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OLG Düsseldorf: Vorformulierte Unterlassungserklärungen können der AGB-Kontrolle unterliegen - Vertragsstrafeklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 23.11.2023
2 U 99/22


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen der AGB-Kontrolle unterliegen können. Eine Vertragsstrafklausel unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Die Berufung weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vertragsstrafenabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist. Denn die A hat die Vertragsstrafeklausel als Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Einzelnen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Beklagten ausgehandelt.

a) Vertragsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz in Abrede gestellt, dass es sich um ein vorgegebenes Formular gehandelt habe, das für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorformuliert gewesen sei (vgl. Bl. 66 eAkte LG). Damit kann sie indes nicht durchdringen.

Dass die mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 übergebene Unterwerfungserklärung „vorformuliert“ und nicht von ihr „ad hoc in Vertragsverhandlungen formuliert“ (vgl. Staudinger/Mäsch (2022) BGB § 305, Rn. 25) worden ist, steht außer Frage. Sie war ihrem äußeren Anschein nach aber auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert („Mehrfachverwendungsabsicht“).

Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingung muss derjenige darlegen und beweisen, der sich zu seinen Gunsten auf die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB beruft, vorliegend also die Beklagte. Der Darlegungslast kann aber im Einzelfall bereits durch Vorlage des Vertrags genügt werden (BGH, NJW 1992, 2160, 2162). Denn aus Inhalt und Gestaltung von Vertragsklauseln kann der äußere Anschein folgen, dass diese zur mehrfachen Verwendung vorformuliert wurden (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2004, 502, 503, NJW 2009, 3717, 3720, jeweils zum Bau(träger)vertrag; BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30 zum Architekten- und Ingenieurvertrag; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2020, 556 - VENOM, OLG Jena, BeckRS 2012, 9286, jeweils zur Vertragsstrafevereinbarung; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 18; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 305 Rn. 23). Ein solcher Anschein kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass Vertragsklauseln weitgehend allgemein und abstrakt gehalten sind (BGH, NJW 2017, 265 Rn. 30). Es ist dabei nicht erforderlich, dass das gesamte Vertragsmuster diesen Anforderungen entspricht. Entscheidend ist, ob einzelne Vertragsklauseln, hier also das Vertragsstrafeversprechen, jeweils die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllen (BGH, NJW 1998, 2600 f.).

aa) Es drängt sich vorliegend bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auf, dass der Inhaber von Schutzrechten eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht allein für den konkreten Einzelfall formuliert bzw. formulieren lässt, sondern – schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus – eine Mehrfachverwendungsabsicht verfolgt. Er wird darauf bedacht sein, ein Standardformular zu entwickeln, dass sich mit möglichst wenigen Modifikationen an die jeweilige Situation anpassen lässt. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gängige Praxis sei, „das Rad nicht immer neu zu erfinden“, sondern auf bewährte Muster oder in Datenbanken hinterlegte Textbausteine zurückzugreifen (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Individualvereinbarung“ Rn. 8).

Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn die Erklärung von einer Rechtsanwaltskanzlei formuliert wurde, was vorliegend naheliegt, da das Anschreiben von der (damaligen) Kanzlei C stammt. Diese wird auf vorhandene Vorstücke bzw. Muster zurückgreifen oder – bei erstmaliger Formulierung – darauf bedacht sein, solche – auch für spätere Mandate – zu entwickeln. Gerade bei großen Sozietäten streitet daher bereits der erste Anschein für eine Mehrfachverwendungsabsicht (Löhnig/Jerger, GWR 2013, 239, 240). In den Fällen von durch Dritte vorformulierten Verträgen genügt es im Übrigen, dass diese vom Dritten in Mehrfachverwendungsabsicht erstellt wurden. Die Partei, die sich eines solchen Formulars bedient, kann sich nicht darauf berufen, dass sie selbst nur die Absicht hatte, dieses in einem einzigen Fall zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 10; BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 305 Rn. 25; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 119; Löhnig/Jerger, a.a.O., für den von einer Rechtsanwaltskanzlei entworfenen Vertrag).

Im Ergebnis streiten daher bereits die äußeren Umstände dafür, dass es sich bei der Unterlassungserklärung um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Erklärung handelte. Diesen Anschein hat die Klägerin nicht entkräftet. Sie hat keine Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die es nahelegen könnten, dass es sich bei der Vertragsstrafeklausel um eine nur für diesen konkreten Einzelfall formulierte Abrede handelte. Soweit sie darauf verweist, dass ein Rückgriff auf ein „Simile“ aus einem anderen Rechtsstreit, das dort in Einzelverwendungsabsicht erstellt worden war, unschädlich sei, so lässt sie offen, ob sie einen solchen Geschehensablauf vorliegend behaupten will, zumal damit auch eine erst sodann für die Zukunft gefasste Mehrfachverwendungsabsicht nicht ausgeschlossen wäre. Wenn sie weiterhin ausführt, dass der seinerzeit sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht einmal auf ein „Simile“ zurückgreifen hätte müssen, da er die ihm aus seiner Praxis geläufige Vertragsstrafeklausel auch aus dem Gedächtnis heraus hätte formulieren können, so kommt es hierauf nicht an. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch dann vorliegen, wenn üblicherweise verwendete Klauseln aus dem Gedächtnis heraus in den Vertrag eingefügt werden (BGH, NJW 1999, 2180, 2181). Im Ergebnis genügt daher der – sich in allgemeinen Erwägungen erschöpfende – klägerische Tatsachenvortrag nicht, um eine ernsthafte Möglichkeit für einen vom Anscheinsbeweis abweichenden Geschehensablauf darzulegen, weshalb dem angetretenen Zeugenbeweis durch Vernehmung des seinerzeit sachbearbeitenden Rechtsanwalts nicht nachzugehen war.

bb) Im Übrigen erweckt die ursprüngliche Unterlassungserklärung auch ihrer inhaltlichen Gestaltung nach den Eindruck, dass ihre Klauseln für eine Vielzahl vergleichbarer Abmahnsituationen herangezogen und nur einzelne Stellen an den konkreten Sachverhalt angepasst werden.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die für das hiesige Verfahren streitentscheidende Vertragsstrafeklausel. Diese ist in ihrer Formulierung („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) allgemein gehalten und weist keinen besonderen Bezug zum konkreten Einzelfall auf, der erst im weiteren Verlauf der Erklärung – nämlich im Rahmen der Unterlassungsverpflichtung – durch Einrücken der Patentansprüche hergestellt wird. Auch bei dem Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs („excluding the application of the continuation-of-offence clause“) handelt es sich – auch heute noch – um eine vielfach verwendete Standardregelung (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11).

Die Vertragsstrafeklausel liefert damit keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ausschließlich für die Unterlassungserklärung der Beklagten formuliert wurde. Auch aus anderen Klauseln der ursprünglichen Unterlassungserklärung lassen sich solche Anhaltspunkte nicht herleiten.

So enthalten die beiden identisch ausgestalteten Klauseln zur Rechnungslegung (Ziffern I.2 und II.5) mehrere formelhafte Regelungen, die nur insoweit auf den Einzelfall zugeschnitten sind, als dass unter lit. a) und b) jeweils ein bestimmter Zeitraum benannt wird, für den Rechnung zu legen ist, während die übrigen Bestimmungen lit. a) aa) bis dd), b) aa) bis bb) und c) keinen konkreten Bezug zur Beklagten aufweisen. Bei Ziffer II.5 fällt zudem auf, dass der Verweis auf die „Handlungen unter 1.“ („actions referred to under 1. above“) fälschlicherweise nicht angepasst wurde, was notwendig gewesen wäre, da sich die zu unterlassende Handlung für die Vorrichtung im Sinne des EP 2 324 XXA unter Ziffer II.4 findet. Dies verstärkt den Eindruck der Verwendung vorformulierter Klauseln, wobei es allerdings – entgegen der Berufung – für den Beleg einer Mehrfachverwendungsabsicht nicht genügt, dass eine Klausel in demselben Vertrag mehrfach Verwendung findet, da § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine „Vielzahl von Verträgen“ fordert.

b) Die vorformulierten Vertragsbedingungen wurden von der A auch als Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt und nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt.

aa) Verwenderin ist diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrags vorformulierte Vertragsbedingungen stellt. Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, NJW 1994, 2825, NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Vorliegend kommt es demnach nicht darauf an, ob die A die strafbewehrte Unterlassungserklärung selbst formuliert hat oder ihre damalig beauftragte Rechtsanwaltskanzlei C. Denn es bestehen keine Zweifel, dass diese im Auftrag der A handelte, die sich das Handeln daher zurechnen lassen muss.

Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden. Dabei genügt der einseitige Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12 a.E.; NJW 2016, 1230 Rn. 24 – Vertragsstrafe). Ein Ungleichgewicht hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht muss dabei nicht bestehen. Verwenderin kann auch eine Vertragspartei sein, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist (BGH, NJW 2010, 1131 Rn. 12).

Dass die A die Verwendung der von ihr eingebrachten Formularbestimmungen zumindest wünschte, steht vor dem Hintergrund des Inhalts ihres Abmahnschreibens vom 23. Oktober 2014 außer Frage. Denn dort wurde der Beklagten – mit äußerst knapper Frist bis zum nächsten Morgen, 8:00 Uhr – die Möglichkeit der Unterzeichnung der vorformulierten Unterlassungserklärung gegeben, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Dabei ging die A davon aus, dass die Erklärung durch die Beklagte mittels Unterzeichnung des zur Verfügung gestellten „Vordrucks“ erfolgen sollte.

bb) Allerdings gelten Vertragsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB dann nicht als von dem Verwender gestellt, soweit diese zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Ein solches Aushandeln ist vorliegend indes nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die Beklagte an der überreichten Unterlassungserklärung umfangreiche Kürzungen vorgenommen und dieser einen Einleitungssatz zur Rechtsbindung vorangestellt hat.

(1) Von einem Aushandeln kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, NJW 2019, 2080 Rn. 14).

Hieran werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt (Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand März 2023, Teil „Klauselwerke“, Stichwort: „Stromlieferverträge“ Rn. 102). So führt beispielsweise allein eine formularmäßige Aufforderung an den Unterzeichner, den Inhalt einer Formularerklärung durch Streichung einzelner Teile zu verändern, nicht zu der Annahme eines Aushandelns (BGH, NJW 1987, 2011). Auch die Aufforderung in einem Anschreiben, „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ mitzuteilen, genügt für sich genommen noch nicht, um davon auszugehen, dass tatsächlich die Gelegenheit eingeräumt wurde, eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, NJW 2016, 1230 Rn. 30 – Vertragsstrafe). In aller Regel muss sich die Bereitschaft zur Änderung in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlagen, es sei denn, es bleibt erst nach gründlicher Erörterung bei dem vorformulierten Text (BGH, NJW 1998, 2600, 2601; NJW 2013, 2027 Rn. 20; NJW 2015, 1952 Rn. 33).

(2) Vorliegend ergibt sich aus dem klägerischen Anschreiben keine Bereitschaft, den Inhalt der Unterlassungserklärung ganz oder teilweise ernsthaft zur Disposition zu stellen. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Klägerin die seitens der Beklagten vorgenommenen Änderungen akzeptiert hat.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang die Feststellung getroffen, dass die Beklagte in der Vertragsstrafeklausel die Formulierung „für jeden Fall der Nichteinhaltung“ in „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ abgeändert habe. An diese Feststellung ist der Senat allerdings nicht gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Denn wie eingangs erläutert haben sich die A und die Beklagte allein auf der Grundlage einer englischsprachigen Unterlassungserklärung geeinigt. Sowohl in dem an die Beklagten ausgehändigten Exemplar als auch in der von der Beklagten unterzeichneten Erklärung findet sich jeweils übereinstimmend die Formulierung „for each case of non-compliance“. Eine Anpassung der Formulierung seitens der Beklagten hat es daher nicht gegeben. Vielmehr wurde in den später angefertigten Übersetzungen der Begriff „non-compliance“ unterschiedlich in die deutsche Sprache übersetzt, einmal als „Nichteinhaltung“ und einmal als „Zuwiderhandlung“. Da aber an der eigentlichen Vertragsstrafeklausel im englischsprachigen Original („Upon pain of a contractual penalty of € 10.000.00 (ten thousand EUR) for each case of non-compliance - excluding the application of the continuation-of-offence clause - to refrain from”) keine Änderung vorgenommen wurde, kann hierauf ein „Aushandeln“ nicht gestützt werden.

Im Übrigen könnte selbst bei Vorliegen einer solchen Formulierungsänderung hieraus kein Rückschluss auf eine Dispositionsbereitschaft gezogen werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verliert eine Klausel selbst bei Änderungen des Textes ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel beibehalten und die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wurde (BGH, NJW 2015, 1952 Rn. 33). Vorliegend wäre mit der Formulierungsänderung aber keine Verbesserung der Rechtsposition der Beklagten einhergegangen. Aufgrund des in der Sache unveränderten Kerngehalts der Klausel hätte auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kerngehalt der Klausel seitens der Verwenderin ernsthaft zur Disposition gestellt wurde.

(3) Auch die Ergänzung in Form eines Einleitungssatzes lässt nicht den Rückschluss zu, dass die A die Vertragsstrafeklausel zur Disposition gestellt hat und insoweit von einer ausgehandelten Individualvereinbarung auszugehen ist. Das angegriffene Urteil enthält hierzu die Feststellung, dass der Unterlassungserklärung seitens der Beklagten der Einleitungssatz „for mere economical reasons and in order-to provide for a fast settlement of the matter, without prejudice, however, legally binding“ (deutsche Übersetzung: aus rein wirtschaftlichen Gründen und um eine schnelle Einigung in der Angelegenheit zu erzielen, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch rechtsverbindlich) vorangestellt wurde.

Die Formulierung des Vertragsstrafeklausel wurde durch diese Ergänzung allerdings nicht abgeändert. Dies ist deshalb von Belang, da es nicht darauf ankommt, ob die vom Verwender gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen an irgendeiner Stelle abgeändert oder ergänzt wurden, um von einem Aushandeln auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel vielmehr auch dann nicht ausgehandelt, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags nur dort Vertragsbedingungen geändert worden sind, nicht aber an der streitbefangenen Klausel (BGH NJW 2019, 2080 Rn. 15). Zwar mögen die Vertragspartner bei solchen Verhandlungen jeweils für sich ihre wirtschaftliche Position als einheitliches Paket beurteilt haben. Das rechtfertigt es aber nicht, eine vom Verwender gestellte, konkret nicht verhandelte und unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung als ausgehandelt anzusehen. Denn das Aushandeln muss sich nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen („im Einzelnen“) und führt nur in diesem Umfang („soweit“) zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, a.a.O.). Selbst in einem überwiegend als Individualvereinbarung ausgestalteten Vertrag können daher formularmäßige Einzelabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sein (BGH, NJW 1979, 2387; BGH NJW 1997, 135). Daher ist grundsätzlich für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gegeben sind oder nicht (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 46).

Die Ergänzung in Gestalt des Einleitungssatzes hat im Übrigen auch nur einen deklaratorischen Charakter (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 91), da in der strafbewehrten Unterlassungserklärung selbst keine Anerkennung der Berechtigung der Abmahnung liegt, sondern diese allein die Funktion hat, mit Wirkung für die Zukunft die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (BGH, GRUR 2013, 1252 Rn. 10 – Medizinische Fußpflege). Somit ist der Erklärungsinhalt dieser Ergänzung schon nicht in der Lage, den Inhalt der nachfolgenden vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung abzuschwächen, so dass die Akzeptanz der Ergänzung seitens der A nicht ihre Bereitschaft belegen kann, den wesentlichen Inhalt der von ihr vorgegebenen Vertragsstrafeklausel zur Disposition zu stellen.

(4) Die umfangreichen Streichungen der Beklagten in Bezug auf andere Vertragsklauseln führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien ergibt sich, dass die Beklagte große Teile aus der vorformulierten Unterlassungserklärung herausgestrichen hat, nämlich in Gestalt der Klauseln zur Rechnungslegung (Ziff. I.2, II.5), zur Entschädigung (Ziff. I.3. II.6), zur Vernichtung (Ziff. III), zur Tragung anwaltlicher Kosten (Ziff. IV) und der Gerichtsstandsvereinbarung (Ziff. V). Im Ergebnis hat sie damit nur die mit einer Vertragsstrafeandrohung versehene Unterlassungsverpflichtung übernommen.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abänderung eines Klauselwerkes an mehreren zentralen Punkten im Einzelfall darauf hindeuten, dass die Parteien alle sachlich damit zusammenhängenden Bedingungen in ihren Gestaltungswillen aufgenommen und damit das ganze Klauselwerk ausgehandelt haben (BGH, NJW 2013, 2027 Rn. 20). Dagegen spricht vorliegend aber schon, dass die Klausel zur vertragsstrafebewehrten Unterlassung als namensgebender Kern einer Unterlassungserklärung inhaltlich unverändert übernommen wurde. Es erscheint auch fernliegend, dass die A in diesem Kernbereich Streichungen gleichermaßen akzeptiert hätte. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, NJW 2013, 2027), in dem sich die Parteien mehrfach über den Inhalt eines möglichen vertraglichen Wettbewerbsverbots austauschten, sich wechselseitig entsprechende Entwürfe unterbreiteten und zu den Entwürfen der Gegenseite Stellung nahmen, kann vorliegend auch keine gründliche Erörterung festgestellt werden. Eine einseitig vorgenommene Streichung von Klauseln ist keine gründliche Erörterung, so dass deren Akzeptanz kein Aushandeln im Hinblick auf die unverändert gebliebene Vertragsstrafeklausel nahelegt.

4. Die Vertragsstrafenabrede benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Vertragsstrafenabreden im kaufmännischen Verkehr fallen zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht unter § 309 Nr. 6 BGB, sie unterliegen aber gleichwohl der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 12).

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender mit der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zu Grunde zu legen (vgl. z. B. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 13).

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, dass im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. „Wesentliche Grundgedanken“ des dispositiven Rechts sind solche, denen eine Leitbildfunktion zukommt und die eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellen (BGH, NJW-RR 2019, 1072 Rn. 26). „Gesetzliche Regelungen" sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; NJW 1998, 1640, 1642).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Vertragsstrafeklausel wegen ihres ausnahmslosen Ausschlusses des Zusammenfassens von einzelnen Verstößen als unangemessen benachteiligend einzustufen, da sie von einem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken abweicht, ohne dass dies wegen besonderer Umstände gerechtfertigt wäre.

Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, dass der in der Klausel enthaltene Einschub „excluding the application of the continuation-of-offence clause“ (deutsche Übersetzung: unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs) einen im Zusammenhang mit Vertragsstrafenabreden veralteten – wenn gleichwohl in der Vertragspraxis weiterhin verwendeten (vgl. z. B. Kummermehr, in; Kroiß (Hrsg.)/Kröger u.a., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 4 Rn. 196; Meyer-Sparenberg, in: BeckFormB BHW, 14. Aufl. 2022, Form. II.11) – Rechtsbegriff verwendet und dieser bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2014 überholt war. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2001 (vgl. BGH, NJW 2001, 2622 – Trainingsvertrag) seine bisherige Auffassung aufgegeben, wonach die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht einen vom Strafrecht losgelösten Bedeutungsgehalt gewonnen hat (so noch BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat könne im Recht der Vertragsstrafe nicht mehr anerkannt werden. Es müsse vielmehr durch Auslegung ermittelt werden, ob einzelne Taten, soweit sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellten, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln seien (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs hat seitdem (auch) im Bereich des Vertragsstrafenrechts keine Bedeutung mehr (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 113). Dies hat zur Folge, dass nun durch Auslegung ermittelt werden muss, ob einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Vertrags als rechtliche Einheit darstellen, als eine Zuwiderhandlung zu behandeln sind. Diese unterschiedliche Betrachtung ändert allerdings nichts daran, dass die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen eine Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sind (BGH, NJW 2001, 2622, 2624 – Trainingsvertrag).

Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein nach der heutigen Rechtslage nicht mehr gebräuchlicher Rechtsbegriff verwendet, so ist – entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln – nach einem objektivierten Empfängerhorizont zu ermitteln, was unter diesem Begriff im Zusammenhang heutiger Verhältnisse und geltender Rechtslage verstanden werden kann (OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 5601 Rn. 27). Losgelöst von der konkreten Begrifflichkeit kann es vorliegend keine Zweifel geben, dass durch die Klausel ein Zusammenfassen von Einzelverstößen und damit eine „Vergünstigung“ bei Mehrfachverstößen ausgeschlossen werden soll, wie sie – bei alleiniger Verwendung der Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ – ansonsten im Wege der Auslegung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. hierzu BGH, GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung).

Ungeachtet der Tatsache, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob einzelne Verstöße zusammenzufassen sind, nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichthofs die Vereinbarung der Parteien ist, entspricht es nach wie vor einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass je nach Einzelfall mehrere Einzelakte zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind und die Strafe nur einmal auslösen, wenn sie eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. hierzu BGH, NJW 1960, 2332). Daher muss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch geeignete Formulierungen sichergestellt werden, dass durch die Aufsummierung rechtlich zusammengehöriger Einzelstrafen keine unangemessene Gesamtstrafhöhe entsteht (BeckOK BGB/Becker, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 309 Nr. 6 Rn. 28). Schließt eine Klausel hingegen eine Behandlung mehrerer Zuwiderhandlungen als Einheit kategorisch aus, z. B. durch ein Verbot der Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs, so verletzt sie diesen Grundgedanken und stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar (BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 4, juris; OLG Nürnberg, MDR 2023, 1262, 1263; BeckOGK/Kähler, 1.4.2023, BGB § 307 Vertragsstrafeklausel Rn. 209; Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Stand: März 2023, Teil „Vertragsrecht“, Stichwort „Vertragsstrafe“ Rn. 35; Pitz, in: BeckOF Prozess, 56. Ed. 2023, Form. 9.1.1.3 Anm. Rn. 1; offengelassen von: BGH, NJW 2017, 3145 Rn. 22, Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. C Rn. 94 a.E.).

So liegt der Fall auch hier. Die Vertragsstrafeklausel benachteiligt den Schuldner durch den Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs unangemessen. Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Abweichung vom Rechtsgrundsatz der Zusammenfassung bei natürlicher Handlungseinheit ausnahmsweise rechtfertigen könnten, z. B. in Form einer aus bestimmten Gründen gegebenen Notwendigkeit oder besonderer Interessen der Gläubigerseite (vgl. hierzu BGH, NJW 1993, 721, 722 – Fortsetzungszusammenhang). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich in den letzten 30 Jahren seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) in der Praxis die Verwendung von Klauseln, die eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung ohne einen entsprechenden Ausschluss vorsehen, aus Gläubigersicht als unzureichend erwiesen hätte.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass auch der Unterlassungsschuldner ein Interesse an der Wirksamkeit einer solchen Vertragsstrafeklausel habe, da bei der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vertragsstrafeklausel die Wiederholungsgefahr wiederauflebe, so verfängt dies nicht. So überzeugt bereits die Argumentation nicht, dass ein Unterlassungsschuldner stets eine ihn ungemessen benachteiligende Vertragsstrafeklausel hinnehmen wolle, um (weiterhin) die Wiederholungsgefahr beseitigt zu sehen. Denn er hat es in der Hand, diese Wirkung durch die Abgabe einer eigenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr keiner Annahme durch den Gläubiger bedarf (BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 21 – Testfundstelle), wiederherzustellen.

Der Senat setzt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in einen Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Lauterkeitsrecht. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mitnichten seine Rechtsprechung zur unangemessenen Benachteiligung von Klauseln, die den Fortsetzungszusammenhang ausschließen (BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang), aufgegeben. Er hat dort allein darauf verwiesen, dass in dem zu entscheidenden Fall die Verneinung eines Missbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. nicht deshalb anders zu beurteilen sei, weil der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs in einer dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorgesehen hatte (vgl. BGH, GRUR 2012, 286 – falsche Suchrubrik). Eine (stillschweigende) Billigung dieser Klauseln unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung kann hieraus nicht hergeleitet werden. Vielmehr führt die Verwendung dieser Klauseln nicht (zugleich) auch zwangsläufig zu der Annahme einer missbräuchlichen Rechtsdurchsetzung im Sinne des Lauterkeitsrechts.

Soweit die Klägerin – ebenfalls unter Bezugnahme auf das Lauterkeitsrecht – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (MDR 2023, 1262=GRUR-RS 2023, 18853) verweist, so verkennt sie, dass sich dieses in der von der Klägerin zitierten Passage (GRUR-RS 2023, 18853 Rn. 36) allein mit der Frage einer Zulässigkeit des Ausschlusses des Fortsetzungszusammenhangs im Rahmen einer Individualvereinbarung befasst. Dahingegen wird eine Randnummer zuvor zutreffend darauf hingewiesen, dass „in allgemeinen Geschäftsbedingungen […] eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam“ ist (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 35).

c) Das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung führt gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Bestimmung. Dies hat vorliegend zur Folge, dass die gesamte Vertragsstrafeklausel als unwirksam anzusehen ist.

Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion scheidet es insbesondere aus, die Klausel durch die Streichung des Einschubes zum Fortsetzungszusammenhang auf ein zulässiges Maß zurückzuführen (so auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2022, 556 Rn. 22 – VENOM; OLG Köln, Beschl. v. 15. Juni 2010 – 19 U 53/10 –, Rn. 5, juris). Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bundesgerichtshof dies in seiner Entscheidung „Fortsetzungszusammenhang“ (BGH, NJW 1993, 721) abweichend beurteilt habe. Denn dort musste sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage nicht befassen, da schon die Bejahung der Unwirksamkeit der Ausschlussklausel zu einer Aufrechterhaltung des Urteils der Berufungsinstanz führte, die die Klausel nur einschränkend ausgelegt hatte und deshalb zur Abweisung weiterer Ansprüche der (Revisions-)Klägerin gelangt war.

Die Klausel ist auch nicht aufteilbar im Sinne eines „blue-pencil-tests“. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die eigentliche Vertragsstrafenabrede aus Ziffer 1 der Unterlassungserklärung herauslösen ließe, so dass mit der – dann nicht mehr strafbewehrten – Verpflichtung zum Unterlassen ein zulässiger Teil verbliebe. Denn die Vertragsstrafenabrede an sich, von deren Wirksamkeit der Klageerfolg abhängt, ist jedenfalls nicht teilbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs. Hierfür wäre Voraussetzung, dass sich in einer Klausel mehrere inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen finden, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können (BGH, NJW 2020, 1811 Rn. 26). Dies könnte zwar gegebenenfalls für die Verpflichtung zur Unterlassung einerseits und für die Vertragsstrafenabrede andererseits zu bejahen sein. Der Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs innerhalb der Vertragsstrafeklausel stellt hingegen keine eigenständige Regelung dar, die Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein könnte, sondern bestimmt allein und von dieser abhängig die Reichweite der Vertragsstrafe (so auch OLG Frankfurt, und OLG Köln a.a.O.). Ein Herausstreichen würde damit kein Aufteilen zweier zusammengefasster selbständiger Regelungen in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil darstellen, sondern wäre eine unzulässige geltungserhaltene Reduktion.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Banken und Sparkassen dürfen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen

OLG Frankfurt
Urteil vom 05.10.2023
3 U 286/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Banken und Sparkassen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen dürfen. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen, so dass dieser voraussichtlich die Sache entscheiden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Vertragsbedingungen - Klausel über Verwahrentgelte wirksam

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen einer deutschen Geschäftsbank. Sie verpflichten u.a. Sparer bei Überschreiten eines bestimmten Freibetrags zur Zahlung von sog. Verwahr- bzw. Guthabenentgelten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass diese Klauseln wirksam sind. Sie unterfallen als Preishauptabreden nicht der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen und sind zudem weder intransparent noch überraschend.

Die beklagte Geschäftsbank wendet sich u.a. gegen ihre Verurteilung, AGB-Klauseln, die zur Zahlung eines Entgelts für die Verwahrung von Spareinlagen verpflichten, nicht mehr zu verwenden. Die beklagte Bank schließt mit Verbrauchern u.a. Verträge über die Verwahrung von Spareinlagen. Neukunden mussten im Zeitraum von Mitte des Jahres 2020 bis Mitte 2022 ab einem Freibetrag von zunächst € 250.000 ein Verwahrentgelt zahlen, Bestandskunden nach entsprechender Vereinbarung. Bei Abschluss einer Geschäftsbeziehung mit Neukunden verwendete die Beklagte ein Formular, in dem in Ziff. 15 eine „Rahmenvereinbarung zur Verwahrung von Einlagen“ enthalten war. Das dort in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnis sah für neu eingerichtete Kundennummern oberhalb des Freibetrags ein Verwahrentgelt von 0,5 % p.a. vor. Die Neukunden mussten mit einer gesonderten Unterschrift ihr Einverständnis mit der Verwahrung der Einlagen erklären. Gegenüber Bestandskunden stellte die beklagte Bank ab Anfang 2021 eine vorformulierte Vereinbarung zur Diskussion, die ebenfalls die Verpflichtung zur Zahlung eines Guthabenentgelts in Höhe von 0,5% für Euro-Einlagen einschließlich Spareinlagen enthielt.

Das Landgericht hatte die Beklagte u.a. verurteilt, die Klauseln über die Erhebung von Verwahr- bzw. Guthabennentgelten nicht mehr zu verwenden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Die Klauseln seien wirksam vereinbart worden, begründete das OLG seine Entscheidung. Dabei könne offenbleiben, ob es sich bei den streitgegenständlichen Klauseln auch im Bereich der Bestandskunden um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Jedenfalls stellten die Klauseln sowohl im Rahmen der Neu- als auch der Bestandskundengeschäfte sog. Preishauptabreden dar. Derartige Klauseln, die unmittelbar den Preis für die Hauptleistung bestimmten, seien der Inhaltskontrolle nach dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen.

Die Klauseln regelten unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung bei Sparverträgen. „Verwahrung und Rückgewähr des gleichen Geldbetrags (ist die) einseitige vertragliche Hauptleistungspflicht der Bank aus dem Sparvertrag“, betont das OLG im Anschluss an die dahingehende Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil vom 25.07.2023, Az. XI ZR 221/22). Da Sparverträge nur einseitig zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichteten, könne die Bank damit auch einen Preis dafür bestimmen, der keiner Inhaltskontrolle nach den Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege. Es liege - entgegen der Ansicht des Landgerichts - kein Darlehensvertrag vor, da der Sparer nicht zur Einzahlung eines bestimmten Geldbetrags verpflichtet sei.

Ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Klauseln gegenüber Neu- wie Bestandskunden selbst im Fall einer Inhaltskontrolle nicht unwirksam wären. Sie benachteiligten den Sparer nicht unangemessen, da aus dem Sparvertrag als unregelmäßigem Verwahrungsvertrag nur einseitig die Bank zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichtet sei. Anders als den Darlehensgeber treffe den Sparer keine durch Zahlung von Zinsen zu vergütende Pflicht, der Bank Gelder zu überlassen. Folglich seien die Klauseln auch nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Darlehensvertrags unvereinbar. Auch seien die streitgegenständlichen Klauseln weder intransparent noch überraschend. Jeder Neukunde müsse sich klar und unmissverständlich durch seine Unterschrift mit der Vereinbarung zur Verwahrung von Einlagen einverstanden erklären. Die Vereinbarung mit Bestandskunden diene ersichtlich gerade der Vereinbarung eines Guthabenentgelts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die binnen einen Monats einzulegende Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 5.10.2023, Az. 3 U 286/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2022, Az. 2-25 O 228/21)


Volltext BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam und es besteht ein Rückzahlungsanspruch

BGH
Urteil vom 20.04.2023
I ZR 113/22
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam - Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlter Reservierungsgebühr über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende
Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]).
b) Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (Bestätigung von BGH, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 11 bis 17]).

BGH, Urteil vom 20. April 2023 - I ZR 113/22 - LG Dresden - AG Dresden

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Klauseln in Makler-AGB die eine Reservierungsgebühr vorsehen sind unwirksam - Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlter Reservierungsgebühr

BGH
Urteil vom 20.04.2023
I ZR 113/22


Der BGH hat entschieden, dass Klauseln in Makler-AGB, die eine Reservierungsgebühr vorsehen, nach sind § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Betroffene haben einen Anspruch auf Rückzahlung einer bereits gezahlten Reservierungsgebühr.

Makler können Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren

Der unter anderem für das Maklerrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist.

Sachverhalt:

Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag und im Nachgang dazu einen Reservierungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der Reservierungsvertrag sei wirksam. Er stelle eine eigenständige Vereinbarung mit nicht nach den §§ 307 ff. BGB kontrollfähigen Hauptleistungspflichten dar.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Beklagte auf die Revision der Kläger zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt.

Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.

Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat.

Vorinstanzen:

AG Dresden - Urteil vom 23. April 2021 - 113 C 4884/20

LG Dresden - Urteil vom 10. Juni 2022 - 2 S 292/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist …




OLG Frankfurt: Bank darf keine Vergütung für Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen - entsprechende Klausel in AGB einer Bank unwirksam

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2022,
17 U 132/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Bank keine Vergütung für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf. Ein entsprechende Klausel in den AGB einer Bank ist nach § 307 BGB unwirksam

Unwirksame Klausel - Keine Bankgebühr allein für das Errechnen der Vorfälligkeitsentschädigung

Das Errechnen der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens gehört - unabhängig von § 493 Abs. 5 BGB - zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank gegenüber Verbrauchern. Die Bank darf dafür kein gesondertes Entgelt verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die beklagte Bank verurteilt, die Verwendung einer Klausel, mit der 100 € für die Errechnung verlangt wurden, zu unterlassen.

Die Beklagte betreibt eine Bank und bewirbt u.a. Verbraucherkredite. Nach ihrem Preisverzeichnis verpflichten sich private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 € zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens (Allgemeindarlehen oder eines vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliardarlehen) errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt. Sie wird - mit Ausnahme grundpfandrechtlich besicherter Darlehen - nicht auf eine im Fall vorzeitiger Rückführung tatsächlich zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet. Der Kläger hält die Klausel für unwirksam. Das Landgericht hatte den Unterlassungsantrag insoweit abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg.

Die Klausel sei unwirksam, entschied das OLG. Bei der Aufwandsentschädigung handele es sich um eine voll überprüfbare sog. Preisnebenabrede. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar und benachteilige die Kunden unangemessen. Die Bank sei nebenvertraglich verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Höhe einer Vorfälligkeitsentscheidung bei vorzeitiger Rückführung zu informieren. Dies gelte unabhängig von den gesetzlich normierten Informationspflichten nach § 493 Abs. 5 BGB (anwendbar ab dem 21. März 2016 in Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie (RL 2014/17/EU)). Diese bezögen sich allein auf Immobiliardarlehensverträge. Der Darlehensnehmer habe grundsätzlich ein Informationsbedürfnis. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die für den durchschnittlichen Verbraucher schwer nachzuvollziehen seien. Die Bank könne dagegen die Entschädigung mithilfe eines Computerprogramms ohne großen Aufwand errechnen. Die Berechnung stelle damit keine zusätzliche Sonderleistung dar, die einer gesonderten Vergütung unterliege. Dies gelte unabhängig davon, ob es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung komme oder nicht.

Die beanstandete Klausel weiche damit von dem Grundsatz ab, dass die Bank ohne gesondertes Entgelt ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Unterrichtung des Darlehensnehmers erfüllen müsse. Diese Abweichung indiziere eine unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer. „Dass die jeweilige Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung mit einem Verwaltungsaufwand ... einhergehen kann, hat diese nach der vertraglichen Abrede hinzunehmen“, ergänzt das OLG.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2022, Az.: 17 U 132/21

(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.2021, Az.: 2/25 O 190/20)

Erläuterungen:

§ 493 BGB Informationen während des Vertragsverhältnisses
(1) 1Ist in einem Verbraucherdarlehensvertrag der Sollzinssatz gebunden und endet die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Ende der Sollzinsbindung darüber, ob er zu einer neuen Sollzinsbindungsabrede bereit ist. 2Erklärt sich der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung den zum Zeitpunkt der Unterrichtung vom Darlehensgeber angebotenen Sollzinssatz enthalten.
...

(5) 1Wenn der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags dem Darlehensgeber mitteilt, dass er eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, ist der Darlehensgeber verpflichtet, ihm unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln. 2Diese Informationen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten:

Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung,
im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und
gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung.
3Soweit sich die Informationen auf Annahmen stützen, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sein und als solche dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden.

§ 307 BGB
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.



LG Frankfurt: Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig - Klausel in AGB der Commerzbank wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam

LG Frankfurt
Urteil vom 18.11.2022
2-25 O 228/21


Auch das LG Frankfurt hat entschieden, dass Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind. Die entsprechende Klausel in den AGB der Commerzbank ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam.

LG Düsseldorf: Strafzinsen-Klausel in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam - Verwahrentgelt ist mit wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung unvereinbar

LG Düsseldorf
Urteil vom 22.12.2021
12 O 34/21

Auch das LG Düsseldorf hat entschieden, dass Strafzinsen-Klauseln in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Die Beanspruchung eines Verwahrentgelts bei Zahlungsdiensteverträgen ist mit den wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung unvereinbar. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Nürnberg: Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlichem Urteil mit vorläufiger Vollstreckbarbarkeit gegen Sicherheitsleistung

OLG Nürnberg
Urteil vom vom 21.12.2021
3 U 3716/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass auch die Zahlung der Sicherheitsleistung zur rechtzeitigen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei erstinstanzlicher Entscheidung mit vorläufiger Vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung erforderlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass zu einer rechtzeitigen Vollziehung in Fällen, in denen im erstinstanzlichen Endurteil die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheit abhängig gemacht wurde, ebenfalls die Leistung dieser Sicherheit zur Wahrung der Vollziehungsfrist erforderlich ist (ebenso OLG Celle Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409; sie zitierend G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10, wenn auch verbal zur abhängig gemachten „Vollziehung“).

a) Soweit in Literatur und Rechtsprechung die Sicherheitsleistung in dieser Sachverhaltsgestaltung als entbehrlich angesehen wird, wird dies im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen Vollziehung und Vollstreckung zu unterscheiden sei und die Monatsfrist nur für die erstgenannte gelte (OLG Hamm, Urteil vom 23. März 1982, 4 U 7/82, MDR 1982, 763; Seiler, in: Thomas/Putzo, 40. Auflage 2019 § 938 Rn. 7; Burkhardt, in: Wenzel, das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 11 Rn. 277).

Gegen diese Argumentation spricht allerdings, dass unter „Vollziehung“ allgemein die Zwangsvollstreckung aus dem einstweiligen Titel zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, BGHZ 131, 141 = NJW 1996, 198 (198); BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 928 Rn. 1). Der Umstand, dass § 928 ZPO die Regeln für die Zwangsvollstreckung auf die Vollziehung für nur „entsprechend“ anwendbar erklärt, beruht ausschließlich darauf, dass Arrest und einstweilige Verfügung regelmäßig nur auf eine Sicherung, nicht eine Befriedigung angelegt sind (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1077); MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 928 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2; für eine mit dem vorliegenden Sachverhalt identische Konstellation OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409). Die terminologische Unterscheidung besitzt daher keine weitergehende Bedeutung (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 928 Rn. 1). Die Vollziehung verlangt daher grundsätzlich, die jeweils gebotene Vollstreckungshandlung vorzunehmen.

b) Der Sinn und Zweck des Erfordernisses, die erlangte Verfügung innerhalb der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO zu vollziehen, gebieten ebenfalls das Verständnis, dass eine angeordnete Sicherheitsleistung erbracht sein muss, wenn die Vollziehung vor Eintritt der Rechtskraft des Verfügungsurteils unternommen wird.

aa) Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtsschutzes. Sie verhindert, dass die Arrestvollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Arrestanordnung wesentlich unterscheiden, und dient so dem Schutz des Schuldners. Sie stellt zudem sicher, dass der Arrestgrund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt, und bildet damit eine Sperre für eine Inanspruchnahme des Arrestverfahrens auf Vorrat (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 929 Rn. 1; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 1; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 4, je m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 15). Das Erfordernis einer alsbaldigen Vollziehung entspricht dabei auch dem Zweck des Arrest- und Verfügungsverfahrens, dem Gläubiger schnell eine Vollstreckungsmöglichkeit zu verschaffen, um die Verwirklichung materieller Rechte nicht durch den Zeitablauf zu gefährden (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, Vorbemerkung zu §§ 916-945 b Rn. 3 u. 4).

bb) Zur Vollziehung bedarf es einer aktiven Tätigkeit des Gläubigers, die ein Gebrauchmachen vom erwirkten Titel zum Ausdruck bringt (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 14).

cc) Vom erfolgreichen Verfügungskläger wird daher grundsätzlich gefordert, dass er innerhalb der Vollziehungsfrist den (i.d.R. erforderlichen) Antrag auf Durchführung der jeweils vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahme stellt (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Hertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 4). Etwaige Verzögerungen der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest/der Verfügung dürfen nicht vom Gläubiger zu verantworten sein (Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 5). Der Vollstreckungsantrag muss somit rechtzeitig gestellt sein und alle weiteren Voraussetzungen erfüllen, damit seiner Ausführung und Erledigung keine Hindernisse entgegenstehen, d.h. die Vollstreckungsakte sofort vorgenommen werden können (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 10; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 929 Rn. 11).
17
Dies ist dahingehend zu verallgemeinern, dass der Vollstreckungsgläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist alles unternehmen muss, um eine Zwangsvollstreckung - deren Ermöglichung gerade Ziel und Rechtfertigung des Arrest- und Verfügungsverfahrens ist - zu bewirken bzw. bewirken zu können.

dd) Im Bereich der Ordnungsmittelvollstreckung muss der Gläubiger zwar zunächst keinen Bestrafungsantrag stellen, sondern lediglich die Zustellung der anordnenden Entscheidung und einer Ordnungsmittelandrohung gem. § 890 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb bewirken. Diese Reduzierung des von ihm Vorzunehmenden beruht jedoch ausschließlich auf den Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung gem. § 890 ZPO, bei der auf eine eingetretene Zuwiderhandlung sanktionierend reagiert wird. Der Vollstreckungsgläubiger kann daher innerhalb der Vollziehungsfrist typischerweise noch nicht mehr unternehmen, als Titel und Androhung zustellen zu lassen, weil ein Verstoß noch nicht eingetreten ist und deshalb der Bestrafungsantrag zurückgewiesen werden müsste (siehe nur Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Statt dessen wird eine Zustellung des Urteils im Parteibetrieb für erforderlich gehalten, auch wenn der Unterlassungsschuldner die Pflicht bereits mit Erlass eines entsprechenden Urteils zu beachten hat (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078)), weil dies eine geeignete Maßnahme darstellt, mit der der Gläubiger wie von § 929 Abs. 2 ZPO gefordert seinen Vollziehungswillen betätigen und manifestieren kann (vgl. BeckOK ZPO/Mayer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 936 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14).

ee) Aus diesen Gründen erscheint es konsequent, vom Verfügungskläger auch die Leistung einer - wenn auch zu Unrecht - geforderten Sicherheit vorauszusetzen, um die Vollziehungsfrist zu wahren.

Wie ausgeführt, könnte bei der Geldvollstreckung einem entsprechenden Vollstreckungsantrag, der dort essentiell ist, kein Erfolg beschieden sein, wenn eine erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht ist, und zwar unabhängig davon, ob von dieser die Vollziehung des Arrestbefehls oder nur die Zwangsvollstreckung aus dem Arresturteil abhängig gemacht wurde. Dem Antrag könnte nämlich erkennbar, solang die Sicherheit nicht geleistet ist, nicht entsprochen werden, weshalb er auch nicht als Vollziehung ausreichen kann. Dann spricht aber auch alles dafür, es bei der Vollstreckung von Unterlassungspflichten nicht anders zu handhaben.

Zudem stellt die Leistung einer Sicherheit ein dem Gläubiger mögliches und objektiv aussagekräftiges Mittel dar, um den eigenen Vollziehungswillen zu manifestieren. Durch sie belegt der Gläubiger, dass er von der Vollstreckungsbefugnis Gebrauch machen und dazu die verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung aus § 945 ZPO, wegen der die Sicherheit zu leisten ist, in Kauf nehmen will. Ein Gläubiger, der die Sicherheitsleistung nicht erbringt, zeigt umgekehrt, dass er zumindest aktuell noch nicht bereit ist, alles erforderliche zu unternehmen.

Bestätigt wird dies dadurch, dass der Gläubiger dann, wenn die Ordnungsmittelandrohung noch nicht im verkündeten Urteil enthalten war, auch diese zustellen lassen muss, um eine Vollziehung zu bewirken (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199); G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 929 Rn. 14; Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 7; Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16). Erst die Androhung macht einen Verstoß strafbewehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)) und ist daher der Beginn der Zwangsvollstreckung (Thümmel, in: Wieczorek/Schütze, 5. Aufl. 2020, § 928 Rn. 2). Der Gläubiger wird somit auch in dieser Hinsicht für verpflichtet gehalten, innerhalb der Vollziehungsfrist alle Schritte zu unternehmen, damit der Unterlassungsschuldner im Fall eines Verstoßes später geahndet werden kann.

ff) Auch im Übrigen spricht der Zweck der Sicherheitsleistung dafür, sie auch in Fällen der vorliegenden Art zu fordern, wenn der Schuldner das auferlegte Verbot beachten soll.

Müsste der Schuldner zunächst nicht nur das Verbot beachten, sondern er auch mit einem späteren Ordnungsmittelantrag und einer deswegen erfolgenden Verurteilung zu rechnen haben, muss er auch Gewähr haben, einen bei späterer Aufhebung der Verfügung ihm zustehenden Schadensersatz gem. § 717 ZPO oder § 945 ZPO realisieren zu können. Die Schadensersatzpflicht aus § 717 ZPO bzw. § 945 ZPO darf daher jeweils nicht später einsetzen als die strafbewehrte Verbindlichkeit des Unterlassungsgebots für den Schuldner; dieser muss geschützt sein, sobald er das Verbot beachten und im Fall einer Zuwiderhandlung mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 16, BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398), je m.w.N.). Könnte der Verfügungskläger einerseits davon absehen, die Sicherheit zu leisten, aber andererseits strafbewehrt Beachtung beanspruchen (und deshalb später Sanktionen erwirken), worauf die Vollziehung ihrem Wesen nach abzielt, wäre das vom Gesetzgeber intendierte ausgewogene System gestört.

Dies deckt sich damit, dass die Verhängung von Ordnungsmitteln allgemein, d.h. auch außerhalb des Verfügungsverfahrens, voraussetzt, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung unter Beachtung von § 751 Abs. 2 ZPO über die Leistung der erforderlichen Sicherheit unterrichtet war und daher wusste, dass er mit Ordnungsmitteln zu rechnen hat, wenn er sich weiterhin nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält. Der Schuldner soll Klarheit darüber haben, von wann ab er mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss, wenn er sich nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hält (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397 (398); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2018 - 2 W 13/18, GRUR-RS 2018, 54694, Rn. 5). Der Verfügungsklägerin kommt insoweit nicht zugute, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 750 ZPO noch nicht bei der Ordnungsmittelandrohung, sondern erst bei der Beantragung einer Ordnungsmittelfestsetzung gegeben sein müssen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 14), da die Sicherheitsleistung nicht in § 750 ZPO, sondern in § 751 ZPO geregelt ist.

gg) Die Argumentation der Verfügungsklägerin, dem Verfügungsbeklagten entstünden keine Nachteile, wenn das auferlegte Verbot zwar mit der Verkündung beachtlich wird, aber keine Sanktionierung erfolgen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009, I ZB 115/07, GRUR 2009, 890, Rn. 12; Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, NJW 1993, 1076 (1078); BGH, Urteil vom 2. November 1995 - IX ZR 141/94, NJW 1996, 198 (199)), übersieht, dass die ZPO dem Verfügungskläger mit § 929 Abs. 2 ZPO auferlegt, binnen Monatsfrist die Zwangsvollstreckung zu initiieren oder zumindest eine äquivalente Handlung vorzunehmen, um auszudrücken, dass von der erwirkten Entscheidung Gebrauch gemacht werden soll. Wie dargestellt, kann dabei zwar aufgrund der Besonderheiten der Ordnungsmittelvollstreckung nicht auf den Ordnungsmittelantrag (der eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraussetzen würde) abgestellt werden, sondern muss an die Bekanntgabe der Entscheidung samt Ordnungsmittelandrohung angeknüpft werden. Für die Frage, was zu einer Vollziehung erforderlich ist, um den Vollziehungswillen ausreichend zum Ausdruck zubringen, hilft der Hinweis darauf, dass sich eine von der Vollziehung unabhängige Beachtenspflicht bereits mit der Verkündung ergibt, nicht weiter. Wenn jedoch das Gesetz fordert, dass der Gläubiger eine Vollziehung unternimmt, kann dies nichts anders bedeuten, als dass er die Voraussetzungen schaffen muss, damit der Schuldner das Verbot nicht nur überhaupt, sondern gerade auch strafbewehrt zu beachten hat (weil nur dies als Vollstreckungsmaßnahme begriffen werden kann), was wiederum bedeutet, dass alle Voraussetzungen einer späteren Ahndung eines Verstoßes geschaffen werden müssen.

Aus diesem Grund verfängt auch der Hinweis nicht, der Verfügungskläger sei lediglich zur Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft berechtigt, aber nicht verpflichtet. Die Verpflichtung zur Vollziehung besteht ungeachtet dessen. Aufgrund § 929 Abs. 2 ZPO gilt der im Bereich der vorläufigen Vollstreckbarkeit herrschende Satz, dass der erfolgreiche Kläger bis zur Rechtskraft zuwarten darf und sich nicht dem Risiko einer Haftung gem. § 717 Abs. 2 ZPO aussetzen muss (BGH, Urteil vom 30. November 1995, IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233 = NJW 1996, 397), für das Verfügungsverfahren mit Rücksicht auf die oben dargestellten Gründe gerade nicht.

hh) Für die klägerseits vertretene Auffassung lässt sich nach alledem auch nicht anführen, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein Verbot unabhängig von der Vollziehungsfrist sei (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 929 Rn. 18 m.w.N.). Danach kann zwar die Ahndung auch noch später, d.h. nach Fristablauf, erfolgen, wenn dann ein Antrag gestellt und die Voraussetzungen für eine Stattgabe vorliegen. Dafür, was innerhalb der Frist bewirkt sein muss, sagt dies nichts.

c) Der Verfügungskläger, dessen Antrag in einem Verfügungsurteil zwar in der Sache positiv verbeschieden wurde, dessen Vollstreckung aber - irrtümlich - von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, befindet sich auch nicht in einer Situation, in der ihm unzumutbar wäre, die Voraussetzung zu erfüllen.

aa) Der Antragsteller muss wegen § 921, § 936 ZPO stets damit rechnen, dass ihm das Gericht eine Sicherheit auferlegt, und er später, will er nicht ein Unwirksamwerden der Verfügung wegen Nichtleistung riskieren, eine solche beibringen muss.

bb) Zudem kann sich der Verfügungskläger nach Auffassung des Senats in einem solchen Fall gegen die Teil-Zurückweisung des Verfügungsantrags mit der Berufung wenden. Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens wird zwar nicht einheitlich beurteilt (tendenziell kritisch etwa Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 718 Rn. 2; BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; für eine Zulässigkeit dagegen OLG Nürnberg, Urteil vom 10. November 1988, 8 U 3100/88, NJW 1989, 842; Schmidt, in: Anders/Gehle, ZPO, 80. Auflage 2022, Vorbemerkung zu § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit Rn. 8). Das dort jeweils angeführte Hauptargument, mit Ablauf der Berufungsfrist entfalle die Beschwer und dem Beschwerten sei zumutbar, die Monatsfrist abzuwarten, da eine vorherige Entscheidung ohnehin nicht erreichbar sei (BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 108 Rn. 21; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4. September 2007 - 9 U 46/07, BeckRS 2007, 17929; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 31. März 2005 - 20 U 32/05, NJW-RR 2006, 66), greift aber in Konstellationen der vorliegenden Art gerade nicht (zutreffend OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499); für eine Zulässigkeit in einem solchen Fall wohl auch MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 31). Zum einen ist das Abwarten wegen der gesetzlich auferlegten Notwendigkeit, die erwirkte Verfügung zu vollziehen, nicht zumutbar. Zum anderen ist eine Entscheidung über den Berufungsantrag vor Ablauf der für den Gegner laufenden Berufungsfrist und der Vollziehungsfrist möglich (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 28. August 2008, 1 U 173/08, NJW-RR 2009, 498 (499)), wenn der beschwerte Verfügungskläger sein Rechtsmittel alsbald einlegt und in der geboten knappen Weise mit der Verkennung des Umstands begründet, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind (siehe dazu nur MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, § 704 Rn. 15; § 708 Rn. 3; BeckOK ZPO/Ulrici, 42. Ed. 1.9.2021, § 704 Rn. 19; Giers/Scheuch, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 704 Rn. 11).

cc) Jedenfalls wäre dem Verfügungskläger möglich, in einem vom Verfügungsbeklagten deswegen initiierten Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung einen Neuerlass der Verfügung zu beantragen (vgl. jeweils OLG Celle, Beschluss vom 20. Januar 2006, 13 W 5/06, BeckRS 2006, 1409); einem solchen Antrag dürfte ein Wegfall der Dringlichkeit nicht entgegengehalten werden können, wenn er aufzeigt, nur durch die auferlegte Sicherheitsleistung an der Vollziehung gehindert gewesen zu sein.

dd) Derartiges hat die Verfügungsklägerin vorliegend jeweils nicht unternommen.

d) Auch das Rechtsanwaltsgebührenrecht gebietet nicht ein anderes Ergebnis. Unabhängig von der grundlegenden Frage, wann sich überhaupt belastbare Folgerungen aus dem Kostenrecht für das Verfahrensrecht ziehen lassen (da grundsätzlich das Gebührenrecht an das Prozessrecht anknüpft und nicht umgekehrt), ist aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG und § 19 Abs. 1 Nr. 16 RVG lediglich abzuleiten, dass die Zustellung der erwirkten Verfügung keine Gebühr auslöst, auch wenn sie deren Vollziehung dient und dazu notwendig ist. Hieraus lässt sich aber nichts dafür gewinnen, ob es ggf. auch der Sicherheitsleistung bedarf. Fraglich könnte daher nur sein, ob die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei einer Sicherheitsleistung, wenn diese zur Vollziehung notwendig ist, bereits eine 0,3-Gebühr auslöst oder nicht; da eine klare Einordnung im Gebührenrecht fehlt, lässt sich jedenfalls kein aussagekräftiger Rückschluss für die Frage der Erforderlichkeit ziehen.

Nur ergänzend ist daher anzumerken, dass die ratio legis des § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG darin gesehen wird, dass der Zusammenhang zwischen dem Erlass der Verfügung und deren Zustellung so eng ist, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Zustellung noch zum Rechtszug gehört (HK-RVG/Christian Rohn, 8. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 39; BeckOK RVG/v. Seltmann, 54. Ed. 1.9.2021, RVG § 18 Rn. 9; Hinne, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, RVG § 18 Rn. 5, alle m.w.N.).

3. Der Senat sieht auch keine andere Möglichkeit, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Erstgericht die Sicherheitsleistung offenbar deshalb angeordnet hat, weil es übersehen hat, dass stattgebende Entscheidungen im Verfügungsverfahren kraft Natur der Sache stets aus sich heraus und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind. Selbst wenn eine Berichtigung des Urteilstenors - der aber das Fehlen der erforderlichen Offensichtlichkeit entgegenstehen dürfte, weil auch die Entscheidungsgründe Ausführungen enthalten - möglich gewesen wäre, hätte dies die Verfügungsklägerin von der Last erst befreit, wenn die Berichtigung erfolgt wäre.

Die Berufung hat daher Erfolg, weshalb das Verfügungsurteil aufzuheben und der Antrag ohne weitere Prüfung seiner Begründetheit abzuweisen war."


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LG Berlin: Verwahrentgelt durch Strafzinsen-Klausel für Girokonto und Tagesgeldkonto in Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam - Kunde hat Anspruch auf Erstattung

LG Berlin
Urteil vom 28.10.2021
16 O 43/21


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine Verwahrentgelt durch Strafzinsen-Klausel für Girokonto und Tagesgeldkonto in den Banken-AGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Der Kunde hat hinsichtlich bereits bezahlter Strafzinsen einen Anspruch auf Erstattung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist aus §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit mit §§ 675f Abs. 5 S. 1, 700 Abs. 1, 488 Abs.1 S. 2 BGB begründet, denn die Beanspruchung eines Verwahrernentgeltes bei Zahlungsdienstverträgen ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Die Klausel benachteiligt den Verbraucher daher unangemessen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Celle: Klausel in Agenturvertrag mit langjähriger Bindung des Models an die Agentur unwirksam - 5 Jahre mit Verlängerungsklausel

OLG Celle
Urteil vom 01.04.2021
13 U 10/20


Das OLG Celle hat entschieden, dass eine Klausel in einem Agenturvertrag mit langjähriger Bindung des Models an die Agentur unwirksam ist (hier: 5 Jahre mit Verlängerungsklausel).

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Langjährige Bindung eines Models an eine Agentur unwirksam - OLG CELLE URTEILT ZU LANGJÄHRIGEN BEFRISTUNGEN IN VORFORMULIERTEN AGENTURVERTRÄGEN -

CELLE. Eine Model-Agentur schloss mit einem damals 18-jährigen Fotomodel einen sog. Agenturvertrag. Hiernach sollte die Agentur sich um die Förderung der Karriere des Models kümmern und hierfür 25 % aller Einnahmen erhalten. Der Agenturvertrag war auf fünf Jahre befristet und sollte sich anschließend um jeweils zwei Jahre verlängern, wenn er nicht spätestens neun Monate vor Ablauf gekündigt wird. Das Model kündigte den Vertrag nach einer Laufzeit von rund sechs Jahren und verweigerte danach weitere Zahlungen an die Agentur.

Das Landgericht Lüneburg hatte die Klage der Agentur abgewiesen, mit der diese eine weitere Vergütung bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit begehrte. Mit Urteil vom 1. April 2021 hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die hiergegen von der Agentur eingelegte Berufung zurückgewiesen (Az.: 13 U 10/20).

Nach § 627 BGB kann ein Dienstvertrag (der kein Arbeitsvertrag ist) grundsätzlich auch ohne wichtigen Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn er auf einer besonderen Vertrauensstellung beruht und Dienste „höherer Art“ zum Inhalt hat. Diese Regelung erfasst etwa Dienstleistungen von Ärzten, Anwälten und Beratern, aber auch von Künstleragenturen. In dem vorliegenden Fall hatten die Parteien diese Regelung zwar durch die Vereinbarung von festen Vertragslaufzeiten ausgeschlossen. Dieser Ausschluss war nach Auffassung des Senats aber unwirksam, weil er in vorformulierten Vertragsbedingungen der Agentur enthalten war und das Model durch die langen Laufzeiten unangemessen benachteiligte. Die langfristige Förderung der Karriere von Künstlern könne es zwar rechtfertigen, die Kündigungsmöglichkeit für einen gewissen Zeitraum auszuschließen, weil sich Anfangsinvestitionen erst mit fortschreitender Karriereentwicklung rentierten. Sollten die Leistungen der Agentur aber nicht den Erwartungen des Models entsprechen, hätte dieses über einen langen Zeitraum faktisch keine Möglichkeit, die Agentur zu wechseln. Dies wog nach Auffassung des Senats umso schwerer, als gerade der Markt für Models mit zunehmendem Alter enger wird.



OVG Münster: Wettbürosteuer der Stadt Dortmund gegenüber Wettbürobetreibern rechtlich zulässig

OVG Münster
Entscheidungen vom 27.08.2020
14 A 218/19 - 14 A 2474/19 - 14 A 2275/19


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Wettbürosteuer der Stadt Dortmund gegenüber Wettbürobetreibern rechtlich zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Klagen gegen Wettbürosteuer erfolglos

Das Oberverwaltungsgericht hat heute in drei Musterverfahren entschieden, dass die Stadt Dortmund gegenüber Wettbürobetreibern rechtmäßig Wettbürosteuern festgesetzt hat. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen worden.

Mit der Wettbürosteuer wird der Aufwand für Sportwetten in Wettbüros besteuert, also in Einrichtungen, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen von Wettereignissen auf Bildschirmen ermöglichen. Schon mit Urteilen vom 13. April 2016 - 14 A 1599/15 u.a. - hatte das Oberverwaltungsgericht diese neue kommunale Steuer als zulässig bewertet (vgl. Pressemitteilung vom 13. April 2016). Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Revisionsurteil vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - weitgehend geteilt, jedoch den Steuermaßstab nach der Fläche des Wettbüros beanstandet, weil der Wetteinsatz der sachgerechteste Maßstab sei. Infolge dieses Urteils legen einige Kommunen statt des bisherigen Flächenmaßstabs nunmehr den sogenannten Einsatzmaßstab zugrunde. Beim Oberverwaltungsgericht ist im Jahr 2019 eine Vielzahl von Verfahren eingegangen, die diesen neuen Maßstab zum Gegenstand haben. Auch die Stadt Dortmund überarbeitete ihre Wettbürosteuersatzung und erließ auf dieser Basis neue Steuerbescheide. Die dagegen angestrengten Klagen wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ab. Mit den heutigen Urteilen wies das Oberverwaltungsgericht die dagegen eingelegten Berufungen zurück.

Zur Begründung hat der 14. Senat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Klägerseite dürften nicht nur Live-Wetten, sondern auch sogenannte Pre-Match-Wetten besteuert werden, also Wetten auf Sportereignisse, die im Zeitpunkt der Wette noch gar nicht begonnen hätten und damit auch noch nicht mitverfolgt werden könnten. Für eine solche Beschränkung des Steuergegenstands gebe die Satzung nichts her. Es liege im weitreichenden Gestaltungsspielraum der Gemeinde, welche Steuergegenstände sie besteuern wolle. Eine Differenzierung zwischen Live- und Pre-Match-Wetten bei der Besteuerung des Vergnügungsaufwands für Wetten in einem Wettbüro sei nicht erforderlich.

Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz dürfe eine örtliche Aufwandsteuer - wie die vorliegende Wettbürosteuer - allerdings nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sein. Es sei nicht zu verkennen, dass die Wettbürosteuer in vielen Merkmalen der bundesrechtlichen Renn- und Sportwettensteuer gleiche, vor allem nachdem durch das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts diese Steuern nunmehr auch im Steuermaßstab und der Erhebungstechnik angeglichen seien. Dennoch seien die Wettbürosteuer und die Renn- und Sportwettensteuer nicht gleichartig, weil die Wettbürosteuer nur den besonderen Vertriebsweg über ‑ den Wetteifer anstachelnde ‑ Wettbüros erfasse, nicht aber den über einfache Wettannahme- und Wettvermittlungsstellen ohne Mitverfolgungsmöglichkeit und auch nicht das Onlinewettgeschäft. Es gebe also noch weitere nicht von der Wettbürosteuer erfasste relevante Vertriebswege.

Das Oberverwaltungsgericht hat wegen der grundsätzlichen Frage, ob die beiden Steuern auch nunmehr noch als nicht gleichartig zu beurteilen sind, die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen: 14 A 218/19 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen, 2 K 2424/18), 14 A 2474/19 (VG Gelsenkirchen, 2 K 1597/19), 14 A 2275/19 (VG Gelsenkirchen, 2 K 5702/18)



AG München: Unwirksame überraschende Klausel - keine automatische Verlängerung von dreimonatigem Probeabo für 9,99 Euro in Jahresabo für 1.298 Euro

AG München
Urteil vom 24.10.2019
261 C 11659/19


Das AG München hat völlig zu Recht entschieden, dass eine Klausel in AGB überraschend und damit unwirksam ist, wenn sich ein dreimonatiges Probeabo für 9,99 Euro automatisch in ein Jahresabo für 1.298 Euro nach Ablauf des Testzeitraums umwandelt

Die Pressemitteilung des AG München:

Rekordabo - Hier keine automatische Verlängerung von dreimonatigem Probeabo für 9,99 Euro auf Jahresabo für 1.298 Euro

Das Amtsgericht München wies am 24.10.2019 die Klage einer Berliner Börsenbrieffirma gegen den Abonnenten aus München-Neuried auf Zahlung von Jahresabokosten in Höhe von 1.298 Euro ab.

Anfang des Jahres 2019 bewarb die Klägerin auf ihrer Internetseite einen Börsenbrief, den sie zum Börsenhandel mit Rohstoffen wöchentlich verlegt. Sie bot zum Kennenlernen ein dreimonatiges Testabonnement zum Preis von 9,99 Euro statt regulär 699,00 Euro an. Dieses limitierte Angebot für neue Leser ende heute um 23.59 Uhr.

Dem Angebot lagen die von der Klägerin verwendeten Geschäftsbedingungen zugrunde, die auf der Bestellseite einsehbar waren.

Der Beklagte nahm am 16.01.2019 das Angebot der Klägerin an und bestellte ein Testabonnement ihres Börsenbriefs. Den Abschluss des Testabonnements und dessen Beginn am 16.01.2019 bestätigte die Klägerin dem Beklagten mit E-Mail vom selben Tag. Gleichzeitig machte die Klägerin die Abonnementskosten für das Testabonnement in Höhe von 9,99 Euro geltend, die der Beklagte beglich.

Die Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten u.a. folgende Klauseln: Sämtliche Abonnements verlängern sich um ein Jahr, wenn sie nicht fristgemäß vor Ablauf des jeweiligen Bezugszeitraums gekündigt werden. Die Kündigungsfrist für das Vierteljahresabonnement beträgt sechs Wochen. Der Jahresabonnementspreis beläuft sich auf 1.298,00 Euro.

Am 12.03.2019 stellte die Klägerin dem Beklagten für den Bezugszeitraum vom 17.04.2019 - 17.04.2020 Abonnementskosten für den Börsenbrief mit 1.298,00 Euro in Rechnung. Der Beklagte widerrief mit Email vom gleichen Tag, unterschriftlich am 02.04.2019 den Vertragsschluss. Die Klägerin akzeptierte dies nur als Kündigung zum 17.04.2020.

Die Beklagte trägt vor, er habe damals gegen Mitternacht bestellt und entgegen den Angaben der Klageseite nachfolgend keinen Börsenbrief erhalten, deswegen auch die Kündigungsfrist nicht mehr beachtet. Er ist der Auffassung, dass die Verlängerungsklausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unwirksam weil überraschend sei. Weiter sei die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft, so dass der unterschriftliche Widerruf des Beklagten vom 02.04.2019 fristgerecht erfolgt sei.

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München sah den geltend gemachten Zahlungsanspruch als unbegründet:

„Die (Verlängerungs-) Regelung (..) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbindung mit der damit einhergehenden Preissteigerung (…) ist überraschend im Sinn des § 305 c Abs. 1 BGB und wurde damit nicht Vertragsbestandteil. Damit verlängerte sich der ursprüngliche Vertrag über das Testabonnement nicht, so dass auch weiteres Entgelt, als das bereits bezahlte Entgelt in Höhe von 9,99 Euro für das Testabonnement nicht geschuldet ist.

Zwar ist eine Klausel, wonach sich die Laufzeit um ein Jahr verlängert, sofern nicht fristgemäß gekündigt wird, für sich nicht überraschend. Hier jedoch bedeutet die Verlängerung, dass sich der Vertrag um die vierfache Zeit für den dreißigfachen Preis verlängert. Hiermit muss der Vertragspartner nicht rechnen, so dass die Klausel unwirksam ist.

Angesichts der Aufmachung der Internetseite der Kläger entsteht vielmehr der Eindruck, dass gerade darauf abgezielt wird, Kunden unter Zeitdruck zu setzen und mit dem nur für einen sehr kurzen Zeitraum angebotenen Testabonnement zu ködern, um dann im Falle eines unterbliebenen Widerrufs exorbitante Preissteigerungen geltend machen zu können.

(…) Irgendein Hinweis darauf, dass dann nicht mehr der Preis für das Testabonnement gilt, sondern sich ein Jahresabonnement anschließt mit einem Preis von 1.298,00 Euro, findet sich hingegen nirgends.

Bei Zugrundelegung eines Vierteljahrespreises von 9,99 Euro bedeutet dies bei einem Jahrespreis von 1.298,00 Euro eine über 30-fache Preissteigerung für denselben Zeitraum von einem Vierteljahr, mithin steigt der Preis bei Verlängerung um die vierfache Zeit um über das 120-fache. Mit einer derartigen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen braucht der Vertragspartner nicht rechnen. Diese ist damit überraschend (…).

Ob die Widerrufsbelehrung der Klägerin wirksam bzw. der Widerruf des Beklagten fristgerecht war, kann damit dahingestellt bleiben.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 24.10.2019, Aktenzeichen 261 C 11659/19

Das Urteil ist rechtskräftig.



KG Berlin: Fehlt bei Zustellung einer einstweiligen Verfügung eine Seite so ist die Zustellung unwirksam und die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen

KG Berlin
Beschluss vom 03.05.2019
5 U 118/18


Das KG Berlin hat entschieden, dass die Zustellung einer einstweiligen Verfügung unwirksam ist und die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen wurde, wenn bei der Zustellung eine Seite fehlte.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Zustellung einer Gerichtsentscheidung muss nicht zwangsläufig unwirksam sein, wenn die übersendete Abschrift unvollständig ist oder einen Fehler aufweist. Die Unwirksamkeit der Zustellung ist nur bei wesentlichen Mängeln anzunehmen. Kleine Fehler und geringfügige Abweichungen schaden nicht, wenn der Zustellungsempfänger aus der ihm zugestellten Abschrift den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer bzw. den Inhalt und die Reichweite des Verbots erkennen kann. (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1665; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2011, 2 U 92/10; OLG Bamberg GRUR-RR 2014, 331; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Juni 2016, 6 U 2/17; Hess in jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12, Rn 161).

Das Fehlen mehrerer oder auch nur einer einzigen Seite wird jedoch typischerweise als wesentlicher Mangel angesehen (vgl. BGH GRUR 1998, 476 - Unzulängliche Zustellung; OLG Schleswig FamRZ 2014, 1846; Schilling in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., § 12 UWG, Rn 512)."



BGH: Diverse pauschale Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam

BGH
Urteil vom 12.09.2017
XI ZR 590/15


Die Pressemitteilung des BGH:

Unwirksamkeit mehrerer Entgeltklauseln einer Sparkasse

Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass mehrere vorformulierte Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam sind und deshalb gegenüber Verbrauchern nicht verwendet werden dürfen.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die Unwirksamkeit verschiedener Klauseln geltend, die die beklagte Sparkasse in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenwärtig verwendet bzw. verwendet hat. Im Einzelnen beanstandet der Kläger folgende Regelungen:

- Klausel 1: eine Klausel, mit der die Beklagte für die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Lastschrift ein Entgelt in Höhe von 5 € erhebt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Basis-Lastschrift bei Postversand 5,00 €");

- Klauseln 2 und 3: zwei Klauseln, mit denen an zwei unterschiedlichen Stellen im Preis- und Leistungsverzeichnis die jeweils inhaltsgleiche Regelung getroffen wird, dass für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € anfällt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftrags-lastschrift mangels Deckung 5.00 €");

- Klausel 4: eine Klausel, mit der die Beklagte bei Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Währungen eines Staates außerhalb des EWR (Drittstaatenwährung) sowie bei Überweisungen in Staaten außerhalb des EWR (Drittstaaten) für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrages bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € berechnet ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) … eines Überweisungsauftrages mangels Deckung 5,00 €");

- Klausel 5: eine mit der Klausel 4 wortgleiche Regelung betreffend Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Euro oder in anderen EWR-Währungen;

- Klausel 6: eine Klausel, mit der die Beklagte unter anderem für die Aussetzung und die Löschung eines Dauerauftrages bis zum 1. Juli 2013 auch von Verbrauchern ein Entgelt in Höhe von 2 € erhoben hat ("Dauerauftrag: Einrichtung/Änderung/Aussetzung/Löschung 2,00 €");

- Klausel 7: eine von der Beklagten bis zum 13. Dezember 2012 verwendete Klausel, wonach für die Führung eines Pfändungsschutzkontos ein monatliches Entgelt in Höhe von 7 € anfiel ("Pfändungsschutzkonto: Privat-/Geschäftsgirokonto; Privatgirokonto: Grundpreis je angefangenen Monat 7,00 €");

- Klausel 8: eine Klausel, mit der die Beklagte für die Änderung oder Streichung einer Wertpapierorder ein Entgelt in Höhe von 5 € in Rechnung stellt ("Änderung, Streichung einer Order 5,00 €").

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klauseln 1 bis 5 und 7 insgesamt, die Klausel 6 hinsichtlich der Varianten "Aussetzung" und "Löschung" sowie die Klausel 8 bezüglich der Alternative "Streichung einer Order" gegen § 307 BGB* verstoßen, und nimmt die Beklagte insoweit darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen.

Prozessverlauf

Die Unterlassungsklage hatte vor dem Landgericht überwiegend - mit Ausnahme der Klauseln 7 und 8 - Erfolg. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers auch in Bezug auf die beiden vorgenannten Klauseln, also umfassend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Klauseln 1 bis 5 weichen von § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB und damit von einer gesetzlichen Preisregelung ab, weil das darin jeweils vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 € für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer SEPA-Lastschrift, einer Einzugsermächtigungs- oder Abbuchungsauftragslastschrift bzw. einer Überweisung auf der Grundlage des Prozessvortrags der Beklagten nicht an den hierfür tatsächlich anfallenden Kosten ausgerichtet ist.

Gemäß den - mit den eindeutigen Vorgaben der EU-Zahlungsdiensterichtlinie in Einklang stehenden - Vorschriften der § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BGB § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB kann der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer im Rahmen des Zahlungsdiensterahmenvertrages (§ 675f Abs. 2 BGB) für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung eines Zahlungsauftrages ausnahmsweise ein Entgelt vereinbaren, das allerdings nach § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein muss. Hingegen müssen Kosten für die Entscheidung über die Ausführung eines Zahlungsauftrages - auch wenn diese der Ablehnung eines Zahlungsauftrages zwingend vorangeht - außer Betracht bleiben, weil die Berücksichtigung dieser Kosten sich weder mit dem klaren Gesetzeswortlaut noch mit den ausdrücklichen Richtlinienvorgaben vereinbaren lässt. Vorliegend ist das in den Klauseln 1 bis 5 vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 € nicht an den Kosten der Beklagten für die Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers ausgerichtet. Vielmehr hat die Beklagte in erheblichem Umfang Kostenpositionen berücksichtigt, die ihren eigenen Erläuterungen zufolge lediglich im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Nichtausführung des Zahlungsauftrages stehen, nicht aber mit der Unterrichtung des Kunden hierüber.

Die Klausel 6 weicht hinsichtlich der Fallgruppen "Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages ebenfalls von der gesetzlichen Preisregelung des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB ab, weil die Beklagte in diesen Fällen kein Entgelt erheben darf.

Die Ausführung eines Dauerauftrages stellt gemäß § 675c Abs. 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZAG einen Zahlungsdienst dar, für dessen Erbringung als vertragliche Hauptleistung der Zahlungsdienstleister gemäß § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB ein Entgelt verlangen kann. Die Aussetzung und Löschung eines Dauerauftrages zielen aber nicht auf dessen Ausführung, sondern im Gegenteil darauf ab, dass dieser nicht ausgeführt wird. Sie sind als Widerruf (§ 675p BGB) des auf Ausführung des Dauerauftrages gerichteten Zahlungsauftrages zu verstehen. Die Berücksichtigung dieses Widerrufs stellt eine gesetzliche Nebenpflicht der Beklagten dar, wie aus § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB folgt, weil für die Bearbeitung des Widerrufs nur im Falle von § 675p Abs. 4 Satz 1 BGBein Entgelt vereinbart werden darf. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bearbeitung des Widerrufs im Regelfall unentgeltlich zu erfolgen hat. Die Klausel 6 entspricht jedoch nicht diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis, sondern sieht unterschiedslos die Erhebung eines Entgelts in Höhe von 2 € vor.

Die Klausel 7 unterliegt ebenfalls der Inhaltskontrolle, weil sie für die Führung des Pfändungsschutzkontos ein Entgelt in Höhe von 7 € vorsieht, das nach den Vorgaben der Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) eine kontrollfähige Preisnebenabrede darstellt.

Bei der Klausel 8 handelt es sich im Hinblick auf die streitige Alternative der "Streichung einer Order" gleichfalls um eine der Inhaltskontrolle unterworfene Preisnebenabrede. Die Beklagte wälzt hiermit Aufwand zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab. Erfolgt der Erwerb von Wertpapieren durch eine Bank im Kundenauftrag im Wege des Kommissionsgeschäfts, so ist Hauptleistungspflicht und damit die durch eine Preishauptabrede abzugeltende Hauptleistung des Kommissionärs das mit der gebotenen Sorgfalt zu erbringende Bemühen, dem Auftrag des Kommittenten entsprechende Kaufverträge abzuschließen. Diese Verpflichtung besteht bei der Streichung einer Wertpapierorder nicht fort und kann aus diesem Grunde nicht die zu vergütende Hauptleistung sein. Eine Bank, die die Streichung einer Wertpapierorder berücksichtigt, erbringt ferner keine rechtlich nicht geregelte Sonderleistung. Die Streichung einer Wertpapierorder stellt eine - bis zur Ausführung des Kommissionsgeschäfts jederzeit mögliche - Kündigung des Kommissionsvertrages dar. Damit geht die gesetzliche Nebenpflicht des Kommissionärs einher, dieser Kündigung Folge zu leisten und ihr im Verhältnis zum Kommittenten Rechnung zu tragen. Indem die Klausel 8 für diesen Fall ein Entgelt in Höhe von 5 € vorsieht, wälzt sie einen Aufwand der Beklagten zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab und unterliegt damit als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle. Dass der Kunde Wertpapiere von seiner Bank auch im Wege des sogenannten Festpreisgeschäfts erwerben kann, von dem der Kunde sich nicht jederzeit einseitig lösen kann, ist unerheblich. Denn die Klausel 8 differenziert nicht zwischen einem Erwerb von Wertpapieren im Wege des Kommissionsgeschäfts oder des sogenannten Festpreisgeschäfts.

Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halten die angegriffenen Klauseln nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und die Kunden der Beklagten entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dies gilt für die Klauseln 1, 2, 3, 5 und 6 (im angegriffenen Umfang der "Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages) bereits deshalb, weil sie gegen die Vorgaben von § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB verstoßen, von denen gemäß § 675e Abs. 1 BGB nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden darf.

Die Klausel 4 weicht von den gemäß § 675e Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB disponiblen Vorgaben der § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ab, wodurch die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* indiziert wird. Umstände, nach denen diese Vermutung als widerlegt anzusehen sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Klausel 7 hält nach den Vorgaben der Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) einer Inhaltskontrolle ebenfalls nicht stand.

Die Klausel 8 ist unwirksam, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, da sie einen Aufwand der Beklagten für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden abwälzt. Zu den wesentlichen Grundgedanken auch des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Rechtspflichten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise vorgesehen ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Durch die Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wird die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB indiziert, ohne dass Umstände ersichtlich oder vorgetragen wären, die diese Vermutung widerlegen.

Im Hinblick auf die Verwendung der beanstandeten Klauseln besteht schließlich auch die erforderliche Wiederholungsgefahr.

Die auf Grund der Verwendung der Klauseln 1 bis 5 und 8 in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis vermutete Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht widerlegt. Darüber hinaus ist bezüglich der Klausel 6 gleichfalls von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Beklagte hat diese Regelung nicht nur außergerichtlich, sondern auch noch im Rechtsstreit verteidigt. Dass sie die Klausel mit Wirkung zum 1. Juli 2013 in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis geändert hat, reicht allein zur Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht aus. Unerheblich ist auch, ob die Aufnahme der Klausel 6 in das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten - wie diese im Rechtsstreit geltend gemacht hat - auf einem redaktionellen Versehen beruht.

Eine Wiederholungsgefahr ist in Bezug auf die Klausel 7 ebenfalls nicht ausgeräumt. Abgesehen davon, dass allein die insoweit erfolgte Änderung des Preis- und Leistungsverzeichnisses der Beklagten zum 13. Dezember 2012 für sich gesehen die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, ist eine abweichende Beurteilung auch nicht unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes veranlasst, dass dies in Reaktion auf die vorgenannten Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) erfolgt ist. Denn die Beklagte hat diese Klausel gegenüber dem Kläger noch vorgerichtlich in der Sache verteidigt und sich erst im Prozess darauf zurückgezogen, es sei keine Wiederholungsgefahr mehr gegeben. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist daher nicht entbehrlich. Darüber hinaus ist aufgrund der Änderung der Regelung mit Wirkung für die Zukunft nicht die Gefahr beseitigt, dass sich die Beklagte in der Abwicklung von Altfällen auf die unwirksame Klausel berufen könnte, da sie insoweit keine Maßnahmen getroffen hat, dieser Gefahr zu begegnen.

Vorinstanzen:

Landgericht Freiburg – Urteil vom 14. April 2014 – 2 O 48/13

OLG Karlsruhe – Urteil vom 2. Dezember 2015 – 13 U 72/14

Karlsruhe, den 12. September 2017

§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 675c BGB

(1) Auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Erbringung von Zahlungsdiensten zum Gegenstand hat, sind die §§ 663, 665 bis 670 und 672 bis 674 entsprechend anzuwenden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Untertitels sind auch auf einen Vertrag über die Ausgabe und Nutzung von elektronischem Geld anzuwenden.

(3) Die Begriffsbestimmungen des Kreditwesengesetzes und des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes sind anzuwenden.

§ 675 e BGB

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf von den Vorschriften dieses Untertitels nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden.

(2) Für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2 sind § 675q Abs. 1 und 3, § 675s Abs. 1, § 675t Abs. 2, § 675x Abs. 1 und § 675y Abs. 1 und 2 sowie § 675z Satz 3 nicht anzuwenden; soweit solche Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erbracht werden, ist auch § 675t Abs. 1 nicht anzuwenden. Im Übrigen darf für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2 zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers von den Vorschriften dieses Untertitels abgewichen werden; soweit solche Zahlungsdienste jedoch in Euro oder in der Währung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erbracht werden, gilt dies nicht für § 675t Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3.

(3) …

(4) …

§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) …

(2) Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag kann auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen.

(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.

(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.

(5) …

§ 675o BGB

Ablehnung von Zahlungsaufträgen

(1) Lehnt der Zahlungsdienstleister die Ausführung eines Zahlungsauftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer hierüber unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gemäß § 675s Abs. 1 zu unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren.

(2) …

(3) …

§ 675p BGB

Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags

(1) Der Zahlungsdienstnutzer kann einen Zahlungsauftrag vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 nach dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr widerrufen.

(2) Wurde der Zahlungsvorgang vom Zahlungsempfänger oder über diesen ausgelöst, so kann der Zahler den Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen, nachdem er den Zahlungsauftrag oder seine Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt hat. Im Fall einer Lastschrift kann der Zahler den Zahlungsauftrag jedoch unbeschadet seiner Rechte gemäß § 675x bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Fälligkeitstag widerrufen.

(3) Ist zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister ein bestimmter Termin für die Ausführung eines Zahlungsauftrags (§ 675n Abs. 2) vereinbart worden, kann der Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Tag widerrufen.

(4) Nach den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Zeitpunkten kann der Zahlungsauftrag nur widerrufen werden, wenn der Zahlungsdienstnutzer und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben. In den Fällen des Absatzes 2 ist zudem die Zustimmung des Zahlungsempfängers zum Widerruf erforderlich. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Bearbeitung eines solchen Widerrufs ein Entgelt vereinbaren.

(5) …

§ 1 ZAG

Begriffsbestimmungen; Ausnahmen für bestimmte Zahlungsinstitute

(1) …

(2) Zahlungsdienste sind:

1. ….

2.die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsdienstnutzers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister durch

a) …

b) die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft),

c) …

ohne Kreditgewährung (Zahlungsgeschäft),



Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann - Konkrete Erlaubnis - BGH präzisiert Anforderungen an Einwilligung zum Empfang von E-Mail-Werbung

In Ausgabe 10/17, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Konkrete Erlaubnis - BGH präzisiert Anforderungen an Einwilligung zum Empfang von E-Mail-Werbung".


Siehe auch zum Thema BGH: Einwilligung zum Empfang von Werbemails muss beworbene Unternehmen sowie Produkte benennen und unterliegt AGB-Kontrolle - Spam