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AG Köln: Es fällt auch dann eine anwaltliche Geschäftsgebühr an wenn Legal-Tech-Anbieter ein Mahnschreiben durch einen Algorithmus generiert

AG Köln
Urteil vom 05.03.2020
120 C 137/19

Das AG Köln hat entschieden, dass auch dann eine anwaltliche Geschäftsgebühr anfällt, wenn ein Legal-Tech-Anbieter ein Mahnschreiben durch einen Algorithmus generiert. Vorliegend ging es um Geltendmachung von Ansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 30 € gemäß Art. 7 VO (EG) 261/2004 (im Folgenden Fluggastrechteverordnung). Denn auf die unstreitig wegen Verspätung des von der Beklagten ausgeführten Fluges geschuldeten Ansprüche hat die U. GmbH bereits 30 € gezahlt. Diese Zahlung ist gemäß Art. 12 Fluggastrechteverordnung anzurechnen. Die Ansprüche des Fluggastes aus der Fluggastrechteverordnung stehen neben den Anspruchsgrundlagen aus anderen Gesetzen, wie etwa vertragliche Ansprüche aus nationalem Recht. Dem Fluggast verbleibt die Wahl, ob er die Ausgleichsleistungen gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen aus der Verordnung, die ihm zwar den Schadensnachweis ersparen, aber nur pauschalierten Ersatz gewähren, oder die regelmäßig schwieriger durchzusetzenden Ansprüche auf Ersatz der konkret entstandenen Schäden nach dem mitgliedstaatlichen Recht geltend macht. Er kann auch beides geltend machen. Doch darf dies nach Art. 12 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung nicht zu einer Kumulierung von Ersatzleistungen ungeachtet des tatsächlich eingetretenen Schadens führen. Kompensiert der pauschale Ausgleich nach der Fluggastrechteverordnung auch den mit dem konkreten Schadensersatzanspruch kompensierten Nachteil, darf der Fluggast zwar den weitesten Anspruch geltend machen. Ersatz kann er aber nicht doppelt erlangen, sondern niemals mehr, als der betragsmäßig höchste der beiden Ansprüche gewährt. Art. 12 Abs. 1 S. 2 normiert damit ein Bereicherungsverbot oder ein Verbot der Überkompensation. Dieser Ausschluss der Kumulierung von Ersatzleistungen gilt allerdings nur, soweit die aus anderen Rechtsgrundlagen bestehenden Ansprüche die Ersatzleistungen an dieselben Haftungsgründe wie die Fluggastrechteverordnung (Nichtbeförderung, Annullierung, (Abflug-)Verspätung, Downgrading) knüpfen. Nur dann können sie weiter gehen. Wenn sie die Ersatzleistungen hingegen an andere Haftungsgründe (zB Personen- oder Gepäckschäden) knüpfen, sind sie anders und bleiben uneingeschränkt bestehen. Art. 12 regelt Letztere nicht. (Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung, Fluggastrechte-VO Art. 12 Rn 13). Das war hier der Fall. Entgegen den Behauptungen der Kläger ergibt sich aus der vorgelegten Anlage K7 (Bl. 48 d.A.), dass die Entschädigung wegen der verspätet erbrachten Leistung „Flug“ geleistet wurde, nicht – wie die Kläger behaupten – wegen des ausgefallenen Abendessens. Dass die Entschädigung nicht von der Beklagten selbst, sondern von der Reisegesellschaft, der U. gewährt wurde, ist unschädlich. Ist das nach der Flugastrechteverordnung haftende ausführende Luftfahrtunternehmen nicht zugleich Vertragsschuldner des Fluggastes, wird Art. 12 Abs. 1 S. 2 durch Art. 3 Abs. 5 S. 2 ergänzt. Danach hat die Erfüllung von Ansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen Wirkungen auch für und gegen den personenverschiedenen Vertragsschuldner (Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung, Fluggastrechte-VO Art. 12 Rn 14).

Die Kläger können von der Beklagten auch nicht Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Hohe von 147,56 € verlangen.

Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus §§ 280, 286 BGB. Denn den Klägern ist kein Verzugsschaden entstanden. Der Anspruch setzt voraus, dass dem Gläubiger nach Eintritt des Verzugs ein kausaler Schaden entstanden ist. Das war hier nicht der Fall. Denn die Geschäftsgebühr ist hier nicht erst mit Verfassen des Schriftsatzes vom 09.07.2019 entstanden, sondern bereits am 07.06.2019, also vor Eintritt des Verzugs am 22.06.2019. Die Geschäftsgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (Vorbemerkung 2.3 (3) VV RVG 2300). Dazu gehören die anwaltliche Prüfung und Beratung über das Bestehen von Forderungen und das Verfassen eines Anspruchsschreibens unzweifelhaft dazu. Ob dies durch mündliche Besprechung mit dem Rechtsanwalt, der den Anspruch in seinem Kopf prüft, oder Nutzen eines vorher durch einen Rechtsanwalt programmierten und geprüften Algorithmus geschieht, ist aus Sicht des Gerichts nicht maßgeblich. Es handelt sich um das Betreiben eines Geschäfts im Sinne von VV RVG 2300. Am 07.06.2019 haben die Kläger eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen. Sie haben ihre Flugdaten und persönliche Daten einschließlich Kontoverbindung auf der homepage der Prozessbevollmächtigten eingegeben. Der dort installierte Algorithmus „berechnet“ das Bestehen eines Anspruchs und generiert ein Anspruchsschreiben an die Fluggesellschaft. Damit hat der Algorithmus genau dieselbe Dienstleistung erbracht, die ein Rechtsanwalt im mündlichen Gespräch und anschließend mit Verfassen eines Anspruchsschreibens erbringen würde. Der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der Entschädigungsansprüche werden durchgeprüft, genau wie ein Rechtsanwalt dies getan hätte, wenn er ein persönliches Gespräch mit den Klägern geführt hätte. Die anwaltliche Leistung mag hier zwar im Vorfeld beim Programmieren des Legal Tech-Algorithmus erbracht worden sein, sie wurde aber erbracht und von den Klägern genutzt. Der Fall entspricht dem, in dem der Rechtsanwalt etwa bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen Formulare vorbereitet und zur Verfügung stellt, die der Geschädigte ankreuzen und ausfüllen kann. Wenn der Rechtsanwalt in solchen Fällen die einzelnen Positionen addiert und daraus ein Anspruchsschreiben formuliert, hat er eine Geschäftsgebühr verdient. Dass es sich nur um einen „simplen Algorithmus“ handelt, bei der von einer anwaltlichen Beratung keine Rede sein könne, ist nicht dargelegt. Der Algorithmus prüft den Anwendungsbereich der Verordnung, das Vorliegen der Voraussetzungen der Entschädigungsansprüche (Annullierung oder Verspätung von mehr als 3 Stunden), das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände und die Höhe der Entschädigung. Das sind dieselben Tatbestandsvoraussetzungen, die das Gericht bei der Entscheidung der Fluggastrechtsfälle durchprüft. Es ist nicht ersichtlich, was ein Rechtsanwalt bei der anwaltlichen Beratung mehr prüft. Auch die Tatsache, dass die mail den Kläger als Absender benennt (allerdings von der emailadresse der Prozessbevollmächtigten abgeschickt wurde), steht der Entstehung der Geschäftsgebühr auch nicht entgegen. Denn inhaltlich ändert sich durch die Angabe des Absenders und seiner Kontoverbindung nichts. Wäre der Algorithmus anders programmiert worden und wäre der Rechtsanwalt als Absender aufgetreten, läge unzweifelhaft ein Betreiben des Geschäfts vor. Es bestünde kein Zweifel, dass die Prozessbevollmächtigten ihre Geschäftsgebühr verdient hätten, wie dies derzeit vielfach auch in anderen Rechtsgebieten, in denen Legal Tech zur Anwendung kommt, geschieht (vgl. Dieselskandal-Fälle, Mietpreisbremsenfälle, etc.). Schließlich ändert auch die Tatsache, dass die Leistung der Prozessbevollmächtigten für die Kläger kostenlos war, an dem Ergebnis nichts. Darin liegt nur ein Verzicht des Rechtsanwalts auf die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen, der gemäß § 49b BRAO unwirksam ist. Es bleibt dabei, dass die Kläger am 07.06.2019 eine Leistung des Rechtsanwalts in Anspruch genommen haben, der für sie das Bestehen von Ansprüchen geprüft hat und für sie ein Anspruchsschreiben formuliert hat. Dass die Kläger am 28.06.2019 die Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung beauftragt haben, vermag aus Sicht des Gerichts keinen Unterschied zu machen. Denn bereits zuvor hatten sie – wie ausgeführt – die Prozessbevollmächtigten mit der Erbringung von Leistungen beauftragt. Dass sie in dem Moment glaubten, dies sei für sie kostenlos, ist nicht maßgeblich.

Der Anspruch der Kläger besteht auch nicht gemäß Art. 14 Abs. 2 Fluggastrechteverordnung. Danach hat das ausführende Luftverkehrsunternehmen jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis auszuhändigen, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß der Verordnung dargelegt werden. Die Kläger sind dem Vortrag der Beklagten, das Merkblatt sei ihnen beim Check-in ausgehändigt worden, nicht mehr entgegen getreten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Frage, ob die Geschäftsgebühr bei der Generierung eines Anspruchsschreibens auf der homepage von Rechtsanwälten ausgelöst wird, ist bisher – soweit ersichtlich und von den Parteien vorgetragen – nur im anders als hier entschiedenen Sinne entschieden worden. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts liegt dazu noch nicht vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Berechtige Aufforderung zur Klarstellung einer unklaren Abschlusserklärung ist einfaches Schreiben nach Nr. 2300, 2301 VV RVG

OLG Frankfurt
Urteil vom 10.01.2019
6 U 112/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die berechtige Aufforderung zur Klarstellung einer unklaren Abschlusserklärung ein einfaches Schreiben nach Nr. 2300, 2301 VV RVG ist und keine 1,3 Geschäftsgebühr sondern eine 0,3 Geschäftsgebühr auslöst.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Schreiben des Klägervertreters vom 31.8.2017 mit Recht als einfaches Schreiben (Nr. 2300 VV-RVG) eingestuft.

In der Abschlusserklärung vom 25.8.2017 hat die Beklagte unter Ziffer 1. die einstweilige Verfügung als "endgültige, materiell-rechtlich verbindliche Regelung" anerkannt. Eine solche Erklärung, deren Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BGH GRUR 2009, 1096 [BGH 02.07.2009 - I ZR 146/07] - Mescher weis, Rn. 26), beinhaltet regelmäßig auch den Verzicht auf einen Widerspruch nach § 924 ZPO, da eine Abschlusserklärung ohne einen solchen Verzicht völlig wertlos wäre. Eine gewisse Unsicherheit ergab sich allein daraus, dass unter Ziffer 2. der Abschlusserklärung zwar auf die Rechte aus § 926 ZPO und - im gebotenen Umfang - aus § 927 ZPO verzichtet worden war, nicht aber auf den Widerspruch nach § 924 ZPO. Nach Auffassung des Senats bestand aber auch aus Sicht der Klägerin kein konkreter Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Beklagte sich damit tatsächlich das Recht zum Widerspruch vorbehalten wollte, die Erklärung unter Ziffer 1. also - was die Konsequenz hieraus wäre - nicht ernst gemeint war. Naheliegender war, dass es sich um ein offensichtliches Versehen bei der Formulierung handelte.

Wenn die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahren erklärt hat, sie habe den Widerspruch nach § 924 ZPO deswegen aus der Erklärung ausgenommen, weil ihr nicht bekannt gewesen sei, dass der bereits zurückgenommene Widerspruch erneut eingelegt werden konnte (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 1.11.2012 - 6 U 127/12), ergibt sich daraus nichts anderes. Zum einen sind nach der Abschlusserklärung und dem Schreiben des Klägervertreters vom 31.8.2017 abgegebene Erklärungen nicht geeignet, die Auslegung dieser Abschlusserklärung aus der Sicht des objektiven Empfängers zu beeinflussen. Zum andern bestätigt die Aussage der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung gerade, dass die Beklagte sich nicht etwa einen erneuten Widerspruch vorbehalten wollte, sondern annahm, ein solcher sei ohnehin nicht mehr möglich.


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BGH: Aufgrund formal richtiger aber inhaltlich falscher Rechnung kann Rechtsanwaltsvergütung gefordert werden - Zur Abgrenzung Geschäftsgebühr und Beratungsgebühr

BGH
Urteil vom 22.02.2018
IX ZR 115/17


Der BGH hat entschieden, dass aufgrund einer formal richtigen aber inhaltlich falschen Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung die Vergütung bis zur Höhe des richtigen Gebührentatbestands gefordert werden kann. Vorliegend ging es um Abgrenzung von Geschäftsgebühr und Beratungsgebühr für die Testamentserstellung.


Leitsätze des BGH:

RVG § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt (Bestätigung von BGH, NJW 2007, 2332).

RVG § 34 Abs. 1; RVG VV Vorbem. 2.3 Abs. 3, Nr. 2300
a) Die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten.
b) Der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente ist keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags.


BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - IX ZR 115/17 - LG Wiesbaden - AG Wiesbaden

BGH: Bei Zahlungsverzug ist Beauftragung eines Rechtsanwalts auch in einfach gelagerten Fällen stets zweckmäßig - Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu erstatten

BGH
Urteil vom 17.09.2015
IX ZR 280/14
BGB § 280 Abs. 2, § 286; RVG-VV Nr. 2300, 2302 aF


Der BGH hat entschieden, dass bei Zahlungsverzug die Beauftragung eines Rechtsanwalts auch in einfach gelagerten Fällen stets zweckmäßig und erforderlich ist, so dass die Rechtsanwaltskosten vom Schuldner zu erstatten sind.

Leitsatz des BGH:
Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich; ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung muss im Regelfall nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden.

BGH, Urteil vom 17. September 2015 - IX ZR 280/14 - LG Hamburg - AG Hamburg-Barmbek

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OLG Hamburg: Zwei Wochen Wartefrist für Abschlussschreiben im Regelfall ausreichend - für das Abschlussschreiben ist eine 0,8 Geschäftsgebühr anzusetzen

OLG Hamburg
Urteil vom
06.02.2014
3 U 119/13


Das OLG Hamburg hat nochmals seine Rechtsprechung bestätigt, wonach zwei Wochen Wartefrist für das anwaltliche Abschlussschreiben nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Regelfall ausreichend ist.
Zudem bekräftigt das Gericht seine Rechtsprechung, wonach für die Auforderung eine Abschlusserklärung abzugeben eine 0,8 Geschäftsgebühr anzusetzen ist.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Kosten des Abschlussschreibens, d.h. der schriftlichen Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung, sind grundsätzlich nach §§ 677, 683, 670 BGB erstattungsfähig. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprach.
[...]
Wartet der Unterlassungsgläubiger allerdings - wie hier - die Entscheidung über den Widerspruch im Verfügungsverfahren ab, muss er zur Vermeidung von Kostennachteilen aus § 93 ZPO dem Schuldner vor Erhebung der Hauptsacheklage ein Abschlussschreiben zusenden (OLG Hamburg, WRP 1986, 289, 290 - Abschlußschreiben OLG Düsseldorf, GRUR 1991, 479, 480; Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, 2013, Kap. 58 Rn. 42; Fezer-Büscher, Lauterkeitsrecht (UWG), 2005, § 12 Rn. 148 jurisPK-UWG/Hess, 2. Auflage, 2009, § 12 Rn. 137). Die zwischenzeitliche mündliche Verhandlung und die schriftliche Urteilsbegründung können nämlich zu einem Meinungswandel des Schuldners geführt haben (so OLG Köln, WRP 1987, 188, 190 f.; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2006, 111, 112; Ahrens/Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rn. 42), so dass die Einlegung des Widerspruchs nicht mehr den sicheren Schluss erlaubt, dass der Schuldner nicht bereit ist, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.
[...]
Die Erforderlichkeit des Abschlussschreibens wird verneint, sofern der Gläubiger dem Schuldner nicht binnen angemessener Frist Gelegenheit gegeben hat, die erlassene einstweilige Verfügung von sich aus durch Abgabe einer Abschlusserklärung bestandskräftig zu machen. Die Zeitspanne, die als angemessene Wartefrist angesehen wird, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich bewertet. Mehrheitlich wird von einer Mindestfrist von 12 Tagen und einer Maximalfrist von einem Monat ausgegangen, und zwar gerechnet ab Zugang der einstweiligen Verfügung beim Schuldner(siehe Nachweise bei Köhler/Bornkamm, a.a.O., §12 Rn. 3.73).

Der erkennende Senat hält in der Regel eine Wartefrist von 2 Wochen für ausreichend (OLG Hamburg, OLGR 2003, 257, 258; OLG Hamburg, BeckRS 1999, 05783, Rn. 27; ebenso OLG Frankfurt, GRUR-RR 2003, 274, 278 f.; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2003, 294 f.; OLG Hamm, GRUR-RR 2010, 267, 268 Teplitzky, a.a.O., Kap. 43 Rn. 31 Ahrens/Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rn. 45jurisPK-UWG/Hess, a.a.O. § 12 Rn. 140). Die Umstände des Einzelfalles können allerdings eine längere oder kürzere Wartefrist rechtfertigen.
[...]
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung für das Abschlussschreiben regelmäßig eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG als angemessen anzusehen ist. Lediglich beim Vorliegen besonderer Einzelfallumstände kann demgegenüber das Abschlussschreiben als Schreiben einfacher Art im Sinne von Nr. 2302 VV RVG anzusehen sein.

Die dazu erforderlichen Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar besteht das Abschlussschreiben vom 25. Januar 2012 aus Standardformulierungen. Die rechtlichen Ausführungen sind denkbar knapp. Es kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass - anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall - in der Widerspruchsverhandlung weder die Rücknahme des Widerspruchs erfolgt noch die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt worden war. Zudem ist die schriftliche Abschlusserklärung der Beklagtenvertreter insoweit hinter der verlangten Abschlusserklärung zurückgeblieben, als die Beklagte die einstweilige Verfügung vom 30. August 2012 nur hinsichtlich der Verbote zu I. Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 8 und Nr. 9, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren Verbote zu I. Nr. 10 und Nr. 11 als endgültige und verbindliche Regelung anerkannt und insoweit auf die Rechte aus §§ 926, 927 ZPO verzichtet hat. Auch der im Hinblick auf die Berufung ausdrücklich verlangte Verzicht ist nicht erklärt worden (Anlage B 1). Dieser Umstand führt dazu, dass insoweit eine erneute rechtliche Prüfung in Betracht kam.

Das Abschlussschreiben der Klägervertreter (Anlage K 3) ist daher nicht als Schreiben einfacher Art anzusehen. Der Senat hält daher die vom Landgericht für das Abschlussschreiben veranschlagte Gebühr von 0,8 für angemessen. Mithin ist die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von € 1.756,00 gemäß §§677, 683, 670 BGB zu Recht erfolgt. Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
"


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: 1,3fache Geschäftsgebühr als Abmahnkosten auch bei Ansprüchen aus Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster - nicht automatisch schwierig oder umfangreich

BGH
Urteil vom 13.11.2013
X ZR 171/12


Der BGH hat völlig zu Recht entschieden, dass Abmahnungen aus einem Gebrauchsmuster bzw. Geschmacksmuster nicht automatisch schwierig oder umfangreich sind, so dass regelmäßig keine Abmahnkosten, die über eine 1,3 Geschäftfsgebühr hinaus gehen, verlangt werden können.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Der u. a. für das Gebrauchsmusterrecht zuständige X. Zivilsenat hat über die Höhe von Rechtsanwaltskosten bei einer Abmahnung aus einem Gebrauchs- und einem Geschmacksmuster entschieden.

