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Volltext BGH liegt vor: Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich" verstößt gegen Art. 72 Biozidverordnung

BGH
Urteil vom 10.10.2024
I ZR 108/22
Hautfreundliches Desinfektionsmittel II
Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 72 Abs. 3 Satz 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 72 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Der Begriff "ähnliche Hinweise" im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 umfasst jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte, der - wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben - diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben (Anschluss an EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-296/23, GRUR 2024, 1226 [juris Rn. 48] - dm-Drogerie Markt).

b) Den in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der "ähnlichen Hinweise" liegt eine abstrakte Irreführungsgefahr zugrunde, die das Verbot entsprechender Werbeaussagen rechtfertigt. Auf eine konkrete Irreführung im Einzelfall kommt es nicht an.

c) Die Bezeichnung eines Biozidprodukts als "Hautfreundlich" stellt eine Angabe dar, die als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 fällt.

BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 - I ZR 108/22 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 72 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich"

BGH
Urteil vom 10.10.2024
I ZR 108/22


Der BGH hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 72 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich" vorliegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Werbung für ein Desinfektionsmittel mit der Angabe "Hautfreundlich" ist unzulässig

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verwendung der Angabe "Hautfreundlich" in der Werbung für ein Desinfektionsmittel unzulässig ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Drogeriemarktkette. Sie bot ein Desinfektionsmittel zum Verkauf an, bei dem es sich um ein Biozidprodukt im Sinne der Biozidverordnung handelt. Auf dem Etikett des Produkts befinden sich die Angaben: "Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel" sowie "Hautfreundlich - Bio - ohne Alkohol".

Die Klägerin hält die Angabe wegen eines Verstoßes gegen die Biozidverordnung für unlauter. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Angabe "Hautfreundlich" abgewiesen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage "Hautfreundlich" weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 20. April 2023 (GRUR 2023, 831) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Frage mit Urteil vom 20. Juni 2024 (C-296/23, GRUR 2024, 1226) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Die Angabe "Hautfreundlich" zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels fällt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Biozidverordnung. Der Klägerin steht daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Angabe "Hautfreundlich" hebt eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und ist dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft steht zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.

Vorinstanzen:

LG Karlsruhe - Urteil vom 25. März 2021 - 14 O 61/20 KfH

OLG Karlsruhe - Urteil vom 8. Juni 2022 - 6 U 95/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a Abs. 1 UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Art. 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012

(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben "Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial", "ungiftig", "unschädlich", "natürlich", "umweltfreundlich", "tierfreundlich" oder ähnliche Hinweise enthalten.



EuGH: Verstoß gegen Art. 72 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich"

EuGH
Urteil vom 20.06.2024
C-296/23
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. Gegen dm-drogerie markt GmbH & Co. KG


Der EuGH hat entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 72 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit der Eigenschaft "hautfreundlich" vorliegt.

Tenor der Entscheidung
Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten ist dahin auszulegen, dass der Begriff „ähnliche Hinweise“ im Sinne dieser Bestimmung jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte umfasst, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Werbung für Biozidprodukte: Das Unionsrecht verbietet die Verwendung der Bezeichnung „hautfreundlich“

Die Drogeriemarktkette dm-drogerie markt GmbH & Co. KG (dm) bot das Desinfektionsmittel „BioLYTHE“ zum Verkauf an. Das auf diesem Produkt angebrachte Etikett enthielt folgende Angaben: „Ökologisches UniversalBreitband Desinfektionsmittel“, „Haut-, Hände- und Oberflächendesinfektion“, „Wirksam gegen SARS-Corona“ sowie „Hautfreundlich • Bio • ohne Alkohol“.

Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hält dies für unlautere Werbung. Sie ist der Ansicht, dm habe gegen die Verordnung über Biozidprodukte verstoßen. Sie hat daher Klage vor deutschen Gerichten erhoben, um dm zu verpflichten, es zu unterlassen, das fragliche Produkt als „ökologisches UniversalBreitband Desinfektionsmittel“ und/oder als „hautfreundlich“ und/oder „bio“ zu bezeichnen oder zu vertreiben.

Nach der Verordnung dürfen Biozidprodukte nicht in einer Art und Weise beworben werden, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit oder die Umwelt bzw. ihrer Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt mit den Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder mit ähnlichen Hinweisen ist verboten.

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof, der speziell im Zusammenhang mit der Verwendung der Bezeichnung „hautfreundlich“ angerufen wurde, dem Gerichtshof eine Frage vorgelegt. Er möchte wissen, ob der Begriff „ähnliche Hinweise“ jeden Hinweis umfasst, der – wie die eben erwähnten, in der Verordnung ausdrücklich genannten Angaben – die Risiken eines Biozidprodukts für die Gesundheit oder für die Umwelt oder hinsichtlich seiner Wirksamkeit verharmlost, ohne jedoch allgemeinen Charakter zu haben.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Verordnung keinen Hinweis darauf enthält, dass das Verbot der Verwendung in der Werbung für Biozidprodukte nur auf allgemeine Angaben beschränkt wäre. So kann sowohl ein allgemeiner als auch ein spezifischer Hinweis, der die Risiken von Biozidprodukten verharmlost, in Bezug auf das Vorliegen dieser Risiken irreführend sein. Folglich umfasst der Begriff „ähnliche Hinweise“ jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte, der diese in einer Art und Weise darstellt, die irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben.

In Bezug auf die Angabe „hautfreundlich“ stellt der Gerichtshof fest, dass eine solche Angabe auf den ersten Blick eine positive Konnotation hat, die die Erwähnung jeglicher Risiken vermeidet, so dass sie nicht nur geeignet ist, die schädlichen Nebenwirkungen des fraglichen Produkts zu relativieren, sondern auch anzudeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe ist irreführend, so dass das Verbot ihrer Verwendung in der Werbung für das fragliche Biozidprodukt gerechtfertigt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Düsseldorf: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen

LG Düsseldorf
Urteil vom 21.06.2023
12 O 115/22

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Werbung für ein EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 8b UWG, § 2 UKlaG i.V.m. § 5 UWG bzw. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte (Medizinprodukteverordnung, im Folgenden MDR (Medical Device Regulation)) zu.

a. Der Kläger ist gemäß nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG und §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG i.V.m. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG aktiv legitimiert. Es handelt sich bei ihm um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Der Verband ist seit dem 15.11.2021 auch in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 8b Abs. 1 und Abs. 2 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020 S. 2568; UWG n.F.) finden hier Anwendung. Nach diesen Vorschriften, die am 01.12.2021 in Kraft getreten sind, bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG n.F., um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.2023, Az. I ZR 111/22, Rn. 11, juris). Ferner ist gerichtsbekannt, dass der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dem entsprechenden Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Schließlich gehört dem Kläger auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Dabei ist auf die angegriffenen Wirkaussagen abzustellen, da es auf die Substituierbarkeit der von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen ankommt. Das Gerät der Beklagten soll Muskeln im menschlichen Körper aufbauen („mühelos definierte Muskeln“) und zur Erlangung eines „Traumkörpers“, und zwar „ganz ohne Sport“, dienen. Ferner soll es Hautgewebe sowie Bereiche mit Cellulite glätten. Damit konkurrieren etwa Apotheken, die Mittel zur Gewichtsreduzierung vertreiben, mit der Beklagten, ebenso wie Ärzte (Allgemeinmediziner und Hautärzte) sowie Heilpraktiker, die ihren Patienten Diäten oder Medikamente gegen Cellulite verschreiben. Auch Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln sowie Anbieter von Medizinprodukten stehen im Wettbewerb zur Beklagten. Der Kläger hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste substantiiert dargelegt, dass ihm eine Vielzahl von Apotheken, Ärzten, Heilpraktikern und Arzneimittelherstellern und -großhändlern angehören. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist somit nicht nur auf die Anbieter im Markt für vergleichbare Therapie-Geräte (wie den „N.) die das EMS- und/oder HIFEM-Verfahren verwenden, abzustellen, wobei auch Unternehmen aus der Branche der Medizinprodukte zum Mitgliederkreis des Klägers zählen.

b. Bei den Werbeangaben handelt es sich auch um geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, da diese der Förderung des Absatzes von Waren (hier dem Gerät „N.“) dienen.

c. Es liegt ein Verstoß gegen die spezialgesetzlichen Irreführungsverbote gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR sowie das allgemeine Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG vor.

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG u.a. dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware oder Dienstleistung enthält (Nr. 1).

Gemäß § 3 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, und zwar insbesondere dann, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

Gemäß Art. 7 lit. a) MDR ist es bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Bewerbung von Produkten untersagt, Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt.

aa. Es liegt eine Irreführung gemäß § 5 UWG vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen sieben Werbeangaben, bei denen es sich um Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen handelt, zutreffend sind.

Ob und inwieweit eine Werbung mit Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Angehörigen der Verkehrskreise, an welche sich die Werbung richtet (BGH, GRUR 2004, 793 - Sportlernahrung II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 UWG, Rn. 1.64). Dies können sowohl Fachkreise als auch Verbraucher, aber auch nur bestimmte Gruppen von Verbraucher sein. Wendet sich eine Werbung nur an Fachleute, so entscheiden deren Auffassung und Sprachgebrauch auf dem betreffenden Fachgebiet (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 50 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2021, 513 Rn. 11 – Sinupret; (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.64). Werbeangaben werden von fachkundigen Kreisen meist sorgfältiger betrachtet. Zudem erfassen die Fachkreise aufgrund ihrer Vorbildung und Erfahrung den Aussageinhalt einer (Werbe-)Angabe oft leichter und prüfen sie mitunter wegen ihrer beruflichen Verantwortung genauer (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.69). Wendet sich eine Werbung hingegen sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum (oder Teile davon), so reicht es aus, wenn eine Irreführungsgefahr bei einer der Adressatengruppen besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.64).

Dies berücksichtigend ist der Aussagegehalt der hier angegriffenen Werbeangaben aus der Sicht der Fachkreise zu beurteilen. Die Veröffentlichung der in Rede stehenden Werbeanzeige erfolgte vorliegend in dem Fachmagazin „X.“, zu dessen Lesern in erster Linie Mitglieder der Fachkreise aus dem Bereich Beauty, Wellness, Styling, Hand- und Fußpflege zählen. Ferner ist davon auszugehen, dass sich selbst von den „interessierten Verbrauchern“ nur wenige wegen des hohen Preises des Geräts „D.“ für dessen Erwerb interessieren würden. Bei Verbrauchern könnte allenfalls im Einzelfall ein Interesse für ein entsprechendes (Fitness-)Training bei einem Dienstleister mit diesem Gerät geweckt worden sein. Da Verbraucher nur im Einzelfall bzw. nur durch Zufall mit der streitgegenständlichen Werbeanzeige in Kontakt gekommen sein dürften, ist insofern auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Mitglieds der Fachkreise abzustellen. Maßgebend für die Bestimmung des Inhalts ist, wie dieser die beanstandeten Angaben aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht (BGH, Urt. v. 05.02.2015, Az. I ZR 136/13, Rn. 18 - TIP der Woche; BGH, Urt. v. 18.01.2012, Az. I ZR 104/10, Rn. 16 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum). Nach dem Gesamteindruck beurteilt sich auch, welche Angaben in einer Äußerung getrennt verstanden werden, welche zusammengehören, in welchem Zusammenhang sie stehen und wie sie im Zusammenhang verstanden werden (BGH, Urt. v. 16.12.2004, Az. I ZR 222/02, Rn. 24 bei juris - Epson Tinte). Unerheblich ist das nicht zum Ausdruck gelangte Verständnis des Werbenden selbst. Entscheidend für die Bildung der Verkehrsauffassung ist vielmehr der erfahrungsgemäß am Wortsinn anknüpfende objektive Eindruck auf den Empfängerkreis. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich Auffassung und Sprachgebrauch der Fachleute nicht von denen des allgemeinen Verkehrs unterscheidet (BGH, GRUR 2021, 513 Rn. 14 – Sinupret).

So liegt der Fall hier. Die für (medizinische) Laien wie für die Fachkreise gleichermaßen verständlichen Angaben in der angegriffenen Werbeanzeige suggerieren nicht nur dem Laien, sondern auch dem Mitglied der Fachkreise hinsichtlich der Körperstatur („Traumkörper“, „Muskelaufbau“), dem Fettgehalt im Körper („Körperfett wird reduziert“) und der Beschaffenheit der Haut („das Gewebe wird sichtbar gestrafft“, „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet“) eine therapeutische Wirksamkeit bzw. therapeutische Wirkungen der Behandlung mit dem Gerät „D.“. Eines speziellen Trainings (im Sinne von sportlicher Aktivität) während oder im Zusammenhang mit der Behandlung bedarf es unter Berücksichtigung des maßgeblichen Gesamteindrucks der Werbeangaben nicht, da laut der blickfangmäßigen Überschrift der „Traumkörper auch ganz ohne Sport“ (Nr. 1) erreicht werden kann bzw. der Aufbau von – dem Schönheitsideal entsprechenden – definierten Muskeln „mühelos“ (Nr. 2) erfolgt. Auch die den Fließtext der Werbeanzeige einleitende Frage „Keine Lust auf Sport, aber Sehnsucht nach dem Traumkörper?“ wird in diesem Sinne im folgenden Satz sogleich beantwortet: „Kein Problem! Das N. stimuliert die Muskeln wie bei einem Intensivtraining, ganz ohne Sport“ (Nr. 3). Die weiteren angegriffenen Werbeangabe beinhalten mit „Muskeln werden aufgebaut und das Gewebe wird sichtbar gestrafft“ (Nr. 4), „Körperfett wird reduziert“ (Nr. 5) und „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet!“ (Nr. 6) ferner konkrete Wirkangaben. Hierauf wird in der abschließenden Formulierung nochmals erkennbar Bezug genommen, in der es zusammenfassend heißt: „Innerhalb kürzester Zeit können beeindruckende Ergebnisse an Oberschenkeln, Bauch, Hüften, Armen und Po erzielt werden“ (Nr. 7). Da die in der Werbeanzeige verwandten Begriffe auch dem Laien ein Begriff sind,

Die Frage, ob eine Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsangabe den Adressaten der Werbung in die Irre führt, ist hierbei in Anwendung des für die gesundheitsbezogene Werbung allgemein geltenden strengen Maßstabs zu entscheiden. Da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verbunden sein können, sind insoweit an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Dies rechtfertigt sich zudem daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Irreführend sind solche Werbeaussagen, die geeignet sind, im konkreten Fall eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Adressaten und der Wirklichkeit herbeizuführen. Dabei wird auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesicherten Wirkungsaussagen erfasst (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung nämlich generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 16 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2015, 1244 Rn. 16 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris).

Dabei obliegt der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris). Hat der Beklagte indes – wie hier die Beklagte – mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen, kommt es jedoch zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Der Beklagte muss dann den Beweis für die Richtigkeit seiner Aussagen erbringen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er deshalb im Streitfall auch beweisen muss (vgl. BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.248). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Auch im Fall einer Metaanalyse ist Voraussetzung dafür, dass sie eine Werbeaussage tragen kann, in jedem Fall die Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln (BGH, Urt. v. 06.02.2013, Az. I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die Erfüllung dieser Kriterien hat dabei nicht erst im Prozess zu geschehen, sondern bereits bevor die entsprechenden Werbebehauptungen aufgestellt werden. Dies erfordert das hohe Schutzgut der Gesundheit der angesprochenen Verkehrskreise.

Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, daher zunächst darlegen, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt. Nicht ausreichend ist es, dass er sich erst im Prozess auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll. Der Vorwurf, den Verkehr durch eine Angabe, für deren Richtigkeit der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte hat, in die Irre geführt zu haben, kann hierdurch nicht ausgeräumt werden (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 88; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.248).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass das EMS-Training und die von der Beklagten angeführte Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) in der Wissenschaft umstritten sind und ihr Erfolg derzeit als (noch) wissenschaftlich ungesichert gilt. Der Kläger hat durch Vorlage der Anlagen K 9 bis K 11 (Gutachten des Prof. Dr. I. aus dem Jahr 1997 gemäß Anlage K 9, Sachverständigengutachten Dr. rer. nat. P. / Prof. Dr. med. J. vom 29.09.1997 gemäß Anlage K 10 und den Bericht vom Bericht aus dem vom W.-Netzwerk betriebenen Informationsportal „S.“ vom 24.04.2014 gemäß Anlage K 11) dargetan, dass die in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben zur EMS-Therapie bzw. zur Behandlung mit dem Gerät „N.“ nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten Anlagen K 12 bis K 14 (u.a. dem Gutachten von Prof. Dr. O. zum Phänomen Cellulite vom 30.01.1992) mit Blick auf die Wirkangaben zur Behandlung von Zellulitis oder Zellulite (sog. Orangenhaut).

Insofern wäre es an der Beklagten gelegen gewesen, eine entsprechend aussagekräftige Studie zum EMS-Training bzw. zu der Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) vorzulegen, aus denen sich Feststellungen zu den behaupteten Wirkungen ergeben. Dabei kommt den von der Beklagten vorgelegten Studien (Anlage B 1 bis B 4) nicht der „Goldstandard“ zu, weil es sich nicht um randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung handelt. Unabhängig davon, ob im Streitfall überhaupt eine placebo-kontrollierte Studie möglich ist, weil die Probanden die Anwendung mit elektrischem Strom spüren, lässt sich den von der Beklagten vorgelegten Studien jedenfalls nicht entnehmen, inwiefern es sich bei den dort beschriebenen „Erfolgen“ um signifikante Veränderungen (im Vergleich zu nicht behandelten Probanden) handelt, die nicht etwa auf anderen Faktoren (wie z.B. äußeren Umwelteinflüssen) beruhen. Zudem ist den von der Beklagten vorgelegten Studien in den jeweiligen Zusammenfassungen der Ergebnisse teils eine relativierende Aussage zu entnehmen, die an der Verallgemeinerungsfähigkeit der Aussagen Zweifel nährt. Auch erscheint es zweifelhaft, ob angesichts der Größe der jeweiligen Probandengruppen (von teils nur 10 oder 41 Teilnehmern) überhaupt allgemeingültige aussagekräftige Feststellungen zu Wirkungen getroffen werden können.

Schließlich sind die angegriffenen Angaben in der Werbeanzeige auch geeignet, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

bb. Dies berücksichtigend liegt somit auch ein Verstoß gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 7 lit. a) MDR und § 3 HWG vor, da die angegriffenen Werbeangaben, wie dargelegt, irreführend und daher unzulässig sind. Eine entsprechende Marktverhaltensregelung ist nicht nur in § 3 HWG zu sehen, sondern auch in Art. 7 lit. a) MDR, weil beide Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (vgl. BGH, GRUR 2015, 1244 Rn. 13 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 119, juris zu § 3 HWG und OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 28; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 32 zu Art. 7 MDR). Von der europarechtlichen Regelung in Art. 7 lit. a) MDR und der dort geregelten Irreführungsvariante werden die bislang von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG erfassten Angaben über die Wirkungen des Medizinproduktes erfasst. Insoweit kann unter Berücksichtigung von Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG bei der Anwendung der Vorschrift auf die entsprechenden Kriterien der Rechtsprechung zu § 3 HWG zurückgegriffen werden. Nach Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG sind die Zivilgerichte der Mitgliedstaaten ermächtigt, vom Werbenden Beweise bzw. Beweismittel für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen – wie hier – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Im Ergebnis gelten daher mutatis mutandis nach Art. 7 lit. a) MDR die gleichen Anforderungen für Wirkungsaussagen für Medizinprodukte wie gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 29 - 31; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 37 mwN., zitiert nach juris).

d. Bei den Irreführungstatbeständen § 5 UWG, § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR handelt es sich ferner Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 UKlaG. Zu den sonstigen Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen (BGH WRP 2020, 726 Rn. 15 – SEPA-Lastschrift) und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt (BGH WRP 2020, 726 Rn. 36 – SEPA-Lastschrift). Es genügt, dass die Vorschrift zumindest auch dem Schutz der Verbraucher dient und dass dieser Schutz nicht nur untergeordnete Bedeutung hat oder eine nur zufällige Nebenwirkung ist (BGH WRP 2020, 726 Rn. 20 – SEPA-Lastschrift im Anschluss an EuGH WRP 2019, 1567 Rn. 27 – Verein für Konsumenteninformation). Hierzu zählen insbesondere die verbraucherschützenden Vorschriften des UWG, soweit sie – wie das Verbot irreführender Handlungen (Art. 6 UGP-Richtlinie) – auf der UGP-Richtlinie beruhen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UKlaG § 2 Rn. 30 ff.).

e. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht weggefallen. Die Beklagte hat trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin bislang keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

f. Die Androhung von Ordnungsmitteln ergibt sich aus § 890 ZPO.

2. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 1 UWG. Die Abmahnung erweist sich aus den vorgenannten Gründen als berechtigt. Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


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BGH legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 72 Biozidverordnung vor - Werbung für Desinfektionsmittel mit "Hautfreundlich"

BGH
Beschluss vom 20.04.2023
I ZR 108/22
Hautfreundliches Desinfektionsmittel
Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 72 Abs. 3 Satz 2


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 72 Biozidverordnung zur Entscheidung vorgelegt. Es geht u.a. um die Bewerbung von Desinfektionsmitteln mit Eigenschaften wie "Hautfreundlich".

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27. Juni 2012, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind "ähnliche Hinweise" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids
hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter "ähnliche Hinweise" alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?

BGH, Beschluss vom 20. April 2023 - I ZR 108/22 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe

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Volltext BGH: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschluss vom 12.01.2023
I ZR 223/10
Arzneimittelbestelldaten
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 9 Abs. 1; Richtlinie 95/46/EG Art. 8 Abs. 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119/1 vom 4. Mai 2016, S. 1) und der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie, DSRL, ABl. 281 vom 23. November
1995, S. 31) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen?

2. Sind die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 DSRL?

BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023 - I ZR 223/19 - OLG Naumburg - LG Dessau-Roßlau

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BGH legt EuGH vor: Haben Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen - Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln

BGH
Beschlüsse vom 12.01.2023
I ZR 222/19 und I ZR 223/19


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei DSGVO-Verstößen zustehen und diese abgemahnt und gerichtlich geltend gemacht werden können. Ferner geht es um Fragen hinsichtlich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform vor

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 222/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 223/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt hat. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Bisheriger Prozessverlauf in beiden Verfahren

Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 8. September 2020 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 (I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 159/2022) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren I ZR 223/19 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Kapitel VIII der Datenschutz-Grundverordnung nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind.

Das Verfahren I ZR 222/19 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über sein Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt.

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 222/19:

LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2019 - 36 O 48/18

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 6/19

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 223/19:

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 27. März 2018 - 3 O 29/17

OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 39/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

Art. 9 DSGVO

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, […]

Art. 8 DSRL

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben.

(2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung:

a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, […]



LG Berlin: Vertragswidrige Erhöhung der Abschläge durch Energieversorger wenn diese nicht auf wirksamer Preiserhöhung beruht

LG Berlin
Urteil vom 01.09.2022
52 O 117/22

Das LG Berlin hat entschieden, dass die Erhöhung der Abschläge durch einen Energieversorger vertragswidrig ist, wenn diese nicht auf einer wirksamen Preiserhöhung beruht..

Aus den Entscheidungsgründen:
Die streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen der Beklagten sind im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 UWG unzulässig. Für die Wiederholungsgefahr besteht aufgrund der von der Beklagten begangenen Handlungen jeweils eine tatsächliche Vermutung, die die Beklagte nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt hat.

1. Die mit den E-Mails vom 22.10.2022 und 23.10.2022 angekündigte Erhöhung der von ihren Kunden zu leistenden Abschlagszahlungen war gemäß § 3 UWG unzulässig, weil die Beklagte unlauter im Sinne von $ 5 Abs. 1(bis 28.05.2022: S. 1) UWG gehandelt hat. Unlauter handelt danach, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5 Abs. 2 (bis 28.05.2022: S. 1) Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird.

[…]

c) Die trotz einer nicht erfolgten Preiserhöhung und einer damit fehlenden Möglichkeit die Abschlagszahlungen versendeten E-Mails mit der Ankündigung, dies - vertragswidrig - zu tun, waren geeignet, die angeschrieben Kunden zu einer geschäftlichen Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG a.F.) zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Es bestand die Gefahr, dass sie trotz einer fehlenden Verpflichtung hierzu den Einzug der höheren Abschlagszahlungen dulden würden. Die unwahre Angabe der Beklagten betraf im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Bedingungen, unter denen der Strom geliefert wurde.


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LG Essen: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen Artikel 72 Abs. 3 S. 2 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Handdesinfektionsmittels mit "Hautfreundlichkeit" und "Natürlichkeit"

LG Essen
Urteil vom 19.05.2022
43 O 51/21


Das LG Essen hat entschieden, dass ein nach § 3 Abs. 1 UWG wettbewerbswidriger Verstoß gegen Artikel 72 Abs. 3 S. 2 Biozidverordnung durch Bewerbung eines Handdesinfektionsmittels mit "Hautfreundlichkeit" und "Natürlichkeit" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Unlautere geschäftlichen Handlungen sind unzulässig, § 3 Abs. 1 UWG. Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, § 3a UWG.

C. Die hier in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 und 3 VO (EU) 528/2012 [Biozid-VO] und stellt insofern einen Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG dar.

aa. Bei dem Produkt "I1" handelt es sich um ein "Biozidprodukt" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 S. 1 lit. a Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist ein "Biozidprodukt" jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Eine behandelte Ware mit einer primären Biozidfunktion gilt als Biozidprodukt, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO. Gem. Art. 2 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO i.V.m. Anhang V unterfallen Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene zum Zwecke der Hautdesinfektion verwendet werden, der genannten Verordnung. Das Produkt der Beklagten besteht nach den werblichen Aussagen zu 70 % aus Bioethanol und beseitigt behüllte Viren wie das Coronavirus (gem. EN 14476) sowie Bakterien (gem. EN 1040, EN 1276 und EN 1500). Es stellt mithin ein aus mehreren Wirkstoffen bestehendes Gemisch dar, welches dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch physikalische oder mechanische Einwirkung auf menschlichen Händen Schadorganismen zu zerstören bzw. unschädlich zu machen.

Demgegenüber stellt das Handprodukt der Beklagten kein kosmetisches Mittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. a) VO (EG) 1223/2009 [Kosmetik-VO] dar. Nach der genannten Vorschrift sind "kosmetische Mittel", Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, ...) ... in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.

Der ausschließliche und überwiegende Zweck des Produkts der Beklagten besteht nicht darin, die menschliche Haut an den Händen zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen oder sie in gutem Zustand zu halten. Der "hand sanitizer" (engl. Handdesinfetionsmittel/Händedesinfektinsmittel) enthält nach den werblichen Aussagen den "Hauptinhaltsstoff' Bioethanol, welcher in seiner Wirkung die Viren und Bakterien beseitigt. Diese desinfizierende Wirkung geht über eine bloße Reinigung der Hände (etwa mit Seife), über eine Parfümierung, einen Schutz oder eine Pflege der Hände hinaus. Der überwiegende Zweck des Produkts ist insoweit kein kosmetischer. Die Ausnahme des Art. 72 Abs. 2 S. 1 lit. j) Biozid-VO ist deshalb nicht einschlägig.

Das Produkt ist nach dem Vorstehenden auch nicht als dualuse Produkt zu klassifizieren, sondern als reines Biozidprodukt.

bb. Die in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 S. 1 Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist jeder Werbung für Biozidprodukte folgender Hinweis hinzuzufügen: "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen." Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein, Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid.-VO. Einen solchen Hinweis enthält die Werbung der Beklagten nicht.

cc. Darüber hinaus verstößt die Werbung gegen Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO. Die Vorschrift bestimmt, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben "Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential", "ungiftig", "unschädlich", "natürlich", "umweltfreundlich", "tierfreundlich" oder ähnliche Hinweise enthalten, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO.

Die in der Werbung der Beklagten enthaltenen Angaben

- "natürlicher, hautpflegender hand sanitizer"

- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe"

- ,,... und pflegt zugleich die hände (etest: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl."

- ,,unser handsanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird"

- ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege."

- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung"

- ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin"

- ,,feuchtigkeitsspendend"

- ,,vegane formulierung"

- ,,pflegend"

stellen "ähnliche Hinweise" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dar. Sie relativieren die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt.

d. Der Anspruch ist nicht gem. § 11 UWG verjährt. Nach der genannten Vorschrift verjährt der Anspruch in sechs Monaten, die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 11 Abs. 1 und 2 UWG. Vorliegend hat der Kläger nach seinem Vortrag Mitte Mai 2021 von dem Internetauftritt der Beklagten Kenntnis erlangt, das erste Abmahnschreiben datiert vom 21.05.2021. Die Klage ist bereits am 23.08.2021 in unverjährter Zeit zugestellt worden. Die Beklagte, welche für einen früheren Verjährungsbeginn bzw. die diesem zugrunde liegenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet ist, hat eine frühere Kenntniserlangung hingegen nicht substantiiert vorgetragen.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 374,50 € aus § 13 Abs. 3 UWG.

Nach der genannten Vorschrift kann der Abmahnende von dem Abgemahnten den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG genügt. Beides ist vorliegend der Fall.

Gem. § 13 Abs. 2 UWG muss in der Abmahnung klar und verständlich der Name des Abmahnenden, die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet sowie die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände angegeben werden. Dabei muss der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (BGH, GRUR 2021, 752). Die Abmahnung des Klägers vom 21.05.2021 genügt diesen Anforderungen. Zwar ist darin die Internetseite der Beklagten mit "www...de" und nicht mit "www...de" bezeichnet worden. Dennoch war für die Beklagte aufgrund der detaillierten weiteren Angaben zu der beanstandeten Werbung (insbesondere der Beschreibung der bildlichen Darstellung) und dem betroffenen Produkt ohne weiteres ersichtlich, dass es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung der Internetseite handelte. Aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus war für die Beklagte eindeutig ersichtlich, welches wettbewerbswidrige Verhalten ihr vorgeworfen wird.

Die von Seiten des Klägers für das Abmahnschreiben vom 07.10.2020 geltend gemachte Pauschale in Höhe von 374,50 € hält das Gericht entsprechend § 287 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO für angemessen. Der Kläger hat zu den kalkulatorischen Grundlagen des geltend gemachten Betrages im Einzelnen vorgetragen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Wettbewerbsrechtliche Anforderungen an Preisinformationen bei Kopplungsangeboten richten sich nach § 5 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 1 bzw. 2 UWG , § 4a UWG und § 3 Abs. 1 bzw. 2 UWG

BGH
Urteil vom 25.11.2021
I ZR 148/20
Kopplungsangebot III
UWG § 3 Abs. 1 und 2, § 4a, § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 2, § 5a Abs. 1 und 2


Der BGH hat entschieden, dass sich die wettbewerbsrechtliche Anforderungen an Preisinformationen bei Kopplungsangeboten nach § 5 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 1 bzw. 2 UWG , § 4a UWG und § 3 Abs. 1 bzw. 2 UWG richten.

Leitsatz des BGH:

Die an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten zu stellenden Anforderungen ergeben sich nunmehr aus dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 UWG), dem Tatbestand der Informationspflichtverletzung (im unternehmerischen Verkehr § 5a Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 5a Abs. 2 UWG) sowie aus dem Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen (§ 4a UWG) und der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel (im unternehmerischen Verkehr § 3 Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 3 Abs. 2 UWG; Weiterführung von BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - I ZR 173/01, BGHZ 151, 84 - Kopplungsangebot I; Urteil vom 27. Februar 2003 - I ZR 253/00, BGHZ 154, 105 - Gesamtpreisangebot).

BGH, Urteil vom 25. November 2021 - I ZR 148/20 - OLG Oldenburg - LG Osnabrück

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nur bei tatsächlicher Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung

BGH
Urteil vom 20.10.2021
I ZR 17/21
Identitätsdiebstahl II
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anh. Nr. 29 zu § 3 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nur bei tatsächlicher Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung vorliegt. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Auftragsbestätigung genügt, gibt der BGH ausdrücklich auf.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 = WRP 2019, 1471 – Identitätsdiebstahl I).

b) Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht wurde. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung genügt nicht (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 12 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).

c) Waren sind nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anzusehen, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher in einer Weise erreicht haben, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen (Klarstellung von BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 32 - Identitätsdiebstahl).

BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - I ZR 17/21 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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OLG Frankfurt: Taxifachverband kann nach § 8 Abs. 3 UWG auch die kollektiven Interessen der Mitbewerber nach § 4 Nr. 4 UWG geltend machen

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.10.2020
6 U 131/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Taxifachverband nach § 8 Abs. 3 UWG auch die kollektiven Interessen der Mitbewerber nach § 4 Nr. 4 UWG geltend machen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 4 UWG auf Unterlassung zusteht, sich mit einem Taxi auf von dem Kläger gemieteten Plätzen bereitzuhalten, wenn er nicht über eine sog. TTC-Karte verfügt (Tenor Ziffer 1.). Diesem Anspruch stehen die mit der Berufung geltend gemachten Einwände nicht entgegen.

a) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 UWG klagebefugt. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansicht des Beklagtenvertreters folgt nichts anders aus den Besonderheiten des Unlauterkeitstatbestands des §§ 3, 4 Nr. 4 UWG.

aa) Dem Wortlaut nach besteht die Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG bei allen unzulässigen geschäftlichen Handlungen nach § 3 oder § 7 UWG. Etwas anderes kann unter Berücksichtigung des Schutzzwecks bestimmter Unlauterkeitstatbestände ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die Zuwiderhandlung ausschließlich Interessen eines bestimmten Mitbewerbers berührt, z.B. im Fall einer unlauteren Produktnachahmung oder der gezielten Behinderung eines bestimmten Mitbewerbers. Dann soll nur der "unmittelbar Verletzte" anspruchsberechtigt sein. Das Einschreiten anderer Mitbewerber und der in § 8 Abs. 3 Nr. 2-4 UWG genannten Einrichtungen ist in solchen Fällen nur gerechtfertigt, wenn die Zuwiderhandlung zugleich Interessen anderer Marktteilnehmer oder das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb berührt (vgl. BGH WRP 2009, 432 Rn 22 - Küchentiefstpreis-Garantie; BGH GRUR 2011, 543 Rn 8 - Änderung der Voreinstellung III). Eine solcher Ausnahmefall liegt im Streitfall nicht vor. Dem Beklagten wird nicht die Behinderung eines konkreten Mitbewerbers vorgeworfen, sondern sämtlicher Mitbewerber, die mittels TTC-Karte berechtigt sind, sich an den Halteplätzen am Flughafen aufzustellen. Deren Interessen vertritt der Kläger. Werden wie hier kollektive Mitbewerberinteressen beeinträchtigt, kann ein Fachverband im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 S. 2 UWG) gegen den Verstoß vorgehen (Feddersen/Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 8 Rn. 3.51).

bb) Damit kann offenbleiben, ob der Kläger auch in seinen eigenen Interessen als Mitbewerber betroffen ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Dafür spricht aber, dass der Kläger Mieter der fraglichen Halteplätze ist und Taxiunternehmern Zugang gegen eine Gebühr gewährt [vgl. unten b) bb)]. Er verfügt über das Nutzungsrecht für die Einrichtung, deren unzulässige Benutzung dem Beklagten vorgeworfen wird. In diesem Sinn ist er als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 6 UWG anzusehen. Geht man hiervon aus, steht der Beklagte als Taxiunternehmer in einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis zum Kläger. Dafür ist nicht erforderlich, dass der Mitbewerber auf der gleichen Wirtschaftsstufe tätig ist (Feddersen/Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn 4.5; OLG Köln GRUR-RR 2011, 98). Es genügt, dass zwischen den Vorteilen, die der Beklagte durch die unbefugte Nutzung zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die der Kläger dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb des Beklagten gefördert und der fremde Wettbewerb des Klägers beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 2014, 1114 Rn 22 - 24 - nickelfrei). Die Absatzchancen des Klägers mit den von ihm ausgegebenen TTC-Karten werden beeinträchtigt, wenn Mitbewerber die Einrichtung auch ohne Erwerb einer entsprechenden Karte nutzen können.

b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 4 UWG gehandelt hat.

aa) Eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden liegt vor, wenn ein Unternehmer von oder für Mitbewerber geschaffene Einrichtungen für eigene Zwecke ausnutzt, ohne das dafür vorgesehene Entgelt zu entrichten (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2017, 195 Rn 27 m.w.N.; BGH GRUR 2014, 393 Rn 33 - wetteronline.de).

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OLG Frankfurt: Bei Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG kann im Rahmen eines wettbewerblichen Auskunftsanspruchs keine Auskunft über Bezugsquellen verlangt werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 18.06.2020
6 U 80/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einem Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG im Rahmen eines wettbewerblichen Auskunftsanspruchs keine Auskunft über die Bezugsquellen und Lieferanten verlangt werden kann. Insofern gehen die Geheimhaltungsinteressen des Auskunftsschuldners vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Allerdings steht der Klägerin - neben dem vom Landgericht ausgeführten Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte - auch ein Beseitigungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und 3, 3a UWG, 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG gegen die (unbekannten) Hersteller bzw. Einführer der Blechschilder ohne Herstellerkennzeichen zu.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG haben der Hersteller, sein Bevollmächtigter und der Einführer bei der Bereitstellung eines Verbraucherprodukts auf dem Markt u.a. den Namen und die Kontaktanschrift des Herstellers oder - sofern dieser nicht im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist - den Namen und die Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers anzubringen. Die Vorschrift, die sich - anders als die Klägerin meint - ohne den Umweg über § 3 Abs. 2 ProdSG direkt an den Hersteller, seinen Bevollmächtigten und die Einführer richtet, ist Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Ein Verstoß gegen die Vorschrift ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, weil durch die Nicht-Anbringung des Herstellernachweises der Schutzzweck des ProdSG vereitelt wird. Der Verstoß ist damit unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG.

Um die gegen die Dritten - die Hersteller und Einführer - bestehenden Beseitigungsansprüche durchsetzen zu können, steht der Klägerin jedoch kein selbstständiger Auskunftsanspruch (sog. Anspruch auf Drittauskunft) gegen die Beklagte gemäß § 242 BGB zu.

Soweit die Klägerin meint, ein akzessorischer Anspruch auf Drittauskunft gegen die Beklagte ergebe sich schon aus der - neben der Unterlassungsverpflichtung bestehenden - Beseitigungspflicht der Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, überzeugt das nicht. Die Verpflichtung der Beklagten ist auf die Beseitigung eines fortwirkenden Störungszustandes gerichtet, der über die bloße Unterlassung des beanstandeten Verhaltens hinausgeht. Zu den geschuldeten Beseitigungsmaßnahmen kann zwar grundsätzlich auch die Einwirkung auf Dritte gehören. Zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs kann die Klägerin allerdings nicht verlangen, dass die Beklagte ihr die Namen von Herstellern und Einführern der von ihr bezogenen Blechschilder bekannt gibt.

Unbeschadet dessen, steht der Klägerin gegen die Beklagte auch im Übrigen kein selbstständiger Anspruch auf Drittauskunft zur Vorbereitung eines Anspruchs gegen die Hersteller und Einführer der streitbefangenen Blechschilder zu.

Die Zubilligung eines Drittauskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Er ist auf den konkreten Verletzungsfall bzw. kerngleiche Handlungen begrenzt und muss geeignet und erforderlich für die Durchsetzung des Hauptanspruchs sowie zumutbar für den Verpflichteten sein (Köhler/Bornkamm UWG, 38. Auflage, § 9 Rn 4.11 ff.).

