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AG Lörrach: Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO umfasst gespeicherte Audiomitschnitte von Telefongesprächen

AG Lörrach
Urteil vom 05.02.2024
3 C 661/23


Das AG Lörrach hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO auch gespeicherte Audiomitschnitte von Telefongesprächen umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
I) Die Klage ist hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO unstreitig gegeben. Zwischen den Parteien blieb bis zuletzt lediglich streitig, ob der Audiomitschnitt vom Telefongespräch Ende 2022 übermittelt wurde. Dafür bot die Beklagte keinen Beweis an, obwohl sie die Erfüllung zu beweisen hatte. Damit war die Beklagte dahingehend noch zu verurteilen.

II) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 713,76 €. Dieser Anspruch richtet sich nach § 257 BGB auf Freistellung. Der Anspruch gründet für verschiedene Streitgegenstände auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen (1)-3)). Hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren ist der Streitwert aber einheitlich zu bestimmen, woraus sich die Schadenshöhe ergibt (4)).

1) Wegen der vorgerichtlichen Aufforderung zur Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus Art. 82 DSGVO.

a) Die Beklagte hat gegen Art. 6 DSGVO verstoßen, indem sie die personenbezogenen Daten des Klägers ohne Rechtfertigung verarbeitet hat. Die Beklagte erhielt die Daten des Klägers ohne sein Wissen und Wollen. Die erlangten Daten benutzte die Beklagte, um den Kläger anzurufen und einen Vertragsschluss anzubieten. Die Telefondaten und die Personalien des Klägers sind personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Indem die Beklagte die Daten erhalten hat und bei sich selbst gespeichert hat, liegt eine Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor. Die Daten wurden anschließend für den Anruf und die Vertragsanbahnung verwendet, womit eine weitere Verarbeitung vorliegt. Solch eine Verarbeitung ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO rechtmäßig. Die Beklagte hat keinen Fall davon vorgetragen. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass der Kläger zu solch einer Verarbeitung zustimmt hat. Soweit in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, woher die Beklagte die Daten hat und der Sohn des Klägers informatorisch angehört wurde, konnte er nicht bestätigen, dass er gegenüber der a. GmbH eine Einwilligung erteilt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass unter einer Abwägung der Interessen die Verarbeitung gerechtfertigt war (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO). Damit liegt ein Verstoß gegen eine konkrete Datenschutzbestimmung vor. Es kommt also nicht darauf an, ob auch anderweitige Verstöße ausreichen (dazu: BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 14; EuGH GRUR-RS 2023, 8972).

b) Soweit auch die a. GmbH für die rechtswidrige Verarbeitung der personenbezogenen Daten verantwortlich war, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte nach Art. 82 Abs. 4 DSGVO auch alleine für den gesamten Schaden haftet.

c) Die Beklagte konnte sich auch nicht nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO exkulpieren, weil die Beklagte sowohl für die Speicherung als auch für die Verwendung selbst verantwortlich ist.

d) Als Schaden kann der Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 DSGVO geltend machen.

aa) Hinsichtlich der Schadenshöhe hat der EuGH festgestellt, dass sich dieser grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften ergibt. Dies darf allerdings nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität verstoßen. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 59) Dahingehend ist zu berücksichtigen, dass die DSGVO einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 57) Damit ist kein Strafschadensersatz gefordert. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 58) Allerdings erfordert Sinn und Zweck der DSGVO eine weite Auslegung des Schadensbegriffs (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 29).

bb) Hinsichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten ist es im Rahmen von § 249 BGB anerkannt, dass diese ersetzt werden müssen, wenn man sich vorprozessual anwaltlicher Hilfe bedient hat, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 178). Der Kläger macht aber Rechtsanwaltskosten geltend, weil er sich zur Durchsetzung seines Anspruchs aus Art. 15 DSGVO eines Anwalts bedient hat, was keinen Schadensersatzanspruch beinhaltet. Ein Schaden müsste sich damit aus den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB ergeben.

Nach der Differenzhypothese sind die Güterlagen mit und ohne schädigendes Ereignis zu bewerten (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 12). Danach kann ein Schaden angenommen werden, weil das schädigende Ereignis die Erlangung der Daten durch die Beklagte und deren Verwendung ist. Ohne dieses Ereignis, hätte der Kläger niemals einen Anspruch aus Art. 15 DSGVO geltend machen wollen.

Die Beauftragung eines Anwalts geschah nach dem schädigenden Ereignis und basiert auf einem eigenen Willensentschluss des Klägers. Es handelt sich aber trotzdem um einen unfreiwilligen Schaden und keine Aufwendung als freiwilliges Vermögensopfer. Ein Schaden bei freiwilligen Vermögensopfern liegt vor, wenn sie aus Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich sind, um die Folgen einer Rechtsgutsverletzung zu beseitigen. (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 10) Das ist vorliegend der Fall. Die Rechtsgutsverletzung ist die rechtswidrige Datenverarbeitung. Für den Kläger war es erforderlich, zunächst das Ausmaß dieser Rechtsgutsverletzung in Erfahrung zu bringen, um sich anschließend um die Schadensbehebung zu bemühen. Für die Durchsetzung des Anspruches aus Art. 15 DSGVO war auch die Einschaltung eines Anwalts erforderlich. Dem Kläger war es nicht nach § 254 BGB zuzumuten den Anspruch selbst zu verfolgen (so auch: LG Lübeck, Urteil vom 7. Dezember 2023 – 15 O 73/23 –, juris Rn. 192; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – 10 O 1510/22 –, juris Rn. 162). Es kann nicht erwartet werden, dass ein juristischer Laie die Regelungen und Ansprüche aus der DSGVO kennt, um diese selbst durchzusetzen.

cc) Auch in der Literatur wird angenommen, dass vorgerichtliche Anwaltskosten ein Schaden sein können (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 29; Boehm in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, DSGVO Art. 82 Rn. 28: gerade in Bezug für die Ermittlung und Hilfe den immateriellen Schaden zu beseitigen). Auch in der Rechtsprechung wird dies angenommen (LG Lübeck, Urteil vom 7. Dezember 2023 – 15 O 73/23 –, juris Rn. 192; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – 10 O 1510/22 –, juris Rn. 162).

dd) Da ein Schaden nach deutschem Recht angenommen werden kann, liegt auch kein Verstoß gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität vor, da einer weiten Auslegung von Art. 82 DSGVO Rechnung getragen wird.

ee) Die Rechtsfrage ist auch nicht dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. In der zitierten Entscheidung (EuGH GRUR-RS 2023, 8972) hat er bereits explizit entschieden, dass für die Schadenshöhe das nationale Recht anwendbar ist, dies aber nicht gegen die eigenständigen Anforderungen von Art. 82 DSGVO verstoßen darf. Diese Grundsätze wurden hier beachtet. Eine weitergehende Auslegung von EU-Recht noch ungeklärter Fragen ist nicht veranlasst.

2) Sowohl wegen des Strom- und Gaslieferungsvertrags und der Abwehr der Ansprüche daraus hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1; 311 Abs. 2 Nr. 2; 241 Abs. 2 BGB; 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

a) Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil die Beklagte den Kläger zur Vertragsanbahnung angerufen hat.

b) Dabei hat die Beklagte gegen ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstoßen. Sie hat ihn unaufgefordert angerufen und keine Einwilligung eingeholt, was einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG darstellt, weil der Kläger Verbraucher nach § 13 BGB war. Dem steht nicht entgegen, dass hier die Vertragsanbahnung und die Pflichtverletzung zusammengehen. Die Pflichtverletzung setzte sich nämlich fort, indem die Beklagte den Anruf aufrechterhielt ohne eine Einwilligung nach § 7a UWG einzuholen (so auch: AG Remscheid, Urteil vom 26. November 2015 – 7 C 73/15 –, juris; LG Arnsberg, Urteil vom 22. Januar 2015 – 8 O 133/14 –, juris Rn. 24; dagegen zweifelnd, aber nicht entschieden: OLG Hamm, Urteil vom 7. Oktober 2016 – 12 U 38/15 –, juris Rn. 38).

Soweit für die Beklagte ein Mitarbeiter handelte, wird ihr dieses Verhalten nach § 278 BGB zugerechnet.

c) Es wird vermutet, dass die Beklagte dies zu vertreten hat (§ 280 Abs. 2 BGB). Die Beklagte handelte sogar vorsätzlich, weil sie es gerade darauf anlegte, den Kläger unaufgefordert anzurufen. Auch hier wird das Verhalten des Mitarbeiters nach § 278 BGB zugerechnet.

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d) Als Schadensersatz kann der Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten zur Klärung des fehlenden Vertragsverhältnisses und Abwehr der daraus resultierenden Ansprüche verlangen (§ 249 Abs. 1 BGB).

aa) Allein wegen des unerlaubten Anrufs nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG kam es zu dem für den Kläger unklaren Vertragsverhältnis zu der Beklagten. Damit waren die Vermögensinteressen des Klägers gefährdet, weil er befürchten musste, dass die Beklagte ungerechtfertigte Zahlungsansprüche geltend macht. Als juristischen Laien war es dem Kläger nicht zumutbar, das tatsächliche Vertragsverhältnis selbst zu klären. Es war somit für ihn erforderlich, einen Anwalt zu beauftragen. Dieser Vermögensschaden des Klägers war auch kausal aufgrund der Pflichtverletzung, weil das unklare Vertragsverhältnis gerade aus dem ungewollten Telefonanruf hervorging.

bb) Daran ändert nichts, dass die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2023 den Gaslieferungsvertrag kündigte. Entscheidend war, ob überhaupt ein Vertrag zustande kam. Im Kündigungsschreiben wurde auch noch angekündigt, dass eine Abschlussrechnung erfolgen werde. Damit ging die Beklagte weiterhin von einem geschlossenen Vertrag aus.

Hinsichtlich des Vertrags über Stromlieferung musste der Beklagte bis zu Schluss davon ausgehen, dass die Beklagte von einem bestehenden Vertrag ausging, weil er keine gegenteilige Information erhielt.

3) Sowohl wegen des Strom- und Gaslieferungsvertrags und der Abwehr der Ansprüche daraus kann der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatz auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 831; 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG und damit aus einer weiteren Anspruchsgrundlage verlangen.

a) § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist an sich kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, weil die §§ 8 ff. UWG die zivilrechtliche Folgen des Verstoßes abschließend regeln (OLG Köln, Urteil vom 18. November 2022 – 6 U 49/22 –, juris). Allerdings ist § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG darüber hinaus nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG bußgeldbewährt. Diese Norm ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB einzuordnen (BeckOK UWG/Fritzsche, 22. Ed. 1.10.2023, UWG § 7 Rn. 21). Der Schutzumfang ist derselbe, weshalb nicht entschieden werden muss, ob § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht doch selbst nach richtlinienkonformer Auslegung (Art. 13 ePrivacy-RL) als Schutzgesetz anzusehen ist (so: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, UWG § 7 Rn. 24).

Das Gericht folgt auch dieser in der Literatur vertretene Auffassung. Eine Norm ist ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie gerade Individualinteressen schützen möchte. Das ist hier der Fall. Das UWG will Verbraucher schützen (§ 1 Abs. 1 UWG). Dieser Schutz ist besonders ausgeprägt. So gewährt § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Schutz vor sogenannten Cold-Calls. Dieser ist gegenüber Verbrauchern besonders ausgestaltet, da bei ihnen eine ausdrückliche Einwilligung eingeholt werden muss und ein Verstoß dagegen bußgeldbewährt ist, was bei Nicht-Verbrauchern jeweils nicht der Fall ist. Die Norm will somit nicht nur die Allgemeinheit vor Cold-Calls schützen, sondern auch einzelne Verbraucher vor dessen Gefahren bewahren. Wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die §§ 8 ff. UWG eine weitergehende zivilrechtliche Haftung ausschließen, weil die §§ 8 ff. UWG nicht die zivilrechtlichen Folgen von § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG regelt und § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch nicht denselben Regelungsgehalt von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG hat, sondern einen eingeschränkteren Anwendungsbereich hat.

b) Die Beklagte verstieß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Sie holte beim Kläger keine Einwilligung ein für den ungefragten Anruf und zwischen den Parteien bestand auch davor keine Vertragsbeziehung. Der Kläger war Verbraucher nach § 13 BGB.

c) Dieses Vorgehen war durch die Beklagte auch so geplant, weshalb sie vorsätzlich nach § 823 Abs. 2 S. 2 BGB handelte.

d) Da für die Beklagte ein Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfe handelte, haftet die Beklagte selbst nach § 831 BGB. Sie kann sich nicht nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren, weil dazu nichts vorgetragen wurde.

e) Als Schaden kann der Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 249 Abs. 1 BGB verlangen.

aa) Der Kläger war damit konfrontiert, dass die Beklagte von zwei abgeschlossenen Verträgen ausging, was tatsächlich nicht der Fall war. Grundlage dafür war gerade die unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Um diese Belastung zu beseitigen, hat Kläger zunächst Widerrufserklärungen abgegeben. Dies war aber nicht erfolgreich, weil der Kläger anschließend mit Gas zwangsbeliefert wurde und hinsichtlich des Vertrags über den Strom für ihn weiter nicht erkenntlich war, ob die Beklagte von einem wirksamen Vertrag ausging. Für den Kläger war es damit erforderlich einen Anwalt zu beauftragen, um das Vertragsverhältnis zu klären. Als juristischer Laie war ihm nicht klar, ob ein abgeschlossener Vertrag vorliegt oder er dies noch verhindern konnte. Für ihn war aber klar, dass zumindest die Beklagte noch von einem abgeschlossenen Vertrag ausging.

Damit wollte der Kläger nicht nur außervertragliche Ansprüche abwehren, wofür die Voraussetzungen der Geltendmachung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hoch sind (dazu: AG Lörrach, Urteil vom 25. September 2023 – 3 C 560/23 –, juris unter Verweis auf: BGH, NJW 2009, 1262). Für den Kläger ging es darum, ob der Vertrag an sich besteht. Gerade diese Unsicherheit will § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vermeiden und die Beseitigung davon ist vom Schutzzweck und damit vom Schadensumfang umfasst.

bb) Daran ändert nichts, dass die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2023 den Gaslieferungsvertrag kündigte. Entscheidend war, ob überhaupt ein Vertrag zustande kam. Im Kündigungsschreiben wurde auch noch angekündigt, dass eine Abschlussrechnung erfolgen werde. Damit ging die Beklagte weiterhin von einem geschlossenen Vertrag aus.

Hinsichtlich des Vertrags über Stromlieferung musste der Beklagte bis zu Schluss davon ausgehen, dass die Beklagte von einem bestehenden Vertrag ausging, weil er keine gegenteilige Information erhielt.

4) Die Schadenshöhe für die jeweiligen Schadensersatzansprüche des Klägers setzen sich aus einem einheitlichen Streitwert zusammen, der die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt. Die Angelegenheit wurde als eine einzige behandelt und dafür ist ein einheitlicher Streitwert nach § 22 Abs. 1 RVG zu bilden.

Für den Auskunftsanspruch nahm der Kläger 1.000 € an, für den Gasliefervertrag 500 € und für den Stromliefervertrag 5.000 €. Die Beklagte ist diesen Werten nicht entgegengetreten. Zumindest hinsichtlich der Gasrechnung verlangte die Beklagte noch 654 €, weshalb die angesetzten 500 € angemessen waren. Soweit die Beklagte den Wert des Stromliefervertrags in Höhe von 5.000 € nicht anzweifelt, hält das Gericht auch diesen Betrag für angemessen. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs sieht das Gericht auch keinen Grund an der Angemessenheit von 1.000 € als Streitwert zu zweifeln.

Ausgehend von einem Streitwert von 6.500 € kann eine 1,3 Geschäftsgebühr, die Pauschale und die Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 713,76 € verlangt werden.

C) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen, weil sie den Rechtsstreit verloren hat. Soweit der Rechtsstreit beidseitig für erledigt erklärt wurde, hat die Beklagte die Kosten nach § 91a ZPO zu tragen. Der Klageantrag Nr. 1 war ursprünglich zulässig und begründet. Wegen der Anspruchsberühmung war der Feststellungsantrag zulässig nach § 256 ZPO (BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 256 Rn. 22). Die Beklagte forderte von dem Kläger noch 654 € aus dem Gasliefervertrag. Die Klage war auch begründet. Zwischen den Parteien kam kein Vertrag zustande. Für einen Vertragsschluss war die Beklagte beweisbelastet und hat dafür keinen Beweis angeboten, so dass auch damit zu rechnen war, dass sie den Prozess dahingehend verloren hätte. Dies erledigte sich dadurch, dass die Beklagte während des Prozesses versicherte aus dem Gasliefervertrag keine Ansprüche geltend machen zu wollen, damit war die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Wiederholungsgefahr für Irreführung durch Hotline-Mitarbeiter entfällt nicht durch Hinweis auf angeblichen Ausreißer und Handeln gegen Anweisung durch Mitarbeiter

OLG Frankfurt
Urteil vom 16.09.2021
6 U 133/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Wiederholungsgefahr für eine wettbewerbswidrige Irreführung durch den Hotline-Mitarbeiter eines Mobilfunkanbieters nicht durch Hinweis auf einen angeblichen Ausreißer und Handeln gegen Anweisung durch den Mitarbeiter entfällt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG zu, da die Beklagte eine irreführende Handlung vorgenommen hat, indem sie einem Kunden eine kosten- und bedingungslose Leistung versprochen hat, die dieser tatsächlich nur bei Rücknahme der Kündigung erhalten sollte.

1. Soweit der Kläger mit der Berufung angreift, dass das Landgericht entgegen seiner Darlegung zunächst einen Anspruch aus § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des Anhangs behandelt und erst danach Ausführungen zu § 5 UWG gemacht habe, ist die dahinstehende Überlegung des Klägers, dem Gericht die Prüfungsreihenfolge vorgehen zu können, verfehlt.

Streitgegenstand ist folgendes Verhalten der Beklagten: Sie verspricht dem Kunden als „Datasnack“ 1 GB Datenvolumen, wenn dieser nach einer Kündigung beim Kundenservice anruft. Tatsächlich aber hat der Kunde im vorliegenden Fall den Datasnack nicht voraussetzungslos, sondern nur dann erhalten, wenn er seine Kündigung zurückgenommen hat.

Dieses Verhalten greift der Kläger unter zwei Gesichtspunkten an: Zum einen liege hierin eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2. bzw. § 5a UWG; zum anderen sei der Katalogtatbestand der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfüllt. Letzteres hat der Kläger in der Klageschrift wie folgt eingeführt: „Strenggenommen wären die obigen Ausführungen zu § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 5a Abs. 2 UWG sogar als Hilfsvortrag zu betrachten. Gleichwohl dürften sie der juristischen Reflexion des Sachverhalts dienlich sein“. Hieraus wird nicht deutlich, ob der Kläger in erster Instanz das Verhalten tatsächlich unter beiden Gesichtspunkten angreifen wollte und wenn ja, in welchem Verhältnis die beiden Angriffe zu einander stehen sollten. Wenn sich - wie hier - die Klage gegen die sog. konkrete Verletzungsform richtet, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn 18 - Betriebspsychologe; OLG Köln GRUR-RR 2013, 24; OLG Düsseldorf WRP 2019, 899 Rn 19), hier also sowohl §§ 5, 5a UWG als auch § 3 Abs. 3 UWG.

Der „weite“ Streitgegenstandsbegriff ermöglicht es dem Gericht grundsätzlich, selbst zu bestimmen, ob und auf welcher Grundlage es ein Unterlassungsgebot ausspricht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger beide Angriffe zum Gegenstand jeweils eines eigenen Antrags macht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 12 Rn 1.23 j), was aber hier in erster Instanz nicht der Fall gewesen ist. In der Berufung hat der Kläger nunmehr ausgeführt, sein Vortrag habe sich auf § 3 Abs. 3 UWG nur „ergänzend und hilfsweise bezogen“. Dies ändert indes nichts, da er auch weiterhin die beiden Beanstandungen nicht zum Gegenstand verschiedener Anträge macht.

Auch aus dem Gesetz ergibt sich keine zwingende Reihenfolge. Zwar handelt sich in den Fällen des § 3 Abs. 3 UWG um Spezialregelungen; die allgemeinen Vorschriften der Unlauterkeit wegen irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken werden durch die spezielleren Tatbestände im Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG allerdings nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt (BGH, GRUR 2012, 82 Rn 16 - Auftragsbestätigung - m.w.N.). Der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ist damit nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Frage der Unlauterkeit der im Anhang geregelten besonderen Geschäftspraktiken dort abschließend geregelt ist (BGH GRUR 2019, 1202 - Identitätsdiebstahl).

2. Die Beklagte hat gegen § 5 Abs. 1 UWG verstoßen, indem sie damit geworben hat, dass der Kunde bei einem Anruf 1 GB Datenvolumen voraussetzungslos erhalte und dem Kunden bei dem Anruf, dagegen (zweimal) mitgeteilt hat, dass die zusätzliche Voraussetzung der Kündigungsrücknahme zu erfüllen sei.

Soweit die Beklagte dem entgegenhält, eine einzelne Mitarbeiterin habe irrtümlich, anordnungswidrig und fehlerhaft diese zusätzliche Voraussetzung verlangt, ist dies rechtlich unerheblich sein. Die Beklagte haftet für das Verhalten ihrer Mitarbeiter verschuldensunabhängig nach § 8 Abs. 2 UWG.

Die Tatsache, dass dem Kunden schließlich der Datasnack doch voraussetzungslos gutgeschrieben worden ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Tat des § 5 Abs. 1 UWG ist in dem Moment vollendet, in dem die Gutschrift dem Kunden verweigert wurde.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die irreführende Handlung auch geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die irreführende Werbung mit dem Datenpaket ist geeignet im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, da sie den Verkehr dazu anreizt, mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen. Auch wenn die Gefahren im Allgemeinen geringer sind als die einer Irreführung mit unmittelbarer Relevanz für die Marktentscheidung, erfasst das Verbot des § 5 auch die Irreführung, von der lediglich eine Anlockwirkung ausgeht. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Fälle der Irreführung über die angemessene Bevorratung ausdrücklich im Gesetz geregelt sind, und zwar in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 („Verfügbarkeit der Ware“) und vor allem in Nr. 5 des Anh. § 3 Abs. 3. Aber auch das europäische Recht lässt den Anlockeffekt für die irreführende Werbung ausreichen, wie sich aus Art. 3 lit. a der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung und vor allem der UGP-RL (Anh. I Nr. 5) entnehmen lässt. In der Rechtsprechung des EuGH wird demgemäß der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ im Sinne des Art. 2 lit. k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung im Sinne des Art. 6 I UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert. Erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen, wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196 Rn 36 - Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH GRUR 2017, 1269 Rn 19 - MeinPaket.de II).

Danach steht im vorliegenden Fall die geschäftliche Relevanz außer Frage. Die Beklagte hat den Kunden durch das Versprechen eines voraussetzungslosen Vorteils „an die Strippe“ gelockt, um ihn leichter von einer Rücknahme seiner Kündigung zu überzeugen. Die Entscheidung des Kunden, mit der Beklagten - mit der er nach der Kündigung geschäftlich nicht mehr verbunden sein wollte - in Kontakt zu treten, ist als geschäftliche Entscheidung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG anzusehen und kann mit dem Betreten des Ladengeschäftes oder dem Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet verglichen werden.

Dass es sich nur um einen Verstoß handelte (soweit bekannt), kann die Geeignetheit nicht in Frage stellen, da diese abstrakt zu betrachten ist.

4. Es fehlt auch nicht an der notwendigen Wiederholungsgefahr.

Das Argument der Beklagten, es handele sich nur um einen einzelnen „Ausreißer“, fruchtet im Ergebnis nicht. Nach ständiger Rechtsprechung besteht auf Grund einer vollendeten Zuwiderhandlung eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr für die konkrete Zuwiderhandlung und im Kern gleichartige Verstöße. Dennoch ist die Vermutung im Grundsatz widerleglich. Nach h.M. ist zur Widerlegung in aller Regel - wie bereits angesprochen - die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich. Die Rechtsprechung hat in seltenen Ausnahmefällen die Vermutung der Wiederholungsgefahr für widerlegt (oder nicht eingreifend) gehalten, namentlich in ganz ungewöhnlichen Situationen, in denen eine Wiederholung eines im Kern ähnlichen Wettbewerbsverstoßes unwahrscheinlich erschien oder erst nach einem so langen Zeitraum zu erwarten war, dass die Vermutung kaum mehr haltbar gewesen wäre. Der Einwand, es habe sich bei dem Wettbewerbsverstoß um einen einmaligen oder zumindest seltenen Ausreißer oder eine sonstige Panne gehandelt, widerlegt die Vermutung indes grundsätzlich nicht (OLG Hamburg WRP 2007, 1246, 1248; OLG Hamm Urteil vom 29.10.2009 - 4 U 145/09 = BeckRS 2009, 89543; MüKoUWG/Fritzsche, 2. Aufl. 2014, UWG § 8). Der Hinweis auf „Ausreißer“ kann allenfalls im Rahmen eines - die Schuldhaftigkeit des Verstoßes erfordernden - Ordnungsmittelverfahrens Bedeutung erlangen (OLG Hamburg, PharmR 2015, 25)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Bonn: Bußgeld gegen 1&1 wegen Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO wird von 9,55 Mio EURO auf 900.000 EURO reduziert

LG Bonn
Urteil vom 12.11.2020
29 OWi 1/20 LG


Das LG Bonn hat entschieden, dass das Bußgeld gegen 1&1 (Siehe dazu: BfDI: Bußgeld von fast 10 Mio EURO gegen 1&1 - Verstoß gegen Art. 32 DSGVO bei telefonischer Kundenbetreuung - Kundenauthentifizierung bei der Hotline) wegen Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO wird von 9,55 Mio EURO auf 900.000 EURO reduziert wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Urteil im Bußgeldverfahren gegen einen Telekommunikationsdienstleister

Die 9. Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Bonn hat heute entschieden, dass das Bußgeld, welches der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) gegen einen Telekommunikationsdienstleister aufgrund eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verhängt hat, dem Grunde nach berechtigt, aber unangemessen hoch sei. Die Kammer hat das Bußgeld von ursprünglich 9,55 Millionen Euro daher auf 900.000 Euro herabgesetzt.

Anlass für das Bußgeldverfahren war eine Strafanzeige wegen Nachstellung („Stalking“) eines Kunden des Telekommunikationsdienstleisters. Dessen ehemalige Lebensgefährtin hatte über das Callcenter des Telekommunikationsdienstleisters die neue Telefonnummer ihres Ex-Partners erfragt, indem sie sich als dessen Ehefrau ausgegeben hatte. Zur Legitimierung musste sie lediglich den Namen und das Geburtsdatum des Kunden nennen. Die neue Telefonnummer hatte sie dann zu belästigenden Kontaktaufnahmen genutzt.

Der BfDI verhängte deshalb im November 2019 gegen den Telekommunikationsdienstleister ein Bußgeld in Höhe von 9,55 Millionen Euro wegen grob fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 32 Abs. 1 DSGVO. Zur Begründung führte der BfDI aus, dass die bloße Abfrage von Name und Geburtsdatum zur Authentifizierung von Telefonanrufern keinen ausreichenden Schutz für die Daten im Callcenter gewährleiste.

Gegen diesen Bescheid hat der Telekommunikationsdienstleister Einspruch eingelegt, weshalb die Sache an fünf Hauptverhandlungstagen vor der 9. Kammer für Bußgeldsachen verhandelt wurde.

Die Kammer hat entschieden, dass die Verhängung eines Bußgelds gegen ein Unternehmen nicht davon abhänge, dass der konkrete Verstoß einer Leitungsperson des Unternehmens festgestellt werde. Das nach Auffassung der Kammer anwendbare europäische Recht stelle anders als das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht kein entsprechendes Erfordernis auf.

In der Sache liege ein Datenschutzverstoß vor, da der Telekommunikationsdienstleister die Daten seiner Kunden im Rahmen der Kommunikation über die sog. Callcenter nicht durch ein hinreichend sicheres Authentifizierungsverfahren geschützt habe. Auf diese Weise sei es nicht berechtigten Anrufern durch ein geschicktes Nachfragen und unter Vorgabe einer Berechtigung möglich gewesen, nur mithilfe des vollständigen Namens und des Geburtsdatums an weitere Kundendaten, wie z.B. die aktuelle Telefonnummer, zu gelangen. Sensible Daten wie Einzelverbindungsnachweise, Verkehrsdaten oder Kontoverbindungen hätten auf diesem Wege indes nicht abgefragt werden können.

Die Betroffene habe sich hinsichtlich der Angemessenheit des Schutzniveaus in einem Rechtsirrtum befunden. Mangels verbindlicher Vorgaben an den Authentifizierungsprozess in Callcentern sei dieser Rechtsirrtum zwar verständlich, aber vermeidbar gewesen.

Die Höhe des Bußgeldes hat die Kammer in ihrer Entscheidung auf 900.000 Euro herabgesetzt. Das Verschulden des Telekommunikationsdienstleisters sei gering. Im Hinblick auf die über Jahre geübte Authentifizierungspraxis, die bis zu dem Bußgeldbescheid nicht beanstandet worden sei, habe es dort an dem notwendigen Problembewusstsein gefehlt. Zudem sei zu berücksichtigten, dass es sich – auch nach der Ansicht des BfDI – nur um einen geringen Datenschutzverstoß handele. Diese habe nicht zur massenhaften Herausgabe von Daten an Nichtberechtigte führen können.




BfDI: Bußgeld von fast 10 Mio EURO gegen 1&1 - Verstoß gegen Art. 32 DSGVO bei telefonischer Kundenbetreuung - Kundenauthentifizierung bei der Hotline

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) gegen die 1&1 Telecom GmbH ein Bußgeld von fast 10 Mio EURO verhängt. Inhaltlich geht es um einen Verstoß gegen Art. 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung) bei der telefonischen Kundenbetreuung und der Kundenauthentifizierung gegenüber der Hotline. 1&1 hat bereit rechtliche Schritte gegen den Bescheid angekündigt.

Die Pressemitteilung des BfDI:

BfDI verhängt Geldbußen gegen Telekommunikationsdienstleister

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat den Telekommunikationsdienstleister 1&1 Telecom GmbH mit einer Geldbuße in Höhe von 9.550.000 Euro belegt.

Das Unternehmen hatte keine hinreichenden technisch-organisatorischen Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass Unberechtigte bei der telefonischen Kundenbetreuung Auskünfte zu Kundendaten erhalten können. In einem weiteren Fall sprach der BfDI ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Euro gegen die Rapidata GmbH aus.

Dazu sagte der Bundesbeauftragte Ulrich Kelber: Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Die ausgesprochenen Geldbußen sind ein klares Zeichen, dass wir diesen Grundrechtsschutz durchsetzen werden. Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt uns die Möglichkeit, die unzureichende Sicherung von personenbezogenen Daten entscheidend zu ahnden. Wir wenden diese Befugnisse unter Berücksichtigung der gebotenen Angemessenheit an.

Im Fall von 1&1 Telecom GmbH hatte der BfDI Kenntnis erlangt, dass Anrufer bei der Kundenbetreuung des Unternehmens allein schon durch Angabe des Namens und Geburtsdatums eines Kunden weitreichende Informationen zu weiteren personenbezogenen Kundendaten erhalten konnten. In diesem Authentifizierungsverfahren sieht der BfDI einen Verstoß gegen Artikel 32 DSGVO, nach dem das Unternehmen verpflichtet ist, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Verarbeitung von personenbezogenen Daten systematisch zu schützen.

Nachdem der BfDI den unzureichenden Datenschutz bemängelt hatte, zeigte sich 1&1 Telecom GmbH einsichtig und äußerst kooperativ. In einem ersten Schritt wurde zunächst der Authentifizierungsprozess durch die Abfrage zusätzlicher Angaben stärker abgesichert. In einem weiteren Schritt wird bei der 1&1 Telecom GmbH derzeit und nach Absprache mit dem BfDI ein neues, technisch und datenschutzrechtlich deutlich verbessertes Authentifizierungsverfahren eingeführt.

Ungeachtet dieser Maßnahmen war die Verhängung einer Geldbuße geboten. So war unter anderem der Verstoß nicht nur auf einen geringen Teil der Kunden begrenzt, sondern stellte ein Risiko für den gesamten Kundenbestand dar. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße blieb der BfDI aufgrund des während des gesamten Verfahrens kooperativen Verhaltens von 1&1 Telecom GmbH im unteren Bereich des möglichen Bußgeldrahmens.

Der BfDI untersucht aufgrund von eigenen Erkenntnissen, Hinweisen und auch Kundenbeschwerden zudem derzeit die Authentifizierungsprozesse weiterer Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen.

Ein weiteres Verfahren gegen den Telekommunikationsanbieter Rapidata GmbH wurde erforderlich, da das Unternehmen seiner gesetzlichen Auflage nach Artikel 37 DSGVO zur Benennung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgekommen ist. Bei der Höhe der Geldbuße von 10.000 Euro wurde berücksichtigt, dass es sich hierbei um ein Unternehmen aus der Kategorie der Kleinstunternehmen handelt.



BGH legt EuGH Fragen vor wann eine Telefonnummer verfügbar im Sinne der Muster-Widerrufsbelehrung ist und in der Widerrsfsbelehrung anzugeben ist

BGH
Beschluss vom 07.03.2019
I ZR 169/17


Der BGH hate dem EuGH Fragen vorgelegt wann eine Telefonnummer "verfügbar" im Sinne der Muster-Widerrufsbelehrung ist und in der Widerrufsbelehrung anzugeben ist

Tenor der Entscheidung:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 in Verbindung mit
Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die
Rechte der Verbraucher (ABl. 2011 L 304, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer die Telefonnummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Startseite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt ?

2. Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU "verfügbar", wenn der Unternehmer den Telefonanschluss zwar geschäftlich nutzt, aber nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet und daher auch nicht zur Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen in Form einer Entgegennahme von Widerrufserklärungen vorhält ?

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Bundesnetzagentur schaltet Abzockrufnummern 0180 5 015 194 und 0900 100 1261 mit angeblicher Behördennummer ab - Amts- und Behördenauskunft

Die Bundesnetzagentur hat völlig zu Recht die Abzockrufnummern 0180 5 015 194 und 0900 100 1261 mit angeblicher einer Behördennummer abgeschaltet. Die Betreiber hatten die Rufnummern als "Amts- und Behördenauskunft" beworben.

Leider gibt es nach wie vor zahlreiche Rufnummern, die zur Abzocke ahnungsloser Anrufer missbraucht werden. Wer auf eine derartige Abzocknummer reinfällt sollte auf keinen Fall zahlen !

Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur:

"Die Bundesnetzagentur hat gestern die Abschaltung der Rufnummern 0180 5 015 194 und 0900 100 1261 angeordnet.

Über diese Rufnummern wurde eine hochpreisige 'Amts- und Behördenauskunft' rechtswidrig beworben. Der Dienst bestand letztlich nur in der Weiterleitung ratsuchende Verbraucher an die bei direkter Anwahl kostengünstige einheitliche Behördennummer 115.

Die hohen Tarife wurden gezielt verschleiert. Die vergleichsweise günstige 0180er-Rufnummer wurde nur zu dem Zweck genutzt, Verbraucher zum Anruf auf die hochpreisige 0900er-Rufnummer zu veranlassen. Die Verbraucher wurden sodann automatisch mit der wesentlich kostengünstigeren einheitlichen Behördenrufnummer 115 verbunden. Hierbei wurde die Verbindung über die hochpreisige 0900er Rufnummer abgerechnet.

Dadurch wurden Preistransparenzvorschriften umgangen und das Vertrauen der Verbraucher in das Angebot der 115 erschüttert.

Die Bundesnetzagentur hat am 07. Mai 2015 von der rechtswidrigen Nutzung erfahren und noch am selben Tag die Abschaltung der Rufnummern angeordnet. Weitere Maßnahmen werden in Kürze folgen."


OLG Frankfurt: Angabe einer teuren Mehrwertdienstenummer im Impressum nicht ausreichend - kein effizienter Weg zur unmittelbaren Kontaktaufnahme nach § 5 TMG

OLG München
Urteil vom 02.10.2014
6 U 219/13


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Angabe einer teuren Mehrwertdienstenummer (hier: 2,99 Euro/Minute) im Impressum nicht ausreichend ist, da die hohen Kosten Verbraucher von einer Kontaktaufnahme abschrecken. In der Anbieterkennzeichnung müssen nach § 5 TMG Angaben gemacht werden, um eine unmittelbare und effiziente Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Daran fehlt es - so das Gericht - bei Angabe einer teuren Premiumdienstenummer.

Aus den Entscheidungsgründen:

5 Abs. 1 S. 2 TMG sieht vor, dass bei der Kennzeichnung des Anbieters von Telemedien, d. h. beim sog. Impressum, Angaben stehen müssen, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Diensteanbieter ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post. Weder diese Vorschrift noch die ihr zugrunde liegende Bestimmung in Art. 5 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2000/31/EG verlangt nach ihrem Wortlaut die Angabe einer Telefonnummer, unter der der Diensteanbieter erreichbar ist. Ebenso wenig verlangen diese Bestimmungen, dass die Kontaktaufnahmemöglichkeit für den Nutzer kostenlos wäre (vgl. Spindler in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG 2004, Rn 26 zu § 6 TDG).

Maßgeblich ist nach den Vorgaben des EuGH in der o. g. Entscheidung, dass der Nutzer Angaben erhält, die es ihm ermöglichen, schnell mit dem Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu kommunizieren, was wiederum voraussetzt, dass der Nutzer ohne die Einschaltung eines Dritten mit dem Anbieter kommuniziert („unmittelbar“) und dass er angemessene Informationen innerhalb einer Frist erhält, die mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen vereinbar ist („effizient“ - EuGH aaO. Tz. 29 - 30).

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht verbindlich vorgegeben, dass die vom Diensteanbieter für eine Kontaktaufnahme geforderten Kosten für die Frage einer effizienten Kommunikation völlig außer Betracht bleiben müssen. Diese Frage war dem EuGH in der Vorlageentscheidung vom Bundesgerichtshof mit Rücksicht auf die dortige Fallgestaltung gar nicht gestellt worden (Beschluss vom 26. April 2007 - I ZR 190/04 = GRUR 2007, 723 - Internet- Versicherung) und wird dementsprechend in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch nicht angesprochen.

Der Europäische Gerichtshof hat lediglich klargestellt, dass eine telefonische Kommunikation (dem Grunde nach) als eine unmittelbare und effiziente Kommunikation angesehen werden kann, weil sie die oben genannten Kriterien erfüllt (aaO. Tz. 28). Davon zu trennen ist aber die Frage, ob die mit einer erheblichen Kostenbelastung verbundene telefonische Kontaktmöglichkeit aus Sicht der Verbraucher überhaupt eine realistische Alternative darstellt.

„Effizienz“ beinhaltet vom Wortlaut her sowohl Wirksamkeit als auch Wirtschaftlichkeit (vgl. die Nachweise bei Lorenz VuR 2009, 295, 298). Man kann daher mit Rücksicht auf die wirtschaftspolitischen und verbraucherpolitischen Ziele der E-Commerce-Richtlinie diesen Gesichtspunkt beim Merkmal der „Effizienz“ mit berücksichtigen. Auch die englische („…which allow him to be contacted rapidly and in a direct and effective manner“) und die französische Sprachfassung („…permettant d’entrer en contact rapidement et de communiquer directement et efficacement avec lui“) stehen dieser Betrachtung nicht entgegen. Da die Kosten einer telefonischen Rückfrage eine erhebliche Hürde für viele Verbraucher darstellen und sie u. U. von einer Kontaktaufnahme gänzlich abhalten können, hat das Landgericht mit Recht diese Frage problematisiert.

Das Landgericht hat die Frage, ob die Beklagte dem angesprochenen Verbraucher durch Angabe ihrer Mehrwertdienstnummer eine effiziente Kontaktmöglichkeit eröffnet, angesichts der hier geforderten Kosten mit Recht zulasten der Beklagten beantwortet. Das von der Beklagten geforderte Entgelt liegt an der oberen Grenze der gem. § 66d Abs. 1 TKG für sog. Premium-Dienste zulässigen Verbindungspreise.

Dem Argument der Beklagten, die gesetzliche Obergrenze sei nicht überschritten und deshalb sei eine „effiziente Kontaktaufnahme“ ermöglicht, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Mitglieder des Senats gehören selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen und können daher aus eigener Anschauung beurteilen, dass die Telefonkosten von 2,99 €/Minute aus den Mobilfunknetzen geeignet sind, eine erhebliche Anzahl der angesprochenen Kunden von einer telefonischen Kontaktaufnahme „abzuschrecken“. Die damit verbundene Kostenersparnis der Beklagten, die ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern verschaffen kann, ebenso wie die Tatsache, dass das Verbindungsentgelt geeignet ist, für die Beklagte eine Neben-Einnahmequelle zu generieren, lässt sich mit den verbraucherpolitischen Zielen von § 5 TMG nicht vereinbaren.

Da sich der Klageantrag gegen die konkrete Verletzungsform richtet, braucht hier nicht entschieden werden, ob die Angabe einer Mehrwertdienstnummer, die mit einem erheblich geringeren Entgelt verbunden ist, mit § 5 TMG vereinbar wäre.

In der Verletzung von § 5 ABs. 1 S. 2 TMG hat das Landgericht mit Recht einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG gesehen. Darüber hinaus ist das Verhalten der Beklagten auch gemäß § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG unlauter, weil dem Verbraucher Informationen vorenthalten werden, die nach dem Unionsrecht geboten sind."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Münster: Deutsche Bahn muss Fahrgäste an allen Bahnhöfen aktiv über Verspätungen informieren - Aushänge mit Hinweis auf Service-Hotline nicht ausreichend

OVG Münster
Urteil vom 16.05.2014
16 A 494/13


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Deutsche Bahn ihre Fahrgäste an allen Bahnhöfen aktiv über etwaige Verspätungen informieren muss. Aushänge mit einem Hinweis auf die Service-Hotline ist nicht ausreichend. Auch das VG Berlin hatte bereits ebenso entschieden.

Die Pressemitteilung des OVG Münster:

"Bahnhofsbetreiber müssen an allen Bahnhöfen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen informieren

Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit einem heute verkündeten Urteil entschieden, dass auf allen Bahnhöfen und Stationen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen "aktiv" zu informieren sind. Es ist nicht ausreichend, wenn Aushänge auf die Telefonnummer einer Service-Hotline hinweisen.

Eine entsprechende Anordnung hatte das Eisenbahnbundesamt gegenüber der Klägerin, die ungefähr 5.500 Bahnhöfe und Stationen betreibt, erlassen. Die dagegen gerichtete Klage blieb in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat nunmehr die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Pflicht zur Information an Bahnhöfen aus Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 folge. Danach seien die Fahrgäste über Verspätungen "zu unterrichten" und nicht lediglich darüber zu informieren, wo die Informationen für sie bereitgestellt würden. Die Informationspflicht bestehe nicht nur im Rahmen vorhandener Ressourcen. Gegebenenfalls habe die Klägerin Investitionen zu tätigen, um ihrer Informationspflicht nachzukommen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen."





VG Berlin: Deutsche Bahn muss Fahrgäste an allen Bahnhöfen aktiv über Verspätungen informieren - Angabe einer Telefonhotline genügt nicht

VG Berlin
Urteil vom 18. Januar 2013
18 K 4907/11


Das VG Berlin hat entschieden, dass die Deutsche Bahn ihre Fahrgäste an allen Bahnhöfen aktiv über etwaige Verspätungen informieren muss. Der Aushang der Nummer einer Telefonnummer genügt nicht. Nun heißt es für die Bahn: Nachrüsten der zahlreichen kleinen Bahnhöfe, so die Entscheidung (hoffentlich) ggf. auch den Weg durch die Instanzen übersteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift sind die Fahrgäste über Verspätungen "zu unterrichten" und nicht lediglich darüber zu informieren, wo die Informationen für sie bereitgestellt werden. Überdies soll die Unterrichtung erfolgen, "sobald" die Informationen zur Verfügung stehen. Bei einem bloßen Hinweis auf eine Telefonnummer oder eine Service-Hotline erhalten die Fahrgäste die Informationen indes erst dann, wenn sie einen Anruf für erforderlich halten, also üblicherweise erst dann, wenn die Verspätung bereits eingetreten ist. Überdies setzt dies zwingend voraus, dass jeder Fahrgast stets ein technisches Kommunikationsmittel mit sich führt."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Pharmazeutische Beratung einer ausländischen Versandapotheke durch Call-Center über kostenpflichtige Telefon-Hotline unzulässig - für Deutsche Kunden gilt deutsches Recht

BGH
Urteil vom 19.07.2012
I ZR 40/11
Pharmazeutische Beratung über Call-Center
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; UKlaG § 1; AMG § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a; ApoG §§ 2,
11a; ApothBetrO § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 4 Satz 2, § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7, § 20
Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 Satz 2

Leitsätze des BGH:

a) Ein Apotheker darf zur pharmazeutischen Beratung seiner Kunden keine Telefon-Hotline zur Verfügung stellen, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann.

b) Eine von einer ausländischen Versandapotheke gegenüber Kunden in Deutschland unter der Überschrift "Anwendbares Recht/Gerichtsstand" verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der für alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das Recht des Staates gilt, in dem die Versandapotheke ihren Sitz hat, benachteiligt die Kunden in Deutschland
unangemessen.

c) Eine ausländische Versandapotheke ist nicht gehindert, Tätigkeiten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln an die Kunden stehen, auch dann im Inland durch von ihr beauftragte Unternehmen ausführen zu lassen oder selbst auszuführen, wenn sie hier über keine Apothekenbetriebserlaubnis verfügt.

d) Eine ausländische Versandapotheke darf Anrufe von Kunden im Inland, die Arzneimittel bestellen oder pharmazeutisch beraten werden wollen, nicht über eine Dienstleistungstelefonnummer von einer Drittfirma entgegennehmen und bearbeiten lassen.

BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11 - OLG Stuttgart - LG Ulm

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: