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BGH: Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen und nicht genehmigungsfähigen Sportwetten haben nach vorläufiger Einschätzung einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze

BGH
Hinweisbeschluss vom 22.03.2024
I ZR 88/23


Der BGH hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen und nicht genehmigungsfähigen Sportwetten nach vorläufiger Einschätzung einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter haben.

Aus den Gründen:
III. Die Revision dürfte nach vorläufiger Einschätzung des Senats keinen Erfolg haben.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht und von der Revision nicht angegriffen davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind, die Klage auch im Übrigen zulässig ist und sich die geltend gemachten Ansprüche nach deutschem Sachrecht beurteilen.

2. Dem Kläger dürfte im vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehen. Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Die Beklagte hat die Beträge, die der Kläger als Spieleinsätze an sie gezahlt hat, durch dessen Leistung erlangt. Die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge dürften hierfür keinen rechtlichen Grund darstellen. Die Beklagte hat durch das öffentliche Angebot von Sportwetten gegen die Regelungen in § 4 Abs. 1, 4 und 5 , § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen, die ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB darstellen (dazu III 2 a). Aus diesem Verstoß dürfte im Streitfall die Nichtigkeit der Sportwettenverträge folgen (dazu III 2 b).

a) Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen. Diese unionsrechtskonformen Regelungen stellen ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB dar.

aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verboten. Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verboten. Ein Erlaubnisvorbehalt für öffentliche Glücksspiele im Internet besteht nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten, nicht jedoch für sonstige öffentliche Glücksspiele wie insbesondere Casino- und Automatenspiele. Für Sportwetten sieht § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 eine entsprechende Anwendung des Verbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 vor; allerdings ermöglicht § 4a Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 im Rahmen der sogenannten Experimentierklausel des § 10a GlüStV 2012 die Erteilung einer Konzession. Diese gab dem Konzessionsnehmer nach näherer Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2012 das Recht, abweichend vom Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 Sportwetten auch im Internet zu veranstalten und zu vermitteln.

Ein Glücksspiel liegt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Nach Satz 2 hängt die Entscheidung über den Gewinn in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Unter den Begriff der Glücksspiele fallen nach Satz 3 auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses. Satz 4 definiert Sportwetten als Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. Öffentlich ist ein Glücksspiel gemäß § 3 Abs. 2 GlüStV 2012, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmäßig veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt.

bb) Das im Glücksspielstaatsvertrag 2012 vorgesehene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für Sportwetten steht mit dem Unionsrecht in Einklang.

[…]

cc) Die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 stellt ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB dar.

(1) Als Verbotsgesetz kommen auch landesrechtliche Normen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 10/85, NJW 1986, 2360 [juris Rn. 10]). Der zwischen den Ländern geschlossene Glücksspielstaatsvertrag 2012 wurde von den einzelnen Landesgesetzgebern ratifiziert und jeweils in den Rang eines Landesgesetzes erhoben (vgl. beispielsweise § 1 Landesglücksspielgesetz Baden-Württemberg vom 20. November 2012 [GBl. S. 604]). (2) Für den Streitfall kommt es nicht auf die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags in der am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Fassung (GlüStV 2021) an, die ihrerseits in § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV 2021 einen Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Sportwetten vorsehen. Maßgeblich für die Beurteilung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB ist das zum Zeitpunkt des Verstoßes geltende Verbotsgesetz. Wird das Verbot nachträglich aufgehoben, führt nur eine bestätigende Neuvornahme gemäß § 141 BGB zur Wirksamkeit (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 150/06, WuM 2007, 440 [juris Rn. 10] mwN).


[…]

b) Aus dem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 dürfte im Streitfall die Nichtigkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Sportwettenverträge folgen. Grundsätzlich erfordert der Schutzzweck dieses gesetzlichen Verbots die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB (dazu III 2 b bb). Der Senat muss im Streitfall nicht entscheiden, ob dies ausnahmsweise anders zu sehen ist, wenn ein Anbieter zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte, das für diesen Antrag geltende Konzessionserteilungsverfahren aber unionsrechtswidrig war, und das Sportwettenangebot dieses Anbieters daher weder strafrechtlich sanktioniert noch verwaltungsrechtlich untersagt werden konnte (dazu III 2 b cc). Denn jedenfalls für Sportwettenangebote, die - wie im Streitfall - auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionserteilungsverfahren nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig gewesen wären, dürfte es bei der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB verbleiben.

[...]

(2) Die effektive Durchsetzung der genannten legitimen Ziele erfordert grundsätzlich die Nichtigkeit der unter Verstoß gegen die Erlaubnispflicht auf Grundlage eines Internetangebots geschlossenen Glücksspielverträge. Über das Internet angebotene Spiele weisen wegen des Fehlens eines unmittelbaren Kontakts zwischen Verbraucher und Anbieter und einer sozialen Kontrolle sowie wegen der Anonymität und Isolation der Spieler ein besonderes Gefährdungspotential für jugendliche und spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht. Dabei fällt insbesondere auch die für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugänglichkeit zu einem sehr großen internationalen Spielangebot ins Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09, GRUR 2012, 193 [juris Rn. 44] = WRP 2012, 201 - Sportwetten im Internet II mit Verweis unter anderem auf EuGH, ZfWG 2010, 344 [juris Rn. 102 f.] - Carmen Media Group; BVerfG, NVwZ 2008, 1338 [juris Rn. 40]; BVerwGE 140, 1 [juris Rn. 34]).

Gegen die Schutzbedürftigkeit der Spieler spricht dabei nicht, dass das Verlustrisiko bei erlaubten Spielen ebenfalls besteht und jedem Spieler bekannt sein muss. Das gesetzliche Verbot dient auch dem Schutz des Spielers vor sich selbst. Wegen der auf viele Menschen wirkenden besonderen Reize von Glücksspielen und der niedrigen sozialen Hemmschwellen beim Online-Glücksspiel soll es verhindern, dass spielsüchtige und spielsuchtgefährdete Menschen außerhalb jeder aufsichtsrechtlichen Kontrolle in die Lage geraten, trotz des vorhandenen Wissens um das Verlustrisiko - womöglich erhebliche - Verluste zu erleiden (vgl. EuGH, ZfWG 2010, 344 [juris Rn. 102 f.] - Carmen Media Group; BVerwGE 140, 1 [juris Rn. 34]; BVerwG, ZfWG 2018, 139 [juris Rn. 29]). Ginge man dagegen von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der verbotenen Glücksspielverträge aus und verwiese die Spieler lediglich auf Schadensersatzansprüche, wenn es im Einzelfall zu einer Verletzung ihrer geschützten Interessen kommt, wie etwa bei fehlender Rücksichtnahme auf die Schutzbedürftigkeit des Spielers oder bei Manipulation des Spiels (vgl. Köhler, NJW 2023, 2449, 2453), bliebe der mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 angestrebte Schutz der Bevölkerung unzureichend.

Das gesetzliche Verbot richtet sich nicht lediglich gegen eine bestimmte Art der Durchführung des Geschäfts, sondern soll insbesondere die negativen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen für die Spieler verhindern, die durch das Glücksspiel eintreten können. Aus diesem Grund ist die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften geschlossenen, aber ansonsten unbedenklichen Rechtsgeschäften (zum Vertriebsvertrag über verschreibungspflichtige Arzneimittel bei fehlender Apothekenzulassung vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1968 - VI ZR 217/65, NJW 1968, 2286, [juris Rn. 26 bis 30]; zum Maklervertrag bei fehlender Gewerbeerlaubnis vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 - IVa ZR 33/80, BGHZ 78, 269 [juris Rn. 12 bis 17]; zum Werkvertrag bei fehlender Eintragung in die Handwerksrolle vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 - VII ZR 43/83, BGHZ 88, 240 [juris Rn. 9 bis 14]; zum Darlehensvertrag bei fehlender Erlaubnis für das Betreiben von Kreditgeschäften vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2011 - XI ZR 256/10, WM 2011, 1168 [juris Rn. 20]) nicht auf Glücksspielverträge übertragbar.

(3) Entgegen der Ansicht der Revision führt auch die in § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 vorgesehene Möglichkeit, die Veranstaltung von Sportwetten - anders als etwa von Casino- oder Automatenspielen - im Internet zu erlauben, nicht dazu, dass die Nichtigkeit unerlaubter Sportwettenverträge nicht mehr erforderlich ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift dient die Erlaubnismöglichkeit der besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2012; hierzu zählen insbesondere die Kanalisierung des Glücksspielangebots (§ 1 Nr. 2 GlüStV 2012), der Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV 2012) und die Kriminalitätsbekämpfung (vgl. § 1 Nr. 4 GlüStV 2012). Der Spielerschutz wird beim erlaubten Glücksspiel in Form von Sportwetten insbesondere dadurch verwirklicht, dass minderjährige und gesperrte Spieler ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV 2012) sowie der monatliche Höchsteinsatz je Spieler grundsätzlich einen Betrag von 1.000 € grundsätzlich nicht übersteigen darf (§ 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012). Besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung müssen ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012). Wetten und Lotterien dürfen weder über dieselbe Internetdomain angeboten noch darf auf andere Glücksspiele verwiesen oder verlinkt werden (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV 2012). Zudem werden Sportwettenanbieter einer erweiterten Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen (§ 4a Abs. 4 Nr. 1 GlüStV 2012), müssen ihre Leistungsfähigkeit nachweisen (§ 4a Abs. 4 Nr. 2 GlüStV 2012) sowie Transparenz- und Sicherheitsanforderungen erfüllen (§ 4a Abs. 4 Nr. 3 GlüStV 2012), insbesondere - zur Vorbeugung von Spielmanipulationen - Schnittstellen zur Prüfung aller Spielvorgänge in Echtzeit zur Verfügung stellen (§ 4a Abs. 4 Nr. 3 Buchst. f GlüStV 2012). Das Genehmigungsverfahren besteht mithin nicht um seiner selbst willen; vielmehr erfüllt es eine eigenständige, auf das jeweilige gesetzliche Schutzgut bezogene gestaltende Funktion zur Gewährleistung effektiven Rechtsgüterschutzes (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - 3 StR 327/19, ZfWG 2020, 352 [juris Rn. 16]).

[…]

(5) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Erwägung, dass durch die Nichtigkeitsfolge für Spieler Fehlanreize entstehen könnten, wenn diese animiert würden, risikolos Einsätze zu tätigen. Gemäß § 817 Satz 2 Halbsatz 1 Teilsatz 1 BGB ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt (zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 [juris Rn. 18]; Urteil vom 10. Januar 2019 - IX ZR 89/18, NJW 2019, 1147 [juris Rn. 28], jeweils mwN), etwa durch strafbare Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel nach § 285 StGB. Ob und unter welchen Voraussetzungen § 817 Satz 2 Halbsatz 1 Teilsatz 1 BGB einschränkend auszulegen ist (vgl. hierzu BGHZ 201, 1 [juris Rn. 21 f.] mwN; NJW 2019, 1147 [juris Rn. 34]), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (vgl. dazu ergänzend Rn. 57). Etwaige Fehlanreize bei Spielern betreffen zudem nur Einzelfälle, während der die Regelungsziele des Glücksspielstaatsvertrags unterstützende Anreiz, das vorgesehene Konzessionserteilungsverfahren zu durchlaufen und auf nicht erlaubnisfähige Glücksspielangebote zu verzichten, für alle Anbieter besteht.


[…]

dd) Die vom Kläger mit der Beklagten geschlossenen Sportwettenverträge dürften jedoch bereits deswegen nach § 134 BGB nichtig sein, weil das Sportwettenangebot der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum vom 11. Oktober 2018 46 47 48 - 21 - bis zum 28. Dezember 2018 auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionsverfahren nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig gewesen wäre.

(3) Der Verstoß des Sportwettenangebots der Beklagten gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 dürfte die Nichtigkeit der mit dem Kläger geschlossenen Sportwettenverträge erfordern. Der Zweck des Verbotsgesetzes dürfte in diesem Fall nicht anders zu erreichen sein als durch die zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB. Dagegen spricht nicht, dass bei einem erlaubten Sportwettenangebot aus dem Verstoß gegen die Auflage möglicherweise keine Nichtigkeit des Sportwettenvertrags folgt. In diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof zu der in einer Spielbankerlaubnis nach dem Hessischen Spielbankgesetz vom 21. Dezember 1988 (GVBl. 1989 I S. 1) vorgesehenen Auflage, dass jeder Spieler vor Spielbeginn ein Limit bestimmt, entschieden, dass bei Missachtung der Auflage die Veranstaltung des Glücksspiels nicht nach § 284 Abs. 1 StGB strafbar und deswegen auch der Spielvertrag nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 284 Abs. 1 StGB nichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - III ZR 190/07, WRP 2008, 958 [juris Rn. 19]; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. April 1967 - VII ZR 1/65, BGHZ 47, 393 [juris Rn. 26]). Dies ergibt sich daraus, dass § 284 Abs. 1 StGB an die behördliche Erlaubnis anknüpft, die nicht ipso iure durch den Verstoß gegen die Auflage, sondern erst nach einem Widerruf der Behörde entfällt und die Auflage selbst kein Verbotsgesetz im Sinn des § 134 BGB darstellt. Darauf kommt es im Streitfall jedoch nicht an, weil die Beklagte unmittelbar gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen hat. Anders als im Fall eines Verstoßes gegen Auflagen in einer Konzession kann die Einhaltung des Höchsteinsatzes nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 unter den Umständen des Streitfalls zudem nicht von der zuständigen Behörde überwacht und durchgesetzt werden.

Es ist zudem unerheblich, ob sich der Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 konkret auf die mit dem Kläger geschlossenen Sportwettenverträge ausgewirkt hat, also jeder einzelne Wettvertrag unter Verstoß gegen den monatlichen Höchsteinsatz von 1.000 € je Spieler zustandegekommen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Sportwettenangebot im maßgeblichen Zeitraum nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon grundsätzlich nicht erlaubnisfähig war.

(4) Das Unionsrecht gebietet es nicht, materiell nicht erlaubnisfähige Sportwettenangebote zivilrechtlich als wirksam zu behandeln. Die Beklagte kann aus einer Unvereinbarkeit des Konzessionserteilungsverfahrens mit dem Unionsrecht keine Rechte herleiten, die sie auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionserteilungsverfahren nicht hätte erlangen können. Das Unionsrecht lässt es zu, ein erlaubtes Sportwettenangebot durch effektive Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung zu begrenzen (vgl. Rn. 16). Der Mitgliedstaat ist lediglich gehalten, Entscheidungen über auf eine Genehmigung gerichtete Anträge auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien zu treffen (vgl. EuGH, GRUR 2013, 524 [juris Rn. 45] - Stanleybet International u.a.). Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht nicht vor (vgl. BVerwG, ZfWG 2019, 36 [juris Rn. 14]; BGH, ZfWG 2023, 262 [juris Rn. 24]).

(5) Das zu § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 Ausgeführte gilt auch für weitere spielerschützende Erlaubnisvoraussetzungen, beispielsweise die vollständige Trennung der Wetten von anderen Glücksspielen (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV 2012) und den Ausschluss von sogenannten Ereigniswetten auf einzelne Vorgänge während des laufenden Sportereignisses (§ 21 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GlüStV 2012), auf die sich der Kläger beruft, zu denen das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen hat. Sollte es hierauf noch streitentscheidend ankommen, käme eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur Ermöglichung weiterer Feststellungen in Betracht. Dass die Beklagte die materiellen Voraussetzungen des Erlaubnisvorbehalts erfüllt, dürfte dann in ihre Darlegungs- und Beweislast fallen (zu § 3a UWG vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13, GRUR 2016, 88 [juris Rn. 23] = WRP 2016, 35 - Deltamethrin I).

3. Zutreffend und von der Revision nicht konkret beanstandet dürfte das Berufungsgericht angenommen haben, dass der Rückforderungsanspruch des Klägers aus tatsächlichen Gründen nicht nach § 814 Fall 1, § 817 Satz 2 Halbsatz 1 Teilsatz 1 und aus rechtlichen Gründen nicht nach § 762, § 242 BGB ausgeschlossen ist sowie die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht greift.

IV. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dürfte nicht veranlasst sein (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Die Folgen einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen im Bereich des Glücksspiels und die Anforderungen an ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot von Glücksspielen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2023 - I ZR 79/22, juris Rn. 19; BGH, ZfWG 2024, 66 [juris Rn. 18]). Die Vorlagefragen in dem Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta (Rechtssache C-440/23) betreffen die Vereinbarkeit der Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 zu Online-Casino-Glücksspielen und (Zweit-)Lotterien mit dem Unionsrecht, nicht aber die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 zu Sportwetten.


Den Volltext des Beschlusses finden Sie hier:

Rechtliche Beratung beim Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen - Rechtsanwälte - Rechtsanwalt - Anwalt - Anwälte

Bei der Nutzung generativer Künstlicher Intelligenz (KI) entstehen spezifische urheberrechtliche Probleme, die Unternehmen beachten müssen. Generative KI-Modelle haben die Fähigkeit, neue Inhalte, wie Texte, Bilder, Musik oder Videos, zu erstellen, die dem Stil oder Muster der Trainingsdaten entsprechen. Hier sind einige urheberrechtliche Aspekte, die beim Einsatz generativer KI relevant sind:

Generative KI-Modelle können Inhalte erstellen, die auf vorhandenen Werken basieren oder stark von ihnen inspiriert sind. Falls die KI auf urheberrechtlich geschützten Inhalten basiert, könnte es zu rechtlichen Konflikten kommen, insbesondere wenn die generierten Werke eine gewisse Originalität aufweisen.

Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Nutzung generativer KI keine Rechte Dritter verletzt. Das bedeutet, dass die KI keine geschützten Materialien wie Bilder, Texte oder Musik ohne die entsprechenden Genehmigungen reproduzieren oder verwenden darf. Es ist wichtig, die Quellen und Rechte der Trainingsdaten zu überprüfen und sicherzustellen, dass die generierten Inhalte frei von Rechtsverletzungen sind.

Ob die von einem Unternehmen generierten Inhalten selbst urheberrechtlichen Schutz genießen ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit geht die Tendenz dahin, das maschinell erstelle Inhalte keinen eigenen urheberrechtlichen Schutz genießen, da es an der dafür notwendigen geistigen Schöpfung fehlt. Zudem schließt sich die Frage an, wem Rechte an generierten Inhalten zustehen. Dem Unternehmen als Nutzer oder dem Anbieter der verwendeten KI-Lösung. Letztlich ist der Gesetzgeber gefragt, um für die notwendige Klarstellung zu sorgen.

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Volltext BGH: Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH kann im VW-Dieselskandal aufgrund deutscher Inkassolizenz für schweizer Kläger tätig werden

BGH
Urteil vom 13.06.2022
VIa ZR 418/21
financialright
RDG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH kann Schadensersatzansprüche eines Schweizers im VW-Dieselskandal auf Grundlage einer deutschen Inkassolizenz nach Abtretung einklagen" über die Entscheidung berichten.

Leitsatz des BGH:
Die Inkassoerlaubnis umfasst den Einzug von Forderungen, die ausländischem Sachrecht unterfallen.

BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 418/21 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH kann Schadensersatzansprüche eines Schweizers im VW-Dieselskandal auf Grundlage einer deutschen Inkassolizenz nach Abtretung einklagen

BGH
Urteil vom 13.06.2022
VIa ZR 418/21


Der BGH hat entschieden, dass der Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH Schadensersatzansprüche eines Schweizers im VW-Dieselskandal auf Grundlage einer deutschen Inkassolizenz nach Abtretung einklagen kann

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit eines "Sammelklageninkassos" für Schweizer
Erwerber im sogenannten Dieselskandal

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat heute entschieden, dass ein Inkassodienstleister sich wirksam Schadensersatzforderungen abtreten lassen kann, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die beklagte Volkswagen AG berühmen.

Sachverhalt:

Einer dieser Erwerber, ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, kaufte – so im Revisionsverfahren zu unterstellen – im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertragshändlerin der beklagten Fahrzeugherstellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1 (Prüfstanderkennungssoftware). Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen (ASTRA) im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.

Am 18. Dezember 2017 trat der Erwerber – so wiederum im Revisionsverfahren zu unterstellen – seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin, eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin in der Rechtsform einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung sollte die Klägerin die Ansprüche im eigenem Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber sollte für etwaige Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufkommen müssen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin, die sich in über 2000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat bei dem Landgericht 2019 eine Klage erhoben, in der sie sämtliche Forderungen zum Gegenstand von Feststellungsbegehren gemacht hat. Das Landgericht hat das Verfahren die Ansprüche des einen Erwerbers betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch CHF 5.394 (15% des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Erwerbers die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur – wie vorhanden – nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge des Fehlens der Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat anhand einer am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes sowie an der Gesetzgebungsgeschichte orientierten Auslegung klargestellt, dass ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht. Dabei hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen des VIII. Zivilsenats vom 27. November 2019 (VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89, vgl. Pressemitteilung Nr. 153/2019) und des II. Zivilsenats vom 13. Juli 2021 (II ZR 84/20, BGHZ 230, 255, vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2021) berücksichtigt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Abhängigmachen der Tätigkeit der Klägerin von einer zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG zur Erreichung des Schutzzwecks des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht erforderlich ist.

Weil sich schon deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft erwies, der Klägerin fehle wegen einer aus einem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz folgenden Nichtigkeit der Abtretung die Aktivlegitimation, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht wird sich nunmehr mit der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des Zedenten zu befassen haben.

Vorinstanzen:

Landgericht Braunschweig – Urteil vom 30. April 2020 – 11 O 3092/19

Oberlandesgericht Braunschweig – Urteil vom 7. Oktober 2021 – 8 U 40/21

Die maßgeblichen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes lauten:

§ 10 Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:

1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),

2. […]

3. Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht; ist das ausländische Recht das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, darf auch auf dem Gebiet des Rechts der Europäischen Union und des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums beraten werden.

Die Registrierung kann auf einen Teilbereich der in Satz 1 genannten Bereiche beschränkt werden, wenn sich der Teilbereich von den anderen in den Bereich fallenden Tätigkeiten trennen lässt und der Registrierung für den Teilbereich keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses entgegenstehen.




OLG Braunschweig: Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH kann Schadensersatzansprüche eines Schweizers im VW-Dieselskandal nicht auf Grundlage einer deutschen Inkassolizenz einklagen kann

OLG Braunschweig
Urteil vom 07.10.2021
8 U 40/21


Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass der Legal-Tech-Anbieter Financialright GmbH Schadensersatzansprüche eines Schweizers im VW-Dieselskandal nicht auf Grundlage einer deutschen Inkassolizenz einklagen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Berufung der financialright GmbH in dem Verfahren gegen die VW AG abgewiesen

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat mit Urteil vom 07. Oktober 2021 (8 U 40/21) die Berufung der Klägerin, die financialright GmbH, gegen die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (11 O 3092/19) zurückgewiesen. Der Senat hat – wie bereits das Landgericht Braunschweig zuvor – entschieden, dass der Klägerin, die aus abgetretenem Recht gegen die beklagte VW AG vorgegangen ist, die dafür notwendige Aktivlegitimation fehle.

Die Klägerin, eine nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin, ließ sich im Zuge des sog. Diesel-Abgasskandals europaweit von Käufern von Dieselfahrzeugen Ansprüche abtreten, um diese gegenüber der Beklagten, der VW AG, im eigenen Namen durchzusetzen. So auch in dem vorliegenden Berufungsverfahren, in dem sie mit einem in der Schweiz ansässigen Käufer eines Fahrzeuges VW Tiguan, das über einen Dieselmotor vom Typ EA 189 verfügt, eine entsprechende Abtretungsvereinbarung getroffen hatte. Die Klägerin machte diese Forderung zunächst „gebündelt“ im Wege einer objektiven Klagehäufung mit ca. 2.000 weiteren Ansprüchen beim Landgericht anhängig. Das Landgericht trennte den streitgegenständlichen Anspruch ab, verhandelte über ihn in einem gesonderten Verfahren und wies ihn mit Urteil vom 30.04.2020 wegen fehlender Aktivlegitimation zurück. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleistungen überschreite, weshalb die Abtretung nichtig sei.

Diese rechtliche Bewertung ist nach Auffassung des 8. Zivilsenats zutreffend. Bei der Abtretungsvereinbarung handele es sich um eine Inkassodienstleistung in Form einer Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 2 RDG, da die Klägerin die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäftsmodell betreibe. Damit unterfällt die Tätigkeit dem Rechtsdienstleistungsgesetz, dessen Schutzzweck darin besteht, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. § 3 RDG sieht daher für die selbstständige Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen eine Erlaubnispflicht vor. Einen solchen Erlaubnistatbestand enthält § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG. Danach dürfen registrierte Personen, die - wie vorliegend die Klägerin - im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen sind, aufgrund nachgewiesener Sachkunde grundsätzlich Rechtsdienstleistungen in dem Bereich der Inkassodienstleistungen erbringen.

In der vorliegenden Konstellation habe die Klägerin aber die ihr danach erteilte Befugnis überschritten, da sie die Einziehung einer Forderung übernommen habe, deren Berechtigung sich nach einem ausländischen (hier dem schweizerischen) Recht beurteile. Zwar dürfen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 RDG auch Rechtsdienstleistungen „in einem ausländischen Recht“ aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden. Eine solche habe die Klägerin jedoch nicht nachgewiesen. Auch könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass der Rechtsdienstleister bei einer Einziehung einer Forderung deren Bestand nicht rechtlich zu prüfen habe. Das Inkassounternehmen übernehme nämlich - so der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - vielmehr die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung fremder Rechte oder Vermögensinteressen. Daraus folge aber auch, dass die rechtliche Bewertung von solchen Forderungen durchaus zum Kernbereich der Inkassotätigkeit gehöre. In dem vorliegenden Fall wäre die Klägerin zudem ohne diese rechtliche Bewertung und materielle Prüfung des behaupteten Schadensersatzanspruchs gar nicht in der Lage gewesen, diesen zu beziffern. Aufgrund des Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht sei die Abtretung nach § 134 BGB nichtig und die Klägerin in dem Verfahren daher nicht befugt, die Rechte des Käufers geltend zu machen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zugelassen und damit die Überprüfung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ermöglicht.


Volltext BGH liegt vor: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/20
Vertragsdokumentengenerator
UWG § 3a; RDG § 2 Abs. 1, § 3

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, stellt keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar.

BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/20
Vertragsdokumentengenerator


Der BGH hat entschieden, dass der Online-Vertragsgenerator des Legal Tech Anbieters smartlaw nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zulässigkeit eines digitalen Vertragsdokumentengenerators

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein juristischer Fachverlag einen digitalen Rechtsdokumentengenerator betreiben darf, mit dem anhand eines Frage-Antwort-Systems und einer Sammlung abgespeicherter Textbausteine Vertragsdokumente erzeugt werden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskammer. Die Beklagte ist ein juristischer Fachverlag. Sie stellt im Internet einen digitalen Generator zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten bereit, die Kunden im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs erwerben können. Hierzu werden dem Kunden verschiedene Fragen gestellt, die er - überwiegend im Multiple-Choice-Verfahren - beantworten muss. Anhand der Antworten werden mithilfe einer Software aus einer Sammlung von Textbausteinen Vertragsklauseln generiert, die zu einem Vertragsentwurf zusammengestellt werden.

Die Klägerin sieht in der digitalen Erstellung eines individuellen Vertragsdokuments eine wettbewerbswidrige Rechtsdienstleistung und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Unterlassungsantrag abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators ist keine nach § 3a UWG unlautere Handlung, weil sie keine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1, § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt. Die Tätigkeit der Beklagten besteht darin, mithilfe der programmierten und im Internet bereitgestellten Software Vertragsdokumente anhand der Vorgaben der Nutzer zu erstellen. Dabei wird sie nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers tätig. Sie hat die Software auf der Grundlage von denkbaren typischen Sachverhaltskonstellationen programmiert, zu denen sie im Vorgriff auf die vorgegebenen Antworten standardisierte Vertragsklauseln entwickelt hat. Die über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders finden - ähnlich wie bei einem Formularhandbuch - bei der Erstellung des Vertragsdokuments keine Berücksichtigung. Der Nutzer erwartet daher auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 8. Oktober 2019 - 31 O 35/19

OLG Köln - Urteil vom 19. Juni 2020 - 6 U 263/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 2 Abs. 1 RDG

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

§ 3 RDG

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.



OLG München: Unzulässige und wettbewerbswidrige Beratung über die Möglichkeit des Widerrufs von Lebensversicherungsverträgen durch Legal-Tech-Anbieter auf Grundlage einer Inkassoerlaubnis

OLG München
Urteil vom 03.12.2020
29 U 7047/19


Das OLG München hat entschieden, dass es unzulässig und damit wettbewerbswidrig ist, wenn ein Legal-Tech-Anbieter auf Grundlage einer Inkassoerlaubnis ihre Kunden über die Möglichkeit des Widerrufs von Lebensversicherungen berät. Insofern handelt es sich um Versicherungsberatung, die eine entsprechende Erlaubnis nach der Gewerbeordnung erfordert.

Die dazugehörige Meldung der Wettbewerbszentrale finden Sie hier:

LG Augsburg: Schadensersatzklagen im Dieselskandal des Legal-Tech-Anbieters myRight abgewiesen - Abtretungen wegen Verstoßes gegen Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig

LG Augsburg
Urteil vom 27.10.2020
011 O 3715/18


Auch das LG Augsburg hat entschieden, dass Schadensersatzklagen im Dieselskandal des Legal-Tech-Anbieters myRight mangels Aktivlegitimation abzuweisen sind. Die Abtretungen sind wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Klage ist zulässig; insbesondere kann dahinstehen, ob die vom Gericht mit Verfügung vom 08.07.2019 angesprochenen Bedenken an seiner Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO hinsichtlich der Klageanträge 1, 3, 5-10, 15, 17-18, 20, 23, 25-26 und 28-30 (Bl. 436/437 d.A.) sich als durchgreifend erweisen, da die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg nach entsprechendem Rügeverzicht der Beklagten (Bl. 451 d.A.) jedenfalls nach § 39 ZPO begründet ist.

2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der Klägerin fehlt es an der erforderlichen Aktivlegitimation für die gegen die Beklagte geltend gemachten vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüche.

Dabei kann dahinstehen, ob die o.g. 30 Fahrzeugerwerber tatsächlich ihre entsprechenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten und insbesondere die von ihr vorgelegten Abtretungserklärungen unterschrieben haben oder nicht, da diese Abtretungen sich jedenfalls gemäß § 134 BGB in Verbindung mit den §§ 3,4 RDG als nichtig erweisen.

Die diesbezügliche Tätigkeit der Klägerin als registrierter Inkassodienstleisterin hält sich nämlich nicht mehr im Rahmen der ihr nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erteilten Inkassodienstleistungsbefugnis. Zwar darf dieser Begriff nach dem LexFox-Urteil des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung der Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu eng ausgelegt werden, sondern innerhalb des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zwecks des Schutzes der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen ist eine eher großzügige Betrachtung geboten (BGH VIII ZR 285/18, Urteil vom 27.11.2019, Rn. 141). Daraus folgt jedoch nicht automatisch die Zulässigkeit des seitens der Klägerin vorliegend praktizierten Geschäftsmodells. Vielmehr hält der Bundesgerichtshof eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalles einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen stets für erforderlich, wobei die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind und den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen ist (BGH, a.a.O., Rn. 110). Im Zuge einer solchen Abwägung ist das Gericht vorliegend indes zu der Überzeugung gelangt, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin vorliegt.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ist eine Inkassodienstleistung die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Ist eine Person - wie vorliegend die Klägerin - gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert, darf sie aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in diesem Bereich erbringen, so dass ihre Inkassotätigkeit keine bloße Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG darstellt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 107). Den somit allein durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen hat die Klägerin indes vorliegend überschritten.

Als registrierter Inkassodienstleisterin ist der Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Anschluss an die Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zuge der Einziehung der an sie abgetretenen Forderungen zwar auch eine umfassende rechtliche Forderungsprüfung und substantielle Beratung ihrer Kunden über den Bestand der Forderung gestattet (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 116 ff.). Dementsprechend sieht der Bundesgerichtshof auch keine Überschreitung der Befugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG darin, dass ein Inkassodienstleister bei Erfolglosigkeit seiner außergerichtlichen Bemühungen um die Durchsetzung der treuhänderisch an ihn abgetretenen Forderungen im Zuge des Interesses seiner Kunden an einer möglichst einfachen und raschen Durchsetzung ihrer Ansprüche die Möglichkeit hat, diese unter Beauftragung eines Rechtsanwalts in einem streitigen gerichtlichen Verfahren als eigene Rechte einzuklagen (BGH, a.a.O., Rn. 225 f.).

Vor diesem Hintergrund erscheint das unter Ziffer 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal erläuterte Vorgehen der Klägerin, die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche, soweit zweckdienlich, im außergerichtlichen Verfahren zu betreiben und im Fall des Nichtausreichens der außergerichtlichen Bemühungen in Zusammenarbeit mit der … oder anderen Rechtsanwälten deren gerichtliche Durchsetzung zu versuchen, auf den ersten Blick vielleicht als unproblematisch. Tatsächlich ist es aber nicht mehr durch § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt, da die Tätigkeit der Klägerin entgegen der in Ziffer 1.3 gewählten Formulierung von vorneherein auf eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung in Form einer Sammelklage abzielte. So bot sie den Betroffenen des Abgasskandals auf der Intemetseite … ausdrücklich an, mit einer Sammelklage dafür zu sorgen, dass ihr Fall rechtzeitig vor Gericht kommt (Anlage B1). Auch in ihrer Pressemitteilung vom 15.06.2018 pries die Klägerin die „Sammelklage, die … anbietet,“ als die „für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung optimale Lösung, um VW-Schadensersatz einzuklagen“, an (Anlage B39). Die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnten außergerichtlichen Bemühungen hat die Klägerin indes vorliegend niemals entfaltet; vielmehr verneinte ihr Prozessbevollmächtigter auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 selbst die Existenz außergerichtlicher Mahnschreiben (Bl. 677 d.A.).

Damit unterfällt die ausschließlich auf ein gerichtliches Vorgehen gerichtete Tätigkeit der Klägerin bereits vom Wortlaut her nicht dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, das laut § 1 Abs. 1 S. 1 RDG die Befugnis regelt, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Auch die Erweiterung der Inkassotätigkeit durch § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO auf gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf das Mahnverfahren und die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erweist sich nicht als einschlägig. Vielmehr zeigt die letztgenannte Regelung, dass der Gesetzgeber das gerichtliche Handeln von Inkassodienstleistern als Ausnahme gesehen hat, wenngleich er mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz die Entwicklung neuer Berufsbilder erlauben wollte (BT-Drucks. 16/3655 S. 30). Dabei hatte er vor allem die Bereiche, in denen die anwaltliche Versorgung die Nachfrage der Rechtssuchenden nicht decken kann, insbesondere weil die Tätigkeit nicht ausschließlich juristischer Natur ist, im Blick (BT-Drucks. 16/3655 S. 40). Der Gesetzgeber beabsichtigte aus Gründen des Verbraucherschutzes jedoch gerade keinen allgemeinen Rechtsleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft einführen, da es ansonsten zu einem Nebeneinander zweier auf die gleiche Tätigkeit ausgerichteten Rechtsberatungsberufe mit völlig unterschiedlicher Qualifikation kommen würde (BT-Drucks. 16/3655 S. 31).

Genau darauf liefe die Anerkennung des Geschäftsmodells der Klägerin indes hinaus, die sich nicht auf die unproblematisch zulässige rechtliche Prüfung der Forderung und substantielle Beratung ihrer Kunden über deren Bestand beschränkte, sondern vielmehr die strategische Entscheidung darüber traf, welche der Ansprüche aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte sie in Einzelverfahren, in Verfahren mit Anspruchsbündelung in geringerem Umfang - wie hier - und in Verfahren mit mehreren 1.000 gebündelten Ansprüchen geltend macht (Bl. 609/610 d.A.). Diese auch in ihrem Internetauftritt besonders hervorgehobene Tätigkeit der Klägerin stellt sich angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen im Abgasskandal und der Komplexität der damit verbundenen durchaus streitigen Rechtsfragen indes als über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung dar. Gerade bei den Sammelklagen, in denen sich die überwiegende Mehrzahl der 45.000 Kunden der Klägerin befindet (Bl. 677 d.A.), stellt sich der Aufgabenbereich der Klägerin vielmehr als vollkommen identisch mit dem eines Rechtsanwaltes dar.

Vor diesem Hintergrund erscheint es indes nicht gerechtfertigt, sich hier mit der geringeren Sachkunde der Klägerin als Inkassodienstleisterin zufrieden zu geben. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Grund für die deutlich geringeren Anforderungen an die Sachkunde des registrierten Inkassodienstleisters darin gesehen, dass dessen Tätigkeit allein auf die außergerichtliche Forderungseinziehung beschränkt ist, bei der die Gefahr einer rechtlichen Fehlberatung in deutlich geringerem Maße als bei einer über den Bereich der bloßen Forderungseinziehung hinausgehenden Rechtsberatung besteht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 219), die hier in der strategischen Auswahl und Bündelung der 30 streitgegenständlichen Forderungen zur ausschließlich gerichtlichen Geltendmachung in Form der vorliegenden Sammelklage zu sehen ist.

Die darin liegende Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin kann auch durch die Hinzuziehung der Klägervertreter nicht beseitigt werden. So kam es bereits für den Erlaubnisvorbehalt nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht darauf an, ob der Vertragspartner des Rechtssuchenden sich zur Erfüllung seiner Beratungspflichten eines zugelassenen Rechtsberaters als Erfüllungsgehilfen bedient (BGH III ZR 260/07, Urteil vom 03.07.2008). Nichts anderes kann jedoch unter Berücksichtigung des in § 1 Abs. 1 S. 2 RDG normierten Schutzzweckes des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, gelten. Vielmehr bekommt der einzelne Kunde von der Klägerin infolge der geringeren Anforderungen an ihre Sachkunde, die im Bereich der Inkassodienstleistungen nach § 4 Abs. 1 RDV in einem Lehrgang mit 120 Zeitstunden vermittelt wird, eine weniger qualifizierte Rechtsdienstleistung als von einem Rechtsanwalt mit Jurastudium und Referendariat von jeweils mehreren Jahren, während die eingeschalteten Prozessbevollmächtigten auch nicht ihm selbst, sondern allein dem Interesse ihrer Mandantin verpflichtet sind. Aus dieser Konstellation ergibt sich somit eine Gefährdung der von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erfassten schuldrechtlichen Forderungen der rechtssuchenden Kunden, die auch unter Berücksichtigung des Grundrechtes der Klägerin als Inkassodienstleisterin auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist.

Anders als im LexFox-Fall, wo die außergerichtlichen Schreiben mit der Rüge nach § 556 g Abs. 2 BGB erst zur Entstehung des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete führten, hat die Klägerin nämlich vorliegend überhaupt keine vorgerichtlichen Bemühungen zur Forderungseinziehung entfaltet und sich damit gar nicht erst im Bereich der Inkassodienstleistung bewegt. Der diesbezüglich seitens der Klägerin erhobene Einwand, die Begriffe „außergerichtlich“ und „vorgerichtlich“ könnten nicht gleichgesetzt werden, erweist sich insofern als unzutreffend. Zum einen hat der Bundesgerichtshof im LexFox-Urteil eindeutig diese Gleichsetzung vorgenommen, indem er formulierte, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis nicht darin zu sehen ist, dass - wenn außergerichtliche Bemühungen nicht zum Erfolg führen - die Möglichkeit besteht, treuhänderisch abgetretene Ansprüche unter Beauftragung eines Rechtsanwalts in streitigen gerichtlichen Verfahren als eigene Rechte einzuklagen (BGH VIII ZR 285/18, Urteil vom 27.11.2019, Rn. 225). Zum anderen hat auch die Klägerin selbst den Begriff „außergerichtlich“ in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal unter Ziffer 1.3 im Sinne von „vorgerichtlich“ verwandt, indem sie formulierte: „Sollten die außergerichtlichen Bemühungen nicht ausreichen (…), werden wir versuchen, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.“

Hier hat die Klägerin sich indes von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der 30 streitgegenständlichen Forderungen in Form der vorliegenden Sammelklage beschränkt, bei deren strategischer Auswahl und Bündelung sie eine über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung vornahm, die eigentlich für das Berufsbild des Rechtsanwaltes prägend ist. Da ein Rechtsanwalt insoweit aber im identischen Aufgabenbereich den Berufspflichten nach den §§ 43 ff. BRAO unterliegt, würde es einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, wenn die Klägerin trotz geringerer Sachkunde im identischen Aufgabenbereich die gleiche Tätigkeit ausüben könnte, ohne beispielsweise an die Verbote der Erfolgsprovision und der Prozessfinanzierung gebunden zu sein.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof im LexFox-Urteil eine Überschreitung der Inkassobefugnis weder in der Vereinbarung eines Erfolgshonorars noch in der Prozesskostenübernahme durch den Inkassodienstleister gesehen hat (BGH, a.a.O., Rn. 170 ff.). Eine Interessenkollision im Sinne des § 4 RDG schloss er nämlich unter Hinweis darauf aus, dass die Vereinbarung des Erfolgshonorars bei der von ihm zu beurteilenden Forderungseinziehung ein beträchtliches eigenes Interesse der Klägerin an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche bewirkte (BGH, a.a.O., Rn. 196). Diese Erwägung kann indes aufgrund zweier erheblicher Unterschiede im Sachverhalt nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden: Zum einen handelt es sich hier nicht um eine Einzel-, sondern um eine Sammelklage, und zum anderen ist keine Zustimmung der Zedenten zu einem abzuschließenden Vergleich erforderlich, sondern nur dessen Widerruf möglich. So hat die Klägerin nach Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal die Möglichkeit, einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen abzuschließen, „wenn die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint.“; nach unverzüglicher Benachrichtigung davon kann der Kunde den Vergleichsabschluss dann zwar widerrufen, doch schuldet er der zur Kündigung des Vertrages berechtigten Klägerin in dem Fall die bei Bestand des Vergleiches angefallene Vergütung.

Vor dem Hintergrund dieser Regelung ergibt sich vorliegend eine strukturelle Kollision der Interessen der Klägerin mit denen ihrer Kunden, die eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung derart gefährdet, dass eine auch vom Bundesgerichtshof für möglich gehaltene analoge Anwendung des § 4 RDG (BGH, a.a.O., Rn. 213) geboten erscheint (LG Ingolstadt 41 O 1745/18, Urteil vom 07.08.2020, S. 253 ff.). So steht dem Interesse des einzelnen Kunden an der optimalen Durchsetzung seiner Rechte das Eigeninteresse der Klägerin an einem für sie möglichst guten Kosten-Nutzen-Verhältnis des Verfahrens entgegen, das sie am besten durch einen schnellen Vergleichsschluss erreichen kann. Wegen der Erforderlichkeit zur detaillierten Auseinandersetzung des Gerichts mit jedem einzelnen der 30 streitgegenständlichen Ansprüche müsste die Klägerin ansonsten nämlich mit einer überdurchschnittlich langen Verhandlungsdauer mit einer Vielzahl von Sitzungstagen rechnen, die ihre Tätigkeit angesichts der mit ihren Prozessbevollmächtigten vereinbarten Vergütung auf der Basis von Stundensätzen zunehmend als immer weniger lukrativ erscheinen lässt. Dies gilt umso mehr, als sich mit fortschreitender Verfahrensdauer die letztlich maximal zu erreichende Vergütung aufgrund der im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung immer weiter verringert.

Demgegenüber hat die Klägerin hier ohnehin schon von daher kein eigenes Interesse an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche, als sie - anders als LexFox-Fall - ihre Erfolgsprovision nicht nur im Fall des Zustandekommens des Vergleichs, sondern selbst im Fall dessen Widerrufs durch den Kunden in voller Höhe erhält. Insoweit stellt auch die nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschuldete Bindung an die „gewissenhafte Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns“ letztlich kein Korrektiv dar, da zum Zeitpunkt der Abtretung noch vollkommen unklar ist, ob man für jeden einzelnen Kunden einen Vergleichsbetrag auswirft oder eine Pauschalsumme, die dann aufgeteilt wird (Bl. 677 d.A.), obwohl die Beurteilungsüberlegungen sich in beiden Fällen als vollkommen unterschiedlich darstellen und daher für die Zedenten weder vorhersehbar noch nachprüfbar sein dürften. Vielmehr kann der jeweilige Kunde der Klägerin hier anders als im LexFox-Fall nicht einfach frei über die Erteilung seiner Zustimmung zum Vergleich entscheiden, sondern ist dadurch einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, dass er im Fall dessen Widerrufs die geschuldete Vergütung in Höhe von 35 % der Vergleichssumme zahlen muss, ohne hierfür letztlich einen Gegenwert zu erhalten. Gerade für die nicht rechtsschutzversicherten Zedenten, die laut Internetausdruck und Pressemitteilung gezielt für die Sammelklage angeworben wurden (Anlagen B1 und B39), besteht damit kein kostenneutraler Ausweg, sondern sie sind faktisch gezwungen, sich einer von der Klägerin im Eigeninteresse geringer Verfahrenskosten getroffenen Vergleichsentscheidung zu beugen, was dem mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zweck des Schutzes der Rechtssuchenden klar widerspricht.

An dieser Bewertung ändert auch die zwischenzeitliche Beteuerung der Klägerin nichts, sich angesichts der Unwirksamkeit von Ziffer 6.1 Satz 4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 7 BGB gegenüber den Zedenten nicht auf diese Regelung berufen zu wollen (Bl. 614 d.A.). Zum einen mutet es schon seltsam an, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin im Abgasskandal, insbesondere auch die Regelungen über den Vergleichsschluss, auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 immer noch im wesentlichen gleich geblieben sind (Bl. 677 d.A.), obwohl die identische Problematik bereits am 29.05.2020 vor dem Landgericht Ingolstadt thematisiert wurde (LG Ingolstadt 41 O 1745/18, Urteil vom 07.08.2020, S. 10 u. 236). Zum anderen ist davon auszugehen, dass gerade der Kunde, der sich des vermeintlich kostenlosen Angebotes der Klägerin als Inkassodienstleisterin bedient, keinerlei Kenntnis von der Unwirksamkeit dieser Bestimmung haben und deswegen durch die für ihn negative Kostenfolge vom Widerruf des Vergleichs abgeschreckt werden dürfte, zumal völlig unklar bleibt, was in diesem Fall mit dem anhängigen Prozessverhältnis passieren würde (LG Ingolstadt, a.a.O., S. 256).

Angesichts dieser Unklarheit erscheint auch eine geltungserhaltende Reduktion in Form eines Entfalls der Vergütungspflicht bei Widerruf des Vergleichs weder möglich noch geboten (vgl. hierzu ausführlich LG Ingolstadt, a.a.O., S. 260 ff.). Vielmehr hätte es der Klägerin freigestanden, im Rahmen ihrer Berufsausübung den gesetzlichen Vorschriften entsprechende wirksame vertragliche Regelungen zur fiduziarischen Abtretung und Geltendmachung fremder Forderungen im eigenen Namen zu treffen (LG Ingolstadt, a.a.O., S. 259). So aber hat sie den durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen nicht nur eindeutig überschritten, sondern angesichts der in Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen vollen Vergütungsverpflichtung im Fall des Vergleichswiderrufs auch erheblich, so dass die streitgegenständlichen Abtretungen sich jedenfalls gemäß § 134 BGB in Verbindung mit den §§ 3, 4 RDG als nichtig erweisen.

Schließlich erscheint die Zulassung einer entsprechenden Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin im vorliegenden Fall auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht erforderlich. Dem Vertrauen der Zedenten auf deren Registrierung als Inkassodienstleisterin wird nämlich bereits durch die für sie bestehende Möglichkeit Rechnung getragen, bei der Klägerin Regress zu nehmen, die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 RDG über eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 € für jeden Versicherungsfall verfügen muss (BGH, a.a.O., Rn. 93). Davon abgesehen hat der Gesetzgeber bereits die kostenfreie Möglichkeit der Musterfeststellungsklage geschaffen, so dass hier keinerlei Veranlassung für das Gericht besteht, die vorliegende Sammelklagetätigkeit der Klägerin über den Wortlaut und Regelungsgehalt des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus unter Missachtung des Gleichheitssatzes zuzulassen. In diesem Bereich wäre vielmehr der Gesetzgeber gefordert, der sich ausweislich der Drucksache 19/22807 des Deutschen Bundestages vom 24.09.2020 bereits mit der entsprechenden Thematik beschäftigt.

Mangels Aktivlegitimation der Klägerin war ihre Klage daher voll umfänglich abzuweisen."


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