Die Klägerin erwarb von der Beklagten, einem Verlagsunternehmen, zusammen mit einem dort bestellten Buch eine Einkaufstasche mit Kühlfach. Später bot sie diese Tasche über ein Internetauktionshaus zum Verkauf an. Daraufhin wurde sie anwaltlich im Auftrag eines dritten Unternehmens abgemahnt, dem Rechte an einem Gebrauchsmuster und einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster an der Tasche zustehen. Die Klägerin ließ die Berechtigung der Abmahnung von Rechtsanwälten prüfen. Diese stellten ihr dafür eine Geschäftsgebühr in Höhe einer eineinhalbfachen Gebühr nach einem Gegenstandswert von 100.000 € in Rechnung, wobei dieser Wert demjenigen entsprach, der zunächst auch der Abmahnung der Klägerin durch die Schutzrechtsinhaberin zugrunde gelegt war; der beklagte Verlag hatte diese der Klägerin entstandenen Abmahnkosten jedoch übernommen und dafür einvernehmlich einen Betrag von 500 € an die Schutzrechtsinhaberin erstattet.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihren Rechtsanwälten berechneten 1,5-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von € 100.000,- verlangt (zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagenpauschale rund 2.440 €). Das Amtsgericht hat ihr den nach einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr und einem Gegenstandswert von 50.000 € berechneten Betrag zugesprochen; das Landgericht hat demgegenüber nur den Ansatz eines Gegenstandswertes von 10.000 € für angemessen erachtet, die Beklagte zur Zahlung von rd. 776 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision, mit der die Klägerin ihren nach einer eineinhalbfachen Geschäftsgebühr und einem Gegenstandswert von 95.000 € berechneten Erstattungsanspruch weiterverfolgt, hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Er hat angenommen, das für die Wertbemessung maßgebliche Interesse der Klägerin als Schutzrechtsverletzerin sei nach den wirtschaftlichen Folgen zu bemessen, die ihr aus der Inanspruchnahme aus den Schutzrechten drohten. Diese entsprächen regelmäßig dem Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Geltendmachung seiner Ansprüche, deren Wert nach dem Wert des Schutzrechts und seiner Beeinträchtigung durch den Verletzer zu schätzen sei.

Von einem überdurchschnittlichen Umfang oder einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts, die eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 rechtfertige, könne auch bei einer Gebrauchsmuster- oder Gemeinschaftsgeschmacksmustersache nicht pauschal ausgegangen werden. Dies gelte insbesondere, wenn weder die Schutzfähigkeit in Ansehung des Standes der Technik bzw. vorbekannter Gestaltungen zu beurteilen sei noch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung aufwendige Prüfungen erforderlich gewesen seien.

Die Feststellungen zu diesen Umständen unterlägen tatrichterlicher Würdigung, die nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar seien. Solche Fehler im angefochtenen Urteil habe die Revision nicht aufzuzeigen vermocht.
AG Augsburg – Urteil vom 8. September 2011 – 17 C 2055/11
LG Augsburg – Urteil vom 6. Juni 2012 – 72 S 4026/11"



BGH: 1,3 Geschäftsgebühr als Regelgebühr - auch der VI. Zivilsenat gibt seine Rechtsprechung zur 20%igen Toleranzgrenze explizit auf

BGH
Urteil vom 05.02.2013
VI ZR 195/12
RVG § 14 Abs. 1; RVG-VV Nr. 2300


Auch der VI. Zivilsenat hat nun seine Rechtsprechung aufgegeben, wonach bei der Bemessung der Geschäftsgebühr bei durschnittlichen Fällen eine Toleranzgrenze von 20 % besteht, explizit aufgegeben (siehe zum Thema BGH macht die Rolle Rückwärts - doch nur eine 1,3 Geschäftsgebühr als Regelgebühr). Bei normal gelagerten Fällen kann lediglich eine 1,3-fache und keine 1,5-fache Geschäftsgebühr verlangt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VVRVG, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war.

Soweit dem Urteil des erkennenden Senats vom 8. Mai 2012 (VI ZR 273/11, VersR 2012, 1056 Rn. 4 f.) etwas Abweichendes zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH macht die Rolle Rückwärts - doch nur eine 1,3 Geschäftsgebühr als Regelgebühr

BGH
Urteil vom 11.07.2012
VIII ZR 323/11
RVG § 14 Abs. 1; RVG-VV Nr. 2300


Nachdem der BGH mehrfach entschieden hatte, dass eine 1,5 Geschäftsgebühr anstelle einer 1,3 Geschäftsgebühr als Regelgebühr verlangt werden kann, (z.B. BGH: Abmahnungen werden teurer - Inrechnungstellung einer 1,5fachen Geschäftsgebühr durch Rechtsanwalt nicht zu beanstanden), hat der BGH diese Rechtsprechung offenbar wieder aufgegeben bzw. ausweislich der Entscheidungsgründe dies (angeblich) so nie gesagt.

Eine Erhöhung der Regelgebühr von 1,3 auf 1,5 (oder mehr) kommt nur in Betracht, wenn die Sache umfangreich oder schwierig war.

Leitsatz des BGH:
Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Fortführung von BGH, Urteile vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 273/11, juris).

BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 323/11 - LG Memmingen - AG Memmingen

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der IX. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er ebenfalls dieser Auffassung sei und sich aus seinem Urteil vom 13. Januar 2011 (IX ZR 110/10, aaO Rn. 18) nichts anderes ergebe. Der VI. Zivilsenat hat mitgeteilt, dass er im Hinblick auf die Äußerung des IX. Zivilsenats, dessen Entscheidung er sich angeschlossen hatte (Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 273/11, juris), keine Bedenken gegen die in Aussicht genommene Entscheidung des VIII. Zivilsenats hat."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH bestätigt nochmals: 1,5 fache Geschäftsgebühr angemessen und gerichtlich nicht überprüfbar

BGH
Urteil vom 8. Mai 2012
VI ZR 273/11 -
RVG § 14 Abs. 1 Satz 1, RVG VV Nr. 2300


Der BGH hat nochmals bekräftigt, dass sich die Berechnung einer 1,5 fachen Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit (so z.B. auch für Abmahnungen) im Rahmen der Toleranzgrenze von 20 % befindet und vom Gericht nicht in Frage gestellt werden darf. Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Abmahnungen werden teurer - Inrechnungstellung einer 1,5 fachen Geschäftsgebühr durch Rechtsanwalt nicht zu beanstanden " über die Rechtsprechung des BGH berichtet. Nicht alle Landgerichte sind dieser Ansicht bislang gefolgt.


Leitsatz des BGH:
Bei Rahmengebühren im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, zu denen die Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2300 VV RVG zählt, steht dem Rechtsanwalt ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 % zu (im Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603).

BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 273/11 - OLG Koblenz -LG Koblenz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Bochum: Bei einer anwaltlichen Abmahnung fallen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr an

LG Bochum
Urteil vom 05.10.2011
I-13 O 99/11
Abmahnkosten


Das LG Bochum hat in Einklang mit der neueren Rechtsprechung des BGH entschieden, dass bei einer anwaltlichen Abmahnung Rechtsanwalltskosten in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr anfallen. Zudem führt das Gericht aus, dass bei einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit über das Fehlen diverser Pflichtinformationen in einem geschäftsmäßigen Ebay-Auftritt ein Streitwert von 15.000 EURO nicht zu beanstanden ist.

BGH: Zur Erstattungsfähigkeit zusätzlicher Patentanwaltskosten bei einer Abmahnung wegen einer Markenrechtsverletzung

BGH
Urteil vom 24.02.2011
I ZR 181/09
Kosten des Patentanwalts II
BGB §§ 677, 683 Satz 1, § 670; MarkenG § 14 Abs. 6 Satz 1

Leitsatz des BGH:

Hat neben einem Rechtsanwalt auch ein Patentanwalt an der Abmahnung wegen einer Markenverletzung mitgewirkt, kann die Erstattung der durch die Mitwirkung des Patentanwalts entstandenen Kosten nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB oder § 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG nur beansprucht werden, wenn der Anspruchsteller darlegt und nachweist, dass die Mitwirkung des Patentanwalts erforderlich war. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn der Patentanwalt dabei Aufgaben übernommen hat, die - wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage - zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abmahnungen werden teurer - Inrechnungstellung einer 1,5fachen Geschäftsgebühr durch Rechtsanwalt nicht zu beanstanden

BGH
Urteil vom 13.01.2011
IX ZR 110/10
BGB § 280 Abs. 1; ZPO §§ 704, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5; RVG § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, RVG VV Nr. 2300, Nr. 3309
1,5fache Geschäftsgebühr


Der BGH hat entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn ein Rechtsanwalt als Mittelgebühr eine 1,5fache Geschäftsgebühr für seine außergerichtliche Tätigkeit berechnet. Diese Entscheidung bedeutet eine Abkehr von der bislang überwiegenden Ansicht, wonach eine 1,3fache Gebühr zu berechnen ist. Dies gilt z.B. auch für Abmahnungen. Es bleibt abzuwarten inwieweit sich auch die anderen Senate des BGH dieser Ansicht anschließen werden.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

"Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 v.H. (sog. Toleranzgrenze) zusteht (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006, aaO, Rn. 5; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, § 14 Rn. 12; AnwKomm-RVG/Onderka, 5. Aufl., § 14 Rn. 80 ff mwN; Mayer/Kroiß/ Winkler, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn. 54 mwN; Römermann in Hartung/Römer-mann/Schons, RVG, § 14 Rn. 89 f). Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Gren-ze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten"


Leitsatz des BGH:
Die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage löst die allgemeine Gebühr für das Betreiben des Geschäfts aus.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10 - LG Magdeburg
AG Wernigerode

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Verwechslungsgfahr zwischen JOOP! und LOOP und 1,3 Geschäftsgebühr bei markenrechtlicher Abmahnung

OLG Hamburg
Urteil vom 21.01.2010
3 U 264/06
JOOP! ./. LOOP


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass zwischen dem Unternehmensschlagwort "JOOP!" und der Wort-/Bildmarke "LOOP" Verwechslungsgefahr für Lederwaren und Bekleidung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Somit ist die Marke der Beklagten dem Unternehmensschlagwort der Klägerin klanglich ähnlich . Darüber hinaus sind auch die Wortbestandteile beider Bezeichnungen ähnlich . Die gestalteten Elemente der Marke der Beklagten sind bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Zeichens zudem nicht so prägend, dass der Wortbestandteil „LOOP“ dahinter zurücktreten würde.
[...]
Bei Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der zumindest durchschnittlichen Unterscheidungskraft der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin, der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Bezeichnungen sowie der hohen Branchennähe, z.T sogar Branchenidentität besteht Verwechslungsgefahr zwischen dem Firmenschlagwort der Klägerin und der Marke der Beklagten."


Ferner führt das Gericht aus, dass auch für eine markenrechtkliche Abmahnung lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr verlangt werden kann:

"Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Geltendmachung von 2,5 Gebühren überhöht. Gemäß Nr. 2300 VV kann eine Gebühr von mehr als 1,3 Gebühren nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Dies ist nicht dargelegt. Allein aus dem Umstand, dass es sich um eine markenrechtliche Abmahnung handelt, ergibt sich dies nicht. Auch der Inhalt der Abmahnung vom 14. Februar 2005 (Anlage K 11) rechtfertigt nicht die Annahme, dass es sich bei der Erstellung der Abmahnung um eine umfangreiche und schwierige Sache gehandelt habe. Zudem führt auch der Umstand, dass die Klägerin darauf verzichtet hat, einen Patentanwalt zuzuziehen, nicht dazu, einen erhöhten Gebührensatz zu rechtfertigen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Verfahrensgebühr gemäß § 15a Abs. 1 RVG auch in Altfällen in voller Höhe festsetzbar, wenn außergerichtlich eine Geschäftsgebühr angefallen ist

BGH
Beschluss vom 02.11.2009 - II ZB 35/07
RVG § 15 a, RVG VV Vorb. 3 Abs. 4 VV; ZPO § 91


Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung von § 15 a Abs. 1 RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariel-en Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, BGBl I S. 2449) die bereits unter Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt. Die Anrechnungsvorschrift wirkt sich danach grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15 a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist.
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart

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