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OLG Nürnberg: Wettbewerbsverstoß wenn ein Online-Shop Vorkasse verlangt und der Vertragsschluss erst mit Zustellung der Ware erfolgt

OLG Nürnberg
Urteil vom 30.01.2024
3 U 1594/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine unangemessene Benachteiligung und somit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Online-Shop Vorkasse verlangt und der Vertragsschluss erst mit Zustellung der Ware erfolgt

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die in Nr. 6 der AGB für die Zahlungsoption „Vorkasse“ getroffenen Regelungen und die entsprechende Praxis der Beklagten sind mit AGB-rechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, wenn zugleich die in Nr. 1 ihrer AGB getroffene Regelung verwendet wird, und stellen damit eine unlautere Handlung i.S.v. § 3a UWG dar. Der Kläger kann deshalb nach § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung entsprechender Aufforderungen zur Vorleistung verlangen; ebenso steht ihm ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sind gegeben und werden von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dahinstehen kann auch, ob das Unterlassungsbegehren des Klägers auch im Wege der Unterlassungsklage nach § 1 oder § 2 UKlaG verfolgt werden könnte, weil das UKlaG keine abschließende Wirkung besitzt und daher den berechtigten Verbänden auch eine Rechtsverfolgung auf Grundlage der lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen eröffnet ist, weil das Verwenden unzulässiger AGB den Tatbestand des § 3a UWG, jedenfalls des § 3 Abs. 2 UWG, verwirklicht; dasselbe muss für entsprechende Praktiken gelten. Anerkannt ist auch, dass an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB nicht nur Regelungen zu messen sind, die den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten betreffen, sondern auch Bestimmungen, dazu, wann und wie der Vertrag zustande kommt.

2. Der verfolgte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG) darüber, wann der Vertrag geschlossen wird.

a) Der Zeitpunkt, zu welchem der Vertrag zustande kommen soll, ist in Nr. 1 der AGB eindeutig und transparent angegeben.

b) Eine Irreführung der Verbraucher erfolgt nicht dadurch, dass die Beklagte nach Eingang der Bestellung den Kunden automatisiert eine Bestellbestätigung übersendet. Zwar dürfte eine Bestellbestätigung oftmals eine Annahmeerklärung darstellen oder zumindest so empfunden werden; dies gilt allerdings nur, wenn sich nichts Abweichendes aus ihrem Inhalt ergibt. So liegt der Fall hier, weil die Beklagte in der Bestellbestätigung ausdrücklich darauf hinweist, dass die Bestätigung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen übermittelt wird, aber noch keine Vertragsannahme darstellt, sondern diese erst in der Zustellung der Ware liegt.

c) Ebenso wenig ergibt sich eine Irreführung des Verbrauchers daraus, dass er zuvor im Zuge des Bestellvorgangs den Button „zahlungspflichtig bestellen“ zu betätigen hatte. Der Kunde gibt damit ein verbindliches Angebot zum Kauf einer Ware zu dem angegebenen Preis ab (§ 145 BGB), das (im Fall späterer Annahme gern. §§ 147 ff. BGB) eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung nach sich zieht. Der entsprechende Hinweis Ist daher geschuldet und erforderlich, um dem Kunden in der gebotenen Weise klarzumachen, dass er sich bindet und einer Zahlungspflicht aussetzt, deren Entstehen er nicht mehr verhindern kann. Diese Selbstbindung des Kunden, vor der durch den Button gewarnt wird, genügt aber nicht für den Vertragsschluss.

d) Ohne Erfolg bleibt schließlich der in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter unternommene Hinweis auf die Regelung zum Verzug im vorletzten Absatz der Nr. 6 der AGB. Ein Verzug setzt zwar denknotwendig das Bestehen einer fälligen und auch im Übrigen durchsetzbaren Pflicht voraus, was praktisch bedeutet, dass zuvor ein Kaufvertrag zustande gekommen sein muss. Die Regelung in diesem Absatz ist aber nicht ausdrücklich oder aus systematischen Gründen ausschließlich auf den Fall der Bezahlung per Vorkasse bezogen. Vielmehr finden sich in den vorangegangenen Absätzen der Nr. 6 auch Regelungen zur Bezahlung per Sofortüberweisung, Kreditkarte, Rechnung, Einlösung eines Gutscheins oder Finanzierung. Auch dann, wenn der Vertragsschluss erst mit der Zustellung der Ware erfolgt, kann insbesondere im Fall der Zahlung per Rechnung ein Verzug eintreten; der vorletzte Absatz der Nr. 6 hat dann einen sinnvollen Inhalt. Dasselbe gilt, wenn eine Überweisung oder Kreditkartenbelastung ausnahmsweise keinen Bestand hat.

Unabhängig davon, ob es als Irreführung über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzusehen wäre, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergäbe, dass der Kläger inkonsistente Bestimmungen verwendet, liegt ein solcher Fall somit nicht vor. Vielmehr ist – was insoweit auch nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass in Verfahren der vorliegenden Art die „kundenfeindlichste Auslegung“ heranzuziehen ist – die Regelung im vorletzten Absatz der Nr. 6 dahin zu verstehen, dass sie einen wirksamen Vertragsschluss nach Maßgabe der übrigen Bestimmungen voraussetzt, aber gerade keine Geltung beanspruchen soll, wenn sich nach den übrigen Bestimmungen ein Vertragsschluss und damit ein Verzug noch nicht ergab.

3. Ebenso kann der Senat das Vorgehen der Beklagten, die Zustellung der Ware als Annahme zu definieren, nicht als Zugangsfiktion (die nach § 308 Nr. 6 BGB unzulässig wäre) oder als Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung (die an § 307 BGB zu messen wäre, vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 6 Rn. 5) bewerten.

Die Bestimmung in Nr. 1 führt dazu, dass mit der Zustellung der Ware eine Willenserklärung verbunden wird, was bedeutet, dass eine Annahmeerklärung i.S.v. §§ 147 ff. BGB jedenfalls erfolgen soll. Der Kunde nimmt auch aus den nachfolgend dargestellten Gründen regelmäßig wahr, dass die Ware zugestellt wurde (was bei der „Versendung der Ware“, auf die in dem vom Landgericht München I entschiedenen Sachverhalt abgestellt wurde, gerade nicht der Fall ist).

Fraglich kann daher nur sein, ob diese Gleichsetzung den Kunden gegenüber einer „gewöhnlichen“ Form der Annahme unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB). Dies kann der Senat, wie der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht erkennen: Die Zustellung der bestellten Ware, mit der erkennbar die Übergabe nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB bewirkt werden soll, setzt voraus, dass die Ware in den Besitz des Empfängers gelangt i.S.v. § 854 BGB, also in seine räumliche tatsächliche Herrschaftssphäre verbracht wird. Damit werden auch alle Voraussetzungen erfüllt, die nach den Grundsätzen zu § 130 Abs. 1 S. 1 BGB an den Zugang einer Willenserklärung zu stellen sind. Die Ablieferung oder ggf. eine Information darüber, wo die Ware abgeholt werden kann (z.B. Packstation) ist nicht weniger leicht wahrzunehmen als eine E-Mail, ein Brief o.Ä„in der ausdrücklich erklärt wird, dass das Angebot angenommen worden sei.

Daher kann dahinstehen, ob der formulierte Antrag und das in den Schriftsätzen zum Ausdruck gebrachte Begehren des Klägers, welches sich gegen das Vorkasse-Verlangen richtet, Erfolg haben könnte, wenn die Bestimmung in Nr. 1 aus solchen Gründen unwirksam wäre.

4. Aus demselben Grund muss nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Regelung in Nr. 1 generell, d.h. losgelöst von der Situation, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, zulässig ist. Bedenken ergeben sich insoweit daraus, dass wegen der Bedeutung der Zustellung der Ware die Lieferfrist, die in Nr. 3 behandelt wird, zugleich Bedeutung als Frist für die Annahme des Angebots gewinnt, und wegen der Gestaltung der Nr. 3 der Verbraucher nicht hinreichend sicher feststellen kann, ob sein Angebot angenommen wurde und bis wann er daran gebunden ist.

a) § 308 Nr. 1 BGB verbietet u.a. Bestimmungen, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält Das Verbot nicht hinreichend bestimmter oder zumindest bestimmbarer Fristen soll gewährleisten, dass der Verbraucher erkennen kann, ob er noch an sein Angebot gebunden ist oder er zur Deckung seines Bedarfs einen anderen Vertrag schließen muss, ohne zu riskieren, zweifach gebunden zu sein. Die Frist für die Annahme des Angebots muss dazu nach Beginn, Dauer und Ende ohne Schwierigkeit oder rechtliche Beratung berechenbar sein (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9; BeckOGK/Weiler, 1.9.2023, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 122; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Die fehlende Feststellbarkeit kann sich z.B. aus der Verwendung unbestimmter Zeitbegriffe, aus der Anknüpfung an den Eintritt von Bedingungen oder aus der Anknüpfung an Entscheidungen des Verwenders oder Dritter ergeben (Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Unwirksam sind danach nicht nur Klauseln, in denen der Verwender sich für die Annahme des von dem Kunden gemachten Angebots eine nicht hinreichend bestimmte Frist ausbedungen hat, wie etwa bei Bindung „bis zum Eingang einer sachlichen Antwort“ oder „bis zum Ende der Saison“, sondern auch, wenn die Bindung „bis zur Versendung der Ware“ bestehen soll (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Während Höchstfristen („Bindung an Bestellung höchstens 10 Tage“) das Erfordernis der Bestimmtheit oder wenigstens Bestimmbarkeit noch erfüllen, genügen „circa-Fristen“ hierzu nicht (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Als unzulässig wurde auch eine Klausel bewertet, nach der die Annahme des Vertragsangebots durch den Unternehmer unter der Bedingung des Zahlungseingangs steht, weil der Kunde nicht in der Lage ist, zu erkennen, wie lange er an sein Angebot gebunden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808).

b) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, dass die „Auslieferung“, zu der sich Nr. 3 verhält, der „Zustellung“ i.S.v. Nr. 1 entspricht, lässt sich damit nicht, d.h. weder für den durchschnittlichen Verbraucher noch für sonstige Personen außerhalb der Sphäre der Beklagten, feststellen, wie lange die Beklagte befugt sein soll, das Angebot noch anzunehmen; wegen der Übereinstimmung von Annahmefrist und Bindung bedeutet dies, dass der Verbraucher nicht erkennen kann, wie lange er an sein Angebot gebunden sein soll. Die in Nr. 3 der AGB enthaltenen Lieferfristen, die insoweit auch den möglichen Zeitraum für die Annahme definieren, sind dort ausdrücklich als ca-Fristen angegeben („ca. 10 Werktage“ bei per Spedition gelieferten Waren; i.Ü. „ca. 1-3 Werktage“). Der Verbraucher hat also auch nach Ablauf der dort genannten Zeiträume keine Gewissheit, dass die Beklagte den Vertragsschluss abgelehnt hat und er deshalb von der Bindung an das Angebot freigeworden ist, sondern muss auch über diese Zeiträume hinaus für eine nicht sicher eingrenzbare Zeitspanne damit rechnen, dass die Beklagte noch durch Bewirkung der Zustellung und die darin liegenden Annahmeerklärung den Vertrag zustande kommen lassen will. Die angegebenen Fristen können gerade nicht als Höchstfristen verstanden werden.

5. Die Klage hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil die Vorkasse-Regelung in Nr. 6 aufgrund der Kombination mit der Regelung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags die Verbraucher unangemessen benachteiligt.

a) Die Bestimmung im 5. Absatz der Nr. 6 der AGB der Beklagten, die das Vorgehen bei Bezahlung per Vorkasse regelt, sieht vor, dass der Kunde den vollen Rechnungsbetrag innerhalb von 7 Tagen nach der Bestellung an die Beklagte zu überweisen hat. Weder bei Beauftragung der Überweisung durch den Kunden noch bei Zahlungseingang bei der Beklagten besteht jedoch bereits ein schuldrechtlicher Kaufvertrag, weil nach Nr. 1 dieser erst mit der mehrere Tage späteren Zustellung der Ware geschlossen wird.

b) Der Senat sieht mit dem Kläger und dem OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808) einen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.v. § 397 Abs. 1 Nr. 1 BGB darin, dass Leistungen nur erbracht werden müssen oder sollen, wenn ein Rechtsgrund besteht, und dementsprechend ein Verlangen nach einer Leistung nur geäußert werden darf, wenn bereits eine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet worden ist. Hiervon dürfte § 241 Abs. 1 BGB als selbstverständlich ausgehen. Jedenfalls liegt der geltenden Zivilrechtsordnung das Prinzip zugrunde, dass Verträge durch einen Konsens der Parteien geschlossen werden und sich daraus die wechselseitigen Verpflichtungen ergeben (§ 311 Abs. 1 BGB). Umgekehrt ist nicht geschuldeten Leistungen immanent, dass sie nicht erbracht werden müssen; die Rechtsordnung kennt auch keine Fälle, in denen vorgesehen ist, dass solche Leistungen (obwohl nicht geschuldet) erbracht werden, um den anderen zu einer Vertragsannahme zu bewegen. Zu den Grundgedanken gehört somit auch, dass niemand Leistungen erbringen muss, ohne äquivalente Ansprüche auf eine Gegenleistung zu besitzen.

Gegen diese Annahmen sprechen auch nicht die Regelungen zur in der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB) und/oder der Handschenkung (§ 518 Abs. 2 BGB). Danach ist zwar denkbar, dass jemand im Wissen um das Nichtbestehen einer Schuld leistet, weil er einen Rechtserfolg oder ein tatsächliches Handeln des anderen herbeiführen will (und zwar im klassischen Fall der Handschenkung gerade die Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses). Jedoch geht in diesen Fällen stets die Initiative vom Leistenden aus, während vorliegend der Verwender und Leistungsempfänger ein entsprechendes Verlangen äußert, um sein Absatzgeschäft tätigen zu können. Eine derartige Situation findet sich im BGB an keiner Stelle. Darüber hinaus könnten selbst solche Sondersituationen nicht dazu führen, dass der zuvor beschriebene Mechanismus als Grundgedanke anzusehen wäre.

Der Grundsatz, dass im Zuge von entgeltlichen Austauschverträgen unter nicht persönlich bekannten Parteien Leistungen erst dann zu erbringen sind, wenn eine vertragliche Bindung besteht und damit die wechselseitigen Ansprüche entstanden sind, ist auch keine bloße Verlegenheits- oder Zweckmäßigkeitslösung, sondern Ausdruck eines entsprechenden Gerechtigkeitsgedankens. Es ist bei entgeltlichen Austauschverträgen grundsätzlich keiner Vertragspartei zuzumuten, eine Leistung erbringen zu müssen oder zu sollen, ohne bereits selbst die entsprechenden, synallagmatischen Leistungen beanspruchen zu können.

c) Wegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB impliziert die durch Nr. 1 der AGB bewirkte Abweichung von diesen Grundsätzen die Unangemessenheit der Regelung. Diese wird im vorliegend zu untersuchenden Fall, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, auch nicht widerlegt:

aa) Die Beklagte besitzt zwar ein legitimes Interesse daran, nicht dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass der Besteller den Kaufpreis für die Ware nicht leisten will oder nicht leisten kann; in Fällen, in denen sie sich nicht auf eine Zahlung per Rechnung einlassen will und keine Zahlung durch Einschaltung eines geeigneten Intermediärs sichergestellt ist, bleibt damit nur die Sicherung durch „Vorkasse“. Dies stellt auch der Kläger ausdrücklich nicht in Abrede.

Dieses Interesse rechtfertigt jedoch nur, eine Vorauszahlung zu verlangen. Der anzuerkennende Bedarf nach Absicherung gegen einen Zahlungsausfall kann aber nicht legitimieren, auch den Vertragsschluss hinauszuschieben.

bb) Die vom Gesetz für derartige Fälle zugelassene und vorgesehene Lösung, den Vertrag sogleich zu schließen und sich lediglich (abweichend von § 320 BGB) auszubedingen, die eigene Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung (hier: Zahlungseingang) zurückbehalten zu dürfen, und sich bei Ausbleiben der Zahlung vom Vertrag lösen zu können (§ 323 Abs. 1 BGB) trägt dem beschriebenen Interesse der Beklagten in jeder Hinsicht Rechnung.

Insbesondere ist es entgegen der Argumentation des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht so, dass die Beklagte bei dieser Gestaltung zunächst den Kunden auf Kaufpreiszahlung verklagen müsste. Vielmehr kann sie nach Maßgabe des § 323 Abs. 1 BGB den Rücktritt erklären, wenn der Kunde die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erbringt.

Richtig ist zwar, dass für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB eine Fristsetzung oder vergleichbare Aufforderung erforderlich ist, was zum einen voraussetzt, dass der Kunde erreicht werden kann, und zum anderen dazu führt, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum die Ware vorhalten muss, ohne sicher zu sein, ob es zum Vollzug des Vertrags kommt oder nicht. Diese Nachteile sind ihr jedoch grundsätzlich zuzumuten. Insoweit ist zu bedenken, dass die Regelung in § 323 Abs. 1 BGB, nach der es einer entsprechenden Aufforderung bedarf, ebenfalls eine gesetzgeberische Grundentscheidung darstellen dürfte; dies folgt daraus, dass eine formularmäßige Erweiterung der Regelung in § 323 Abs. 2 BGB, wie sie bei einer Abbedingung des Fristsetzungserfordernisses gegeben wäre, nach dem Klauselverbot des § 309 Nr. 4 BGB gegenüber Verbrauchern unzulässig ist (BeckOK BGB/H. Schmidt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 323 Rn. 23). Der Gesetzgeber wollte dem schuldenden Verbraucher eine erneute Gelegenheit nach vorangegangener Warnung zubilligen, bevor sich der Gläubiger von dem Vertrag lösen kann. Die von der Beklagten gewählte Konstruktion zielt jedenfalls in dieselbe Richtung, da sie der Beklagten eine Möglichkeit verschaffen soll, sich kurzfristig von Zusagen zu lösen, wenn der andere die Leistung nicht erbringt. Im Übrigen muss die Beklagte die Konsequenzen daraus tragen, dass sie im anonymisierten Online-Verkehr Waren absetzt und daher, zumal eine Zug-um-Zug-Ab- wicklung praktisch nicht durchführbar ist, gewissen Solvenzrisiken ausgesetzt ist. Soweit die Beklagte schließlich auf mögliche Schwierigkeiten verweist, eine Nachfrist zu setzen, kann dies allenfalls theoretischer Natur sein, da im Zuge der Online-Bestellung ohnehin eine E-Mail-Adresse abgefragt wird, die für eine entsprechende Kommunikation genutzt werden kann (und für die Bestellbestätigung offenbar auch genutzt wird).

cc) Umgekehrt führt das Zusammenspiel der beiden AGB-Regelungen dazu, dass der Verbraucher über einen gewissen Zeitraum das Insolvenzrisiko der beklagten Verwendern zu tragen hat, ohne dass hiergegen eine Absicherung zu seinen Gunsten erfolgt, und dass der Kunde die Liquidität entbehren muss, ohne sicher sein zu können, dass es zu einem Vertragsschluss kommt und er ggf. Ansprüche auf das positive Interesse besitzt.

Den Nachteil, der sich daraus ergibt, dass der Kunde das Insolvenzrisiko hinsichtlich der Beklagten trägt, wird man dabei zwar grundsätzlich noch als notwendige Kehrseite der Vorauszahlungsabrede begreifen und rechtfertigen können (zu den sich aus § 307 BGB ergebenden Anforderungen an eine Vorleistungsklausel vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, Teil V Rn. 507; OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. Mai 1998 – 2 U 8-98, NJW-RR 1998, 1753), zumal der Kunde auch grundsätzlich andere Möglichkeiten hat, die Zahlung zu bewirken, und gewisse Konsequenzen tragen muss, wenn er hierzu nicht in der Lage ist.

Jedoch bewirkt die Verbindung von Vorkasse-Abrede und spätem Vertragsschluss, dass der Kunde an die Beklagte den Kaufpreis leisten muss, ohne dass bereits ein Vertrag zustande gekommen ist und er seinerseits einen Anspruch auf die Gegenleistung besitzt.

