Skip to content

Volltext BGH liegt vor: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen

BGH
Beschluss vom 25.02.2025
VIII ZR 143/24
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. h


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Frage, ob dem Verbraucher beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags in einer von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichenden Widerrufsbelehrung zusätzlich eine (hier auf der Internet-Seite des Unternehmers zugängliche) Telefonnummer des Unternehmers mitgeteilt werden muss, wenn in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft dessen Postanschrift und E-Mail-Adresse genannt werden.

BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 - VIII ZR 143/24 - KG Berlin - LG Berlin II

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen

BGH
Beschluss vom 25.02.2025
VIII ZR 143/24


Der BGH hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegensteht.

Die Pressemitteilung des BGH:
Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern im Fernabsatz

Dem unter anderem für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs liegen zahlreiche Nichtzulassungsbeschwerden vor, die namentlich die Frage zum Gegenstand haben, ob ein Unternehmer, der bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern die Musterwiderrufsbelehrung nicht oder nicht vollständig verwendet, in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung neben seiner (als beispielhafte Kommunikationsmittel genannten) Postanschrift und seiner E-Mail-Adresse zusätzlich auch seine - hier auf dessen Internet-Seite zugängliche - Telefonnummer angeben muss.

Von dieser Frage hängt in den Streitfällen ab, ob eine Widerrufsfrist von vierzehn Tagen ab Erhalt der Ware gilt (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB) oder ob das Widerrufsrecht erst nach zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Beginn der gesetzlichen Widerrufsfrist erloschen ist (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB).

In einem ausgewählten Verfahren, dem ein die Berufung des dortigen Fahrzeugkäufers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisender Beschluss des Kammergerichts Berlin - 27. Zivilsenat - vom 23. Juli 2024 (27 U 33/24) zugrunde liegt, hat der Senat nunmehr über die von dem Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden.

Sachverhalt und Prozessverlauf

Am 18. Februar 2022 erwarb der Kläger als Verbraucher von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Internet-Seite unter "Kontakt" und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefonnummer. Dazu heißt es, dass der Widerruf mittels einer eindeutigen Erklärung "z.B." durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden könne.

Am 23. August 2022 wurde dem Kläger das Fahrzeug übergeben. Am 20. Juni 2023 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung.

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt, möchte er sein Klagebegehren weiterverfolgen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen, da ein Grund für die Zulassung der Revision nicht vorliegt. Insbesondere soweit die Beschwerde im Hinblick auf unionsrechtliche Fragestellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend macht, ist für eine hierauf gestützte Zulassung der Revision kein Raum.

Die Beklagte hat nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine selbst formulierte Widerrufsbelehrung verwendet. Teilt der Unternehmer in einem solchen Fall in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, der Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU (im Folgenden: Verbraucherrechterichtlinie) umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist, die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich, zumal diese hier ohne Weiteres auf seiner Internet-Seite zugänglich war. Diese Beurteilung der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Aus diesem Grund bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) nicht ("acte clair").

Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie legt zwar nicht die genaue Art des vom Unternehmer mitzuteilenden Kommunikationsmittels fest. Sie verpflichtet diesen jedoch unzweifelhaft dazu, jedem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, über die dieser schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es insoweit Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen der Verbraucher mit dem Unternehmer Kontakt aufnehmen kann, die dem Verbraucher von dem Unternehmer mitgeteilten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichen, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren.

In Anbetracht dessen hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden ist. Für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer ist es ohne Zweifel nicht erforderlich, dass in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und die E-Mail-Anschrift hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, hat die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren, ohne den Verbrauchern andere Kommunikationswege, wie zum Beispiel ein Telefonat, zu verstellen, zumal die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer der Beklagten auf ihrer Internetseite (im Impressum und unter "Kontakt") ohne Weiteres verfügbar war.

Selbst wenn aber von einer Unvollständigkeit der Widerrufsbelehrung der Beklagten im Hinblick auf die fehlende Angabe ihrer Telefonnummer auszugehen wäre, stünde dies - woran ebenfalls keine vernünftigen Zweifel bestehen ("acte clair") - bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschriften der § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB dem Anlaufen der Widerrufsfrist hier nicht entgegen. Denn eine - unterstellt - insoweit unvollständige Widerrufsbelehrung ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte und Pflichten - konkret: seines Widerrufsrechts - einzuschätzen, beziehungsweise auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken. Ihm wird auch nicht die Möglichkeit genommen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Erteilung vollständiger und inhaltlich zutreffender Informationen im Fernabsatzvertrag auszuüben. Der Umstand, dass die Beklagte in der Widerrufsbelehrung beispielhaft zwar ihre Postanschrift sowie ihre E-Mail-Adresse, nicht jedoch ihre - auf ihrer Internet-Seite bereits mitgeteilte und unschwer zugängliche - Telefonnummer angegeben hat, hat sich nicht auf die Befähigung des Verbrauchers ausgewirkt, den Widerruf rechtzeitig innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist der § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB zu erklären. Denn die Beklagte hat, wie bereits ausgeführt, dem Verbraucher - und damit auch dem Kläger - Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt, über die er schnell mit ihr in Kontakt treten und effizient mit ihr kommunizieren konnte, ohne dabei die Möglichkeit eines Telefonats auszuschließen oder gar den Verbraucher insoweit irrezuführen.

Die Entscheidung des Senats wird mit ausführlicher Begründung in Kürze auf der Homepage des Bundesgerichtshofs veröffentlicht werden.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin II - Urteil vom 19. März 2024 - 63 O 14/23, veröffentlicht in juris

Kammergericht Berlin - Beschluss vom 23. Juli 2024 - 27 U 33/24

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

[…]

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§ 356 Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen

[…]

(2) Die Widerrufsfrist beginnt

1. bei einem Verbrauchsgüterkauf,

a) der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat,

[…]

(3) Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 […] unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt [...]

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Art. 246a § 1 Informationspflichten

[…]

(2) Steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu informieren

1. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [...]

Unionsrecht

Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie)

Art. 6

Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

[…]

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts


OLG Schleswig-Holstein: Fehlen der Telefonnummer in der Widerufsbelehrung führt nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 18.11.2024
10 U 31/24


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonnummer in der Widerufsbelehrung nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist führt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Beklagte hat den Kläger nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet, obwohl in der von ihr erstellten und dem Kläger bei Vertragsabschluss erteilten Widerrufsbelehrung (Bestandteil der Anlage K 1) keine Telefonnummer mitgeteilt wird. Bei Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 1 BGB ist der Unternehmer gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu informieren. Das Landgericht hat diese Bestimmung zutreffend dahin ausgelegt, dass die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers nicht von diesen Informationspflichten umfasst ist, wenn er - wie hier - nicht von der in Abs. 2 S. 2 der Vorschrift eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Muster-Widerrufsbelehrung in der Anlage 1 zu verwenden.

Die von der Beklagten im Berufungsverfahren als Anlagen B 1 bis B 7 und Anlagenkonvolut B 12 vorgelegten obergerichtlichen Entscheidungen überzeugen ebenso wie das als Anlage B 8 erneut eingereichte Rechtsgutachten des Prof. Dr. Stürner (bereits mit der Klageerwiderung vorgelegt als Anlage B 1) und die Veröffentlichung von Prof. Dr. Schmidt-Kessel in der ZIP 2014, S. 272 ff.

a. Der Wortlaut des § 356 Abs. 3 S. 1 BGB und des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unternehmer dem Verbraucher in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer mitzuteilen hat und dass von dieser Angabe der Lauf der Widerrufsfrist abhängt.

Zu informieren ist nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB in der Widerufsbelehrung über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular in Anlage 2, welches der Verbraucher für seine eigene Erklärung verwenden kann, aber nicht muss. Die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers ist in der Norm nicht vorgeschrieben. Lediglich der Gestaltungshinweis [2] zur Muster-Widerrufsbelehrung in Anlage 1 sieht die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers vor, und zwar in der bis zum 27. Mai 2022 (also bei Vertragsabschluss) geltenden Fassung „soweit verfügbar“ und in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung ohne einen solchen einschränkenden Zusatz. Da die Beklagte die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, sondern Formulierungen daraus um weitere Bestandteile ergänzt hat, war sie von dem Gestaltungshinweis nach dem Gesetzeswortlaut nicht betroffen.

Soweit in Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 a. F. EGBGB (jetzt Nr. 3 n. F.) die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers verlangt wird, verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB - die Vorschrift über den Beginn der Widerrufsfrist - darauf gerade nicht. Für den Fristbeginn ist nur die Erfüllung der widerrufsspezifischen Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 erforderlich, nicht aber die Erfüllung der allgemeinen Informationspflichten in Abs. 1.

Das nationale Recht steht insoweit im Einklang mit den Vorschriften der EU-Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU), wo ebenfalls zwischen der Erfüllung allgemeiner Informationspflichten (Art. 6 Abs. 1 lit. c) und den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 lit. h) unterschieden wird. Auf die Ausführungen auf S. 9 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

b. Die Ausführungen des Landgerichts zur Systematik der Vorschriften des nationalen Rechts treffen ebenfalls zu. Dass § 356 Abs. 3 S. 1 BGB für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB verweist und nicht auf die allgemeinen Informationspflichten in Abs. 1 der Vorschrift, beruht ersichtlich nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers. Für Verträge über Finanzdienstleistungen verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nämlich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB, wonach dem Verbraucher die in Art. 246b § 1 Abs. 1 EGBGB genannten Informationen zu erteilen sind. Dort wird der Beginn der Widerrufsfrist also auch von der Erfüllung allgemeiner Informationspflichten abhängig gemacht, nicht aber im hier einschlägigen Bereich der Fernabsatzverträge.

Auch für Bauverträge mit Verbrauchern hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung vorzuschreiben und davon den Lauf der Widerrufsfrist abhängig zu machen (§ 356e BGB, Art. 249 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).

c. Dafür, dass die Erfüllung der allgemeinen Informationspflichten nicht Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist, spricht ferner der Vergleich zwischen der seit dem 13. Juni 2014 zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie geltenden Fassung des deutschen Rechts und den zuvor geltenden Bestimmungen. Nach § 312d Abs. 2 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung begann die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 246 § 2, § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB a. F., also nicht vor Erteilung aller vertragsrelevanten Informationen. Dies ist nach den §§ 312d, 356 Abs. 3 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht mehr der Fall. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ausdrücklich ausgeführt, dass der Beginn der Widerrufsfrist mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen künftig nicht mehr von der Erfüllung der sonstigen Informationspflichten abhänge (BT-Drucks. 17/12637, S. 61). Auf die weiteren Ausführungen des Landgerichts zu den Gesetzesmaterialien auf S. 7 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

d. Der Kläger kann sich des Weiteren nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Angabe der Telefonnummer eine Information über „das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts“ sei, so dass diese Angabe schon über Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zum Pflichtinhalt der Widerrufsbelehrung gehöre. Eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufs ist erteilt, wenn der Verbraucher aufgrund der Belehrung weiß, was er für einen wirksamen Widerruf tun muss. Es bedarf eines Hinweises auf die in § 355 Abs. 1 S. 2 bis 5 BGB genannten Umstände (Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage, Art. 246a EGBGB Rn. 118). Dem Verbraucher muss ein zumutbarer Weg aufgezeigt werden, den Widerruf zu erklären (Schirmbacher, a. a. O., Rn. 120). Diesen Anforderungen genügt die Widerrufsbelehrung der Beklagten, die den Verbraucher in die Lage versetzt, rechtzeitig gegenüber der richtigen Adressatin eine eindeutige Erklärung über die Ausübung des Widerrufs abzugeben, wobei verschiedene einfache und effektive Kontaktmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Angabe über die Telefonnummer des Unternehmers gehört hingegen nicht zu den Informationen über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Form des (in beliebiger Form erklärbaren) Widerrufs nach den gesetzlichen Vorschriften gerade nicht zu belehren, so dass die Angabe einer Telefonnummer nicht etwa als Belehrung über die Möglichkeit des telefonischen Widerrufs erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers suggeriert das Weglassen eines Hinweises auf die Möglichkeit des telefonischen Widerrufs auch nicht, dass dies nicht möglich sei. Die Beklagte belehrt in ihrer Widerrufsbelehrung darüber, dass der Widerruf „mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)“ erfolgen müsse. Damit hat die Beklagte nur beispielhaft die Kommunikationswege genannt, die ein Verbraucher für den Widerruf in aller Regel wählen wird, weil diese Wege zugleich einfach und zur dauerhaften Dokumentation geeignet sind. Die Beklagte musste zum Beispiel nicht zusätzlich über die Möglichkeit belehren, wegen des Widerrufs persönlich bei ihr vorstellig zu werden bzw. ein entsprechendes Schreiben bei ihr abzugeben oder sich die Tesla-App zur Kommunikation herunterzuladen. Das Fehlen eines Hinweises darauf bedeutet nicht, dass diese für den Verbraucher komplizierteren Wege verschlossen sind. Ebenso wenig wird der Verbraucher durch das Fehlen eines Hinweises auf den telefonisch möglichen Widerruf davon abgehalten, den Widerruf unter der nach den eigenen Angaben des Klägers an mehreren Stellen auf der Internetseite der Beklagten angegebenen und leicht auffindbaren Telefonnummer zu erklären. Verbraucher werden von dieser Form der Übermittlung lediglich im eigenen Interesse in aller Regel Abstand nehmen, weil die Nutzung des Telefons für sie gerade keine Vorteile bietet, sondern - entgegen den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 - weniger beweissicher und wegen Wartezeiten zeitintensiver ist als eine E-Mail (vgl. Schmidt-Kessel, ZIP 2024, S. 277).

e. Zutreffend sind ferner die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass die individuelle Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht deshalb fehlerhaft ist, weil sie in Bezug auf die Telefonnummer nicht den Anforderungen des Gestaltungshinweises [2] zu der in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltenen Muster-Widerrufsbelehrung entspricht. Es ist zwar richtig, dass die Beklagte bei Verwendung der Musterbelehrung auch ihre Telefonnummer hätte angeben müssen. Aus den so genannten EIS-Entscheidungen des EuGH vom 14. Mai 2020 (C-266/19, juris) und des BGH vom 24. September 2020 (I ZR 169/17, juris) folgt, dass die im Internetauftritt der Beklagten genannte Telefonnummer „verfügbar“ im Sinne des Gestaltungshinweises in der bei Vertragsabschluss geltenden Fassung wäre. Die Beklagte hat jedoch nicht die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet.

Entgegen der Auffassung des Klägers normiert der Gestaltungshinweis zur Muster-Widerrufsbelehrung auch nicht etwa den Mindeststandard für individuelle Widerrufsbelehrungen. Die Muster-Widerrufsbelehrung hat den Zweck, durch die so genannte Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 4 der Verbraucherrechterichtlinie den Unternehmer vor Überforderung zu schützen (Schmidt-Kessel, ZIP 2024, S. 274). Wenn der Unternehmer die Musterwiderrufsbelehrung unter Einhaltung der Gestaltungshinweise nutzt, ist er sicher davor, dass aus dem nationalen Recht oder den Unionsvorschriften in irgendeinem Punkt noch höhere Anforderungen hergeleitet werden könnten. Der Detaillierungsgrad der Musterbelehrung ist der Preis der Gesetzlichkeitsfiktion, aber keine Orientierung für die Auslegung der Belehrungsanforderungen (Schmidt-Kessel, a. a. O., S. 275). Eine individuelle Widerrufsbelehrung ohne Angabe einer Telefonnummer ist gerade nicht - wie vom Kläger angenommen - als „Widerrufsbelehrung light“ anzusehen, sondern lediglich individuell am Maßstab des nationalen und des Unionsrechts auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen, ohne dass der Unternehmer durch die Gesetzlichkeitsfiktion privilegiert wird.

f. Schließlich ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass sich aus den so genannten EIS-Entscheidungen des EuGH und des BGH nicht die Anforderungen an eine individuell gestaltete Widerrufsbelehrung ergeben. Es mag zwar sein, dass die dort aufgestellten Grundsätze nicht nur für das Wettbewerbsrecht, sondern auch für das Verhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Kunden, der Verbraucher ist, gelten. Die Entscheidungen befassen sich aber ausschließlich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises [2] zu der in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltenen Muster-Widerrufsbelehrung „verfügbar“ ist. Die vom Kläger auf S. 9 der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, der BGH habe im Leitsatz zu einem ansonsten nicht näher bezeichneten Urteil vom 21. Januar 2021 (gemeint wohl: Urteil zum Az. I ZR 17/18, juris) ausdrücklich die frei gewählte Widerrufsbelehrung eingeschlossen, trifft nicht zu. Der vom Kläger zitierte Leitsatz der Entscheidung vom 24. September 2020 befasst sich nur mit der Verfügbarkeit der Telefonnummer und nicht damit, dass der Gestaltungshinweis auch für individuelle Belehrungen gelten würde. Der EuGH und der BGH hatten in den so genannten EIS-Entscheidungen keinen Anlass, dazu Stellung zu nehmen, weil die entscheidungserheblichen Rechtsprobleme und damit auch die Vorlagefragen an den EuGH sich allein auf den Fall einer Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung bezogen. Soweit der BGH sich mit der Frage der Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes zu befassen hatte, stellt sich diese Frage hier dagegen nicht, weil ohne Verwendung der Musterbelehrung schon kein Verstoß vorliegt.

2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf neues Vorbringen im Berufungsverfahren berufen, wonach die Widerrufsbelehrung der Beklagten aus anderen Gründen nicht die Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB erfülle. Die zugrunde liegenden Tatsachen, insbesondere der Inhalt der im konkreten Fall verwendeten Widerrufsbelehrung und der sonstigen Vertragsbedingungen gemäß Anlage K 1, sind für sich zwar unstreitig, so dass der Senat sich auch insoweit mit der rechtlichen Einordnung der vermeintlichen Mängel der Belehrung zu befassen hat. Einen Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zeigt der Kläger aber mit seinem neuen Vorbringen nicht auf.

a. Es trifft nicht zu, dass die Beklagte den Kläger nicht hinreichend klar über die Erstattung auch der Bestellgebühr im Falle eines Widerrufs belehrt haben soll.

Der Vortrag auf Seite 3 der Berufungsbegründung und auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024 ist schon nicht auf den vorliegenden Einzelfall bezogen, sondern geht formularmäßig von der Zahlung einer Bestellgebühr „i. H. v. 100,00 EUR bzw. 250,00 EUR“ aus. Der bereits in der Berufungsbegründung angekündigte Screenshot findet sich nunmehr auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024, hat aber keinen Bezug zum vorliegenden Fall und betrifft eine Bestellgebühr von 250,00 €, die für einen Fahrzeugkauf mit Finanzierung erhoben werden soll und im Falle der Ablehnung der Finanzierung rückerstattbar ist. Eine E-Mail, mit der der „Fahrzeugbestellvertrag“ (also die Anlage K 1) übersandt worden sein soll, nennt der Kläger, ohne sie vorzulegen. Die in der Berufungsbegründung und im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 zitierten Passagen aus dem Vertrag der Parteien lassen sich in der Anlage K 1 nicht auffinden.

Den als Anlage K 1 vorgelegten Unterlagen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger offenbar eine „Anzahlung für Bestellung“ von 100,00 € zu leisten hatte. In den AGB in der Fassung der Anlage K 1 heißt es unter „Bestellvorgang Model 3, Y und Vertragsbeendigung“ zwar, dass die Beklagte im Falle einer Stornierung durch den Kunden „womöglich eine von Ihnen bezahlte Bestellgebühr als pauschalierten Schadensersatz einbehalten“ könne, dies aber ausdrücklich „vorbehaltlich anderweitiger entgegenstehender gesetzlicher Regelungen“. Der vom Kläger auf Seite 3 unten in der Berufungsbegründung eingerückte Text aus Vertragsbedingungen der Beklagten weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass beim Vorliegen von gesetzlichen Widerrufs- und Rücktrittsrechten ein Rückerstattungsanspruch bestehe.

Vor allem aber hat die Beklagte den Kläger in der ihm erteilten Widerrufsbelehrung ausdrücklich darüber belehrt, dass sie dem Kunden im Falle eines Widerrufs „alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, ... zurückzuzahlen“ habe. Dies ist eindeutig und wird nicht dadurch relativiert, dass es gegenüber Kunden, die nicht Verbraucher sind, die Möglichkeit gibt, dass sie eine etwa geleistete Bestellgebühr im Falle der Vertragsstornierung - außerhalb des nur für Verbraucher geltenden Widerrufsrechts - nicht zurückerhalten könnten. Entgegen der Auffassung des Klägers (Seite 18 der Berufungsbegründung, Seite 10 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024) hat die Beklagte auch nicht mehrere Widerrufsbelehrungen erteilt, sondern genau eine, die ordnungsgemäß auf den vollen Rückerstattungsanspruch hinweist.

b. Der Hinweis des Klägers auf die „Mindesthaltedauer“ in den AGB der Beklagten ist im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung nicht nachvollziehbar. Dem Kläger ist in den als Anlage K 1 eingereichten Unterlagen ersichtlich nicht suggeriert worden, er müsse das Fahrzeug sechs Monate lang halten, so dass deshalb kein Widerruf des Vertrages in Betracht komme. Die Klägervertreter zitieren auf Seite 4 der Berufungsbegründung (und wiederholend im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024) zu dem Punkt „Kein Weiterverkauf“ schon nicht aus der Anlage K 1, sondern möglicherweise aus dem Vertrag eines anderen Mandanten. Eine Verpflichtung, „das Fahrzeug mindestens sechs Monate ab Auslieferung zu halten“ ist in der Anlage K 1 unter dem Punkt „Kein Weiterverkauf“ überhaupt nicht enthalten (22 eA I). Aus dem dort thematisierten Verbot des Weiterverkaufs lässt sich nicht im Ansatz herleiten, dass der Widerruf ausgeschlossen sein könnte.

c. Schließlich ist die Einleitung der Widerrufsbelehrung der Beklagten klar und verständlich und hat dem Kläger als Verbraucher kein Subsumtionsrisiko in Bezug auf seine Verbrauchereigenschaft und die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Vertragsabschluss aufgebürdet.

Letztere wird von der Beklagten ausdrücklich erläutert mit dem Zusatz „(wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.)“. Jeder normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher kann beurteilen, ob er den Vertrag mit diesen Mitteln abgeschlossen hat. Ein Kunde, der wie der Kläger den Kaufvertrag über die Internetseite der Beklagten abgeschlossen hat, kann nicht ernsthaft hinterfragen, dass es sich um einen Vertragsabschluss ausschließlich mit Fernkommunikationsmitteln handelt. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass sich bei ihm irgendwelche Zweifel ergeben hätten.

Auch die eigene Einordnung als Verbraucher ist für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Kunden einfach zu treffen, ohne dass er die Legaldefinition in § 13 BGB kennen muss. Der Hinweis auf den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts nur für Verbraucher verstößt nicht gegen das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot (BGH, Urteil vom 9. November 2010, Az. I ZR 123/10, juris). Die Beklagte, die Verträge über die von ihr hergestellten Fahrzeuge sowohl mit Verbrauchern als auch mit Unternehmern schließt, kann hingegen nicht beurteilen, ob der jeweilige Kunde Verbraucher und über das Widerrufsrecht zu belehren ist oder ob es sich um einen Unternehmer handelt. Bei natürlichen Personen wie dem Kläger ist aus Sicht der Beklagten beides gleichermaßen möglich, während der Kläger wusste, dass er Verbraucher ist. Die Gefahr, dass ein Kunde wegen Zweifeln an seiner Eigenschaft als Verbraucher nicht von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, besteht auch abstrakt nicht, zumal die Zuordnung in aller Regel - wie hier - eindeutig ist, der Kunde sich bei gleichwohl auftretenden Zweifeln einfach über die Definition des Begriffs „Verbraucher“ informieren kann und ihm im Übrigen keine Nachteile entstehen, wenn er im Zweifel das Widerrufsrecht ausübt und möglicherweise später die Erkenntnis gewinnen muss, dass dies ins Leere geht.

3. Selbst wenn aus einem der vom Kläger genannten Gründe - insbesondere wegen Nichtangabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung - die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückbliebe (was nicht der Fall ist), wäre der Kläger jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB daran gehindert, sich auf den Widerruf des Kaufvertrages zu berufen. Die Ausführungen des OLG Celle in dem als Anlage B 4 im Berufungsverfahren vorgelegten Beschluss vom 12. Juni 2024 (Az. 16 U 12/24) sind überzeugend.

Selbst wenn die Widerrufsbelehrung einen Mangel aufweisen würde, wäre dieser derart geringfügig, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der Kläger sich auf eine daraus etwa entstehende formale Rechtsposition beruft. Dass ein etwaiger Mangel der Belehrung Auswirkungen auf das Verhalten des Klägers innerhalb der regulären Frist von zwei Wochen ab Übergabe des Fahrzeuges hatte, ist hier ausgeschlossen. Er hat den Widerruf noch fast ein Jahr später - selbstverständlich - in einer beweissicheren Form und nicht telefonisch erklärt, obwohl er die Verlängerung der Frist auf insgesamt 12 Monate und 14 Tage gerade mit dem Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung begründet hat. Nachdem der Kläger den Vertrag über die Internetseite der Beklagten abgeschlossen hat, war der Widerruf per E-Mail, auf den die Beklagte ausdrücklich hingewiesen hat, bei objektiver Betrachtung mit Abstand am einfachsten und am besten geeignet, während nichts für einen telefonischen Widerruf sprach. Die Telefonnummer wurde von der Beklagten auch nicht verborgen gehalten, sondern war gerade nach dem Vortrag des Klägers einfach auffindbar. Die Beklagte hatte kein Interesse, einen telefonischen Widerruf zu verhindern, da dieser Weg allein für den Kunden nachteilig wäre.

Der Zeitpunkt des Widerrufs - der nicht etwa wenige Wochen nach Ablauf der 2-Wochen-Frist, sondern kurz vor Ablauf der Höchstfrist erfolgt ist - verdeutlicht im Zusammenspiel mit dem allenfalls geringfügigen und für den Kläger unbedeutenden Mangel der Widerrufsbelehrung, dass die Kaufreue erst spät eingetreten ist und/oder es ihm darum geht, kostenlos für ein Jahr in den Genuss der Nutzung des neuen Fahrzeuges zu gelangen. Die Ausübung eines bestehenden Widerrufsrechts nach § 312g BGB bedarf zwar keiner Begründung, so dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen der Verbraucher den Widerruf erklärt. Dies können auch sachfremde Motive sein. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in erster Linie das Ziel verfolgt, die Beklagte zu schädigen. Gleichwohl wäre es treuwidrig, eine rein formal bestehende Position zu nutzen, um sich nachträglich einen erheblichen eigenen Vermögensvorteil zu sichern, nachdem der fristgemäße Widerruf unabhängig vom Inhalt der Widerrufsbelehrung nicht erfolgt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Flensburg: Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führt nicht zur Verlängerung der Widerrrufsfrist sofern nicht die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet wird

LG Flensburg
Urteil vom 12.07.2024
3 O 65/24


Das LG Flensburg hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht zur Verlängerung der Widerrrufsfrist führt, sofern nicht die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a EGBG verwendet wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Zwar steht dem Kläger ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB iVm § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB zu, da der streitgegenständliche Fahrzeugkaufvertrag einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB darstellt. Vorliegend kam der Vertrag ausschließlich durch Onlinebestellung auf der Homepage der Beklagten zu Stande. Die Durchführung einer Probefahrt mit einem Tesla-Performance-Modell steht der Annahme eines Fernabsatzgeschäftes nicht entgegen. Eine damit einhergehende Durchbrechung des Informationsungleichgewichts ist nicht ersichtlich.

Mit der Widerrufserklärung vom 08.08.2023 hat der Kläger jedoch die hier einzuhaltende gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht eingehalten. Da er das Fahrzeug am 05.11.2022 erhalten hat, begann die Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB am 06.11.2022 zu laufen (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB), somit am 19.11.2022 (§ 188 Abs. 1 BGB). Der am 08.08.2023 erklärte Widerruf war daher verfristet.

Auf eine Gesetzesfiktion der Ordnungsgemäßheit der Widerrufserklärung kann sich die Beklagte zwar nicht berufen, da sie nach eigenem Vortrag gerade eine individualisierte Widerrufserklärung verwendete, jedoch liegt auch kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vor, welche zu einem etwaigen verlängerten Fristenlauf nach § 356 Abs. 3 S.1 BGB führen hätten können. Insbesondere war die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügt trotz nicht erfolgter Angabe einer Telefonnummer den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB.

Der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschriften, § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, enthält keine Regelung, wonach auch die Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verweist nur auf die „Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2“. Aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. bzw. Nr. 3 nach n.F. (dort wird die Telefonnummer genannt) folgt kein anderes Ergebnis. Denn § 356 Abs. 3 S. 1 BGB verweist explizit nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 EGBGB.

Hätte der Gesetzgeber im Falle des § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zwingend gewollt, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch eine Telefonnummer nennt, so hätte er dies entsprechend geregelt. So setzt bspw. auch das in § 356e S. 1 BGB iVm Art. 249 § 3 EGBGB geregelte Widerrufsrecht bei Verbraucherbauverträgen eine Belehrung unter expliziter Nennung der Telefonnummer voraus.

Es entsteht nach dem Wortlaut der hier verwendeten für den Verbraucher auch nicht irreführend die Annahme, eine von der Beklagten im Rechtsverkehr verwendete Telefonnummer könne nicht zur Ausübung des Widerrufs genutzt werden.

Sofern der Kläger meint, dass es Rechtsprechung des BGH sei, dass bei fehlender Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzvertrag nach Ablauf der in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten Frist noch ein Widerrufsrecht bestünde, wenn die Telefonnummer auf der Website oder anderen Veröffentlichungen des Unternehmers als für den Kundenverkehr freigegeben angegeben wird, bezogen sich dort entschiedene Rechtsstreitigkeiten auf die Muster-Widerrufsbelehrungsformular in Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB. Dies trifft nicht auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit zu.

Sofern der Kläger auch auf die EuGH-Rechtsprechung verweist, gilt nichts anderes. Der EuGH stellte in seiner „Amazon“ Entscheidung vom 10.07.2019 (Az. C-649/17) klar, dass eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, unverhältnismäßig erscheint. Weiter führte der EuGH in seiner „EIS-Entscheidung vom 14.05.2020 (Az. C-266/19) aus, dass ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB verwendet und nach außen eine Telefonnummer für den Kundenverkehr zur Verfügung stellt, auch eine Telefonnummer in dieser Belehrung – entsprechend den Gestaltungshinweisen der Anlage 1 – angeben muss. Daran zweifelt das Gericht auch nicht. Vorliegend ist jedoch nicht das Muster-Widerrufsbelehrungsformular verwendet worden, weshalb sich eine Übertragung der Grundsätze verbietet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundesnetzagentur: Bislang in 2023 Abschaltung von 5.898 Rufnummern die von Betrügern für "Enkeltrick" genutzt werden

Die Bundesnetzagentur hat bislang im Jahr 2023 5.898 Rufnummern abgeschaltet, die von Betrügern für den sogenannten "Enkeltrick" missbraucht werden.

Die Pressemitteilung des Bundesnetzagentur:
Bundesnetzagentur schaltet Rufnummern zu Enkeltrick ab
Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2023 bisher 7.799 Rufnummern abgeschaltet. Allein 5.898 betrafen Fälle des sog. Enkeltricks, bei denen die Kontaktaufnahme per SMS oder Messenger erfolgte.

„Auch nach 20 Jahren hat die Bekämpfung von Rufnummernmissbrauch nichts von ihrer Bedeutung verloren. Immer wieder tauchen neue Szenarien auf und wir gehen konsequent dagegen vor“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. „Aktuell betreffen über zwei Drittel der von uns abgeschalteten Rufnummern das Enkeltrick-Szenario.“

Enkeltrick als aktueller Schwerpunkt
Unter dem Begriff „Enkeltrick“ werden Fälle zusammengefasst, in denen insbesondere ältere Menschen von angeblichen Verwandten, meistens Enkelkinder und Kinder, oder guten Bekannten kontaktiert werden. Er oder sie schildert eine akute Notsituation, die nur durch eine sofortige Geldüberweisung aufgelöst werden kann. Die Kontaktierten sind planmäßig erschrocken und bereit, alles zu tun, was den vermeintlichen Verwandten aus seiner misslichen Lage befreit. In der aktuellen Konstellation beginnt die Kontaktaufnahme mit „Hallo Papa oder Mama, das ist meine neue Nummer“.

Bei Tricknachrichten richtig verhalten
Betroffene sollten keinesfalls auf entsprechende Kontaktversuche eingehen:

Erhalten Sie eine SMS, in der Sie jemand auffordert, Geld zu überweisen oder persönliche Daten einzugeben, ignorieren Sie die Nachricht.
Geben Sie auf keinen Fall persönliche Informationen wie Namen oder Orte heraus. Jegliche Informationen dieser Art können Betrüger verwenden, um ihre Geschichten glaubwürdiger zu machen.
Verifizieren Sie den Absender. Meldet sich zum Beispiel Ihre Enkelin oder Ihr Enkel oder Ihr Kind mit einer Ihnen unbekannten Nummer, kontaktieren Sie sie persönlich. Erkundigen Sie sich über die Ihnen bekannten bisherigen Rufnummern.
Warnen Sie Ihr Umfeld vor diesen Tricks. Erzählen Sie insbesondere älteren Menschen davon, damit sie vorbereitet sind.


OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


OLG Hamm: Vertrag über Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt

OLG Hamm
18 U 110/21
Beschluss vom 25.10.2021


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Vertrag über den Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig ist, wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Vereinbarung unwirksam ist, weil sie gegen § 134 BGB verstößt, nämlich darauf gerichtet ist, Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG durchzuführen. Es handelt sich damit um einen sog. Basisvertrag, der zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet. Derartige Verträge sind nach § 134 BGB nichtig, sofern der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (BGH GRUR 1998, 945; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG vor § 1 Rn. 7.9). Das ist hier aus den vom Landgericht genannten Gründen der Fall.

1. Was die Verpflichtung der Klägerin zur Verschaffung sog. Opt-Ins angeht, so wird damit, wie vom Landgericht dargelegt, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen, wobei sich die Beklagte mit der Eingehung der Vereinbarung selbst gem. § 8 Abs. 2 UWG Unterlassungsansprüchen aussetzte.

a) Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.6.2018 (Az. 8 U 153/17) berufen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass Einwilligungen von (Privat-)Inserenten mit einer telefonischen Kontaktaufnahme die Anrufe von Maklern nur dann decken, wenn diese lediglich als Käufermakler (für ihre „Suchkunden“) an sie herantreten (s.a. Münchener Komm. zum Lauterkeitsrecht/Leible, 3. Aufl., § 7 UWG Rn. 123).

Dass die Vereinbarung ausschließlich oder auch nur überwiegend diesem Zweck diente, trägt die Klägerin nicht vor und ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung selbst. Vielmehr ist in § 1 davon die Rede, dass es dem Makler „obliegt …, den Verkäufer von seinen Leistungen zu überzeugen …“. Daraus folgt, dass die Einholung der Einwilligungen zumindest auch dem Zweck dienen sollte, dass sich die Beklagte den Inserenten als Makler (auf Verkäuferseite) empfehlen konnte.

Den von der Klägerin vorgelegten Klauselwerken der einschlägigen Portale, namentlich den als Anlage K10 und K11 zum Schriftsatz vom 21.6.2021 zu den Akten gereichten „Datenschutzbestimmungen“, lässt sich nicht entnehmen, dass die Inserenten wirksam weitergehende Einwilligungen abgegeben hätten, die auch eine Nutzung der Daten zur Kontaktaufnahme durch die Klägerin (im Auftrag der Beklagten als eines dem Inserenten fremden Maklers) umfasst haben. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nunmehr auf die „Hinweise“ an die Nutzer in den Portalen L und „M“ verweist, ersetzen sie die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers nicht. Abgesehen davon erfüllt die Kontaktaufnahme durch die Klägerin - für die Beklagte - auch nicht den Tatbestand einer Datenweitergabe „zur möglichen Vereinbarung eines Beratungstermins“ mit einem „mit L kooperierenden Makler“.

b) Soweit sich die Klägerin zum Beweis des Umstands, dass sich ein (jeder) verkaufswilliger Immobilieneigentümer, der seine Telefonnummer im Rahmen des Inserats angibt, in jegliche Kontaktaufnahme einwilligt, auf einen Zeugen A berufen hat, brauchte dem nicht nachgegangen zu werden. Das Beweisangebot ist ungeeignet, weil der Zeuge über die Bedeutung der individuellen Entscheidung ihm persönlich unbekannter Inserenten, ihre Telefonnummer anzugeben, keine Erkenntnisse haben kann.

c)Der Passus in der Vereinbarung, wonach die Beklagte „ggf. … auch selbst“ kaufe, rechtfertigt gleichfalls keine andere rechtliche Würdigung des Sachverhalts. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Geltung dieses Passus mit der Begründung nachvollziehbar in Abrede stellt, sie sei (insgesamt) von dem angekreuzten „Nein“ umfasst, handelt sich dabei lediglich um die allgemeine Feststellung, dass für die Beklagte unter nicht näher benannten Umständen auch ein Eigenerwerb der inserierten Immobilien in Betracht komme. Der Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin diente aber offensichtlich nicht dazu, der Beklagten die Anschaffung eines eigenen Immobilien-Portfolios oder dessen Erweiterung zu ermöglichen, sondern der Ausweitung ihres Maklergeschäfts.

2. Was die Mitteilung der Chiffre-Kontakte angeht, so bestand die Dienstleistung der Klägerin in diesen Fällen nicht in der Mitteilung einer Telefonnummer, sondern des jeweiligen von ihr recherchierten bzw. anderweitig erworbenen Datensatzes der betreffenden Inserenten.

Die Übermittlung dieser Datensätze an die Beklagte diente erkennbar dem Zweck, ihr die Kontaktaufnahme zu den Inserenten zu Werbezwecken für ihre Maklertätigkeit unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch dann zu ermöglichen, wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten in diese Werbung fehlte. Überdies erfolgte die Weitergabe der Daten unter Verstoß gegen die DSGVO.

Auch dieser Teil der Vereinbarung hat also gem. § 134 BGB keinen Bestand. Die Frage, ob bereits die Nichtigkeit der Verpflichtung zur Verschaffung der Opt-Ins gem. § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung führt oder ob dem § 15 („Salvatorische Klausel“) entgegensteht, bedarf deshalb keiner Beantwortung.

3. Zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Fall auch Ansprüche der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) bzw. aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812ff. BGB) verneint. Auf die Begründung wird verwiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Telefonnummer ist "verfügbar" und damit in Widerrufsbelehrung anzugeben wenn Anbieter Eindruck erweckt Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen

BGH
Urteil vom 24.09.2020
I ZR 169/17
Verfügbare Telefonnummer
UWG § 3a; BGB § 312g Abs. 1, §§ 355, § 312d Abs. 1 Satz 1; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB


Der BGH hat in Umsetzung der einschlägigen EuGH-Entscheidung (siehe dazu EuGH, Urteil vom 14.05.2020 - ‑266/19) entschieden, dass eine Telefonnummer "verfügbar" und damit in der Widerrufsbelehrung anzugeben ist, wenn der Anbieter auf der Website für einen Durchschnittsverbaucher den Eindruck erweckt, die Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu verwenden.

Leitsätze des BGH:

a) Die in § 312d BGB und Art. 246a EGBGB enthaltenen Regelungen über die Informationen, die die Unternehmer den Verbrauchern in Fällen zu geben haben, in denen diesen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, stellen dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF
3a UWG) dar.

b) Eine Telefonnummer ist verfügbar und daher von einem Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen in einer Widerrufsbelehrung anzugeben, wenn sie dergestalt auf der Website des Unternehmers zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt.

BGH, Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17 - OLG Hamm - LG Arnsberg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Widerrufsbelehrung muss nur dann zwingend eine Telefonnummer enthalten wenn Anbieter Eindruck erweckt Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen

EuGH
Urteil vom 14.05.2020
C‑266/19
EIS GmbH gegen TO


Der EuGH hat entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung nur dann zwingend eine Telefonnummer enthalten muss, wenn der Anbieter den Eindruck erweckt, die Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen.

Tenor der Entscheidung:

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die nach dieser Bestimmung „gegebenenfalls“ anzugebende Telefonnummer eines Unternehmers in einer Situation, in der sie dergestalt auf seiner Website zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, als verfügbar anzusehen ist. In einem solchen Fall ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h und Abs. 4 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I Teil A dahin auszulegen, dass der Unternehmer, der einem Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag gebunden ist, die Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung stellt und hierbei auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A zurückgreift, die betreffende Telefonnummer darin angeben muss, damit der Verbraucher ihm seine etwaige Entscheidung, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, auf diesem Weg mitteilen kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: E-Mail, Internet-Chat und Rückrufsystem kann Informationspflichten eines Online-Shops über die Kontaktmöglichkeiten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB genügen

BGH
Urteil vom 19.12.2019
I ZR 163/16
Rückrufsystem II
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. c; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1, Abs. 3; BGB § 312d Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat nach der Entscheidung des EuGH über den Vorlagebeschluss ( Siehe dazu EuGH: Amazon bzw Online-Händler müssen vor Vertragsschluss keine Telefonnummer zur Verfügung stellen wenn anderes Kommunikationsmittel zur effizienten Kontaktaufnahme besteht) entschieden, dass eine Kombination aus E-Mail, Internet-Chat und Rückrufsystem den Informationspflichten eines Online-Shops über die Kontaktmöglichkeiten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB genügen kann.

Leitsatz des BGH:

Hat der Verbraucher beim Bestellvorgang in einem Onlineshop vor Abschluss der Bestellung die Möglichkeit, einen mit "Kontaktieren Sie uns" gekennzeichneten elektronischen Verweis ("Link") zu betätigen und so mit dem Verkäufer in schriftlicher Form durch eine E-Mail oder einen Internet-Chat Kontakt aufzunehmen oder aber sich von ihm über ein Rückrufsystem sofort oder innerhalb von fünf Minuten und damit zeitnah zurückrufen zu lassen, genügt dies den Informationspflichten über die Kontaktmöglichkeiten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB.

BGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - I ZR 163/16 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Nummer ist kein Muss - Online-Händler müssen für Verbraucher keine Telefonnummer bereithalten

In Ausgabe 15/2019, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Nummer ist kein Muss - Online-Händler müssen für Verbraucher keine Telefonnummer bereithalten".

Siehe auch zum Thema: EuGH: Amazon bzw Online-Händler müssen vor Vertragsschluss keine Telefonnummer zur Verfügung stellen wenn anderes Kommunikationsmittel zur effizienten Kontaktaufnahme besteht

EuGH: Amazon bzw Online-Händler müssen vor Vertragsschluss keine Telefonnummer zur Verfügung stellen wenn anderes Kommunikationsmittel zur effizienten Kontaktaufnahme besteht

EuGH
Urteil vom 10.07.2019
C-649/17
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. / Amazon EU Sàrl


Der EuGH hat entschieden, dass Amazon bzw. Online-Händler vor Vertragsschluss keine Telefonnummer zur Verfügung stellen müssen, wenn ein anderes Kommunikationsmittel zur effizienten Kontaktaufnahme vorgehalten wird.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist zum einen dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein Unternehmer verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nrn. 7 und 8 dieser Richtlinie stets seine Telefonnummer anzugeben. Zum anderen impliziert diese Bestimmung keine Verpflichtung des Unternehmers, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Sie verpflichtet den Unternehmer nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E‑Mail‑Adresse, wenn er über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.

2. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung zwar den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen, doch steht diese Bestimmung dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel als die in ihr genannten zur Verfügung stellt, um diese Kriterien zu erfüllen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Eine Online-Plattform wie Amazon ist nicht verpflichtet, dem Verbraucher vor Vertragsabschluss stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen

Sie muss dem Verbraucher jedoch ein Kommunikationsmittel bereitstellen, über das er mit ihr
schnell in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann

Amazon EU bietet verschiedene Waren ausschließlich online zum Kauf an; in Deutschland erfolgt dies über die Internetseite www.amazon.de. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (im Folgenden: Bundesverband) verklagte Amazon vor den deutschen Gerichten mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass das Unternehmen gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstoße, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen, weil es die Verbraucher nicht in klarer und verständlicher Weise über seine Telefonnummer und seine Telefaxnummer informiere. Der Rückrufservice von Amazon erfülle die Informationspflichten nicht, da für den Verbraucher eine Vielzahl von Schritten erforderlich sei, um mit einem Ansprechpartner des Unternehmens in Kontakt zu treten. Nach deutschem Recht ist nämlich der Unternehmer verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben.

Vor diesem Hintergrund möchte der in letzter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher einer solchen nationalen Regelung entgegensteht und ob der Unternehmer verpflichtet ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Der Bundesgerichtshof möchte auch wissen, ob ein Unternehmer wie Amazon auf andere Kommunikationsmittel zurückgreifen kann, wie etwa einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die Richtlinie einer solchen nationalen Regelung entgegensteht, und stellt fest, dass der Unternehmer nach der Richtlinie nicht verpflichtet ist, einen Telefonanschluss oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher stets mit ihm in Kontakt treten können, und dass die Richtlinie nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E-Mail-Adresse verpflichtet, wenn der Unternehmer über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt. Zugleich stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das eine direkte und effiziente Kommunikation gewährleistet, wobei der Unternehmer auf andere Kommunikationsmittel als die in der Richtlinie genannten zurückgreifen kann, um diese Pflichten zu erfüllen.

Der Gerichtshof hält fest, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird. Hierzu ist die Möglichkeit für den Verbraucher, mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufzunehmen und effizient mit ihm zu kommunizieren, von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte, insbesondere des Widerrufsrechts. Gleichwohl ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, wie aus derselben Richtlinie hervorgeht, und dabei die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet wird, zu wahren.

Nach Auffassung des Gerichtshofs erscheint eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können, unverhältnismäßig. Hinsichtlich der Bedeutung der in der Richtlinie enthaltenen Wendung „gegebenenfalls“ bezüglich der drei gängigen Kommunikationsmittel zwischen Verbraucher und Unternehmer (Telefon, Telefax, E-Mail) ist der Gerichtshof trotz der Unterschiede zwischen den Sprachfassungen der Ansicht, dass diese Wendung die Fälle erfasst, in denen der Unternehmer über ein solches Kommunikationsmittel verfügt und es den Verbrauchern zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus steht die Richtlinie dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere
Kommunikationsmittel zur Verfügung stellt (wie etwa ein elektronisches Kontaktformular,
einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem), sofern dadurch eine direkte und effiziente
Kommunikation zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer ermöglicht wird. Dies setzt
voraus, dass die Informationen bezüglich dieser Kommunikationsmittel dem Verbraucher in klarer
und verständlicher Weise zugänglich gemacht werden.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, zu beurteilen, ob die dem Verbraucher vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichen, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu ommunizieren, und ob die Informationen über diese Kommunikationsmittel in klarer und verständlicher Weise zugänglich sind. In Bezug auf diesen letzten Punkt stellt der Gerichtshof fest, dass der Umstand, dass eine Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar ist, als solcher nicht impliziert, dass die zur Übermittlung der Information an den Verbraucher verwendete Art und Weise nicht klar und verständlich ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Online-Plattformen wie Amazon müssen Verbrauchern keine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 28.02.2019
C-649/17
Bundesverband der Verbraucherzentralen u. a. ./. Amazon EU


Der EuGH-Generalanwalt hat in seinen Schussanträgen ausgeführt, dass Online-Plattformen wie Amazon Verbrauchern keine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen müssen, sofern ein anderer Weg zur schnellen Kontaktaufnahme existiert, der eine effiziente Kommunikation ermöglicht. Der EuGH ist an die Schlussanträge des Generalanwalts nicht gebunden, folgt diesen aber häufig.

Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier:

"Generalanwalt Pitruzzella schlägt dem Gerichtshof vor festzustellen, dass eine Online-Plattform wie Amazon nicht verpflichtet werden kann, dem Verbraucher eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.

Dem Verbraucher müssen jedoch mehrere Wahlmöglichkeiten in Bezug auf das zu verwendende Kommunikationsmittel sowie eine schnelle Kontaktaufnahme und eine effiziente Kommunikation garantiert und die Information über diese Kommunikationsmittel in klarer und verständlicher Weise erteilt werden.

Amazon EU (im Folgenden: Amazon) unterhält eine Plattform, auf der gängige Verbraucherprodukte und -dienstleistungen ausschließlich im Internet angeboten werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (im Folgenden: Bundesverband) verklagte Amazon vor den deutschen Gerichten mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass Amazon gegen das geltende deutsche Recht verstoße, das in Durchführung der Verbraucherschutzrichtlinie den Unternehmer verpflichte, in klarer und verständlicher Weise außer der Anschrift die Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen. Der Bundesverband wirft Amazon insbesondere vor, sie sei ihren Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern nicht in klarer und verständlicher Weise nachgekommen, da sie es unterlasse, den Verbrauchern im Vorfeld des Online-Versandgeschäfts auf der Website eine Telefaxnummer zu nennen und dem Verbraucher unmittelbar eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen (die er erst nach einer Vielzahl von Schritten einsehen könne). Das System des automatischen Rückrufs und die Möglichkeit zum Internet-Chat, beides von Amazon angeboten, seien nicht ausreichend, um die gesetzlich vorgesehenen Pflichten zu erfüllen.

Vor diesem Hintergrund möchte der in letzter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) vom Gerichtshof wissen, wie der Ausdruck „gegebenenfalls“ in Bezug auf die zwischen Unternehmer und Verbraucher bei im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen verwendeten Kommunikationsmittel
richtig auszulegen ist, ferner, ob der insoweit angeführte Katalog von Kommunikationsmitteln (Telefon, Telefax, E-Mail) abschließend ist und schließlich, welchen Inhalt das vom Unternehmer zu beachtende Transparenzgebot hat.

In seinen heutigen Schlussanträgen weist Generalanwalt Giovanni Pitruzzella darauf hin, dass es Ziel der Richtlinie sei, ein immer höheres Schutzniveau für den Verbraucher zu erreichen, zugleich jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten. Daher seien die entsprechenden Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass das höchste Schutzniveau für den Verbraucher gewährleistet sei, ohne dabei jedoch in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmers stärker einzugreifen, als es zur Erreichung des oben genannten Zwecks unbedingt erforderlich sei. So werde ein wirksamer Verbraucherschutz nicht dadurch erreicht, dass eine besondere Art der Kontaktaufnahme (z. B. Benutzung des Telefons) festgelegt werde, sondern dadurch, dass sichergestellt werde, dass die Verbraucher über die wirksamsten Kommunikationswege in Bezug auf das Mittel verfügen könnten, über das das Verkaufsgeschäft getätigt werde. Hingegen bestünde, würde die Einrichtung einer besonderen, für die Zwecke eines wirksamen Verbraucherschutzes nicht erforderlichen Art von Kommunikation wie das Telefon vorgeschrieben, die Gefahr, dass sie angesichts der Ziele des Verbraucherschutzes eine unverhältnismäßige Maßnahme wäre, die die betroffenen Unternehmen zum Schaden vor allem derjenigen, die keine „Internetgiganten“ wie Amazon seien, unangemessen belasten könnte.

Nach Auffassung des Generalanwalts kommt es daher weniger auf das Kommunikationsmittel abstrakt betrachtet an, als vielmehr darauf, dass im konkreten Fall gleichzeitig folgende Ziele der Richtlinie gewährleistet werden können: i) dass der Verbraucher mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann und ii) dass die
Informationen in klarer und verständlicher Weise erteilt werden.

Der Generalanwalt schlägt dem Gerichtshof daher vor festzustellen, dass für im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge die Aufzählung Kommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail) in der Richtlinie lediglich beispielhaft sei. Der Unternehmer könne daher frei wählen, welche Mittel er für den Kontakt mit dem Verbraucher zur Verfügung stelle, auch solche, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannt seien, wie z. B. Internet-Chat (eine Art technische Weiterentwicklung des Telefax) oder ein automatisches Rückrufsystem (als technologischer Fortschritt gegenüber dem Callcenter), sofern die oben genannten Ziele der Richtlinie umgesetzt würden. Zudem folge aus dem Ziel eines hohen Schutzniveaus für den Verbraucher und der Beispielhaftigkeit der Kommunikationsmittel die Notwendigkeit, dass der Unternehmer dem Verbraucher mehrere Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle und damit dessen Wahlfreiheit gewährleiste.

Im Rahmen der Prüfung des zweiten oben genannten Zieles weist der Generalanwalt darauf hin, dass die Klarheit und die Verständlichkeit der Information Aspekte des allgemeinen Transparenzgebots für Vertragsbedingungen seien. Dieses gelte selbstverständlich auch für die Art und Weise der Kontaktaufnahme und verlange vom Unternehmer, dafür zu sorgen, dass der
Verbraucher in der Lage sei, eindeutig zu verstehen, welche Arten der Kontaktaufnahme ihm zur Verfügung stünden, falls er mit dem Unternehmer kommunizieren müsse. Transparenz setze notwendig einen einfachen Zugang zur Information voraus. Unvereinbar mit der Zielsetzung der Richtlinie wäre es daher, wenn die Suche im Internet wegen ihrer Komplexität den Zugang zur Information erschweren würde. Der Generalanwalt schlägt dem Gerichtshof daher vor festzustellen, dass aufgrund des Transparenzgebots die vom Unternehmer für den Verbraucher bereitgestellte Information über die Kommunikationsmittel einfach, effizient und verhältnismäßig schnell zugänglich sein müsse.

Was die Bedeutung des Ausdrucks “gegebenenfalls” in Bezug auf die drei Kommunikationswege zwischen Unternehmer und Kunden (Telefon, Telefax, E-Mail) angeht, schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass dieser Ausdruck zum einen den Unternehmer nicht dazu verpflichte, einen Telefon- oder Faxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließe, Fernabsatzverträge abzuschließen, und zum anderen, “für den Verbraucher bereitgestellte Mittel”, bedeute, und nicht, “im Unternehmen vorhandene”: Nicht alles, was in einem bestimmten Zusammenhang existiere oder vorhanden sei, sei nämlich verfügbar oder stehe jedem zur Verfügung, der es benutzen wolle. Der Generalanwalt gelangt somit zu dem Ergebnis, dass auch dann, wenn das Unternehmen einen Telefonanschluss besitze, dieser nicht zwangsläufig für die Kommunikation mit dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen sei, sofern – wie erwähnt – die von der Richtlinie verfolgten Ziele gewährleistet seien.

Der Generalanwalt weist schließlich auf das in dieser Richtlinie ausdrücklich festgelegte Verbot für die Mitgliedstaaten hin, im nationalen Recht von den Richtlinienbestimmungen abweichende Vorschriften zu erlassen; insoweit schlägt er dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die Richtlinie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der deutschen entgegenstehe, die dem Unternehmer eine in der Richtlinie nicht vorgesehene Verpflichtung wie die auferlege, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen."


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:



BGH legt EuGH vor: Muss Online-Shop und Anbieter sonstiger Fernabsatzgeschäfte zwingend Telefon-, Telefaxanschluss und ein E-Mail-Konto zur Kontaktaufnahme zur Verfügung stellen

BGH
Beschluss vom 05.10.2017
I ZR 163/16
Rückrufsystem
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. c; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1, Abs. 3; BGB § 312d Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen zu den Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, welche Online-Shops und Anbieter sonstiger Fernabsatzgeschäfte vorhalten müssen, zur Entscheidung vorgelegt. Insbesondere geht es um die Frage, ob zwingend Telefon-, Telefaxanschluss und ein E-Mail-Konto zur Kontaktaufnahme vorhanden sein müssen. Dabei geht es um die Auslegung des Wortes "gegebenenfalls" in der deutschen Übersetzung des Textes der einschlägigen Richtlinie.


Der Tenor:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. 2011 L 304, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die - wie die Bestimmung des Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB - den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung nicht nur gegebenenfalls, sondern stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen ?

2. Bedeutet die in der deutschen Sprachfassung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU verwendete Wendung "gegebenenfalls", dass ein Unternehmer nur über in seinem Unternehmen bereits tatsächlich vorhandene Kommunikationsmittel informieren muss, er also nicht gehalten ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließt, in seinem Unternehmen auch Fernabsatzverträge abzuschließen?

3. Falls die Frage 2 bejaht wird:
Bedeutet die in der deutschen Sprachfassung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU angeführte Wendung "gegebenenfalls", dass nur solche Kommunikationsmittel bereits in einem Unternehmen vorhanden sind, die vom Unternehmer tatsächlich jedenfalls auch für den Kontakt zu Verbrauchern im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen eingesetzt werden, oder sind auch solche Kommunikationsmittel im Unternehmen vorhanden, die vom Unternehmer bislang ausschließlich zu anderen Zwecken, wie etwa der Kommunikation mit Gewerbetreibenden oder Behörden, genutzt werden?

4. Ist die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU erfolgte Aufzählung der Kommunikationsmittel Telefon, Telefax und E-Mail abschließend, oder kann der Unternehmer auch andere, dort nicht genannte Kommunikationsmittel - wie etwa ein Internet-Chat oder ein telefonisches Rückrufsystem - einsetzen, sofern dadurch eine schnelle Kontaktaufnahme und eine effiziente Kommunikation sichergestellt ist?

5. Kommt es bei der Anwendung des Transparenzgebots des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU, nach dem der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU genannten Kommunikationsmittel informieren muss, darauf an, dass die Information schnell und effizient erteilt wird?

BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2017 - I ZR 163/16 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Telefonnummer für Kundendienst nach § 312a Abs. 5 S. 1 BGB darf keine teure Sondernummer sein und nicht mehr als ein normaler Anruf kosten

EuGH
Urteil vom 02.03.2017
C-568/15
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. / comtech GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass die von einem Unternehmen angegebene Telefonnummer für den Kundendienst nach § 312a Abs. 5 S. 1 BGB keine teure Sondernummer sein und nicht mehr als ein normaler Anruf kosten darf. Dabei ist unerheblich, ob das Unternehmen mit der Kundendienstnummer Gewinne erzielt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Kosten eines Anrufs unter einer Kundendiensttelefonnummer dürfen nicht höher sein als die Kosten eines gewöhnlichen Anrufs Das deutsche Unternehmen comtech vertreibt Elektro- und Elektronikartikel. Es wies auf seiner Website auf einen telefonischen Kundendienst hin, dessen Telefonnummer eine sogenannte 0180 - Nummer ist, wie sie in Deutschland allgemein für Service-Dienste verwendet wird und für die ein deutschlandweiter Tarif gilt. Die Kosten für einen Anruf unter dieser (geografisch nicht gebundenen) Sondernummer sind höher als die Kosten eines gewöhnlichen Anrufs unter einer
(geografischen) Festnetz- oder einer Mobilfunknummer.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main (Deutschland) hat comtech vor dem Landgericht Stuttgart (Deutschland) auf Unterlassung dieser – ihrer Ansicht nach unlauteren – Geschäftspraxis verklagt. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht den Gerichtshof ersucht, vorab die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher
auszulegen. Nach dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die Verbraucher nicht verpflichtet
sind, für Anrufe über eine Telefonleitung, die der Unternehmer eingerichtet hat, um im Zusammenhang mit mit Verbrauchern geschlossenen Verträgen kontaktiert zu werden, mehr als den Grundtarif zu zahlen. Der Begriff „Grundtarif“ wird in der Richtlinie jedoch nicht definiert.

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Begriff „Grundtarif“ dahin auszulegen ist, dass die Kosten eines auf einen geschlossenen Vertrag bezogenen Anrufs unter einer von einem Unternehmer eingerichteten Service-Rufnummer die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer nicht übersteigen dürfen.

Nach Ansicht des Gerichtshofs entspricht der „Grundtarif“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch den Kosten für einen gewöhnlichen Anruf. Sowohl der Zusammenhang, in dem dieser Begriff in der Richtlinie verwendet wird, als auch der Zweck der Richtlinie, der darin besteht, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, bestätigen, dass der Begriff in diesem üblichen Sinn
zu verstehen ist.

Wäre es dem Unternehmer gestattet, höhere Tarife zu berechnen als den Tarif für einen gewöhnlichen Anruf, könnten die Verbraucher nämlich davon abgehalten werden, die ServiceRufnummer zu nutzen, um Informationen zu einem Vertrag zu erhalten oder ihre Rechte, namentlich in den Bereichen Gewährleistung oder Widerruf, geltend zu machen. Der Gerichtshof stellt im Übrigen klar, dass es, soweit die Grenze der Kosten eines gewöhnlichen Anrufs beachtet wird, unerheblich ist, ob der betreffende Unternehmer mit der Service-Rufnummer Gewinne erzielt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: