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Betroffene sollten auf keinen Fall zahlen und auch nicht weiter auf auf die Rechnungen reagieren !
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass unzureichende Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit dem Versand geschäftlicher E-Mails Schadensersatzansprüche auslösen können.
Leitsätze des Gerichts:
1. Mangels gesetzlicher Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von E-Mails im geschäftlichen Verkehr bestimmen sich Art und Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, soweit hierzu von den Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde, nach den berechtigten Sicherheitserwartungen des maßgeblichen Verkehrs unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit.
2. Verstößt der Gläubiger einer Geldforderung gegen von ihm geschuldete Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit dem Versand einer geschäftlichen E-Mail und hat dieser Verstoß zur Folge, dass der Schuldner der Forderung den geschuldeten Geldbetrag auf das Konto eines deliktisch handelnden Dritten überweist, führt dies nicht zum Erlöschen der Forderung gem. § 362 BGB, sondern begründet allenfalls einen Schadensersatzanspruch des Schuldners, den dieser gem. § 242 BGB der Forderung entgegenhalten kann (dolo-agit-Einwendung).
Aus den Entscheidungsgründen: Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 433 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 13.500 EUR, gem. § 280 Abs. 2, § 286 BGB auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 953,40 EUR und gem. §§ 286, 288 BGB auf Zahlung der zugesprochenen Verzugszinsen.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sie einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw zum Preis von 13.500 EUR abgeschlossen haben und dass eine Zahlung dieses Betrages auf das Konto eines Dritten erfolgt ist. Durch diese Zahlung ist indes der Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung nicht gem. § 362 BGB erloschen.
a) Eine Leistung an die Klägerin gem. § 362 Abs. 1 BGB ist nicht erfolgt, da es sich bei dem Konto, auf das die Beklagte den Kaufpreis überwiesen hat, um das Konto eines Dritten und nicht der Klägerin handelt und daher der geschuldete Leistungserfolg nicht eingetreten ist. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Voraussetzungen, unter denen eine Leistung an einen Dritten Erfüllungswirkung hat, sind in § 362 Abs. 2 BGB geregelt und liegen hier nicht vor (dazu nachstehend b]).
Eine Zurechnung „des unbefugten Zugriffs des Dritten in Bezug auf die unerlaubte Handlung“ an die Klägerin, wie vom Landgericht angenommen, erfolgt nicht. Soweit das Landgericht insoweit auf eine Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16) Bezug nimmt, ging es dort um die Frage der deliktischen Haftung für eine Verletzung von Immaterialgüter- und Leistungsschutzrechten; eine bei der Verwahrung der Zugangsdaten für das ebay-Mitgliedskonto dort bejahte Pflichtverletzung wurde als zusätzlicher selbständiger Zurechnungsgrund neben die Grundsätze der Störerhaftung und die Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts gestellt (BGH a.a.O.). Vorliegend steht aber nicht eine deliktische Verantwortlichkeit der Klägerin im Streit, sondern die vertragliche Frage der Erfüllungswirkung einer Zahlung an einen Dritten; die für den Bereich der deliktischen Haftung vom I. Zivilsenat entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf die Zurechnung von Erklärungen im Rahmen von vertraglichen Verhältnissen übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 19). Es ist daher ohne Bedeutung, dass im angefochtenen Urteil auch Feststellungen dazu fehlen, inwieweit die vom Landgericht bejahte Pflichtverletzung der Klägerin in Gestalt unterlassener Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, Transportverschlüsselung und Verschlüsselung der als pdf-Datei versandten Rechnung für den Zugang der ge- oder verfälschten Rechnung bei der Beklagten kausal geworden sein soll.
Hätte ein etwaig schuldhaftes Verhalten der Klägerin dazu geführt, dass es dem Dritten ermöglicht wurde, die Rechnung mit veränderten Kontodaten der Beklagten wie geschehen zuzuleiten und die Beklagte so über die von der Klägerin verlangte Zahlung zu täuschen, könnte dies Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gem. § 280 Abs. 1 BGB begründen (vgl. OLG München, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 7 U 3206/16, juris Rn. 5, 7 ff.; so im Übrigen auch das von der Beklagten im Rechtsstreit in Bezug genommene Urteil des LG Lüneburg [n.v.] vom 16. Februar 2017 - 7 O 71/16, Seite 4 f.; zum Schadensersatzanspruch siehe nachstehend 2.), führte aber nicht dazu, dass eine nicht vorliegende Leistung an die Klägerin zu fingieren wäre.
b) Die Leistung an einen Dritten hat nur unter den Voraussetzungen des § 362 Abs. 2 BGB befreiende Wirkung, die im Streitfall nicht erfüllt sind.
Unter anderem hat die Leistung an einen Dritten dann befreiende Wirkung, wenn dieser vom Gläubiger rechtsgeschäftlich ermächtigt ist, die Leistung im eigenen Namen in Empfang zu nehmen. Statt einen Dritten zum Empfang der Leistung zu ermächtigen (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB), kann der Gläubiger auch dem Schuldner nach § 362 Abs. 2, § 185 BGB die Ermächtigung erteilen, die Leistung an einen Dritten zu erbringen.Die Ermächtigung braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden; schlüssiges Verhalten kann selbst dann genügen, wenn der Ermächtigende kein Erklärungsbewusstsein hat, aber der redliche Empfänger hiervon ausgehen darf. Die Leistung an einen nichtberechtigten Dritten erlangt - von gesetzlich besonders geregelten Fällen (vgl. etwa §§ 169, 370, 407, 408 BGB) abgesehen - nur dann befreiende Wirkung, wenn der Gläubiger sie nachträglich genehmigt oder wenn einer der beiden anderen Fälle des § 185 Abs. 2 BGB eintritt. Dass der Schuldner den Nichtberechtigten gutgläubig für empfangsberechtigt hält, führt also - sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen bestehen - allein nicht zum Freiwerden des Schuldners. Vielmehr tritt Erfüllungswirkung in einem solchen Fall erst dann ein, wenn der nicht empfangsbefugte Dritte die Leistung entsprechend den Weisungen des Schuldners an den Gläubiger weiterleitet oder der Gläubiger die Leistungserbringung an den Dritten ausdrücklich oder schlüssig genehmigt (BGH, Urteil vom 14. Februar 2023 - XI ZR 537/21, juris Rn. 29).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die um 11:46 Uhr von der Beklagten empfangene zweite E-Mail nebst Anlage tatsächlich nicht von der Klägerin stammt, so dass durch die Angabe des Namens P. D. nebst Bankverbindung bei der S-Bank in der angehängten Rechnung keine Ermächtigung im vorgenannten Sinne erfolgt ist. Eine nachträgliche Genehmigung durch die Klägerin ist ebensowenig erfolgt wie eine Weiterleitung der 13.500 EUR durch den Dritten an die Klägerin.
c) Schließlich ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 370 BGB, dass die tatsächlich nicht von der Klägerin stammende zweite E-Mail, in deren Anhang der Inhaber des dort genannten Kontos bei der S-Bank - möglicherweise - als zum Leistungsempfang ermächtigt bezeichnet wird, als tatsächlich ermächtigt gilt mit der Folge, dass die Leistung an diesen Dritten gem. § 362 Abs. 2 BGB zum Erlöschen der Kaufpreisforderung geführt hätte. Das Landgericht missversteht die von ihm nicht wortgetreu zitierte Kommentarstelle (Dennhardt in BeckOK BGB, 66. Edition, § 370 Rn. 1) dahin, dass die Regelung in entsprechender Anwendung eine allgemeine Haftung für die Enttäuschung berechtigten Vertrauens begründe. Tatsächlich ist an der angegebenen Stelle lediglich formuliert, die Vorschrift werde heute allgemein als Ausprägung des Vertrauensschutzes im Rechtsverkehr verstanden.
Bei der streitgegenständlichen Rechnung handelt es sich bereits nicht um eine Quittung im Sinne von § 368 BGB. Selbst wenn man mit dem Landgericht - was sonst, soweit ersichtlich, nirgends vertreten wird - eine entsprechende Anwendung des § 370 BGB auf Rechnungen bejahen wollte, lägen die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Hierzu gehört, dass eine echte Quittung - bzw. Rechnung - überbracht werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1968 - 1 StR 17/68, juris Rn. 3; BAG, Urteil vom 11. November 1960 - 4 AZR 361/58, juris Rn. 22). Dies war vorliegend nicht der Fall, nachdem die als Anhang zur zweiten E-Mail übersandte Rechnung unstreitig gerade nicht von der Klägerin, sondern von einem Dritten erstellt oder die von der Klägerin zuvor erstellte Rechnung von einem Dritten verfälscht worden war.
2. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB in einer der auf das Drittkonto getätigten Überweisung von 13.500 EUR entsprechenden Höhe, den sie der Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der dolo-agit-Einwendung gem. § 242 BGB entgegenhalten könnte (vgl. zu letzterem OLG München, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 7 U 3206/16, juris Rn. 5).
a) Es liegt keine Nebenpflichtverletzung der Klägerin dergestalt vor, dass sie schuldhaft eine Ursache dafür gesetzt hätte, dass der Beklagten im Nachgang zur Übersendung der vorgenannten E-Mail um 10:46 Uhr die zweite E-Mail mit der angehängten ge- oder verfälschten Rechnung zuging, die neben der nach wie vor richtigen Angabe der Bankverbindung der Klägerin im Kopfbereich im Fußzeilenbereich auch die Bankverbindung des P. D. bei der S-Bank auswies. Für den dadurch verursachten Schaden, der darin besteht, dass die Beklagte durch Überweisung auf ein nicht der Klägerin zugeordnetes Konto die Forderung der Klägerin nicht zum Erlöschen bringen konnte (s.o. 1.), schuldet die Klägerin der Beklagten deshalb keinen Schadensersatz.
aa) Die Darlegungs- und ggf. Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB sowie für die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden liegt bei der Beklagten als derjenigen, die den Anspruch geltend macht.
bb) Das Vertragsverhältnis der Parteien kam ohne schriftliche Willenserklärung in einem Telefonat der beiden Geschäftsführer zustande. Dementsprechend wurde der Vertrag auch ohne ein Schreiben der Klägerin auf Geschäftspapier mit Angabe der Bankverbindung abgeschlossen. Die Parteien haben nachträglich vereinbart, dass die Zahlung durch Überweisung auf ein von der Klägerin mitzuteilendes Bankkonto erfolgen sollte (E-Mail der Beklagten vom 8. Oktober 2021, 10:15 Uhr, Anlage K 2, und der Klägerin vom 8. Oktober 2021, 10:44 Uhr, Anlage K 3). Die Klägerin traf dabei gem. § 241 Abs. 2 BGB die Nebenpflicht, sich bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter - auch das Vermögen - des anderen Teils nicht verletzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1983 - III ZR 169/81, juris Rn. 12).
cc) Die Beklagte behauptet, es sei zum Versand der zweiten E-Mail an sie durch einen Dritten dadurch gekommen, dass auf das E-Mail-Konto der Klägerin eine Hacking-Attacke ausgeführt worden sei, die das Ausspionieren der Geschäftsbeziehung der Parteien und der Rechnungs-E-Mail ermöglicht habe. Dies sei durch mangelnde Vorsichtsmaßnahmen der Klägerin ermöglicht worden, wofür ein Anscheinsbeweis spreche; konkret nennt die Beklagte insoweit die nicht erfolgte Verwendung des „sender policy framework (SPF)“ bei der Kommunikation sowie eine unterlassene Verschlüsselung der pdf-Datei. Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil, die die Beklagte sich im Berufungsverfahren zu Eigen gemacht hat, sei der Klägerin vorzuwerfen, dass sie keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder Transportverschlüsselung verwendet habe. Die Beklagte macht sinngemäß geltend, die Verwendung der genannten Verfahren sei im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen wie den Parteien des Rechtsstreits üblich und zu erwarten.
dd) Eine Pflichtverletzung der Klägerin liegt insoweit schon deshalb nicht vor, weil sie zur Verwendung dieser Verfahren und Maßnahmen nicht verpflichtet war.
Konkrete gesetzliche Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von E-Mails im geschäftlichen Verkehr gibt es nicht; insbesondere ist der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung im Streitfall nicht eröffnet, da diese nur für die Verarbeitung von Informationen gilt, die sich auf eine natürliche Person beziehen (vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO). Auch eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien ist insoweit nicht erfolgt; insbesondere hat die Beklagte, von der die Initiative dafür ausging, dass die Rechnung überhaupt per E-Mail verschickt wurde, anlässlich der Äußerung ihrer entsprechenden Bitte in der E-Mail ihres Geschäftsführers vom 8. Oktober 2021, 10:15 Uhr (Anlage K 2) keinerlei Sicherheitsvorkehrungen, die sie für erforderlich halte, ausdrücklich erwähnt. Welches Maß an Sicherheitsvorkehrungen von der Klägerin zu fordern war, bestimmt sich daher nach den berechtigten Sicherheitserwartungen des Verkehrs unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit (vgl. Riem/Meier, MMR 2020, 571, 573).
Nicht maßgeblich für die berechtigten Sicherheitserwartungen des Verkehrs ist dabei die vom Landgericht herangezogene „Orientierungshilfe des Arbeitskreises Technische und organisatorische Datenschutzfragen“. Ausweislich deren Zielstellung dient sie zur Konkretisierung der Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 25 und Art. 32 Abs. 1 DS-GVO. Letztere ist aber, wie soeben ausgeführt, im Verhältnis der Parteien zueinander überhaupt nicht anwendbar. Ohnehin wird hierin die Verwendung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anders als vom Landgericht dargestellt nicht als stets erforderlich angesehen, sondern sollte „in der Abwägung der notwendigen Maßnahmen berücksichtigt“ werden und wird nur für den Fall, dass „der Bruch der Vertraulichkeit ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen natürlichen Personen darstellt“, als „Muss“ bezeichnet.
(1) Sender Policy Framework (SPF)
Die Beklagte hält die Klägerin für verpflichtet, das Verfahren Sender Policy Framework (SPF) anzuwenden. Angaben dazu, weshalb dieses Verfahren in der konkreten Geschäftsbeziehung der Parteien bzw. im maßgeblichen Verkehr zu den berechtigten Sicherheitserwartungen zu zählen sein soll, hat die Beklagte dabei schon nicht gemacht.
Laut öffentlich zugänglichen Quellen - die Informationen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (im Folgenden: BSI), abrufbar unter https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Internetsicherheit/isi_mail_server_studie_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1 - handelt es sich beim Verfahren Sender Policy Framework um ein Verfahren, mit dem geprüft werden kann, ob der sendende E-Mail-Server berechtigt ist, für die Domäne E-Mails zu verschicken. Endnutzer wie die Klägerin, die selbst keinen E-Mail-Server betreiben, haben mithin auf die Verwendung des Verfahrens überhaupt keinen Einfluss. Eine berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs an ein Unternehmen wie die Klägerin, das seinen E-Mail-Verkehr über einen Diensteanbieter wie hier W. abwickelt, auf Anwendung des SPF-Verfahrens kann schon deshalb nicht bestehen.
(2) Verschlüsselung der pdf-Datei
Dass eine Verschlüsselung von pdf-Dateien im geschäftlichen Verkehr außerhalb des Austauschs besonders sensibler Dateien, die beispielsweise Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, üblich wäre, behauptet die Beklagte schon selbst nicht. Auf dieser Grundlage kann nicht angenommen werden, dass insoweit eine berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs besteht. Hinzu kommt, dass im Fall der Verschlüsselung der Datei Klägerin und Beklagte ein Passwort hierzu hätten austauschen müssen, was nicht geschehen ist. Die Beklagte hatte also bei Erhalt der ge- oder verfälschten Rechnung Kenntnis davon, dass die Datei nicht durch Verschlüsselung gesichert war. Bereits dieser Umstand, dass erkennbar eine derartige Sicherheitsmaßnahme nicht getroffen war, steht der Annahme einer insoweit vorliegenden Pflichtverletzung der Klägerin entgegen.
(3) Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Auch zu diesem Verfahren hat die Beklagte nicht vorgetragen, woraus folgen soll, dass es in der konkreten Geschäftsbeziehung der Parteien bzw. im maßgeblichen Verkehr zu den berechtigten Sicherheitserwartungen zu zählen sein soll. Das BSI empfiehlt zwar für E-Mails die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, äußert aber gleichzeitig die Einschätzung, dass diese bisher nur sehr selten eingesetzt werde (https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Verbraucherinnen-und-Verbraucher/Informationen-und-Empfehlungen/Onlinekommunikation/Verschluesselt-kommunizieren/E-Mail-Verschluesselung/E-Mail-Verschluesselung-in-der-Praxis/e-mail-verschluesselung-in-der-praxis_node.html). Dies steht einer entsprechenden allgemeinen Sicherheitserwartung des Verkehrs entgegen und bei den vorliegend versendeten Daten handelt es sich auch nicht um solche, bei deren Versand - wie etwa im Fall von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen - ohne gesonderte Absprache erhöhte Anforderungen zu stellen wären. Hinzu kommt, dass die Verwendung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht vom Versender einer E-Mail allein durchgeführt werden kann. Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, dass ihr eigenes System die Voraussetzungen für den Empfang von Ende-zu-Ende-verschlüsselten Nachrichten erfüllt hätte.
(4) Transportverschlüsselung
Die Beklagte hält die Klägerin schließlich für verpflichtet, das Verfahren der Transportverschlüsselung anzuwenden. Angaben dazu, weshalb dieses Verfahren in der konkreten Geschäftsbeziehung der Parteien bzw. im maßgeblichen Verkehr zu den berechtigten Sicherheitserwartungen zu zählen sein soll, hat die Beklagte allerdings auch insoweit nicht gemacht.
Ausweislich der öffentlich zugänglichen Informationen des BSI handelt es sich bei der Transportverschlüsselung um einen Prozess, bei dem der Inhalt der Übermittlung zwischen Absender und E-Mail-Anbieter, zwischen zwei E-Mail-Anbietern und zwischen E-Mail-Anbieter und Empfänger verschlüsselt wird, wobei dieser automatisiert abläuft und in der Regel keine Aktion des Absenders oder Empfängers erfordert (https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/T/Transportverschluesselung.html). Die Klägerin hat ihren im erstinstanzlichen Verfahren gehaltenen Vortrag, wonach W. alle Vorkehrungen zum Schutz seiner Kunden, einschließlich der Klägerin, trifft und getroffen hat, im Berufungsverfahren unter Angabe einer URL von W. dahin vertieft, dass bei der Übertragung der E-Mails das sogenannte SSL/TLS-Protokoll zum Einsatz komme. Dabei handele es sich um einen Verschlüsselungsstandard, der die E-Mails auf dem Transportweg sichere. Hierbei handelt es sich um Transportverschlüsselungen der vorstehend beschriebenen Art. Den Angaben von W. ist weiter zu entnehmen, dass die Transportverschlüsselung nur im Verbund der dort genannten Anbieter zur Anwendung kommt, also bei E-Mails, die zwischen E-Mail-Konten dieser Anbieter versendet werden. Die Beklagte, die soweit ersichtlich kein Konto bei einem dieser Anbieter unterhält, sondern einen eigenen Server betreiben lässt, hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass eine Transportverschlüsselung an Umständen gescheitert wäre, die in der Sphäre der Klägerin liegen.
Der Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin zum Vorhandensein einer Transportverschlüsselung beim Anbieter W. steht zwar zunächst die Tatbestandswirkung des angefochtenen Urteils entgegen (§ 314 ZPO), in dem festgestellt ist, die Klägerin habe keine Transportverschlüsselung verwendet. Der neue Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren ist aber gem. § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil er infolge eines Verfahrensmangels in Gestalt eines Gehörsverstoßes des Landgerichts im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde. Das Landgericht hätte die Parteien darauf hinweisen müssen, dass es beabsichtige, die „Orientierungshilfe des Arbeitskreises Technische und organisatorische Datenschutzfragen“ zur Bestimmung der die Klägerin beim E-Mail-Versand treffenden Pflichten heranzuziehen und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Indem es dies unterlassen hat, hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Soweit die Beklagte meint, die Klägerin habe zur Verwendung einer Transportverschlüsselung schon nicht vorgetragen, und derartigen Vortrag „höchstfürsorglich“ mit Nichtwissen bestreitet, ist Folgendes zu berücksichtigen: Soweit eine Partei ihr günstige Tatsachen darzulegen und notfalls zu beweisen hat, nützt ihr das Bestreiten nichts, sondern sie hat die Tatsachen unabhängig davon vorzutragen, ob sie eigene Handlungen betreffen oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung waren (BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 51/87, juris Rn. 25). Hier trägt die Beklagte, wie ausgeführt, für das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Klägerin die Beweislast und damit auch die Darlegungslast. Der zugrundeliegende Vortrag ist daher prozessuales Behaupten, für das § 138 Abs. 4 ZPO nicht gilt (BGH a.a.O.).
(5) Auch andere, von der Beklagten nicht ausdrücklich geltend gemachte Pflichtverletzungen der Klägerin sind nicht ersichtlich. Im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils sind Feststellungen zur Art des von der Klägerin verwendeten Passwortes fürs E-Mail-Konto, dem Personenkreis, der davon Kenntnis hat und deren regelmäßiger Änderung sowie der Nutzung einer aktuellen Virensoftware und Firewall getroffen, die von der Klägerin im Berufungsverfahren - von der Beklagten unbestritten - vertieft wurden und die der Annahme einer Pflichtverletzung im Bereich des Passwortschutzes sowie des allgemeinen Schutzes der von der Klägerin verwendeten Computer entgegenstehen.
(6) Auf welcher Grundlage genau sich das Landgericht Lüneburg (Urteil vom 16. Februar 2017 - 7 O 71/16) - auf dessen unveröffentlichte Entscheidung sich die Beklagte beruft - die Überzeugung gebildet hat, dass die dortige Gläubigerin der Schuldnerin durch nicht hinreichende Sicherung ihrer EDV einen Schaden zugefügt hat, ist dem übersandten Urteilsumdruck nicht zu entnehmen. Der Senat vermag sich im vorliegenden Fall aus dem vorgetragenen Tatsachenmaterial bereits nicht die von vernünftigen Zweifeln freie Überzeugung davon zu verschaffen, dass der zugrunde liegende Angriff in der von der Klägerin beherrschbaren Sphäre geschehen ist. Soweit dem Urteil des Landgerichts Lüneburg im Übrigen der Rechtssatz entnommen werden könnte, dass der Verwender einer E-Mail-Adresse jeden Missbrauch durch Dritte vollständig ausschließen müsse, ist dies nach der Überzeugung des Senats schon wegen der zahlreichen und sich ständig weiter entwickelnden Angriffsmöglichkeiten zu weitgehend.
b) Selbst wenn man in einem der vorstehend behandelten Umstände eine Pflichtverletzung der Klägerin sehen wollte, fehlte es am Nachweis der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist nicht geklärt, wie es tatsächlich dazu kam, dass die zweite E-Mail mit der ge- oder verfälschten Rechnung die Beklagte erreichte. Ein erfolgreicher Angriff auf die Sphäre der Klägerin liegt im Hinblick darauf zwar nahe, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass auch andere Kunden der Klägerin entsprechend veränderte Rechnungen empfingen. Wodurch dieser Angriff ermöglicht worden sein könnte, ist aber im Hinblick auf die unbekannte Vorgehensweise des oder der unbekannten Dritten gänzlich unklar. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht für eine hierfür kausale Pflichtverletzung der Klägerin auch kein Beweis ersten Anscheins.
c) Schließlich wäre ein unterstellter Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 254 BGB zu kürzen, weil ein erhebliches Mitverschulden zu berücksichtigen wäre. Die zweite E-Mail vom 8. Oktober 2021 wie auch die als Anhang hierzu übersandte Rechnung selbst enthalten auffällige Unstimmigkeiten, die der Beklagten Anlass dazu geben mussten, bei der Klägerin nachzufragen, auf welches Bankkonto der Kaufpreis tatsächlich gezahlt werden sollte. In der E-Mail selbst wird die förmliche Anrede „Sie“ verwendet, obwohl die beiden Geschäftsführer sich duzen und dies auch in den kurz zuvor gewechselten E-Mails getan hatten. Hinzu kommen sprachliche Fehler („ausgestelltes“ Bankkonto), die sich bis zu einem inhaltlich vollkommen unverständlichen Satz hin steigern („Bitte senden Sie uns nach der Herstellung der Decke eine Kopie nach der Banküberweisung“). Soweit der Geschäftsführer der Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben hat, die Nachricht nicht vollständig gelesen und diesen Satz nicht wahrgenommen zu haben, wäre ein unvollständiges Lesen einer Nachricht, in der es immerhin um die Änderung der Kontoverbindung geht, auf die ein fünfstellige Kaufpreis gezahlt werden soll, auch für sich betrachtet unsorgfältiges Handeln. Dazu kommen die widersprüchliche Gestaltung der mit der zweiten E-Mail übersandten Rechnung selbst, in der zwei Bankverbindungen angegeben sind, sowie der Umstand, dass bei der von der Beklagten hernach verwendeten Bankverbindung eine natürliche Person als Kontoinhaber angegeben war, die in keinerlei erkennbarem Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Klägerin stand.
3. Die von der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Zahlungsanspruch in Höhe von 13.500 EUR gegen den Inhaber des Bankkontos, auf das sie die 13.500 EUR überwiesen hat, geht schon deshalb ins Leere, weil es sich hierbei nicht um eine Forderung der Beklagten gegen die Klägerin handelt. Dies ist gem. § 387 BGB aber Voraussetzung für eine Aufrechnung.
4. Die von der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung weiter hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem eigenen Schadensersatzanspruch in Höhe von 13.500 EUR wegen der Verletzung von IT-Sicherheitspflichten verhilft ihrer Rechtsverteidigung ebenfalls nicht zum Erfolg. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht nicht, auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
5. Die Klägerin hat gem. § 280 Abs. 2, § 286 BGB einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 953,40 EUR entsprechend einer 1,3-Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 13.500 EUR zuzüglich Auslagenpauschale. Sie hat - von der Beklagten unbestritten - vorgetragen, dass deren Geschäftsführer am 19. Oktober 2021 die Zahlung des Kaufpreises abgelehnt hat, so dass die Beklagte gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten ist.
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Abgemahnter ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Zahlung der Abmahnkosten hat, solange keine Rechnungsstellung nach § 14 UStG erfolgt ist.
Aus den Entscheiodungsgründen: Allerdings geht der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 21. Januar 2021 - I ZR 87/20, HFR 2021, 943 Rn. 10) von einer nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 201, 339; 257, 154; 263, 560; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 1 BvR 1327/19) aus, wonach Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren seien. Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, wendet der Bundesgerichtshof auch im Kennzeichenrecht an und soll nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen sein (so BGH, HFR 2021, 943 Rn. 10 mwN; für die Abmahnung einer Patentverletzung auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Der Bundesgerichtshof (HFR 2021, 943 Rn. 12 mwN) geht insoweit von folgender Situation und Rechtslage aus: Der Anwalt, der den Rechtsverletzer im Auftrag des Rechtsinhabers abgemahnt habe, rechne in eigenem Namen gegenüber dem Rechtsinhaber ab; dieser rechne sodann über seine eigene Leistung („Vermeidung eines Gerichtsverfahrens“) gegenüber dem Abgemahnten ab; die Rechnung weise dabei regelmäßig den Nettobetrag der anwaltlichen Rechnung zuzüglich Umsatzsteuer aus; die in der Rechnung an den Abgemahnten ausgewiesene Umsatzsteuer müsse der Rechtsinhaber an das Finanzamt abführen (mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs).
(2) Im Streitfall besteht aber kein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung, weil die vorliegende Abmahnung im Ergebnis zumindest faktisch keiner Umsatzsteuer unterworfen wird.
Es kann dahinstehen, ob (insbesondere) zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (noch) ernstlich zweifelhaft war, ob – ausgehend vom gesetzlichen Rahmen – die Abmahnung wegen Patent- und Wettbewerbsrechtsverletzung der Umsatzsteuer unterlag. Zwar hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 1. Oktober 2021 (III C 2 - S 7100/19/10001:006, DOK 2021/0998752, MwStR 2021, 912) die – auch vom Bundesgerichtshof – der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entnommenen Grundsätze betreffend Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen nachvollzogen, indem es den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend geändert und ausgeführt hat, dass diese Grundsätze in allen offenen Fällen anzuwenden seien. Zugleich hat es indes bestimmt, dass es jedoch nicht beanstandet wird, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem 1. November 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d.h. auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen. Insbesondere Letzteres muss nach dem Zweck der Nichtbeanstandungsklausel entsprechend für Sachverhalte auf dem Gebiet sonstiger Rechte des geistigen Eigentums gelten, soweit dort ansonsten dieselben umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze greifen würden (siehe auch Streit, GRUR-Prax 2021, 697, 700). Zumindest dies führt im Streitfall dazu, dass ein Anspruch auf Rechnungsstellung nach § 14 UStG ausscheidet.
Nach Auffassung des Senats besteht nämlich zumindest in einem Fall, in dem nach dem ministerialen Erlass die Behandlung der Abmahnung als nicht umsatzsteuerbare Leistung nicht beanstandet wird, auch kein Anspruch auf eine Rechnung nach § 14 UStG und kein Zurückbehaltungsrecht. Dann gilt erst Recht, was insoweit für den Fall gilt, wenn Zweifel an der Besteuerung bestehen. Es steht nämlich in unter die Nichtbeanstandungsklausel fallenden Fall sogar fest, dass eine – selbst nach dem Gesetz an sich vorgesehene – Erhebung der Umsatzsteuer auf die Leistung der Abmahnung nicht erfolgen wird. Dies schließt einen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Dessen Zweck liegt nämlich in dem Bedürfnis des Leistungsempfängers, die Rechnung als Ausübungsvoraussetzung für seinen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) zu erhalten (vgl. Leipold in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Juni 2022, § 14 Rn. 72; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Behandelt der Abmahnende die Abmahnung nicht als steuerbare Leistung an den Abgemahnten, indem er vom Abgemahnten lediglich die Erstattung des Nettobetrags der verauslagten Anwaltsgebühren verlangt und Umsatzsteuer auf diesen vom Abgemahnten verlangten Betrag weder vom Abgemahnten fordert noch an das Finanzamt abführt und auch nicht auf eine etwaige Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweist, und behandelt auch der Abgemahnte den Vorgang nicht anders, indem er weder über den geforderten Betrag hinaus Umsatzsteuer an den Abmahnenden oder das Finanzamt leistet noch solche gegenüber dem Finanzamt im Weg des Vorsteuerabzugs geltend macht, so ist nach dem ministerialen Erlass keine Erhebung von Umsatzsteuer zu erwarten und wird sich folglich auch keine Möglichkeit für einen Vorsteuerabzug durch den Abgemahnten ergeben, dem die Belastung mit dem Umsatzsteuerbetrag gerade erspart geblieben ist. Der Abgemahnte hätte wirtschaftlich keinen Vorteil dadurch und somit kein schützenswertes Interesse daran, sich die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug dadurch zu „erkaufen“, dass er den Abmahnenden dazu veranlasst, die Abmahnung als umsatzsteuerbare Leistung zu behandeln und dem Abgemahnten den sodann vorsteuerabzugsfähigen Umsatzsteuerbetrag unter entsprechender Rechnungstellung überhaupt erst (zusätzlich zum bisher wegen der Behandlung als nichtsteuerbarer Vorgang verlangten Nettobetrag) abzuverlangen (im Wesentlichen ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 U 13/19, juris Rn. 97). Entsprechendes gilt, wenn der Abgemahnte sich nicht dazu entschließt, aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft, von der auch der Abmahnende nicht erkennbar ausgeht, nach § 13b Abs. 2 UStG Umsatzsteuer abzuführen.
BGH
Urteil vom 20.10.2021 I ZR 17/21
Identitätsdiebstahl II
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anh. Nr. 29 zu § 3 Abs. 3
Der BGH hat entschieden, dass eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nur bei tatsächlicher Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung vorliegt. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Auftragsbestätigung genügt, gibt der BGH ausdrücklich auf.
Leitsätze des BGH:
a) Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 = WRP 2019, 1471 – Identitätsdiebstahl I).
b) Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht wurde. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung genügt nicht (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 12 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).
c) Waren sind nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anzusehen, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher in einer Weise erreicht haben, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen (Klarstellung von BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 32 - Identitätsdiebstahl).
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - I ZR 17/21 - OLG Hamburg - LG Hamburg
1. Eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung, welche eine Mindestvergütung des
Rechtsanwalts in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung vorsieht, ist jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern wegen unangemessener Benachteiligung des Mandanten unwirksam, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswertes um die Abfindung vorsieht.
2. Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen, benachteiligt den Mandanten jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
3. Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vor
und eröffnet sie dem Rechtsanwalt die an keine Voraussetzungen gebundene Möglichkeit, statt des tatsächlichen Aufwandes pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abzurechnen, gilt insoweit die gesetzliche Vergütung als
vereinbart.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2020 - IX ZR 140/19 - OLG München - LG München I
BGH
Urteil vom 06.06.2019 I ZR 216/17
Identitätsdiebstahl
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anhang Nr. 29 zu § 3 Abs. 3
Der BGH hat entschieden, dass die Aufforderung zur Zahlung nicht bestellter aber erbrachter Dienstleistungen auch dann unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG fällt, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgegangen ist und der Irrtum nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegt.
Leitsätze des BGH:
a) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Dienstleistungen ist als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG anzusehen, wenn der angesprochene Verbraucher der Aufforderung die Behauptung entnimmt, er habe die Dienstleistung bestellt. Einer Unlauterkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG steht nicht entgegen, dass der Unternehmer bei der Zahlungsaufforderung in der ihm nicht vorwerfbaren irrtümlichen Annahme einer tatsächlich vorliegenden Bestellung gehandelt hat.
b) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber erbrachter Dienstleistungen fällt auch dann unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers hat (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 18 - Auftragsbestätigung).
BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17 - OLG Koblenz - LG Koblenz
Die Bundesnetzagentur hat wegen betrügerischer Ping-Anrufe die Rechnungslegung und Inkassierung für Verbindungen zu mehreren weißrussischen Rufnummern untersagt. Wer bereits auf einen Ping-Anruf hereingefallen ist, sollte auf keinen Fall zahlen.
Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur
Bundesnetzagentur verfolgt harte Linie gegen Ping-Anrufe
Homann: "Maßnahmen der Bundesnetzagentur sind erfolgreich"
Die Bundesnetzagentur ist erneut gegen Ping-Anrufe vorgegangen und hat die Rechnungslegung und Inkassierung für Verbindungen zu mehreren weißrussischen Rufnummern untersagt.
„Wir gehen weiterhin konsequent gegen Ping-Anrufe vor. Der Schutz der Verbraucher vor telefonischer Belästigung hat für uns Priorität“, erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. „Der deutliche Rückgang der Beschwerden über Ping-Anrufe zeigt, dass unsere Maßnahmen erfolgreich sind. Gerade die Preisansageverpflichtung hat Wirkung gezeigt.“
Rückruf kostet mehrere Euro pro Minute
Ping-Anrufe sind Lockanrufe, die einen kostenpflichtigen Rückruf provozieren wollen.
Wenn Mobilfunkkunden die Nummer zurückrufen, erreichen sie häufig Bandansagen, die mehrere Euro pro Minute kosten. Die Bandansagen reichen von unverständlichen Ansagen in ausländischer Sprache bis hin zu Gewinnspielen, Erotikansagen oder angeblichen Paketzustellungen.
Ziel der Betrüger ist es, dass die Anrufer möglichst lange in der Leitung bleiben. Die Verursacher profitieren von den generierten Verbindungsentgelten.
Knapp 300 Verbraucher hatten sich bei der Bundesnetzagentur über die Anrufe beschwert.
Verbot der Rechnungslegung und Inkassierung
Die Bundesnetzagentur hat zu den weißrussischen Rufnummern verfügt, dass Mobilfunknetzbetreiber Verbrauchern die Kosten, die durch die Anwahl dieser Rufnummern entstanden sind, nicht mehr in Rechnung stellen dürfen.
Falls Verbraucher bereits Rechnungen erhalten haben, dürfen die Netzbetreiber diese Forderungen nicht mehr eintreiben. Haben Verbraucher bereits Rechnungen bezahlt, sollten sie mit Unterstützung der Verbraucherzentralen versuchen, das Geld zurückzufordern.
Durch das Verbot der Abrechnung dieser Verbindungen wird das rechtswidrige Geschäftsmodell der Täter wirtschaftlich unattraktiv.
Weißrussische Nummern ähneln lokaler Vorwahl in Sachsen
Die weißrussischen Nummern haben Ähnlichkeit mit Vorwahlen in Sachsen. Die Mobilfunkkunden gehen davon aus, dass sie einen Anruf von einer deutschen Ortsnetzrufnummer erhalten haben und rufen zurück.
Die Vorwahl von Weißrussland ähnelt der deutschen Vorwahl 0375. Unter der Vorwahl 0375 sind die Städte Lichtentanne, Sachs, Oelsnitz/Erzgebirge, Steinpleis, Stenn, Wilkau-Haßlau und Zwickau erreichbar.
Beschwerdeentwicklung und Maßnahmen
Erreichten die Bundesnetzagentur in den Monaten Oktober bis Dezember 2017 noch 61.000 Beschwerden, sind die Beschwerden in der Zwischenzeit deutlich zurückgegangen. Knapp 8.000 Beschwerden sind von Januar bis Ende April 2018 eingegangen.
Die Bundesnetzagentur hatte angeordnet, dass in Mobilfunknetzen eine kostenlose Preisansage für bestimmte internationale Vorwahlen geschaltet werden muss. Der Anrufer erfährt so zu Beginn des Telefonats, dass er eine hochpreisige ausländische Rufnummer anwählen wird.
Unabhängig davon rät die Bundesnetzagentur Verbrauchern davon ab, ausländische Rufnummern zurückzurufen, wenn kein Anruf aus den entsprechenden Ländern erwartet wird.
Vorfälle bei der Bundesnetzagentur melden
Einen Überblick über Rufnummern, deren Abschaltung von der Bundesnetzagentur angehordnet wurden, finden Sie unter www.bundesnetzagentur.de/massnahmenliste.
Verbraucher, die ebenfalls von Ping-Anrufen betroffen sind, können sich unter www.bundesnetzagentur.de/rufnummernmissbrauch bei der Bundesnetzagentur melden.
Der BGH hat entschieden, dass aufgrund einer formal richtigen aber inhaltlich falschen Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung die Vergütung bis zur Höhe des richtigen Gebührentatbestands gefordert werden kann. Vorliegend ging es um Abgrenzung von Geschäftsgebühr und Beratungsgebühr für die Testamentserstellung.
Leitsätze des BGH:
RVG § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt (Bestätigung von BGH, NJW 2007, 2332).
RVG § 34 Abs. 1; RVG VV Vorbem. 2.3 Abs. 3, Nr. 2300
a) Die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten.
b) Der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente ist keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags.
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - IX ZR 115/17 - LG Wiesbaden - AG Wiesbaden
Das LG Aachen hat entschieden, dass kein Anspruch auf Übersendung einer Rechnung im Original in Papierform und daher auch kein Zurückbehaltungsrechtbesteht besteht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten greift jedoch nicht, da die Klägerin spätestens im Prozess Kopie der streitgegenständlichen Rechnung vorgelegt hat. Dies reicht entgegen der Auffassung der Beklagten aus. Im hier maßgeblichen Jahr 2016 war die Umsatzsteuervoranmeldung mittels amtlich vorgeschriebenen Datensatzes durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdatenübermittlungsverordnung authentifiziert zu übermitteln (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG und § 48 Abs. 1 Satz 2 UStDV sowie Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 02.10.2015 zu Dokument 2015/0875211). Bei solchen fernübermittelten Unterlagen macht es aber im Vorsteuervergütungsverfahren keinen Unterschied, ob ein vom Rechnungsaussteller selbst erstelltes Dokument, das als Kopie des Originaldokumentes ausgewiesen ist, oder eine vom Antragsteller selbst erstellte Kopie des Originaldokumentes elektronisch übermittelt wird, da weder die Neufassung des § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV noch die vorherige Fassung die Auffassung zulassen, dass nicht eine Rechnungskopie, sondern nur das Original der Rechnung unmittelbarer Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung sein darf (so: Finanzgericht Köln, Entscheidung vom 11.05.2016, Aktenzeichen 2 K 2123/13, Juris; bestätigt durch BFH, Urteil vom 30.8.2017, XIR 25/16).
Zwar waren in der Vergangenheit mit dem in Papierform bei der Umsatzsteuervergütung zu stellenden Antrag die maßgeblichen Rechnungen als Originale in Papierform vorzulegen. Hierdurch konnte das Finanzamt auf den Originalrechnungen Markierungen anbringen, die eine wiederholte mißbräuchliche Nutzung einer Rechnung zu Vergütungszwecken verhinderte und zugleich sicherstellte, dass der Antragsteller im Besitz der Originaldokumente war. Weiterhin konnte geprüft werden, ob an dem Original Manipulationen vorgenommen worden sind.
Mit Umstellung des Verfahrens auf die digitale Übermittlung sollen Originalrechnungen jedoch nur noch bei begründeten Zweifeln in Papierform angefordert werden (§ 61 Abs. 2 Satz 4 UStDV). In den übrigen Fällen verzichtet die Verwaltung aus verfahrensökonomischen Gründen darauf, die Originalrechnung hinsichtlich ihrer Authenzität zu überprüfen und im Hinblick auf eine künftige Verwendung zu markieren. Aus diesen Gründen hat das Finanzgericht Köln in der oben genannten Entscheidung bei einem Fall mit Auslandsbezug die Vorlage einer Originalrechnung grundsätzlich nicht mehr für erforderlich erachtet. Denn eine Kopie stellt ein Abbild eines Originaldokumentes dar, so dass es keinen Unterschied macht, ob das Originaldokument zur elektronischen Übersendung vermittelt worden ist oder eine Kopie des Originaldokumentes. In beiden Fällen kann das Finanzamt weder das Originaldokument im Hinblick auf seine Authenzität prüfen noch hieran Markierungen anbringen. Damit kann es aber auch eine mißbräuchliche Verwendung einer Originalrechnung in einem anderen Verfahren zu Vorsteuererstattungszwecken nicht wirksam verhindern, so dass die Übersendung einer Kopie ausreicht.
Die Kammer sieht keinen Anlass, vor diesen Grundsätzen, wenn sie schon für Fälle mit Auslandsbezug gelten, in einem Fall wie hier mit reinem Inlandsbezug abzuweichen. Aus diesem Grunde kann die Beklagte wegen des von ihr behaupteten Nichterhalts der Originalrechnung kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Denn sie hat unstreitig Kopien der Originalrechnung erhalten, nach dem eigenen Vortrag mit E-Mail vom 27.10.2016, spätestens jedoch aber im Verfahren.
§ 270a BGB-Entwurf Vereinbarungen über Entgelte für die Nutzung bargeldloser Zahlungsmittel
Eine Vereinbarung, durch die der Schuldner verpflichtet wird, ein Entgelt für die Nutzung eines bargeldlosen Zahlungsmittels zu entrichten, ist unwirksam, wenn es sich um eines der folgenden bargeldlosen Zahlungsmittel handelt:
1. Zahlungskarten, auf die Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (ABl. L 123 vom 19.5.2015, S. 1) anwendbar ist, oder
2. Überweisungen oder Lastschriften, auf die die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen
und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 248/2014 (ABl. L 84 vom 20.3.2014, S. 1) geändert worden ist, anwendbar ist.
Satz 1 Nummer 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift nur deshalb nicht vorliegen, weil die Zahlungskarte von einem DreiParteien-Kartenzahlverfahren ausgegeben wurde.
Nimmt der Kläger den Beklagten gemäß § 433 Abs. 2 BGB auf Kaufpreiszahlung in Anspruch, ist der Gegenstand des erhobenen Anspruchs im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn der Kläger in der Klageschrift vorträgt, dass er dem Beklagten Waren geliefert habe, und er darüber hinaus die diesbezüglich ausgestellten Rechnungen mit Betrag, Datum und (Rechnungs-)Nummer bezeichnet.
BGH, Versäumnisurteil vom 16. November 2016 - VIII ZR 297/15 - LG Stuttgart - AG Böblingen
Das LG Potsdam hat zutreffend entschieden, dass Netzbetreiber ihre Kunden bei Streit über vom Netzbetreiber abgerechnete Forderungen von Drittanbietern (z.B. kostenpflichtige Mobilfunk-Abos) nicht auf Drittanbieter auf verweisen dürfen. Auch eine entsprechende Klausel in den AGB sind unwirksam. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg gegen den Mobilfunkanbieter E-Plus.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 2 Abs. 1 UKlaG, 45h Abs. 3 TKG.
Die Beklagte handelt mit ihrem Schreiben vom 30.01.2014 in anderer Weise als durch die Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verbraucherschutzgesetzen zuwider (§ 2 Abs. 1 UKlaG). § 45 Abs. 3 TKG, der festlegt, dass das rechnungsstellende Unternehmen den Rechnungsempfänger in der Rechnung darauf hinweisen muss, dass dieser berechtigt ist, begründete Einwendungen gegen einzelne in der Rechnung gestellte Forderungen zu erheben, ist eine Verbraucherschutzvorschrift i.S.v. § 2 Abs. 1 UKlaG. Zwar ist hier nicht eine unterlassene obligatorische Mitteilung gem. § 45h Abs. 3 TKG betroffen, denn das Schreiben der Beklagten vom 30.01.2014 ist keine Rechnung. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es jedoch hierauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte den ihren Verbraucher-Kunden suggeriert, sie könnten sich mit ihren Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern nicht an die Beklagte wenden. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Möglichkeit sich wegen Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern an das abrechnende Telekommunikationsunternehmen zu wenden, ergibt sich materiell rechtlich zum einen bereits aus § 404 BGB, der bestimmt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Hierzu gehört auch der Einwand, dass die Forderung nicht entstanden ist. Zum anderen hat dieses Recht aber ihren Ausdruck gefunden in § 45h Abs. 3 TKG. Es ist zwar richtig, dass dort nach dem Wortlaut nur die Mitteilungspflicht als solche und nicht erwähnt ist, wem gegenüber die Einwendungen geltend gemacht werden können. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist aber, den Verbrauchern ein direktes Zugriffsrecht auf den Telekommunikationsanbieter zu ermöglichen (vgl. Dilscheid/Rudloff in Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 45h Rdnr. 57). Dass die Beklagte möglicherweise nicht in der Lage wäre, die Einwendungen aufzuklären und sich deshalb selbst an den Drittanbieter wenden müsste, steht dem nicht entgegen (vgl. auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.11.2006, HI ZR 58/06, zitiert nach juris.de, zu § 15 Abs. 3 TKV a.F. wonach AGB, die das Einwendungsrecht ausschließen sollen einen Verstoß gegen § 15 Abs. 3 TKV darstellen). In dem die Beklagte in ihrem Schreiben vom 30.01.2014 den Verbrauchern suggeriert, sie müssten sich mit Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern direkt an diese wenden, um eine Gutschrift wegen einer Forderung, die nicht entstanden sein soll, zu erhalten, schneidet sie den Verbrauchern ihr direktes Zugriffsrecht aus § 45h Abs. 3 TKG und § 404 BGB ab.
Der Kläger hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 3 Abs. 1,5 Abs. I Satz 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG. Die Äußerungen der Beklagten in ihrem Schreiben vom 30.01.2014, Anlage K5, sind geeignet, den Verbraucher über das Bestehen seiner Rechte, Einwendungen gegen die Forderungen von Dritlanbietern, wie das Nichtbestehen der Forderung, direkt gegen lic Beklagte geltend zu machen, zu (Huschen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG). Der KJäger kann die Beklagte gem. § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Auf die obigen Ausführungen wird zur näheren Begründung Bezug genommen.
"Mobilfunkvertrag – erneute Entscheidung zum "Pfand" für die SIM-Karte und Gewinnabschöpfung der "Nichtnutzergebühr"
Ein Anbieter von Mobilfunkleistungen darf in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nach Beendigung des Mobilfunkvertrags kein "Pfand" in Rechnung stellen, wenn der Kunde die deaktivierte und wirtschaftlich wertlose SIM-Karte nicht zurückschickt. Der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts untersagte einem Mobilfunkanbieter mit Sitz in Schleswig-Holstein (Büdelsdorf) in einem vor kürzlich veröffentlichten Urteil erneut das Erheben einer Pfandgebühr in Höhe von 9,97 Euro. Zugleich sah der 2. Zivilsenat die Voraussetzungen für die Abschöpfung von Gewinnen an, die der Mobilfunkanbieter erzielt hatte, indem er in seinen AGB Zusatzgebühren verlangte, wenn der Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Anrufe getätigt und auch keine SMS versandt hatte (Nichtnutzergebühr).
Zum Vorverfahren: Auf die Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hatte der 2. Zivilsenat bereits mit Urteil vom 03.07.2012 dem Mobilfunkanbieter untersagt, zwei Klauseln in seinen AGB für Verträge über Mobilfunkleistungen zu verwenden, weil diese die Kunden unangemessen benachteiligten. Die eine Klausel sah davor, dass die zu Verfügung gestellte SIM-Karte Eigentum des Mobilfunkanbieters verbleibt und hierfür eine "Pfandgebühr" von 9,97 Euro fällig wird, wenn der Kunde die SIM-Karte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des Mobilfunkvertrages zurücksendet. Die zweite Klausel sah vor, dass dem Kunden eine "Nichtnutzergebühr" in Höhe von 4,95 Euro in Rechnung gestellt wird, wenn in drei aufeinanderfolgenden Monaten kein Anruf getätigt beziehungsweise keine SMS versandt wird.
Zum weiteren Sachverhalt: Nach dem Erlass des Urteils aus dem Jahr 2012 änderte der Mobilfunkanbieter seine AGB dahingehend, dass er nach Beendigung des Mobilfunkvertrags zwar weiterhin ein "Pfand" für eine nicht zurückgeschickte SIM-Karte erhob, der Kunde jedoch die Gebühr erstattet erhielt, wenn er auch nach Ablauf der Frist von 14 Tagen die Karte zurückschickte. Für die Zeit ab 01.08.2012 erhob der Mobilfunkanbieter keine "Nichtnutzergebühr" mehr.
Der klagende Verbraucherschutzverein fordert den Mobilfunkanbieter auf, auch die AGB-Klausel zum "Pfand" in der geänderten Fassung zu unterlassen und die Gewinne an den Bundeshaushalt zu zahlen (Abschöpfung), die der Mobilfunkanbieter durch die Verwendung der unwirksamen Klausel zur "Nichtnutzergebühr" erzielt hatte.
Aus den Gründen: Auch die Klausel über das "Pfand" für die SIM-Karte in der neuen Fassung ist unwirksam, weil sie den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der beklagte Mobilfunkanbieter hat ersichtlich kein Interesse an der Rückerlangung der gebrauchten SIM-Karten unter dem Gesichtspunkt, dass er diese noch verwenden oder sonst etwas damit anfangen könnte. Der Mobilfunkanbieter lässt die zurückgesandten SIM-Karten fachgerecht vernichten und entsorgen, und zwar nach eigenem Vortrag unmittelbar nach Eingang. Mithilfe der gebrauchten Karten erzielt er keine Einnahmen mehr. Es entstehen vielmehr zusätzliche Kosten für die Entsorgung. Ein berechtigtes Interesse an der Rückerlangung der Karten kann der beklagte Mobilfunkanbieter auch nicht daraus herleiten, dass er auf diese Weise den Missbrauch deaktivierter SIM-Karten verhindern wolle. Nach den eigenen Äußerungen des beklagten Mobilfunkanbieters sei ihm selbst kein Fall bekannt, in dem bisher aufgrund einer missbräuchlichen Verwendung einer deaktivierten SIM-Karte ein Schaden entstanden sei. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass durch das SIM-Kartenpfand eine zusätzliche Zahlung der Kunden ohne zusätzliche Leistung des Mobilfunkanbieters erreicht werden soll. Dem liegt die realistische Erwartung zu Grunde, dass Kunden sich in einer Vielzahl von Fällen nicht wegen eines Betrages von 9,97 Euro die Mühe machen, die Vertragsbedingungen herauszusuchen, ihre Rechte in Bezug auf das Pfand nachzulesen und sich um die Rücksendung der SIM-Karte per Post zu kümmern.
Das Gericht sieht einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung zu Gunsten des Bundeshaushaltes für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 31.07.2012 als gegeben an (§ 10 UWG). Mit der Verwendung der unwirksamen Klausel über die Erhebung einer "Nichtnutzergebühr" hat der Mobilfunkanbieter vorsätzlich eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen und hierdurch zulasten einer Vielzahl von Kunden Gewinn erzielt. Das vorsätzliche Handeln (bedingter Vorsatz) ergibt sich daraus, dass der Mobilfunkanbieter nach der Abmahnung durch den Verbraucherschutzverein die Klausel weiter verwendet hat, obwohl die Klausel über die "Nichtnutzergebühr" evident unwirksam ist. Es musste sich dem Mobilfunkanbieter geradezu aufdrängen, dass er von dem Kunden keine zusätzliche Zahlung abverlangen durfte, ohne dass er selbst irgendeine zusätzliche Leistung erbrachte oder der Kunde seinerseits gegen Vertragspflichten verstieß. Dass der Kunde durch den Abschluss eines Mobilfunkvertrages und die Zahlung einer monatlichen Grundgebühr nur das Recht zum Telefonieren erwirbt, nicht aber dazu verpflichtet wird, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.03.2015, Aktenzeichen 2 U 6/14; zu dem vorangegangenen Urteil vom 03.07.2012, Aktenzeichen 2 U 12/11, siehe auch die Pressemitteilung 14/2012 vom 18. Juli 2012)"
BGH
Urteil vom 09.10.2014 III ZR 32/14
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2
Der BGH hat zutreffend entschieden, dass es unzulässig ist, wenn ein Mobilfunkanbieter Pfand für die SIM-Karte verlangt. Auch für Rechnungen per Post darf eine Mobilfunkanbieter, jedenfalls dann, wenn die Angebote nicht ausschließlich über das Internet vertrieben werden, kein zusätzliches Entgelt verlangen. Entsprechende Klauseln in den AGB sind unwirksam.
a) Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkanbieters, nach der für die Überlassung der SIM-Karte ein "Pfand" in Höhe von 29,65 € erhoben wird, das als "pauschalierter Schadensersatz" einbehalten wird, sofern der Kunde die Karte nicht innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer und Beendigung des Kundenverhältnisses in einwandfreiem Zustand zurücksendet, ist unwirksam.
b) Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkanbieters, nach der für die Zusendung einer Rechnung in Papierform (zusätzlich zur Bereitstellung in einem Internetkundenportal) ein gesondertes Entgelt anfällt, ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Anbieter sein Produkt nicht allein über das Internet vertreibt.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 32/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main#
BGH
Urteil vom 12.06.2014 I ZR 50/13
ZPO § 286 Abs. 1
Leitsatz des BGH:
Der Tatrichter hat sich die Überzeugung von der Richtigkeit des vom Anspruchsteller behaupteten Umfangs einer verlorengegangenen Sendung anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu bilden. Dabei sind nicht nur vorgelegte
Lieferscheine und dazu korrespondierende Rechnungen, sondern alle Umstände, die für oder gegen den vom Kläger vorgetragenen Umfang sprechen - gegebenenfalls nach einer Beweiserhebung - zu berücksichtigen. Eine Beweiserleichterung
aufgrund der Grundsätze zum Anscheinsbeweis kommt ihm insoweit nicht zugute.
BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - I ZR 50/13 - OLG Köln - LG Bonn