Auch wenn die Beklagte eine Reservierung des Gegenstands verspricht und gewisse Lieferfristen benennt, bietet dies nicht denselben Schutz wie ein vollwirksamer Kaufvertrag. Der Kunde könnte nur das negative Interesse ersetzt verlangen, wenn der Gegenstand doch nicht mehr zur Verfügung steht oder die Beklagte aus anderen Gründen die Lieferung nicht unternimmt, ebenso, wenn die Ware beim Versand verloren geht oder zerstört oder beschädigt wird und die Lieferung eines Ersatzgegenstands wegen Erschöpfung des Vorrats nicht mehr möglich ist. Das gesamte Risiko, dass nur im Umfang der Bevorratung Kaufverträge geschlossen werden, und die eingegangenen und bestätigten Bestellungen tatsächlich durch Auslieferung an den Verbraucher bedient werden können, wird faktisch auf den Kunden überwälzt, wenn erst die Zustellung vertragliche Verpflichtungen begründen soll. Insbesondere stellt auch die Zusage, die Ware über einen gewissen Zeitraum für den Kunden zu reservieren, keine einem Vorvertrag gleichbedeutende Verpflichtung dar, aus der im Fall einer Verletzung Ersatz des positiven Interesses beansprucht werden könnte; jedenfalls käme eine solche unbedingte Bindung nicht mit der nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu fordernden Deutlichkeit zum Ausdruck. Zudem würde diese Reservierung nicht gegen das Risiko eines Verlustes etc. in der Phase des Transports schützen.

Ein vorvertragliche Schuldverhältnis, wie es nach einer der Varianten des § 311 Abs. 2 BGB zustande kommt, wenn ein Kunde zwecks Lieferung und Vertragsschluss eine Bestellung aufgibt, begründet grundsätzlich nur Schutz- und Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, aber keine Erfüllungsansprüche. Der Kunde könnte daher, wenn die Beklagte – sei es aus willkürlichen Erwägungen, sei es, weil sie versehentlich keine Reservierung der Ware vorgenommen hat oder weil die Lieferung wegen Fehlern beim Transport nicht ankommt – die Zustellung der Ware nicht bewirkt und so einen Kaufvertrag nicht zustande kommen lässt, weder Lieferung in natura noch Schadensersatz statt der Leistung i.S.v. § 280 Abs. 3 BGB verlangen. Aufgrund der vorgenannten Aspekte, die eine Symmetrie der Rechten und Pflichten der Vertragspartner bedingen, erscheint es nicht hinnehmbar, dass der Kunde die volle Leistung erbringen muss, aber keine adäquaten Mittel im Fall einer Pflichtverletzung des Verkäufers besitzt, weil dieser aufgrund der gewählten Gestaltung Verpflichtungen noch nicht eingegangen ist.

Auch aus § 282 BGB ergibt sich nichts anderes. Richtig ist zwar, dass § 311 Abs. 2 BGB Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB entstehen lässt und § 282 BGB unter den dort genannten Bedingungen zu Schadenersatz statt der Leistung verpflichtet, wenn solche Pflichten verletzt wurden. Die Anwendung des § 282 BGB setzt aber voraus, dass durch das Schuldverhältnis Leistungspflichten, d.h. Ansprüche auf Erfüllung, an deren Stelle der Schadenersatz statt der Leistung treten kann, anderweitig begründet sind (so ausdrücklich auch BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 34; Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 15); die Bestimmung kann solche nicht erst herbeiführen. Dies folgt jedenfalls daraus, dass § 282 BGB dann, wenn der Schuldner seine Leistungspflichten ordnungsgemäßerfüllt und nur Nebenpflichten verletzt hat, einen Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung eröffnen soll (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1; BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 3, 8), um einer drohenden Verletzung des Integritätsinteresses zu begegnen (Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 1). Die Bestimmung erweitert insoweit die Haftung des Schuldners auf das Erfüllungsinteresse wegen einer Leistungspflicht über die Fälle des § 281 BGB hinaus (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1), indem er eröffnet, eine an sich ordnungsgemäß erbrachte/erbringbare Leistung abzulehnen und statt dessen Geldersatz zu begehren. Dies zeigt, dass die Bestimmung eine solche Leistungspflicht nicht begründen kann, sondern voraussetzt. Insoweit ist nicht denkbar, dass § 282 BGB zu einem Schadenersatz statt einer Leistung, welche nicht bereits rechtsgeschäftlich begründet ist und nicht geschuldet ist, verpflichten soll.

Der Senat legt dabei ausdrücklich zugrunde, dass dem Kunden ein vollwertiger Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge zusteht, und insoweit kein Nachteil für ihn besteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB bzw. §812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, die aufgrund der Besonderheiten jeweils auch nicht an den Konditionssperren des § 814, § 815 BGB scheitern. Zudem dürfte Grundlage eines solchen Anspruchs auch entweder § 311 Abs. 2 BGB oder unmittelbar die Vorauszahlungsabrede selbst sein. Die Sicherung der Rückzahlung deckt aber die Interessen des Kunden nicht vollständig ab, weil er ein Interesse an weitergehenden Ansprüchen haben darf, wenn er selbst eine Leistung vollständig und ordnungsgemäß erbracht hat, der Verkäufer dies aber nicht tut.

dd) Die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung bedeutet im Streitfall einen nicht unerheblichen Liquiditätsverlust für den Kunden, ohne dass er Erfüllungs- oder gleichwertige Ersatzansprüche besitzt.

Insoweit sind die Auswirkungen der Regelung in Nr. 1 der AGB bei der Option „Vorkasse“ wesentlich gewichtiger als in den anderen Fällen. Der Kunde, der bei Wahl der „Vorkasse“ typischerweise ohnehin finanziell schlecht aufgestellt sein wird, muss über einen Zeitraum von rund 2 Wochen die Liquidität entbehren, ohne Gewissheit zu haben, die Ware geliefert zu bekommen.

Unerheblich muss sein, dass – wie der Beklagtenvertreter angemerkt hat – der Kunde die Liquidität auch entbehren muss, wenn ein Vertrag geschlossen wurde, der Unternehmer aber nicht liefert. In diesem Fall stehen dem Kunden nämlich jedenfalls Ansprüche aus Verzug oder auf Schadensersatz statt der Leistung zu, woran es vorliegend wegen der von der Beklagten gewählten Gestaltung gerade fehlt.

d) Insgesamt bewirkt daher das Hinausschieben des Vertragsschlusses jedenfalls im vom Kläger angegriffenen Fall, wenn der Kunde die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt hat/wählen musste, erhebliche Nachteile für den Kunden. Er wird, falls die Beklagte ihren Ankündigungen nicht nachkommt, im Hinblick auf Erfüllungs- und Ersatzansprüche weitgehend schutzlos gestellt; er muss die Liquidität über einen längeren Zeitraum entbehren, ohne sicher sein zu können, dass er die Ware geliefert bekommt. Die Beklagte könnte sich gegen das Risiko, die Leistung zu erbringen, ohne die Gegenleistung zu erhalten, anderweitig absichern; einen Schutz dagegen, hier zuerst das Procedere der Nachfristsetzung durchlaufen zu müssen, kann sie nicht beanspruchen. Die von der Beklagten in Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 getroffene und praktizierte Regelung weicht damit in ungerechtfertigter Weise vom gesetzlichen Leitbild ab. Selbst nach dem Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wäre überdies aus den genannten Gründen eine unzumutbare Benachteiligung wider Treu und Glauben gegeben.

Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass es irrelevant ist, dass der Kunde zunächst nicht verpflichtet ist, die Vorleistung zu erbringen, da eine vertragliche Verpflichtung noch nicht zustande gekommen sei. Daraus, dass ihm die faktische Obliegenheit auferlegt wird, die Zahlung zu leisten, ohne eine ausreichend gesicherte und gleichwertige rechtliche Position zu besitzen, resultiert gerade die Benachteiligung.

e) Der Unterlassungsanspruch mit dem zuletzt genannten Inhalt ist daher gegeben. Der Senat fasst den Tenor geringfügig anders als den Berufungsantrag, um den Inhalt prägnanter zum Ausdruck zu bringen, ohne dass damit eine Einschränkung oder Teilzurückweisung verbunden wäre.

f) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist dementsprechend nach § 13 Abs. 3 UWG dem Grunde nach gerechtfertigt, der Anspruch auf Verzinsung folgt aus § 291 BGB. Der geforderte Betrag von 260,00 € entspricht nach der Erfahrung des Senats, der als Spezialsenat u.a. für UWG-Sachen regelmäßig mit solchen Fragestellungen befasst ist, dem, was üblicherweise von Verbänden wie dem Kläger angesetzt wird; insbesondere fallen zur Bearbeitung derartiger Vorgänge typischerweise die in Ansatz gebrachten Stunden für die jeweiligen Kräfte an, was wiederum entsprechende Personalkosten auslöst.

6. Wegen der Nebenentscheidungen ergibt sich:

a) Die Beklagte hat, da sie unterlegen ist, nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.

b) Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 543 ZPO nicht erkennbar ist. Im Senat ist nicht bekannt, dass auch andere Online-Händler derartige Klauselkombinationen verwenden und das angegriffene Verhalten praktizieren, so dass sich die aufgeworfenen Fragen in einer größeren Vielzahl von Fällen stellen würde; auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung wurde derartiges nicht aufgezeigt. Die Entscheidung beruht auf eine Anwendung des Gesetzes und hierzu ergangener, anerkannter Grundsätze auf den Einzelfall, ohne dass „Neuland“ betreten würde. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Gerichte ab. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass eine höchstrichterliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren die Klärung grundsätzlicher Fragen oder die Fortentwicklung der Rechtsprechung bewirken könnte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Im kostenpflichtigen Plus-Bereich der Internet World - Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zum Thema Lieferkettengesetz

Im kostenpflichtigen Plus-Bereich der Internet World erschien ein Beitrag von Bärbel Edel mit dem Titel "Kampf gegen Ausbeutung - Neues Lieferkettengesetz: Was müssen Onlinehändler tun?" mit einigen Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zu den relevanten rechtlichen Aspekten.

