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BGH: Unwirksame Negativzinsen-Klauseln (Verwahrentgelt für Guthaben) in AGB von Banken und Sparkassen - Klausel zu Entgelt für Ersatz-BankCard und Ersatz-PIN ebenfalls unwirksam

BGH
Urteil vom 04.02.2025 - XI ZR 61/23,
Urteil vom 04.02.2025 - XI ZR 65/23
Urteil vom 04.02.2025 - XI ZR 161/23
Urteil vom 04.02.2025 - XI ZR 183/23


Der BGH hat entschieden, dass diverse Negativzinsen-Klauseln (Verwahrentgelt für Guthaben) in AGB von Banken und Sparkassen unwirksam sind. Ferner hat der BGH entschieden, dass Klausen, die ein Entgelt für eine Ersatz-BankCard oder eine Ersatz-PIN vorsehen, ebenfalls unwirksam sind.

Die Pressemitteilung des BGH:
Unwirksamkeit von Klauseln zu Verwahrentgelten ("Negativzinsen") in Verträgen über Giro-,Tagesgeld- und Sparkonten und von Klauseln zu Entgelten für eine Ersatz-BankCard und eine Ersatz-PIN

Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit vier Urteilen vom 4. Februar 2025 entschieden, dass die von verschiedenen Banken und einer Sparkasse gegenüber Verbrauchern verwendeten Klausen zu Entgelten für die Verwahrung von Einlagen auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten unwirksam sind. Er hat in dem Verfahren XI ZR 161/23 außerdem entschieden, dass die von einer Bank gegenüber Verbrauchern verwendeten Klauseln zu Entgelten für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard und einer Ersatz-PIN unwirksam sind.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die Kläger in den vier Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherschutzverbände.

Die in dem Verfahren XI ZR 61/23 beklagte Sparkasse verwendete im Zeitraum vom 1. bis zum 13. Februar 2020 auf ihrer Internetseite im Zusammenhang mit von ihr angebotenen Giroverträgen folgende Klausel:

"Verzinsung

Zinssatz für Guthaben (täglich fällige Gelder) 0,00 %

Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)*- 0,70 % p.a.

*Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem 01.02.2020 neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab dem 01.02.2020."

Die in dem Verfahren XI ZR 65/23 beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis folgende Klausel:

"Privatkonten

[…]

Entgelt für die Verwahrung von

Einlagen über 10.000 EURpro Jahr 0,50 % p.a.

Freibetrag¹4

¹4 Vom Kunden zu zahlendes Verwahrentgelt bei Neuanlage/Neuvereinbarung ab 01.04.2020 für Einlagen über 10.000 EUR Freibetrag auf das auf dem Konto verwahrte Guthaben, das den aktuellen Freibetrag übersteigt."

Die in dem Verfahren XI ZR 161/23 beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für die von ihr angebotenen Girokonten folgende Klausel:

"3.2Entgelt für die Verwahrung von Einlagen

Girokonten […] – Verträge ab 01.08.2020¹6

Einlagen bis25.000,00 EUR0,00 % p.a.

Einlagen über¹7 25.000,00 EUR0,50 % p.a.

[…]

Die Berechnung erfolgt taggenau. Die Belastung der Gebühr erfolgt monatlich nachträglich zulasten des jeweiligen Kontos.

[…]

¹6 Für Verträge mit Abschlussdatum vor dem 01.08.2020 erfolgt die Bepreisung ab Unterzeichnung der individuellen Zusatzvereinbarung.

¹7 Bepreisung erfolgt auf den übersteigenden Betrag."

Sie bietet Verbrauchern unter der Bezeichnung "SpardaCash" und "SpardaCash Online" außerdem Tagesgeldkonten an. In ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis heißt es hierzu wie folgt:

"SpardaCash – Verträge ab 01.08.2020¹6

Ein SpardaCash¹8

Einlagen bis50.000,00 EUR0,00 % p.a.

Einlagen über¹7 50.000,00 EUR0,50 % p.a.

Jedes weitere SpardaCash¹8

Einlagen über¹7 0,00 EUR0,50 % p.a.

SpardaCash Online – Verträge ab 01.08.2020¹6

Ein SpardaCash Online¹8

Einlagen bis50.000,00 EUR0,00 % p.a.

Einlagen über¹7 50.000,00 EUR0,50 % p.a.

Jedes weitere SpardaCash Online¹8

Einlagen über¹7 0,00 EUR0,50 % p.a.

Die Berechnung erfolgt taggenau. Die Belastung der Gebühr erfolgt monatlich nachträglich zulasten des jeweiligen Kontos.

[…]

¹6 Für Verträge mit Abschlussdatum vor dem 01.08.2020 erfolgt die Bepreisung ab Unterzeichnung der individuellen Zusatzvereinbarung.

¹7 Bepreisung erfolgt auf den übersteigenden Betrag.

¹8 Erstes bestehendes Konto gemäß Eröffnungsdatum je Kundenstamm; bei gleichem Eröffnungsdatum ist die niedrigere Kontonummer entscheidend."

In dem Kapitel über die Erbringung von Zahlungsdiensten für Privatkunden ihres Preis- und Leistungsverzeichnisses verwendet die Beklagte außerdem folgende Klauseln:

"4.4Kartengestützter Zahlungsverkehr

4.4.1Debitkarten

4.4.1.1BankCard

[…]

- Ersatzkarte²8 12,00 EUR

- Ersatz-PIN²8 auf Wunsch des Kunden 5,00 EUR

[…]

²8 Wird nur berechnet, wenn der Kunde die Umstände, die zum Ersatz der Karte/PIN geführt haben, zu vertreten hat und die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN verpflichtet ist."

Die in dem Verfahren XI ZR 183/23 beklagte Bank verwendete in den Jahren 2020 bis 2022 in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis im Kapitel über den Geschäftsverkehr mit Verbrauchern unter den Überschriften "Sichteinlagen" und "Spareinlagen" jeweils folgende Klausel:

"Verwahrung von Einlagen oberhalb des Freibetrags für alle Einlagen- & Girokonten

Verwahrentgelt 0,5 % p.a."

In einer Fußnote verwies die Klausel auf das Kapitel über die Verwahrung von Einlagen für alle Kunden, in dem für verschiedene Zeiträume Freibeträge in Höhe von 50.000 €, 100.000 € und 250.000 € genannt waren.

Der Preisaushang der Beklagten, in dem die Konditionen für Spar-, Tagesgeld- und Girokonten wiedergegeben sind, enthielt folgende Klauseln:

"Verwahrentgelt für die Verwahrung von Einlagen auf allen

Einlagen- & Girokonten

- für ab dem 01.07.2020 bis einschließlich 30.09.2020

neu eingerichtete Kundennummern oberhalb

Freibetrag von 250.000,00 €

0,5 % p.a.

- für ab dem 01.10.2020 bis einschließlich 09.05.2021

neu eingerichtete Kundennummern oberhalb Freibetrag

von 100.000,00 €

0,5 % p.a.

- für ab dem 10.05.2021 neu eingerichtete Kunden-

nummern oberhalb Freibetrag von 50.000,00 €

0,5 % p.a."

Mit Bestandskunden vereinbarte die Beklagte ab Anfang des Jahres 2021 die Zahlung eines "Guthabenentgelts" für auf Euro lautende Einlagen. In diesen Vereinbarungen hieß es u.a. wie folgt:

"1. Die [Bank] erhebt ab dem […] für die auf Euro lautenden Einlagen (inklusive Spareinlagen) auf den Konten des Kunden, die unter seiner Kundennummer […] gegenwärtig und zukünftig geführt werden (im folgenden "Kundenkonten") ein monatliches Guthabenentgelt.

[…]

3. […] Dieser Kostensatz entspricht dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Einlagenfazilität im jeweiligen Berechnungsmonat festgelegten Zinssatz (aktuell 0,50 % p.a.)."

Die Kläger in den vier Verfahren halten die vorbezeichneten Klauseln für unwirksam, da sie die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Sie nehmen die Beklagten jeweils darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder inhaltsgleiche Klauseln gegenüber Verbrauchern zu verwenden. Die Kläger in den Verfahren XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 begehren darüber hinaus von der jeweiligen Beklagten als Folgenbeseitigung die Rückzahlung der auf der Grundlage der Verwahrentgeltklauseln vereinnahmten Entgelte an die betroffenen Verbraucher und Auskunft über deren Vornamen, Zunamen und Anschriften. Der Kläger in dem Verfahren XI ZR 183/23 begehrt als Folgenbeseitigung ebenfalls Auskunft über die betroffenen Verbraucher und die Versendung eines von ihm formulierten Berichtigungsschreibens durch die Beklagte an diese Verbraucher.

Die Berufungsgerichte in den Verfahren XI ZR 61/23 und XI ZR 65/23 haben die Klage jeweils abgewiesen, weil die Klauseln über das Verwahrentgelt eine von der Beklagten erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreisten und daher keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterlägen.

Auch das Berufungsgericht in dem Verfahren XI ZR 161/23 hat die Klage betreffend die Klauseln über das Verwahrentgelt mit der Begründung abgewiesen, mit den Klauseln werde eine von der Beklagten erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag bzw. aus dem Vertrag über das Tagesgeldkonto bepreist, so dass die Klauseln keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterlägen. Die Klauseln, mit denen die Bank für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard bzw. einer Ersatz-PIN ein Entgelt verlange, seien demgegenüber unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstießen.

Das Berufungsgericht in dem Verfahren XI ZR 183/23 hat die Klage ebenfalls abgewiesen. Bei der Vereinbarung über das von Neukunden auf Spareinlagen zu entrichtende Verwahrentgelt handele es sich um eine die Hauptleistung betreffende Preisabrede, die keiner AGB-rechtlichen Kontrolle unterliege. Die Regelungen über das Verwahrentgelt im Preis- und Leistungsverzeichnis sowie im Preisaushang hätten nur für Neukunden, nicht hingegen für Bestandskunden gegolten. Das mit Bestandskunden vereinbarte "Guthabenentgelt" stelle ebenfalls eine Preishaupt-abrede dar und unterliege nicht der Inhaltskontrolle. Es handele sich um ein Entgelt für die einseitige Verpflichtung der Bank, das Sparguthaben sicher zu verwahren und dem Sparer den gleichen Betrag zurückzugewähren.

Die Kläger in den Verfahren XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 183/23 verfolgen mit ihrer jeweils vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihre Klageanträge weiter. In dem Verfahren XI ZR 161/23 verfolgt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seine Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungs-antrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in den Verfahren XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 entschieden, dass mit dem Verwahrentgelt eine Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreist wird und die in Giroverträgen vereinbarten Klauseln über Verwahrentgelte damit zwar keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, die Klauseln aber gegen das sich gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen und damit gegenüber Verbrauchern unwirksam sind. Giroverträge sind typengemischte Verträge, bei denen die von der Bank erbrachten Leistungen Elemente des Zahlungsdiensterechts, des Darlehnsrechts und der unregelmäßigen Verwahrung aufweisen können. Eine unregelmäßige Verwahrung nach § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 488 ff. BGB liegt vor, wenn auf dem Girokonto ein Guthaben vorhanden ist. Die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten stellt neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag dar. Wie die in der Vergangenheit nicht unübliche Vertragspraxis der Banken, auf Girokonten bestehende Guthaben geringfügig zu verzinsen, belegt, dient das Guthaben auf Girokonten nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zudem nicht ausschließlich der Teilnahme am Zahlungsverkehr. Die Kreditwirtschaft kann mit dem sogenannten "Bodensatz" der Guthaben wirtschaften, die sie auf Girokonten verwahrt. 10% dieser Guthaben können von der Bankwirtschaft nach dem Aufsichtsrecht für die Unterlegung von Risiken im Aktivgeschäft verwendet werden. Die Kunden haben ebenfalls ein Interesse an der Nutzung der Girokonten als "Verwahrstelle" für ihr Geld. Sie können ihr Bargeld mithilfe des Girokontos sicher aufbewahren und Guthaben auf Girokonten belassen, ohne sich um eine Weiterverwendung kümmern zu müssen. Darüber hinaus sind Gutschriften auf Girokonten als Sichteinlagen durch die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme geschützt und für Kunden jederzeit verfügbar. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es bei einer Gesamtschau, die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten als von der Bank im Rahmen des Girovertrags erbrachte Hauptleistung anzusehen. Aus den Regelungen der § 700 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt sich weiter, dass ein Verwahrentgelt keine gesetzlich nicht vorgesehene Gegenleistung des Kunden darstellt.

Die Verwahrentgeltklauseln in Giroverträgen in den Verfahren XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 sind allerdings intransparent und aus diesem Grund unwirksam. Sie sind hinsichtlich der Höhe des Verwahrentgelts nicht bestimmt genug, so dass Verbraucher ihre mit den Klauseln verbundenen wirtschaftlichen Belastungen nicht hinreichend erkennen können. Die Klauseln informieren nicht hinreichend genau darüber, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt in Höhe von 0,7% p.a. (so im Verfahren XI ZR 61/23) bzw. in Höhe von 0,5% p.a. (so in den Verfahren XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23) bezieht. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben können sich infolge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages mehrfach ändern. Die in den Klauseln verwendeten Formulierungen lassen allerdings offen, welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts jeweils maßgebend sein soll. Unklar ist dabei vor allem, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen soll und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten bei der Berechnung des maßgebenden Guthabensaldos berücksichtigt werden sollen.

Die Klauseln über Verwahrentgelte für Einlagen auf Tagesgeldkonten (XI ZR 161/23) und für Spareinlagen (XI ZR 183/23) unterliegen demgegenüber einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil sie die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung verändern. Sie halten der Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Einlagen auf Tagesgeldkonten und Sparkonten dienen nicht nur der sicheren Verwahrung von Geldern, sondern darüber hinaus auch Anlage- und Sparzwecken.

Gelder auf Tagesgeldkonten werden in der Regel in Höhe der Marktzinsen am Geldmarkt variabel verzinst. Dementsprechend hat die Beklagte in dem Verfahren XI ZR 161/23 die von ihr angebotenen Tagesgeldkonten unter der Rubrik "Anlegen und Sparen" damit beworben, dass täglich über die Gelder verfügt werden könne und diese mit einer "attraktiven" Rendite angelegt würden. Mit der Erhebung eines laufzeitabhängigen Verwahrentgelts in Höhe von 0,5% p.a. verlieren die Tagesgeldkonten allerdings gänzlich ihren Spar- und Anlagezweck. Denn bei einer gleichzeitigen Verzinsung der Einlage mit 0,001% p.a. reduziert sich das auf den Tagesgeldkonten eingelegte Kapital täglich, bis die Einlage den in den Klauseln genannten Freibetrag von 50.000 € erreicht. Hierdurch wird der Charakter des Vertrags über ein Tagesgeldkonto nach Treu und Glauben verändert.

Zweck von Spareinlagen ist es, das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen und durch Zinsen vor Inflation zu schützen. Dieser Charakter des Sparvertrags wird durch die Erhebung eines Verwahr- oder eines Guthabenentgelts entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert, da das laufzeitabhängige Verwahr- oder Guthabenentgelt mit dem den Sparvertrag kennzeichnenden Kapitalerhalt nicht zu vereinbaren ist. Denn auch das Verwahr- bzw. Guthabenentgelt in dem Verfahren XI ZR 183/23 führt dazu, dass die Höhe der Spareinlagen fortlaufend bis zu dem vereinbarten Freibetrag sinkt. Die Erhebung des Verwahrentgelts reduziert die auf die Sparverträge eingezahlten Spareinlagen, was von dem Vertragszweck "Kapitalerhalt und Sparen" abweicht, nach dem das eingezahlte Kapital mindestens zu erhalten ist.

Diese Abweichung stellt eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher dar. Soweit Kreditinstitute im Euroraum im Zeitraum vom 11. Juni 2014 bis 26. Juli 2022 auf bestimmte Einlagen, die sie bei ihrer nationalen Zentralbank unterhielten, "negative Zinsen" zu zahlen hatten, rechtfertigt dies nicht, die vertraglich berechtigten Erwartungen von Verbrauchern, ihre auf Tagesgeld- und auf Sparkonten verbuchten Einlagen mindestens zu erhalten, durch die Einführung eines Verwahr- oder Guthabenentgelts zu enttäuschen, das die Einlage bis zu einem Freibetrag fortlaufend reduziert.

Soweit die klagenden Verbraucherschutzverbände in den Verfahren XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 von der jeweiligen Beklagten als Folgenbeseitigung die Rückzahlung der auf der Grundlage der unwirksamen Verwahrentgeltklauseln vereinnahmten Entgelte an die betroffenen Verbraucher und Auskunft über deren Vornamen, Zunamen und Anschriften verlangen, hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Klage abgewiesen. Wie der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 11. September 2024 (I ZR 168/23, Pressemitteilung 180/2024) bereits entschieden hat, ist eine solche Klage hinsichtlich des Zahlungsbegehrens bereits unzulässig, weil der Kläger mit seinem Antrag die Kunden der Beklagten nicht individualisiert, an die die Rückzahlung erfolgen soll, so dass es an der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit des Klageantrags fehlt. Die begehrte Auskunft können die Kläger nicht beanspruchen, weil einem Verbraucherschutzverband im Rahmen eines Klageverfahrens nach dem Unterlassungsklagengesetz kein Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Entgelte an die betroffenen Verbraucher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht, so dass auch der insoweit als Hilfsanspruch anzusehende Auskunftsanspruch nicht besteht.

Soweit der Kläger in dem Verfahren XI ZR 183/23 als Folgenbeseitigung Auskunft über die betroffenen Verbraucher und die Versendung eines von ihm formulierten Berichtigungsschreibens durch die Beklagte an die betroffenen Verbraucher verlangt, hat der XI. Zivilsenat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

In dem Verfahren XI ZR 161/23 hat der XI. Zivilsenat schließlich entschieden, dass die Klauseln zu einem Entgelt für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard bzw. einer Ersatz-PIN unwirksam sind, da sie gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen. Der Verbraucher kann nicht hinreichend erkennen, in welchen Fällen die Beklagte zur Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN verpflichtet ist, und damit nicht, ob er das Entgelt von 12 € bzw. 5 € tatsächlich zahlen muss. Der durchschnittliche, rechtlich nicht gebildete, verständige Verbraucher erkennt zwar, dass er nach den Klauseln nur dann zur Zahlung verpflichtet sein soll, wenn weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Verpflichtung der Bank zur Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN besteht. In den Klauseln fehlt aber jegliche Konkretisierung, wann eine solche Verpflichtung der Bank besteht. Ausführungen über die typischen Fälle, in denen der Verbraucher eine Ersatzkarte bzw. eine Ersatz-PIN benötigt (Verlust, Diebstahl und Missbrauch), enthalten die Klauseln nicht. Die Entgeltklauseln versetzen den Verbraucher damit nicht in die Lage, die Reichweite der beabsichtigten Entgeltpflicht in seinem praktischen Geltungsbereich zu bestimmen.

Vorinstanzen:

XI ZR 61/23

Landgericht Leipzig - Urteil vom 8 Juli 2021 - 5 O 640/20

Oberlandesgericht Dresden - Urteil vom 30. März 2023 - 8 U 1389/21

und

XI ZR 65/23

Landgericht Düsseldorf - Urteil vom 22. Dezember 2021 - 12 O 34/21

Oberlandesgericht Düsseldorf - Urteil vom 30. März 2023 - 20 U 16/22

und

XI ZR 161/23

Landgericht Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2021 - 16 O 43/21

Kammergericht Berlin - Urteil vom 9. August 2023 - 26 U 129/21

und

XI ZR 183/23

Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 18. November 2022 - 2-25 O 228/21

Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 5. Oktober 2023 - 3 U 286/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

[…]

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB

(1) […]. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

§ 700 Abs. 1 Satz 1 BGB

(1) Werden vertretbare Sachen in der Art hinterlegt, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag, bei anderen Sachen die Vorschriften über den Sachdarlehensvertrag Anwendung. Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer, hinterlegte vertretbare Sachen zu verbrauchen, so finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag, bei anderen Sachen die Vorschriften über den Sachdarlehensvertrag von dem Zeitpunkt an Anwendung, in welchem der Verwahrer sich die Sachen aneignet. […].

§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1. […]

2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

§ 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung […] in Anspruch genommen werden.



LG Düsseldorf: Preisanpassungsklausel für Amazon-Prime-Abo in Amazon-AGB wegen unangemessener Benachteiligung und fehlender Transparenz unwirksam

LG Düsseldorf
Urteil vom 15.01.2025
12 O 293/22


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Preisanpassungsklausel für das Amazon-Prime-Abo in den Amazon-AGB wegen unangemessener Benachteiligung und fehlender Transparenz unwirksam ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der streitgegenständlichen Klausel 5.2 handelt es sich um eine Preisanpassungsklausel in Form einer Leistungsvorbehaltsklausel, die grundsätzlich einer AGB-Kontrolle unterfällt.

Preisanpassungsklauseln in AGB, welche es der AGB-Verwenderin gestatten, den zunächst vereinbarten Preis über eine wie auch immer geartete Klausel einseitig zu ändern, ergänzen das dispositive Recht, welches grundsätzlich von einer bindenden Preisvereinbarung der Parteien ausgeht; sie fallen daher nicht in den kontrollfreien Raum von § 307 Abs. 3 BGB, sondern sind – wie allgemein anerkannt – an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (vgl. Graf von Westphalen/Mock, in Westphalen, Graf von/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Werkstand: 48. EL März 2022, Preisanpassungsklauseln, Rn. 22, Fn. 78 und 79 m.w.N.). Bei der hier zu beurteilenden Regelung handelt es sich um eine Preisanpassungsklausel in der Form einer Leistungsvorbehaltsklausel im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKG. Anders als bei einer Kostenelementeklausel (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKG) erfolgt eine Preisänderung bei einer Leistungsvorbehaltsklausel nicht aufgrund feststehender rechnerischer Bezugsgrößen, sondern der Verwenderin wird hinsichtlich des Ausmaßes der Preisänderung ein Ermessensspielraum eröffnet, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen. Da derartige Klauseln der Verwenderin einen einseitigen Eingriff in den ausgehandelten Vertrag ermöglichen, sind sie gemessen an § 307 Abs. 1 BGB nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Verwenderin hieran besteht und sowohl Anlass, Voraussetzungen als auch Umfang des Leistungsbestimmungsrechts so hinreichend konkretisiert sind, dass der Kunde eine Entgeltänderung vorhersehen kann (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.2012 − XII ZR 79/10 –, NJW 2012, 2187, Rn. 20, 21; Urteil vom 31.07.2013 – VIII ZR 162/09 –, BGHZ 198, 111, Rn. 59; BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 121/04 –, BGHZ 164, 11, Rn. 39,).

(2) Die Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ergibt sich hier aus dem mangelnden berechtigten Interesse der Beklagten an einer Preisanpassungsklausel.

Zwar ist bei einer AGB-Verwenderin in Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, eine Preisanpassung an geänderte Kosten vorzunehmen, zu bejahen. Preisanpassungsklauseln sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits der Verwenderin das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihre Gewinnspanne trotz nachträglicher, sie belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass die Verwenderin mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2017 – III ZR 247/06 –, BGH NJW 2008, 360, juris Rn. 10).

Hier allerdings ist der Beklagten durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Kündigungsrecht innerhalb von 14 Tagen eingeräumt. Es handelt sich also zwar weiterhin um einen auf Dauer angelegten Vertrag. Gleichwohl ist das Vertragsverhältnis von der Beklagten – wie auch im Bereich der Streaming-Dienste üblich – mit der Möglichkeit der kurzfristigen Vertragsbeendigung ausgestaltet worden. Die Beklagte muss demnach stets auf der Grundlage kurzfristig schwankender Nutzerzahlen kalkulieren (KG Berlin, GRUR-RS 2023, 33453 zu der Plattform Spotify). Es ist nicht ersichtlich, dass sie ohne die Einräumung einer Preisanpassungsklausel gezwungen wäre, von vornherein höhere Preise zu kalkulieren, von dem Risiko, sich im Rahmen einer Änderungskündigung mit einem neuen Angebot dem Wettbewerb stellen zu müssen, darf die Beklagte sich nicht auf Kosten ihrer Vertragspartner befreien (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2007 – III ZR 247/06; BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07 –, juris Rn. 24).

Das Kündigungsrecht kann nicht entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 11.06.1980 – VIII ZR 174/79 – unberücksichtigt bleiben. Dort hat der BGH zwar in der Vergangenheit für die Preiserhöhungsklausel bei einem Zeitschriftenabonnement in einem obiter dictum ausgeführt, die Änderungskündigung sei einem Lieferanten deswegen nicht zuzumuten, weil sie bei Massengeschäften der vorliegenden Art mit einem übermäßigen, zusätzliche Kosten verursachenden Geschäftsaufwand verbunden wäre. Es sei auch fraglich, ob ein solcher Weg im Interesse des Kunden liege, der in aller Regel seine Zeitschrift weiter beziehen möchte, solange der Preis noch angemessen sei (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1980 – VIII ZR 174/79 –, NJW 1980, 2518, juris Rn. 25). Die vom BGH entschiedene Konstellation ist zur hiesigen aber nicht vergleichbar. Bei einem Zeitschriftenabonnement im 20. Jahrhundert war die Aufforderung zu der Zustimmung zu einer Preiserhöhung und eine etwaige Kündigung mit erheblichem Aufwand verbunden. Regelmäßig dürfte hierfür zunächst ein postalisch zu versendender Brief der Unternehmerin erforderlich sein, um die Preiserhöhung anzukündigen. Sodann musste der Verbraucher entweder schriftlich zustimmen oder die Unternehmerin bei mangelnder Zustimmung kündigen. Dies ging mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand einher. Im Falle der hiesigen Beklagten kann derlei Kommunikation ohne weiteres per E-Mail erfolgen, ohne dass hierfür ein erheblicher Aufwand erkennbar wäre. Auch die Erklärung einer Kündigung lässt sich für die Beklagte in viel weitreichenderem Umfang automatisieren als dies früher der Fall war (KG Berlin, GRUR-RS 2023, 33453 zu der Plattform Spotify).

(3) Der Einwand der Beklagten, eine unangemessene Benachteiligung scheide deshalb aus, weil es sich hier insoweit nicht um eine einseitige Preisanpassungsklausel handele, sondern die Zustimmung des Vertragspartners entsprechend der Vorschrift des § 308 Nr. 5 BGB fingiert werde, greift nicht durch.

Nach § 308 Nr. 5 BGB ist eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders als abgegeben gilt, unwirksam, es sei denn die weiteren Voraussetzungen des § 308 Nr. 5 a) und b) (angemessene Frist und Hinweispflicht) werden eingehalten. Soweit eine AGB-Klausel der Kontrolle nach § 308 BGB standhält, gibt es daneben keinen Raum mehr für die Anwendung des § 307 BGB (Wurmnest in MüKo, BGB, 9. Auflage 2022, § 308 Nr. 4).

Allerdings greift der Kläger hier nicht die Klausel 5.3, die die Zustimmungsfiktion beinhaltet, an, sondern die Klausel 5.2., welche der Beklagten eine grundsätzliche Berechtigung zur Preisanpassung einräumt. An der grundsätzlichen Berechtigung zur Preisanpassung, geregelt in Klausel 5.2, fehlt es der Beklagten mangels berechtigtem Interesse unabhängig davon, ob sie die nachfolgende Zustimmungsfiktion konform zu § 308 BGB geregelt hat. Die Einräumung eines Rechts zur Preisanpassung (Klausel 5.2) und der Abwicklungsweg einer solchen Anpassung (Klausel 5.3) unterliegen unabhängig voneinander einer AGB-Kontrolle und sind in ihrer Wirksamkeit gesondert zu überprüfen.

bb) Die beanstandete Klausel 5.2 verstößt ebenfalls gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, indem sie nicht hinreichend klar und verständlich ausgestaltet ist.

Eine Preisanpassungsklausel muss den Anlass und den Modus der die Entgeltänderung prägenden Umstände so transparent darstellen, dass die Kunden die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen können (BGH, NJW 2016, 936 – Stromlieferungsvertrag). Dies verlangt der Beklagten eine so genaue Beschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen ab, dass für sie keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Dazu gehört auch, dass ihre Preisanpassungsregelungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies – bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses – nach den Umständen, insbesondere auch nach den Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Kunden, gefordert werden kann (BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269; BGHZ 201, 271 = NJW 2014, 2940, jew. mwN). Denn nur dann wird der Kunde in die Lage versetzt, ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte zu erkennen sowie eine geltend gemachte Preisanpassung nachzuvollziehen und zumindest auf Plausibilität zu überprüfen (vgl. BGH, NJW 2007, 3632 = NZM 2007, 879 Rn. 31; NVwZ-RR 2013, 807 = VersR 2013, 888 Rn. 45). Die aus dem Transparenzgebot folgende Verpflichtung des Verwenders zur klaren und verständlichen Formulierung des Klauselinhalts besteht anerkanntermaßen aber nur im Rahmen des Möglichen (BGHZ 162, 39 [45] = NJW 2005, 1183; NJW-RR 2011, 1618 mwN) und beschränkt sich auf diejenigen Angaben, die dem Verwender rechtlich und tatsächlich zumutbar sind (BGHZ 164, 11 [16] = NJW-RR 2005, 1496; BGHZ 170, 1 = NJW 2007, 1198 Rn. 41). Dementsprechend brauchen die notwendig generalisierenden Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung anzunehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Vielmehr müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen auch noch ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungseffekt ausgeht. Die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung dürfen deshalb nicht überspannt werden; sie hängen auch von der Komplexität des Sachverhalts unter den spezifischen Gegebenheiten des Regelungsgegenstands ab (BGH, NJW-RR 2011, 1618; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 Rn. 342).

Gemessen an hieran genügt die streitgegenständliche Klausel den vorgenannten Anforderungen nicht.

Für den durchschnittlich verständigen und informierten Verbraucher ist das in der betreffenden Klausel genannte Kriterium „generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation“ nicht tauglich, um etwaige Anhebungen vorherzusehen bzw. ergangene Preisanpassungen auf Plausibilität überprüfen zu können. Bei der Inflation handelt es sich gerade nicht um eine feste, von dritter Seite bestimmte Größe wie beispielsweise den Basiszinssatz, bei welchem der Verbraucher unter Umständen an Hand einer bestimmten Entwicklung in der Vergangenheit die möglichen Preisanpassungen in der Zukunft abschätzen könnte. Ferner ist hier der Zuschnitt der über das Prime-Angebot erbrachten Dienstleistungen zu betrachten. Es handelt sich um ein weit diversifiziertes Angebot an verschiedenen Leistungen, die vom kostenfreien und schnelleren Versand bis hin zu Streaming-Angeboten reichen. Eine Plausibilitätsprüfung der Preisanpassung an Hand des Kriteriums „wesentliche Kostensteigerung durch Inflation“ ist dem Verbraucher durch die Kopplung der unterschiedlichsten Marktsegmente schlicht unmöglich. Neben den weiteren in der Klausel aufgeführten und durchaus nachprüfbaren Kriterien – beispielsweise Lohnerhöhungen oder gestiegene Produktionskosten – eröffnet das Kriterium der Kostensteigerung durch Inflation ein gleichsam unüberprüfbares Einfallstor für jedwede von Unternehmensseite gewünschte Preiserhöhung. Genau dies soll aber auch unter Berücksichtigung des Flexibilitätserfordernisses des Verwenders vermieden werden.

Dadurch, dass die Beklagte in ihrer Klausel einige durchaus auf Plausibilität nachprüfbare konkrete Kriterien benennt, zeigt sie, dass ihr eine transparente Gestaltung der Preisanpassungsklausel möglich und zumutbar ist.

Durch die Verwendung eines derart intransparenten Kriteriums hat sich die Beklagte unkontrollierbare Spielräume zur Preiserhöhung eingeräumt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie den Anpassungsmechanismus dazu missbraucht, den Preis im Nachhinein (einseitig) zu ihren Gunsten zu verschieben., beispielsweise indem sie einen höheren Betrag als die (vermeintlichen) Mehrkosten auf den Kunden abwälzt. Etwaige Kontrollmechanismen sind ausgehebelt und das vorgeblich ausgeglichene Verhältnis zwischen Beklagter und Verbraucher besteht faktisch nicht mehr. Mithin ist ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu bejahen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Klauseln in AGB des Sport-Streaming-Anbieters DAZN zur Preiserhöhung und Programmanpassung unwirksam

OLG München
Urteil vom vom 11.10.2024
39 U 2482/23 e


Das OLG München hat entschieden, dass die Klauseln in den AGB des Sport-Streaming-Anbieters DAZN zur Preiserhöhung und Programmanpassung unwirksam sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ziffer 2.1 ist unwirksam. Die Klausel lautet:

Wir bieten einen Online-Videodienst, der (unter anderem) die Übertragung von Sportereignissen live und on-demand), Zusammenfassungen von Sportereignissen und andere ähnliche Inhalte bietet, deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann (insgesamt „Inhalte“). Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen) (...)

a) Die Klausel ist der AGB-Kontrolle unterworfen. Eine Inhaltskontrolle ist nicht nach & 307 Abs. 3S. 1 BGB ausgeschlossen.
[…]
Zwar sind bloße Leistungsbeschreibungen, in denen Art und Umfang der vertraglichen Leistungs- pflichten unmittelbar geregelt werden, einer Inhaltskontrolle entzogen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (MüKoBGB/ Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB 8 307 Rn. 13). Dies ist die Konsequenz aus dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit (BGH Ill ZR 93/09 in NJW 2010, 150 Rn. 22).

Hingegen sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen der vertraglich geschuldeten Leis- tung einschränken, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren (BGH III ZR 247/06, in sel NJW 2008, 360, Rnr.: 18). Ob bereits eine Leistung vertraglich vereinbart wurde und die Klau- deren spätere Änderung zulässt, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BeckOGK/Weiler, 1.6.2024, BGB 8 308 Nr. 4 Rn. 86, 87).
[...]
Die streitgegenständliche Klausel legt nicht den Leistungsinhalt fest. Vielmehr ist sie für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich. Das Leistungsangebot ist bei Abschluss des jeweiligen Abonnements konkret geregelt. Dies ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung der Beklagten, Anlage BB1, vorgelegt mit der Berufungsbegründung. Demnach wählt der Kunde ein Paket, in dem die Sportereignisse einzeln aufgeführt sind, die ihm nach dem Vertragsabschluss zur Verfügung stehen, so z.B. Dazn Unlimited: Uefa Cup, Bundesliga Fußball, supercoppa Italiana und viele einzeln aufgeführte Angebote mehr.

Der Zusatz dass deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann und die Inhalte gewissen Beschränkungen unterliegen (z.B. bestimmten Gebietsbeschränkungen) gibt dem Verwender die Befugnis, das jeweils abonnierte Programmangebot nachträglich verändern zu können. Die Beklagte behält sich vor, die ursprünglich von ihr geschuldete Leistung nachträglich einzuschränken, auszugestalten oder zu modifizieren. Daher unterliegt die Klausel der AGB-Kontrolle
[...]
Die Vereinbarung dieses umfassenden Leistungsänderungsvorbehalts ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten für die Abonnenten nicht zumutbar ist.
[…]
Die Änderungsbefugnis in Klausel 2.1 beschränkt sich nicht auf hinreichend konkretisierte und triftige Änderungsgründe, die dem Interesse der Beklagten an einer derart weitreichenden Änderungsbefugnis den Vorrang vor dem Interesse der Abonnenten an der Beibehaltung des abonnier-ten ist Pakets geben könnten. Da die Klausel keinerlei Voraussetzungen für Änderungen formuliert, sie bereits aus diesem Grunde unwirksam (s. BGH Ill ZR 247/06, in NJW 2008, 360, Rnr. 23).

Soweit die Beklagte einwendet, eine Konkretisierung der Änderungsgründe sei ihr nicht möglich und damit auch nicht zumutbar, ist dies durch ihren eigenen Vortrag widerlegt (Berufungsbegrün- dung S.8). Die Beklagte führt selbst aus, welche konkreten Gründe es aus ihrer Sicht für eine not- wendige Änderung des Programmpaketes geben kann (Il.2.a.bb.(1)). Klausel 2.1 lässt die Änderung bei kundenfeindlicher Auslegung auch zu, wenn keiner dieser Gründe vorliegt.

[...]

Die Klausel 4.8 ist wegen Verstoßes gegen & 307 Abs, 1 BGB unwirksam. Die Klausel lautet:

Wir de behalten uns das Recht vor, den Preis für den DAZN Service an sich verändernde Marktbedingungen, bei erheblichen Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder bei Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern anzupassen. Zusätzlich behalten wir uns vor, den Preis bei erheblichen Veränderungen im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts entsprechend anzupassen; als erhebliche Veränderung gilt eine Anhebung von 0,5 Prozentpunkten oder mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum Tagen ab dem Tag unserer Email-Benachrichtigung an Deine zuletzt eingetragene Email-Adresse Anwendung.

Die Preisanpassungsklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.

Die Klausel ist nicht hinreichend klar bestimmt und unangemessen benachteiligend.

In AGB enthaltene Bestimmungen, die eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (BGH Ill ZR 247/06 in NJW 2008, 360, Rnr. 10 m.w. Nachw.). Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte demnach grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an Preisänderungsklauseln hat.

Die Schranke des $ 307 Abs.1 S.1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpas- sungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Ge- winnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senat, NJW-RR 2008, 134 Rdnr. 19; BGH, NJW-RR 2005, 1717 [unter || 2]; NJW 2007, 1054 Rdnr. 21; jew. m.w. Nachw.). Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Be- fugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offengelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB folgendes Transparenzgebot).

Eine Klausel ist daher zu unbestimmt, wenn sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht nä- her umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt.

Der Abonnent hat nach Klausel 4.8 keine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen an- hand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen, Es ist nicht aufgeführt, Veränderungen in welcher Höhe zu welcher Preissteigerung führen werden. Eine Kalkulierbarkeit und Nachprübarkeit eventueller Preissteigerungen ist nicht möglich. Es ist völlig unklar, was „erhebliche Ver- änderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder Änderungen der Umsatzsteuer oder vergleichbaren Steuern“ sind. Die Erheblichkeit ist genauso wenig definiert wie der Prozentsatz der Erhöhung zu dem die Veränderung führen würde. Die Definition der Erheblichkeit in Klausel 4.8 Satz 2, 2.Hbs. bezieht sich durch den Strichpunkt nur auf S.2, 1. Hs. nicht auch auf Klausel 4.8 Satz 1.

Etwaige Preiserhöhungen sind nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung (s. I1.1.b.aa) nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und wären sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgegli- chen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten bei der vorzunehmenden kunden- feindlichsten Auslegung, nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will 8 307 sind BGB verhindern (BGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - III ZR 247/06). Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1717; NJW 2007, 1054 Rdnrn. 23f.; NJW-RR 2008, 134, beck-online). Dies ist hier nicht geschehen.

Die Tatsache, dass Topspiele laut Sachvortrag der Beklagten rund 1 Mio. Zuschauer hätten und selbst im digitalen Zeitalter Änderungskündigungen angesichts der hohen Nutzerzahlen mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wären, rechtfertigt nicht eine derart offene Preisanpassungs- klausel, die an nicht nachvollziehbare Voraussetzungen anknüpft und deren Kalkulation nicht überprüfbar ist. Die Beklagte kann sich von dem Risiko, sich nach einer Kündigung mit einem neuen Angebot dem Wettbewerb stellen zu müssen, nicht auf Kosten ihrer Vertragspartner be- freien (BGH Ill ZR 247/06 in NJW 2008, 360 Rnr. 13 und BGH Ill ZR 63/07 in NJW RR 2008, 134 Rnr. 24).

Soweit die Beklagte meint, die Klausel sei wirksam, da sie durch das Wort „anpassen“ klarstelle, dass dies sowohl eine Absenkung als auch eine Anhebung ermögliche, und durch das Wort „Ver- änderungen“, dass nicht nur Verteuerungen gemeint seien (Berufungsbegründung Rnr. 60 und Replik s. 2/3), greift der Einwand nicht. Die Formulierung der Klausel „Wir behalten uns das Recht vor" lässt nach kundenfeindlicher Sichtweise eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeit- punkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Kosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus der Formulierung „anzupassen“. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte zudem die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Kosten umgehend, niedrigeren Kosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176, 244 = NJW 2008, 2171 Rdnrn. 20f.; Senat, NJW 2009, 2662 = NZM 2009, 630 = WM 2009, 1717 Rdnr. 29).

Soweit die Beklagte meint (Replik vom 13.09.2024, S. 4), die Interessen der Nutzer seien durch die ihnen zustehende Kündigungsmöglichkeit ausreichend berücksichtigt, kann dem nicht gefolgt werden. Die AGB gelten ab Vertragsschluss auch für 1- und 2-Jahres Abonnements, bei denen in den ersten 1 oder 2 Jahren eine Kündigung nicht möglich ist (s. Anlage BB1).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bundesnetzagentur kann Energielieferanten verpflichten eine nach § 41 Abs. 5 Satz 2 EnWG rechtswidrige Preiserhöhung rückabzuwickeln

BGH
Beschluss vom 10.09-2024
EnVR 75/23
Rückerstattungsanordnung
EnWG § 41 Abs. 5 Satz 2, § 65 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Bundesnetzagentur einen Energielieferanten verpflichten kann, eine nach § 41 Abs. 5 Satz 2 EnWG rechtswidrige Preiserhöhung rückabzuwickeln

Leitsatz des BGH:
Die Bundesnetzagentur darf einen Energielieferanten verpflichten, eine wegen Verstoßes gegen § 41 Abs. 5 Satz 2 EnWG unwirksame Preiserhöhung rückabzuwickeln.

BGH, Beschluss vom 10. September 2024 - EnVR 75/23 - OLG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Zweibrücken: Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche kann unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen - Kunde muss nur Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen

OLG Zweibrücken
Hinweisbeschluss vom 25.06.2024
5 U 38/23


Das OLG Zweibrücken führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass eine Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche eine unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen kann. Dies hat zur Folge, dass der Kunde nur den Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Aus der Rechtsprechung: Das Pfälzische Oberlandesgericht stärkt die Rechte der Kunden beim Einbauküchenkauf

Der 5. Zivilsenat des Pfälzische Oberlandesgerichts hat eine Klausel für unzulässig erachtet, nach der sich der Preis für die Lieferung und Montage einer Einbauküche (nur) dann um über 20 % reduziert, wenn der Kunde den reduzierten Küchengesamtpreis bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung zahlt.

Ein Ehepaar aus der Vorderpfalz bestellte bei einem in Baden-Württemberg ansässigen Küchenstudio eine Einbauküche nebst Elektrogeräten für ihr Wohnhaus. In der Auftragsbestätigung wies das Küchenstudio einen Gesamtpreis in der Größenordnung von 70.000,- € sowie einen „Skontobetrag“ von über 15.000,- € aus für den Fall der vollständigen Zahlung bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung. Bei Lieferung und Montage der Küche erhielten die Kunden eine Rechnung, die auf ihren Hinweis unter anderem bei der Höhe der Mehrwertsteuer korrigiert wurde. Etwa eine Woche nach Erhalt der korrigierten Rechnung überwiesen sie den um das „Skonto“ reduzierten Rechnungsbetrag bis auf einen Restbetrag in Höhe von knapp 3.000,- € unter Verweis auf eine noch nicht erledigte Aufgabe. Wenige Tage später wiesen sie auch diesen Betrag an, nachdem das Küchenstudio ihnen mitgeteilt hatte, der Skontoabzug setze eine vollständige Zahlung voraus. In der Folge kam es zu Mängelrügen der Kunden und Nachbesserungsarbeiten des Küchenstudios. Etwa drei Monate nach der ersten Rechnung stellte das Studio den Kunden einen weiteren Betrag über etwa 1.000,- € in Rechnung für Arbeiten, die bei Montage der Küche erledigt worden waren. Diesen Betrag sowie den von den Kunden in Abzug gebrachten „Skontobetrag“ klagte das Küchenstudio ein. Das Landgericht wies die Klage des Küchenstudios mit der Begründung ab, die verwendete Klausel sei unwirksam und ein mündlicher Zusatzauftrag nicht erwiesen.

Der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken bestätigte in einem Hinweisbeschluss die erstinstanzliche Entscheidung. Die Zahlungsbedingung „fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung“ sei aus mehreren voneinander unabhängigen Gründen unzulässig. So bestehe für den Kunden keine Möglichkeit, die Zahlung aufgrund von Mängeln (teilweise) zurückzuhalten, möchte er sich nicht der Forderung des höheren Preises aussetzen. Bei Zahlung am selben Tag sei auch keine angemessene Zeit zur Prüfung, ob die Leistung vertragsgerecht erbracht und die Rechnung ordnungsgemäß gestellt worden sei, gegeben. Ferner sei eine Bar- oder Sofortzahlung über mehrere Zehntausend Euro dem Kunden nicht zumutbar. Schließlich sei der „Skontobetrag“ aufgrund seines Umfangs und im Verhältnis zum Gesamtküchenpreis als unzulässige Vertragsstrafe zu werten. Denn branchenüblich sei ein Skonto von lediglich 1 % bis 3 %. In Anbetracht der Unwirksamkeit der Klausel schulde der Kunde lediglich den als „Sonderpreis“ vereinbarten Betrag („Gesamtpreis“ abzüglich „Skontobetrag“). Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats nahm das Küchenstudio seine Berufung zurück.

Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal in der Pfalz, Urteil vom 24.03.2023, Az. 9 O 45/21
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 25.06.2024, Az. 5 U 38/23


BGH: Rückwirkender Wegfall einer Karenzentschädigung für denn Fall dass GmbH-Geschäftsführer gegen nachvertragliches Wettbewerbsverbot verstößt zulässig

BGH
Urteil vom 23.04.2024
II ZR 99/22
BGB § 138.; GmbHG § 6


Der BGH hat entschieden, dass eine Klausel, die den rückwirkenden Wegfall einer Karenzentschädigung für denn Fall vorsieht, dass ein GmbH-Geschäftsführer gegen nachvertragliches Wettbewerbsverbot verstößt, zulässig ist.

Leitsatz des BGH:
Zur Wirksamkeit eines mit einem GmbH-Geschäftsführer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das bei Zuwiderhandlung den rückwirkenden Verfall einer Karenzentschädigung vorsieht.

BGH, Urteil vom 23. April 2024 - II ZR 99/22 - KG - LG Berlin


Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der Rechtsprechung des Senats muss dem Geschäftsführer einer GmbH, mit dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden (BGH, Urteil vom
26. März 1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 3; Urteil vom 4. März 2002 - II ZR 77/00, ZIP 2002, 709, 710; Urteil vom 28. April 2008 - II ZR 11/07, ZIP 2008, 1379 Rn. 6; Beschluss vom 7. Juli 2008 - II ZR 81/07, ZIP 2008, 1719 Rn. 3, 5). Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, können die Vertragsparteien ihre Höhe frei vereinbaren (BGH, Urteil vom 28. April 2008 - II ZR 11/07, ZIP 2008, 1379 Rn. 6). Dementsprechend kann auch der rückwirkende Wegfall einer versprochenen Karenzentschädigung wirksam für den Fall vereinbart werden, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Vorformulierte Unterlassungserklärungen können der AGB-Kontrolle unterliegen - Vertragsstrafeklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.11.2023
2 U 99/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen der AGB-Kontrolle unterliegen können. Eine Vertragsstrafklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Die Berufung weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vertragsstrafenabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist. Denn die A hat die Vertragsstrafeklausel als Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Einzelnen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Beklagten ausgehandelt.

a) Vertragsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz in Abrede gestellt, dass es sich um ein vorgegebenes Formular gehandelt habe, das für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorformuliert gewesen sei (vgl. Bl. 66 eAkte LG). Damit kann sie indes nicht durchdringen.

Dass die mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 übergebene Unterwerfungserklärung „vorformuliert“ und nicht von ihr „ad hoc in Vertragsverhandlungen formuliert“ (vgl. Staudinger/Mäsch (2022) BGB § 305, Rn. 25) worden ist, steht außer Frage. Sie war ihrem äußeren Anschein nach aber auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert („Mehrfachverwendungsabsicht“).

Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingung muss derjenige darlegen und beweisen, der sich zu seinen Gunsten auf die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB beruft, vorliegend also die Beklagte. Der Darlegungslast kann aber im Einzelfall bereits durch Vorlage des Vertrags genügt werden (BGH, NJW 1992, 2160, 2162). Denn aus Inhalt und Gestaltung von Vertragsklauseln kann der äußere Anschein folgen, dass diese zur mehrfachen Verwendung vorformuliert wurden (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2004, 502, 503, NJW 2009, 3717, 3720, jeweils zum Bau(träger)vertrag; BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30 zum Architekten- und Ingenieurvertrag; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 556 - VENOM, OLG Jena, BeckRS 2012, 9286, jeweils zur Vertragsstrafevereinbarung; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 18; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 305 Rn. 23). Ein solcher Anschein kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Vertragsklauseln weitgehend allgemein und abstrakt gehalten sind (BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30). Es ist dabei nicht erforderlich, dass das gesamte Vertragsmuster diesen Anforderungen entspricht. Entscheidend ist, ob einzelne Vertragsklauseln, hier also das Vertragsstrafeversprechen, jeweils die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllen (BGH, NJW 1998, 2600 f.).

aa) Es drängt sich vorliegend bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf, dass der Inhaber von Schutzrechten eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht allein für den konkreten Einzelfall formuliert bzw. formulieren lässt, sondern – schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus – eine Mehrfachverwendungsabsicht verfolgt. Er wird darauf bedacht sein, ein Standardformular zu entwickeln, dass sich mit möglichst wenigen Modifikationen an die jeweilige Situation anpassen lässt. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gängige Praxis sei, „das Rad nicht immer neu zu erfinden“, sondern auf bewährte Muster oder in Datenbanken hinterlegte Textbausteine zurückzugreifen (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Individualvereinbarung“ Rn. 8).

Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn die Erklärung von einer Rechtsanwaltskanzlei formuliert wurde, was vorliegend naheliegt, da das Anschreiben von der (damaligen) Kanzlei C stammt. Diese wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder – bei erstmaliger Formulierung – darauf bedacht sein, solche – auch für spätere Mandate – zu entwickeln. Gerade bei großen Sozietäten streitet daher bereits der erste Anschein für eine Mehrfachverwendungsabsicht (Löhnig/Jerger, GWR 2013, 239, 240). In den Fällen von durch Dritte vorformulierten Verträgen genügt es im Übrigen, dass diese vom Dritten in Mehrfachverwendungsabsicht erstellt wurden. Die Partei, die sich eines solchen Formulars bedient, kann sich nicht darauf berufen, dass sie selbst nur die Absicht hatte, dieses in einem einzigen Fall zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 10; BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 305 Rn. 25; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 119; Löhnig/Jerger, a.a.O., für den von einer Rechtsanwaltskanzlei entworfenen Vertrag).

Im Ergebnis streiten daher bereits die äußeren Umstände dafür, dass es sich bei der Unterlassungserklärung um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Erklärung handelte. Diesen Anschein hat die Klägerin nicht entkräftet. Sie hat keine Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die es nahelegen könnten, dass es sich bei der Vertragsstrafeklausel um eine nur für diesen konkreten Einzelfall formulierte Abrede handelte. Soweit sie darauf verweist, dass ein Rückgriff auf ein „Simile“ aus einem anderen Rechtsstreit, das dort in Einzelverwendungsabsicht erstellt worden war, unschädlich sei, so lässt sie offen, ob sie einen solchen Geschehensablauf vorliegend behaupten will, zumal damit auch eine erst sodann für die Zukunft gefasste Mehrfachverwendungsabsicht nicht ausgeschlossen wäre. Wenn sie weiterhin ausführt, dass der seinerzeit sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht einmal auf ein „Simile“ zurückgreifen hätte müssen, da er die ihm aus seiner Praxis geläufige Vertragsstrafeklausel auch aus dem Gedächtnis heraus hätte formulieren können, so kommt es hierauf nicht an. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch dann vorliegen, wenn üblicherweise verwendete Klauseln aus dem Gedächtnis heraus in den Vertrag eingefügt werden (BGH, NJW 1999, 2180, 2181). Im Ergebnis genügt daher der – sich in allgemeinen Erwägungen erschöpfende – klägerische Tatsachenvortrag nicht, um eine ernsthafte Möglichkeit für einen vom Anscheinsbeweis abweichenden Geschehensablauf darzulegen, weshalb dem angetretenen Zeugenbeweis durch Vernehmung des seinerzeit sachbearbeitenden Rechtsanwalts nicht nachzugehen war.

bb) Im Übrigen erweckt die ursprüngliche Unterlassungserklärung auch ihrer inhaltlichen Gestaltung nach den Eindruck, dass ihre Klauseln für eine Vielzahl vergleichbarer Abmahnsituationen herangezogen und nur einzelne Stellen an den konkreten Sachverhalt angepasst werden.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die für das hiesige Verfahren streitentscheidende Vertragsstrafeklausel. Diese ist in ihrer Formulierung („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) allgemein gehalten und weist keinen besonderen Bezug zum konkreten Einzelfall auf, der erst im weiteren Verlauf der Erklärung – nämlich im Rahmen der Unterlassungsverpflichtung – durch Einrücken der Patentansprüche hergestellt wird. Auch bei dem Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs („excluding the application of the continuation-of-offence clause“) handelt es sich – auch heute noch – um eine vielfach verwendete Standardregelung (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11).

Die Vertragsstrafeklausel liefert damit keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ausschließlich für die Unterlassungserklärung der Beklagten formuliert wurde. Auch aus anderen Klauseln der ursprünglichen Unterlassungserklärung lassen sich solche Anhaltspunkte nicht herleiten.

So enthalten die beiden identisch ausgestalteten Klauseln zur Rechnungslegung (Ziffern I.2 und II.5) mehrere formelhafte Regelungen, die nur insoweit auf den Einzelfall zugeschnitten sind, als dass unter lit. a) und b) jeweils ein bestimmter Zeitraum benannt wird, für den Rechnung zu legen ist, während die übrigen Bestimmungen lit. a) aa) bis dd), b) aa) bis bb) und c) keinen konkreten Bezug zur Beklagten aufweisen. Bei Ziffer II.5 fällt zudem auf, dass der Verweis auf die „Handlungen unter 1.“ („actions referred to under 1. above“) fälschlicherweise nicht angepasst wurde, was notwendig gewesen wäre, da sich die zu unterlassende Handlung für die Vorrichtung im Sinne des EP 2 324 XXA unter Ziffer II.4 findet. Dies verstärkt den Eindruck der Verwendung vorformulierter Klauseln, wobei es allerdings – entgegen der Berufung – für den Beleg einer Mehrfachverwendungsabsicht nicht genügt, dass eine Klausel in demselben Vertrag mehrfach Verwendung findet, da § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine „Vielzahl von Verträgen“ fordert.

b) Die vorformulierten Vertragsbedingungen wurden von der A auch als Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt.

aa) Verwenderin ist diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrags vorformulierte Vertragsbedingungen stellt. Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, NJW 1994, 2825, NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Vorliegend kommt es demnach nicht darauf an, ob die A die strafbewehrte Unterlassungserklärung selbst formuliert hat oder ihre damalig beauftragte Rechtsanwaltskanzlei C. Denn es bestehen keine Zweifel, dass diese im Auftrag der A handelte, die sich das Handeln daher zurechnen lassen muss.

Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden. Dabei genügt der einseitige Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12 a.E.; NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Ein Ungleichgewicht hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht muss dabei nicht bestehen. Verwenderin kann auch eine Vertragspartei sein, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12).

Dass die A die Verwendung der von ihr eingebrachten Formularbestimmungen zumindest wünschte, steht vor dem Hintergrund des Inhalts ihres Abmahnschreibens vom 23. Oktober 2014 außer Frage. Denn dort wurde der Beklagten – mit äußerst knapper Frist bis zum nächsten Morgen, 8:00 Uhr – die Möglichkeit der Unterzeichnung der vorformulierten Unterlassungserklärung gegeben, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Dabei ging die A davon aus, dass die Erklärung durch die Beklagte mittels Unterzeichnung des zur Verfügung gestellten „Vordrucks“ erfolgen sollte.

bb) Allerdings gelten Vertragsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dann nicht als von dem Verwender gestellt, soweit diese zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein solches Aushandeln ist vorliegend indes nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die Beklagte an der überreichten Unterlassungserklärung umfangreiche Kürzungen vorgenommen und dieser einen Einleitungssatz zur Rechtsbindung vorangestellt hat.

(1) Von einem Aushandeln kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, NJW 2019, 2080 Rn. 14).

Hieran werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt (Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand März 2023, Teil „Klauselwerke“, Stichwort: „Stromlieferverträge“ Rn. 102). So führt beispielsweise allein eine formularmäßige Aufforderung an den Unterzeichner, den Inhalt einer Formularerklärung durch Streichung einzelner Teile zu verändern, nicht zu der Annahme eines Aushandelns (BGH, NJW 1987, 2011). Auch die Aufforderung in einem Anschreiben, „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ mitzuteilen, genügt für sich genommen noch nicht, um davon auszugehen, dass tatsächlich die Gelegenheit eingeräumt wurde, eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, NJW 2016, 1230 Rn. 30 – Vertragsstrafe). In aller Regel muss sich die Bereitschaft zur Änderung in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlagen, es sei denn, es bleibt erst nach gründlicher Erörterung bei dem vorformulierten Text (BGH, NJW 1998, 2600, 2601; NJW 2013, 2027 Rn. 20; NJW 2015, 1952 Rn. 33).

(2) Vorliegend ergibt sich aus dem klägerischen Anschreiben keine Bereitschaft, den Inhalt der Unterlassungserklärung ganz oder teilweise ernsthaft zur Disposition zu stellen. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Klägerin die seitens der Beklagten vorgenommenen Änderungen akzeptiert hat.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang die Feststellung getroffen, dass die Beklagte in der Vertragsstrafeklausel die Formulierung „für jeden Fall der Nichteinhaltung“ in „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ abgeändert habe. An diese Feststellung ist der Senat allerdings nicht gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Denn wie eingangs erläutert haben sich die A und die Beklagte allein auf der Grundlage einer englischsprachigen Unterlassungserklärung geeinigt. Sowohl in dem an die Beklagten ausgehändigten Exemplar als auch in der von der Beklagten unterzeichneten Erklärung findet sich jeweils übereinstimmend die Formulierung „for each case of non-compliance“. Eine Anpassung der Formulierung seitens der Beklagten hat es daher nicht gegeben. Vielmehr wurde in den später angefertigten Übersetzungen der Begriff „non-compliance“ unterschiedlich in die deutsche Sprache übersetzt, einmal als „Nichteinhaltung“ und einmal als „Zuwiderhandlung“. Da aber an der eigentlichen Vertragsstrafeklausel im englischsprachigen Original („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) keine Änderung vorgenommen wurde, kann hierauf ein „Aushandeln“ nicht gestützt werden.

Im Übrigen könnte selbst bei Vorliegen einer solchen Formulierungsänderung hieraus kein Rückschluss auf eine Dispositionsbereitschaft gezogen werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verliert eine Klausel selbst bei Änderungen des Textes ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel beibehalten und die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wurde (BGH, NJW 2015, 1952 Rn. 33). Vorliegend wäre mit der Formulierungsänderung aber keine Verbesserung der Rechtsposition der Beklagten einhergegangen. Aufgrund des in der Sache unveränderten Kerngehalts der Klausel hätte auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kerngehalt der Klausel seitens der Verwenderin ernsthaft zur Disposition gestellt wurde.

(3) Auch die Ergänzung in Form eines Einleitungssatzes lässt nicht den Rückschluss zu, dass die A die Vertragsstrafeklausel zur Disposition gestellt hat und insoweit von einer ausgehandelten Individualvereinbarung auszugehen ist. Das angegriffene Urteil enthält hierzu die Feststellung, dass der Unterlassungserklärung seitens der Beklagten der Einleitungssatz „for mere economical reasons and in order-to provide for a fast settlement of the matter, without prejudice, however, legally binding“ (deutsche Übersetzung: aus rein wirtschaftlichen Gründen und um eine schnelle Einigung in der Angelegenheit zu erzielen, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch rechtsverbindlich) vorangestellt wurde.

Die Formulierung des Vertragsstrafeklausel wurde durch diese Ergänzung allerdings nicht abgeändert. Dies ist deshalb von Belang, da es nicht darauf ankommt, ob die vom Verwender gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen an irgendeiner Stelle abgeändert oder ergänzt wurden, um von einem Aushandeln auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel vielmehr auch dann nicht ausgehandelt, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags nur dort Vertragsbedingungen geändert worden sind, nicht aber an der streitbefangenen Klausel (BGH NJW 2019, 2080 Rn. 15). Zwar mögen die Vertragspartner bei solchen Verhandlungen jeweils für sich ihre wirtschaftliche Position als einheitliches Paket beurteilt haben. Das rechtfertigt es aber nicht, eine vom Verwender gestellte, konkret nicht verhandelte und unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung als ausgehandelt anzusehen. Denn das Aushandeln muss sich nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen („im Einzelnen“) und führt nur in diesem Umfang („soweit“) zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, a.a.O.). Selbst in einem überwiegend als Individualvereinbarung ausgestalteten Vertrag können daher formularmäßige Einzelabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sein (BGH, NJW 1979, 2387; BGH NJW 1997, 135). Daher ist grundsätzlich für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gegeben sind oder nicht (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 46).

Die Ergänzung in Gestalt des Einleitungssatzes hat im Übrigen auch nur einen deklaratorischen Charakter (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 91), da in der strafbewehrten Unterlassungserklärung selbst keine Anerkennung der Berechtigung der Abmahnung liegt, sondern diese allein die Funktion hat, mit Wirkung für die Zukunft die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (BGH, GRUR 2013, 1252 Rn. 10 – Medizinische Fußpflege). Somit ist der Erklärungsinhalt dieser Ergänzung schon nicht in der Lage, den Inhalt der nachfolgenden vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung abzuschwächen, so dass die Akzeptanz der Ergänzung seitens der A nicht ihre Bereitschaft belegen kann, den wesentlichen Inhalt der von ihr vorgegebenen Vertragsstrafeklausel zur Disposition zu stellen.

(4) Die umfangreichen Streichungen der Beklagten in Bezug auf andere Vertragsklauseln führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien ergibt sich, dass die Beklagte große Teile aus der vorformulierten Unterlassungserklärung herausgestrichen hat, nämlich in Gestalt der Klauseln zur Rechnungslegung (Ziff. I.2, II.5), zur Entschädigung (Ziff. I.3. II.6), zur Vernichtung (Ziff. III), zur Tragung anwaltlicher Kosten (Ziff. IV) und der Gerichtsstandsvereinbarung (Ziff. V). Im Ergebnis hat sie damit nur die mit einer Vertragsstrafeandrohung versehene Unterlassungsverpflichtung übernommen.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abänderung eines Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten im Einzelfall darauf hindeuten, dass die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH, NJW 2013, 2027 Rn. 20). Dagegen spricht vorliegend aber schon, dass die Klausel zur vertragsstrafebewehrten Unterlassung als namensgebender Kern einer Unterlassungserklärung inhaltlich unverändert übernommen wurde. Es erscheint auch fernliegend, dass die A in diesem Kernbereich Streichungen gleichermaßen akzeptiert hätte. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, NJW 2013, 2027), in dem sich die Parteien mehrfach über den Inhalt eines möglichen vertraglichen Wettbewerbsverbots austauschten, sich wechselseitig entsprechende Entwürfe unterbreiteten und zu den Entwürfen der Gegenseite Stellung nahmen, kann vorliegend auch keine gründliche Erörterung festgestellt werden. Eine einseitig vorgenommene Streichung von Klauseln ist keine gründliche Erörterung, so dass deren Akzeptanz kein Aushandeln im Hinblick auf die unverändert gebliebene Vertragsstrafeklausel nahelegt.

4. Die Vertragsstrafenabrede benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Vertragsstrafenabreden im kaufmännischen Verkehr fallen zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht unter § 309 Nr. 6 BGB, sie unterliegen aber gleichwohl der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 12).

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender mit der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (vgl. z. B. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 13).

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, dass im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. „Wesentliche Grundgedanken“ des dispositiven Rechts sind solche, denen eine Leitbildfunktion zukommt und die eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellen (BGH, NJW-RR 2019, 1072 Rn. 26). „Gesetzliche Regelungen" sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; NJW 1998, 1640, 1642).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Vertragsstrafeklausel wegen ihres ausnahmslosen Ausschlusses des Zusammenfassens von einzelnen Verstößen als unangemessen benachteiligend einzustufen, da sie von einem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken abweicht, ohne dass dies wegen besonderer Umstände gerechtfertigt wäre.

Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, dass der in der Klausel enthaltene Einschub „excluding the application of the continuation-of-offence clause“ (deutsche Übersetzung: unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs) einen im Zusammenhang mit Vertragsstrafenabreden veralteten – wenn gleichwohl in der Vertragspraxis weiterhin verwendeten (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11) – Rechtsbegriff verwendet und dieser bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2014 überholt war. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2001 (vgl. BGH, NJW 2001, 2622 – Trainingsvertrag) seine bisherige Auffassung aufgegeben, wonach die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht einen vom Strafrecht losgelösten Bedeutungsgehalt gewonnen hat (so noch BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat könne im Recht der Vertragsstrafe nicht mehr anerkannt werden. Es müsse vielmehr durch Auslegung ermittelt werden, ob einzelne Taten, soweit sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellten, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln seien (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs hat seitdem (auch) im Bereich des Vertragsstrafenrechts keine Bedeutung mehr (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 113). Dies hat zur Folge, dass nun durch Auslegung ermittelt werden muss, ob einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellen, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln sind. Diese unterschiedliche Betrachtung ändert allerdings nichts daran, dass die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen eine Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sind (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein nach der heutigen Rechtslage nicht mehr gebräuchlicher Rechtsbegriff verwendet, so ist – entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln – nach einem objektivierten Empfängerhorizont zu ermitteln, was unter diesem Begriff im Zusammenhang heutiger Verhältnisse und geltender Rechtslage verstanden werden kann (OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 5601 Rn. 27). Losgelöst von der konkreten Begrifflichkeit kann es vorliegend keine Zweifel geben, dass durch die Klausel ein Zusammenfassen von Einzelverstößen und damit eine „Vergünstigung“ bei Mehrfachverstößen ausgeschlossen werden soll, wie sie – bei alleiniger Verwendung der Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ – ansonsten im Wege der Auslegung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. hierzu BGH, GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung).

Ungeachtet der Tatsache, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Verstöße zusammenzufassen sind, nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichthofs die Vereinbarung der Parteien ist, entspricht es nach wie vor einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass je nach Einzelfall mehrere Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind und die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 2332). Daher muss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch geeignete Formulierungen sichergestellt werden, dass durch die Aufsummierung rechtlich zusammengehöriger Einzelstrafen keine unangemessene Gesamtstrafhöhe entsteht (BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 309 Nr. 6 Rn. 28). Schließt eine Klausel hingegen eine Behandlung mehrerer Zuwiderhandlungen als Einheit kategorisch aus, z. B. durch ein Verbot der Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs, so verletzt sie diesen Grundgedanken und stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 4, juris; OLG Nürnberg, MDR 2023, 1262, 1263; BeckOGK/Kähler, 1.4.2023, BGB § 307 Vertragsstrafeklausel Rn. 209; Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Vertragsstrafe“ Rn. 35; Pitz, in: BeckOF Prozess, 56. Ed. 2023, Form. 9.1.1.3 Anm. Rn. 1; offengelassen von: BGH, NJW 2017, 3145 Rn. 22, Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 94 a.E.).

So liegt der Fall auch hier. Die Vertragsstrafeklausel benachteiligt den Schuldner durch den Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs unangemessen. Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Abweichung vom Rechtsgrundsatz der Zusammenfassung bei natürlicher Handlungseinheit ausnahmsweise rechtfertigen könnten, z. B. in Form einer aus bestimmten Gründen gegebenen Notwendigkeit oder besonderer Interessen der Gläubigerseite (vgl. hierzu BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich in den letzten 30 Jahren seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) in der Praxis die Verwendung von Klauseln, die eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung ohne einen entsprechenden Ausschluss vorsehen, aus Gläubigersicht als unzureichend erwiesen hätte.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass auch der Unterlassungsschuldner ein Interesse an der Wirksamkeit einer solchen Vertragsstrafeklausel habe, da bei der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vertragsstrafeklausel die Wiederholungsgefahr wiederauflebe, so verfängt dies nicht. So überzeugt bereits die Argumentation nicht, dass ein Unterlassungsschuldner stets eine ihn ungemessen benachteiligende Vertragsstrafeklausel hinnehmen wolle, um (weiterhin) die Wiederholungsgefahr beseitigt zu sehen. Denn er hat es in der Hand, diese Wirkung durch die Abgabe einer eigenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr keiner Annahme durch den Gläubiger bedarf (BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle), wiederherzustellen.

Der Senat setzt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in einen Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lauterkeitsrecht. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mitnichten seine Rechtsprechung zur unangemessenen Benachteiligung von Klauseln, die den Fortsetzungszusammenhang ausschließen (BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang), aufgegeben. Er hat dort allein darauf verwiesen, dass in dem zu entscheidenden Fall die Verneinung eines Missbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. nicht deshalb anders zu beurteilen sei, weil der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs in einer dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorgesehen hatte (vgl. BGH, GRUR 2012, 286 – falsche Suchrubrik). Eine (stillschweigende) Billigung dieser Klauseln unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung kann hieraus nicht hergeleitet werden. Vielmehr führt die Verwendung dieser Klauseln nicht (zugleich) auch zwangsläufig zu der Annahme einer missbräuchlichen Rechtsdurchsetzung im Sinne des Lauterkeitsrechts.

Soweit die Klägerin – ebenfalls unter Bezugnahme auf das Lauterkeitsrecht – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (MDR 2023, 1262=GRUR-RS 2023, 18853) verweist, so verkennt sie, dass sich dieses in der von der Klägerin zitierten Passage (GRUR-RS 2023, 18853 Rn. 36) allein mit der Frage einer Zulässigkeit des Ausschlusses des Fortsetzungszusammenhangs im Rahmen einer Individualvereinbarung befasst. Dahingegen wird eine Randnummer zuvor zutreffend darauf hingewiesen, dass „in allgemeinen Geschäftsbedingungen […] eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam“ ist (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 35).

c) Das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung führt gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Bestimmung. Dies hat vorliegend zur Folge, dass die gesamte Vertragsstrafeklausel als unwirksam anzusehen ist.

Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion scheidet es insbesondere aus, die Klausel durch die Streichung des Einschubes zum Fortsetzungszusammenhang auf ein zulässiges Maß zurückzuführen (so auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 5, juris). Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bundesgerichtshof dies in seiner Entscheidung „Fortsetzungszusammenhang“ (BGH, NJW 1993, 721) abweichend beurteilt habe. Denn dort musste sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage nicht befassen, da schon die Bejahung der Unwirksamkeit der Ausschlussklausel zu einer Aufrechterhaltung des Urteils der Berufungsinstanz führte, die die Klausel nur einschränkend ausgelegt hatte und deshalb zur Abweisung weiterer Ansprüche der (Revisions-)Klägerin gelangt war.

Die Klausel ist auch nicht aufteilbar im Sinne eines „blue-pencil-tests“. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die eigentliche Vertragsstrafenabrede aus Ziffer 1 der Unterlassungserklärung herauslösen ließe, so dass mit der – dann nicht mehr strafbewehrten – Verpflichtung zum Unterlassen ein zulässiger Teil verbliebe. Denn die Vertragsstrafenabrede an sich, von deren Wirksamkeit der Klageerfolg abhängt, ist jedenfalls nicht teilbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs. Hierfür wäre Voraussetzung, dass sich in einer Klausel mehrere inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen finden, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können (BGH, NJW 2020, 1811 Rn. 26). Dies könnte zwar gegebenenfalls für die Verpflichtung zur Unterlassung einerseits und für die Vertragsstrafenabrede andererseits zu bejahen sein. Der Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs innerhalb der Vertragsstrafeklausel stellt hingegen keine eigenständige Regelung dar, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein könnte, sondern bestimmt allein und von dieser abhängig die Reichweite der Vertragsstrafe (so auch OLG Frankfurt, und OLG Köln a.a.O.). Ein Herausstreichen würde damit kein Aufteilen zweier zusammengefasster selbständiger Regelungen in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil darstellen, sondern wäre eine unzulässige geltungserhaltene Reduktion.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Banken und Sparkassen dürfen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen

OLG Frankfurt
Urteil vom 05.10.2023
3 U 286/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Banken und Sparkassen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen dürfen. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen, so dass dieser voraussichtlich die Sache entscheiden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Vertragsbedingungen - Klausel über Verwahrentgelte wirksam

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen einer deutschen Geschäftsbank. Sie verpflichten u.a. Sparer bei Überschreiten eines bestimmten Freibetrags zur Zahlung von sog. Verwahr- bzw. Guthabenentgelten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass diese Klauseln wirksam sind. Sie unterfallen als Preishauptabreden nicht der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen und sind zudem weder intransparent noch überraschend.

Die beklagte Geschäftsbank wendet sich u.a. gegen ihre Verurteilung, AGB-Klauseln, die zur Zahlung eines Entgelts für die Verwahrung von Spareinlagen verpflichten, nicht mehr zu verwenden. Die beklagte Bank schließt mit Verbrauchern u.a. Verträge über die Verwahrung von Spareinlagen. Neukunden mussten im Zeitraum von Mitte des Jahres 2020 bis Mitte 2022 ab einem Freibetrag von zunächst € 250.000 ein Verwahrentgelt zahlen, Bestandskunden nach entsprechender Vereinbarung. Bei Abschluss einer Geschäftsbeziehung mit Neukunden verwendete die Beklagte ein Formular, in dem in Ziff. 15 eine „Rahmenvereinbarung zur Verwahrung von Einlagen“ enthalten war. Das dort in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnis sah für neu eingerichtete Kundennummern oberhalb des Freibetrags ein Verwahrentgelt von 0,5 % p.a. vor. Die Neukunden mussten mit einer gesonderten Unterschrift ihr Einverständnis mit der Verwahrung der Einlagen erklären. Gegenüber Bestandskunden stellte die beklagte Bank ab Anfang 2021 eine vorformulierte Vereinbarung zur Diskussion, die ebenfalls die Verpflichtung zur Zahlung eines Guthabenentgelts in Höhe von 0,5% für Euro-Einlagen einschließlich Spareinlagen enthielt.

Das Landgericht hatte die Beklagte u.a. verurteilt, die Klauseln über die Erhebung von Verwahr- bzw. Guthabennentgelten nicht mehr zu verwenden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Die Klauseln seien wirksam vereinbart worden, begründete das OLG seine Entscheidung. Dabei könne offenbleiben, ob es sich bei den streitgegenständlichen Klauseln auch im Bereich der Bestandskunden um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Jedenfalls stellten die Klauseln sowohl im Rahmen der Neu- als auch der Bestandskundengeschäfte sog. Preishauptabreden dar. Derartige Klauseln, die unmittelbar den Preis für die Hauptleistung bestimmten, seien der Inhaltskontrolle nach dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen.

Die Klauseln regelten unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung bei Sparverträgen. „Verwahrung und Rückgewähr des gleichen Geldbetrags (ist die) einseitige vertragliche Hauptleistungspflicht der Bank aus dem Sparvertrag“, betont das OLG im Anschluss an die dahingehende Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil vom 25.07.2023, Az. XI ZR 221/22). Da Sparverträge nur einseitig zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichteten, könne die Bank damit auch einen Preis dafür bestimmen, der keiner Inhaltskontrolle nach den Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege. Es liege - entgegen der Ansicht des Landgerichts - kein Darlehensvertrag vor, da der Sparer nicht zur Einzahlung eines bestimmten Geldbetrags verpflichtet sei.

Ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Klauseln gegenüber Neu- wie Bestandskunden selbst im Fall einer Inhaltskontrolle nicht unwirksam wären. Sie benachteiligten den Sparer nicht unangemessen, da aus dem Sparvertrag als unregelmäßigem Verwahrungsvertrag nur einseitig die Bank zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichtet sei. Anders als den Darlehensgeber treffe den Sparer keine durch Zahlung von Zinsen zu vergütende Pflicht, der Bank Gelder zu überlassen. Folglich seien die Klauseln auch nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Darlehensvertrags unvereinbar. Auch seien die streitgegenständlichen Klauseln weder intransparent noch überraschend. Jeder Neukunde müsse sich klar und unmissverständlich durch seine Unterschrift mit der Vereinbarung zur Verwahrung von Einlagen einverstanden erklären. Die Vereinbarung mit Bestandskunden diene ersichtlich gerade der Vereinbarung eines Guthabenentgelts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die binnen einen Monats einzulegende Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 5.10.2023, Az. 3 U 286/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2022, Az. 2-25 O 228/21)


Volltext BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam und es besteht ein Rückzahlungsanspruch

BGH
Urteil vom 20.04.2023
I ZR 113/22
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam - Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlter Reservierungsgebühr über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende
Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]).
b) Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (Bestätigung von BGH, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 11 bis 17]).

BGH, Urteil vom 20. April 2023 - I ZR 113/22 - LG Dresden - AG Dresden

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam - Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlter Reservierungsgebühr

BGH
Urteil vom 20.04.2023
I ZR 113/22


Der BGH hat entschieden, dass Klauseln in Makler-AGB, die eine Reservierungsgebühr vorsehen, nach sind § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Betroffene haben einen Anspruch auf Rückzahlung einer bereits gezahlten Reservierungsgebühr.

Makler können Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren

Der unter anderem für das Maklerrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist.

Sachverhalt:

Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag und im Nachgang dazu einen Reservierungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der Reservierungsvertrag sei wirksam. Er stelle eine eigenständige Vereinbarung mit nicht nach den §§ 307 ff. BGB kontrollfähigen Hauptleistungspflichten dar.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte auf die Revision der Kläger zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt.

Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.

Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat.

Vorinstanzen:

AG Dresden - Urteil vom 23. April 2021 - 113 C 4884/20

LG Dresden - Urteil vom 10. Juni 2022 - 2 S 292/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist …




OLG Frankfurt: Bank darf keine Vergütung für Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen - entsprechende Klausel in AGB einer Bank unwirksam

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2022,
17 U 132/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Bank keine Vergütung für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf. Ein entsprechende Klausel in den AGB einer Bank ist nach § 307 BGB unwirksam

Unwirksame Klausel - Keine Bankgebühr allein für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung

Das Errechnen der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens gehört - unabhängig von § 493 Abs. 5 BGB - zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank gegenüber Verbrauchern. Die Bank darf dafür kein gesondertes Entgelt verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die beklagte Bank verurteilt, die Verwendung einer Klausel, mit der 100 € für die Errechnung verlangt wurden, zu unterlassen.

Die Beklagte betreibt eine Bank und bewirbt u.a. Verbraucherkredite. Nach ihrem Preisverzeichnis verpflichten sich private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 € zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens (Allgemeindarlehen oder eines vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliardarlehen) errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt. Sie wird - mit Ausnahme grundpfandrechtlich besicherter Darlehen - nicht auf eine im Fall vorzeitiger Rückführung tatsächlich zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet. Der Kläger hält die Klausel für unwirksam. Das Landgericht hatte den Unterlassungsantrag insoweit abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg.

Die Klausel sei unwirksam, entschied das OLG. Bei der Aufwandsentschädigung handele es sich um eine voll überprüfbare sog. Preisnebenabrede. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar und benachteilige die Kunden unangemessen. Die Bank sei nebenvertraglich verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Höhe einer Vorfälligkeitsentscheidung bei vorzeitiger Rückführung zu informieren. Dies gelte unabhängig von den gesetzlich normierten Informationspflichten nach § 493 Abs. 5 BGB (anwendbar ab dem 21. März 2016 in Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie (RL 2014/17/EU)). Diese bezögen sich allein auf Immobiliardarlehensverträge. Der Darlehensnehmer habe grundsätzlich ein Informationsbedürfnis. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die für den durchschnittlichen Verbraucher schwer nachzuvollziehen seien. Die Bank könne dagegen die Entschädigung mithilfe eines Computerprogramms ohne großen Aufwand errechnen. Die Berechnung stelle damit keine zusätzliche Sonderleistung dar, die einer gesonderten Vergütung unterliege. Dies gelte unabhängig davon, ob es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung komme oder nicht.

Die beanstandete Klausel weiche damit von dem Grundsatz ab, dass die Bank ohne gesondertes Entgelt ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Unterrichtung des Darlehensnehmers erfüllen müsse. Diese Abweichung indiziere eine unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer. „Dass die jeweilige Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung mit einem Verwaltungsaufwand ... einhergehen kann, hat diese nach der vertraglichen Abrede hinzunehmen“, ergänzt das OLG.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2022, Az.: 17 U 132/21

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.2021, Az.: 2/25 O 190/20)

Erläuterungen:

§ 493 BGB Informationen während des Vertragsverhältnisses
(1) 1Ist in einem Verbraucherdarlehensvertrag der Sollzinssatz gebunden und endet die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Ende der Sollzinsbindung darüber, ob er zu einer neuen Sollzinsbindungsabrede bereit ist. 2Erklärt sich der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung den zum Zeitpunkt der Unterrichtung vom Darlehensgeber angebotenen Sollzinssatz enthalten.
...

(5) 1Wenn der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags dem Darlehensgeber mitteilt, dass er eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, ist der Darlehensgeber verpflichtet, ihm unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln. 2Diese Informationen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten:

Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung,
im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und
gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung.
3Soweit sich die Informationen auf Annahmen stützen, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sein und als solche dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden.

§ 307 BGB
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.



LG Frankfurt: Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig - Klausel in AGB der Commerzbank wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam

LG Frankfurt
Urteil vom 18.11.2022
2-25 O 228/21


Auch das LG Frankfurt hat entschieden, dass Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind. Die entsprechende Klausel in den AGB der Commerzbank ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam.

LG Düsseldorf: Strafzinsen-Klausel in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam - Verwahrentgelt ist mit wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung unvereinbar

LG Düsseldorf
Urteil vom 22.12.2021
12 O 34/21

Auch das LG Düsseldorf hat entschieden, dass Strafzinsen-Klauseln in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Die Beanspruchung eines Verwahrentgelts bei Zahlungsdiensteverträgen ist mit den wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung unvereinbar. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Nürnberg: Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlichem Urteil mit vorläufiger Vollstreckbarbarkeit gegen Sicherheitsleistung

OLG Nürnberg
Urteil vom vom 21.12.2021
3 U 3716/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass auch die Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlicher Entscheidung mit vorläufiger Vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung erforderlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass zu einer rechtzeitigen Vollziehung in Fällen, in denen im erstinstanzlichen Endurteil die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheit abhängig gemacht wurde, ebenfalls die Leistung dieser Sicherheit zur Wahrung der Vollziehungsfrist erforderlich ist (ebenso OLG Celle Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409; sie zitierend G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10, wenn auch verbal zur abhängig gemachten „Vollziehung“).

a) Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Sicherheitsleistung in dieser Sachverhaltsgestaltung als entbehrlich angesehen wird, wird dies im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen Vollziehung und Vollstreckung zu unterscheiden sei und die Monatsfrist nur für die erstgenannte gelte (OLG Hamm, Urteil vom 23. März 1982, 4 U 7/82, MDR 1982, 763; Seiler, in: Thomas/Putzo, 40. Auflage 2019 § 938 Rn. 7; Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 11 Rn. 277).

Gegen diese Argumentation spricht allerdings, dass unter „Vollziehung“ allgemein die Zwangsvollstreckung aus dem einstweiligen Titel zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, BGHZ 131, 141 = NJW 1996, 198 (198); BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 928 Rn. 1). Der Umstand, dass § 928 ZPO die Regeln für die Zwangsvollstreckung auf die Vollziehung für nur „entsprechend“ anwendbar erklärt, beruht ausschließlich darauf, dass Arrest und einstweilige Verfügung regelmäßig nur auf eine Sicherung, nicht eine Befriedigung angelegt sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1077); MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 928 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2; für eine mit dem vorliegenden Sachverhalt identische Konstellation OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409). Die terminologische Unterscheidung besitzt daher keine weitergehende Bedeutung (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 928 Rn. 1). Die Vollziehung verlangt daher grundsätzlich, die jeweils gebotene Vollstreckungshandlung vorzunehmen.

b) Der Sinn und Zweck des Erfordernisses, die erlangte Verfügung innerhalb der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO zu vollziehen, gebieten ebenfalls das Verständnis, dass eine angeordnete Sicherheitsleistung erbracht sein muss, wenn die Vollziehung vor Eintritt der Rechtskraft des Verfügungsurteils unternommen wird.

aa) Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtsschutzes. Sie verhindert, dass die Arrestvollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Arrestanordnung wesentlich unterscheiden, und dient so dem Schutz des Schuldners. Sie stellt zudem sicher, dass der Arrestgrund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt, und bildet damit eine Sperre für eine Inanspruchnahme des Arrestverfahrens auf Vorrat (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 929 Rn. 1; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 4, je m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 15). Das Erfordernis einer alsbaldigen Vollziehung entspricht dabei auch dem Zweck des Arrest- und Verfügungsverfahrens, dem Gläubiger schnell eine Vollstreckungsmöglichkeit zu verschaffen, um die Verwirklichung materieller Rechte nicht durch den Zeitablauf zu gefährden (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, Vorbemerkung zu §§ 916-945 b Rn. 3 u. 4).

bb) Zur Vollziehung bedarf es einer aktiven Tätigkeit des Gläubigers, die ein Gebrauchmachen vom erwirkten Titel zum Ausdruck bringt (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 14).

cc) Vom erfolgreichen Verfügungskläger wird daher grundsätzlich gefordert, dass er innerhalb der Vollziehungsfrist den (i.d.R. erforderlichen) Antrag auf Durchführung der jeweils vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahme stellt (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Hertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 4). Etwaige Verzögerungen der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest/der Verfügung dürfen nicht vom Gläubiger zu verantworten sein (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 5). Der Vollstreckungsantrag muss somit rechtzeitig gestellt sein und alle weiteren Voraussetzungen erfüllen, damit seiner Ausführung und Erledigung keine Hindernisse entgegenstehen, d.h. die Vollstreckungsakte sofort vorgenommen werden können (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 11).
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Dies ist dahingehend zu verallgemeinern, dass der Vollstreckungsgläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist alles unternehmen muss, um eine Zwangsvollstreckung - deren Ermöglichung gerade Ziel und Rechtfertigung des Arrest- und Verfügungsverfahrens ist - zu bewirken bzw. bewirken zu können.

dd) Im Bereich der Ordnungsmittelvollstreckung muss der Gläubiger zwar zunächst keinen Bestrafungsantrag stellen, sondern lediglich die Zustellung der anordnenden Entscheidung und einer Ordnungsmittelandrohung gem. § 890 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb bewirken. Diese Reduzierung des von ihm Vorzunehmenden beruht jedoch ausschließlich auf den Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung gem. § 890 ZPO, bei der auf eine eingetretene Zuwiderhandlung sanktionierend reagiert wird. Der Vollstreckungsgläubiger kann daher innerhalb der Vollziehungsfrist typischerweise noch nicht mehr unternehmen, als Titel und Androhung zustellen zu lassen, weil ein Verstoß noch nicht eingetreten ist und deshalb der Bestrafungsantrag zurückgewiesen werden müsste (siehe nur Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Statt dessen wird eine Zustellung des Urteils im Parteibetrieb für erforderlich gehalten, auch wenn der Unterlassungsschuldner die Pflicht bereits mit Erlass eines entsprechenden Urteils zu beachten hat (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078)), weil dies eine geeignete Maßnahme darstellt, mit der der Gläubiger wie von § 929 Abs. 2 ZPO gefordert seinen Vollziehungswillen betätigen und manifestieren kann (vgl. BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 936 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14).

ee) Aus diesen Gründen erscheint es konsequent, vom Verfügungskläger auch die Leistung einer - wenn auch zu Unrecht - geforderten Sicherheit vorauszusetzen, um die Vollziehungsfrist zu wahren.

Wie ausgeführt, könnte bei der Geldvollstreckung einem entsprechenden Vollstreckungsantrag, der dort essentiell ist, kein Erfolg beschieden sein, wenn eine erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht ist, und zwar unabhängig davon, ob von dieser die Vollziehung des Arrestbefehls oder nur die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil abhängig gemacht wurde. Dem Antrag könnte nämlich erkennbar, solang die Sicherheit nicht geleistet ist, nicht entsprochen werden, weshalb er auch nicht als Vollziehung ausreichen kann. Dann spricht aber auch alles dafür, es bei der Vollstreckung von Unterlassungspflichten nicht anders zu handhaben.

Zudem stellt die Leistung einer Sicherheit ein dem Gläubiger mögliches und objektiv aussagekräftiges Mittel dar, um den eigenen Vollziehungswillen zu manifestieren. Durch sie belegt der Gläubiger, dass er von der Vollstreckungsbefugnis Gebrauch machen und dazu die verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung aus § 945 ZPO, wegen der die Sicherheit zu leisten ist, in Kauf nehmen will. Ein Gläubiger, der die Sicherheitsleistung nicht erbringt, zeigt umgekehrt, dass er zumindest aktuell noch nicht bereit ist, alles erforderliche zu unternehmen.

Bestätigt wird dies dadurch, dass der Gläubiger dann, wenn die Ordnungsmittelandrohung noch nicht im verkündeten Urteil enthalten war, auch diese zustellen lassen muss, um eine Vollziehung zu bewirken (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199); G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 7; Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16). Erst die Androhung macht einen Verstoß strafbewehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)) und ist daher der Beginn der Zwangsvollstreckung (Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Der Gläubiger wird somit auch in dieser Hinsicht für verpflichtet gehalten, innerhalb der Vollziehungsfrist alle Schritte zu unternehmen, damit der Unterlassungsschuldner im Fall eines Verstoßes später geahndet werden kann.

ff) Auch im Übrigen spricht der Zweck der Sicherheitsleistung dafür, sie auch in Fällen der vorliegenden Art zu fordern, wenn der Schuldner das auferlegte Verbot beachten soll.

Müsste der Schuldner zunächst nicht nur das Verbot beachten, sondern er auch mit einem späteren Ordnungsmittelantrag und einer deswegen erfolgenden Verurteilung zu rechnen haben, muss er auch Gewähr haben, einen bei späterer Aufhebung der Verfügung ihm zustehenden Schadensersatz gem. § 717 ZPO oder § 945 ZPO realisieren zu können. Die Schadensersatzpflicht aus § 717 ZPO bzw. § 945 ZPO darf daher jeweils nicht später einsetzen als die strafbewehrte Verbindlichkeit des Unterlassungsgebots für den Schuldner; dieser muss geschützt sein, sobald er das Verbot beachten und im Fall einer Zuwiderhandlung mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16, BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398), je m.w.N.). Könnte der Verfügungskläger einerseits davon absehen, die Sicherheit zu leisten, aber andererseits strafbewehrt Beachtung beanspruchen (und deshalb später Sanktionen erwirken), worauf die Vollziehung ihrem Wesen nach abzielt, wäre das vom Gesetzgeber intendierte ausgewogene System gestört.

Dies deckt sich damit, dass die Verhängung von Ordnungsmitteln allgemein, d.h. auch außerhalb des Verfügungsverfahrens, voraussetzt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung unter Beachtung von § 751 Abs. 2 ZPO über die Leistung der erforderlichen Sicherheit unterrichtet war und daher wusste, dass er mit Ordnungsmitteln zu rechnen hat, wenn er sich weiterhin nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält. Der Schuldner soll Klarheit darüber haben, von wann ab er mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss, wenn er sich nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2018 - 2 W 13/18, GRUR-RS 2018, 54694, Rn. 5). Der Verfügungsklägerin kommt insoweit nicht zugute, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 750 ZPO noch nicht bei der Ordnungsmittelandrohung, sondern erst bei der Beantragung einer Ordnungsmittelfestsetzung gegeben sein müssen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 14), da die Sicherheitsleistung nicht in § 750 ZPO, sondern in § 751 ZPO geregelt ist.

gg) Die Argumentation der Verfügungsklägerin, dem Verfügungsbeklagten entstünden keine Nachteile, wenn das auferlegte Verbot zwar mit der Verkündung beachtlich wird, aber keine Sanktionierung erfolgen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)), übersieht, dass die ZPO dem Verfügungskläger mit § 929 Abs. 2 ZPO auferlegt, binnen Monatsfrist die Zwangsvollstreckung zu initiieren oder zumindest eine äquivalente Handlung vorzunehmen, um auszudrücken, dass von der erwirkten Entscheidung Gebrauch gemacht werden soll. Wie dargestellt, kann dabei zwar aufgrund der Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung nicht auf den Ordnungsmittelantrag (der eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraussetzen würde) abgestellt werden, sondern muss an die Bekanntgabe der Entscheidung samt Ordnungsmittelandrohung angeknüpft werden. Für die Frage, was zu einer Vollziehung erforderlich ist, um den Vollziehungswillen ausreichend zum Ausdruck zubringen, hilft der Hinweis darauf, dass sich eine von der Vollziehung unabhängige Beachtenspflicht bereits mit der Verkündung ergibt, nicht weiter. Wenn jedoch das Gesetz fordert, dass der Gläubiger eine Vollziehung unternimmt, kann dies nichts anders bedeuten, als dass er die Voraussetzungen schaffen muss, damit der Schuldner das Verbot nicht nur überhaupt, sondern gerade auch strafbewehrt zu beachten hat (weil nur dies als Vollstreckungsmaßnahme begriffen werden kann), was wiederum bedeutet, dass alle Voraussetzungen einer späteren Ahndung eines Verstoßes geschaffen werden müssen.

Aus diesem Grund verfängt auch der Hinweis nicht, der Verfügungskläger sei lediglich zur Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft berechtigt, aber nicht verpflichtet. Die Verpflichtung zur Vollziehung besteht ungeachtet dessen. Aufgrund § 929 Abs. 2 ZPO gilt der im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit herrschende Satz, dass der erfolgreiche Kläger bis zur Rechtskraft zuwarten darf und sich nicht dem Risiko einer Haftung gem. § 717 Abs. 2 ZPO aussetzen muss (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397), für das Verfügungsverfahren mit Rücksicht auf die oben dargestellten Gründe gerade nicht.

hh) Für die klägerseits vertretene Auffassung lässt sich nach alledem auch nicht anführen, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein Verbot unabhängig von der Vollziehungsfrist sei (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18 m.w.N.). Danach kann zwar die Ahndung auch noch später, d.h. nach Fristablauf, erfolgen, wenn dann ein Antrag gestellt und die Voraussetzungen für eine Stattgabe vorliegen. Dafür, was innerhalb der Frist bewirkt sein muss, sagt dies nichts.

c) Der Verfügungskläger, dessen Antrag in einem Verfügungsurteil zwar in der Sache positiv verbeschieden wurde, dessen Vollstreckung aber - irrtümlich - von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, befindet sich auch nicht in einer Situation, in der ihm unzumutbar wäre, die Voraussetzung zu erfüllen.

aa) Der Antragsteller muss wegen § 921, § 936 ZPO stets damit rechnen, dass ihm das Gericht eine Sicherheit auferlegt, und er später, will er nicht ein Unwirksamwerden der Verfügung wegen Nichtleistung riskieren, eine solche beibringen muss.

bb) Zudem kann sich der Verfügungskläger nach Auffassung des Senats in einem solchen Fall gegen die Teil-Zurückweisung des Verfügungsantrags mit der Berufung wenden. Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens wird zwar nicht einheitlich beurteilt (tendenziell kritisch etwa Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 718 Rn. 2; BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; für eine Zulässigkeit dagegen OLG Nürnberg, Urteil vom 10. November 1988, 8 U 3100/88, NJW 1989, 842; Schmidt, in: Anders/Gehle, ZPO, 80. Auflage 2022, Vorbemerkung zu § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit Rn. 8). Das dort jeweils angeführte Hauptargument, mit Ablauf der Berufungsfrist entfalle die Beschwer und dem Beschwerten sei zumutbar, die Monatsfrist abzuwarten, da eine vorherige Entscheidung ohnehin nicht erreichbar sei (BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4. September 2007 - 9 U 46/07, BeckRS 2007, 17929; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 31. März 2005 - 20 U 32/05, NJW-RR 2006, 66), greift aber in Konstellationen der vorliegenden Art gerade nicht (zutreffend OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499); für eine Zulässigkeit in einem solchen Fall wohl auch MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 31). Zum einen ist das Abwarten wegen der gesetzlich auferlegten Notwendigkeit, die erwirkte Verfügung zu vollziehen, nicht zumutbar. Zum anderen ist eine Entscheidung über den Berufungsantrag vor Ablauf der für den Gegner laufenden Berufungsfrist und der Vollziehungsfrist möglich (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499)), wenn der beschwerte Verfügungskläger sein Rechtsmittel alsbald einlegt und in der geboten knappen Weise mit der Verkennung des Umstands begründet, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind (siehe dazu nur MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, § 704 Rn. 15; § 708 Rn. 3; BeckOK ZPO/Ulrici, 42. Ed. 1.9.2021, § 704 Rn. 19; Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 704 Rn. 11).

cc) Jedenfalls wäre dem Verfügungskläger möglich, in einem vom Verfügungsbeklagten deswegen initiierten Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung einen Neuerlass der Verfügung zu beantragen (vgl. jeweils OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409); einem solchen Antrag dürfte ein Wegfall der Dringlichkeit nicht entgegengehalten werden können, wenn er aufzeigt, nur durch die auferlegte Sicherheitsleistung an der Vollziehung gehindert gewesen zu sein.

dd) Derartiges hat die Verfügungsklägerin vorliegend jeweils nicht unternommen.

d) Auch das Rechtsanwaltsgebührenrecht gebietet nicht ein anderes Ergebnis. Unabhängig von der grundlegenden Frage, wann sich überhaupt belastbare Folgerungen aus dem Kostenrecht für das Verfahrensrecht ziehen lassen (da grundsätzlich das Gebührenrecht an das Prozessrecht anknüpft und nicht umgekehrt), ist aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG und § 19 Abs. 1 Nr. 16 RVG lediglich abzuleiten, dass die Zustellung der erwirkten Verfügung keine Gebühr auslöst, auch wenn sie deren Vollziehung dient und dazu notwendig ist. Hieraus lässt sich aber nichts dafür gewinnen, ob es ggf. auch der Sicherheitsleistung bedarf. Fraglich könnte daher nur sein, ob die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei einer Sicherheitsleistung, wenn diese zur Vollziehung notwendig ist, bereits eine 0,3-Gebühr auslöst oder nicht; da eine klare Einordnung im Gebührenrecht fehlt, lässt sich jedenfalls kein aussagekräftiger Rückschluss für die Frage der Erforderlichkeit ziehen.

Nur ergänzend ist daher anzumerken, dass die ratio legis des § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG darin gesehen wird, dass der Zusammenhang zwischen dem Erlass der Verfügung und deren Zustellung so eng ist, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Zustellung noch zum Rechtszug gehört (HK-RVG/Christian Rohn, 8. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 39; BeckOK RVG/v. Seltmann, 54. Ed. 1.9.2021, RVG § 18 Rn. 9; Hinne, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 5, alle m.w.N.).

3. Der Senat sieht auch keine andere Möglichkeit, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Erstgericht die Sicherheitsleistung offenbar deshalb angeordnet hat, weil es übersehen hat, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. Selbst wenn eine Berichtigung des Urteilstenors - der aber das Fehlen der erforderlichen Offensichtlichkeit entgegenstehen dürfte, weil auch die Entscheidungsgründe Ausführungen enthalten - möglich gewesen wäre, hätte dies die Verfügungsklägerin von der Last erst befreit, wenn die Berichtigung erfolgt wäre.

Die Berufung hat daher Erfolg, weshalb das Verfügungsurteil aufzuheben und der Antrag ohne weitere Prüfung seiner Begründetheit abzuweisen war."


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LG Berlin: Verwahrentgelt durch Strafzinsen-Klausel für Girokonto und Tagesgeldkonto in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam - Kunde hat Anspruch auf Erstattung

LG Berlin
Urteil vom 28.10.2021
16 O 43/21


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine Verwahrentgelt durch Strafzinsen-Klausel für Girokonto und Tagesgeldkonto in den Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Der Kunde hat hinsichtlich bereits bezahlter Strafzinsen einen Anspruch auf Erstattung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist aus §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit mit §§ 675f Abs. 5 S. 1, 700 Abs. 1, 488 Abs.1 S. 2 BGB begründet, denn die Beanspruchung eines Verwahrernentgeltes bei Zahlungsdienstverträgen ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Die Klausel benachteiligt den Verbraucher daher unangemessen.

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