In diesem Rahmen hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern ein beachtenswertes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Bezugsquellen hat (BGH, Urteil vom 17.5.2001 - I ZR 291/98 - Entfernung der Herstellungsnummer II). Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf eine Beeinträchtigung von Interessen berufen, die sie nicht unmittelbar als Mitbewerberin berühren.

Ein Interesse an der Drittauskunft wird regelmäßig nur dann anerkannt, wenn es um die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verhaltensnormen geht, die unmittelbar dem Schutz des klagenden Mitbewerbers dienen. Dies betrifft vor allem Nachahmungsfälle, bei denen es gilt, die Quelle der Produktfälschungen ausfindig zu machen und zu verschließen. Der Gläubiger soll den Ursprung der Nachahmungen erfahren, um nicht fortwährend mit dem Auftauchen der Fälschungen bei wechselnden Abnehmern konfrontiert zu sein und dagegen vorgehen zu müssen. Das Geheimhaltungsinteresse an der Bezugsquelle des Verletzers erscheint in diesen Fällen nicht schutzwürdig. Ähnlich verhält es sich bei Fällen der Rufausbeutung oder -beeinträchtigung, der Verbreitung geschäftsschädigender Äußerungen und bei vergleichbaren, vorrangig mitbewerberschützenden Tatbeständen. Zwar können bei der gebotenen Abwägung im Einzelfall zusätzlich auch übergeordnete Interessen der Allgemeinheit eine Rolle spielen, wie etwa der Gesundheitsschutz. So kann das Entfernen von nach § 4 Abs. 1 KosmetikVO vorgeschriebenen Herstellungsnummern einen Drittauskunftsanspruch auslösen (BGH, Urteil vom 17.5.2001 - I ZR 291/98 - Rn 36 - Entfernung der Herstellungsnummer II). Soweit ersichtlich, wurde dies allerdings nur in Fällen angenommen, in denen der Kläger selbst der Hersteller der betroffenen Produkte war. Demgegenüber kann bei der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften in Bezug auf Drittprodukte in der Regel kein das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers an seiner Bezugsquelle überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Mitbewerbers an der Auskunft ausgemacht werden.

So verhält es sich auch im Streitfall. Das allgemeine Interesse der Verbraucher am Schutz der Produktsicherheit kann die Klägerin nicht mit Erfolg dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten entgegenhalten. Bei den betroffenen Produkten (Blechschildern) ist auch kein überragend wichtiges Allgemeininteresse - wie etwa der Gesundheitsschutz - ersichtlich, dem ohne weiteres vor den Individualinteressen der Beklagten der Vorrang einzuräumen ist.

Die Kostenentscheidung war der neuen Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller-Herget ZPO, 32. Auflage, § 708 Rn 12).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


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BGH: Aufforderung zur Zahlung nicht bestellter aber erbrachter Dienstleistungen fällt unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wenn Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht

BGH
Urteil vom 06.06.2019
I ZR 216/17
Identitätsdiebstahl
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anhang Nr. 29 zu § 3 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Aufforderung zur Zahlung nicht bestellter aber erbrachter Dienstleistungen auch dann unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG fällt, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgegangen ist und der Irrtum nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegt.

Leitsätze des BGH:

a) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Dienstleistungen ist als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG anzusehen, wenn der angesprochene Verbraucher der Aufforderung die Behauptung entnimmt, er habe die Dienstleistung bestellt. Einer Unlauterkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG steht nicht entgegen, dass der Unternehmer bei der Zahlungsaufforderung in der ihm nicht vorwerfbaren irrtümlichen Annahme einer tatsächlich vorliegenden Bestellung gehandelt hat.

b) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber erbrachter Dienstleistungen fällt auch dann unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers hat (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 18 - Auftragsbestätigung).

BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17 - OLG Koblenz - LG Koblenz

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LG Dortmund: Fehlender Hinweis auf Berufshaftpflichtversicherung im Impressum der Webseite einer Rechtsanwaltskanzlei ist nicht wettbewerbswidrig

LG Dortmund
Urteil vom 26.03.2013
3 O 102/13


Das LG Dortmund hat entschieden, dass das Fehlen der nach § 2 Abs. 1 DL-InfoV erforderlichen Informationen zur Berufshaftpflichtversicherung im Impressum der Webseite einer Rechtsanwaltskanzlei nicht wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Überdies würde es zudem auch an der nach § 3 Abs. 1 UWG erforderlichen spürbaren Beeinträchtigung eines etwaigen Verstoßes fehlen. Denn insbesondere bei Verstößen gegen Vorschriften wie der DL-InfoV ist stets sorgfältig zu prüfen, ob nicht ein Bagatellverstoß anzunehmen ist (vgl. auch KG GRUR-RR 2008, 352; Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.158). So kann die Spürbarkeit nämlich zu verneinen sein, wenn die unlautere geschäftliche Handlung allenfalls geeignet ist, für den Handelnden einen geringfügigen Wettbewerbsvorsprung zu begründen (vgl. BGH WRP 2000, 1135; BGH GRUR 2001, 258; Köhler/Bornkamm, UWG, § 3 Rn. 124). Die streitgegenständliche Handlung – hier die Unterlassung der Angabe der Berufshaftpflichtversicherung im Impressum des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten – ist aber nach Ansicht der Kammer als bloßer Bagatellverstoß einzuordnen, dem eine wettbewerbsrechtliche Relevanz fehlt. Ein Wettbewerbsvorteil für die Verfügungsbeklagte ist letztlich nicht erkennbar. Im Gegenteil dürften potentielle Mandanten das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung eher als vorteilhaft und als ein – wenn auch eher untergeordnetes – Kriterium für die Auswahl eines bestimmten Rechtsanwalts ansehen."

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