LG München: Online-Shop muss Eingang der Bestellung nach § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB unverzüglich bestätigen - formularmäßiger Zugangsverzicht für Annahmeerklärung in AGB unwirksam

LG München
Urteil vom 15.02.2022
33 O 4638/21

Das LG München hat entschieden, dass ein Online-Shop den Eingang der Bestellung nach § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB unverzüglich bestätigen muss und ein formularmäßiger Zugangsverzicht für die Annahmeerklärung in AGB unwirksam und wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von § 3 Abs. 4 AGB aus § 1 UKIaG, da die Klausel den Verbraucher unangemessen benachteiligt (§§ 307 Abs. 1 BGB).

1. Die Klägerin ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKIaG gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKIaG aktivlegitimiert.

2. Die beanstandete Klausel enthält aufgrund des in ihr statuierten Zugangsverzichts eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

a. Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ist eröffnet. Die beanstandete Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung und damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 BGB. Diese weicht auch von Bestimmungen des dispositiven Gesetzesrechts ab (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB), da sie entgegen § 130 Abs. 1 BGB einen tatsächlichen Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten für entbehrlich erklärt.

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist vorliegend das spezielle Klauselverbot des § 308 Nr. 6 BGB nicht einschlägig. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere unwirksam eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Denn die beanstandete Klausel enthält bei genauer Betrachtung keine Fiktion eines Zugangs, sondern erklärt jedenfalls implizit einen Zugang der Annahmeerklärung für den Fall der Versendung der Ware für gänzlich entbehrlich. Es handelt sich somit um die Konstellation eines formularmäßigen Zugangsverzichts. Dieser Fall ist aber von § 308 Nr. 6 BGB nicht erfasst (MüKoBGB/Wurmnest, BGB, 8. Aufl. 2019, § 308 Nr. 6 Rn. 5 m.w.N.).

c. Die beanstandete Klausel benachteiligt den Vertragspartner aber unangemessen, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa. Unangemessen ist eine Benachteiligung dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von Vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2010, 57). Ob im Einzelfall eine Benachteiligung als unangemessen einzustufen ist, muss anhand einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände ermittelt werden. Von Bedeutung sind dabei insbesondere die Art des konkreten Vertragstyps, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien (BGH NJW 2010, 2793). Auszugehen ist dabei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags. Die zu überprüfende Klausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Gegenstands des Vertrags auszulegen und zu bewerten (BGHZ 106, 263).

bb. Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt auch im Streitfall vor. Zwar sehen die Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts grundsätzlich die Möglichkeit eines Zugangsverzichts vor (§ 151 BGB, zur Rechtsnatur etwa MüKoBGB/Busche, BGB, 9. Aufl. 2021, § 151 Rn. 3 m.w.N.). Ein formularmäßiger Zugangsverzicht stellt aber einen Nachteil für den Vertragspartner hat, weil er aufgrund dessen keine genaue Kenntnis vom genauen Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags hat. Diese Kenntnis ist für den Verbraucher aber gerade in Fällen des Erwerbs über das Internet wichtig, weil er - auch vor dem Hintergrund eines gesetzlichen Widerrufsrechts (§ 312g Abs. 1 BGB) - bis zur Kenntnis unter Umständen alternative Angebote prüft und in diesem Zusammenhang entsprechende Dispositionen vornimmt. Demgegenüber ist ein nachvollziehbares Interesse der Beklagten für die Vereinbarung eines Zugangsverzichts für den Fall der Versendung der Ware nicht erkennbar, zumal in den weiteren in der Klausel genannten Alternativen des Versandes der Bestellbestätigung oder der Übermittlung einer Versandbestätigung ein Zugang zumindest implizit für nicht entbehrlich erachtet wird. Der Verwender wird durch den Zugangsverzicht im Falle der Alternative „Versendung der Ware“ auch in beweisrechtlicher Hinsicht privilegiert, da er in einem etwaigen späteren Prozess für den wirksamen Vertragsschluss nicht den Zugang der Annahmeerklärung, sondern lediglich den tatsächlichen Versand der Ware darlegen und beweisen muss. Für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung spricht schließlich die Wertung des § 308 Nr. 6 BGB, wonach die formularmäßige Vereinbarung einer Fiktion des Zugangs bei Erklärungen von besonderer Bedeutung - zu denen die Annahmeerklärung wegen ihrer potentiell rechtliche Pflichten begründenden Wirkung ohne Weiteres gehört - in der Regel unwirksam ist. Die Interessenlage zwischen Zugangsfiktion einerseits und Zugangsverzicht andererseits ist vergleichbar, weil beide Institute sich in ihren Wirkungen nicht wesentlich unterscheiden.

II. Durch die Nichtversendung einer elektronischen Eingangsbestätigung hat die Beklagte gegen die verbraucherschützende Pflicht aus § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB verstoßen (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit b) UKIaG, vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 40. Aufl. 2022, § 2 UKIaG Rn. 4).

1. Der Anwendungsbereich der besonderen Vorschriften über Verbraucherverträge ist gem. § 312 Abs. 1 BGB eröffnet. Hiergegen erinnert auch die Beklagte nichts.

2. Nach § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB hat ein Unternehmer, der sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient, dem Kunden den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Gegen diese Pflicht hat die Beklagte im Hinblick auf die streitgegenständliche Bestellung verstoßen.

a. Da streitgegenständlich vorliegend eine über den Online-Shop der Beklagten geschlossene Bestellung ist, liegt die Voraussetzung des Gebrauchs von Telemedien i.S.d. § 312 i Abs. 1 BGB vor.

b. Die Bestellung ist der Beklagten auch zugegangen. Dies folgt schon daraus, dass diese den Verbraucher mit E-Mail vom 30.09.2020 (Anlage SL 6) zur Zahlung des offenen Betrags aufforderte.

c. Die Beklagte hat dem beschwerdeführenden Verbraucher entgegen § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB dessen Bestellung nicht unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB, vgl. zur entsprechenden Anwendung im Rahmen von § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB etwa MüKoBGB/Wendehorst, BGB, 8. Aufl. 2019, § 312 i Rn. 97). Diese Voraussetzung ist allenfalls dann erfüllt, wenn die elektronische Eingangsbestätigung wenige Stunden nach der Bestellung, bei Bestellungen in den späten Abendstunden am nächsten Tag zu den üblichen Geschäftszeiten des Unternehmers, beim Verbraucher eingeht. Diesen Anforderungen genügt die erst fünf Tage nach der fraglichen Bestellung versandte elektronische Bestellbestätigung offenkundig nicht.

3. Die Beklagte ist für den Verstoß auch verantwortlich. Denn vorliegend war die Beklagte gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass trotz objektiv erwartbar hohen Bestellvolumens im Zusammenhang mit Bestellungen des infrage stehenden Produkts die gesetzlich geforderten Bestellbestätigungen verschickt werden können. Für die Beklagte war ein hohes Bestellvolumen im Zusammenhang mit dem Verkaufsstart der in Rede stehenden Spielekonsole auch vorhersehbar, da das Gerät - wie aus dem ersten mit Anlage B 1 überreichten Artikel ersichtlich - nur online und nicht im stationären Einzelhandel verkauft wurde. Es war der Beklagten daher zumutbar, Vorkehrungen zu treffen, wie etwa die Zubuchung zusätzlicher Servereinheiten, um einen Zusammenbruch ihres Servers zu verhindern.


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OLG Frankfurt: Wettbewerbsverhältnis zwischen Bio-Bauer und Online-Shop trotz unterschiedlicher Vertriebswege bei ähnlichen Produkten

OLG Frankfurt
Urteil vom 11.11.2021
6 U 81/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Bio-Bauern und einem Online-Shop trotz unterschiedlicher Vertriebswege besteht, sofern ähnliche Produkte (hier: Müslimischungen und Müslizutaten) angeboten werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"3. Es besteht ein Verfügungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG i.V.m. mit den geltend gemachten Informationspflichten.

a) Der Antragsteller ist als Mitbewerber aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

aa) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2014, 573Rn 15 - Werbung für Fremdprodukte). An das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH GRUR 2015, 1129Rn 19 - Hotelbewertungsportal). Auch Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen agieren, können in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, wenn sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.4.2017 - 6 U 36/16, Rn 18, juris m.w.N.).

bb) Die Parteien bieten beide Müslimischungen und Zutaten dafür (Körner und Kerne) an. Es liegen also austauschbare Produkte vor. Entgegen der Ansicht des Landgerichts richten sich die Produkte auch an denselben Kundenkreis, nämlich an Endverbraucher. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller zum Teil auf einer vorgelagerten Wirtschaftsstufe, nämlich als Lieferant von Hofläden tätig ist. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Antragsteller nur Großmengen ab 5 kg abgibt. Schließlich ist auch nicht maßgeblich, dass die Parteien völlig unterschiedliche Vertriebswege bedienen (Online-Versand bzw. E-Mail-Bestellung und Abholung am Hof). Die wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung hängt nicht vom Umfang und Zuschnitt der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbewerbers ab. Auf die am 1.12.2021 in Kraft tretende Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, die einen Vertrieb der maßgeblichen Waren in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich voraussetzt, kommt es im Streitfall nicht an.

cc) Zu Unrecht meint das Landgericht auch, die Parteien seien nicht auf demselben räumlichen Markt tätig. Insoweit genügt eine Überschneidung der Märkte. Die Antragsgegnerin bietet ihre Leistungen bundesweit im Online-Handel an, mithin auch in Stadt1, wo der Antragsteller seinen Hof betreibt.

dd) Die Parteien sind auch in zeitlicher Hinsicht auf demselben Markt tätig. Die angegriffenen Verstöße beziehen sich auf Oktober 2020. Das Landgericht ging davon aus, der Antragsteller habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er auch in diesem Zeitraum die streitgegenständlichen Leistungen angeboten hat. Tatsächlich beziehen sich die als Anlage A2 vorgelegten Buchhaltungsauszüge auf die Wirtschaftsjahre 2018/2019 bzw. 2019/2020. Die Zahlen für Oktober 2020 sind dort wohl noch nicht erfasst. Die vorgelegte Preisliste (Anlage A1) ist als „Preisliste 2019“ ausgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller allerdings weitere Auszüge aus Buchhaltungskonten vorgelegt, die sich auf die Monate Juni und Juli 2020 bezogen (Bl. 99 d.A.). Auch dies war nach Ansicht des Landgerichts nicht ausreichend, um eine durchgehende unternehmerische Tätigkeit auf dem relevanten Markt zu belegen, die sich auch auf den Verletzungszeitraum erstreckt. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft. Im Berufungsverfahren hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er sein Müsli auch im Oktober 2020 angeboten hat und es nach wie vor verkauft (Anlage A10). Das ist ausreichend.

ee) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nicht präkludiert. Es ist umstritten, ob § 531 ZPO im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar ist (vgl. Zöller/Heßler ZPO, 32. Aufl., § 531 Rn 1; a.A. MünchKommZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 531 Rn 3). Jedenfalls sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen zuzulassen. Dabei sind die Besonderheiten des Eilverfahrens zu berücksichtigen (OLG Köln, Urteil vom 14.7.2017 - 6 U 197/16, Rn 94, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 29.8.2014 - 6 U 850/14, Rn 58, juris). Eine Nachlässigkeit ist dem Antragsteller unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Eilverfahrens nicht vorzuwerfen. Er hat in der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen vorgelegt und ging offenbar davon aus, damit den Bedenken des Landgerichts, die sich aus den zuvor erteilten Hinweisen ergaben (Bl. 90 d.A.), Rechnung zu tragen.

ff) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin in ihrem einen Tag vor dem Senatstermin eingereichten Schriftsatz vom 10.11.2021 kommt es nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin beschlossen hat, künftig keine Müslis für Verbrauchern mehr anzubieten und ihren Online-Shop angeblich abgeschaltet hat. Die das Wettbewerbsverhältnis begründende unternehmerische Tätigkeit muss als Voraussetzung der Aktivlegitimation lediglich auf Seiten des Antragsstellers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauern. Der Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin erlischt nicht dadurch, dass diese ihre unternehmerische Tätigkeit einstellt (BGH GRUR 2001, 453 - TCM-Zentrum). Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sie mit der angegriffenen Verkaufstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder beginnt. Die Wiederholungsgefahr für den Wettbewerbsverstoß lässt sich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen.

b) Die Antragsgegnerin hat die geltend gemachten Informationspflichten verletzt.


aa) Antrag zu I. 1):

Das Angebot nach Anlage A3 verstößt gegen § 2 Abs. PAnGV. Danach hat, wer Verbrauchern gewerbsmäßig Waren in Fertigpackungen, offene Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Eine Angabe des Preises je Mengenangabe ist auf der Übersichtsdarstellung nach Anlage A3 nicht erkennbar. Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin für ihren gegenteiligen Vortrag auf die Angabe „€ 0,00 / kg“ unterhalb des Bestellbuttons (vgl. Anlage A3 und Anlagen AG6 und AG 1, Bl. 45, 49 d.A.). Der dort angezeigte Kilopreis bildet die Auflösung zu einem Sternchenhinweis, der dem Gesamtpreis nach Auswahl der Produkte durch den Kunden zugeordnet ist. Der Kunde kann mehrere Getreidesorten (auch unterschiedlicher Preise) mischen und erhält dann einen Gesamtpreis. Die Angabe erfüllt nicht die Anforderungen an die „unmittelbare Nähe“ zum Gesamtpreis. Die Angabe des Kilopreises ist in der „Sternchenauflösung“ Teil eines mehrere Angaben umfassenden Hinweises zu Versandbedingungen, MwSt. und - an letzter Stelle - Grundpreis.

bb) Antrag I. 2):

Die Antragsgegnerin hat mit ihrer in § 11 der AGB vorgesehenen Belehrung nicht vollständig über das nach § 312g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht belehrt. Das Widerrufsrecht besteht nach § 313g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, für Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Die Antragsgegnerin bietet auf ihrer Internetseite nicht nur Mischungen nach Kundenwunsch, sondern auch Fertigprodukte an. Unstreitig unterhielt die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite eine Rubrik „Spezial-Müsli“ (Anlage A4). Unter dieser Rubrik bot sie nach dem Vortrag des Antragstellers selbst hergestellte Fertigmischungen (also nicht nach Kundenwunsch zusammengestellte Mischungen) an, wie z.B. „Birchermüsli“, „Sportlermüsli“, etc. Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin nicht mit Substanz entgegengetreten. Sie kann sich nicht darauf berufen, auch diese Mischungen seien nicht vorproduziert, sondern nach Kundenwunsch individualisierbar. Jedenfalls ist es offenbar möglich, exakt die vorgeschlagene Mischung eines bestimmten Namens (z.B. Porridge) mit den entsprechend vorgegebenen Zutaten zu bestellen (vgl. Anlage AG9, Bl. 84 d.A.). In der Widerrufsbelehrung heißt es, das Widerrufsrecht erstrecke sich „nur auf handelsübliche Standard-Artikel, wie beispielsweise Merchandisingartikel“. Das ist nicht ausreichend. Außerdem fehlt es an hinreichenden Angaben zu Form und Frist des Widerrufsrechts.

cc) Antrag zu I. 3):

Gemäß § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Nr. 7 EGBGB ist der Online-Händler verpflichtet, dem Verbraucher Informationen zu Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und dem Termin, bis zu dem er die Ware liefern muss, zur Verfügung zu stellen. Anstelle eines Termins genügt auch die Angabe eines Lieferzeitraums oder des spätesten Liefertermins (Palandt/Grünberg BGB, 80. Aufl., Art. 246 EGBGB Rn 8). Gemäß Art. 246a § 4 EGBGB müssen diese Informationen in klarer und verständlicher Form vor Vertragsschluss gegeben werden. Dieser Pflicht kam die Antragsgegnerin nicht nach. Sie gab auf ihrer Angebotsseite keine Lieferzeit an. Soweit sie unter „FAQ“ unter „Bezahlung“ Angaben zur Lieferzeit machte (1 - 3 Tage), genügt dies nicht dem Gebot der Klarheit. Der Verbraucher erwartet Angaben zur Lieferzeit nicht erst unter der Rubrik „FAQ“. Nicht jeder Verbraucher wird diese Rubrik zur Kenntnis nehmen.

dd) Antrag zu I. 4):

Die Antragsgegnerin hat es versäumt, einen Link zur Streitschlichtungsplattform für Onlinegeschäfte vorzuhalten. Der Link zur OS-Plattform nach Art. 14 ODR-VO war aber erforderlich, weil es sich bei der vorliegenden Gestaltung um ein Angebot zum "Online-Kauf" im Sinne dieser Vorschrift handelt. Nach der Definition dieses Begriffs in Art. 4 Abs. 1 lit. e) ODR-VO liegt ein solcher Vertrag vor, wenn die Ware auf elektronischem Wege angeboten und bestellt wird. Hierfür reichen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung eine Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots auf einer Internetseite und die auf elektronischem Wege übermittelte verbindliche Bestellung durch den Verbraucher aus (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.11.2018 - 6 U 103/18, Rn 16, juris).

ee) Antrag II. 1):

Gemäß § 312i Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 c Nr. 2 EGBGB hat der Online-Händler den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss von ihm gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist. Auch das hat die Antragsgegnerin unterlassen. Die als Anlage AG8 vorgelegte Bestellbestätigung enthält eine solche Belehrung nicht.

ff) Antrag II. 2):

Auch dieser Antrag ist begründet. Gemäß § 312i Nr. 4 BGB müssen Unternehmer, die sich zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedienen, ihren Kunden die Möglichkeit verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Die Antragstellervertreterin hat anwaltlich versichert, dass diese Möglichkeit bei Überprüfung der Website am 20.10. und am 12.11.2020 bei Vertragsschluss nicht bestand (Bl. 58 d.A.). Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat demgegenüber eidesstattlich versichert, zum 20.10.2020 habe per Link die Möglichkeit bestanden, auf die AGB „zuzugreifen“ (Anlage AG4, 7). Außerdem hätten Kunden eine Bestellbestätigung erhalten, die den Vertrag wiedergab (Anlage AG4, 8). Die Möglichkeit, auf die Vertragsdokumente „zuzugreifen“ genügt nicht. Es muss die Möglichkeit bestehen, sie in wiedergabefähiger Form zu speichern. Die von der Antragsgegnerin angeführte Möglichkeit, der Kunde könne ja über die Speicherfunktion seines Browsers die komplette Website speichern, genügt ebenfalls nicht. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine vom Verkäufer verschaffte Speichermöglichkeit.

c) Sämtliche Informationspflichten beruhen auf der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie. Daraus folgt ohne weiteres, dass es sich gemäß § 5a Abs. 4 UWG um wesentliche Informationen handelt, die dem Verbraucher gemäß § 5a Abs. 2 UWG nicht vorenthalten werden dürfen."


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Bundeskartellamt: Bußgelder gegen Hersteller und Händler von Musikinstrumenten von 21 Mio. EURO wegen vertikaler Preisbindung und horizontaler Preisabsprachen

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen Hersteller und Händler von Musikinstrumenten in Höhe von ca. 21 Mio. EURO wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung und horizontaler Preisabsprachenverhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Hersteller und Händler von Musikinstrumenten

Das Bundeskartellamt hat Geldbußen gegen drei Hersteller und zwei Händler von Musikinstrumenten sowie gegen verantwortlich handelnde Mitarbeiter in Höhe von insgesamt rd. 21 Mio. Euro verhängt. Den Herstellern und Händlern wird vertikale Preisbindung vorgeworfen, den Händlern untereinander daneben horizontale Preisabsprachen in mehreren Fällen.

Bei den Herstellern (bzw. deren Vertriebsgesellschaften) handelt es sich um die Yamaha Music Europe GmbH, Rellingen, die Roland Germany GmbH, Rüsselsheim und die Fender Musical Instruments GmbH, Düsseldorf. Die Händler sind die Thomann GmbH, Burgebrach und die MUSIC STORE professional GmbH, Köln.

Eingeleitet wurde das Verfahren nach Hinweisen aus dem Markt mit einer Durchsuchung im April 2018.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Hersteller und Händler von Musikinstrumenten haben über Jahre hinweg systematisch darauf hingewirkt, den Preiswettbewerb gegenüber den Endverbrauchern einzuschränken. Die Hersteller haben zumindest die führenden Fachhändler Thomann und MUSIC Store dazu angehalten, festgesetzte Mindestverkaufspreise nicht zu unterschreiten, was diese in vielen Fällen auch taten. Darüber hinaus haben die Händler untereinander in Einzelfällen Absprachen über Preiserhöhungen einzelner Produkte getroffenen. Das Bundeskartellamt sendet mit den verhängten Bußgeldern nicht nur an die betroffenen Unternehmen, sondern auch an die gesamte Musikinstrumente-Branche das klare Signal, dass Verstöße gegen das Verbot der Preisbindung und von Preisabsprachen nicht toleriert werden.“

Zwischen Herstellern und Händlern bestand das Einvernehmen, die Mindestpreis-Vorgaben der Hersteller umzusetzen. Bei Unterschreiten der Mindestverkaufspreise kontaktierten die verantwortlich handelnden Mitarbeiter von Yamaha, Roland und Fender mehrfach Thomann und Music Store und forderten diese Händler auf, ihre Verkaufspreise anzupassen, was in vielen Fällen auch geschah. Yamaha und Roland setzten zur Überwachung der Endverbraucherpreise teilweise auch Price-Tracking-Software ein. In vereinzelten Fällen wurden Sanktionen wie Lieferstopp oder Konditionenkürzung angedroht bzw. verhängt. Für einen Teil der Produkte erfolgte hingegen keine oder nur eine sporadische Durchsetzung bzw. Überwachung der vorgegebenen Mindestpreise. Oft hielten sich die Händler nicht an die Vorgaben, indem diese nicht umgesetzt oder umgangen wurden, z.B. durch Bündelung mehrerer Produkte zu einem Gesamtpreis. Gleichwohl haben Thomann und Music Store durch Beschwerden bei Yamaha, Roland und Fender die Einhaltung von Mindestpreisen durch andere Musikinstrumentenfachhändler gefordert. Zum Teil erfolgte dies als Reaktion auf Beschwerden über zu niedrige eigene Preise.

Im Laufe des Verfahrens wegen vertikaler Preisbindung haben sich Hinweise auf horizontale Preisabsprachen zwischen den Musikinstrumentenfachhändlern Thomann und Music Store ergeben. Diese haben zwischen dem 21. Dezember 2014 und dem 27. April 2018 in dreizehn Fällen Absprachen über Preiserhöhungen für einzelne Musikinstrumente bzw. ergänzende Produkte getroffen.

Bei der Bußgeldfestsetzung wurde berücksichtigt, dass die Unternehmen Yamaha, Roland, Fender, Thomann und Music Store bei der Aufklärung der Absprachen mit dem Bundeskartellamt umfassend kooperiert haben (Music Store nur im Verfahren wegen vertikaler Preisbindung) und das Verfahren im Wege der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) abgeschlossen werden konnte. Die Bußgeldbescheide sind rechtskräftig.

OLG Brandenburg: Zwischen Online-Shop und Logistikunternehmen besteht kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG

OLG Brandenburg
Urteil vom 02.03.2021
6 U 83/19


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass zwischen einem Online-Shop und einem Logistikunternehmen kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist auch begründet. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts bereits kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Bei der Beklagten handelt es sich nicht wie bei dem Kläger um einen Versandhändler, der im Sinne von § 1 Abs. 4, § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse oder nikotinfreie Erzeugnisse wie elektronische Zigaretten und elektronische Shishas oder deren Behältnisse anbietet oder abgibt, sondern um ein Logistikunternehmen, das sich lediglich mit der Lagerhaltung, Endverpackung und Versandorganisation für solche Versandhändler befasst. Vor diesem Hintergrund bieten die Parteien gegenüber ihren jeweiligen Kunden keine gleichartige Waren oder Dienstleistungen im Rahmen eines Konkurrenzverhältnisses an. Der Beklagten ist wegen der Übergabe von Tabakwaren oder diesen gleichgestellten Erzeugnissen an einen Paketdienstleister auch kein Verstoß gegen die marktverhaltenssteuernden Regelungen in § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG zur Last zu legen, wenn sie dabei die Durchführung eines objektiv erforderlichen Altersverifikationsverfahrens nicht unabhängig vom Kundenauftrag sicherstellt, weil sie selbst einen „Versandhandel“ im Sinne des § 1 Nr. 4 JuSchG nicht betreibt und mithin auch nicht tauglicher Adressat der Verbotsnormen ist.

[...]

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 UWG der Beklagten gegenüber als vermeintlicher Mitbewerberin auf dem Markt der Versandhändler von Tabakwaren und gleichgestellten Erzeugnissen aus § 8 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG zusteht.

a) Es liegt bereits ein für die Anspruchsberechtigung des Klägers erforderliches Wettbewerbsverhältnis der Parteien im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht vor. Mitbewerber ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das setzt grundsätzlich voraus, das sich die beteiligten Parteien beim Anbieten oder Nachfragen gleichartiger oder austauschbarer Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises beeinträchtigen, also im Absatz behindern oder stören können, mithin auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2017 - 4 U 162/16, juris Rn. 41 mwN).

aa) Dass der Kläger in diesem Sinne selbst mittels der von ihm unterhaltenen Webseite L…. .de als unternehmerischer Anbieter auf dem Geschäftsfeld des Versandhandels mit nikotinhaltigen sowie diesen gleichgestellten Erzeugnissen wie E-Zigaretten, E-Shishas, Liquids nebst Behältnissen/Zubehör tätig ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings anzunehmen. Der Kläger hat erstinstanzlich eine Gewerbeanmeldung vom 03.11.2015 vorgelegt, aus der der Onlinehandel mit E-Zigaretten, Liquids und Zubehör als angemeldete Tätigkeit hervorgeht. Ferner hat der Kläger - zur Darlegung des Umstandes, dass er selbst regelmäßig Kosten für eine Alterssichtprüfung durch (X...) zu tragen hat - eine Auflistung von entsprechend beauftragten Paketsendungen vorgelegt, der sich entnehmen lässt, dass er allein im September 2018 - und insofern im zeitlichen Zusammenhang mit der am 17.09.2018 erfolgten Klageerhebung - dutzende von entsprechenden Warenlieferungen versendet hat. Die weitere Beibringung von Tatsachen, um eine Geschäftstätigkeit und damit Anspruchsberechtigung des Klägers zu belegen, war nicht erforderlich, das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist unsubstantiiert.

bb) Es fehlt aber an einem diesbezüglich konkreten Wettbewerbsverhältnis des Klägers gerade auch der Beklagten gegenüber.

(1) Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG kann nur ein Unternehmer in seiner Eigenschaft als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen sein. Grundsätzlich sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Dabei ist aber stets der jeweilige Zweck der Norm, die den Begriff des Mitbewerbers verwendet, zu berücksichtigen (Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 97 mwN).Die Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmers lässt sich daher nicht abstrakt feststellen, vielmehr ist an die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung anzuknüpfen. Sie entscheidet darüber, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt, wobei grundsätzlich unerheblich ist, ob die Beteiligten verschiedenen Branchen angehören. (aaO, Rn. 98).Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist danach gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann. Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis dann, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft. Eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (BGH, Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15, juris Rn. 16).

(2) Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen liegen die Voraussetzungen für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Streitfall nicht vor. Unstreitig ist die Beklagte nicht selbst Anbieterin von Waren der in Rede stehenden Art oder sonst gleichartigen Produkten, sondern ein Logistikunternehmen. Dem entsprechend und ebenso unstreitig war deshalb Verkäufer des streitgegenständlichen Verdampferkopfes eine andere Person, nämlich gemäß der vom Kläger selbst beigebrachten Zahlungsbestätigung ein auf „(a...)“ aktiver chinesischer Händler. Die Tätigkeit der Beklagten überschneidet sich demnach mit derjenigen des Klägers nicht in Hinsicht auf einen verkaufsbezogenen Handel mit den entsprechenden Waren, sondern nur insoweit, als sie solche Waren für Verkäufer wie den Kläger lagert, verpackt und versendet. Sie ist damit aber im Verhältnis zum Kläger nicht selbst „als Anbieter von Waren“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG anzusehen. Denn während der Kläger Tabakwaren und E-Zigaretten samt Zubehör vertreibt, ist die Beklagte weder Herstellerin noch Vertreiberin noch Wiederverkäuferin derartiger Waren. Die Beklagte stellt lediglich für andere Händler als den Kläger eine technische Infrastruktur zur Verfügung, mit deren Inanspruchnahme jene die betreffenden Waren lagern, endverpacken und in die Postzustellung geben können. Ihre unternehmerische Tätigkeit betrifft damit allenfalls ein annexartiges Verhalten zum eigentlichen Warenhandel, der naturgemäß im Warenverkauf besteht und in unternehmerischer Hinsicht auf eine darin liegende Gewinnmöglichkeit zielt. Die Tätigkeiten der Beklagten betreffen demgegenüber Handlungen, die nur mit den für einen Verkaufserfolg in Zusammenhang stehenden Transaktionskosten eines - mit dem Kläger gegebenenfalls konkurrierenden - Händlers verknüpft sind, die daher auch nur für diesen je nach dem dafür erforderlichen Aufwand höher oder niedriger ausfallen können. Mit dieser Tätigkeit erfüllt die Beklagte für solche Händler die Funktion eines Lageristen, Verpackers und Versandorganisators, sie wird dadurch aber nicht selbst Vertragspartner von Käufern, mit denen Händler wie der Kläger ihre Geschäfte abschließen (vgl. zu Anbietern von Waren einerseits und Betreibern eines Online-Marktplatzes andererseits auch OLG Koblenz, GRUR 2006, 380, 381).

Die Parteien sind damit in Bezug auf den Warenhandel nicht auf demselben sachlichen Markt tätig. Sie sprechen jeweils völlig verschiedene Kundenkreise an, nämlich der Kläger die betreffenden Warenkäufer bzw. Verbraucher und die Beklagte die betreffenden Warenverkäufer bzw. Versandhändler. Sie steht somit auch in keinem nur mittelbaren Konkurrenzverhältnis zur Geschäftstätigkeit des Klägers. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es dafür nicht aus, dass er durch die angegriffene Logistiktätigkeit der Beklagten in seinem eigenen Marktstreben „irgendwie betroffen“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 25). Es ist im Übrigen nicht erkennbar, dass die Beklagte gerade nur Waren der hier in Rede stehenden Art bei sich lagern, verpacken und zur Versendung geben würde, vielmehr spielt der konkrete Wareninhalt, der bei der Feststellung eines Wettbewerbsverhältnisses im Warenhandel aber maßgeblich ist (Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 108), für ihr Geschäftsmodell überhaupt keine Rolle.

(3) Soweit der Kläger dagegen einwendet, der Versand respektive die Abgabe von Waren an einen Versender wie (X...) sei ein wesentlicher Bestandteil des Onlinehandels, weshalb zumindest insoweit eine wettbewerbsrechtliche Schnittmenge mit der Beklagten vorliege, vermag auch das nicht zu überzeugen. In Betracht käme allenfalls, die in der Lagerung, Verpackung und Versandbeauftragung liegende „Dienstleistung“ als gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG in einem Wettbewerbsverhältnis zum Kläger stehend aufzufassen, soweit er zur Ausübung seines Online-Warenhandels solche Dienstleistungen für den Kunden erbringt. Schon mit Blick auf den bloßen Annexcharakter der Lagerung, Versandverpackung und Versandübergabe von Verkaufsgegenständen kann dies jedoch kein Wettbewerbsverhältnis auf einem gemeinsamen Markt zu begründen. Es ergibt sich insoweit kein unmittelbares Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15, juris Rn. 19).

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, könnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger und die Beklagte eine auch nur teilweise konkurrierende Dienstleistung erbringen und insofern in einem teilweisen Wettbewerb stehen. Es kann zwar grundsätzlich ein auf Dienstleistungen bezogenes Wettbewerbsverhältnis vorliegen, wenn Beteiligte gleichartige Dienstleistungen für denselben Endabnehmerkreis abzusetzen versuchen (Köhler, aaO, UWG § 108 mwN). Der Absatz des einen Unternehmens muss dann aber auf Kosten des anderen gehen können. Die insofern maßgebliche Substituierbarkeit der Leistungen ist regelmäßig aus Verbrauchersicht zu bestimmen. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger und aufmerksamer Durchschnittsverbraucher eine Substitution ernsthaft in Betracht zieht (BGH, Urteil vom 17.01.2002 - I ZR 215/99, juris Rn. 23; Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 108a). Für einen Verbraucher besteht hier jedoch nicht die Möglichkeit, zwischen den Parteien eine Auswahl zu treffen, weil die Beklagte lediglich die Lagerung, die Endverpackung und Versandorganisation anbietet, deren Art und Weise für einen Verbraucher, der eine Ware erwerben möchte, letztlich keine Bedeutung hat. Die Versendungsnotwendigkeit ist lediglich Reflex des Umstandes, dass der Kläger einen Onlinehandel unterhält. Die Beklagte ist daher selbst isoliert auf ihre Dienstleistung bezogen kein Konkurrent des Klägers, sondern ein Unternehmen, das Dienstleistungen für Versandhändler wie den Kläger anbietet. Es wäre sogar denkbar, dass dieser selbst ein Logistikunternehmen wie die Beklagte damit beauftragt, die von ihm angebotenen Waren zu lagern, zu verpacken und in den Versand zu geben, ohne dass dies sein Geschäftsmodell aus Verbrauchersicht in relevanter Weise modifizieren würde.

b) Die Unterstützung fremden Wettbewerbs, in dem der Kläger und ein gefördertes Unternehmen untereinander Mitbewerber sind, kann der Beklagten ebenfalls nicht zur Last gelegt werden. Dass der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt wäre, gegen die Beklagte als Förderer vorzugehen (vgl. Köhler, aaO, UWG § 2 Rn. 105 mwN), ist auf Grundlage des Parteivortrags nicht anzunehmen. Dafür genügt es jedenfalls nicht, dass die Beklagte als Logistikunternehmen eine unterstützende Dienstleistung für möglicherweise nicht rechtstreue Konkurrenten des Klägers anbietet, denn dass sich ihr Logistikangebot speziell an solche richtet, ist nicht ersichtlich. Das gilt umso mehr, als die Beklagte unwidersprochen und detailliert vorgetragen hat, dass sie für ihre Kunden im Rahmen des „Order Management Systems“ (OMS) immer auch die Möglichkeit anbietet, ein Altersverifikationsverfahren für die Paketzustellung gesondert zu beauftragen


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Düsseldorf: Online-Händler müssen nach § 17 ElektroG alte LED- und Energiesparlampen zurücknehmen - Verstoß gegen Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG

OLG Düsseldorf
Urteil vom 25.11.2020
I-15 U 78/19


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass Online-Händler nach § 17 ElektroG alte LED- und Energiesparlampen zurücknehmen müssen. Geschieht dies nicht, so liegt ein abmahnfähiger Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG vor.

LG Ingolstadt: Saturn Online GmbH muss auch als Online-Händler nach dem ElektroG alte Energiesparlampen zurücknehmen und darüber informieren - Rückgabemöglichkeit muss Verbraucher zumutbar sein

LG Ingolstadt
Urteil vom 21.02.2020
2 HK O 1582/18


Das LG Ingolstadt hat entschieden, dass die Saturn Online GmbH auch als Online-Händler nach dem ElektroG alte Energiesparlampen zurücknehmen und darüber informieren muss. Die Rückgabemöglichkeit muss dabei für den Verbraucher zumutbar sein.

Bundeskabinett beschließt u.a. Verbot der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen durch Hersteller und Händler

Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie beschlossen. Darin ist u.a. ein Verbot der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen durch Hersteller und Händler enthalten.

Die Pressemitteilung des BMU:

Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt Grundlagen für weniger Abfall und mehr Recycling

Abfallwirtschaft - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie

Mit der Novelle will die Bundesregierung die Abfallvermeidung verbessern und das Recycling verstärken. Neu ist die sogenannte "Obhutspflicht" bei der Hersteller und Händler in die Verantwortung genommen werden.

Das Bundeskabinett hat heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Gesetzesentwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung will damit die Abfallvermeidung verbessern und das Recycling verstärken.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt die Grundlagen für wichtige Fortschritte auf dem Weg hin zu weniger Abfall und mehr Recycling. Mit drei zentralen Maßnahmen nehmen wir den Bund, aber auch Hersteller und Händler stärker als bisher in die Verantwortung: Recycelte Produkte bekommen Vorrang in der öffentlichen Beschaffung. Mit der neuen ‚Obhutspflicht‘ hat der Staat in Zukunft erstmals rechtliche Handhabe gegen die Vernichtung von Neuware oder Retouren. Wer Einwegprodukte, wie To-Go-Becher oder Zigarettenkippen in Verkehr bringt, muss sich an den Reinigungskosten von Parks und Straßen beteiligen."

Die neuen Regeln zur öffentlichen Beschaffung zielen darauf, die Nachfrage nach recyceltem Material zu erhöhen. Denn für sogenannte Rezyklate gibt es häufig noch keinen ausreichend großen Markt. Darum nimmt sich die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf selbst in die Pflicht. Künftig sollen die 6.000 Beschaffungsstellen in Bundesbehörden sowie bundeseigenen und vom Bund beherrschten Unternehmen Produkte aus Recycling gegenüber Neuanfertigungen bevorzugen. Auf Grundlage des neuen Gesetzes müssen sie – sofern keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen – beim Einkauf Produkte bevorzugen, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind.

Ein neues Element in der Produktverantwortung ist die sogenannte "Obhutspflicht". Mit ihr nimmt die Bundesregierung Hersteller und Händler stärker in die Verantwortung. "Mit der Obhutspflicht schafft der Bund erstmals eine gesetzliche Grundlage, um der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen einen Riegel vorzuschieben. Damit sind wir in der Europäischen Union die ersten", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. In den Bereichen öffentliche Beschaffung und Obhutspflicht geht die Bundesregierung damit deutlich über das hinaus, was EU-weit vereinbart wurde.

Um das bisher sehr intransparente Vorgehen mancher Händler systematisch auszuleuchten, erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Transparenzverordnung. Die dafür nötige gesetzliche Grundlage enthält das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz. Hersteller und Händler müssen dann deutlich nachvollzierbar dokumentieren, wie sie mit nicht verkauften Waren umgehen. Eine Möglichkeit ist, diese Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden.

Für die Reinigung von Parks und Straßen kommen bislang allein die Bürgerinnen und Bürger über kommunale Gebühren auf. Das soll sich mit dem neuen Gesetz ändern. Hersteller und Vertreiber von Einweg-Produkten aus Kunststoff sollen sich künftig an den Kosten für die Säuberung des öffentlichen Raums beteiligen. "Das Ziel ist klar: Wir wollen eine saubere Umwelt, in der weder Müll und noch giftige Kippen rumliegen", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Neben diesen drei zentralen Maßnahmen enthält der Gesetzentwurf weitere Anforderungen der EU-Abfallrahmenrichtlinie und teilweise bereits der EU-Einwegkunststoff-Richtlinie.

Nach der heutigen Kabinettentscheidung wird das parlamentarische Verfahren eingeleitet. Parallel erfolgt die sogenannte Notifizierung des Entwurfs bei der Europäischen Kommission.



LG Duisburg: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 17 ElektroG wenn Online-Händler trotz entsprechender Größe alte Elektrogeräte nicht zur Entsorgung zurücknimmt

LG Duisburg
Urteil vom 27.06.2019
21 O 84/18


Das LG Duisburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 17 ElektroG vorliegt, wenn ein Online-Händler trotz entsprechender Größe alte Elektrogeräte nicht zur Entsorgung zurücknimmt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klage ist begründet. Der Kläger kann gegen die Beklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 17 Nr. 2, Abs.2 ElektroG einen Anspruch auf Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang geltend machen.

Die Klageanträge in ihrer nunmehrigen Fassung sind hinreichend bestimmt. Zur Feststellung der Bestimmtheit kommt der Auslegung des Klageantrags eine große Bedeutung zu. Hierzu können die konkrete Verletzungshandlung bzw. Verletzungsform und die Klagebegründung sowie dazu gegebene Erläuterungen im Übrigen heranzogen werden. Die Verwendung unbestimmter Begriffe ist dabei regelmäßig unvermeidbar. Von Bedeutung ist jedoch, ob der unbestimmte Begriff durch Beispielsfälle oder Bezugnahme auf konkrete Verletzungshandlungen („sofern dies geschieht wie …“) konkretisiert wird. Entscheidend ist dabei, ob mit der Formulierung lediglich im Kern gleiche Handlungen oder auch ähnliche Handlungen erfasst werden sollen. Im ersteren Fall handelt es sich um einen zulässigen Hinweis darauf, dass dem gerichtlichen Verbot grundsätzlich nicht nur identische, sondern auch kerngleiche Handlungen unterfallen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37.Auflage, § 12 2.37 mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

Danach sind die von dem Kläger begehrten Unterlassungen in dem vorgenannten Sinne hinreichend konkretisiert. Der Kläger stellt in den Anträgen auf das konkrete wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten ab und macht so hinreichend deutlich, gegen welche Verhaltenspflichten die Beklagten künftig nicht mehr in welcher Weise verstoßen darf. Durch die konkrete Bezugnahme auf den zugrundliegenden Sachverhalt wird dabei auch die Verpflichtung über den Gesetzeswortlaut hinaus hinreichend konkretisiert.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3 UWG. Der Kläger ist ein im Sinne des § 8 UWG klagefähiger Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Es ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetztes mit Wirkung zum 11.10.2004 eingetragen.

Das Verhalten der Beklagten ist wettbewerbswidrig im Sinne des § 3a UWG, weil diese gegen eine Marktverhaltensregel verstößt. Der von der Beklagten angebotene Zugang zu einer Entsorgungsmöglichkeit und insbesondere die Art der Zurverfügungstellung der Information hierüber genügt nicht den Anforderungen des §§ 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ElektroG.

Unstreitig unterfällt die Beklagte mit dem von ihr betriebenen Onlinehandel wegen den von ihr betriebenen Geschäftsflächen dem Anwendungsbereich des § 17 ElektroG.

§ 17 ElektroG stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3 a UWG dar, die dem Schutz des Verbrauchers dient und geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Nach dieser Vorschrift ist der Vertreiber von Elektrogeräten verpflichtet, die Rücknahme durch geeignete Rückgabemöglichkeiten zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endbenutzer zu gewährleisten. Aus dieser Vorschrift folgt, dass der Unternehmer die Entsorgung selbstständig zu gewährleisten hat und nicht auf Entsorgungsmöglichkeiten Dritter verweisen darf. Zudem muss er diese Möglichkeiten dem Verbraucher in angemessener Weise zur Verfügung stellen.Jedenfalls der unstreitige Internetauftritt der Beklagten vom 26.04.2018 genügt diesen Anforderungen nicht. Die Angaben über die Entsorgungsmöglichkeiten ließen für den Verbraucher in keiner Weise erkennen, wie und wo er Beleuchtungsmittel entsorgen kann. Die Art der Information bzw. das Fehlen der Zugänglichmachung der Information unmittelbar erreichbar auf der Homepage entspricht nicht den Anforderungen an ein „Gewährleisten“ des Zugangs zur Entsorgungsmöglichkeit.

Dabei kann im Ergebnis offenbleiben, ob die Beklagten bzw. der von ihr beauftragte Drittunternehmer im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG tatsächlich eine eigenständig Entsorgung durch Abholung der Leuchtmittel anbietet. Da diese Information an keiner Stelle der Homepage der Beklagten bzw. der Beauftragten feststellbar ist, fehlt es an einer Sicherstellung, dass der Verbraucher sich selbstständig und in zumutbarer Weise hinreichend über die Entsorgungsmöglichkeiten informieren kann. Keine der Seiten enthält konkrete Angaben dazu, wie und wo die Leuchtmittel entsorgt werden können.

Der Link, mit dem auf das auszudruckende E-Label verwiesen wird, macht für den Verbraucher bereits nicht hinreichend erkennbar, dass von dieser Entsorgungsmöglichkeit Leuchtmittel nicht erfasst werden, weil er allein auf die Größe der Altgeräte und deren Anzahl abstellt und Leuchtmittel nicht ausdrücklich ausschließt. Durch den weiteren Hinweis auf den möglichen Paketinhalt wird dem Verbraucher nur angezeigt, dass die Beleuchtungsmittel nicht per E versandt werden können. Weitere Informationen finden sich auch hier nicht.

Auch durch den Verweis auf die Durchführung der Entsorgung durch die Fa. F4 wird an keiner Stelle deutlich, wie eine konkrete Entsorgung der Leuchtmittel über die Beauftragte erfolgen kann. Erst durch umfassende Suche unter den FAQ erhält der Verbraucher dann überhaupt das Angebot zur persönlichen Anfrage per E-Mail. Auch hier findet sich unmittelbar zugänglich wiederum kein Hinweis auf die Art der Entsorgung oder eine Abholmöglichkeit. Zudem war die Einbettung der Informationsmöglichkeit per E-Mail hier besonders irreführend, weil an vorgenannter Stelle ein Link vorhanden war, mit dem Informationen über die Entsorgung anderer Elektrogeräte abgerufen werden konnten und von dem sich die Verbraucher zunächst angesprochen fühlen durfte, ohne die begehrte Information zu erhalten. Eine zumutbare und zugängliche Information und damit ein ausreichender Zugang zur Entsorgungsmöglichkeit setzt jedoch voraus, dass die Information hierüber mit wenigen Klicks erreichbar ist, jedenfalls in einer ersten E-Mail Anfrage ausdrücklich beantwortet wird. Keine dieser Voraussetzungen wurde durch die Beklagte erfüllt.

Darüber hinaus hat die Beklagte gegen § 17 ElektroG verstoßen, weil sie die Entsorgung nicht in geeigneter Weise selbst angeboten, sondern den Verbraucher unzulässig auf die Entsorgung bei Dritten verwiesen hat. Auch dieses Verhalten entspricht nicht der Verpflichtung des Vertreibers, selbst die Rücknahme von Altgeräten sicher zu stellen.

Der Wettbewerbsverstoß wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die von der Beklagten beauftragte Dritte nunmehr in dem E-Mail-Verkehr eine ausreichende Entsorgungsmöglichkeit bereits in der ersten E-Mail angeboten hat.

Die Wiederholungsgefahr wird nicht hinreichend ausgeräumt, weil die Beklagte zum einen von der Rechtmäßigkeit ihres früheren Verhaltens weiterhin ausgeht und zum anderen keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Allein die letztgenannten Erklärung ist jedoch nach zutreffender ständiger Rechtsprechung ausreichend, die Wiederholungsgefahr im Sinne des § 8 UWG auszuräumen.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 I UWG, der hierauf beruhende Zinsanspruch aus § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Ein Teilunterliegen der Klägerin liegt nicht vor. Diese hat in den nunmehr zur Entscheidung gestellten Anträgen unter Berücksichtigung des Sachverhaltes und ihres ursprünglichen Begehrens den ursprünglichen Antrag nicht teilweise zurückgenommen, sondern nur weiter sprachlich konkret gefasst."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Verpackung mit Lizenz - Das neue Verpackungsgesetz bringt eine neue Lizenzierungspflicht

In Ausgabe 19/2018, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel Verpackung mit Lizenz - Das neue Verpackungsgesetz bringt eine neue Lizenzierungspflicht für Online-Shop-Betreiber".

KG Berlin: Online-Shop muss Kunden bei verpackten Lebensmitteln im Shop vor der Bestellung über Zutaten, Allergene, Aufbewahrungsbedingungen und Verzehrzeitraum informieren

KG Berlin
Urteil vom 23.01.2018
5 U 126/16


Das KG Berlin hat entschieden, dass ein Online-Shop seine Kunden beim Verkauf verpackter Lebensmittel im Shop nach der LMIV vor der Bestellung über Zutaten, Allergene, Aufbewahrungsbedingungen und Verzehrzeitraum informieren muss. Es genügt nicht, dass der Kunde dies nach Erhalt der Ware auf der Verpackung lesen kann. Insbesondere die Angabe des Verzehrzeitraums dürfte viele Shopbetreiber vor eine Herausforderung stellen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann - Schluss mit Zuschlägen - Keine Zusatzentgelte für Zahlung per Überweisung, Lastschrift und Kreditkarte

In Ausgabe 3/2018, S. 18 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Schluss mit Zuschlägen - Keine Zusatzentgelte für Zahlung per Überweisung, Lastschrift und Kreditkarte".

Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann - Nur mit Zertifikat - EuGH stellt Regeln für Online-Shops auf die mit Bio-Lebensmitteln handeln

In Ausgabe 1/2018, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Nur mit Zertifikat - EuGH stellt Regeln für Online-Shops auf die mit Bio-Lebensmitteln handeln".

Siehe auch zum Thema EuGH: Online-Verkauf von Bio-Produkten setzt Zertifizierung des Online-Shops voraus - kein "direkter Verkauf" nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 .


EuGH: Online-Verkauf von Bio-Produkten setzt Zertifizierung des Online-Shops voraus - kein "direkter Verkauf" nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007

EuGH
Urteil vom 12.10.2017
C-289/16
Kamin und Grill Shop GmbH
gegen
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V.


Der EuGH hat entschieden, dass der Online-Verkauf von Bio-Produkten eine Zertifizierung des Online-Shops durch die zuständige Öko-Kontrollstelle voraussetzt. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass kein "direkter Verkauf" nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vorliegt und die Ausnahmevorschrift für den stationären Handel für den Online-Handel nicht gilt.

Gegenstand des Verfahrens war ein Vorlagebeschluss des BGH (siehe dazu BGH: EuGH muss entscheiden ob Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln durch zuständige Öko-Kontrollstelle zertifiziert werden muss )

Tenor der Entscheidung:

"Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ist dahin auszulegen, dass Erzeugnisse nur dann im Sinne dieser Bestimmung „direkt“ an den Endverbraucher oder ‑nutzer verkauft werden, wenn der Verkauf unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: