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Rechtliche Beratung beim Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen - Rechtsanwälte - Rechtsanwalt - Anwalt - Anwälte

Bei der Nutzung generativer Künstlicher Intelligenz (KI) entstehen spezifische urheberrechtliche Probleme, die Unternehmen beachten müssen. Generative KI-Modelle haben die Fähigkeit, neue Inhalte, wie Texte, Bilder, Musik oder Videos, zu erstellen, die dem Stil oder Muster der Trainingsdaten entsprechen. Hier sind einige urheberrechtliche Aspekte, die beim Einsatz generativer KI relevant sind:

Generative KI-Modelle können Inhalte erstellen, die auf vorhandenen Werken basieren oder stark von ihnen inspiriert sind. Falls die KI auf urheberrechtlich geschützten Inhalten basiert, könnte es zu rechtlichen Konflikten kommen, insbesondere wenn die generierten Werke eine gewisse Originalität aufweisen.

Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Nutzung generativer KI keine Rechte Dritter verletzt. Das bedeutet, dass die KI keine geschützten Materialien wie Bilder, Texte oder Musik ohne die entsprechenden Genehmigungen reproduzieren oder verwenden darf. Es ist wichtig, die Quellen und Rechte der Trainingsdaten zu überprüfen und sicherzustellen, dass die generierten Inhalte frei von Rechtsverletzungen sind.

Ob die von einem Unternehmen generierten Inhalten selbst urheberrechtlichen Schutz genießen ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit geht die Tendenz dahin, das maschinell erstelle Inhalte keinen eigenen urheberrechtlichen Schutz genießen, da es an der dafür notwendigen geistigen Schöpfung fehlt. Zudem schließt sich die Frage an, wem Rechte an generierten Inhalten zustehen. Dem Unternehmen als Nutzer oder dem Anbieter der verwendeten KI-Lösung. Letztlich ist der Gesetzgeber gefragt, um für die notwendige Klarstellung zu sorgen.

Unternehmen sollten klare Richtlinien und Verfahren für die Nutzung von generativen KI-Ergebnissen entwickeln. Dies umfasst die Lizenzierung, den Schutz und die Verwaltung der generierten Inhalte. Es ist ratsam, Nutzungsbedingungen und Vereinbarungen festzulegen, um die Rechte und Pflichten der Beteiligten zu definieren und potenzielle rechtliche Probleme zu vermeiden.

Insgesamt müssen Unternehmen, die generative KI-Modelle einsetzen, die urheberrechtlichen Aspekte sorgfältig prüfen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um potenzielle rechtliche Probleme zu vermeiden.

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OLG Köln: Öffentliche Wiedergabe bzw. Restreamen der "Berliner Runde" des ZDF durch Medienunternehmen weder zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse noch vom Zitatrecht gedeckt

OLG Köln
Urteil vom 21.10.2022
6 U 61/22


Das OLG Köln hat entschieden, dass die öffentliche Wiedergabe bzw. das Restreamen der "Berliner Runde" des ZDF durch ein Medienunternehmen über 13 Minuten weder eine zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG darstellt noch vom Zitatrecht nach § 51 UrhG gedeckt ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Rechtmäßigkeit der Weitersendung und öffentlichen Zugänglichmachung einer Funksendung Wahlberichterstattung über die Bundestagswahl – "Berliner Runde"

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren die 13 minütige Live-Weitersendung der Funksendung "Berliner Runde" bzw. deren öffentliche Zugänglichmachung durch die Antragsgegnerinnen als urheberrechtswidrig beurteilt und insoweit die vorangegangenen Entscheidungen des Landgerichts Köln bestätigt. Die Sendung betrifft die Berichterstattung über die Bundestagswahl am 26. September 2021.

Die Antragstellerin ist eine gebührenfinanzierte, öffentlich - rechtliche Rundfunkanstalt in der Bundesrepublik Deutschland, die unterschiedliche mediale Angebote betreibt, darunter das bundesweit ausgestrahlte Fernsehprogramm ZDF. Die Antragsgegnerin zu 1 ist ein bundesdeutsches Medienunternehmen und als solches hundertprozentiges Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 3, die ihrerseits ein großes europäisches Verlagshaus und Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin zu 2 ist. Gegenstand der Antragsgegnerin zu 2 ist die Entwicklung, Erstellung, Verbreitung und Vermarktung von Multimedia-Inhalten auf unterschiedlichen Medienplattformen.

Am Tag der Bundestagswahl strahlte die Antragstellerin im Rahmen ihres Fernsehprogramms u.a. die Wahlberichterstattung "Berliner Runde" aus, welche zwischen 20:15 und 21:15 Uhr gesendet wurde. Die ersten 13 Minuten der Sendung wurden auf dem von der Antragsgegnerin zu 1 betriebenen Fernsehsender zeitgleich zwischen 20:15 und 20:28 Uhr gezeigt und im Internet unter der URL https://www.[...] sowie über YouTube unter der URL https://www.youtube.com/[...] bereitgehalten.

Mit einstweiliger Verfügung vom 22. Oktober 2021 hatte das erstinstanzlich zuständige Landgericht Köln der Antragsgegnerin zu 1 verboten, Ausschnitte der Funksendung "Berliner Runde" der Antragstellerin ohne Zustimmung der Berechtigten zu senden und/oder senden zu lassen. Den Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 hatte das Landgericht verboten, Ausschnitte der bezeichneten Funksendung ohne Zustimmung der Berechtigten öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen (Az. 14 O 354/21 [...]). Auf den gegen den Beschluss gerichteten Widerspruch der Antragsgegnerinnen hin hatte das Landgericht die einstweilige Verfügung mit am 3. März 2022 verkündeten Urteil (Az. 14 O 354/21 [...]) bestätigt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerinnen hat der Senat nun mit am 21. Oktober 2022 verkündeten Urteil zurückgewiesen. Mit dem Landgericht hat er namentlich einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus §§ 97, 87 Abs. 1 UrhG bejaht. Die Antragsgegnerinnen haben - so der Senat - in die Rechte der Antragstellerin eingegriffen. Dies betreffe zunächst das Recht der Weitersendung; auch im Lichte an dem Sendesignal vorgenommener optischer Änderungen und eingeblendeter inhaltlicher Ergänzungen liege eine Weitersendung durch die Antragsgegnerin zu 1 vor. Seitens der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 sei ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hinsichtlich des Senderechts der Antragstellerin erfolgt. Die Eingriffe seien auch rechtswidrig, namentlich führten die Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) und das Zitatrecht (§ 51 UrhG) zu keinem anderen Ergebnis. Die Berichterstattung der Antragsgegnerinnen betreffe schon nicht ein im Laufe eines Tagesereignisses wahrnehmbar gewordenes Werk, zudem habe sich der von der Antragstellerin beanstandete Eingriff in das Recht des Sendeunternehmens nicht in einem durch ihren Zweck gebotenen Umfang gehalten. Die Berichterstattung sei gemäß § 50 UrhG nur dann privilegiert, wenn sie verhältnismäßig sei; hieran fehle es, da die 13-minütige Weitersendung auch unter Berücksichtigung des hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit nicht erforderlich gewesen sei. Vielmehr hätten ohne Verfehlung des Informationszwecks auch einzelne pointierte Aussagen der Politiker dargestellt werden können, auch wenn hierfür ein gewisser zeitlicher Versatz notwendig gewesen wäre. Das Zitatrecht nach § 51 UrhG streite nicht für die Antragstellerin, da der Umfang der Darstellung vom Zitatzweck nicht umfasst sei.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 2022 - Az.: 6 U 61/22 - ist rechtskräftig.


KG Berlin: Zeitgleiche Ausstrahlung von ARD-Wahlsendung zur Bundestagswahl 2021 durch BILD LIVE weder zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse noch von Zitatrecht gedeckt

KG Berlin
Urteil
24 U 9/22


Das Kammergericht hat entschieden, dass die zeitgleiche Ausstrahlung der ARD-Wahlsendung zur Bundestagswahl 2021 durch BILD LIVE anlässlich der Bundestagswahl 2021 weder eine zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse noch von Zitatrecht gedeckt und somit rechtswidrig war.


LG Berlin: Zeitgleiche Übernahme von ARD Wahlprognose und Hochrechnung durch BILD LIVE weder zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse noch von Zitatrecht gedeckt

LG Berlin
Urteil vom 09.12.2021
16 O 297/21


Das LG Berlin hat entschieden, dass die zeitgleiche Übernahme der ARD Wahlprognose und Hochrechnung durch BILD LIVE weder eine zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG noch vom Zitatrecht nach § 51 UrhG gedeckt war. Die zeitversetze Ausstrahlung eines Politikerinterviews war nach Ansicht des Gerichts nach § 50 UrhG zulässig.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Berlin: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Ausstrahlung von ARD-Wahlberichterstattung vom 26. September 2021 auch im Fernsehsender BILD LIVE teilweise erfolgreich

Die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin hat heute über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhandelt, der von neun Rundfunksendeanstalten der ARD (Antragstellerinnen) eingereicht worden war und sich gegen drei Gesellschaften eines privaten Medienkonzerns (Antragsgegnerinnen) richtet.

Die Antragstellerinnen halten die Übernahme von Ausschnitten aus ihrer am 26. September 2021 ausgestrahlten Wahlberichterstattung in das Fernsehprogramm von „BILD LIVE“, welches von den Antragsgegnerinnen betrieben und verantwortet wird, für unzulässig. Sie machen daher Ansprüche auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerinnen geltend, die teilweise auf die Verletzung urheberrechtlicher Leistungsschutzrechte, teilweise auf die Verletzung des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes gestützt wird.

Die Kammer hat dem Antrag in ihrem am Schluss der Sitzung verkündeten Urteil teilweise stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Sie sah in der zeitgleichen Übernahme eines Ausschnittes aus dem Programm der Antragstellerinnen, der die Prognose und die erste Hochrechnung enthielt, in das Programm von „BILD LIVE“ eine Verletzung der Leistungsschutzrechte, die § 87 UrhG Sendeunternehmen gewährt. Die Übernahme sei nicht unter dem Gesichtspunkt einer Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) und auch nicht als urheberrechtlich zulässiges Zitat (§ 51 UrhG) gerechtfertigt gewesen.

Im Übrigen sah die Kammer die Antragstellerinnen durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerinnen nicht als in ihren Rechten verletzt an. Dies betrifft zum einen das aus der Wahlberichterstattung der Antragstellerinnen zeitversetzt übernommene Interview mit dem CDU-Generalsekretär. Denn insoweit hielt die Kammer die Übernahme durch die Antragsgegnerinnen im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über den Ausgang der Wahl gemäß § 50 UrhG für gerechtfertigt. Zum anderen sah die Kammer die von den Antragstellerinnen geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche nicht als gegeben an, weil diese im konkreten Fall nicht als Mitbewerber i. S. d. Wettbewerbsrechts (UWG) und damit nicht als anspruchsbefugt angesehen werden könnten.

Die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin hat in der heutigen mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert, am Schluss der heutigen Sitzung aber nur den Tenor des Urteils verkündet. Wegen der Einzelheiten der Gründe für diese Entscheidung müssen daher die schriftlichen Urteilsgründe abgewartet werden, die noch nicht vorliegen.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann dagegen Berufung beim Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe eingelegt werden.

Landgericht Berlin: Urteil vom 9. Dezember 2021, Aktenzeichen: 16 O 297/21


EuGH: Rechtmäßiger Erwerber von Software darf diese zur Fehlerbeseitigung dekompilieren und funktionsbeeinträchtigende Fehler korrigieren

EuGH
Urteil vom 06.10.2021
C‑13/20
Top System SA gegen État belge


Der EuGH hat entschieden, dass der rechtmäßige Erwerber von Software diese zur Fehlerbeseitigung dekompilieren und funktionsbeeinträchtigende Fehler korrigieren darf.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms berechtigt ist, dieses ganz oder teilweise zu dekompilieren, um Fehler, die das Funktionieren dieses Programms beeinträchtigen, zu berichtigen, einschließlich in dem Fall, dass die Berichtigung darin besteht, eine Funktion zu desaktivieren, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Anwendung, zu der dieses Programm gehört, beeinträchtigt.

2. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 ist dahin auszulegen, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms, der die Dekompilierung dieses Programms vornehmen möchte, um Fehler, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, zu berichtigen, nicht den Anforderungen nach Art. 6 dieser Richtlinie genügen muss. Der Erwerber darf eine solche Dekompilierung jedoch nur in dem für die Berichtigung erforderlichen Ausmaß und gegebenenfalls unter Einhaltung der mit dem Inhaber des Urheberrechts an diesem Programm vertraglich festgelegten Bedingungen vornehmen.


Aus den Entscheidungsgründen:

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 dahin auszulegen ist, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms berechtigt ist, dieses ganz oder teilweise zu dekompilieren, um Fehler, die das Funktionieren dieses Programms beeinträchtigen, zu berichtigen, einschließlich in dem Fall, dass die Berichtigung darin besteht, eine Funktion zu desaktivieren, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Anwendung, zu der dieses Programm gehört, beeinträchtigt.

Nach Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 91/250, die u. a. die Ausschließlichkeitsrechte der Urheber von Computerprogrammen normiert, hat der Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm vorbehaltlich der in den Art. 5 und 6 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen das ausschließliche Recht, die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung dieses Programms ganz oder teilweise mit jedem Mittel und in jeder Form vorzunehmen oder zu gestatten.

Vorbehaltlich der genannten Ausnahmen gewährt Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 91/250 dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse vorzunehmen oder zu gestatten.

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 bestimmt jedoch, dass in Ermangelung spezifischer vertraglicher Bestimmungen die in Art. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedürfen, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig sind.

Nach Art. 6 („Dekompilierung“) der Richtlinie 91/250 ist die Zustimmung des Rechtsinhabers auch dann nicht erforderlich, wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform im Sinne von Art. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie unerlässlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Es ist festzustellen, dass sich die Dekompilierung als solche nicht unter den in Art. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 91/250 genannten Handlungen, auf die sich deren Art. 5 Abs. 1 bezieht, findet.

Es ist daher zu prüfen, ob die für die Dekompilierung eines Computerprogramms erforderlichen Handlungen ungeachtet dieses Umstands in den Anwendungsbereich von Art. 4 Buchst. a und/oder b dieser Richtlinie fallen können.

Zu diesem Zweck ist zunächst in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 39 seiner Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass ein Computerprogramm ursprünglich in Form eines „Quellcodes“ in einer verständlichen Programmiersprache abgefasst ist, bevor es mittels eines als „Compiler“ bezeichneten speziellen Programms in eine für den Computer ausführbare Form, d. h. den „Objektcode“, umgewandelt wird. Der Vorgang der Umwandlung des Quellcodes in den Objektcode wird „Kompilierung“ genannt.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Quellcode und der Objektcode eines Computerprogramms als zwei Ausdrucksformen dieses Programms gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 den urheberrechtlichen Schutz für Computerprogramme genießen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace, C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 34).

Umgekehrt soll mit der „Dekompilierung“ der Quellcode eines Programms aus seinem Objektcode rekonstruiert werden. Die Dekompilierung erfolgt mittels eines als „Decompiler“ bezeichneten Programms. Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, ermöglicht es die Dekompilierung grundsätzlich nicht, den ursprünglichen Quellcode zu erhalten, sondern eine dritte, als „Quasi-Quellcode“ bezeichnete Version des betreffenden Programms, die wiederum in einen Objektcode kompiliert werden kann, der das Funktionieren des Programms ermöglicht.

Die Dekompilierung stellt daher eine Umwandlung der Form des Codes eines Programms dar, die eine zumindest teilweise und vorübergehende Vervielfältigung des Codes sowie eine Übersetzung seiner Form impliziert.

Folglich ist festzustellen, dass die Dekompilierung eines Computerprogramms die Vornahme von Handlungen impliziert – nämlich die Vervielfältigung des Codes dieses Programms und die Übersetzung der Codeform –, die tatsächlich unter die Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers im Sinne von Art. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 91/250 fallen.

Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 bestätigt, der zwar nach seiner Überschrift die Dekompilierung betrifft, sich aber ausdrücklich auf die „Vervielfältigung des Codes“ und die „Übersetzung der Codeform im Sinne des Artikels 4 Buchstaben a) und b)“ dieser Richtlinie bezieht. Daraus folgt, dass der Begriff „Dekompilierung“ im Sinne dieser Richtlinie tatsächlich unter die in der letztgenannten Bestimmung normierten Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers eines Computerprogramms fällt.

Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 kann der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms alle in Art. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie genannten Handlungen vornehmen, einschließlich solcher, die in der Vervielfältigung des Codes und in der Übersetzung seiner Form bestehen, ohne zuvor die Zustimmung des Rechtsinhabers eingeholt zu haben, sofern dies für die Benutzung des Programms einschließlich der Berichtigung von Fehlern, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, notwendig ist.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich daher, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 dahin auszulegen ist, dass der rechtmäßige Erwerber eines Programms berechtigt ist, dieses Programm zu dekompilieren, um Fehler, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, zu berichtigen.

Diese Auslegung wird nicht durch Art. 6 der Richtlinie 91/250 in Frage gestellt, der entgegen dem Vorbringen von Top System nicht dahin ausgelegt werden kann, dass die Dekompilierung eines Computerprogramms nur zu Interoperabilitätszwecken zulässig ist.

Wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, enthält Art. 6 der Richtlinie 91/250 insofern eine Ausnahme von den Ausschließlichkeitsrechten des Inhabers der Urheberrechte an einem Computerprogramm, als er die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform ohne vorherige Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erlaubt, wenn diese Handlungen unerlässlich sind, um die Interoperabilität dieses Programms mit einem anderen, unabhängig geschaffenen Programm sicherzustellen.

Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass es in den Erwägungsgründen 20 und 21 dieser Richtlinie heißt, dass Situationen eintreten können, in denen eine Vervielfältigung des Codes eines Computerprogramms oder eine Übersetzung der Codeform unerlässlich ist, um die Informationen zu erhalten, die für die Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Programms mit anderen Programmen notwendig sind, und dass „nur in diesen begrenzten Fällen“ die Vornahme dieser Handlungen rechtmäßig ist und anständigen Gepflogenheiten entspricht, so dass sie nicht der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers bedarf.

Aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 91/250 im Licht ihrer Erwägungsgründe 19 und 20 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber damit die Tragweite der von ihm in dieser Bestimmung vorgesehenen Interoperabilitätsausnahme auf die Fälle beschränken wollte, in denen die Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Programms mit anderen Programmen nur durch eine Dekompilierung des betreffenden Programms erreicht werden kann.

Diese Auslegung wird durch Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 91/250 bestätigt, der es u. a. verbietet, dass die aufgrund einer solchen Dekompilierung gewonnenen Informationen zu anderen Zwecken als zur Herstellung dieser Interoperabilität oder zur Entwicklung ähnlicher Programme verwendet werden, und der es auch allgemein ausschließt, dass die Dekompilierung in einer Weise vorgenommen wird, die die rechtmäßigen Interessen des Rechtsinhabers in unvertretbarer Weise beeinträchtigt oder im Widerspruch zur normalen Nutzung des betreffenden Computerprogramms steht.

Dagegen lässt sich weder aus dem Wortlaut von Art. 6 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie 91/250 noch aus der Systematik dieses Artikels ableiten, dass der Unionsgesetzgeber jegliche Möglichkeit einer Vervielfältigung des Codes eines Computerprogramms und einer Übersetzung der Codeform ausschließen wollte, sofern diese nicht mit dem Ziel vorgenommen werden, die für die Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen erforderlichen Informationen zu erlangen.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 der Richtlinie 91/250 Handlungen betrifft, die erforderlich sind, um die Interoperabilität unabhängig geschaffener Programme zu gewährleisten, während Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie es dem rechtmäßigen Erwerber eines Programms ermöglichen soll, dieses bestimmungsgemäß zu benutzen. Diese beiden Bestimmungen haben daher unterschiedliche Ziele.

Zweitens wird diese Analyse, wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, durch die Vorarbeiten zur Richtlinie 91/250 bestätigt, aus denen hervorgeht, dass mit der Aufnahme des aktuellen Art. 6 dieser Richtlinie in den ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission speziell die Frage der Interoperabilität der von unabhängigen Urhebern geschaffenen Programme geregelt werden sollte, unbeschadet der Bestimmungen, die dem rechtmäßigen Erwerber des Programms dessen normale Benutzung ermöglichen sollten.

Drittens würde eine Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 91/250 in dem von Top System vorgeschlagenen Sinne die praktische Wirksamkeit der dem rechtmäßigen Erwerber eines Programms vom Unionsgesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 ausdrücklich eingeräumten Befugnis beeinträchtigen, Fehler zu berichtigen, die eine bestimmungsgemäße Benutzung des Programms verhindern.

Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, verlangt die Berichtigung von Fehlern, die das Funktionieren eines Computerprogramms beeinträchtigen, in den meisten Fällen und insbesondere dann, wenn die vorzunehmende Berichtigung darin besteht, eine Funktion zu desaktivieren, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Anwendung, zu der dieses Programm gehört, beeinträchtigt, den Zugriff auf den Quellcode oder, in Ermangelung dessen, den Quasi-Quellcode des Programms.

Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 dahin auszulegen ist, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms berechtigt ist, dieses ganz oder teilweise zu dekompilieren, um Fehler, die das Funktionieren dieses Programms beeinträchtigen, zu berichtigen, einschließlich in dem Fall, dass die Berichtigung darin besteht, eine Funktion zu desaktivieren, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Anwendung, zu der dieses Programm gehört, beeinträchtigt.

Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 dahin auszulegen ist, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms, der die Dekompilierung dieses Programms vornehmen möchte, um Fehler, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, zu berichtigen, den Anforderungen nach Art. 6 dieser Richtlinie oder anderen Anforderungen genügen muss.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass – wie oben in Rn. 49 festgestellt worden ist – die in Art. 6 der Richtlinie 91/250 vorgesehene Ausnahme einen anderen Anwendungsbereich und andere Ziele als die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene hat. Die in Art. 6 dieser Richtlinie aufgestellten Anforderungen sind daher als solche nicht auf die in ihrem Art. 5 Abs. 1 vorgesehene Ausnahme anwendbar.

Es ist jedoch festzustellen, dass nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 die Vornahme der Handlungen, die zusammen die Dekompilierung eines Computerprogramms darstellen, wenn sie nach dieser Bestimmung erfolgt, bestimmten Anforderungen unterliegt.

Erstens müssen diese Handlungen nach dem Wortlaut dieser Bestimmung notwendig sein, damit der rechtmäßige Erwerber das betreffende Programm bestimmungsgemäß benutzen und insbesondere „Fehler“ berichtigen kann.

Mangels eines Verweises auf das Recht der Mitgliedstaaten und einer einschlägigen Definition in der Richtlinie 91/250 ist der Begriff „Fehler“ im Sinne dieser Bestimmung entsprechend seinem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch auszulegen, wobei der Zusammenhang, in den er sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört (Urteil vom 3. Juni 2021, Ungarn/Parlament, C‑650/18, EU:C:2021:426, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Informatik ein Fehler im Allgemeinen einen Defekt in einem Computerprogramm bezeichnet, der zu dessen Fehlfunktion führt.

Außerdem muss gemäß dem oben in Rn. 49 angeführten Ziel von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 ein solcher Defekt, der einen Fehler im Sinne dieser Bestimmung darstellt, die Möglichkeit beeinträchtigen, das betreffende Programm bestimmungsgemäß zu benutzen.

Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250, dass die Dekompilierung eines Computerprogramms für dessen bestimmungsgemäße Benutzung durch den rechtmäßigen Erwerber „notwendig“ sein muss.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass – wie oben in Rn. 52 festgestellt worden ist – die Berichtigung von Fehlern, die die bestimmungsgemäße Benutzung eines Programms beeinträchtigen, in den meisten Fällen eine Änderung des Codes dieses Programms mit sich bringt und die Durchführung dieser Berichtigung den Zugriff auf den Quellcode oder zumindest auf den Quasi-Quellcode dieses Programms erfordert.

Wenn der Quellcode dem Erwerber des betreffenden Programms rechtlich oder vertraglich zugänglich ist, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Dekompilierung dieses Programms „notwendig“ ist.

Drittens erlaubt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 nach seinem Wortlaut die Berichtigung von Fehlern vorbehaltlich „spezifischer vertraglicher Bestimmungen“.

Hierzu ist festzustellen, dass nach dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 91/250 sowohl das Laden und Ablaufen, sofern es für die Benutzung einer Kopie eines rechtmäßig erworbenen Computerprogramms erforderlich ist, als auch die Berichtigung von Fehlern, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, nicht vertraglich untersagt werden dürfen.

Daher ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 in Verbindung mit ihrem 18. Erwägungsgrund dahin zu verstehen, dass die Parteien nicht vertraglich jede Möglichkeit einer Berichtigung dieser Fehler ausschließen dürfen.

Dagegen steht es dem Inhaber und dem Erwerber nach dieser Bestimmung frei, die Modalitäten der Ausübung dieser Befugnis vertraglich festzulegen. Konkret können diese insbesondere vereinbaren, dass der Inhaber für die fehlerbehebende Wartung des betreffenden Programms sorgen muss.

Daraus folgt auch, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms mangels entsprechender spezifischer vertraglicher Bestimmungen berechtigt ist, ohne vorherige Zustimmung des Rechtsinhabers die in Art. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 91/250 genannten Handlungen vorzunehmen, einschließlich der Dekompilierung dieses Programms, soweit dies zur Berichtigung von Fehlern, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, notwendig ist.

Viertens darf der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms, der dieses zur Berichtigung von Fehlern, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, dekompiliert hat, das Ergebnis dieser Dekompilierung nicht zu anderen Zwecken als zur Berichtigung dieser Fehler verwenden.

Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 91/250 gewährt dem Urheberrechtsinhaber nämlich das ausschließliche Recht, nicht nur „die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms“, sondern auch „die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse“, d. h. im Fall der Dekompilierung, die Vervielfältigung des Quellcodes oder des Quasi‑Quellcodes, der sich aus ihr ergibt, vorzunehmen oder zu gestatten.

Somit unterliegt jede Vervielfältigung dieses Codes nach Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 91/250 der Zustimmung des Inhabers des Urheberrechts an diesem Programm.

Art. 4 Buchst. c dieser Richtlinie untersagt außerdem die öffentliche Verbreitung einer Kopie eines Computerprogramms ohne Zustimmung des Inhabers der Urheberrechte an diesem Programm, was, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250 ergibt, auch auf Kopien des durch Dekompilierung erlangten Quellcodes oder Quasi-Quellcodes anwendbar ist.

Es steht zwar fest, dass Art. 5 dieser Richtlinie es dem rechtmäßigen Erwerber eines Computerprogramms gestattet, solche Handlungen ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers vorzunehmen, jedoch nur soweit diese Handlungen notwendig sind, um ihm die bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms zu ermöglichen.

Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/250 dahin auszulegen ist, dass der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms, der die Dekompilierung dieses Programms vornehmen möchte, um Fehler, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, zu berichtigen, nicht den Anforderungen nach Art. 6 dieser Richtlinie genügen muss. Der Erwerber darf eine solche Dekompilierung jedoch nur in dem für die Berichtigung erforderlichen Ausmaß und gegebenenfalls unter Einhaltung der mit dem Inhaber des Urheberrechts an diesem Programm vertraglich festgelegten Bedingungen vornehmen.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BVerwG: Verwertungsgesellschaft darf Tarife über die Vergütung nur nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festsetzen

BVerwG
Urteil vom 17.06.2020
8 C 7.19


Das BVerwG hat entschieden, dass eine Verwertungsgesellschaft Tarife über die Vergütung nur nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festsetzen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Tarife für die Nutzung von Urheberrechten nur auf Grundlage der wahrgenommenen Rechte

Eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt, ist verpflichtet, Tarife über die Vergütung für die Nutzung dieser Rechte nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festzusetzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die für private Sendeunternehmen (TV und Hörfunk) Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt. Für die Lizenzierung dieser Rechte an Nutzer erhält sie eine Vergütung, die sie an die Inhaber der Rechte verteilt. Die Höhe der Vergütung, welche die Klägerin von Nutzern erzielt, richtet sich nach von ihr festgesetzten Tarifen.

Am 12. April 2013 veröffentlichte die Klägerin im Bundesanzeiger einen Tarif für die Wiedergabe von Funksendungen, der für die öffentliche Wahrnehmbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke in Funksendungen galt. Mit Bescheid vom 20. März 2015 stellte das Deutsche Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde fest, dass dieser Tarif unangemessen sei, und gab der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Tarif zurückzunehmen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Behörde zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und die Klage gegen die Rücknahmeanordnung abgewiesen, weil die Klägerin den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte nicht ausreichend ermittelt habe. Die Aufhebung der Feststellung, der Tarif sei unangemessen, hat es nicht beanstandet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Die angefochtene Rücknahmeanordnung konnte auf § 19 Abs. 2 Satz 2 des hier noch anwendbaren Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes gestützt werden. Danach kann die Aufsichtsbehörde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verwertungsgesellschaft die ihr obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Dies schließt die Befugnis ein zu überprüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft veröffentlichten Tarife entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften aufgestellt wurden. Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verpflichtet die Verwertungsgesellschaft, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte angemessene Tarife festzusetzen. Die Gesellschaft ist deshalb verpflichtet, ihre Tarife nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte zu bemessen. Außerdem muss die Höhe des Tarifs im Verhältnis zum Umfang dieser Rechte angemessen sein. Der von der Klägerin festgesetzte Tarif erfüllt schon die erste Anforderung nicht. Die vorgelegten Unterlagen waren nicht geeignet zu belegen, dass sie über die dem Tarif zugrunde gelegten Rechte verfügte. Die von der Behörde weiterhin getroffene Feststellung, der von der Klägerin veröffentlichte Tarif sei unangemessen, ist dagegen rechtswidrig. Ein Missverhältnis der Höhe des Tarifs zum Umfang der wahrgenommenen Rechte lässt sich ohne Erkenntnisse zu diesem Umfang nicht feststellen.

BVerwG 8 C 7.19 - Urteil vom 17. Juni 2020

Vorinstanzen:
VGH München, 22 B 17.1219 - Urteil vom 25. Februar 2019 -
VG München, M 16 K 15.5333 - Urteil vom 25. Oktober 2016 -



EuGH: Deutsche Regelung die Suchmaschinen Pressesnippets ohne Zustimmung des Verlegers untersagt mangels vorheriger Übermittlung an EU-Kommission nicht anwendbar - Google News

EuGH
Urteil vom 12.09.2019
C-299/17
VG Media Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH ./. Google LLC


Der EuGH hat entschieden, dass die deutsche Regelung, die Suchmaschinen Pressesnippets ohne Zustimmung des Verlegers untersagt, mangels vorheriger Übermittlung an die EU-Kommission nicht anwendbar ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die deutsche Regelung, die es Suchmaschinen untersagt, Pressesnippets ohne Genehmigung des Verlegers zu verwenden, ist mangels vorheriger Übermittlung an die Kommission nicht anwendbar

Es handelt sich um eine Vorschrift betreffend einen Dienst der Informationsgesellschaft und somit um eine „technische Vorschrift“, deren Entwurf der Kommission zu notifizieren ist

VG Media, eine deutsche Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, erhob vor dem Landgericht Berlin (Deutschland) Schadensersatzklage gegen Google, weil dieses Unternehmen die dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte mehrerer ihrer Mitglieder, die Presseverleger sind, verletzt habe. VG Media bringt vor, das Unternehmen Google habe seit dem 1. August 2013 in seiner Suchmaschine und auf seiner automatisierten Nachrichtenseite „Google News“ Pressesnippets (kurze Ausschnitte oder Zusammenfassungen von Pressetexten, ggfs. mit Bildern) ihrer Mitglieder verwendet, ohne hierfür ein Entgelt zu entrichten.

Das Landgericht Berlin hat Zweifel, ob sich VG Media gegenüber Google auf die einschlägige deutsche Regelung berufen kann, die am 1. August 20131 in Kraft getreten ist und Presseverleger schützen soll.

Diese Regelung verbietet es ausschließlich gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen (und gewerblichen Anbietern von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten), Presseerzeugnisse oder Teile hiervon (ausgenommen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte) öffentlich zugänglich zu machen.

Das Landgericht Berlin möchte wissen, ob diese Regelung eine „technische Vorschrift“ im inne der Richtlinie 98/34 über Normen und technische Vorschriften darstellt, die als solche der Kommission hätte übermittelt werden müssen, um dem Einzelnen entgegengehalten werden zu können.

Mit seinem heutigen Urteil bejaht dies der Gerichtshof. Eine Regelung wie die in Rede stehende stellt eine Vorschrift betreffend Dienste der Informationsgesellschaft und somit eine „technische Vorschrift“ dar. Sie zielt nämlich speziell auf die betreffenden Dienste ab, da sie offenbar die Presseverleger gegen Verletzungen des Urheberrechts durch Online-Suchmaschinen schützen soll. In diesem Rahmen scheint ein Schutz nur gegen systematische Verletzungen der Werke der OnlineVerleger, die von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft begangen wurden, für erforderlich erachtet worden zu sein.

Soweit eine solche Regelung speziell auf die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft abzielt, ist der Entwurf einer technischen Vorschrift der Kommission vorab zu übermitteln. Ist dies nicht geschehen, kann ein Einzelner deren Unanwendbarkeit geltend machen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Europaparlament: Mehrheit stimmt für Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG - EU-Urheberre

Das Europaparlament hat die Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und
zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (EU-Urheberrechtsrichtlinie)
mit Mehrheit angenommen.

Abermals werden gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die weder zweckmäßig noch interessengerecht sind.

Pressemitteilung der EU-Kommission zur Modernisierung der Urheberrechtsvorschriften - Upload-Filter - Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Die EU-Kommission hat eine Pressemitteilung zur Einigung des Europäische Parlaments, des Rates der EU und der EU- Kommission über die Modernisierung der Urheberrechtsvorschriften veröffentlicht. Die völlig zu Recht kritisierten neuen Regelungen sind unpraktikabel und werden für zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen sorgen. Anders als dargestellt sind auch nicht nur allein die großen Anbieter wie Google,YouTube & Co. betroffen.

Die Pressemitteilung der EU-Kommision:

Digitaler Binnenmarkt: EU-Verhandlungsführer erreichen Durchbruch bei der Modernisierung der Urheberrechtsvorschriften

Heute haben das Europäische Parlament, der Rat der EU und die Kommission eine politische Einigung erzielt, mit der das Urheberrecht in Europa an die Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst wird und die mit greifbaren Vorteilen für die Bürgerinnen und Bürgern der EU, die Forscher und die Lehrenden, die Kultur- und Kreativwirtschaft, die Presse und die mit Kulturerbe befassten Einrichtungen verbunden sein wird.

Diese politische Einigung ermöglicht eine Anpassung des Urheberrechts an die heutige Zeit, in der der Zugriff auf kreative Werke und Presseartikel vor allem über Musikstreamingdienste, Plattformen für den Videoabruf, Nachrichtenaggregatoren und Plattformdienste mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten erfolgt. Die Einigung muss in den kommenden Wochen noch vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union bestätigt werden.

Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident Andrus Ansip erklärte dazu: „Moderne Urheberrechtsvorschriften für die gesamte EU sind ein großer Erfolg und waren längst überfällig. Die Verhandlungen waren schwierig, doch was am Ende zählt, ist ein faires und ausgewogenes Ergebnis, das einem digitalen Europa gerecht wird. Die Freiheiten und Rechte, die Internetnutzer heute genießen, werden ausgebaut, unsere Kunstschaffenden werden für ihre Arbeit besser vergütet und der Internetwirtschaft stehen klarere Regeln für ihre Aktivitäten und ihre Weiterentwicklung zu Verfügung.“

Die für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige Kommissarin Mariya Gabriel ergänzte: „Die seit Langem erwartete Annahme der Richtlinie über das Urheberrecht ist einer der Eckpfeiler unseres digitalen Binnenmarkts. Sie sorgt für einen klareren Rechtsrahmen, der an die digitale Welt angepasst ist und von dem die audiovisuelle und die kreative Branche profitieren werden. Auch für die europäischen Bürgerinnen und Bürgern bringt die Richtlinie einen Mehrwert.“

Besserer Schutz für europäische Autoren, ausübende Künstler und den Journalismus

Die neue Richtlinie stärkt die Position europäischer Autoren und ausübender Künstler im digitalen Umfeld und fördert den Qualitätsjournalismus in der EU. Konkret bedeutet dies Folgendes:

- Greifbare Vorteile für alle kreativen Branchen, insbesondere für Kunstschaffende und Akteure im audiovisuellen und musikalischen Bereich. Ihre Position gegenüber den Plattformen wird gestärkt und sie können mehr Kontrolle über die Inhalte ausüben, die von Nutzern dorthin hochgeladen werden, und dafür eine Vergütung erhalten.

- Erstmals wird der Grundsatz der angemessenen Vergütung von Autoren und ausübenden Künstlern im europäischen Urheberrecht festgeschrieben.

- Autoren und ausübende Künstler erhalten Zugang zu transparenten Informationen darüber, wie ihre Werke und Darbietungen von ihren Partnern (Verleger und Produzenten) genutzt werden. Dies wird es ihnen erleichtern, künftig Verträge auszuhandeln und einen gerechteren Anteil an den erwirtschafteten Einnahmen zu erhalten.

- Wenn Verlage oder Produzenten die Rechte nicht nutzen, die ihnen Autoren und ausübende Künstler übertragen haben, haben Letztere die Möglichkeit, die Gewährung der Rechte zurückzunehmen.

- Die europäischen Presseverleger werden von einer neuen Vorschrift profitieren, die ihnen die Verhandlungen über die Wiederverwendung ihrer Inhalte auf Online-Plattformen erleichtern soll. Journalisten steht damit ein größerer Anteil der Einnahmen zu, die durch die Online-Nutzung von Presseveröffentlichungen erzielt werden. Dies hat keine Auswirkungen auf Bürger und private Nutzer, die auch weiterhin wie gewohnt Hyperlinks nutzen und teilen können.

Neue Vorschriften zugunsten der Interessen der Bürger und Internetnutzer

Die neuen Lizenzvorschriften kommen den Nutzern zugute, die urheberrechtlich geschützte Inhalte legal auf Plattformen wie YouTube oder Instagram hochladen können. Außerdem werden sie von Schutzmaßnahmen zur Sicherung der Meinungsfreiheit profitieren, wenn sie Videos – zum Beispiel Memes oder Parodien – hochladen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte enthalten. Die Interessen der Nutzer werden durch wirksame Mechanismen geschützt, um eine ungerechtfertigte Entfernung ihres Inhalts durch die Plattformen rasch zu hinterfragen.

Die neue Richtlinie sorgt für einen breiteren Zugang zu Wissen. Sie vereinfacht die Urheberrechtsvorschriften für Text- und Datamining in der Forschung und für andere Zwecke sowie in den Bereichen Bildung und Erhaltung des kulturellen Erbes:

Dank einer Ausnahmeregelung im Urheberrecht können Forschungsorganisationen, Universitäten und andere Nutzer die wachsende Zahl online verfügbarer Veröffentlichungen und Daten für Forschungstätigkeiten und andere Zwecke verwenden und in umfangreichen Datensätzen Text- und Datamining durchführen. Dadurch wird auch die Entwicklung auf dem Gebiet der Datenanalyse und der künstlichen Intelligenz in Europa vorangetrieben.
Studierende und Lehrkräfte dürfen urheberrechtlich geschützte Materialien für die Zwecke der Veranschaulichung im Unterricht in – auch grenzüberschreitend angebotenen – Online-Kursen verwenden.
Die Erhaltung des kulturellen Erbes in den Sammlungen europäischer Museen, Archive und anderer einschlägiger Einrichtungen unterliegt keinerlei urheberrechtlichen Beschränkungen.
Darüber hinaus bekommen Nutzer Zugang zu Werken, Filmen oder Musikaufnahmen, die heute in Europa nicht mehr auf dem Markt erhältlich sind, sowie zu einer breiteren Palette europäischer audiovisueller Werke auf Plattformen für Videoabruf (Video-on-Demand, VoD).

Sie erhalten vollkommene Rechtssicherheit für das Teilen von Kopien gemeinfreier Gemälde, Skulpturen und sonstiger Kunstwerke.

Nächste Schritte

Der vereinbarte Text muss nun vom Europäischen Parlament und vom Rat förmlich bestätigt werden.Sobald dies geschehen ist und er im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, die neuen Vorschriften in nationales Recht zu überführen.

Hintergrund

Wie Umfragen der Kommission aus dem Jahr 2016 belegen, greifen 57 % der Internetnutzer über soziale Netzwerke, Informationsaggregatoren oder Suchmaschinen auf Presseartikel zu. 47 % dieser Nutzer lesen auf diesen Websites bereitgestellte Auszüge, ohne diese anzuklicken. Ein ähnlicher Trend war auch in der Musik- und Filmbranche zu beobachten: 49 % der Internetnutzer in der EU hören online Musik oder greifen über das Netz auf audiovisuelle Inhalte zu und 40 % der 15- bis 24-Jährigen sahen mindestens einmal wöchentlich Fernsehsendungen online. Dieser Trend hat sich seitdem weiter verstärkt.

Im September 2016 schlug die Europäische Kommission als Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vor, das EU-Urheberrecht zu modernisieren, damit die europäische Kultur floriert und Verbreitung findet.
Die EU-Urheberrechtsreform gehört zu den Prioritäten des Europäischen Parlaments, des Rates der EU und der Europäischen Kommission, die sich verpflichtet haben, sie bis zur Europawahl zu verabschieden. Sie sorgt für eine Modernisierung des EU-Urheberrechts aus dem Jahr 2001, also aus grauer Vorzeit nach den Maßstäben des digitalen Zeitalters. Damals gab es weder soziale Medien noch VoD, die Museen digitalisierten ihre Kunstsammlungen noch nicht und kein Lehrer bot Online-Kurse im Netz an.

Die heute erzielte Einigung ist Teil einer umfassenderen Initiative zur Anpassung des EU-Urheberrechts an das digitale Zeitalter. Im Dezember 2018 einigten sich die gesetzgebenden Organe der EU auf neue Vorschriften, damit die europäischen Fernsehsender bestimmte Sendungen leichter über Livestreams oder Nachholfernsehen online zugänglich machen können. Europäerinnen und Europäer, die in ihrem Heimatmitgliedstaat Filme, Sportübertragungen, Musik, e-Bücher oder Spiele abonniert haben, können seit dem 1. April 2018 auch auf Reisen oder bei vorübergehenden Aufenthalten in anderen EU-Ländern auf diese Inhalte zugreifen.


LG Berlin legt EuGH Fragen zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger im Rechtsstreit VG Media gegen Google vor

LG Berlin
Beschluss vom 08.05.2017
16 O 546/15


Das LG Berlin hat dem EuGH Fragen zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger im Rechtsstreit VG Media gegen Google vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Berlin: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erforderlich im Rechtsstreit gegen Google wegen Leistungsschutzrechten

Die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin hält in dem Rechtsstreit einer Verwertungsgesellschaft, die Leistungsschutzrechte für Presseverleger wahrnimmt und Klage gegen das Unternehmen Google Inc. erhoben hat, eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für notwendig und legt diesem zwei Rechtsfragen vor.

Die Verwertungsgesellschaft hat Klage gegen Google Inc. erhoben. Es soll festgestellt werden, dass das Unternehmen Google Inc. ihr dadurch zum Schadensersatz verpflichtet sei, dass es über die Online-Angebote „Google Suche“ Textausschnitte, Bilder etc. aus Presseerzeugnissen in einer Ergebnisliste anzeigt. Denn nach Eingabe des Suchwortes und Auslösung der Suchfunktion erscheint u.a. ein kurzer Text oder Textausschnitt (Snippet); sofern man die Funktion „Bildersuche“ nutzt, erscheinen Bilder, die auf andere Internetseiten verweisen. Durch diese Arten der Vorschau soll dem Nutzer ermöglicht werden, die Relevanz der angezeigten Internetseiten für sein konkretes Informationsbedürfnis abzuschätzen. In Bezug auf die von der Beklagten ebenfalls angebotenen Dienste „news.google.de“ oder „news.google.com“ werden Nachrichten in der Art eines Magazins aus einem beschränkten Kreis von Nachrichtenquellen anzeigt. Hier besteht der sog. “Snippet” aus einer Kurzzusammenfassung der Website, vielfach unter Verwendung der einleitenden Sätze. Aufgrund dieser Nutzung der „Snippets“ verlangt die Klägerin weiterhin von Google Auskunft über die Höhe der Werbeanzeigen Dritter auf eigenen oder fremden Internetseiten und den sich aus der Auskunft ergebenden Schadensersatz; diese Werbeanzeigen vermittelt Google kostenpflichtig über weitere Dienste.

Die Klägerin beruft sich im Rechtlichen auf das seit August 2013 geltende Leistungsschutzrecht nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG). Die maßgeblichen Normen sind §§ 87f – 87h UrhG. Der deutsche Gesetzgeber hat kein Notifizierungsverfahren vor dem EuGH für diese Normen veranlasst. Der Begriff der Notifizierung beschreibt ein Verfahren, in dem die EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission, teilweise auch die anderen Mitgliedstaaten, über ein Gesetz informieren und teilweise auch Gelegenheit zur Überprüfung geben müssen, bevor das Gesetz im eigenen Staat wirksam wird.

Die Zivilkammer 16 geht davon aus, dass die Klage teilweise begründet wäre, wenn die Vorschriften des UrhG anwendbar seien. Das sei aufgrund der Rechtsprechung des EuGH jedoch nur dann der Fall, wenn ein solches Notifizierungsverfahren durchgeführt worden wäre. Das Landgericht könne nicht selbst diese Entscheidung treffen, so dass dem EuGH die Rechtsfragen vorzulegen seien.

Maßgeblich sei die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998. Anbieter von Suchmaschinen würden eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft im Sinne des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie erbringen, und zwar im Fernabsatz, da die Vertragspartner nicht gleichzeitig physisch anwesend seien. Die Regelung in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie richte sich u.a. an Anbieter von Suchmaschinen und Anbieter von Diensten, die Inhalte von Webseiten entsprechend aufbereiten wie z.B. „Google News“. Nur wenn die Regelung sich reflexartig, also im Sinne von zufällig, auf die vorgenannten Suchmaschinenanbieter auswirke, würde sie nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Davon gehe das Landgericht jedoch nicht aus.

Daher müsse weiterhin geklärt werden, ob es sich bei den Leistungsschutzrechten um „technische“ Vorschriften im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie handele. Nach Auffassung des Landgerichts seien alle Normen umfasst, die sich auf diese Dienste rechtlich oder faktisch auswirken würden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Verfassungsbeschwerde des Suchmaschinenbetreibers Yahoo gegen Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger unzulässig

BVerfG
Beschluss vom 10.10.2016
1 BvR 2136/14


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde des Suchmaschinenbetreibers Yahoo gegen das Gesetz zur Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger unzulässig ist. Insofern sind - so das BVerfG - zunächst die Fachgerichte zur Auslegung in Anspruch zu nehmen.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Verfassungsbeschwerde von Betreiberinnen einer Internetsuchmaschine erfolglos

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine unmittelbar gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger in das Urheberrechtsgesetz (UrhG) erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Den klagenden Betreiberinnen einer Internetsuchmaschine ist es zumutbar, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde fachgerichtlichen Rechtsschutz bei Fragen der Reichweite des Presse-Leistungsschutzrechts, der vorgesehenen Ausnahmen oder der Höhe der Vergütung in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin zu 1) betrieb bis in das Jahr 2014 eine Internetsuchmaschine. Diese Leistungen werden seitdem von der Beschwerdeführerin zu 2) weitergeführt. Die angebotenen Dienste umfassen unter anderem einen klassischen Suchmaschinendienst und eine spezielle Nachrichtensuche.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen unmittelbar gegen § 87f und § 87g UrhG. Kernelement der Regelungen ist das den Presseverlegern zugewiesene Recht, über die öffentliche Zugänglichmachung ihrer Presseerzeugnisse für gewerbliche Zwecke zu bestimmen. Die Beschwerdeführerinnen rügen im Wesentlichen eine Verletzung der Informations- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Daher ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann.

2. Nach diesem Maßstab ist es den Beschwerdeführerinnen möglich und zumutbar, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

a) Die Beschwerdeführerinnen können Rechtsschutz gegen Unterlassungs- und Schadensersatzbegehren von Presseverlegern, die diese auf eine unberechtigte Nutzung von Presseerzeugnissen stützen, auf dem gewöhnlichen Rechtsweg erlangen. Darüber hinaus bestehen spezielle Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der Wahrnehmung des Presse-Leistungsschutzrechts.

b) Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Normen die Möglichkeit und die Verpflichtung, die Grundrechtspositionen der Beschwerdeführerinnen hinreichend zu berücksichtigen. Sie haben die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen den geschützten Rechtspositionen der Presseverleger und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen insbesondere von Suchmaschinenbetreibern und Anbietern, die die Inhalte entsprechend aufbereiten, nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden. Auslegungsspielräume bestehen insbesondere bei den Fragen, was unter einem „Presseerzeugnis“ zu verstehen ist und wann „kleinste Textausschnitte“ vorliegen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst sind. Die Fachgerichte müssen dabei berücksichtigen, dass Suchmaschinen einem automatisierten Betrieb unterliegen, bei dem nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann ein Presseerzeugnis vorliegt. Bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Rechtsnormen ist das Interesse von Suchmaschinenbetreibern in Betracht zu ziehen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen gerecht wird, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen. Die Einbeziehung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen ist darüber hinaus bei der Bemessung der für die Nutzung von Presseerzeugnissen geschuldeten Vergütung möglich.

Soweit die Zivilgerichte eine ausreichende Berücksichtigung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen im Rahmen der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Vorschriften nicht für möglich erachten, ist gegebenenfalls nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit einzuholen.

c) Es ist nicht ersichtlich, dass die Verweisung auf fachgerichtlichen Rechtsschutz vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde den Beschwerdeführerinnen unzumutbar wäre. Angesichts der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit der angegriffenen Rechtsnormen ist eine fachgerichtliche Klärung des Inhalts der einfachgesetzlichen Regelungen vor einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung angezeigt. Dass eine der Ausnahmen von der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes vorliegt, legen die Beschwerdeführerinnen nicht ausreichend dar.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Neue Regeln für Verwertungsgesellschaften - Verwertungsgesellschaftengesetz tritt am 01.06.2016 in Kraft

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte- und Speichermedienvergütung (VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) wurde heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) tritt am 1. Juni 2016 in Kraft.

Die Pressemitteilung des DPMA:

Das Verwertungsgesellschaftengesetz tritt am 1. Juni 2016 in Kraft - Neue Rechtsgrundlage für die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften durch das DPMA

München. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) ist seit mehr als 50 Jahren die Aufsichtsbehörde über Verwertungsgesellschaften in Deutschland. Ab morgen stützt das DPMA diese Tätigkeit auf das neue "Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz - VGG)". Das Gesetz ist am 31. Mai 2016 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1190) verkündet worden. Zeitgleich mit dem Inkrafttreten des VGG wird das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz aus dem Jahr 1965 aufgehoben.

Cornelia Rudloff-Schäffer, Präsidentin des DPMA: "Das heute verkündete Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) erweitert unsere Aufgaben und Befugnisse, und die Verwertungsgesellschaften müssen umfassendere Informations- und Transparenzpflichten erfüllen. Wir freuen uns auch auf den künftigen Austausch mit anderen nationalen Aufsichtsbehörden, der einer der wesentlichen Bausteine der erweiterten Zusammenarbeit in Europa sein wird."

Der Bundestag hat mit dem VGG die "Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt" (VG-Richtlinie) in deutsches Recht umgesetzt. Das VGG regelt die Rechte und Pflichten der Verwertungsgesellschaften, der Rechtsinhaber (z.B. Urheber und ausübende Künstler) und der Nutzer (z.B. Sendeunternehmen) detailliert, beispielsweise bei der Mitwirkung der Wahrnehmungsberechtigten in der Verwertungsgesellschaft. Neu sind Regelungen für die gebietsübergreifende Vergabe von Online-Rechten an Musikwerken durch Verwertungsgesellschaften.

Das DPMA als Aufsichtsbehörde des Bundes hat darauf zu achten, dass die Verwertungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkommen. Von der Aufsicht umfasst sind jetzt auch weitere Organisationen - die so genannten abhängigen und unabhängigen Verwertungseinrichtungen. Mit den Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union arbeitet das DPMA künftig zusammen und tauscht Informationen aus.


Bundeskartellamt - Fallbericht: Kein Missbrauchsverfahren gegen Google nach § 32c GWB im Streit mit diversen Presseverlagen und VG Media wegen Leistungsschutzrecht des Presseverlegers

Das Bundeskartellamt hat einen Fallbericht in der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Google und diversen Presseverlagen bzw. der VG Media wegen des Leistungsschutzrechts des Presseverlegers veröffentlicht. Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass kein Missbrauch durch den Suchmaschinenbetreibers Google vorliegt und die Eröffnung eines Verfahrens nach § 32c GWB abgelehnt.

Den Fallbericht des Bundeskartellamtes finden Sie hier:

Den Beschluss des Bundeskartellamtes: BKartA; Beschluss vom 08.09.2015 - B6-126-14

LG Berlin weist Klage zahlreicher Verlage gegen den Suchmaschinenbetreiber Google wegen der Verletzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger durch Suchmaschinen-Snippets ab

LG Berlin
Urteil vom 19.02.2016
92 O 5/14 kart


Das LG Berlin hat die Klage zahlreicher Verlage gegen den Suchmaschinenbetreiber Google wegen der Verletzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger durch Suchmaschinen-Snippets abgewiesen.


Die Pressemitteilung des LG Berlin:


Landgericht Berlin: Urteil im Kartellrechtsstreit von Presseverlagen gegen Google

Die Kammer für Handelssachen 92 des Landgerichts Berlin hat heute die Klage von 41 Presseverlagen gegen den Online-Suchmaschinenbetreiber Google Inc. abgewiesen. Ziel der Klage war es, Google daran zu hindern, Textanrisse (sog. snippets) und Vorschaubilder der Webseiten der Klägerinnen bei Suchergebnissen nur unter bestimmten Voraussetzungen zu zeigen.

Hintergrund des Rechtsstreits ist das seit August 2013 geltende Leistungsschutzrecht, das Verlagen das Recht einräumt, eine Nutzung ihrer Presseerzeugnisse ohne Zahlung eines entsprechenden Leistungsentgelts zu verbieten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Anzeige der vorgenannten snippets bei Ergebnissen einer Online-Suche nach dem neuen Gesetz auf Verlangen der Presseverlage entgeltpflichtig sein könnte. Google schrieb daraufhin verschiedene Verlage, darunter auch die 41 Klägerinnen, an und bat darum, schriftlich in die kostenlose Nutzung dieser snippets einzuwilligen. Anderenfalls komme in Betracht, dass zukünftig Suchergebnisse, die Presserzeugnisse der Klägerinnen beträfen, nur noch ohne Text- und Bildwiedergabe, also lediglich mit dem Link und dem Pfad, angezeigt würden.

Der Versuch der Klägerinnen, mit ihrer Klage Google an diesem Verhalten zu hindern, blieb in erster Instanz vor dem Landgericht Berlin erfolglos. Die Kammer führte in der heutigen mündlichen Verhandlung aus, dass ein solcher kartellrechtlicher Anspruch nicht bestehe. Bei den Suchmaschinenbietern dürfte es sich zwar um einen Markt im kartellrechtlichen Sinn handeln. Auch wenn nach bisherigem Verständnis der Rechtsprechung ein Markt nur dann angenommen werde, wenn Kosten aufzuwenden seien und hier kostenlose Dienste in Anspruch genommen würden, müsse das Modell im weitesten Sinne betrachtet werden. Indem die Nutzer für die Leistungen ihre Daten preisgeben würden, könnte es gerechtfertigt sein, von einem Markt auszugehen.

Bei Google dürfte es sich auch unzweifelhaft um ein marktbeherrschendes Unternehmen handeln. Jedoch liege eine diskriminierende Ungleichbehandlung nicht vor, auch wenn Google nicht allen Verlagen angekündigt habe, die snippets und Vorschaubilder zu deren Webseiten bei Suchergebnissen nicht mehr dazustellen. Ebenso wenig sei ein Preishöhenmissbrauch festzustellen.

Durch das Modell der Suchmaschine entstehe eine sog. „win-win-Situation“, da jeder davon profitiere: Google durch die generierten Werbeeinnahmen, die Nutzer durch die Hilfe bei der Suche nach bestimmten Informationen und die Presseverlage durch die ihrerseits erhöhten Werbeeinnahmen, wenn die Verlagsseiten aufgerufen würden. Dieses Konzept würde aus dem Gleichgewicht gebracht, wenn Google für das Recht zur Wiedergabe von snippets und Vorschaubildern in den Suchergebnissen, die auf Internetseiten der Verlage hinweisen, ein Entgelt zu entrichten hätte. Das Begehren von Google, entweder auf der weiterhin kostenlosen Nutzung zu bestehen oder aber auf die Wiedergabe von snippets und Vorschaubildern bei den Verlagsseiten der Klägerinnen zu verzichten, ist nach Ansicht der Kammer deshalb nicht missbräuchlich.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dagegen ist Berufung zum Kammergericht möglich. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt einen Monat ab Zustellung der Urteilsgründe.

Landgericht Berlin, Urteil vom 19. Februar 2016 - Aktenzeichen 92 O 5/14 kart



Schiedsstelle beim DPMA: Lizenzgebühren "Tarif Presseverleger" der VG Media für Nutzung des Leistungsschutzrechts durch Google, Suchmaschinenanbieter und Aggregatoren zu hoch

Die Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten beim Deutschen Patent- und Markenamt hat entschieden, dass die Lizenzgebühren gemäß dem "Tarif Presseverleger" der VG Media für Nutzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger durch Google, Suchmaschinenanbieter und News-Aggregatoren unangemessen hoch sind.

Die Pressemitteilung der Schiedsstelle:

"Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten entscheidet über "Tarif Presseverleger"

Die Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten beim Deutschen Patent- und Markenamt hat mit drei Einigungsvorschlägen vom 24. September 2015 über die Anträge der Verwertungsgesellschaft VG Media im Streit um die Anwendbarkeit und Angemessenheit ihres im Jahr 2014 veröffentlichten "Tarif Presseverleger" entschieden. Nicht-öffentliche Verhandlungen hatten im März und April diesen Jahres stattgefunden.

Die VG Media hat in ihrem Tarif unter anderem die Höhe von Lizenzgebühren für die Nutzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger durch Suchmaschinenanbieter und sogenannte News Aggregatoren festgelegt. In ihrer Entscheidung nimmt die Schiedsstelle erstmals zu den zahlreichen europa-, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Fragen im Zusammenhang mit dem 2013 geschaffenen Presseleistungsschutzrecht Stellung.

Den Tarif der VG Media hält sie unter einschränkender Auslegung für anwendbar. Demnach ist es unter anderem unumgänglich, für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der "einzelnen Wörter" und "kleinsten Textausschnitte" eine konkrete Wortzahlgrenze anzugeben. Die Schiedsstelle schlägt eine feste Obergrenze von sieben Wörtern unter Ausschluss der Suchbegriffe vor.

Die von der VG Media zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage der tariflich definierten Umsätze der Suchmaschinenanbieter und News Aggregatoren ist nach der Auffassung der Schiedsstelle zu weit gefasst; da außerdem angesichts der nachgewiesenen Aktivlegitimation die aktuelle Tarifhöhe von 6% (aktuell 6,1084%) zu hoch ist, ist der Tarif in seiner gegenwärtigen Form nicht angemessen.

Die Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) ist beim Deutschen Patent- Markenamt (DPMA) angesiedelt und vermittelt bei Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern urheberrechtlich geschützter Werke. Sie schlichtet vor allem in Fällen, in denen Verwertungsgesellschaften und Nutzer über die Höhe von Vergütungen streiten. Die von ihr erlassenen Einigungsvorschläge werden verbindlich, wenn die Beteiligten diesen nicht widersprechen."