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OLG Celle: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist nicht zweckgebunden und muss nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen geltend gemacht werden

OLG Celle
Urteil vom 14.12.2022
8 U 165/22


Das OLG Celle hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht zweckgebunden ist und nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen geltend gemacht werden muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Auskunftsklage ist auch begründet. Entgegen der vom Landgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO zu.

Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung (zum Begriff vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO; zu dem vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung erfassten Bereich der Verarbeitung vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 DS-GVO) bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19).

Entscheidend für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs ist daher, ob die von der Beklagten dem Kläger anlässlich der Beitragsanpassungen übersandten Nachträge zum Versicherungsschein Informationen nach diesen Kriterien enthalten (vgl. BGH, a.a.O.).

Gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Diese Definition besitzt einen weiten Anwendungsbereich. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, wenn sie denn nur die in Rede stehende Person betreffen. Letzteres ist der Fall, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 zu Art. 2 Buchst. a der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995; BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19).

Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass sich die Beklagte dem Schreiben gemäß geäußert hat (vgl. BGH, a.a.O.).

Auch im vorliegenden Fall sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO Gegenstand des Auskunftsanspruchs. Die anlässlich der Beitragsanpassungen von der Beklagten an den Kläger übersandten Nachträge zum Versicherungsschein hatten den konkreten, zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zum Gegenstand und gestalteten diesen inhaltlich teilweise neu. Auch die anlässlich der Beitragsanpassung übersandten Mitteilungsschreiben unterfallen in ihrer Gesamtheit dem Begriff der personenbezogenen Daten (vgl. BGH, a.a.O.).

Bei dem Auskunftsantrag des Klägers handelt es sich auch nicht um einen offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO. In der Verordnung findet sich als Regelbeispiel für die Annahme eines exzessiven Antrags der Fall von häufiger Wiederholung. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil der Kläger mit seiner Klage die erstmalige Erteilung einer Kopie der maßgeblichen Unterlagen begehrt. Unmaßgeblich ist auch die Motivationslage des Klägers, weil die Verordnung den Auskunftsanspruch nicht von einer bestimmten Zielsetzung des Anspruchsinhabers abhängig macht und dementsprechend der Antrag auf Auskunftserteilung auch nicht begründet werden muss (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20; OLG Köln, Urteil vom 13. Mai 2022 - 20 U 198/21; juris Simitis/Hornung/Spiecker, DS-GVO mit BDSG, Art. 15 DS-GVO, Rn. 11; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022; DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren behauptet, der Kläger sei noch im Besitz der ihm ursprünglich übermittelten und nunmehr streitgegenständlichen Informationen (Bl. 143 d. A.), steht das einem Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO nicht entgegen. Für den von ihr erhobenen Einwand hat die Beklagte bereits keinen Beweis angeboten. Unabhängig hiervon besteht der auf Art. 15 DS-GVO gestützte Auskunftsanspruch auch dann, wenn der Betroffene bereits über die geforderten Informationen verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19; VG Schwerin, Urteil vom 29. April 2021 - 1 A 1343/19 SN; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022; DS-GVO Art. 15, Rn. 52.3).

Einem auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die entsprechende Verordnung gemäß Art. 99 Abs. 2 DS-GVO erst am 25. Mai 2018 in Kraft getreten ist, während sich der Auskunftsanspruch des Klägers auf solche Informationen bezieht, die zu einem früheren Zeitpunkt erhoben und gespeichert wurden. Insoweit findet sich in der Verordnung bereits keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs, was für einen unbeschränkten Auskunftsanspruch auch im Hinblick auf solche Informationen spricht, die vor dem 25. Mai 2018 erhoben und/oder gespeichert wurden. Darüber hinaus dient die Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 2 DS-GVO dem Schutz der Grundrechte und der Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Ein solcher Schutz würde aber weitgehend leerlaufen, wenn er sich nur auf Informationen erstrecken würde, die nach dem 25. Mai 2018 erhoben wurden. Hierfür spricht auch, dass die Vorgängerverordnung 95/46/EG mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben wurde und etwaige Auskunftsansprüche hierauf nicht mehr gestützt werden können. Weiter handelt es sich jedenfalls bei dem Akt der Datenspeicherung um eine fortlaufende Datenverarbeitung, die unter der Voraussetzung einer nicht bereits zuvor erfolgten Löschung - auch über den 25. Mai 2018 hinaus andauert und damit spätestens ab diesem Zeitpunkt dem Anwendungsbereich von Art. 15 DS-GVO unterfällt (vgl. Kühling/Buchner; Datenschutz-Grundverordnung/BDSG, 2. Aufl., Art. 15, Rn. 8).

Der dem Kläger gegen die Beklagte zustehende Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Ob eine Verjährung des nebenvertraglichen Auskunftsanspruchs bzw. des Anspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO überhaupt möglich ist und nach welchen Vorschriften sie sich ggf. richtet, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn der Auskunftsanspruch wie der auf § 242 BGB gestützte Auskunftsanspruch selbstständig und unabhängig nach der allgemeinen Frist des § 195 BGB verjähren sollte (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020 - III ZR 136/18; BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - VI ZR 222/16), so könnte er aber jedenfalls nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dem er dient (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020, a.a.O.; BGH, Urteil vom 25. Juli 2017, a.a.O.). Im vorliegenden Fall kann eine Verjährung sämtlicher, auf eine ggf. unwirksame Beitragsanpassung beispielsweise im Jahr 2013 gestützten Leistungsansprüche auch für die Zeit nach dem 1. Januar 2018 aber nicht festgestellt werden.

Inhaltlich ist der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO auf die Übersendung einer Datenkopie gerichtet. Dabei beschränkt sich der Anspruch nicht auf die Übermittlung von Informationen, die der von der Datenspeicherung betroffenen Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zustehen. Der Senat folgt insoweit vielmehr der in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen extensiven Auslegung von Art. 15 DS-GVO (vgl. OLG München, Urteil vom 4. Oktober 2021 - 3 U 2906/20; OVG Munster, Urteil vom 8. Juni 2021 - 16 A 1582/20; LAG Baden-Württemberg, Urteile vom 17. März 2021 - 21 Sa 43/20 - und vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85; Schaffland/Holthaus, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), Werkstand: 11. Ergänzungslieferung 2022; Artikel 15, Rn. 44b; a. A. Franzen in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl., EU (VO) 2016/679 Art. 15; Rn. 5; Paal in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., DS-GVO Art. 15, Rn. 33a). Danach hat der Auskunftspflichtige die personenbezogenen Daten grundsätzlich in der Rohfassung zu übermitteln, in der sie bei ihm gespeichert sind. Denn Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt insoweit eine eigenständige und von Art. 20 DS-GVO unabhängige Anspruchsgrundlage dar (vgl. Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

Hieraus folgt zugleich, dass der Kläger auch eine Kopie von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen kann, wenn sie denn als solche (und nicht nur deren reiner Informationsinhalt) bei der Beklagten gespeichert sind.

Sollte der Inhalt etwa eines Versicherungsscheins sowohl in der Form des Versicherungsscheins als auch in Gestalt lediglich der im Versicherungsschein enthaltenen Informationen gespeichert sein, sind von der Beklagten grundsätzlich beide Datensätze in Gestalt einer Datenkopie herauszugeben. Denn anderenfalls kann der Kläger die mit dem Auskunftsanspruch bezweckte Überprüfung einer ordnungsgemäßen Verarbeitung (aller!) von der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten nicht sinnvoll ausüben.

Demgegenüber kann Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO kein gegen den Auskunftspflichtigen gerichteter Anspruch entnommen werden, die übermittelten Rohdaten zusätzlich aufzubereiten, damit diese von der betroffenen Person verwendet werden können. Das folgt bereits aus der Zielrichtung des Auskunftsanspruchs, den Berechtigten von einer Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu informieren und ihm die Gelegenheit geben, die Verarbeitung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 29. April 2021 - 1 A 1343/19 SN; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 2). Dieses Informationsbedürfnis kann aber nur durch Übersendung der Dateien in der Gestalt erfüllt werden, in der sie beim Auskunftspflichtigen auch gespeichert sind. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn der Auskunftsberechtigte nur durch eine entsprechende Aufbereitung den Inhalt der gespeicherten Informationen zur Kenntnis nehmen könnte (vgl. Schaffland/Holthaus, a.a.O.; Schmidt-Wudy, a.a.O., Rn. 85).

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht gegen die extensive Auslegung von Art. 15 DS-GVO auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 - C-141/12 und C-372/12. Zwar hat das Gericht entschieden, dass die betroffene Person keinen Anspruch auf die Kopie eines Dokuments oder einer Originaldatei habe, wenn das mit dem Auskunftsrecht angestrebte Ziel durch eine andere Form der Mitteilung vollständig erreicht werden könne. Allerdings bezieht sich die Entscheidung des Gerichts nicht auf Art. 15 DS-GVO, sondern auf Art. 12 Lit. a) der RL 95/46/EG. Diese sah anders als Art. 15 Abs. 3 DS-GVO aber kein Recht auf eine Datenkopie vor, sondern lediglich einen Anspruch auf unter anderem eine "Mitteilung in verständlicher Form über Daten" (vgl. auch Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01.08.2022, DS-GVO Art. 15, Rn. 85).

[...]

3. Der Senat hat zu D.2. die Revision sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Ob ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO zweckgebunden ist oder unabhängig von der hiermit verbundenen Zielrichtung erhoben werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. So wird teilweise die Auffassung vertreten, dass Zielrichtung der vom Versicherungsnehmer begehrten Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DS-GVO ausschließlich sein dürfe, sich der Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 29. März 2022 - 4 U 1905/21; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 - 8 U 2907/21; OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2021 - 20 U 269/21).

Darüber hinaus besitzt die Frage einer Zweckgebundenheit des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO aber auch grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (bzw. bereits stellt) und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2022 - 1 BvR 832/21, 1 BvR 1258/21). Ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, welchen Umfang der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO besitzt und ob der Anspruch auf Übermittlung einer Datenkopie die Übermittlung sämtlicher beim Versicherer gespeicherter Daten umfasst.


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LAG Baden-Württemberg: Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO kann auch per E-Mail erfolgen

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 10.8.2022
2 Sa 16/21

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO auch per E-Mail erfolgen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch mehr auf Auskunftserteilung gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO über die von ihr im Beschäftigungskontext verarbeiteten personenbezogenen Daten. Die Beklagte zu 1 hat den Auskunftsanspruch erfüllt.

1. Dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO zustand, ist unstreitig.

2. Die Beklagte zu 1 hat den Anspruch erfüllt.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Auskunft gemäß Schreiben vom 25. Januar 2021 vom „Verantwortlichen“ erteilt. Es ist zwar zutreffend, dass Absenderin des Auskunftsschreibens nicht die Beklagte zu 1 selbst war, sondern deren bei der Konzernmutter R. ansässige Datenschutzbeauftragte Frau J. R. Gem. Art. 12 Abs. 1 DSGVO muss ein Verantwortlicher aber nur „geeignete Maßnahmen“ treffen, damit die Mitteilungspflicht gemäß Art. 15 DSGVO erfüllt wird. Die Beklagte zu 1 kann sich also zur Erfüllung ihrer Verpflichtung auch Erfüllungsgehilfen bedienen. Die Datenschutzbeauftragte ist eine geeignete Erfüllungsgehilfin.

b) Die Auskunftserteilung per E-Mail war ausreichend.

Gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DSGVO hat die Übermittlung der Information schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch zu erfolgen. Eine Formbindung besteht somit nicht (Paal in Paal/Pauly DSGVO 3. Aufl. Art. 15 Rn. 4).

Angesichts dessen, dass nahezu die gesamte Korrespondenz im Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger auch sonst elektronisch per E-Mail erfolgte, war die Auskunftserteilung per E-Mail angemessen.

c) Inhaltlich waren die gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO erforderlichen Auskünfte im Anhang zur E-Mail enthalten.

Der Kläger vermochte nicht darzustellen, welche Auskünfte er als unzureichend erachtet.

VI. Der im Antrag zu 5 enthaltene Antrag auf Aushändigung von Kopien über die verarbeiteten personenbedingten Daten ist bereits unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Es genügt nicht, sich auf gesetzliche Vorschriften zu berufen, die den erhobenen Anspruch vorsehen, vielmehr müssen die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags berücksichtigt werden. Danach erfüllt z.B. eine bloß abstrakte Nennung der Kategorien von E-Mails, von denen eine Kopie überlassen werden soll, nicht die Voraussetzungen eines iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klageantrags. Bei einer Verurteilung wäre unklar, auf welche E-Mails sich die Verurteilung zur Überlassung einer Kopie konkret bezöge und damit, ob mit einer Überlassung von in diese Kategorien fallenden E-Mails der Anspruch erfüllt wäre. Damit würde der Streit der Parteien in vermeidbarer Weise in die Vollstreckung verlagert werden. Um dies zu vermeiden ist der Kläger - soweit er selbst zu einer genaueren Bezeichnung außer Stande ist - gehalten, sein Begehren mittels einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchzusetzen. Diese ist zunächst auf Erteilung einer Auskunft zu richten, welche E-Mails der fraglichen Kategorien die Beklagte verarbeitet, auf der zweiten Stufe ggf. auf Versicherung an Eides statt, dass die Auskunft zutreffend und vollständig ist, und schließlich auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden E-Mails (BAG 27. April 2021 - 2 AZR 342/20 -).

2. Vorliegend hat der Kläger überhaupt nicht benannt, was er konkret möchte. Außer der nichtssagenden Begrifflichkeit „personenbezogene Daten im Beschäftigungskontext“ enthält der Antrag keinerlei konkrete Angaben. Es könnte im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht überprüft werden, ob die Beklagte zu 1 ihre Verpflichtung vollständig nachgekommen ist oder nicht.


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LG Kassel: Rechtsmissbrauch wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus vom Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird

LG Kassel
05.07.2022
5 O 1954/21

Das LG Kassel hat entschieden, dass es rechtsmissbräuchlich ist, wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus vom Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
a) Der Auskunftsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 15 DS-GVO.

Zum einen handelt es sich bei den Tarifprämien weder um personenbezogene Daten im Sinne dieser Vorschrift noch hat die Vorschrift ohnehin nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen. Insoweit macht sich das Gericht die folgenden überzeugenden Ausführungen des OLG München Hinweisbeschluss v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311 Rn. 36-50 zu eigen:

4.2.1 Die Tarifprämien sind keine personenbezogenen Daten im Sinne dieser Vorschrift.

Entgegen Berufungsbegründung Seite 19 dokumentieren sie nämlich nicht „den individualisierten Versicherungsschutz der versicherten Personen unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands“, sondern geben lediglich Aufschluss darüber, welcher Preis die durch den Versicherungsvertrag verwirklichte Vorsorge dieser Person hat. Was die Person für die Versicherungsleistung ausgibt, ist nicht unter die personenbezogenen Daten zu rechnen. Wenn „die Kalkulation der Beitragshöhe für jeden Tarifindivduell“ erfolgt, so macht das die Prämienhöhe noch nicht zu einer Angabe die die Identifizierung einer bestimmten Person ermöglicht.

Ob im Falle einer Änderung von Risikozuschläge, die unmittelbar an Vorerkrankungen oder vorhergegangenen Gesundheitsprüfungen anknüpfen, eine personenbezogene Angabe Vorlage (Berufungsbegründung Seite 19 unten) kann hier offenbleiben, da nicht vorgetragen ist, dass es sich im Einzelfall so verhielte.

Die Angabe, welche Prämien ein Versicherungsnehmer (auch in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren) bezahlt hat, hat nicht dieselbe Qualität, wie sie die Berufungsbegründung (Seite 20 oben) zum Vergleich heranziehen will („Angaben zum Versicherungskonto, Gesprächsnotizen und Telefonvermerke, regulierte Leistungen, eingereichte Rezepte und Rechnungen gespeicherte Korrespondenz“).

4.2.2 Von all dem abgesehen ist Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat.

Sondern die DSGVO bezweckt eine effektive Kontrolle des jeweils Betroffenen darüber welche Daten der Verantwortliche besitzt und was damit weiter geschieht, Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat zwar auch die Durchsetzung von Rechten der betroffenen Person im Auge, jedoch betrifft das nicht vermögensrechtliche Ansprüche, sondern durch das Auskunftsrecht sollen persönliche Rechte aus dem 3. Abschnitt unterstutzt werden, beispielsweise Löschungsansprüche.

Selbst wenn man dies anders beurteilen würde, so stünde der Beklagten aus Art. 12 Abs. 5 s. 2 b) DS-GVO ein Weigerungsrecht zu, da es sich um einen rechtsmissbräuchlichen Antrag handelt. Aus Erwägungsgrund 63 S. 1 DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19). Um ein derartiges Bewusstwerden zum Zweck der Überprüfung datenschutzrechtlicher Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber bereits nach eigenem Vorbringen nicht. Vielmehr geht es diesem – wie bereits dargelegt – ausschließlich darum, die von der Beklagten vorgenommenen Prämienanpassungen auf mögliche formeller oder auch materielle Mängel hin überprüfen zu können. Eine derartige Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber gerade nicht umfasst (vgl. nur OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 15.11.2021 - 20 U 269/21; nunmehr auch OLG Dresden, a.a.O.).

b) Auch aus § 242 BGB ergibt sich kein Auskunftsanspruch.

Ein aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben wurzelnder Auskunftsanspruch setzt voraus, dass die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtet in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 268/11). Daran fehlt es hier jedoch.


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OLG Köln: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist nicht teleologisch einschränkend auszulegen und kann nicht nur aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht werden

OLG Köln
Urteil vom 22.05.2022
20 U 198/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht teleologisch einschränkend auszulegen ist und nicht nur aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
bb. Der Auskunftsanspruch ergibt sich jedoch – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - aus Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO.

Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u. a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hat der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist dabei weit gefasst (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris; vgl. dazu auch unser Urteil vom 26.07.2019 in der Sache 20 U 75/18). Er ist insbesondere nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Nicht erforderlich ist, dass es sich um „signifikante biografische Informationen“ handelt, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stehen (BGH, Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris).

Der BGH hat im Rahmen seines Urteils vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris) ausdrücklich klargestellt, dass insbesondere weder Daten des Versicherungsscheins noch die zurückliegende Korrespondenz von Versicherungsnehmer und Versicherer kategorisch vom Anwendungsbericht des Art. 15 DS-GVO ausgeschlossen sind. Die Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer sollen dem Auskunftsanspruch vielmehr insoweit unterfallen, als sie Informationen über den Versicherungsnehmer nach den dargestellten Kriterien enthalten.

Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin Auskunft über die Höhe der Beitragserhöhungen in den Jahren 2011 bis 2016 unter Benennung der jeweiligen Tarife durch Zurverfügungstellung der hierzu übermittelten Informationen in Form von Anschreiben, Nachträgen zum Versicherungsschein sowie der zum Zwecke der Beitragserhöhungen übermittelten Begründungen sowie Beiblätter.

Unproblematisch mit der Person des Versicherungsnehmers verknüpft sind die Nachträge zu dem Versicherungsschein; denn aus diesen ergibt sich, in welchem Inhalt und zu welchen Konditionen für den Versicherungsnehmer bei dem Versicherer Versicherungsschutz besteht.

Auch die hierzu übersandten Anschreiben weisen die erforderliche Verknüpfung auf; denn regelmäßig ergibt sich aus diesen (anderes trägt auch die Beklagte nicht vor), dass der Versicherungsnehmer unter einem bestimmten Datum von einer Änderung in Bezug auf seinen Versicherungsvertrag in Kenntnis gesetzt worden ist. Sie stellen regelmäßig zugleich Begründungsschreiben nach § 203 Abs. 5 VVG dar, für die die Verknüpfung daraus folgt, dass diesen zu entnehmen ist, dass und inwieweit Änderungen aus welchen Gründen in einem für den Versicherungsnehmer bestehenden Tarif erfolgt sind.

Die erforderliche Verknüpfung ist schließlich auch für mit den Begründungsschreiben etwa auch übermittelte Beiblätter zu bejahen. Regelmäßig enthalten die Beiblätter zwar – wie die Beklagte vorträgt und wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren aus eigener Anschauung bekannt ist – keine konkret auf den Vertrag des jeweiligen Versicherungsnehmers oder dessen Person bezogene Informationen. Diese werden vielmehr identisch einer unbestimmten Vielzahl von Versicherungsnehmern übersandt. Die erforderliche Verknüpfung ergibt sich aber aus dem Umstand, dass diese Beiblatt zu dem jeweiligen Begründungsschreiben waren und damit Teil der mitgeteilten Begründung – hinreichend oder nicht – für die Beitragsanpassung sind. Dies gilt vor allem – aber nicht nur dann – wenn die Beiblätter in dem jeweiligen Anpassungsschreiben ausdrücklich in Bezug genommen werden.

Ob die entsprechenden Informationen dem Versicherungsnehmer bereits bekannt sind (was hier unterstellt werden kann, da die ursprüngliche Übersendung durch die Klägerin nicht bestritten wird) und ob dieser die Unterlagen noch hat oder entschuldbar nicht mehr hat, ist insoweit irrelevant. Denn der BGH hat klargestellt, dass der Umstand, dass Schreiben dem Versicherungsnehmer bekannt sind, den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht ausschließt (Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19 – zitiert nach juris). Dieser könne auch wiederholt Auskunft verlangen.

Soweit die Beklagte meint, jedenfalls nur Kopien der bezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, zur Verfügung stellen zu müssen, nicht aber Kopien der betreffenden Akten oder Unterlagen, erschließt sich auf der Grundlage ihres Vortrags schon nicht, wie eine Zurverfügungstellung von Kopien der hier streitgegenständlichen Daten ihrerseits – wenn nicht durch eine Kopie der Unterlagen – erfolgen soll. Die bloße Mitteilung jedenfalls, dass es ein Anpassungsschreiben mit Beiblatt gab, ist zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs ersichtlich nicht geeignet.

Zwar wird ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien von Unterlagen zum Teil (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 16.6.2021 – 7 U 325/20) mit der Begründung verneint, nach dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO habe die betroffene Person einen Anspruch nur auf die Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien. Der Senat teilt indes die Auffassung des OLG München (Urteil vom 04.10.2021, Az. 3 U 3906/29 - zitiert nach juris; so auch Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 39. Edition, Stand 01.11.2021, Art, 15 Rn. 85 m.w.N.; Koreng, NJW 2021, 2692), wonach der Begriff der Datenkopie i.S.v. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, der einen eigenständigen Anspruch neben Art. 15 DS-GVO beinhaltet, extensiv auszulegen ist. Folge ist, dass der betroffenen Person von der speichernden Stelle sämtliche von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten in der bei ihm vorliegenden Rohfassung als Kopie zu übermitteln sind. Die Urteile des EuGH vom 17.07.2014, Az. C-141/12 und C-372/12 (zitiert nach juris) können zur Begründung der gegenteiligen Auffassung der Beklagten schon deshalb nicht herangezogen werden, weil diese nicht zu Art. 15 DS-GVO, sondern zur Vorgängerregelung in RL 95/46/EG ergangen sind.

Die Geltendmachung eines auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruchs in Fällen wie dem vorliegenden ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB, zu bewerten.

Richtig ist, dass das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck dient, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO). Es mag unterstellt werden, dass es der Klägerin im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht, jedenfalls nicht primär, um den Schutz ihrer Daten geht, sondern um die Vorbereitung vermögensrechtlicher Ansprüche. Der Geltendmachung eines auf Art. 15 DS-GVO gestützten Auskunftsanspruchs steht dies jedoch nicht entgegen. Entsprechendes kann insbesondere nicht der Entscheidung des BGH vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19) entnommen werden. Eine Festlegung dazu, ob ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch auch besteht, wenn ein Versicherungsnehmer Zwecke verfolgt, die Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht schützt, ist dort gerade nicht erfolgt.

In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage umstritten.

Das OLG München (Hinweisbeschluss vom 24.11.2021, Az. 14 U 6205/21; so sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung auch OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021, Az. 20 U 269/21) etwa hat einen Auskunftsanspruch in einem ähnlich gelagerten Fall (auch) mit der Begründung abgewiesen, dass Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nicht sei, die büromäßig strukturierte Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, wenn er seine Unterlagen nicht aufbewahrt habe.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine entsprechende teleologische Einschränkung jedoch nicht vorzunehmen (vgl. bereits das Urteil vom 26.07.2019 in der Sache 20 U 75/18). Daraus, dass Zweck von Art. 15 DS-GVO ist, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten sicherzustellen und dem Betroffenen die Durchsetzung der hierzu in der DS-GVO vorgesehenen Rechte zu ermöglichen, folgt keineswegs zwingend , dass der Anspruch auch nur zu diesem Zwecke ausgeübt werden darf. Der Senat teilt vielmehr die ihn überzeugende Auffassung von Bäcker (in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 15 Rn. 42d; so auch Wälder, r+s 2021, 98; Schmidt-Wudy in: BeckOK Datenschutzrecht, 39. Edition, Stand 01.11.2021, Art, 15 Rn. 85 ff. m.w.N.), der ausführt, dass sich die Funktion von Art. 15 DS-GVO nicht in einer solchen datenschutzinternen Nutzung der erlangten Informationen erschöpfe. Vielmehr bezwecke die Verordnung insgesamt den Schutz der Rechte und Freiheiten der Person gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch Verarbeitungen personenbezogener Daten. Nutze die betroffene Person ihr Recht auf eine Datenkopie, um Informationsasymmetrien zwischen sich und dem Verantwortlichen abzubauen und so ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, so sei dies ein legitimes und rechtlich anzuerkennendes Ziel. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Rechte und Freiheiten selbst im Datenschutzrecht oder in einer anderen Teilordnung des Rechts verankert seien. Unbedenklich und grundsätzlich zu erfüllen sei darum etwa ein Kopieersuchen, mit dem die betroffene Person sich Informationen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens gegen den Verantwortlichen, in dem sie datenschutzexterne Ansprüche geltend machen will, beschaffen wolle.

Angemerkt sei darüber hinaus, dass es nach Auffassung des Senats ohnehin kaum je auszuschließen sein wird, dass es dem Versicherungsnehmer zumindest auch um den Schutz seiner Daten geht. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es als nicht sinnvoll, das Bestehen des Auskunftsanspruchs nach der DS-GVO von einer entsprechenden – nicht überprüfbaren – Behauptung zur inneren Motivation des jeweiligen Anspruchstellers abhängig zu machen.

Unter Zugrundelegung dessen ist die Beklagte auch nicht berechtigt, die Auskunft nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DS-GVO zu verweigern. Denn der Antrag stellt sich nicht allein deshalb als exzessiv dar, weil es der Klägerin nicht primär um die Wahrung ihrer Rechte aus der DS-GVO gehen mag. Für eine Schikane oder ein in unangemessen kurzen Abständen wiederkehrendes Auskunftsersuchen ist ebenfalls nichts ersichtlich. Ob das Ansinnen der Beklagten, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von ihr gestellten Beitragsforderungen durch ihren Versicherungsnehmer durch die Nichtherausgabe gespeicherter Unterlagen nach Möglichkeit zu erschweren, vor dem Hintergrund vertraglicher Fürsorgepflichten schutzwürdig ist, mag dahinstehen.

Die Beklagte kann all dem schließlich auch nicht entgegenhalten, der Auskunftsantrag sei auf Ausforschung gerichtet und widerspreche daher dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz. Denn vorliegend geht es nicht um die Frage der Substantiierung und Darlegungslast im Zivilprozess, sondern um das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs.

Der Anspruch ist entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht durch Erfüllung erloschen. Erteilt hat die Beklagte als Anlage C 22 (Bl. 582 d.A.) zur Berufungsbegründung zwar nunmehr Auskunft zur Beitragshöhe in den jeweiligen Tarifen. Hierdurch ist indes keine, auch keine teilweise Erfüllung eingetreten ist, weil sich aus den tabellarischen Übersichten nur die Höhe der im jeweiligen Tarif insgesamt zu entrichtenden Beiträge, nicht aber der jeweilige Erhöhungsbetrag ersehen lässt. Dieser lässt sich auch nicht in allen Fällen errechnen, weil etwa der Beitrag für das Jahr 2010 als Ausgangswert nicht angegeben ist.

Der auf Art. 15 DS-GVO gestützte Auskunftsanspruch ist schließlich auch nicht verjährt. Eine Verjährung könnte hier frühestens mit der Löschung der gespeicherten Daten beginnen, die die Beklagte jedoch selbst nicht behauptet. Darauf, ob Zahlungsansprüche, die mit Hilfe der erteilten Auskünften substantiiert werden könnten, verjährt wären, kommt es für den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht an.


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OLG Nürnberg: Rechtsmissbrauch wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird

OLG Nürnberg
Urteil vom 14.03.2022
8 U 2907/21


Auch das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen verlangt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
(4) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 12 Rn. 43; Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 12 DS-GVO Rn. 66 m.w.N.).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr - wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt - ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 WG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021,40312 Rn. 11; LG Wuppertal, r+s 2021, 696 Rn. 33).

(5) Auch soweit die Beklagte als Versicherer gesetzlich zur Aufbewahrung von Unterlagen verpflichtet ist, folgt daraus kein Auskunftsanspruch des Klägers. Denn der Gesetzgeber verfolgt mit der Aufbewahrungspflicht kein Anliegen des Versicherungsnehmers, insbesondere soll sie dem jeweiligen Geschäftsgegner nicht die spätere Durchsetzung eigener Rechte ermöglichen (vgl. OLG München, r+s 2022, 94 Rn. 52).


OLG Hamm: Rechtsmissbrauch wenn Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht wird

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 15.11.2021
20 U 269/21


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO geltend gemacht wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zutreffend hat das Landgericht weiter das mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte Leistungsbegehren als zulässig angesehen. Die Unzulässigkeit der Stufenklage führt zwar dazu, dass ein unbestimmter Leistungsantrag als unzulässig abgewiesen werden muss. Sie hat jedoch nicht die notwendige Folge, dass die Klage, wie sie hier erhoben worden ist, insgesamt oder teilweise als unzulässig abgewiesen werden muss. Vielmehr kommt eine Umdeutung in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung in Betracht (BGH, Urteil vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952 unter II 2 a mwN).

Dieser Auskunftsantrag ist jedoch unbegründet.

aa) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung- DS-GVO).

Der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke, in Ehlmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung 2. Aufl. Art. 12 Rn. 43).

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (so auch BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23).

Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber nach seinem eigenen Klagevorbringen überhaupt nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt – ausschließlich die Überprüfung etwaiger vom Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (wie hier LG Wuppertal, Urteil vom 29. Juli 2021 - 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249 Rn. 31 ff.).

Darauf, dass es sich im Übrigen jedenfalls bei standardisierten Begründungen, die – etwa als einheitliches Beiblatt – an sämtliche Versicherungsnehmer in identischer Form versandt werden, auch nicht um personenbezogene Daten im Sinne der DS-GVO handelt, kommt es angesichts dessen hier nicht an.

bb) Auch ein Auskunftsanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag besteht nicht.

Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Maßgabe von § 241 Abs. 2 BGB auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu einer Verpflichtung des Gläubigers führen, dem Vertragspartner etwa Unterlagen für die Kreditbeschaffung (BGH, Urteil vom 1. Juni 1973 - V ZR 134/72, NJW 1973, 1793 unter II 2) oder für die Wahrnehmung von dessen steuerlichen Belangen (Senatsurteil vom 5. Juli 1974 - 20 U 227/73, MDR 1975, 401) zur Verfügung zu stellen.

Auch im Rahmen einer zwischen den Parteien bestehenden Sonderverbindung setzt ein solcher Auskunftsanspruch aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Schuldner in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 20). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Aus den ihm während der Laufzeit des Vertrages übersandten Unterlagen kann er unschwer selbst ersehen, welche Prämienanpassungen vorgenommen worden sind. Nachvollziehbare Gründe dafür, dass und warum ihm dies ausnahmsweise nicht mehr möglich sein sollte, sind nicht vorgetragen. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang unterstellte Ansprüche des Klägers aus § 812 Abs. 1 BGB verjährt sind, kommt es demnach aus Rechtsgründen nicht an.

cc) Ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG scheidet ebenfalls aus. Dieser bezieht sich nur auf abhanden gekommene oder vernichtete Versicherungsscheine so- wie auf die eigenen Erklärungen des Versicherungsnehmers, die er in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Darum geht es hier aber nicht (siehe auch LG Wuppertal, Ur- teil vom 29. Juli 2021 - 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249 Rn. 35 f.).

dd) Schließlich kann der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 810 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen.

2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung; eine solche ist auch sonst nicht geboten.

Auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet (EuGH, Urteil vom 23. März 2000 – C-373/97, NZG 2000, 534 Rn. 33). Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Unionsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH, Urteil vom 23. März 2000 aaO Rn. 34; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 42 mwN).

Hier beeinträchtigt die Anwendung des Gesichtspunktes des Rechtsmissbrauchs weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Unionsrechts. Der Anspruch nach Art. 15 DSG-VO soll den Auskunftsberechtigten in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 25 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 57). Hierum geht es dem Kläger nach eigenem Vorbringen mit der begehrten Auskunft nicht.


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LG Berlin: Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfasst nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen

LG Berlin
Urteil vom 21.12.2021
4 O 381/20


Das LG Berlin hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nur personenbezogene Daten nicht aber Vertragsunterlagen und Vertragserklärungen umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Auskunfts- und Herausgabeanspruch aus § 15 DS-GVO betrifft lediglich personenbezogene Daten, nicht aber Dokumenten, die Vertragserklärungen enthalten. Zwar ist der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen; davon wären auch Beitragsanpassungsschreiben erfasst, die den Namen des Klägers enthalten. Ein derartiges am Wortlaut haftendes Verständnis ist mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO unvereinbar. Die Auskünfte, die eine natürliche Person nach Art. 15 DS-GVO fordern kann, dienen primär dazu, ihr die Wahrnehmung der weiteren Rechte aus der DS-GVO zu ermöglichen, also insbesondere das Recht auf Berichtigung nach Art. 16, auf Löschung nach Art. 17 und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18. Zwar mag eine Auskunft über personenbezogene Daten auch Erkenntnisse und Indizien hervorbringen, die einen Anspruch nach gänzlich anderen Vorschriften begründen oder zumindest nahelegen können. Dabei handelt es aber nicht um den eigentlichen Zweck der DS-GVO, sondern um einen bloß zufälligen Nebeneffekt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die DS-GVO gezielt dazu geschaffen worden wäre, die grundsätzliche Struktur des deutschen Zivilprozessrechts, die jedem Anspruchsteller die Darlegung und den Beweis der ihm günstigen Tatsachen auferlegt, umzukehren (OLG Köln r+s 2021, 97 Rn. 73, beck-online). Danach sind die vorliegend antragsgegenständlichen Auskünfte nicht mehr als personenbezogen (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) zu verstehen, sondern als vertragsbezogen.

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VG Wiesbaden legt EuGH vor: Darf Behörde Auskunft über verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung ohne Begründung verweigern und ist dies mit Grundrechtecharta der EU vereinbar

VG Wiesbaden
Beschluss vom 30.07.2021
6 K 421/21.WI


Das VG Wiesbaden hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Behörde die Auskunft über die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung ohne Begründung verweigern darf und ob dies mit Grundrechtecharta der EU vereinbar ist.

Die Vorlagefragen:

II. Das Verfahren wird gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der folgenden Frage vorgelegt:

1) Sind Art. 15 Abs. 3 und Abs. 1 i.V.m. Art. 14 der Richtlinie (EU) 2016/680 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl.EU L vom 4.5.2016 S. 119; zukünfig: Richtlinie (EU) 2016/680) im Lichte von Art. 54 Richtlinie (EU) 2016/680 so auszulegen, dass er eine nationale Regelung zulässt,

a) nach der bei gemeinsamer Verantwortlichkeit für eine Datenverarbeitung die eigentlich für die gespeicherten Daten verantwortliche Stelle nicht benannt werden muss und

b) die es zudem zulässt, dass einem Gericht keine inhaltliche Begründung für die Auskunftsverweigerung gegeben wird?

2) Falls die Fragen 1a und 1b zu bejahen sind, ist Art. 15 Abs. 3 und Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf aus Art 47 GRCh vereinbar, obwohl es dem Gericht so verunmöglicht wird

a) den nationalen Verfahrensvorschriften entsprechend in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren die weitere beteiligte und tatsächlich verantwortliche Behörde, die ihr Einvernehmen zur Auskunftserteilung erteilen muss, zum Verfahren beizuladen und

b) inhaltlich zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Auskunftsverweigerung vorliegen und durch die die Auskunft verweigernde Behörde korrekt angewandt wurden?

3) Wird durch die Verweigerung der Auskunft und somit eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 GRCh rechtswidrig in die Berufsfreiheit nach Art. 15 GRCh eingegriffen, wenn die gespeicherten Informationen dazu genutzt werden, eine betroffene Person von der angestrebten Tätigkeit wegen eines vermeintlichen Sicherheitsrisikos auszuschließen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Art. 54 Richtlinie (EU) 2016/680 hat die betroffene Person einen Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf, so wie dies in Art. 47 Abs. 1 GRCh geregelt ist. Ein wirksamer Rechtsbehelf erfordert, dass es dem Gericht möglich ist, die behördliche Entscheidung zu überprüfen. Dies setzt voraus, dass eine Begründung der Verweigerung der Auskunft und bei einem gemeinsamen Verfahren, wie es vorliegend bei dem INPOL-System der Fall ist, eine Benennung der verantwortlichen Stelle, die für die streitgegenständlichen Daten verantwortlich ist und einer Beauskunftung widersprochen hat, erfolgt. Sie hat ihr Einvernehmen für die Auskunft zu erteilen oder gerade – wie hier zu verweigern. Die verantwortliche Stelle ist an dem „mehrstufigen“ Verwaltungsakt zwingende Mitwirkende und auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO), da das Gericht bei rechtwidriger Verweigerung des Einvernehmens dieses durch Urteil zu ersetzen hätte. Denn ohne das notwendige Einvernehmen dürfte das BKA keine Auskunft erteilen (§ 84 Abs. 1 S. 1 BKAG). Wenn dem Gericht im Verfahren über die Auskunft die verantwortliche Stelle jedoch schon nicht benannt wird, kann es diese nicht beiladen und über die Verweigerung des Einvernehmens ihr gegenüber nicht bindend entscheiden.

Ist eine Kontrolle des Verwaltungshandelns durch die Verwaltungsgerichte wegen der Verweigerung einer Begründung nicht möglich, muss die Rechtsschutzgarantie dadurch gewahrt werden, dass der Klage stattgegeben wird (ständige Rechtsprechung des VG Wiesbaden, vgl. Urteil vom 15. Februar 2016 – 6 K 1328/14.WI –, juris, Rn. 27; Urteil vom 04. September 2015 – 6 K 687/15.WI –, juris, Rn. 36 und ferner Urteil vom 26. März 2021 – 6 K 59/20.WI; so auch VG Köln, Urteil vom 18.4.2019 – 13 K 10236/16, juris, Rn. 54). Dies ist vorliegend aber nicht möglich, da das Einvernehmen der eigentlich verantwortlichen Stelle (Behörde) mangels notwendiger Beiladung nicht rechtwirksam ersetzt werden kann. Insoweit unterscheidet sich der Fall von den bisher entschiedenen Fällen, bei denen „nur“ die Auskunft über die Daten als solche verweigert wurde, die verantwortliche Behörde aber benannt worden war. Eine Verfahrensregelung für den vorliegenden Fall enthält die VwGO nicht. Sie enthält in § 99 Abs. 2 VwGO nur das sog. In-Camera-Verfahren bei der Verweigerung der Vorlage von Behördenakten. Hier wäre nach einer Sperrerklärung, welche aber auch zu begründen wäre, eine Vorlage und Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht möglich.

Vorliegend geht es aber schon vor der inhaltlichen Auskunft bzw. Überprüfungsmöglichkeit der Verweigerung derselben um die Benennung der verantwortlichen Stelle, um deren Daten es im INPOL-System geht. Sie ist unbekannt und das Bundeskriminalamt verweigert auch dem Gericht gegenüber die Angabe, um wen es sich handelt. Zwar hat der nationale Gesetzgeber Art. 21 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/680 insoweit umgesetzt, dass sich der Verantwortliche nach § 57 BDSG zur Auskunft der Daten bzw. Verweigerung derselben bezogen auf die betroffene Person verantwortlich zeigt und über § 84 Abs. 1 Satz 1 BKAG das Bundeskriminalamt als „Sprachrohr“ für die übrigen verantwortlichen Stellen über die Auskunft bestimmt. Die Auskunft bedarf aber des Einvernehmens der jeweils verantwortlichen Stelle.

Die Verweigerung der Angaben über die eigentliche verantwortliche Stelle, welche einer Auskunft über ihre Daten widerspricht und das Einvernehmen verweigert, geht jedoch weiter als die Einschränkung der eigentlichen Auskunft nach Art. 15 Richtlinie (EU) 2016/680. Denn damit wird dem Gericht die Möglichkeit einer effektiven wirksamen Rechtskontrolle vollständig genommen. Dies insbesondere, wenn auch keinerlei Begründung für diese Verweigerungshandlung erfolgt bzw. die Begründung sich auf allgemeine Aussagen einer Gefährdung der Aufgaben der Behörden und der Gefahrenabwehr bezieht. Mithin wird der nationale Gesetztext wiedergegeben, dem Gericht wird aber eine Subsumtion unter diese Norm und eine Kontrolle der Richtigkeit der Subsumtion der Behörde vollständig mangels Informationen genommen.

Zieht man die Parallele zu einer Verweigerung der Aktenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, so würde die rein den gesetzlichen Verweigerungstatbestand wiedergebende Begründung nicht die Anforderungen erfüllen, wie sie für eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 2 VwGO notwendig ist. Hinzu kommt vorliegend, dass die eigentlich die Begründung liefernde Behörde anonym bleibt, mithin die Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO von dieser gar nicht abgegeben oder begründet werden könnte. Mindestens einer aussagekräftigen Begründung einer Sperrerklärung bedarf es aber bei der Verweigerung von Behördenakten, damit ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden kann (BVerwG Urt. v. 14.12.2020 – 6 C 11.18 Rn. 27 m.w.N.).

Zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes hat eine Behörde, die die Auskunft verweigert, das Vorliegen der Verweigerungsgründe nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 57 Abs. 4 BDSG plausibel und substantiiert darzulegen. Eine diesen Anforderungen genügende Begründung wäre ausreichend, um die Berechtigung zur Auskunftsverweigerung darzutun (HessVGH 20.10.2019 – 10 A 2678/18.Z; zum alten Recht HessVGH 17.4.2018 – 10 A 1991/17). Die Wiedergabe oder nur Umschreibung der gesetzlichen Grundlage reicht dafür nicht aus (BVerwG Beschl. v. 29.10.1982 – 4 B 172/82, BVerwGE 66, 233 ff. Rn. 6; VG Wiesbaden Urt. v. 26.3.2021 – 6 K 59/20.WI).

Das Bundeskriminalamt und die unbekannte Behörde – bei der es sich nur um eine Polizeibehörde handeln kann – legen das nationale Recht so weit aus, dass die umzusetzenden nationalen Rechtsnormen, die aus der Richtlinie (EU) 2016/680 folgen, mit dem Wesensgehalt der Rechte und Freiheiten des Betroffenen in Konflikt gerät.

Dabei ist zu beachten, dass die Eintragung in INPOL ganz offensichtlich zu einer Art Berufsverbot durch die sog. Sicherheitsüberprüfung geführt hat, bei der u.a. auf die Daten von INPOL zurückgegriffen wurde. Damit wurde in Art. 15 GRCh eingegriffen, wonach jede Person das Recht hat, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben. Gegen dieses „Berufsverbot“ kann sich der Kläger auch nicht wehren, da ihm nicht bekannt gegeben wird, welche verantwortliche Stelle eine „negative“ Eintragung vorgenommen hat, geschweige denn welche Eintragung hier die Aufnahme des gewünschten Berufes hindert. Auch ist eine Überprüfung, ob die Eintragung überhaupt rechtmäßig ist, nicht möglich.

Eine wirksame gerichtliche Überprüfung der behördlichen Entscheidung ist dem vorlegenden Gericht nicht möglich, da unter Berufung auf eine nationale Rechtsnorm die verantwortliche Stelle die Auskunft auch gegenüber dem Gericht verweigert wird und das Gericht sich zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne einer inhaltlichen Prüfung nicht in der Lage sieht. Hinzu kommt, dass auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgesehenen Mechanismen, wie vorliegend die notwendige Beiladung, durch Verweigerung der Benennung der verantwortlichen Stelle ausgehebelt werden. Eine nationale Rechtsnorm, die es dem Gericht ermöglicht, im Falle einer notwendigen Beiladung von einer solchen aus Geheimhaltungsgründen abzusehen, existiert nicht.

Damit ist wirksamer Rechtsschutz in zweifacher Hinsicht ausgeschlossen und es liegt auch ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK vor.

Das erkennende Gericht ist insoweit der Auffassung, die Verweigerung der Benennung der letztendlich verantwortlichen Stelle, insbesondere ohne jegliche nachvollziehbare Begründung, eine Überinterpretation des Art. 15 Richtlinie (EU) 2016/680 darstellt, welche allerdings durch den nationalen Gesetzgeber durch die sehr offene Regelung in § 57 Abs. 6 i.V.m. § 56 BDSG zugelassen worden ist, mit der Folge, dass die nationale Regelung in der sehr weiten Interpretation des Beklagten gegen Art. 8, Art. 15 und Art. 47, 52 und 54 GRCh sowie gegen Art. 14, 15 und 54 Richtlinie (EU) 2016/680 verstößt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Detmold: Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt

LG Detmold
Urteil vom 26.10.2021
02 O 108/21


Das LG Detmold hat entscheiden, dass die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich ist, wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

III) Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf § 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des § 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u. a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 242 Rn. 49 f.).

So liegt der Fall hier.

Nach dem Vortrag des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18).

Der Kläger macht keines der vorgenannten Interessen geltend.

Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunab-hängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden.


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LG Krefeld: Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt

LG Krefeld
Urteil vom 06.10.2021
2 O 448/20


Das LG Krefeld hat entscheiden, dass die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich ist, wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt.

Erwägungsgrund 63 lautet:

(63) Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies schließt das Recht betroffene Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Jede betroffene Person sollte daher ein Anrecht darauf haben zu wissen und zu erfahren, insbesondere zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und, wenn möglich, wie lange sie gespeichert werden, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind, nach welcher Logik die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt und welche Folgen eine solche Verarbeitung haben kann, zumindest in Fällen, in denen die Verarbeitung auf Profiling beruht. Nach Möglichkeit sollte der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde. Dieses Recht sollte die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Ein Auskunftsanspruch folgt ebenfalls nicht aus § 15 Abs. 1 DSGVO.

Zwar kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsunternehmen geführte Korrespondenz als Gegenstand des Auskunftsanspruchs in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19).

Die in der hiesigen Konstellation erfolgte Geltendmachung eines auf § 15 Abs. 1 DSGVO gestützten Auskunftsanspruchs erachtet die Kammer jedoch für rechtsmissbräuchlich, da die Geltendmachung aus gänzlich verordnungsfremden Erwägungen heraus erfolgt (so auch LG Wuppertal, a. a. O.). Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 17 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019, 20 W 10/18). Keine der in dem Erwägungsgrund 63 DSGVO genannten Interessen verfolgt die Klagepartei vorliegend, nicht einmal als Reflex. Aus dem Vortrag und dem prozessualen Vorgehen der Klagepartei ergibt sich, dass der Auskunftsanspruch letztlich nur dazu dienen soll, nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsüberprüfung einen etwaig bestehenden Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu verfolgen. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsgehalt einer Rechtsgrundlage entfernt, ist nicht schutzwürdig und stellt sich als treuwidrig dar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klagepartei die Unterlagen, die die begehrten Informationen enthalten unbestritten ursprünglich einmal erhalten hat und nur jetzt nicht mehr darüber verfügt (vgl. LG Wuppertal, a. a. O.)."


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LG Wuppertal: Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO kann Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenstehen

LG Wuppertal
Urteil vom 29.07.2021
4 O 409/20


Das LG Wuppertal hat entschieden, dass der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenstehen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich bei der vorliegenden Sachlage auch nicht erfolgreich auf Art. 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen das gesamte Rechtsleben durchziehenden Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des Art. 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u. a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 2021, § 242 Rn. 49 f.). Diese beiden Aspekte liegen hier kumulativ vor und verdichten sich zu einem treuwidrigen Verhalten.

Nach dem Willen des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18).

Der Kläger hat keines der vorgenannten Interessen, dies nicht einmal als Reflex. Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunabhängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden (vgl. Erwägungsgrund 63 DSGVO).

Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass dem Kläger die Schreiben zugeschickt wurden. Dass er sie besitzt, hat er im Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag nicht substantiiert bestritten (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).


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OVG Schleswig-Holstein: Berufung auf Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren ist zu spät

OVG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 19.03.2021
8 B 7/21


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren zu spät ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage 8 A 47/21 vom 19.02.2021 gegen die mit Bescheid vom 05.02.2021 (Bl. 30 Beiakte „A“) verfügte Zwangsgeldfestsetzung anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Zwangsgeldfestsetzung erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, so dass das gesetzlich indizierte (§ 248 Abs. 1 S. 2 LVwG) öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Ihre Rechtsgrundlage findet die Zwangsgeldfestsetzung in § 237 LVwG. Das Zwangsgeld ist ordnungsgemäß i. S. d. § 236 Abs. 1 S. 1 LVwG angedroht worden. Es hält sich im gesetzlichen Rahmen (§ 237 Abs. 3 LVwG) und steht zum öffentlichen Interesse einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin andererseits in einem angemessenen Verhältnis. Die zugrundeliegende Ordnungsverfügung vom 21.12.2020 (Bl. 17 Beiakte A) ist unstreitig bestandskräftig geworden und die Antragstellerin ist den in dieser Verfügung angeordneten Auskünften nicht nachgekommen.

Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Zwangsgeldfestsetzung auch nicht auf das aus § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG folgende Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Nach dieser Vorschrift kann der Auskunftspflichtige die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde, worauf der Auskunftspflichtige hinzuweisen ist.

Die Antragstellerin greift mit ihrer Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht die hier zugrundeliegende Verfügung vom 21.12.2020 an. Diese ist jedoch bestandskräftig. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit sind nicht ersichtlich. Sie hat sich im die Grundverfügung betreffenden Verfahren zu keinem Zeitpunkt auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. In einem solchen Fall gilt der allgemeine Grundsatz des § 248 Abs. 2 LVwG, dass Einwendungen gegen den dem Vollzug zugrundeliegenden Verwaltungsakt nur außerhalb des Vollzugsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Folglich kann ein Auskunftsverweigerungsrecht im Vollzugsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 31.05.2017, 1 A 83/15, BeckRS 2017, 116998 zu § 38 Abs. 3 S. 2 BDSG a.F.; VG Minden, Urteil vom 26.04.2012, 2 K 884/12, zitiert nach juris). Damit wird dem rechtsstaatlichen Gehalt des Aussagverweigerungsrechts ausreichend Rechnung getragen.


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ArbG Düsseldorf: 5.000 EURO Schadensersatz aus Art 82 Abs.1 DSGVO wegen nicht ausreichender Auskunftserteilung nach Art 15 DSGVO gegen ehemaligen Arbeitgeber

ArbG Düsseldorf
05.03.2020
9 Ca 6557/18

Das ArbG Düsseldorf hat entschieden, dass einem ehemaligen Arbeitnehmer 5.000 EURO Schadensersatz aus Art 82 Abs. 1 DSGVO wegen nicht ausreichender Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO gegen den ehemaligen Arbeitgeber zusteht.


Aus den Entscheidungsgründen:

d) Der Klageantrag zu 4) ist zu einem kleinen Teil begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz iHv. 5.000 € aus Art. 82 Abs. 1 E. nebst Zinsen.

aa) Auch Art. 82 Abs. 1 E. findet im nationalen Recht unmittelbar Anwendung (LG Karlsruhe 2. August 2019 – 8 O 26/19 –).

bb) Die Beklagte als für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers iSd. Art. 4 Ziff. 7 E. Verantwortliche hat gegen die E. verstoßen. Nach Art. 82 Abs. 1 E. kann jeder „Verstoß gegen die Verordnung“ eine Schadensersatzpflicht begründen (Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113).

(1) Die Beklagte hat zum einen gegen die Vorgabe aus Art. 12 Abs. 3 S. 1-3 E. verstoßen, wonach ua. ein Auskunftsantrag nach Art. 15 E. binnen einen Monats nach Eingang, nach einer Unterrichtung über eine Fristverlängerung binnen zwei weiteren Monaten zu beantworten ist. Die Kammer ist davon überzeugt, dass das Auskunftsgesuch des Klägers der Beklagten am 07.06.2018 zugegangen ist (s. oben I. 2. b) aa) (2) (b) der Entscheidungsgründe). Die Auskunft war am 07.07.2018, spätestens am 07.09.2018 zur Erteilung fällig, wurde aber erstmals am 10.12.2018 mit Übergabe des für die Einsicht in die elektronisch hinterlegten Unterlagen notwendigen Passwortes erbracht.

(2) Zum anderen hat die Beklagte gegen Art. 15 Abs. 1 lit. a und lit b iVm. Art. 12 Abs. 1 S. 1 E. verstoßen, indem sie nicht hinreichend über die Verarbeitungszwecke und die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden, unterrichtet hat (s. oben I. 2. b) aa) (3) und cc) der Entscheidungsgründe).

(3) Im Schriftsatz vom 23.12.2019 führt der Kläger aus, dass ein weiterer Verstoß gegen die E. darin bestehe, dass die Datenübermittlungsvereinbarung nicht vollständig vorgelegt worden sei. Indes ist die E. dadurch nicht verletzt. In Anbetracht der hier erfolgten Datenübermittlung vorbehaltlich geeigneter Garantien iSd. Art. 46 E. ist im Rahmen des Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 2 E. nur über die geeigneten Garantien zu unterrichten. Dies ist geschehen (s. oben I. 2. b) ee) der Entscheidungsgründe).

(4) Soweit der Kläger verschiedentlich andere Datenverarbeitungen der Beklagten vorträgt und zum Ausdruck bringt, diese seien datenschutzwidrig, sind keine weiteren Verstöße gegen die E. dargetan, für die die Beklagte nach Art. 82 Abs. 1 E. haftbar wäre. Offensichtlich benennt der Kläger Ereignisse während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses, das ab Geltung der E. ab dem 25.05.2018 bereits beendet war.

cc) Die Beklagte hat nicht dargetan, für die Verstöße nicht verantwortlich zu sein, sodass gemäß Art. 82 Abs. 3 E. eine Haftung entfiele. Insbesondere muss sie sicherstellen, dass sie Betroffenengesuche nach Art. 12 ff. E. auch dann erreichen, wenn rechtsgeschäftlich oder kraft Verkehrsanschauung ein Empfangsbote zur Entgegennahme von Willenserklärungen berechtigt ist.

dd) Verursacht durch die genannten Verstöße hat der Kläger, der keinen materiellen Schaden vorgetragen hat, einen immateriellen Schaden iSd. Art. 82 Abs. 1 E. erlitten. Der Begriff des Schadens ist weit auf eine Art und Weise auszulegen, die den Zielen der E. in vollem Umfang entspricht (EG 146; Bergt, in Kühling/Buchner, E./BDSG, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 17; Frenzel, in Paal/Pauly, E./BDSG, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 10 mwN.). Ein immaterieller Schaden entsteht nicht nur in den „auf der Hand liegenden Fällen“, wenn die datenschutzwidrige Verarbeitung zu einer Diskriminierung, einem Verlust der Vertraulichkeit, einer Rufschädigung oder anderen gesellschaftlichen Nachteilen führt, sondern auch, wenn die betroffene Person um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert wird, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (EG 75). Indem die Beklagte die Vorgaben aus Art. 15 Abs. 1 Hs. 1, Hs. 2 lit. a, b iVm. Art. 12 Abs. 1, 3 E. verletzt hat, hat sie das Auskunftsrecht des Klägers – das zentrale Betroffenenrecht – beeinträchtigt (vgl. Ehmann, in Ehmann/Selmayr, E., 2. Aufl., Art. 15 Rn. 1 mwN.; Bäcker, in Kühling/Buchner, E./BDSG, 2. Aufl., Art. 5 Rn. 1). Verletzt ist zugleich ein europäisches Grundrecht des Klägers; Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh gewährleistet das Auskunftsrecht ausdrücklich. Durch die monatelang verspätete, dann unzureichende Auskunft war der Kläger im Ungewissen und ihm die Prüfung verwehrt, dann nur eingeschränkt möglich, ob und wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeitet. Die Schwere des immateriellen Schadens ist für die Begründung der Haftung nach Art. 82 Abs. 1 E. irrelevant und wirkt sich nur noch bei der Höhe des Anspruchs aus (LG Karlsruhe 2. August 2019 – 8 O 26/19 –; Gola/Pitz, in Gola, E., 2. Aufl., Art. 82 Rn. 13 mwN. der restriktiveren Rspr. zu § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG).

ee) Zum Ersatz dieses immateriellen Schadens hält die Kammer einen Betrag iHv. 5.000 € für geboten, aber auch ausreichend.

(1) Die betroffene Person soll einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten (EG 146). Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden, damit die E. wirken kann, was vor allem durch Schadensersatz in abschreckender Höhe erreicht wird (Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113, 115; Bergt, in Kühling/Buchner, E./BDSG, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 18; Frenzel, in Paal/Pauly, E./BDSG, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 10 mwN.). Gerichte können sich bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes auch an Art. 83 Abs. 2 E. orientieren, sodass als Zumessungskriterien unter anderem Art, Schwere, Dauer des Verstoßes, Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des den betroffenen Personen entstandenen Schadens, frühere einschlägige Verstöße sowie die Kategorien der betroffenen personenbezogenen Daten betrachtet werden können (Quaas, in BeckOK Datenschutzrecht, 31. Edition, Art. 31; Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113, 115). Die Mitgliedsstaaten – auch die erkennende Kammer – sind nach dem Gedanken des Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, der E. zur Wirkung zu verhelfen.

(2) Den Grundsätzen entsprechend muss die Beklagte einen Schadensersatz iHv. insgesamt 5.000 € zahlen. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der europäische Verordnungsgeber das verletzte Recht als bedeutsam einordnet, wie sich neben Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh auch an der Zuordnung der Art. 12 ff. E. zu dem Katalog des § 83 Abs. 5 E. zeigt. Es handelt sich eben nicht nur um ein einfaches Arbeitspapier. Weiter hielt der Verstoß einige Monate an, in denen der Kläger über die Datenverarbeitung durch die Beklagte im Ungewissen war. Der Zeitraum vom 08.07. bis 07.09.2018 fiel dabei weniger stark ins Gewicht als die etwa drei Monate bis zum 10.12.2018, da Art. 12 Abs. 3 S. 2 E. dem Antragssteller – wenn auch nach Unterrichtung über eine Fristverlängerung – zumutet, bis zu drei Monate auf die Auskunft zu warten. Außerdem sind die Anforderungen an die zu erteilende Auskunft nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich verletzt. Überdies war der nach Vortrag des Klägers beträchtliche Umsatz der Beklagten zu berücksichtigen. (Der Vortrag ist unstreitig, doch ist fraglich, ob es sich um den Umsatz der Beklagten oder der I. insgesamt handelt.) Da der Schadensersatz eine angemessene Wirkung erzielen soll, hängt dessen Höhe nicht nur vom eingetretenen immateriellen Schaden, sondern auch von dem nach Art. 4 Ziff. 7 E. Verantwortlichen und dessen Finanzkraft ab. Mit anderen Worten: Die Verletzung der Auskunftspflicht aus Art. 15 E. durch einen finanzschwächeren Verantwortlichen würde zu geringerem Schadensersatz führen.

Zu Gunsten der Beklagten wird berücksichtigt, dass von fahrlässigen Verstößen auszugehen ist. Anhaltspunkte für Vorsatz, mithin die bewusste und gewollte verspätete, dann intransparente Reaktion auf das Auskunftsgesuch, sind nicht ersichtlich. Auch sind keine anderen Verstöße der Beklagten gegen die E. dargetan. Des Weiteren erschließt sich der Kammer nicht, warum die Höhe der Vergütung des Klägers in die Bemessung des Schadensersatzes einfließen sollte. Die Schwere des entstandenen immateriellen Schadens, der vor allem in der Ungewissheit über die Verarbeitung seiner Daten besteht, hängt nicht davon ab, wieviel er verdient. Auch sind besondere Kategorien personenbezogener Daten iSd. Art. 9 E. nicht substantiell betroffen. Endlich ist trotz der Bedeutung des Auskunftsrechts des Art. 15 E. nicht zu verkennen, dass mit dem vom Kläger herangezogenen Bußgeldrahmen des § 83 Abs. 5 E. auch noch weit gravierende Persönlichkeitsrechtsverletzungen sanktioniert werden sollen und die Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Der dem Kläger entstandene immaterielle Schaden ist nicht erheblich.

Unter Berücksichtigung all dessen hat die Kammer für die ersten zwei Monate der Verspätung jeweils 500 €, für die weiteren etwa drei Monate jeweils 1.000 € und für die beiden inhaltlichen Mängel der Auskunft jeweils 500 € angesetzt.

ff) Die zugesprochenen Zinsen folgen aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

e) Die Klageanträge zu 5) bis 7) sind unbegründet. Eine Rechtsgrundlage, auf die der Kläger die damit verfolgten Begehren stützen könnte, ist nicht ersichtlich, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Datenübermittlung vorbehaltlich geeigneter Garantien gemäß § 46 E. ergibt sich die besondere Auskunftspflicht aus Art. 15 Abs. 2 E.. Diese hat die Beklagte erfüllt (s. oben I. 2. b) aa) (3) und ee) der Entscheidungsgründe).


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BGH: Streitwert für Auskunftserteilung mit eidesstattlicher Versicherung bemisst sich nach Bruchteil des Betrages den Kläger zu erstreiten erhofft

BGH
Beschluss vom 19.04.2018
IX ZB 62/17
ZPO § 3


Der BGH hat entschieden, dass sich der Streitwert für eine Auskunftserteilung mit eidesstattlicher Versicherung bemisst nach Bruchteil des Betrages den Kläger zu erstreiten erhofft. Der Bruchteil ist dabei umso höher je geringer die Kenntnisse des Klägers sind.

Leitsatz des BGH:
Der Streitwert für einen Anspruch auf Auskunftserteilung und auf Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung bemisst sich auf einen Bruchteil des Betrags, den der Kläger nach dem Inhalt der Auskunft zu erstreiten erhofft. Der Bruchteil ist umso höher anzusetzen, je geringer die Kenntnisse des Klägers von den zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind.

BGH, Beschluss vom 19. April 2018 - IX ZB 62/17 - KG Berlin - LG Berlin

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BGH: Beschwerde des Anschlussinhabers gegen Gestattung der Auskunftserteilung durch Provider nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auch nach Auskunftserteilung statthaft

BGH
Beschluss vom 05.12.2012
I ZB 48/12
Die Heiligtümer des Todes
UrhG § 101 Abs. 9 Satz 1; FamFG § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3


Leitsätze des BGH:

a) Die Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG ist gemäß § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FamFG auch dann statthaft, wenn sie erst nach Erteilung der Auskunft eingelegt worden ist.

b) Die Beschwerdefristen des § 63 Abs. 3 FamFG gelten nicht für Beschwerden von Anschlussinhabern gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG.

BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZB 48/12 - OLG Köln - LG Köln

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