OLG Hamm: Kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten wenn die Abmahnung keine ausreichenden Angaben zur Aktivlegitimation enthält
OLG Hamm
Urteil vom 03.04.2025
4 U 29/24
Das OLG Hamm hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn die Abmahnung keine ausreichenden Angaben zur Aktivlegitimation enthält.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG nicht zu. Die Abmahnung entspricht nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Sie enthält entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG keine ausreichenden Angaben zur Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) der Klägerin.
a) Seit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG mit Wirkung ab dem 01.12.2021 durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ können Mitbewerber lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche nur noch dann geltend machen, wenn sie „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen“. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des vorgenannten Gesetzes soll hiermit der Anspruchsgeltendmachung durch Unternehmer entgegengewirkt werden, deren geschäftliche Tätigkeit ihrem Umfang nach die Zubilligung der Anspruchsberechtigung nicht rechtfertigt, etwa weil die Unternehmer nur einige wenige Waren zu überteuerten Preisen auf einem Portal anbieten, kurz nach Anmeldung des Gewerbes bereits eine hohe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen haben oder sich im Insolvenzverfahren befinden; daher muss ein Mitbewerber, der Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend macht, nachweisen, dass er tatsächlich in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt wie derjenige, der die unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat (vgl. BT-Drucksache 19/12084, S. 26). Bereits hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit und Frequenz der Geschäftstätigkeit nicht auf den Gesamtumfang der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen ist, sondern auf den Vertrieb und die Nachfrage gerade derjenigen Waren oder Dienstleistungen, die das Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsgegner begründen sollen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach durch das Erfordernis der qualifizierten Mitbewerberstellung Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt werden soll, die sich aus einer nur pro forma, aber nicht ernsthaft und nachhaltig betriebenen Geschäftstätigkeit ergeben und die sich durch ein Missverhältnis der Abmahntätigkeit zur sonstigen Geschäftstätigkeit auszeichnen können (BGH, Urteil vom 24.02.2022 – I ZR 128/21 – [Zweitmarkt für Lebensversicherungen II], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Hieraus ergibt sich, dass die ernsthaft und nachhaltig betriebene Geschäftstätigkeit nicht nur allgemein, sondern konkret im Bereich der vom Abgemahnten vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen bestehen muss. Andernfalls wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weil dann für einen Abmahner, der hinsichtlich der von ihm nachhaltig vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer steht, die Möglichkeit bestünde, durch das gelegentliche oder gar einmalige Vertreiben einer die Mitbewerbereigenschaft begründenden Ware oder Dienstleistung die Aktivlegitimation gegenüber dem Verletzer zu generieren, was ersichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass in dem in dem dortigen Verfahren nach der Zurückverweisung wiedereröffneten Berufungsverfahren anlässlich der Prüfung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (nur) diejenigen Geschäftstätigkeiten der dortigen Klägerin in den Blick zu nehmen seien, die sich als gleichartig zu den von der dortigen Beklagten angebotenen Dienstleistungen darstellten (BGH, a.a.O., Rdnr. 26).
Weil das Gesetz von „Vertrieb“ und „Nachfrage“ spricht, reicht darüber hinaus das bloße Anbieten von Waren oder Dienstleistungen nicht aus (BT-Drucksache 19/12084, S. 26; Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. [2025], § 8 Rdnr. 3.29c m.w.N.).
b) Aus der Verschärfung der materiellen Anforderungen an die Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG folgt auch eine Steigerung der Darlegungslast in der Abmahnung. Die Abmahnung muss Angaben zu diesen verschärften Anforderungen enthalten; in der Regel kommen hierzu Angaben über Größenkategorien der Verkaufszahlen in Betracht (vgl. Köhler/Feddersen, a.a.O., § 13 Rdnr. 14).
c) Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nicht gerecht. Ihr lässt sich nicht entnehmen, in welcher Größenordnung die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ vertrieb. Die Abmahnung enthielt zwar die Angabe eines (früheren) Jahresüberschusses. Der Abmahnung lässt sich indes nicht entnehmen, wie sich der genannte Betrag auf die einzelnen Produktsegmente des durchaus breit gefächerten Warensortiments der Klägerin verteilte. Die Angabe der Internetadresse der Klägerin in der Abmahnung ist ohne Bedeutung: Die gesetzlich erforderlichen Angaben müssen in der Abmahnung selbst enthalten sein, der bloße Hinweis auf Recherchemöglichkeiten reicht nicht aus. Im Ergebnis ohne entscheidende Bedeutung ist auch der Vortrag der Klägerin, sie, die Klägerin, müsse der Beklagten schon zum Zeitpunkt der Abmahnung bekannt gewesen sein, weil die Beklagte schon damals auf der Internetplattform „V.“ „hunderte“ Artikel angeboten habe, die zeitgleich auch von ihr, der Klägerin, angeboten worden seien, und man auf der genannten Internetplattform auch „seine Konkurrenz sehe“. Die Beklagte mag auf diese Weise vielleicht einen Überblick über den Umfang des Angebotes der Klägerin gehabt haben. Dies reicht allerdings, wie oben dargestellt, nicht aus. Dass die Beklagte auch Kenntnisse über den tatsächlichen Vertriebserfolg der Klägerin hatte oder zumindest hätte haben müssen, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Erst recht lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, woher die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der Abmahnung hätte wissen müssen, dass die Klägerin die größte Händlerin für Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ auf der Internetplattform „V.“ ist.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 03.04.2025
4 U 29/24
Das OLG Hamm hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht, wenn die Abmahnung keine ausreichenden Angaben zur Aktivlegitimation enthält.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG nicht zu. Die Abmahnung entspricht nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Sie enthält entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG keine ausreichenden Angaben zur Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) der Klägerin.
a) Seit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG mit Wirkung ab dem 01.12.2021 durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ können Mitbewerber lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche nur noch dann geltend machen, wenn sie „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen“. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des vorgenannten Gesetzes soll hiermit der Anspruchsgeltendmachung durch Unternehmer entgegengewirkt werden, deren geschäftliche Tätigkeit ihrem Umfang nach die Zubilligung der Anspruchsberechtigung nicht rechtfertigt, etwa weil die Unternehmer nur einige wenige Waren zu überteuerten Preisen auf einem Portal anbieten, kurz nach Anmeldung des Gewerbes bereits eine hohe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen haben oder sich im Insolvenzverfahren befinden; daher muss ein Mitbewerber, der Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend macht, nachweisen, dass er tatsächlich in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt wie derjenige, der die unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat (vgl. BT-Drucksache 19/12084, S. 26). Bereits hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit und Frequenz der Geschäftstätigkeit nicht auf den Gesamtumfang der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen ist, sondern auf den Vertrieb und die Nachfrage gerade derjenigen Waren oder Dienstleistungen, die das Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsgegner begründen sollen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach durch das Erfordernis der qualifizierten Mitbewerberstellung Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt werden soll, die sich aus einer nur pro forma, aber nicht ernsthaft und nachhaltig betriebenen Geschäftstätigkeit ergeben und die sich durch ein Missverhältnis der Abmahntätigkeit zur sonstigen Geschäftstätigkeit auszeichnen können (BGH, Urteil vom 24.02.2022 – I ZR 128/21 – [Zweitmarkt für Lebensversicherungen II], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Hieraus ergibt sich, dass die ernsthaft und nachhaltig betriebene Geschäftstätigkeit nicht nur allgemein, sondern konkret im Bereich der vom Abgemahnten vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen bestehen muss. Andernfalls wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weil dann für einen Abmahner, der hinsichtlich der von ihm nachhaltig vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer steht, die Möglichkeit bestünde, durch das gelegentliche oder gar einmalige Vertreiben einer die Mitbewerbereigenschaft begründenden Ware oder Dienstleistung die Aktivlegitimation gegenüber dem Verletzer zu generieren, was ersichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass in dem in dem dortigen Verfahren nach der Zurückverweisung wiedereröffneten Berufungsverfahren anlässlich der Prüfung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (nur) diejenigen Geschäftstätigkeiten der dortigen Klägerin in den Blick zu nehmen seien, die sich als gleichartig zu den von der dortigen Beklagten angebotenen Dienstleistungen darstellten (BGH, a.a.O., Rdnr. 26).
Weil das Gesetz von „Vertrieb“ und „Nachfrage“ spricht, reicht darüber hinaus das bloße Anbieten von Waren oder Dienstleistungen nicht aus (BT-Drucksache 19/12084, S. 26; Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. [2025], § 8 Rdnr. 3.29c m.w.N.).
b) Aus der Verschärfung der materiellen Anforderungen an die Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG folgt auch eine Steigerung der Darlegungslast in der Abmahnung. Die Abmahnung muss Angaben zu diesen verschärften Anforderungen enthalten; in der Regel kommen hierzu Angaben über Größenkategorien der Verkaufszahlen in Betracht (vgl. Köhler/Feddersen, a.a.O., § 13 Rdnr. 14).
c) Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nicht gerecht. Ihr lässt sich nicht entnehmen, in welcher Größenordnung die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ vertrieb. Die Abmahnung enthielt zwar die Angabe eines (früheren) Jahresüberschusses. Der Abmahnung lässt sich indes nicht entnehmen, wie sich der genannte Betrag auf die einzelnen Produktsegmente des durchaus breit gefächerten Warensortiments der Klägerin verteilte. Die Angabe der Internetadresse der Klägerin in der Abmahnung ist ohne Bedeutung: Die gesetzlich erforderlichen Angaben müssen in der Abmahnung selbst enthalten sein, der bloße Hinweis auf Recherchemöglichkeiten reicht nicht aus. Im Ergebnis ohne entscheidende Bedeutung ist auch der Vortrag der Klägerin, sie, die Klägerin, müsse der Beklagten schon zum Zeitpunkt der Abmahnung bekannt gewesen sein, weil die Beklagte schon damals auf der Internetplattform „V.“ „hunderte“ Artikel angeboten habe, die zeitgleich auch von ihr, der Klägerin, angeboten worden seien, und man auf der genannten Internetplattform auch „seine Konkurrenz sehe“. Die Beklagte mag auf diese Weise vielleicht einen Überblick über den Umfang des Angebotes der Klägerin gehabt haben. Dies reicht allerdings, wie oben dargestellt, nicht aus. Dass die Beklagte auch Kenntnisse über den tatsächlichen Vertriebserfolg der Klägerin hatte oder zumindest hätte haben müssen, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Erst recht lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, woher die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der Abmahnung hätte wissen müssen, dass die Klägerin die größte Händlerin für Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ auf der Internetplattform „V.“ ist.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: