – zu dessen Kreis auch die Mitglieder des entscheidenden Senats zählen – bislang nicht bekannt sein. Der Verkehr erwartet ein neues Niveau beim Sonnenschutz für das Gesicht, eine deutliche Verbesserung zu früheren Produkten, und diese liege im nunmehr vorhandenen Extra-Schutz gegen HEV Blue Light. Diese Vorstellung ist aber unzutreffend, wie bereits ausgeführt. Auch hierzu sei auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, die meint, der Verbraucher erwarte keine wesentliche Neuerung und Verbesserung beim Sonnenschutz für das Gesicht. Nichts anderes kann ein „neuer Standard“ nach allgemeinem Sprachverständnis sein. Es gilt wiederum, dass dem Verkehr egal sein dürfte, welche neuen Standards sich „das Haus P.F.“, also die Antragsgegnerin, selbst gesetzt hat. Einen reinen Eigenvergleich, betreffend nur Produkte aus dem eigenen Haus, anzunehmen erscheint fernliegend. Der Verkehr erwartet einen insgesamt neuen Standard im Vergleich zum gesamten Markt an Sonnenschutzprodukten. Diesen gibt es indessen mit dem beworbenen Produkt nicht, wie auch die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht in Abrede nimmt. Schließlich ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen, das mit „unser neuer Standard beim Sonnenschutz für das Gesicht“ wirbt, diesen Standard selbst gesetzt hat. Auch dies ist im Hinblick auf eine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light, die viele Produkte seit langem bieten, nicht der Fall.

b) Auch den zu Ziffer 1. b) geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Untersagung, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UVB UVA HEV Blue Light“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung in den ersten beiden Abbildungen unter 1. b) wiedergegeben, hat das Landgericht zu Recht zugesprochen.

Die Antragsmodifizierung, mit der die Antragstellerin die ursprünglich unter 1. b) fallende dritte Abbildung (Seitenansicht der Umverpackung) nun als konkrete Verletzungsform unter einen eigenen Antrag zu 1. c) gestellt hat, stellt keine inhaltliche Erweiterung oder Änderung im Sinne des § 533 ZPO dar, sondern ist als sprachliche Präzisierung des Kerns der Beanstandung dieser Werbung ohne Weiteres zulässig, § 938 Abs. 1 ZPO.

aa) Die Darstellung der verschiedenen Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge „UVB UVA HEV Blue Light“ ist, wenn sie geschieht wie in der ersten Abbildung zum Antrag 1. b) (weiße Rückseite des Flyers), unlauter. Dabei ist nicht die Reihenfolge dieser Begriffe per se verbotswürdig. Die Aufmachung der konkreten Verletzungsform, und nur diese ist streitgegenständlich, vermittelt dem angesprochenen Verbraucher einen falschen Eindruck über die Bedeutsamkeit des HEV Blue Lights.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Werbung in Apotheken platziert wurde, die der Verbraucher auf der Suche nach besonders hochwertigen und -wirksamen Sonnenschutzmitteln aufsucht und in denen er in besonderem Maße gesundheitsschützende Produkte erwartet. Durch die grafische Gestaltung der Karte, auf der sich unter der fettgedruckten Überschrift „Neuer Standard“ die farblich hervorgehobene Angabe HEV BLUE LIGHT findet, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf dieses gelenkt. Er wird denken, es gebe eine neue oder neu erforschte Strahlungsart oder Lichtart, gegen die man sich schützen müsse. Ein Schutz gegen diese Lichtart sei neuer Standard, also dringend anzuraten.

Dabei suggeriert die Darstellung UVB UVA HEV Blue Light, dass diese drei Strahlungsarten im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit und die Bedeutsamkeit eines Schutzes vor ihnen auf einer Stufe stehen. Die Antragsgegnerin dürfte Recht damit haben, dass Verbraucher die Reihenfolge der Strahlungslängen im Lichtspektrum der Sonne in der Regel nicht kennen. Gerade deshalb werden sie sie aber auch nicht zutreffend nach (absteigender) Gefährlichkeit „sortieren“. Vielmehr erscheint es mit dem Landgericht naheliegend, dass die Verbraucher wegen der optischen Hervorhebung in Blau dem HEV Blue Light sogar eine noch größere Gefährlichkeit zumessen als den daneben genannten UV-Strahlen. Jedenfalls werden sie auf das HEV Blue Light aufmerksam und sehen es mindestens als gleichwertig schädlich an wie UVB und UVA. Diese Einschätzung ist unzutreffend, wie nachfolgend unter cc) ausgeführt wird.

bb) Auch die andere Seite des Flyers (orange Vorderseite), wie aus der zweiten Abbildung im landgerichtlichen Tenor zu 1. b) ersichtlich, vermittelt den Eindruck einer erheblichen Bedeutsamkeit des Schutzes vor HEV Blue Light, die sachlich so nicht gerechtfertigt ist. Diese Flyerseite wird der angesprochene Apothekenkunde wie folgt verstehen: Mit dem obersten Textblock lernt er, dass 80 % der Hautalterung durch UVA-Strahlung und HEV Blue Light verursacht werden. In Ermangelung einer weiteren Aufschlüsselung der „80 %“ wird hierdurch der Eindruck erweckt, dass beide Strahlungsarten auf einer Stufe stehen. Auf der darunter stehenden Grafik zur Eindringtiefe der Strahlen wird hingegen sogar eine ansteigende Gefährlichkeit von UVB über UVA nach HEV Blue Light suggeriert. Der normale Durchschnittsverbraucher wird die bildlich dargestellte Eindringtiefe der Strahlen mit „Gefährlichkeit für die Haut“ gleichsetzen. Als medizinischer Laie nimmt er an, dass je tiefer etwas in den Körper eindringt, desto mehr wirkt es auf diesen ein und kann – im Fall von Strahlen – Schaden anrichten. Dass tatsächlich die Eindringtiefe der Strahlen umgekehrt proportional ist zum Energiegehalt und damit der Schädlichkeit für die Haut, weiß der Normalverbraucher nicht. Dieser (falsche) Eindruck wird noch verstärkt durch den rechts daneben platzierten Erklärungstext. Durch die Information

„HEV (HIGH ENERGY VISIBLE) BLUE LIGHT ist hochenergetisches sichtbares Licht und dringt tiefer in die Haut als UVB- und UVA-Strahlen“,

wird der Verbraucher davon ausgehen, dass das „hochenergetische“ sichtbare Licht noch energiereicher sei als UV-Strahlung, deshalb noch intensiver sei und noch mehr Schutz erfordere.

cc) Diese Erwartung ist sachlich falsch und die angegriffene Werbung auf beiden Flyerseiten deshalb irreführend im Sinne des § 5 UWG.

Es ist der Antragsgegnerin dabei zuzugestehen, dass ein Schutz vor Strahlung auch im Blue Light Bereich sinnvoll sein mag. Sie trägt nachvollziehbar vor, dass die im Spektrum benachbarten Lichtarten ineinander übergehen und sich z.T. auch überschneiden, so dass ein Schutz nicht an der virtuellen Wellenlängengrenze von 400 nm enden sollte. Auch ist es angesichts ihres durch Studien substanziierten Vortrags glaubhaft, dass HEV Blue Light die Bildung freier Radikale hervorrufen, zu oxidativem Stress führen und somit Hautzellen schneller altern lassen, ebenso wie einen Effekt auf die Pigmentierung bei entsprechenden Hauttypen haben kann. Grundsätzlich ist eine Werbung mit Schutz gegen HEV Blue Light daher nicht zu beanstanden (sofern das Produkt ihn denn bietet) und entsprechende Sonnenschutzmittel werden auch von anderen Wettbewerbern, u.a. der Antragstellerin selbst, vermarktet.

Die vorliegende Werbung suggeriert jedoch eine mindestens gleichwertige Gefährlichkeit des HEV Blue Light mit UVB- und UVA-Strahlen. Das ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend.

Es kann dahinstehen, ob der angesprochene Verkehrskreis das HEV Blue Light als auf einer Stufe stehend mit UV-Licht oder sogar als noch schädlicher und schutzerfordernder als dieses ansieht, was jedenfalls die zweite Abbildung nahelegt. Beide Verständnisweisen sind objektiv unrichtig, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass HEV Blue Light in jeder Hinsicht weniger gefährlich ist als UV-Strahlung.

Es ist zunächst unstreitig und auch offenkundig, dass sonnenbedingte Hautschäden – Sonnenbrand, dadurch verursachte vorzeitige Hautalterung, Hautkrebsrisiko – in erster Linie von UV-Strahlen, und zwar in der Reihenfolge UVB-UVA ausgehen. HEV Blue Light tritt dahinter deutlich zurück. Dies hat die Antragstellerin u.a. mit dem als Anlage AS 12 eingereichten Artikel aus 2019 zum Thema „visible light“ als der aktuellen Forschung entsprechend glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin bestreitet dies nicht, sondern räumt (u.a. auf Seite 10 ihrer Schutzschrift) selbst ein, dass der UV-Anteil des Sonnenspektrums für die Haut am schädlichsten ist. Dies ist nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag wissenschaftlicher Konsens. Damit ist die angegriffene Werbung, die eine mindestens gleichrangige Gefahr durch HEV Blue Light suggeriert, irreführend.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass bezüglich vorzeitiger Hautalterung durch Bildung freier Radikale u.a. HEV Blue Light mit UVA-Strahlung mindestens gleichauf liege, ändert dies an der Unzulässigkeit der grafischen Darstellungen nichts. Einerseits erscheint dies nach den beiderseits eingereichten Unterlagen schon nicht als überwiegend wahrscheinlich. Die Antragstellerin trägt substanziiert und nachvollziehbar vor, auch hieran habe UV-Strahlung einen weitaus größeren Anteil als Blue Light (vgl. wiederum Anlage AS 12), was der Senat angesichts der seit Jahren gesicherten Erkenntnisse zur durch Sonnenbrände bedingten vorzeitigen Hautalterung für naheliegend hält.

Andererseits kann es deshalb dahinstehen, weil die angegriffene Werbung Sonnenschutz ganz allgemein verspricht und hierbei HEV Blue Light besonders hervorhebt. Auch wenn das Wort „Hautalterung“ auf beiden Flyerseiten genannt wird, ist angesichts der Gesamtaufmachung nicht anzunehmen, dass der Verkehr die Darstellungen nur auf das Thema Hautalterung beziehen wird. Im Vordergrund der ersten Abbildung (weiße Seite des Flyers) werden optisch „NEUER STANDARD“ beim Sonnenschutz für „DAS GESICHT“ und die Strahlungsarten „UVA UVB HEV BLUE LIGHT“ hervorgehoben. Auf diese Aspekte wird der Verbraucher seine Aufmerksamkeit lenken. Auch auf der zweiten Abbildung (orange Seite des Flyers) tritt das kleingeschriebene Wort „Hautalterung“ im Vergleich zu den prominenten farbigen Gestaltungen derart in den Hintergrund, dass niemand die Informationen zum HEV Blue Light allein auf dieses Thema beziehen wird. Überdies ist im Verkehr allgemein bekannt, dass Hautalterung insbesondere eine Folge von Sonnenbränden ist, die wiederum von UV-Strahlen verursacht werden. Kaum jemand wird das Thema „Hautalterung“ von Sonnenbrand, Zellschädigungen usw. differenzieren, denn bekanntermaßen geht alles dies miteinander einher.

c) Auch der neu formulierte Antrag zu 1. c) ist begründet. Die Antragsgegnerin hat es gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG zu unterlassen, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UV-Breitbandschutz: UVB – UVA
HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht, wie im neuen Antrag zu 1.c) eingeblendet wiedergegeben.

Auch dieser Anspruch besteht unter dem Aspekt, dass mit dieser Reihenfolge und grafischen Darstellung auf der Umverpackung der beworbenen E.T.A. Sonnencreme dem Schutz vor HEV Blue Light eine Bedeutung zugeschrieben wird, die diesem objektiv nicht zukommt.

Während die weitaus gefährlicheren UVB- und UVA-Strahlen abgekürzt am Ende der mittleren Zeile genannt werden, wird das nach den obigen Ausführungen deutlich harmlosere blaue Tageslicht voll ausgeschrieben und im blauen Fettdruck in einer ganzen Zeile platziert: HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT. Erneut gilt, dass dem Verbraucher diese Lichtart nicht bekannt sein dürfte (oder allenfalls als blaues Bildschirmlicht). Durch die prominente Platzierung, den Fettdruck und die Worte HIGH ENERGY wird die Aufmerksamkeit auf diese Angabe gerichtet. Zwar mag es sich in der ausgeschriebenen Form um den englischen Fachbegriff dieses Lichts handeln, er wird jedenfalls vom einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs aber falsch interpretiert. „HIGH ENERGY“ verleitet in der konkreten Gestaltung zur Annahme, dass Blue Light höherenergetisch ist als UV-Licht und damit aus Laiensicht auch gefährlicher als dieses.

Hinzu kommt, dass die Kopfzeile der in Rede stehende Werbeaussage als blauer Balken ausgestaltet ist, auf den in weißen Großbuchstaben die Worte „SKIN PROTECT“ aufgedruckt sind. Indem in den darunter folgenden Textzeilen auf weißem Grund nur die Worte „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ ebenfalls ausschließlich in Großbuchstaben und zudem in demselben Blauton wie der Hintergrund der Kopfzeile gedruckt wurden, wird in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers zwischen den Worten „SKIN PROTECT“ und „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ eine besonders enge Verknüpfung hergestellt. Der tatsächlich unzutreffende Eindruck, ein Schutz der Haut („SKIN PROTECT“) sei vorrangig vor „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ geboten, wird hierdurch noch einmal erheblich verstärkt.

d) Insgesamt sind die zu 1. b) und c) angegriffenen werblichen Darstellungen des HEV Blue Light in den drei konkreten Verletzungsformen zu vollmundig für seine eher nachrangige Bedeutung beim Lichtschutz. Es wird eine Relevanz dieser Lichtart vermittelt, die ihr für den Hautschutz nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zukommt. Dementsprechend benennt das wettbewerbliche Umfeld – soweit aus den von den Parteien eingereichten Abbildungen ersichtlich – es deutlich weniger drängend etwa „Blue Light“ oder „sichtbares Licht“. Der Senat verkennt nicht, dass die Nennung und Bezeichnung des HEV Blue Lights für sich genommen nicht unzutreffend ist, eine Wirksamkeit des Produktes hiergegen unterstellt. Wie oben ausgeführt, kann aber das Irreführungsverbot auch objektiv zutreffende Angaben erfassen, weil es auf das jeweilige Verständnis der Adressaten der Werbung ankommt.

Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. hierzu auch Köhler/ Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.200 ff., 1.205) ist vorliegend zu berücksichtigen, dass an die Zulässigkeit einer Werbung im Bereich Gesundheitsschutz besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Es gelten strenge Bedingungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen. Dies rechtfertigt sich durch die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen (Bornkamm/Feddersen, a.a.O. Rn. 2.215; BGH, Urt. v. 6. 2. 2013 – I ZR 62/11, Rn. 16, 17 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Das gilt auch für Kosmetikprodukte wie die streitgegenständliche Sonnencreme, die Schutzwirkung gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen der menschlichen Haut entfalten soll. Vorliegend überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin, die Produkte mit ihrem neuen Filter im Hinblick auf einen Schutz vor HEV Blue Light derart hervorgehoben zu bewerben, nicht das Interesse der Verbraucher, vor dem irregeleiteten Kauf eines Produktes geschützt zu werden, das ihnen weit weniger besonderen Nutzen bietet, als in der Werbung suggeriert wird.

e) Auch die für ein Verbot erforderliche geschäftliche Relevanz einer Irreführung, § 5 Abs. 1 UWG, liegt für alle angegriffenen Werbeformate vor. Die hervorgehobenen Werbungen mit einer (neuen) Schutzwirkung vor HEV Blue Light und deren vermeintlicher Bedeutsamkeit für den Hautschutz sind geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für "unsichtbares" Hörgerät wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte sichtbar ist

LG Berlin
Urteil vom 25.07.2023
102 O 121/22


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für ein "unsichtbares" Hörgerät vorliegt, wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte von außen sichtbar ist. Insofern handele es sich nur um ein "fast unsichtbares" Hörgerät, dass nur als solches beworben werden dürfe. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Darmstadt: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn Finanzvermittlerin die Geschäftsbezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwendet

LG Darmstadt
Urteil vom 04.07.2023
20 O 49/22


Das LG Darmstadt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Finanzvermittlerin die Geschäftsbezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwendet. Es handelt sich bei "Banka" um den türkische Übersetzung für "Bank". Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Traunstein: Buchungsportal haftet für per Inline-Link eingebettete Inhalte - 3-Sterne-Werbung eines Hotels ohne DEHOGA-Klassifizierung

LG Traunstein
Urteil vom 30.03.2023
1 HK O 2790/22


Das LG Traunstein hat entschieden, dass ein Buchungsportal für per Inline-Link eingebettete Inhalte haftet. Vorliegend ging es um eine wettbewerbswidrige Irreführung mit der 3-Sterne-Werbung eines Hotels ohne DEHOGA-Klassifizierung.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässsige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte den tenorierten Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3 I, 5 I, 3 III UWG iVm. Anhang Nr. 2 sowie den geltend gemachten Aufwendungsersatz in Höhe von 374,50 € (§ 13 III UWG).

I. Der Kläger kann Unterlassung der Drei – Sterne – Bewertung von der Beklagten verlangen.

Nach § 8 I UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des Erstverstoßes vermutet.

1. Der Kläger ist aktiv legitimiert. Die Aktivlegitimation ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Als eingetragener Verein ist der Verfügungskläger ein rechtsfähiger Verband; auch ist er die Liste gemäß § 8b Abs. 1 UWG eingetragen. Er dient ferner der Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen. Denn zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers gehört die Förderung der gewerblichen Interessen u.a. durch Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ggf. im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspflege.

2. Die Drei–Sterne–Werbung für das Hotel I. auf der Internetseite der Beklagten ist irreführend und verstößt gegen §§ 3 I, 5, 3 III UWG iVm. Anhang Nr. 2.

Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Markterschließung in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise zu beeinflussen. Dabei richtet sich die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH, U. v. 5.11.2015 – I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis II).

Vorliegend wird der Adressat der Werbung in der Verwendung der drei waagrecht angeordneten fünfzackigen Sterne neben der Geschäftsbezeichnung eines Hotels auf dem Portal der Beklagten die Behauptung sehen, dass diesen Sternen eine offizielle Klassifizierung einer neutralen Klassifizierungsstelle zu Grunde liegt. Da die Kammermitglieder selbst zu dem angesprochenen Adressatenkreis gehören, können sie die maßgebliche Verkehrsauffassung aus eigener Sachkunde beurteilen. Danach geht der Verkehr bei der Sternebewertung von Hotels wie bei einer Verwendung von Güte- und Qualitätszeichen davon aus, dass die Güte anhand objektiver Merkmale in Erfüllung von Mindestanforderungen bestimmt wird und dass dies durch eine neutrale unabhängige und außerhalb des gewerblichen Gewinns stehende Stelle überprüft und gewährleistet wird (Link, in: Ullmann, juris PK UWG, 3. Aufl., § 5 UWG Rdnr. 375). Entscheidend für den Verbraucher ist, dass die Sterneklassifizierung von einer neutralen unabhängigen Stelle nach objektiver Prüfung des Hotels und seiner Ausstattung erfolgt.

Das vorgenannte Hotel wird im Internetauftritt der Beklagten mit drei fünfzackigen Sternen beworben. Klickt man auf die Sternesymbole erscheint zudem der Hinweis „DEHOGA Klassifizierung“. Dies suggeriert dem Kunden, dass es sich um ein offiziell von der DEHOGA klassifiziertes Hotel handelt, dass folglich eine Drei – Sterne – Klassifizierung nach der DEHOGA, d.h. eine Einordnung in eine bestimmte Komfort Kategorie erfolgt ist.

Unstreitig existiert für das Hotel I. tatsächlich jedoch keine aktuell gültige (Drei – Sterne –) Klassifizierung nach Maßgabe der DEHOGA. Damit liegt eine Irreführung des Verkehrs zu Wettbewerbszwecken vor. Die Werbung ist unlauter.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Beklagte auch Schuldnerin des Unterlassungsanspruches nach § 8 I UWG. Denn sie hat auf ihrer eigenen Internetseite vorliegend ein eigenes (Pauschal-) Angebot, nämlich das Angebot „A.“, angeboten und stellt nicht lediglich eine Plattform zur Verfügung, auf der Drittanbieter (deren) Angebote einstellen können; sie ist folglich selbst Täterin durch die Veröffentlichung eigener unlauterer Inhalte (a). Jedenfalls hat sie sich jedoch fremde Inhalte einer anderen Internetseite, nämlich des Buchungssystems T. zu eigen gemacht und muss auch deshalb für den Wettbewerbsverstoß einstehen (b).

a) Die Beklagte ist vorliegend selbst Täterin des wettbewerbswidrigen Verhaltens, weil sie das Produkt „Pauschale A.“ als ihr eigenes eigenständiges Produkt unlauter auf dem Markt auf ihrer Internetseite angeboten hat; es handelt sich soweit um eigene Inhalte.

Schuldner der in § 8 I UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer hieran beteiligt. Hier hat die Beklagte den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung durch das Erstellen und Bewerben eines eigenen Angebots selbst verwirklicht.

Für unzulässige Internet-Werbung haftet zunächst – auch ohne Privilegierung nach den § 7 ff TMG – der Inhaber der Domain, u.u. auch derjenige der im Impressum genannt ist (Gloy/Loscheider/Dackwerts Wettbewerbsrecht, § 79 Rnr. 148). Hier handelt es sich bei der Internetseite www.h. unstreitig um die Internetseite der Beklagte; auch ist sie im Impressum als Verantwortliche genannt.

Die Beklagte war es auch, die das streitgegenständliche Angebot, das in dieser Form als Pauschale (mit Vergünstigungen) nur sie so anbietet, erstellt und in ihren eigenen Internetauftritt hineingeschrieben hat. Wie der Geschäftsführer in seiner informatorischen Anhörung ebenfalls eingeräumt hat, ist sie auch der Reiseveranstalter und der Rechnungssteller des Pauschalangebots. Damit haftet sie auch für ihr Angebot. Dass sie hierin die Angaben der Anbieter der einzelnen Komponenten, aus denen sich ihr eigenes Angebot zusammensetzt, teilweise übernommen hat, bzw. dass es teilweise nicht die „Waren der Beklagten“ sind, ändert hieran nichts. Erstellt sie ein eigenes selbstständiges Angebot, ist sie die Anbieterin und hierfür auch komplett verantwortlich. Sie ist dann auch verpflichtet, die einzelnen Komponenten zu prüfen, bevor sie sie in ihr eigenes Angebot übernimmt, jedenfalls dann wenn sie nicht ausdrücklich in ihrem Angebot klarstellt, dass das Angebot nicht komplett von ihr stammt bzw. dass bestimmte Bestandteile – und diese muss sie genau bezeichnen, hier also die Hotelübernachtung – lediglich von anderen Anbietern übernommen und in ihr eigenes Angebot integriert worden sind. Hierauf hat die Beklagte vorliegend aber nicht hingewiesen, wie ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung ausführte. Vielmehr merke der Kunde nicht, dass er bei der Hotelsuche auf einer anderen Plattform unterwegs ist.

b) Selbst wenn man, weil nicht alle Komponenten des Angebots von der Beklagten stammen und sie nicht auf alle Bestandteile ihres Pauschalangebotes tatsächlich Einfluss hat, nicht von einem ausschließlich eigenen Inhalt der Beklagten ausgeht, für den sie komplett verantwortlich ist (s.o. unter a)), hat die Beklagte sich durch die (Inline-) Verlinkung auf das Hotelbuchungssysten T. des I. fremde Inhalte anderer Internetseiten jedenfalls zu eigen gemacht und ist auch aus diesem Grund Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs nach § 8 I UWG.

Entgegen der Meinung der Beklagten entfällt die Verantwortlichkeit der Beklagten für die streitgegenständliche Drei – Sterne – Hotelbewertung nicht deshalb, weil die Beklagte als Diensteanbieterin nach den §§ 8 bis 10 TMG für fremde Inhalte nur eingeschränkt haftet. Ein Haftungsprivileg nach den §§ 8 – 10 TMG kommt der Beklagten nicht zu Gute. Denn zum einen handelt es sich nicht um fremde, sondern um jedenfalls zu eigen gemachte Inhalte und zum anderen sind die §§ 7 – 10 TMG nicht auf das Setzen von Links, die zu fremden Inhalten führen, anwendbar, auch nicht entsprechend. Es gelten vielmehr insoweit die allgemeinen Grundsätze des Wettbewerbsrechtes: Wer sich fremde Informationen zu eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Links verweist, haftet dafür mithin wie für eigene Informationen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 8 Rnr 2.27a; BGHZ 206, 103 Rn. 12 = GRUR 2016, 209 – Haftung für Hyperlink).

Die Beklagte kann sich daher nicht erfolgreich darauf berufen, dass sie sich der Internetseite des I. und dessen Hotelbuchungssystems T., bedient, dessen Daten wiederum von der B. in eigener Zuständigkeit und Verantwortung geprüft werden, und dass sie nicht für deren Inhalte haftet. Denn die Verlinkung auf das Suchportal des I. wird nach außen nirgends ersichtlich (s.o.). Die Inhalte erscheinen für den Marktteilnehmer bzw. Internetnutzer als eigene Informationen der Beklagten. Der Kunde merkt nicht, dass er bei der Hotelsuche auf einer anderen Plattform unterwegs ist. Die Beklagte hat sich eigene weiterführende Darstellungen zu einem Hotel als Teil ihres Pauschalangebotes erspart, indem sie den Nutzern ihrer Internetseite auf die Internetseite T. weiterleitete. Der Link dient dabei der Vervollständigung des eigenen Angebots des Beklagten und ist so in ihre eigene Internetseite eingebettet, dass er für den normalen Durchschnittsnutzer als eigene Information der Beklagten erscheint. Die Beklagte macht sich somit nach den Gesamtumständen Angebote Dritter, nämlich des I. im Wege des Inline-Linking zu eigen. Damit haftet sie aber auch selbst für die verlinkten Inhalte wie für eigene (Gloy/Loscheder/Dankwerts, Wettberbsrecht, § 79 Rnr. 150; MüKo, UWG, § 8 Rnr. 330). Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn die Beklagte die Verlinkung auf das nicht von ihr betriebene Buchungssystem offengelegt hätte, wie das Betreiber anderer Internetseiten durchaus praktizieren (z.B. verweisen Kinobetreiber beim Angebot von Filmtrailern teilweise ausdrücklich darauf, dass nun auf externe Inhalte weitergeleitet wird). Dadurch hätte sie klargestellt, dass es sich um fremde Inhalte handelt und sie sich diese nicht zu eigen machen will.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es daher auf eine mögliche Haftung wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, die nur zur Haftung führt, wenn derjenige, der fremde Inhalte auf seiner Internetseite präsentiert, zumutbare Prüfpflichten bezüglich dieser fremder Inhalte, die erst ab Kenntniserlangung des Wettbewerbsverstoßes entstehen, verletzt hat, nicht an. Gleiches gilt für die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten durch den Betreiber eines Online-Marktplatzes. Denn nach den Gesamtumständen handelt es sich nicht um fremde, sondern um jedenfalls sich zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten (s.o.). Zudem ist die Beklagte kein Betreiber eines Online-Marktplatzes bei dem Drittanbieter ihre Angebote einstellen können.

d) Einer Haftung der Beklagten steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie im Impressum ihrer Internetseite allgemein erklärt, nach § 7 TMG nur für eigene Inhalte verantwortlich zu sein und nicht verpflichtet zu sein, gespeicherte oder fremde Inhalte zu überwachen. Denn wie oben dargelegt handelte es sich nicht um fremde, sondern um eigene Inhalte der Beklagten.

Auch ist der allgemeine Hinweis im Impressum der Beklagten, dass das Angebot Links zu externen Webseiten enthält, auf deren Inhalt kein Einfluss besteht und für die keine Gewähr übernommen wird, so nicht ausreichend, um eine Haftung auszuschließen. Da durch eine solch allgemeine Klausel unklar bleibt, bei welchen Inhalten der Internetseite es sich um eigene und bei welchen es sich um verlinkte fremde Inhalte handelt, und hierauf auch keinerlei Hinweise/Einschränkungen auf der Internetseite zu finden sind, ist für den Nutzer nicht zu erkennen, für welche Inhalte die Beklagte nun ihre Haftung einschränken will und für welche nicht. Durch solche intransparenten salvatorischen Klausel kann der Diensteanbieter eine Haftung nicht ausschließen, wenn er sich nach den Gesamtumständen die fremden Informationen zu eigen macht (BGH NJW 2015, 3443). Nach den obigen Ausführungen hat sich die Beklagte nach den Gesamtumständen die fremden Inhalte jedoch gerade zu eigen gemacht.

II. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf Aufwendungsersatz für die Abmahnkosten nach § 13 III UWG in Höhe von 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 29.12.2022.

1. Die Abmahnung war begründet. Die Höhe der Kosten folgt aus der Rechtsprechung zu der anerkannten Pauschale für den Anspruch des Klägers auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten (Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 13 Rnr. 132 mit weiteren Nachweisen). Insoweit wurden die Kosten auf 350,00 € zuzüglich 7% MwSt, mithin 374,50 € geschätzt (§ 287 ZPO).


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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne wenn Produkt im Ausland hergestellt wird

LG Hamburg
Urteil vom 02.06.2022
327 O 307/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "German Quality" und Farben der Deutschlandfahne vorliegt, wenn das Produkt im Ausland hergestellt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG.

Die streitgegenständlichen Verpackungsaufmachungen sind irreführungsgeeignet i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Die angesprochenen Durchschnittsverbraucher der hier in Rede stehenden Waren werden der Abbildung der Farben der Deutschlandfahne schwarz/rot/gold in drei Balken nebeneinander mit dem Zusatz „German Quality“ nicht nur die Beschreibung einer bestimmten - deutschen, „German“ - Qualität, unabhängig vom Ort der Herstellung, entnehmen, sondern diese Bestandteile der Verpackungsaufmachungen als Hinweise auf den Ort der Herstellung der Kondome auffassen, auch wenn - anders als in dem vom OLG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 17.08.2020, Az. 6 W 84/20, GRUR-RS 2020, 21585) entschiedenen Fall - auf der Verpackung kein Bezug auf den Herstellungsprozess als solchen genommen wird. Das Argument der Beklagten, unter deutscher Qualität verstehe der Verbraucher unabhängig vom Herstellungsort die Einhaltung der für Deutschland einschlägigen Industrienormen und Parameter sowie überobligatorische Tests und die stichprobenartige Qualitätsprüfung durch die Beklagte als deutsches Unternehmen, überzeugt insoweit nicht. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher hat nämlich keine Kenntnis von etwaig hier einschlägigen konkreten Industrienormen und sonstigen Herstellungsparametern im Einzelnen oder davon, ob und welche besonderen technischen Qualitätsnormen in Deutschland im Vergleich zum Ausland gelten. Eine derartige Vorstellung des angesprochenen Verkehrs anzunehmen, überspannte vielmehr dessen Kenntnisstand und die daraus resultierenden Vorstellungen von einer - wie auch immer gestalteten - „deutschen Qualität“. Gerade bei einem - wie vorliegend - einteiligen Produkt, das aus einem Rohstoff in einem Herstellungsschritt erzeugt wird, wird der Verbraucher der Abbildung einer Deutschlandfahne mit den Worten „German Quality“ entnehmen, dass dieses in Deutschland hergestellt wird, sich die Qualität mithin aus den Fertigungsstandards sowie der Ausbildung und Kenntnisse der Mitarbeiter am Produktionsstandort Deutschland ergibt, nicht hingegen lediglich daraus, dass einem Lohnhersteller im Ausland bestimmte qualitative Vorgaben gemacht werden, deren Einhaltung im Inland lediglich stichprobenartig überprüft wird.

II. Der von der Klägerin geltend gemachte Abmahnkostenersatzanspruch nebst Rechtshängigkeitszinsen folgt aus § 13 Abs. 3 UWG i. V. m. den §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB. Dem Grunde nach wird wegen der Irreführungseignung der abgemahnten Produktaufmachung auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Auch die übrigen abgemahnten Werbeaussagen waren irreführend i. S. v. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG, da auch sie dem angesprochenen Verkehr suggeriert haben, die so beworbenen Produkte würden - wie unstreitig nicht - in Deutschland hergestellt. Der Höhe nach ist der von der Klägerin für die Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 125.000,00 €, von dem ein Teilgegenstandswert von 75.000,00 € auf die Abmahnung der Produktaufmachungen und der Gegenstandswert im Übrigen auf die Abmahnung der drei o. g. Werbeaussagen im Internet entfällt, nicht übersetzt. Der höhere Gegenstandswert der Abmahnung der Produktaufmachungen bildet vielmehr das höhere wirtschaftliche Interesse der Klägerin an deren Verbot, insbesondere aufgrund deren hohen Angriffsfaktors, nachvollziehbar ab.


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LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Werbung durch Amazon bei Google mit Produktpreisen wenn beworbene Preise nur für Amazon Prime-Kunden gelten

LG Frankfurt
Urteil vom 13.01.2023
3-10 O 93/22


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn Amazon bei Google mit Produktpreisen wirbt, wenn die beworbene Preises nur für Amazon Prime-Kunden gelten und dies nicht für den Nutzer durch einen klaren Hinweis erkennbar ist. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Darmstadt: Finanzvermittler darf nicht die Bezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwenden - wettbewerbswidrige Irreführung

LG Darmstadt
Versäumnisurteil vom 22.11.2022
20 0 49/22


Das LG Darmstadt hat entschieden, dass dass ein Finanzvermittler nicht die Bezeichnung bzw. den Zusatz "Banka" verwenden darf. Es liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Es handelt sich bei "Banka" um den türkische Übersetzung für "Bank". Der Zusatz darf nur von erlaubnispflichtigen Kreditinstituten geführt werden. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

OLG Frankfurt: Auch einmaliger Ausreißer bei falscher Preisangabe im Online-Shop begründet Wettbewerbsverstoß wegen irreführender Preisangabe nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.11.2022
6 U 276/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch ein einmaliger Ausreißer bei falscher Preisangabe im Online-Shop einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß wegen irreführender Preisangabe nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache einen Erfolg. Dem Kläger steht aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da die Beklagte im Rahmen ihrer Rabattaktion im Hinblick auf das Produkt „X“ eine zur Täuschung geeignete Angabe gemacht hat, indem sie es zu einem Preis von 114,90 € brutto zum Verkauf angeboten, tatsächlich aber von dem Käufer Buchholz 175,00 € brutto verlangt hat.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist z.B. dann irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Preis enthält, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG. Wegen der Bedeutung des Preises für den Absatz ist ein wirksamer Schutz vor irrführenden Preisangaben unbedingt geboten und die wettbewerbliche Relevanz in der Regel gegeben (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 37. Aufl., § 5 Rn 3.22 f.).

Eine Angabe ist unwahr im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH GRUR 2013, 1254 Rn 15 - Matratzen Factory Outlet; BGH GRUR 2016, 1193 Rn 20 - Ansprechpartner; BGH GRUR 2018, 1263 Rn 11 - Vollsynthetisches Motorenöl; BGH GRUR 2019, 1202 Rn 18 - Identitätsdiebstahl).

Der Verkehr wird bei der Preisangabe in einem Online-Shop die Erwartung haben, dass er den angebotenen Artikel auch tatsächlich zu dem Preis erwerben kann. Dabei wird er zwar einkalkulieren, dass es ggf. durch begrenzte Vorräte im Einzelfall zu einer Verzögerung der Lieferung oder ggf. sogar zu einer fehlenden Lieferbarkeit kommen. Der Verkehr ist derartige Üblichkeiten gewöhnt. Der angesprochene Verkehr - zu dem die Mitglieder des Senats gehören - wird indes keine Veranlassung haben, einer vorbehaltslosen Preisangabe zu entnehmen, dass die Lieferung zu diesem Preis in Einzelfällen nicht zustande kommt und es nicht zu einer „Preiserhöhung“ in dem Sinne kommt, dass das Produkt nur zu einem um 50 % höheren Preis zustande kommt.

