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LG Düsseldorf: Außerordentliche Kündigung eines Galerievertrages mit 10jähriger Laufzeit möglich da Kunstfreiheit des Künstlers erheblich eingeschränkt wird

LG Düsseldorf
Urteil vom 19.01.2023
15 O 82/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung eines Galerievertrages mit 10jähriger Laufzeit durch einen Künstler möglich ist, da hierdurch die Kunstfreiheit des Künstlers erheblich eingeschränkt wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urteil im Galerieprozess

Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Düseldorf hat am Freitag, dem 19.01.2024, unter ihrem Vorsitzenden Dr. Jonas Küssner in dem Rechtsstreit 15 O 82/22 ein Teilurteil verkündet.

Der Kläger ist ein in Deutschland und international überaus bekannter Künstler. Die Beklagte zu 1) ist eine renommierte Kunstgalerie aus Düsseldorf, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist. Die Parteien sind seit Anfang 2017 ¸ber mehrere langfristige Galerie- und Kooperationsverträge miteinander verbunden. Sie streiten sich sowohl um Zahlungen im Rahmen der Durchführung der Verträge als auch um die Wirksamkeit und den Fortbestand einzelner Verträge. Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) Zahlungen unter anderem aus Verkäufen seiner Bilder, die Herausgabe einzelner Original-Gemälde sowie die Feststellung der wirksamen Kündigung der Verträge. Die Beklagte zu 1) macht gegen den Kläger Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Verträge sowie Auskunftsansprüche bezüglich der Verkäufe von Kunstwerken geltend.

Mit Teilurteil vom 19.01.2024 hat die Kammer festgestellt, dass der Galerie- und Kooperationsvertag sowie weitere ergänzende Verträge zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Klägers beendet worden sind. Insoweit sah die Kammer im Rahmen einer Interessenabwägung den Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit vor dem Hintergrund der zehnjährigen Vertragslaufzeit sowie der vertraglichen Verpflichtungen des Klägers, pro Jahr eine bestimmte Anzahl an Kunstwerken auf Leinwand zu erschaffen, als unwirksam an. Die langjährige Bindung an eine Galerie stelle eine nicht unerhebliche Einschränkung insbesondere der Kunstfreiheit des Klägers dar. Insbesondere die langfristige Verpflichtung, Kunstwerke auf Leinwand zu erbringen, begrenze die Möglichkeiten des Klägers, sich als junger Künstler auch in anderer Form auszuprobieren und seiner Kunst Ausdruck zu verleihen.

Die Beklagte zu 1) wurde zudem zur Herausgabe von Kunstwerken, darunter die zu dem sog. „17 Global Goals“ gehörenden Originalkunstwerke, verurteilt. Die Beklagte zu 1) muss dem Kläger ferner Auskunft erteilen zu sämtlichen Veräußerungen von Seite 2 von 2 Originalkunstwerken. Der Kläger wurde dazu verurteilt, der Beklagten zu 1) Auskunft über die Verkäufe von Kunstwerken während der Vertragslaufzeit zu erteilen. Die Zahlungsansprüche der Parteien hatten teilweise Erfolg. Unter Abzug der Ansprüche der Beklagten zu 1) steht dem Kläger nach Ansicht der Kammer noch eine Restforderung in Höhe von ca. 285.000,00 € zu. Nach Erteilung der Auskünfte können die Parteien den Fortgang des Verfahrens beantragen und gegebenenfalls weitere Zahlungsansprüche geltend machen. Das Teilurteil ist nicht rechtskräftig. Die Parteien können gegen das Teilurteil Berufung einlegen, über welche das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden hätte.



LG Frankfurt: Kunstfreiheit kann Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter weltweit bekannter Luxushandtaschen durch fremdes Modelabel rechtfertigen

LG Frankfurt
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 532/23
und
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 533/23

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Kunstfreiheit das Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter und weltweit bekannter Luxushandtaschen durch ein fremdes Modelabel rechtfertigen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kunstfreiheit zieht - Markenrechtlicher Schutz von Luxus-Handtaschen
Eine für das Markenrecht zuständige Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat Eilanträge der Herstellerin einer markenrechtlich geschützten und weltweit bekannten Luxus-Handtasche zurückgewiesen.

Ein Berliner Modelabel stellt unter anderem Kleider, Röcke, Tops und Taschen her, die charakteristische Merkmale der besagten Luxus-Handtasche aufweisen. Das Label führte diese Modekreationen auf einer Fashionshow vor und bewarb die dortigen Darbietungen im Internet sowie auf sozialen Netzwerken.

Die Herstellerin der Luxus-Tasche hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main verlangt, dem Berliner Modelabel diese Darstellungen zu untersagen. Die Designerinnen des Berliner Labels haben sich demgegenüber auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Ihre Modekreationen, in denen die prägenden Merkmale der Luxus-Handtasche aus dem Modekonzern der Antragstellerin gespiegelt werden, seien Teil einer Inszenierung. Es solle damit unter anderem auf weibliche Klischees hingewiesen werden, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sog. „Sugar Daddys“ schenken ließen. Die Akzeptanz dieses Vorurteils sei eine Form von Feminismus.

Die Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main entschied in zwei Beschlüssen vom 19.09.2023, die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf europäischen Markenrechtsschutz berufen.

Es sei im vorliegenden Fall eine Abwägung erforderlich zwischen dem Eigentumsrecht der Herstellerin der Luxus-Handtasche und der Kunstfreiheit der Antragsgegnerin. „Auch die Beschäftigung mit einer Marke kann von der Kunstfreiheit erfasst sein“, so die Richterinnen und Richter. Und weiter: „Das in der Kunstfreiheit wurzelnde Interesse der Antragsgegnerin an der Darbietung ihrer Fashionshow überwiegt im vorliegenden Fall“.

Die Antragsgegnerin wolle mit ihren Kleidern und Taschen darauf hinweisen, dass Frauen von Männern zum Objekt degradiert und als gesellschaftliche Accessoires angesehen würden. Nach ihrer Ansicht würden sich Frauen emanzipieren, indem sie genau diese Rolle einnähmen. Sie würden Männer als „menschliche Bank“ für ihre Zwecke nutzen, wenn sie sich von ihnen Luxus-Taschen schenken ließen. „In dieser überspitzten gesellschaftlichen Darstellung tragen Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche der Antragstellerin erinnern, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit. (…) Hierbei ist das Spiel zwischen primitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbietung“, erklärte die Kammer in ihrem Beschluss.

„Auch wird die Marke der Antragstellerin nicht verunglimpft oder herabgesetzt. Vielmehr dient sie als ein gesellschaftlich angestrebter Bezugspunkt von Luxusgütern“, stellten die Richter weiter fest. Die Anlehnung an die Luxus-Handtasche der Antragstellerin sei dabei nur ein Teil der gesamten Inszenierung.

Die Entscheidungen sind rechtskräftig. Die Aktenzeichen der Beschlüsse vom 19.9.2023 lauten 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23.


Den Volltext der Entscheidung 2-06 O 533/23 finden Sie hier: