BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO umfasst alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle
BGH,
Urteil vom 16.04.2024
VI ZR 223/21
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3
Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle umfasst.
Leitsatz des BGH:
Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).
BGH, Urteil vom 16. April 2024 - VI ZR 223/21 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).
a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.
b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).
c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).
Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).
d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 16.04.2024
VI ZR 223/21
DSGVO Art. 15 Abs. 1, 3
Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO alle Schreiben der betroffenen Person an die verantwortliche Stelle umfasst.
Leitsatz des BGH:
Zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO (Anschluss an Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21).
BGH, Urteil vom 16. April 2024 - VI ZR 223/21 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Überlassung von Abschriften der bei der Beklagten gespeicherten, von ihr selbst verfassten Erklärungen (Auskunftsbegehren zu a).
a) Art. 15 DSGVO ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018 als dem Anwendungsdatum der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 Abs. 2 DSGVO) ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2019 von der Beklagten Auskunft und Überlassung von Kopien verlangt.
b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 14; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.).
c) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).
Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 16; vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, WM 2024, 555 Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).
d) Danach handelt es sich bei den von der Klägerin verfassten Erklärungen, die der Beklagten vorliegen (Auskunftsbegehren zu a), ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Erklärungen fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden (Senatsurteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21, juris Rn. 17).
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