Die so verstandene Angabe der Beklagten ist unwahr. Die Beklagte hat tatsächlich im konkreten Fall eine Lieferung zum Angebotspreis nicht nur einmal, sondern auf konkrete Nachfrage des Kunden auch ein zweites Mal verweigert. Unabhängig von dem - bestrittenen - Vortrag der Beklagten zu den internen Abläufen auf Seiten der Beklagten war damit die Angabe der Beklagten unwahr. Soweit die Beklagte einwendet, es habe ein Fehler der zuständigen Mitarbeiterin vorgelegen, die dem System nicht entnommen habe, dass es sich um einen Angebotsartikel gehandelt habe, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Anknüpfungspunkt für den Unlauterkeitsvorwurf ist bei richtlinienkonformer Auslegung die (relevante) Unwahrheit bzw. Täuschungseignung der Angaben. Eine Täuschungsabsicht ist für den Art. 6 UGP-RL umsetzenden Irreführungsschutz des § 5 UWG nicht erforderlich (EuGH C-388/13 - EU:C:2015:225 Rn 47 (zu Art. 6 Abs. 1 UGP-RL) - UPC Magyarország). Auch andere Motive des Unternehmers spielen im Rahmen des § 5 UWG keine Rolle (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer UWG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rn 304).

2. Es fehlt auch nicht an der nach § 5 Abs. 1 UWG erforderlichen Geeignetheit, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es liegt auf der Hand, dass der Preis ein entscheidendes Element für die Kaufentscheidung darstellt. Dass bei einem Produkt im Wert von ca. 150 € ein Preisnachlass von 50 € ein ganz erheblicher kaufentscheidender Faktor ist, bedarf keiner ausführlichen Begründung.

Auch die Tatsache, dass es sich lediglich um einen Einzelfall handelt, würde die Geeignetheit nicht in Frage stellen, da diese auf die konkrete Handlung abstellt und in der konkreten Situation für den einen Verbraucher eine Veranlassung zu einer entsprechenden geschäftlichen Entscheidung möglich ist.

Die Tatsache, dass dem Kunden vor Abschluss des Kaufvertrages dann der tatsächliche Preis doch noch genannt wurde, ist nicht geeignet, eine Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung auszuschließen. Dann ist die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers, die Bestellung aufzugeben, nämlich unabhängig davon schon getroffen, ob tatsächlich ein Kauf zustande kommt. Die geschäftliche Entscheidung, zu deren Veranlassung die im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG relevante Irreführung geeignet ist, ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden. In der Rechtsprechung des EuGH wird der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ im Sinne der zugrundeliegenden Art. 2 lit. k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert. Erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196 Rn 36 - Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH GRUR 2017, 1269 Rn 19 - MeinPaket.de II). Nach diesen Maßgaben kann daher auch eine Irreführung relevant sein, die lediglich einen „Anlockeffekt“ bewirkt, selbst wenn es nicht zur endgültigen Marktentscheidung - etwa dem Kauf der Ware - kommt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen UWG, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn 1.195).

Die Veranlassung einer der endgültigen Marktentscheidung vorgelagerten geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers ist regelmäßig für Mitbewerber potentiell schädlich, etwa, weil der in das Geschäft gelockte Verbraucher sich zwar gegen den Kauf der irreführend beworbenen Ware, aber für den Kauf einer anderen Ware entscheiden mag, und den Mitbewerbern dieses Geschäft dann entgeht. Insofern bewirkt das weite Verständnis des Begriffs der „geschäftlichen Entscheidung“ gem. § 2 Nr. 1, Art. 2 lit. k UGP-RL nicht nur den von der UGP-RL vorrangig bezweckten Verbraucherschutz, sondern dient mittelbar auch dem Mitbewerberschutz (vgl. Erwägungsgrund 8 der UGP-RL).

Dass die Gefahren, die von einer Irreführung mit bloßem Anlockeffekt ausgehen, in der Regel geringer sind als die einer Irreführung, die unmittelbar in eine durch Täuschung und mangelnde Aufklärung bewirkte (Kauf-)Entscheidung mündet, ist allerdings nicht zu bestreiten. Im Rahmen einer Interessenabwägung kann dieser Umstand ggf. berücksichtigt werden (vgl. BGH GRUR 1999, 1122 (1124) - EG-Neuwagen I; BGH GRUR 1999, 1125 (1126) - EG-Neuwagen II).

Der Senat sieht hierzu jedoch - auch unter dem Aspekt des von der Beklagten behaupteten „Ausreißers“ - keine Veranlassung. Der Verstoß als solcher bietet im Hinblick auf seine potentiellen Auswirkungen für den angelockten Verkehr keinen Spielraum. Zudem hatte der Kunde hier seine Kaufentscheidung sogar schon getroffen; dass es dann zu keinem Vertrag kam, lag nicht am Kaufentschluss des Kunden.

3. Dem Kläger steht aus § 13 Abs. 3 UWG auch ein Anspruch auf Ersatz der durch die Abmahnung ausgelösten Kosten zu.

Als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen kann der Kläger von der Beklagten dabei den anteiligen Ersatz der Personal-und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale verlangen. Der Kläger hat die Kostenpauschale auf 367,50 € brutto beziffert und dies ausführlich unter Darlegung der Parameter für das Jahr 2019 belegt (Bl. 6-8). Diesem Zahlenwerk ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass es als unstreitig zu behandeln ist und damit einer Schätzung nach § 287 ZPO zugrunde gelegt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht erforderlich, da Revisionsgründe weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich sind.

Soweit die Beklagte eine Aussetzung und Vorlage an der Europäischen Gerichtshof beantragt, sieht der Senat hierzu keine Veranlassung, da sich keine Auslegungsprobleme im Hinblick auf die UGP-Richtlinie stellen. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die UGP-Richtlinie erfasse nicht Konstellationen, in denen die Angabe „im Nachhinein“ falsch werde, liegt hier - wie oben ausgeführt - kein solcher Fall vor. Vielmehr war schon die ursprüngliche Angabe falsch.

Soweit die Beklagte an der Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie im Hinblick darauf zweifelt, dass nur ein einmaliger, nicht vorsätzlicher Verstoß vorliege, teilt der Senat diese Zweifel nicht. Auch eine einmalige Falschangabe kann eine Unlauterkeit begründen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit Preisempfehlung des Herstellers wenn diese vom Hersteller selbst dauerhaft unterschritten wird

LG Frankfurt
Urteil vom 05.08.2022
3-10 O 58/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers vorliegt, wenn diese vom Hersteller selbst dauerhaft unterschritten wird. Geklagte hatte die Wettbewerbszentrale.

OLG Nürnberg: Bei objektiv unwahrer Werbebehauptung ist eine Eignung zur Täuschung keine Voraussetzung für eine wettbewerbswidrige Irreführung

OLG Nürnberg
Urteil vom 24.05.2022
3 U 4652/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass nach RL 2005/29/EG bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung die Eignung zur Täuschung keine Voraussetzung für eine wettbewerbswidrige Irreführung ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Werbebehauptung ist irreführend gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

a) Die Werbung der Beklagten ist objektiv unwahr.

aa) Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält. Dies setzt zum einen voraus, dass es sich bei der streitgegenständliche Angabe um eine Tatsachenbehauptung handelt, über die Beweis erhoben werden kann (BGH, GRUR 2020, 886 Rn. 38 - Preisänderungsregelung). Zum anderen muss die Angabe unwahr sein. Das ist dann der Fall, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Dabei kommt es für diese Beurteilung darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 18 - Identitätsdiebstahl).

Die Verkehrsauffassung kann durch gesetzliche Vorschriften grundsätzlich in der Form beeinflusst werden, dass sie den bestehenden Normen entspricht (BGH, GRUR 2009, 970 Rn. 25 - Versicherungsberater; KG, GRUR 1989, 850 [851] - Speisequarkzubereitung; vgl. auch BGH, GRUR 2020, 432 Rn. 30 - Kulturchampignons II). Wird das Verständnis einer Angabe durch gesetzliche Definitionen beeinflusst, leitet der angesprochene Verkehr sein Verständnis aus diesen Prägungen ab. Denn regelmäßig formuliert der Verkehr seine Vorstellungen nicht eigenständig, sondern normativ aufgrund der Vorgaben durch Dritte (Pfeifer/Obergfell, in Fezer/Büscher/ Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 241).

bb) Im vorliegenden Fall erwecken die angegriffenen Werbebehauptungen bei einem maßgeblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck, als führte die Beklagte Krankentransporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung durch.

(1) Die streitgegenständliche Werbung wendet sich an Verbraucher, die sich für Fahrten in das Krankenhaus durch einen Dienstleister interessieren, somit an das allgemeine Publikum. Dessen Verständnis kann der Senat als Mitglied der angesprochenen Verkehrskreise aus eigener Sachkunde selbst beurteilen.

(2) Der von der Beklagten in der Werbung mehrfach verwendete Begriff des Krankentransportes ist gesetzlich definiert. Nach Art. 2 Abs. 5 S. 1 BayRDG ist ein Krankentransport „der Transport von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die keine Notfallpatienten sind, aber während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung durch nichtärztliches medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustands zu erwarten ist. Er wird vorwiegend mit Krankentransportwagen durchgeführt.“ Für die Durchführung von Krankentransporten in diesem Sinne ist gemäß Art. 21 Abs. 1 BayRDG eine Genehmigung erforderlich, über die die Beklagte nicht verfügt.

Unter den Begriff der Krankenfahrten fällt hingegen die „Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt nicht der medizinisch fachlichen Betreuung durch medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen und bei denen solches auf Grund ihres Zustands nicht zu erwarten ist“ (Art. 3 Nr. 6 BayRDG).

Vor diesem Hintergrund versteht im vorliegenden Fall ein nicht unmaßgeblicher Teil der Verbraucher die streitgegenständliche Werbung auf der Homepage, in der die Beklagte unter der Überschrift „Krankenhaustransporte“ zweimal den Begriff „Krankentransporte“ verwendet, dahingehend, dass die Beklagte auch Transporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung während der Fahrt durchführt. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der klaren gesetzlichen Definition, die insoweit die Verkehrsauffassung mit beeinflusst. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Zusatz in der Werbung, in welcher der Leser aufgefordert wird, „die gesetzlichen Vorgaben bzw. ggf. Anpassungen“ zu beachten. Gleiches gilt für die Verwendung der Formulierung, dass „als Krankentransporte […] aktuell Fahrten zu ambulanten Behandlungen, ambulanten Operationen oder in die Tagesklinik, stationären Behandlungen, Chemo- oder Strahlentherapie [gelten]; damit wird der Anschein einer gesetzlichen Definition hervorgerufen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher, die im konkreten Fall nach der Dienstleistung eines Krankentransportes nachfragen, aufgrund beispielsweise vorangegangener Korrespondenz mit der Krankenkasse über die gesetzlichen Begrifflichkeiten informiert sind.

(3) Dieser durch die mehrfache Verwendung des Begriffs „Krankentransport“ erweckte Eindruck wird nicht durch die sonstigen für die Beurteilung maßgeblichen Gesamtumstände durch eine irrtumsausschließende Aufklärung korrigiert.

In der Leistungsbeschreibung - wonach als Krankentransporte „aktuell Fahrten zu ambulanten Behandlungen, ambulanten Operationen oder in die Tagesklinik, stationären Behandlungen, Chemo- oder Strahlentherapie“ gelten - wird nicht darauf hingewiesen, dass eine medizinische Betreuung während der Fahrt nicht erfolgt.

Das von der Beklagten verwendete Lichtbild mit einem Großraumtaxi mit einer in einem Rollstuhl sitzenden Patientin, die gerade in dieses Taxi verbracht werden soll, ist ebenfalls nicht geeignet, aus der entstandenen Irreführung heraus zu führen, weil daraus nicht mit der notwendigen Klarheit ersichtlich ist, dass eine medizinische Betreuung während der Fahrt nicht erfolgt. Vielmehr kann der Fotografie nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden, ob es sich um ein „normales“ Taxi und bei der abgebildeten Person nicht um medizinisch geschultes Personal handelt.

Auf die Firmierung der Beklagten sowie die Tatsache, dass die streitgegenständliche Werbung lediglich in einem untergeordneten Abschnitt unter dem Menüpunkt „Leistungen“ auf der Homepage der Beklagten auftaucht, kommt es dabei entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts nicht an.

cc) Dieser erweckte Eindruck ist objektiv unzutreffend. Denn die Beklagte bietet unstreitig keine Krankentransporte i.S.v. Art. 2 Abs. 5 S. 1 BayRDG an und hat auch nicht die dafür erforderliche Genehmigung nach Art. 21 Abs. 1 BayRDG.

b) Bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung ist eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG.

aa) Die vom Bundesgerichtshof bislang offengelassene Frage, ob auch unwahre Angaben zur Täuschung geeignet sein müssen oder ob bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung entfällt (vgl. BGH, GRUR 2022, 170 Rn. 14 - Identitätsdiebstahl II), ist umstritten.

Nach einer Ansicht entfällt bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung. Dies soll sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 11.05.2005 (UGP-RL) ergeben, der ausdrücklich unterscheidet zwischen einer Geschäftspraxis, die „falsche Angaben enthält und somit unwahr ist“ und einer Geschäftspraxis, die „in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist“ (Dreyer, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/, UWG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rn. 316; Pfeifer/Obergfell, in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 231).

Nach einer anderen Auffassung würde ein derartiges Verständnis auf ein - wenig sinnvolles - per-se-Verbot unwahrer Angaben hinauslaufen (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn. 1.52). Vielmehr komme es immer auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise an; wird eine objektiv unrichtige Angabe richtig verstanden, bestehe daher kein Grund, sie zu verbieten (Diekmann, in Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., Stand 15.01.2021, § 5 UWG Rn. 120). Der Tatbestand des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, der sich auf unwahre und sonstige zur Täuschung geeignete Angaben bezieht, sei daher - da die zur Täuschung geeigneten Angaben als „sonstige“ bezeichnet werden - dahingehend auszulegen, dass die Eignung zur Täuschung in beiden Fällen gegeben sein muss (Sosnitza, in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 5 Rn. 158).

bb) Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an, wonach bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der § 5 UWG zugrundeliegenden Richtlinie.

Die UGP-RL strebt für den Bereich der unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern eine Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts an. Sie enthält daher in Art. 6 Mindest- und Maximalstandards, von denen die Mitgliedstaaten weder in die eine noch in die andere Richtung abweichen dürfen (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn. 0.27).

Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 UGP-RL kommt es, wenn die Geschäftspraxis falsche Angaben enthält und somit unwahr ist, nicht darauf an, ob sie den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist. Diese Unterscheidung zwischen falschen und täuschenden Angaben, wobei das Erfordernis der Täuschungseignung nur für Letztere besteht, ergibt nur Sinn, wenn bei unwahren Angaben die Prüfung entbehrlich ist, ob diese geeignet sind, den Verbraucher zu täuschen. Ob sich diese Unterscheidung - aufgrund der Verwendung des Wortes „sonstige“ - so in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG wiederfindet, kommt es aufgrund der Vollharmonisierung durch die UGP-RL nicht an.

Den von der Gegenansicht verwendeten Argumenten - insbesondere, dass ein per-se-Verbot unwahrer Angaben wenig sinnvoll ist - ist dadurch Rechnung zu tragen, dass auch bei unwahren Angaben das Relevanzerfordernis gilt. Versteht ein durchschnittlich informiertes, verständiges und aufmerksames Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises eine unwahre Angabe richtig, kann es an der geschäftlichen Relevanz fehlen (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer III.2.)

c) Die Täuschung bezieht sich auf wesentlichen Merkmale der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, nämlich den Umfang der im Zusammenhang mit Kranken verfügbaren Transportdienstleistungen.

2. Die streitgegenständliche Werbung ist auch geeignet, die angesprochenen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

a) Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG muss die geschäftliche Handlung geeignet sein, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Erforderlich ist, dass die betroffene Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH, GRUR 2021, 1422 Rn. 16 - Vorstandsabteilung).

b) Im vorliegenden Fall ist die angegriffene Werbung geeignet, die Verbraucher über die Leistungen der Beklagten zu täuschen. Denn es wird damit suggeriert, dass die Beklagte auch die gesondert genehmigungsbedürftige Dienstleistung der Durchführung von Krankentransporten durchführt. Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die - objektiv unrichtige - Werbung der Beklagten zutreffend verstehen, bestehen nicht.

In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass bei objektiv falschen Angaben schon niedrigere Irreführungsquoten genügen, um die Verbotsfolge der §§ 3, 5 UWG auszulösen. Denn es ist schwer vorstellbar ist, wie mit einer objektiv unzutreffenden Angabe gleichwohl ein schutzwürdiges Kommunikations- und Informationsinteresse verbunden sein soll (Ruess, in MüKoUWG, 3. Aufl. 2020, § 5 UWG Rn. 188).

Zum anderen muss der Werbende im Fall der Mehrdeutigkeit seiner Werbeaussage die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen (BGH, GRUR 2012, 1053 Rn. 17 - Marktführer Sport). Selbst wenn daher die Bezeichnung „Krankentransport“ die Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen sowohl mit als auch ohne medizinisch-fachlicher Betreuung während der Fahrt verstanden werden kann, muss die Beklagte die ungünstigere, aber verständigerweise mögliche Auslegung - nämlich, dass damit ein Krankentransport i.S.v. Art. 2 Abs. 5 S. 1, Art. 21 Abs. 1 BayRDG gemeint ist - gegen sich gelten lassen.

Schließlich ist zu beachten, dass - wie bereits ausgeführt - sich die streitgegenständliche Werbung an Verbraucher wendet, die sich für Fahrten in das Krankenhaus durch einen Dienstleister interessieren. Diesen sind oftmals - beispielsweise aufgrund vorangegangener Korrespondenz mit der Krankenkasse - die gesetzlichen Begrifflichkeiten bekannt. Dieser informierte angesprochene Personenkreis interpretiert das Dienstleistungsangebot der Beklagten falsch und vermutet, dass die Beklagte Krankentransporte - als die im Vergleich zur einfachen Krankenfahrt höherwertige Leistung - anbietet.

c) Die hervorgerufenen irrigen Vorstellungen können die angesprochenen Verbraucher auch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

aa) Als geschäftliche Entscheidung ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung darüber anzusehen, ob, wie und unter welchen Bedingungen der Verbraucher ein Geschäft abschließen will, unabhängig davon, ob er sich entschließt, tätig zu werden. Erfasst ist nicht nur die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH, GRUR 2014, 196 Rn. 36 - Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH, GRUR 2017, 1269 Rn. 19 - MeinPaket.de II). Nach diesen Maßgaben kann also auch eine Irreführung relevant sein, die lediglich einen „Anlockeffekt“ bewirkt, selbst wenn es nicht zur endgültigen Marktentscheidung - etwa dem Kauf der Ware oder der Inanspruchnahme der Dienstleistung - kommt (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 5 Rn. 1.195).

bb) Die Klägerin legte im vorliegenden Fall als Anlage K 7 ein Suchergebnis auf Google vor. Dieser erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Vortrag der Klägerin ist - da unstreitig - zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2018, 2269 Rn. 25). Diesem Suchergebnis ist zu entnehmen, dass wenn ein Verbraucher im Internet-Browser Google nach „Krankentransporten Ostbayern“ sucht, sich die Beklagte neben anderen Unternehmen wie dem Deutschen Roten Kreuz als Anlaufstelle für die Durchführung von Krankentransporten wiederfindet. Der Verbraucher, der auf der Suche nach einem Unternehmen ist, welches Krankentransporte durchführt ist, stößt also auch auf die Beklagte, nicht jedoch auf deren Wettbewerber, welche ihre Leistung (zutreffend) als Krankenfahrten bezeichnen. Bei der Trefferliste auf Google wird auch ein Auszug der Homepage der Beklagten mit der streitgegenständlichen Werbeanzeige, welche die Durchführung von Krankentransporten bewirbt, gezeigt.

Daraus folgt, dass die Verwendung des Begriffs Krankentransport in der streitgegenständlichen Werbung zu einem Anlockeffekt führt, da der nach Krankentransporten im Internet suchende Verbraucher über die Suchmaschine Google auch auf die Homepage der Beklagten verwiesen wird. Dies führt dazu, dass sich der Verbraucher mit dem Dienstleistungsangebot der Beklagten befasst, was für die geschäftliche Relevanz der Irreführung ausreicht.

IV. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob ein Unterlassungsanspruch auch auf der Grundlage einer Zuwiderhandlung gegen die Marktverhaltensvorschrift des Art. 21 Abs. 1 BayRDG und damit eines unlauteren Verhaltens nach § 3a UWG gegeben ist.


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BGH: Gütesiegel die auf Konsumentenbefragungen beruhen fehlt nicht per se die zur Vermeidung einer wettbewerbswidrigen Irreführung notwendige Objektivität

BGH
Urteil vom 12.05.2022
I ZR 203/20
Webshop Awards
UWG § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass Gütesiegeln, die auf Konsumentenbefragungen beruhen, nicht per se die zur Vermeidung einer wettbewerbswidrigen Irreführung notwendige Objektivität fehlt.

Leitsätze des BGH:
a) Eine geschäftliche Handlung, die eine im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthält, kann unabhängig davon im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend sein, ob diese Angabe einen der in § 5 Abs. 1 Satz 2
Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19. April 2018 - I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rn. 41 = WRP 2018, 1069 - Namensangabe; Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202
Rn. 20 = WRP 2019, 1471 - Identitätsdiebstahl I).

b) Die fehlende Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den zu bewertenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung
stellt, mithilfe derer Verbraucher zur Abgabe einer Bewertung aufgefordert werden können. Zweifel an der Objektivität einer Verbraucherbefragung können sich allerdings dann ergeben, wenn die Werbematerialien geeignet sind,
die von den Kunden abzugebende qualitative Bewertung der Unternehmen oder das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 - I ZR 203/20 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

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LG Halle: Wettbewerbswidrige Irreführung nach 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG durch Werbung für Handwerksleistungen mit einem nicht vorhandenen Standort

LG Halle
Urteil vom 26.08.2021
8 O 51/20


Das LG Halle hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung nach 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG vorliegt, wenn für Handwerksleistungen mit einem nicht vorhandenen Standort geworben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger kann gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG von dem Beklagten verlangen, dass er die Werbung mit einem nicht existierenden Standort unterlässt.

Der Rechtsverkehr erwartet bei der Angabe eines Standortes, d.h. örtliche Adresse und örtliche Telefonnummer, regelmäßig eine Niederlassung mit eigenem Büro und Personal, mit einem erkennbar dem Betrieb zuzuordnenden Ansprechpartner, über den er mit dem Unternehmen in Kontakt treten kann, um dort seine Belange anbringen zu können (vgl. OLG Celle GRUR-RR 2015, 481 - bei juris Rdnr. 14 m.w.N.). Unstreitig unterhält der Beklagte an den von ihm beworbenen Standort in ... keine Räumlichkeiten mit Ansprechpartner. Von daher ist der Unterlassungsantrag des Klägers entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht zu weit gefaßt.

Die beanstandete Werbung ist objektiv geeignet, die Entscheidung des angesprochenen Verkehrskreises in relevanter Weise zu beeinflussen.

Es wird der Eindruck erweckt, daß vor Ort eine persönliche Ansprechbarkeit besteht. Es genügt, wenn interessierte Kunden mit der Aussicht auf die Möglichkeit einer solchen Kontaktaufnahme - und sei es nur in einem Gewährleistungsfall - angelockt werden (vgl. OLG Celle a.a.O. - bei juris Rdnr. 18). Zudem suggeriert die Angabe verschiedener Standorte eine besondere wirtschaftliche Bedeutung und Unternehmensgröße, die für die Kundenentscheidung ebenfalls von Bedeutung sein kann (vgl. OLG Düsseldorf MMR 2009, 477 - bei juris Rdnr. 24).

Die Androhung von Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.

Gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. bzw. § 13 Abs. 3 UWG n.F. kann der Kläger Ersatz seiner Abmahnkosten beanspruchen, die derzeit 294,- EUR betragen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rdnr. 132).


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OLG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit eigenem Bio-Logo dass Eindruck erweckt von unabhängigen Dritten erteilt worden zu sein

OLG München
Urteil vom 09.12.2021
6 U 1973/21


Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Produkte mit einem eigenem Bio-Logo beworben werden, so dass der Eindruck erweckt wird, dass das Logo von unabhängigen Dritten stammt und eine Zertifizierung vorliegt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.



LG Stuttgart: Wettbewerbswidrige Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wenn Sachverständiger mit tatsächlich nicht bestehender Mitgliedschaft in Verband wirbt

LG Stuttgart
Urteil vom 13.12.2021
37 O 52/21 KfH


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG vorliegt, wenn ein Sachverständiger mit einer tatsächlich nicht bestehenden Mitgliedschaft in einem Verband wirbt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Essen: Wettbewerbsverstoß wenn Werbung für Gewinnspiel keine Angaben zur Ermittlung der Gewinner und Beschränkungen des Teilnehmerkreises enthält

LG Essen
Urteil vom 02.10.2020
44 O 6/20


Das LG Essen hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn die Werbung für ein Gewinnspiel keine Angaben zur Ermittlung der Gewinner und Beschränkungen des Teilnehmerkreises enthält.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung sowie auf Ersatz der Aufwendungen für die Abmahnung.

1. Der Unterlassungsanspruch gemäß Antrag zu I. des Klägers folgt aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1 ,5 a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog.

a) Der Kläger ist aktivlegitimiert, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Anspruchsberechtigt sind rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist anhand der Zielsetzung, der Satzung und der tatsächlichen Betätigung des Verbandes zu ermitteln (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 UWG, Rn. 3.31f., 3.34).

Ferner sind Verbände nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Damit sind solche Unternehmen gemeint, die dem Verletzer auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen. Es kommt darauf an, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Dieses abstrakte Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedern und dem Verletzer wird in der Regel durch die Zugehörigkeit zur selben Branche (z.B. Unterhaltungselektronik) oder zumindest zu angrenzenden Branchen begründet. Wird die Werbung für ein konkretes Produkt beanstandet, ist daher grundsätzlich nicht das Gesamtsortiment maßgeblich. Vielmehr ist grundsätzlich auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben worden sind, mit den Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb steht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 UWG, Rn. 3.35 m. w. Nachw.).

Als Unternehmer, deren Interessen von dem Verband wahrgenommen werden, kommen auch Unternehmer in Betracht, die Mitglied in einem Verband sind, der seinerseits Mitglied des klagenden Verbandes ist. Der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband braucht nicht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt zu sein; es reicht aus, wenn der vermittelnde Verband von seinen Mitgliedern mit der Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen beauftragt ist (BGH GRUR 2006, 778ff., Rn. 17 - I ZR 103/03 "Sammelmitgliedschaft IV").

Die Beteiligten müssen nicht derselben Wirtschafts- oder Handelsstufe angehören. Unerheblich für die sachliche Marktabgrenzung sind auch die Vertriebsform (z.B. Direktvertrieb; Versandhandel; Auktionen) oder die Vertriebsmethode (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 UWG, Rn. 3.38a).

Danach vertritt der Kläger hier eine ausreichende Anzahl von Mitbewerbern der Beklagten und ist damit aktivlegitimiert.

Die sachliche Überschneidung ergibt sich daraus, dass der Kläger Unternehmen der Möbelbranche als auch des Elektrofacheinzelhandels vertritt. Beide stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten, die in den streitgegenständlichen Werbebeilagen Küchenelektrogroßgeräte (Kühlschrank, Herd, Geschirrspüler) als Teil von Einbauküchen und Möbel anbot.

Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Mitbewerbern gerade um Discount-Möbelhäuser handelt. Vielmehr ist bei Anwendung des gebotenen weiten Maßstabs bereits der Verkauf von Möbeln bzw. Elektrogeräten geeignet, ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen.

Soweit die Beklagte einwendet, bei der Firma G GmbH handele es sich um einen Schreibwarenhändler, geht dieser Einwand ins Leere. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Firma auch Bürostühle und -tische vertreibt, was ebenfalls im Sortiment der Beklagten erhalten ist. Ob es sich dabei um hochpreisige Büromöbel handelt, spielt für die Mitbewerbereigenschaft insoweit keine Rolle.

Ausgehend von den oben dargestellten Anforderungen vertritt der Kläger aber auch eine ausreichende Anzahl von Mitbewerbern im örtlichen Bereich. Soweit die Beklagte bezüglich der Fa. N1 GmbH, der Fa. L GmbH, der Fa. N3 GmbH & Co KG, die in N2 bzw. W ansässig sind, einwendet, die Beklagte habe in diesen Orten keine Filiale, greift dieser Einwand nicht durch. Wie die Klägerseite unbestritten vorgetragen hat, befindet sich zwischen den betreffenden Filialen und der nächstgelegenen Filiale der Beklagten lediglich eine Distanz von 7,9 km, so dass ein räumlich relevanter Markt jedenfalls zu bejahen ist.

Die Firma K1 GmbH & Co. KG kann mit jeder der in der Anl. K8 genannten Filialen gezählt werden, da jede Filiale in gesonderter Konkurrenz zu der Beklagten steht.

Weiter kann dahinstehen, ob die über die F2 GmbH vermittelten Mitglieder in die Zahl der Mitglieder einzubeziehen sind oder nicht. Denn die in der Anl. K8 aufgeführten direkten Mitglieder und die über die N und U GmbH & Co. KG vermittelten Mitglieder reichen der Anzahl nach bereits aus, um eine erhebliche Zahl darzustellen. Das pauschale Bestreiten der Mitgliedschaft der aufgeführten vermittelten Mitglieder durch die Beklagte ist insoweit nicht ausreichend.

Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass eine Mindestanzahl von Mitgliedern aus dem betreffenden sachlich und räumlich maßgebenden Markt nicht erforderlich ist; ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 UWG, Rn. 3.42a). Vielmehr muss lediglich ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden; dafür reichen acht bis neun Verbandsmitglieder aus (vgl. BGH GRUR 2009, 692f., Rn. 11ff. - I ZR 197/06), nach Auffassung der Kammer aber auch die hier vorliegende Anzahl von Mitbewerbern.

Die hinreichende personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung des Klägers hat die Beklagtenseite lediglich einfach und damit nicht ausreichend substantiiert bestritten.

b) Die streitgegenständlichen Werbeanzeigen der Beklagten stellen auch eine wettbewerbswidrige Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1, 5, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog dar.

Gemäß § 5 Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Informationen vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Eine Information ist wesentlich im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Verbraucher erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH, Beschluss vom 15.12.2016 - I ZR 241/15). Gemäß § 5 Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne von Abs. 2 auch spezialgesetzliche unionsrechtliche Vorschriften betreffend Information, die im Bereich der kommerziellen Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen. Nach Maßgabe des auch im nicht elektronischen Geschäftsverkehr entsprechend anwendbaren § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG müssen Preisausschreiben oder Gewinnspiele mit Werbecharakter klar als solche erkennbar und die Teilnahmebedingungen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden (BGH, Urteil vom 27 03.07.2017 - I ZR 153/16).

Bei der streitgegenständlichen Anzeige der Beklagten handelt es sich um ein Gewinnspiel mit Werbecharakter im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 TMG, weil der Gewinner durch einen Zufallselement ermittelt wird und die Anzeige dem Absatz der Beklagten zu dienen bestimmt ist.

Der Begriff "Teilnahmebedingungen" des §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG ist weit zu verstehen, sodass nicht nur die Berechtigung der Inanspruchnahme bzw. Teilnahme sondern auch deren Modalitäten angegeben werden müssen. Der Diensteanbieter muss deshalb angeben, welcher Personenkreis die jeweilige Verkaufsförderungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann bzw. zur Teilnahme berechtigt ist und anhand welcher Kriterien die Wohnort, Alter oder Beruf dies zu beurteilen ist (Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der Elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, TMG, § 6 Rn. 76)

diese Informationen müssen bereits in der Werbung selbst angegeben sein (BGH, Urteil vom 30.04.2009 - I ZR 66/07). Da § 6 Abs. 1 TMG eine "informierte" geschäftliche Entscheidung des Kunden ermöglichen will, ist die Information so rechtzeitig zu erteilen, dass ein durchschnittlich informierter, (situationadäquat) aufmerksamer und verständiger Kunde die bei seiner Entscheidung über die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahmen berücksichtigen kann. Das entspricht dem § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TMG und dem § 5 Abs. 2 2 Nr. 3 TMG. Eine derartige Entscheidung kann bereits darin liegen, dass der Kunde das Ladenlokal betritt (BGH, Urteil vom 30.04.2009 - I ZR 66/07).

Die Beklagte hat in den Werbebeilagen im September 2019 mit dem "Mega Gewinnspiel" bzw. dem "Jahrhundert- Jubiläum K Gewinnspiel" geworben, ohne dass darauf hingewiesen worden ist, wie der Gewinn ermittelt wird und welche Beschränkung des Teilnehmerkreises bestehen. Hierzu heißt es in dem einen Prospekt lediglich "Alle Infos und Teilnahmebedingungen zum Gewinnspiel finden Sie auf den Teilnahmekarten in Ihrer S1-Filiale" und in dem anderen Prospekt lediglich "Alle Infos und Teilnahmebedingungen zum Gewinnspiel finden Sie in Ihrer S1-Filiale und unter www.S1.gewinnspiel/50jahre.de".

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nicht ausreichend. Dies gilt zum einen hinsichtlich der fehlenden Beschränkungen des Teilnehmerkreises schon hinsichtlich der Angabe zur Altersbeschränkung. Soweit die Beklagte meint, der durchschnittlich informierte und adäquat aufmerksame Verbraucher wisse, dass Kinder und Jugendliche nicht an Gewinnspielen teilnehmen dürfen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass Kinder und Jugendliche nicht per se von Glücksspielen ausgeschlossen sind, sondern gemäß § 6 Abs. 2 JSchG an Spielen mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit auf Volksfesten, Schützenfest, Jahrmärkten, Spezialmärkten und ähnlichen Veranstaltungen und nur, wenn der Gewinn in Waren von geringem Wert besteht, teilnehmen nehmen dürfen. Gerade vor diesem Hintergrund müssen Einschränkungen hinsichtlich der Teilnahmemöglichkeit aufgrund des Alters angegeben werden und zwar schon in der Werbung selbst (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2008 - I ZR 196/05.

Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Mitteilung in der Werbung selbst, wie der Gewinn ermittelt wird. Der Verbraucher benötigt die Informationen, um informiert die geschäftliche Entscheidung zu treffen, sich ins Möbelhaus der Beklagte begeben, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Bereits die Entscheidung des Verbrauchers, das Möbelhaus der Beklagten aufzusuchen, ist eine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Paragraf vom § 5a Abs. 2 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 27.72017 - I ZR 153/16).

Das Vorenthalten der Information ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Denn es macht für ihn einen erheblichen Unterschied, ob und wie er teilnehmen kann und wie der Gewinner ermittelt wird. Das Vorenthalten ist damit geeignet, den Verbraucher zum Besuch der das Geschäft der Beklagten zu veranlassen, wovon er in Kenntnis der Teilnahmebedingungen sonst abgesehen hätte. Aus diesem Grund der Verstöße auf spürbar im Sinne von § 3a UWG.

Die Beklagte kann den Kläger nicht darauf verweisen, der Hinweis auf die Internetseite, welcher die notwendigen Informationen aufgefunden werden könnten, sei ausreichend. Der Verweis auf ein anderes Medium setzt nach § 5a Abs. 5 UWG voraus, dass das gewählte Kommunikationsmittel räumliche oder zeitliche Beschränkungen aufweist. Daran fehlt es aber bei einem mehr seitigen Prospekt wie den hier vorliegenden. Die Teilnahmebedingungen müssen daher bereits in der Werbung angegeben werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 1183).

2. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz des Klägers gegen die Beklagte folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Abmahnungen des Klägers vom 19.09.2019 und 30.09.2019 waren berechtigt. Die Höhe des Aufwendungsersatzes von jeweils 220 € wird von der Beklagten nicht beanstandet.

3. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2019 bzw. 16.10.2019 folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befindet sich nach Ablauf der in den Abmahnungen gesetzten Fristen in Verzug."


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