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OLG München: Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsantrag des ungesicherten Antragstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren dringlichkeitsschädlich - auch im Berufungsverfahren

OLG München
Hinweisbeschluss vom 16.09.2021
29 U 3437/21 Kart


Das OLG München hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Fristverlängerungsantrag oder ein Terminverlegungsantrag des ungesicherten Antragstellers im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Dies gilt auch für Anträge im Berufungsverfahren.

Aus den Gründen:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragstellerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ein Urteil des Senats. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

a) Die Berufung hat nach derzeitiger Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Die Zurückweisung des Verfügungsantrags durch das Landgericht ist jedenfalls deswegen zu Recht erfolgt, weil der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht zu bejahen sein dürfte.

aa) Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m. w. N.; Senat, WRP 2020, 109 Rn. 3).

bb) Grundsätzlich hat der Antragsteller nach § 936, § 920 Abs. 2 ZPO darzulegen und glaubhaft zu machen, warum er einer Eilentscheidung über die behaupteten Ansprüche bedarf, soweit nicht im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 UWG bzw. aufgrund vergleichbarer Vorschriften eine Dringlichkeitsvermutung besteht. Unabhängig davon aber, ob ein Verfügungsgrund glaubhaft zu machen ist oder vermutet wird, ist er zu verneinen, wenn sich der Antragsteller bzw. dessen Prozessbevollmächtigter dringlichkeitsschädlich verhält (s. auch OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).

cc) Dies ist hier der Fall, denn der mit Schriftsatz vom 05.07.2021 (Bl. 73 d.A.) gestellte Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat ist - worauf der Senat mit Verfügung vom 06.09.2021 (Bl. 93 d.A.) hingewiesen hat - als dringlichkeitsschädlich anzusehen.

(i) Als dringlichkeitsschädliches Verhalten ist ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.15), so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).

(ii) Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund entfalten dabei nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens, denn die mangelnde Dringlichkeit kann sich auch aus dem prozessualen Verhalten eines Antragstellers ergeben (BVerfG, 03.04.1998, 2 BvR 415/96, Rn. 4, juris). So wirkt sich insbesondere das zögerliche Betreiben des Verfahrens nachteilig auf den Verfügungsgrund aus (vgl. Schmidt, in: Büscher, UWG, § 12 Rn. 168, 213 ff.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16; Retzer, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 321), wobei sich der Antragsteller Verzögerungen, die durch seinen Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 325; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203). Dieser hat die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich weder auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 203; einschränkend Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 52 a. E., 54).

(iii) Nach zutreffender Auffassung sind daher im Regelfall Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge als dringlichkeitsschädlich anzusehen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.16), wenn sie vom noch ungesicherten Antragsteller gestellt werden. Denn mit gerichtlichen Entscheidungen, die derartigen Anträgen stattgeben, geht in aller Regel zwangsläufig eine Verfahrensverlängerung einher, mit der sich der den Fristverlängerungs-/Terminsverlegungsantrag anbringende Antragsteller zumindest konkludent einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Weil sich ein solches dringlichkeitsschädliches Verhalten mithin aus dem Antrag selbst ergibt, ist ein Verfügungsgrund folglich selbst dann zu verneinen, wenn einem derartigen Antrag seitens des Gerichts nicht entsprochen wird oder sich eine etwaige Stattgabe des Antrags im Ergebnis ausnahmsweise nicht auf die Verfahrensdauer auswirkt.

(iv) Auch im Berufungsverfahren muss der noch ungesicherte Antragsteller den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen (vgl. Singer, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 47 Rn. 54; Voß, in: Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., § 940 Rn. 90). Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (vgl. OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschluss v. 25.07.2019, 4 U 1087/19, Rn. 2, juris).

(v) Gemessen an diesen Maßstäben dürfte ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen sein. Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat im Schriftsatz vom 05.07.2021 hat die Antragstellerseite zum Ausdruck gebracht, dass sie eine mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung einhergehende Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihr die Sache nicht derart eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde. Dass die Antragstellerin die verlängerte Frist nicht voll ausgeschöpft hat, ist ohne Belang, da sich das dringlichkeitsschädliche Verhalten nach oben Gesagtem bereits aus der Antragstellung selbst ergibt.
Angesichts dessen greift auch der Einwand der Antragstellerin nicht, dass es nicht nahvollziehbar sei, weshalb die Antragstellerin weder nach Beantragung der Verlängerung noch im Rahmen der Bewilligung einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, nicht, da zu diesen Zeitpunkten das dringlichkeitsschädliche Verhalten bereits erfolgt war - ungeachtet dessen, dass es insoweit ohnehin keines Hinweises bedurfte (OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 79 - Verkaufsaktion für Brillenfassungen).

dd) Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf hiervon zum Teil abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte die Zulassung der Revision beantragt, hat auch dieser Antrag im Hinblick auf § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO von vornherein keinen Erfolg.

b) Da die Berufung bereits aus diesem Grund erfolglos bleiben dürfte, kann dahinstehen, ob der Verfügungsgrund auch aus anderen Gründen zu verneinen ist und ob ein Verfügungsanspruch gegeben ist.


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BGH: Rechtsanwalt darf darauf vertrauen dass erstem Antrag auf Fristverlängerung entsprochen wird wenn erheblicher Grund vorliegt

BGH
Beschluss vom 30.05.2017
VI ZB 54/16
ZPO § 85 Abs. 2, § 233, § 234


Der BGH hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass einem ersten Antrag auf Fristverlängerung entsprochen wird, wenn eine erheblicher Grund vorliegt.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen erheblichen Grund vorträgt. Demgemäß besteht keine Verpflichtung, sich innerhalb des Laufs der Berufungsbegründungsfrist beim Gericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben werde (Anschluss Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06, VersR 2008, 234 Rn. 9 ff. mwN).

b) Zu einer wirksamen Fristenkontrolle gehört die Anordnung, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird. Dabei ist, ggf. anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich
abgesandt worden sind (Anschluss Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8 mwN).

BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16 - OLG Stuttgart - LG Hechingen

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BGH: Fristverlängerung nur möglich wenn der Fristverlängerungsantrag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist

BGH
Beschluss vom 29.03.2017
XII ZB 576/16
FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2


Der BGH hat klargestellt, dass eine Fristverlängerung nur dann möglich ist, wenn der Fristverlängerungsantrag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist. Eine abgelaufen Frist kann somit nicht mehr verlängert werden.

Leitsatz des BGH:

Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden es Rechtsmittelgerichts ist nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 140/05 - FamRZ 2006, 190 und vom 24. Januar 1996 - XII ZB 184/95 - FamRZ 1996, 543; BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und BGH Beschluss vom 12. Februar 2009 - VII ZB 76/07 - NJW 2009, 1149).

BGH, Beschluss vom 29. März 2017 - XII ZB 576/16 - OLG Bamberg - AG Bad Kissingen

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BGH: Rechtsanwalt darf bei erstem Antrag auf Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung oder Urlaub darauf vertrauen dass die Frist verlängert wird

BGH
Beschluss vom 26.01.2017
IX ZB 34/16


Der BGH hat richtigerweise entschieden, dass ein Rechtsanwalt bei einem ersten Antrag auf Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung oder Urlaub darauf vertrauen darf, dass die Frist wie beantragt verlängert wird. Vorliegend ging es um die Berufungsbegründungsfrist. Für Notfristen gilt dies natürlich nicht.

Leitsätze des BGH:

ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3
Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben wird, sofern er erhebliche Gründe wie Arbeitsüberlastung oder Urlaubsabwesenheit dargelegt hat.

ZPO § 233 Abs. 1 Satz 1 B, C
Der Rechtsanwalt muss sich nicht darüber vergewissern, ob seinem erstmaligen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben wurde, wenn er nach dem Inhalt der mitgeteilten Gründe auf eine Verlängerung vertrauen durfte.

BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16 - LG Bremen - AG Bremen

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KG Berlin: Fristverlängerung für Beschwerdebegründung kann Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren widerlegen

KG Berlin
Beschluss vom 20.09.2016
5 W 147/16


Das KG Berlin hat entschieden, dass eine Antrag auf Fristverlängerung für die Beschwerdebegründung im einstweiligen Verfügungsverfahren die Dringlichkeitsvermutung wiederlegen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortlaufend drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert, hat damit zu erkennen gegeben, dass die Sache für ihn nicht so eilig ist. Dann lässt sich die Dringlichkeit nicht mehr vermuten (Hess in: Ullmann, juris BK-UWG, 4. Auflage, § 12 Rn. 122 mwN). Die aus § 12 Abs. 2 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung kann dabei nicht nur durch zögerliche Verfahrenseinleitung, sondern auch dann widerlegt sein, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch ein späteres Verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (Senat, KGR Berlin 2008, 551 f; Hess, aaO, § 12 Rn. 121 ff mwN). Eines Verfügungsanspruchs kann sich etwa begeben, wer die beim Eingangsgericht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung seines Eilantrags nicht begründet, sondern dort mitteilt, eine Beschwerdebegründung erst nach der erstinstanzlichen Nichtabhilfe beim Beschwerdegericht einreichen zu wollen (Senat, aaO; Hess, aaO, § 12 Rn. 134).

[...]

Vorliegend hat die Antragstellerin mit ihrer am letzten Tag der Beschwerdefrist versendeten sofortigen Beschwerde beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um 15 Tage zu verlängern. Die Beschwerdebegründung ist dann am letzten Tag dieser Frist bei Gericht eingegangen. Dieses Verhalten führt vorliegend zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung.

a)

Nach § 571 Abs. 1 ZPO "soll" die Beschwerde begründet werden. Das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel - angesichts der vorangegangenen ablehnende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts - eine Beschwerdebegründung voraus. Auch wenn es eine gesetzliche Frist zur Begründung der Beschwerde nicht gibt, führt ein Gesuch um ein Nachreichen einer Beschwerdebegründung regelmäßig - nicht zuletzt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs - zu einer Verzögerung der Abhilfeentscheidung des Landgerichts und damit der Befassung der nächsten Instanz mit der Sache. Angesichts einer Beschwerdefrist von 14 Tagen ist eine weitere Verzögerung - wie vorliegend - um 15 Tage erheblich (jedenfalls, wenn schon die Beschwerdefrist vollständig ausgenutzt worden ist).

b)


Ein hinreichender Anlass für die zeitliche Verzögerung hat nicht bestanden.

aa)


Auch die Antragstellerin macht nicht geltend, die krankheitsbedingten Einschränkungen in der Belastbarkeit ihres Verfahrensbevollmächtigten seien völlig überraschend eingetreten. Im Übrigen verblieb ihrem Verfahrensbevollmächtigten eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 14 Stunden.

Die krankheitsbedingten Personalengpässe mögen zwar die Arbeitsbelastung ihres Verfahrensbevollmächtigten erhöht haben. Die Antragstellerin trägt aber nicht konkret vor, ihr Verfahrensbevollmächtigter sei durch zeitlich vorrangige oder jedenfalls zeitlich gleichrangige dringliche Angelegenheiten an der Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens innerhalb der Beschwerdefrist gehindert gewesen.

bb)

13
Die nachgereichte Beschwerdebegründung umfasst nur sieben Seiten und sie wiederholt im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag zur fehlenden Widerlegung der Dringlichkeit (im Zusammenhang mit der Kenntnis vom Testlauf im November 2015) sowie zur wettbewerblichen Eigenart ihres Gesundheitstickets. Auch unter Berücksichtigung der größeren Arbeitsbelastung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, dass dieser Vortrag nicht - unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der vorliegenden Eilsache und unter Zurückstellung weniger dringlicher (etwa einer Fristverlängerung ohne weiteres zugänglicher) Sachen - innerhalb der Beschwerdefrist gehalten werden konnte.

c)

In einer Gesamtbetrachtung können zwar verschiedene einzelne - für sich nicht erhebliche - Verzögerungen insgesamt zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung führen. Ein vorangegangenes, an sich selbstverständlich verzögerungsfreies Vorgehen eines Antragstellers kann aber eine spätere erhebliche Verzögerung nicht rechtfertigen, auch nicht in einer Gesamtbetrachtung. Denn eine solche spätere Verzögerung legt - wie erörtert - die Annahme nahe, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Sache für den Antragsteller nicht mehr eilig ist.

hier:

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OLG Celle: Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren durch Antragsteller lässt Dringlichkeit entfallen

OLG Celle
Beschluss vom 17.09.2015
13 U 72/15


Das OLG Celle hat entschieden, dass die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren durch Antragsteller die Dringlichkeit entfallen lässt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreitet vertretenen Auffassung gibt der erstinstanzlich unterlegene Antragsteller, der sich die Frist zur Berufungsbegründung nicht unerheblich verlängern lässt und diese verlängerte Frist nicht unerheblich ausnutzt, im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung seines Anspruchs im einstweiligen Rechtsschutz nicht (mehr) dringlich ist (KG, Beschluss vom 16. April 2009 - 8 U 249/08, juris Tz. 4 m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2002 - 20 U 74/02, juris Tz. 5 f. m. w. N.; vergleichbar betreffend einen Antrag auf der Terminsverlegung: OLG Hamm, Urteil vom 15. März 2011 - 4 U 200/10, juris Tz. 15 ff.; a. A.: OLG Hamburg, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 5 U 36/03, juris Tz. 15; Urteil vom 20. September 2012 - 3 U 53/11, juris Tz. 33; ablehnend betreffend kürzere Fristüberschreitung: OLG Naumburg, Urteil vom 20. September 2012 - 9 U 59/12, juris Tz. 5; OLG Frankfurt, Urteil vom 9. August 2012 - 6 U 91/12, juris Tz. 12).

Der Senat teilt diese Auffassung. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sich in der Berufungsinstanz in der Sache keine neuen Rechtsfragen stellen, die nicht bereits in erster Instanz herausgearbeitet worden wären. Ein Eingehen auf das Argument des Landgerichtes, mit dem dieses den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt und die zuvor im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben hat, bedurfte keines nennenswerten Aufwandes. Die Berufungsbegründung war in besonderem Maße einfach zu fertigen. Eine Rechtfertigung, vor dem Hintergrund der von der Verfügungsklägerin angenommenen Dringlichkeit auch nur die reguläre Frist zur Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 2 ZPO auszuschöpfen, ist daher schon zweifelhaft, auch wenn sich der sachbearbeitende Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin in diesem Zeitraum im Urlaub befunden hat. Hinzu kommt, dass der Fristverlängerungsantrag vom 29. Juli 2015 auf eine Arbeitsüberlastung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin gestützt ist, weil viele Fristsachen „geradezu parallel abliefen und nahezu jeden Tag Gerichtstermine wahrgenommen werden“ müssten. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass das Zurückstellen der Fertigung der Berufungsbegründung unter Berücksichtigung der von der Verfügungsklägerin angenommenen Dringlichkeit gerechtfertigt gewesen wäre. Schließlich ist weiter zu berücksichtigen, dass sich bereits das Verfügungsverfahren in erster Instanz aufgrund mehrerer Terminsverlegungsanträge von beiden Parteien erheblich verzögert hatte. Auch wenn jedenfalls für die Terminsverlegungsanträge der Verfügungsklägerin jeweils zwingende Gründe vorgelegen haben mögen, bestand angesichts der ohnehin übermäßig langen Dauer des Verfügungsverfahrens erst recht Anlass, die Berufungsbegründung bevorzugt zu fertigen.

2. (…)“

Der Senat hält an dieser Beurteilung auch unter Berücksichtigung der hiergegen mit Schriftsatz vom 15. September 2015 vorgebrachten Einwände fest:

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Landgericht die einstweilige Verfügung zunächst durch Beschluss antragsgemäß erlassen und erst auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten durch das angefochtene Urteil aufgehoben hat, hat der Verfügungskläger durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gegeben, dass die Verfolgung des beanstandeten Verstoßes für ihn selbst nicht eilig ist. Entgegen der wohl von dem Verfügungskläger vertreten Auffassung entfällt die Wirkung einer zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, bereits mit Verkündung des die einstweilige Verfügung aufhebenden Urteils und nicht erst mit dessen Rechtskraft (Senat, Urteil vom 11. Mai 1989 - 13 U 12/89, GRUR 1989, 541; OLG Celle, Urteil vom 28. Februar 1995 – 16 U 182/94, juris Tz. 3; Zöller/Vollkommer, 30. Aufl., § 925 Rdnr. 10 m. w. N.). Das Eilbedürfnis war hier deshalb nicht anders zu beurteilen, als wenn die beantragte einstweilige Verfügung erstinstanzlich auch im Beschlusswege nicht erlassen worden wäre.

Zwar hat der Verfügungskläger die um einen Monat verlängerte Frist nicht vollständig ausgeschöpft, sondern nur einen Zeitraum von 3 Wochen und 6 Tagen in Anspruch genommen. Dies rechtfertigt jedoch keine abweichende Beurteilung, zumal ohnehin der geringe für die Fertigung der Berufungsbegründung erforderliche Aufwand zu berücksichtigen ist.

Darauf, dass bereits das Verfügungsverfahren in erster Instanz ungewöhnlich lange gedauert hat, kommt es hiernach nicht mehr entscheidend an. Allerdings ist im Hinblick auf die diesbezüglichen Einwände des Verfügungsklägers darauf hinzuweisen, dass dieser dort ausweislich der Verfügung des Vorsitzenden Richters vom 6. Januar 2015 zugesichert hatte, aus der im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung bis zur instanzabschließenden Entscheidung keine Vollstreckungsmaßnahmen herzuleiten, so dass sich der von ihm angenommene Eilbedarf allein durch den Erlass dieser einstweiligen Verfügung nicht erledigt hatte."



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BPatG: Antrag auf Fristverlängerung durch Markeninhaber im Löschungsverfahren ist regelmäßig kein Widerspruch gegen den Löschungsantrag

BPatG
Beschluss vom 17.02.2011
25 W (pat) 216/09
Wiener Griessler (Widerspruch gegen die Löschung)

Leitsätze des BPatG:


1. Stellt die Inhaberin der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG lediglich einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme auf die Mitteilung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG, kann dies regelmäßig nicht als Widerspruch i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG ausgelegt werden.

2. Der innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG erhobene Widerspruch ist not-wendige Voraussetzung für die Durchführung eines Löschungsverfahrens nach § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG mit materiellrechtlicher Prüfung der im Löschungsantrag geltend gemachten Löschungsgründe. Das Vorliegen dieser Verfahrensvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Ihr Fehlen stellt ein Verfahrenshindernis dar mit der zwingenden Rechtsfolge, dass die angegriffene Marke im an-gegriffenen Umfang zu löschen ist, § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG.

3. Die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG stellt eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, die nicht verlängerbar ist. Sie steht weder zur Disposition des Patentamts noch kann der Löschungsantragsteller auf deren Einhaltung mit Rechtswirkung ausdrücklich oder etwa durch rügelose Einlassung verzichten.

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