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LAG Düsseldorf: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter oder unvollständiger Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

LAG Düsseldorf
Urteil vom 28.11.2023
3 Sa 285/23


Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass eine verspätete oder unvollständige Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO begründet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
LAG Düsseldorf: Keine Entschädigung für verspätete und unvollständige Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO

Der Kläger war vom 01.12.2016 bis zum 31.12.2016 bei dem Kundenservice eines Immobilienunternehmens, der Beklagten, beschäftigt. Bereits im Jahre 2020 hatte er einen Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO gestellt, den die Beklagte beantwortet hatte.

Mit Schreiben vom 01.10.2022, das der Beklagten an diesem Tag zuging, verlangte er erneut Auskunft und eine Datenkopie auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO. Er setzte eine Frist bis zum 16.10.2022. Als die Beklagte nicht antwortete, erinnerte der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2022 mit weiterer Fristsetzung bis zum 31.10.2022. Die ihm mit Schreiben vom 27.10.2022 erteilte Auskunft rügte der Kläger mit Schrei-ben vom 04.11.2022 als verspätetet und inhaltlich mangelhaft. Es fehlten die konkreten Angaben zur Dauer der Datenspeicherung und die namentlich bezeichneten Empfänger seiner Daten. Außerdem sei die Datenkopie unvollständig. Mit Schreiben vom 11.11.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Angaben zu den Datenempfängern die Betroffenen in der Regel nicht interessierten und daher nur kategorisiert mitgeteilt worden seien. Zudem konkretisierte sie die Angaben zur Speicherdauer und die Datenkopie. Mit Schreiben vom 18.11.2022 verlangte der Kläger erneut die namentliche Nennung der Empfänger und auch nähere Angaben zur Speicherdauer. Die Datenkopie sei weiterhin unzureichend. Die Beklagte konkretisierte die Informationen mit Schreiben vom 01.12.2022.

Der Kläger hat von der Beklagten gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Geldentschädigung nach Ermessen des Gerichts verlangt, die 2.000 Euro nicht unterschreiten sollte, weil sein Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO durch die Beklagte mehrfach verletzt worden sei. Diese hat dem widersprochen, weil es u.a. bereits an einem im-materiellen Schaden des Klägers fehle.

Anders als das Arbeitsgericht, das dem Kläger wegen des von ihm angenommenen vorsätzlichen Verstoßes der Beklagten eine Geldentschädigung von 10.000 Euro zugesprochen hatte, hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf die Klage heute vollständig abgewiesen. Es treffe zwar zu, dass die Beklagte gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO und Art. 15 DSGVO verstoßen habe. Sie habe die Auskunft nicht fristgerecht und anfangs unvollständig erteilt. Eine vollständige Auskunft habe erst am 01.12.2022, d.h. sechs Wochen nach Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist vor-gelegen. Dies begründe indes aus zwei Gründen keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Ein Verstoß gegen Art. 15 DSGVO falle bereits nicht in den Anwendungsbereich von Art. 82 DSGVO. Die Vorschrift setzt haftungsbegründend eine gegen die DSGVO verstoßende Datenverarbeitung voraus. Daran fehle es bei der bloßen Verletzung der Auskunftspflicht aus Art. 15 DSGVO - sei es, dass diese verzögert oder anfangs unvollständig erfüllt werde. Unabhängig davon setze Art. 82 DSGVO für einen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens mehr als einen bloßen Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO voraus. Der bloße vom Kläger angeführte Kontrollverlust über die Daten genüge nicht und sei mit dem Verstoß gegen Art. 15 DSGVO letztlich identisch. Zu weiterem immateriellen Schaden fehlte es an jeglichem konkreten Vortrag des Klägers.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023 - 3 Sa 285/23
Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 23.03.2023 - 3 Ca 44/23

Auszug aus der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO)

"Artikel 12
Transparente Information, Kommunikation und Modalitäten für die Ausübung der Rechte der betroffenen Person



(3) Der Verantwortliche stellt der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. Diese Frist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über eine Fristverlängerung, zusammen mit den Gründen für die Verzögerung. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so ist sie nach Möglichkeit auf elektronischem Weg zu unterrichten, sofern sie nichts anderes angibt.



Artikel 15
Auskunftsrecht der betroffenen Person

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:

a) die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Ar-tikel 22 Absätze 1 und 4 und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.



(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verar-beitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.

(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 1b darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.

Artikel 82
Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

(2) Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Ein Auftragsverarbeiter haftet für den durch eine Verarbeitung verursachten Schaden nur dann, wenn er seinen speziell den Auftragsverarbeitern auferlegten Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachgekommen ist oder unter Nichtbeachtung der rechtmäßig erteilten Anweisungen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder gegen diese Anweisungen gehandelt hat.

(3) Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden einge-treten ist, verantwortlich ist.
…"


EuGH: Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO oder Kontrollverlust allein begründen noch keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO - Nachweis eines immateriellen Schadens erforderlich

EuGH
Urteil vom 11.04.2024
C-741/21


Der EuGH hat entschieden, dass Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO oder Kontrollverlust allein noch keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO begründen. Vielmehr ist der Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens erforderlich.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung, die der betroffenen Person Rechte verleihen, für sich genommen nicht ausreicht, um unabhängig vom Schweregrad des von dieser Person erlittenen Schadens einen „immateriellen Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung darzustellen.

2. Art. 82 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass es für eine Befreiung des Verantwortlichen von seiner Haftung nach Art. 82 Abs. 3 dieser Verordnung nicht ausreicht, dass er geltend macht, dass der in Rede stehende Schaden durch ein Fehlverhalten einer ihm im Sinne von Art. 29 der Verordnung unterstellten Person verursacht wurde.

3. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass zur Bemessung des Betrags des auf diese Bestimmung gestützten Anspruchs auf Schadenersatz zum einen die in Art. 83 dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien für die Festsetzung des Betrags von Geldbußen nicht entsprechend anzuwenden sind und zum anderen nicht zu berücksichtigen ist, dass die Person, die Schadenersatz verlangt, von mehreren Verstößen gegen die Verordnung betroffen ist, die sich auf denselben Verarbeitungsvorgang beziehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Betroffener muss für Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO konkreten materiellen oder immateriellen Schaden nachweisen - Kontrollverlust reicht nicht

EuGH
Urteil vom 25.01.2024
C-687/21
[...] gegen MediaMarktSaturn Hagen-Iserlohn GmbH, vormals Saturn Electro-Handelsgesellschaft mbH Hagen,


Der EuGH hat entschieden, dass ein Betroffener für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO nachweisen muss, dass ein DSGVO-Verstoß einen konkreten materiellen oder immateriellen Schaden verursacht hat. Der bloße Kontrollverlust über personenbezogene Daten reicht nicht. Zudem führt der EuGH aus, dass der Anspruch aus Art. 82 DSGVO kein "Strafschadensersatz" ist.

Tenor der Entscheidung:
1. Die Art. 5, 24, 32 und 82 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind zusammen betrachtet dahin auszulegen, dass im Rahmen einer auf Art. 82 gestützten Schadensersatzklage der Umstand, dass Mitarbeiter des für die Verarbeitung Verantwortlichen irrtümlich ein Dokument mit personenbezogenen Daten an einen unbefugten Dritten weitergegeben haben, für sich genommen nicht ausreicht, um davon auszugehen, dass die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die der für die betreffende Verarbeitung Verantwortliche getroffen hat, nicht „geeignet“ im Sinne der Art. 24 und 32 waren.

2. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadensersatzanspruch, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion hat, da eine auf sie gestützte Entschädigung in Geld es ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen die Verordnung 2016/679 erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine Straffunktion erfüllt.

3. Art. 82 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass die Schwere des von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen begangenen Verstoßes für die Zwecke des Ersatzes eines Schadens auf der Grundlage dieser Bestimmung berücksichtigt wird.

4. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die Person, die aufgrund dieser Bestimmung Schadensersatz verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen der Verordnung 2016/679 nachweisen muss, sondern auch, dass ihr dadurch ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.

5. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Dokument, das personenbezogene Daten enthält, an einen unbefugten Dritten weitergegeben wurde, der diese Daten erwiesenermaßen nicht zur Kenntnis genommen hat, nicht schon deshalb ein „immaterieller Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, weil die betroffene Person befürchtet, dass im Anschluss an die Weitergabe, die es ermöglichte, vor der Rückgabe des Dokuments eine Kopie von ihm anzufertigen, in der Zukunft eine Weiterverbreitung oder gar ein Missbrauch ihrer Daten stattfindet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Kontrollverlust über personenbezogene Daten bei unrechtmäßiger Datenverarbeitung begründet allein keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO

OLG Hamm
Beschluss vom 21.12.2023
7 U 137/23

Das OLG Hamm hat seine Rechtsansicht bekräftigt, wonach ein Kontrollverlust über personenbezogene Daten bei unrechtmäßiger Datenverarbeitung allein keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Blick auf den vorliegend fehlenden kausalen immateriellen Schaden folgen die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 14.12.2023 – C-340/21, BeckRS 2023, 35786 Rn. 84, 85). Danach hat der Kläger als Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachzuweisen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen. Dem folgend sieht der Senat somit den Kläger zutreffend in der Pflicht, den Indizienbeweis zum Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens zu führen. Indem der Senat sich mit den vom Kläger dargelegten Indizien befasst und diese (hier als nicht den Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens tragend) würdigt, setzt der Senat schlicht die weitere Vorgabe des EuGH um; denn danach ist das angerufene nationale Gericht, wenn sich eine Person auf die Befürchtung beruft, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft aufgrund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, gehalten zu prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann.

2. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO); denn die im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des EuGH und des BGH hinreichend geklärt und im Übrigen solche des Einzelfalls.

a) Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal „Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens“ im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO bietet der vorliegende Einzelfall keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer weiteren klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage; vielmehr ist die streitgegenständliche Rechtsfrage zur fehlenden Qualität der negativen Folge eines bloßen Kontrollverlusts als immaterieller Schaden durch die aufgezeigten aktuellen Entscheidungen des EuGH geklärt. Die Vorlagefrage 4 aus dem Beschluss des BGH vom 26.09.2023 (VI ZR 97/22) betrifft eine andere Konstellation (vgl. hierzu i.E. Senat Beschl. v. 18.10.2023 – I-7 U 77/23, BeckRS 2023, 32741 Rn. 4).

b) Soweit das OLG Stuttgart (Urt. v. 22.11.2023 - 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883, Rn. 89 ff., 257 ff.) von der hiesigen Senatsrechtsprechung abweichend den dortigen und hiesigen Antrag zu 2. auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden als zulässig und begründet ansieht, folgt aus dieser (vermeintlichen) Divergenz obergerichtlicher Entscheidungen kein Bedarf einer Klärung durch den BGH.

Klärungsbedürftig und damit von grundsätzlicher Bedeutung ist nur eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage und auch nur dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (vgl. BGH Beschl. v. 6.3.2019 – IV ZR 108/18, Rn. 13).

An einer grundsätzlichen Bedeutung in diesem Sinne fehlt es zunächst deshalb, weil das OLG Stuttgart (Urt. v. 22.11.2023 - 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883, Rn. 81) und der Senat (vgl. hierzu i.E. Senat Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 Rn. 191 ff.) übereinstimmend in rechtlicher Hinsicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde legen, wonach für Schäden, die aus der behaupteten Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also eines sonstigen absolut geschützten Rechtsguts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, resultieren, bereits die Möglichkeit materieller oder weiterer immaterieller Schäden für die Annahme eines Feststellungsinteresses ausreicht.

Eine Divergenz in den obergerichtlichen Entscheidungen besteht lediglich insoweit, als das OLG Stuttgart anders als der Senat im Zuge der Subsumtion nicht auf den zu entscheidenden Einzelfall abstellt, sondern apodiktisch ohne die Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls die abstrakte, theoretische Möglichkeit eines (materiellen und immateriellen) Schadenseintritts für ausreichend erachtet.

Dies rechtfertigt es jedoch nicht, eine grundsätzliche Bedeutung anzunehmen; denn durch die gefestigte Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH Urt. v. 5.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 28 m.w.N.) ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass die Frage der Möglichkeit eines Schadenseintritts gerade nicht abstrakt, sondern aus der Sicht des konkret Geschädigten in verständiger Würdigung zu beurteilen ist. Dem folgt der Senat in Achtung der zugrundeliegenden Intention, der Beklagtenpartei keinen Rechtsstreit über nur theoretische Fragen aufzuzwingen, in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senat Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 Rn. 194 m.w.N.). Dies mag das OLG Stuttgart (Urt. v. 22.11.2023 - 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883, Rn. 93 f.) verkannt haben. Eine solche vereinzelte, nicht nachvollziehbar begründete Entscheidung zwingt den Senat jedenfalls nicht zur Zulassung der Revision und damit zugleich zur Abkehr vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu BGH Beschl. v. 6.3.2019 - IV ZR 108/18, r+s 2019, 272 Rn. 14; BGH Beschl. v. 8.2.2010 - II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3; BGH Beschl. v. 27.11.2013 - VII ZR 371/12, NJW 2014, 456 Rn. 9).

Mit Blick darauf ist auch eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts nicht geboten. Ebenso wenig liegt eine tragende Rechtssatzabweichung von der Rechtsprechung eines höher- oder gleichrangigen anderen Gerichts vor, die eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderte (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 6.3.2019 - IV ZR 108/18, r+s 2019, 272 Rn. 15).

c. Entsprechendes gilt insoweit, als das OLG Stuttgart (Urt. v. 22.11.2023 – 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883 Rn. 98 ff. und 272) anders als der Senat (Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 Rn. 203 ff.) die Unterlassungsanträge als zulässig erachtet und mit Blick darauf, dass in der Sache über die Unterlassungsansprüche letztlich doch die Implementierung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen und damit im Ergebnis eine Leistung verlangt werde, erst die Begründetheit verneint; denn das OLG Stuttgart setzt sich in keiner Weise mit den Ausführungen des Senats zur Unzulässigkeit der beiden Unterlassungsanträge, die auf entsprechender Rechtsprechung des BGH fußen, auseinander. Infolgedessen lassen sich über den jeweiligen Einzelfall hinaus schon keine (weiteren) Unklarheiten in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine zusätzliche Klärung durch den BGH erforderten (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 8.2.2010 - II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3; BGH Beschl. v. 27.11.2013 - VII ZR 371/12, NJW 2014, 456 Rn. 9), feststellen.

d. Allein die Vielzahl bundesweit anhängiger gleichgerichteter Rechtsstreite vermag vor dem Hintergrund, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sämtlich durch EuGH und BGH geklärt sind, dem Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen.

3. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO) ist nicht geboten. Es wird insoweit auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 24.11.2023 (Bl. 149 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) Bezug genommen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 544 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

III. Aus dem Umstand, dass das OLG Stuttgart im Tenor seines Urteils (v. 22.11.2023 – 4 U 20/23, GRUR-RS 2023, 32883) ohne weitere Begründung in seinem Einzelfall den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 7.000,00 EUR festgesetzt hat, ergibt sich für den Senat für den vorliegenden Einzelfall kein Grund von seiner Praxis zur Streitwertfestsetzung abzuweichen. Auch insoweit orientiert sich der Senat an ständiger Rechtsprechung des BGH (Senat Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 Rn. 254 ff.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

ArbG Suhl: Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO per unverschlüsselter E-Mail verstößt gegen Art. 5 DSGVO - Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO nur bei Nachweis eins konkreten Schadens

ArbG Suhl
Urteil vom 20.12.2023
6 Ca 704/23


Das ArbG Suhl hat entschieden, dass eine Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO per unverschlüsselter E-Mail gegen Art. 5 DSGVO verstößt. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO besteht aber nur bei Nachweis eins konkreten Schadens.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht kein Anspruch aus Art. 82 DSGVO gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens zu.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DSGVO.

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch liegen nicht vor, da es jedenfalls an der Darlegung des Eintritts eines Schadens bei dem Kläger fehlt.

Ein Verstoß gegen Art. 5 DSGVO wegen des Versands der unverschlüsselten E-Mail liegt vor. Dies wurde auch vom Thüringer Landesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit mit Bescheid vom 03.08.2023 bestätigt. Ob die Weiterleitung der Daten an den Betriebsrat und die monierte unvollständige Auskunftserteilung ebenfalls Verstöße gegen Regelungen der DSGVO darstellen, kann vorliegend dahinstehen. Denn der Kläger hat bereits keinen Schaden dargelegt.

Soweit der Kläger der Auffassung ist, bereits ein Verstoß gegen die DSGVO genüge für das Entstehen eines Schadensersatzanspruches, kann dem nicht gefolgt werden.

Es ist zwar zutreffend, dass die Frage, ob bereits der Datenschutzverstoß als solcher für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs ausreicht oder es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (auch: immateriellen) Schadens bedarf, in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Sowohl der österreichische Oberste Gerichtshof (Vorabentscheidungsersuchen vom 12.05.2021, ZD 2021, S. 631, wobei der Gerichtshof die Auffassung vertritt, es sei der Nachweis eines Schadens erforderlich) als auch das Bundesarbeitsgericht (Vorabentscheidungsersuchen vom 26.08.2021, 8 AZR 253/20-A, wobei das BAG den Nachweis eines Schadens nicht für notwendig hält) haben die hiermit zusammenhängenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20 -Rn. 68, 69, juris).

Auf das Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofes entschied jedoch nunmehr unter dem 04.05.2023 der EuGH, dass Art. 82 Abs.1 DSGVO so auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Zur Begründung führt der EuGH in seinem Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, wie folgt aus:

„Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung ausreicht, um einen

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begriffe einer Bestimmung des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima [Strafpunkte], C-439/19, EU:C:2021:504, Rn. 81, und vom 10. Februar 2022, ShareWood Switzerland, C-595/20, EU:C:2022:86, Rn. 21), die insbesondere unter Berücksichtigung des Wortlauts der betreffenden Bestimmung und des Zusammenhangs, in den sie sich einfügt, zu ermitteln ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. April 2021, The North of England P & I Association, C-786/19, EU:C:2021:276, Rn. 48, sowie vom 10. Juni 2021, KRONE – Verlag, C-65/20, EU:C:2021:471, Rn. 25).

Die DSGVO verweist für den Sinn und die Tragweite der in ihrem Art. 82 enthaltenen Begriffe, insbesondere in Bezug auf die Begriffe „materieller oder immaterieller Schaden“ und „Schadenersatz“, nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass diese Begriffe für die Anwendung der DSGVO als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen sind, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind.

Was als Erstes den Wortlaut von Art. 82 DSGVO betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Abs. 1 dieses Artikels „[j]ede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, … Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter [hat]“.

Zum einen geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind.

Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder „Verstoß“ gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen den Schadenersatzanspruch der betroffenen Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 dieser Verordnung eröffnet. Eine solche Auslegung liefe dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zuwider.

Zum anderen ist hervorzuheben, dass die gesonderte Erwähnung eines „Schadens“ und eines „Verstoßes“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO überflüssig wäre, wenn der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich allein in jedem Fall ausreichend wäre, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.

Als Zweites wird die vorstehende Wortauslegung durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfügt.

Art. 82 Abs. 2 DSGVO, der die Haftungsregelung, deren Grundsatz in Abs. 1 dieses Artikels festgelegt ist, präzisiert, übernimmt nämlich die drei Voraussetzungen für die Entstehung des Schadenersatzanspruchs, nämlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, ein der betroffenen Person entstandener Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden.

Diese Auslegung wird auch durch die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 75, 85 und 146 der DSGVO bestätigt. Zum einen bezieht sich der 146. Erwägungsgrund der DSGVO, der speziell den in Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Schadenersatzanspruch betrifft, in seinem ersten Satz auf „Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“. Zum anderen heißt es in den Erwägungsgründen 75 und 85 der DSGVO, dass „[d]ie Risiken … aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen [können], die zu einem … Schaden führen könnte“ bzw. dass eine „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten … einen … Schaden … nach sich ziehen [kann]“. Daraus ergibt sich erstens, dass der Eintritt eines Schadens im Rahmen einer solchen Verarbeitung nur potenziell ist, zweitens, dass ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden führt, und drittens, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem der betroffenen Person entstandenen Schaden bestehen muss, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.

Die Wortauslegung von Art. 82 Abs. 1 DSGVO wird auch durch einen Vergleich mit anderen Bestimmungen bestätigt, die ebenfalls in Kapitel VIII der DSGVO enthalten sind, das u. a. die verschiedenen Rechtsbehelfe regelt, mit denen die Rechte der betroffenen Person im Fall einer Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, die gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verstoßen soll, geschützt werden können.

Hierzu ist festzustellen, dass die in diesem Kapitel enthaltenen Art. 77 und 78 DSGVO im Fall eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung Rechtsbehelfe bei einer bzw. gegen eine Aufsichtsbehörde vorsehen, wobei sie – anders als Art. 82 DSGVO in Bezug auf Schadenersatzklagen – keinen Hinweis darauf enthalten, dass der betroffenen Person ein „Schaden“ entstanden sein müsste, um solche Rechtsbehelfe einlegen zu können. Dieser Unterschied in der Formulierung offenbart die Bedeutung des Kriteriums „Schaden“ und damit seine Eigenständigkeit gegenüber dem Kriterium „Verstoß“ für die Zwecke der auf die DSGVO gestützten Schadenersatzansprüche.

Auch haben die Art. 83 und 84 DSGVO, die die Verhängung von Geldbußen und anderen Sanktionen erlauben, im Wesentlichen einen Strafzweck und hängen nicht vom Vorliegen eines individuellen Schadens ab. Das Verhältnis zwischen den in Art. 82 DSGVO und den in den Art. 83 und 84 DSGVO enthaltenen Vorschriften zeigt, dass zwischen diesen beiden Kategorien von Bestimmungen ein Unterschied besteht, sie einander aber als Anreiz zur Einhaltung der DSGVO auch ergänzen, wobei das Recht jeder Person, den Ersatz eines Schadens zu verlangen, die Durchsetzungskraft der in dieser Verordnung vorgesehenen Schutzvorschriften erhöht und geeignet ist, von der Wiederholung rechtswidriger Verhaltensweisen abzuschrecken.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach dem vierten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO die Vorschriften der DSGVO unbeschadet von Schadenersatzforderungen aufgrund von Verstößen gegen andere Vorschriften des Unionsrechts oder des Rechts der Mitgliedstaaten gelten.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.“

Mit diesen Ausführungen wird nunmehr die Auffassung der Kammer bestätigt, dass für einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO neben einem Verstoß auch ein Schaden sowie ein Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden erforderlich ist.

Der Kläger hat einen etwaigen immateriellen Schaden darzulegen und ggf. nachzuweisen.

Das Erfordernis des Nachweises eines tatsächlich erlittenen Schadens ist auch der Sache nach erforderlich, um ein vom Verordnungsgeber nicht gewolltes Ausufern von Schadensersatzforderungen in allen Fällen eines - tatsächlich für den Betroffenen folgenlosen - Datenschutzverstoßes zu vermeiden (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20 -Rn. 73, juris).

Das Vorliegen eines konkreten immateriellen Schadens hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger einen Kontrollverlust erlitten haben will. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger daran gehindert wurde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren. Darüber hinaus stellt nach Auffassung der Kammer ein bloßer, abstrakter Kontrollverlust auch keinen konkreten immateriellen Schaden dar.

2. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes unter dem Gesichtspunkt der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts §§ 823 Abs. 1, 253 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG besteht ebenfalls nicht.

Soweit der Kläger eine Entschädigung begehrt und argumentiert, dass alle immateriellen Schäden ersatzfähig seien, welche i.d.R. aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts heraus resultieren, kommen die genannten Normen auch als Anspruchsgrundlage in Betracht.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz wird dadurch verwirklicht, dass bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung - neben negatorischen Schutzansprüchen und Ansprüchen auf Ersatz des materiellen Schadens - auch Ansprüche in Betracht kommen, die auf den Ausgleich immaterieller Beeinträchtigungen durch Zahlung einer Geldentschädigung gerichtet sind. Bei schwerwiegenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsrechts besteht daher nach ständiger, mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Anspruch auf Ausgleich der dadurch verursachten immateriellen Schäden, der unmittelbar aus dem Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021 – 16 U 269/20 – Rn. 14 m.w.N., juris).

Ein derartiger Anspruch scheitert vorliegend bereits daran, dass keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dargetan wurde.

II. Das Verfahren war weder auszusetzen, noch das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.


1. Entgegen der Ansicht des Klägers war das Gericht nicht gehalten, das vorliegende Verfahren auszusetzen. Das Verfahren war entscheidungsreif. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kam daher nicht in Betracht. Im Übrigen sind Bescheide des Landesdatenschutzbeauftragen nicht vorgreiflich im Sinne dieser Norm. Zudem ist unklar, ob weitere beim Landesdatenschutzbeauftragten anhängige Beschwerden überhaupt in Zusammenhang mit den hier behaupteten Datenschutzverstößen stehen.

Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass mit Bescheid vom 03.08.2023 abschließend über die behaupteten Verstöße (unverschlüsselte E-Mail, Weiterleitung an Betriebsrat und unvollständige Auskunft) entschieden wurde. Entgegen der Darstellung des Klägers mit Beschwerdeformular vom 23.12.2021 sei ein weiterer Verstoß gerügt worden, betrifft diese Beschwerde offensichtlich den bereits dargelegten Verstoß der Auskunft per unverschlüsselter E-Mail.

Unter dem 25.01.2023 (Anlage K 3, Bl. 14 der Akte) erhielt der Kläger vom TLfDI eine Mittelung zur Beschwerde über Datenschutzverletzungen im A. In dem Schreiben wurde dargelegt, dass die Übermittlung mittels unverschlüsselter E-Mail als Verstoß gegen Art. 5 DSGVO zu werten ist. Es wurde auf ein laufendes Anhörungsverfahren hingewiesen und mitgeteilt, dass der Kläger über den Ausgang des Verfahrens informiert wird. Nach dem Antrag des Klägers auf Ergänzungsprüfung vom 30.03.2023 (Anlage K 4, Bl. 16 f. der Akte) und seiner weiteren Beschwerde vom 19.06.2023 (Anlage K5, Bl. 18 f. der Akte) erging am 03.08.2023 ein Bescheid. Mit dem Inhalt dieses Bescheides (Anlage K 6 Bl. 30 f. der Akte) ist davon auszugehen, dass damit abschließend über die Beschwerden des Klägers entschieden wurde. Denn der Bescheid ist überschrieben mit „Ihre Beschwerde über Datenschutzverletzungen im A in Bezug auf ihr Auskunftsersuchen“. Es wird ausgeführt: „das o.g. Verwaltungsverfahren zu Ihrer Beschwerde vom 23. Dezember 2021 ist abgeschlossen.“ Im Absatz vor der Rechtsbehelfsbelehrung wird zudem ausgeführt: „Weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich. Auch aus Ihrem Schreiben vom 19. Juni 2023 ergibt sich nichts Anderes, weil wegen der fehlerhaften Auskunftserteilung eine Verwarnung erteilt wurde und Ihnen die begehrten Informationen vorliegen.“


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO beim Diebstahl sensibler personenbezogener Daten setzt DSGVO-Verstoß, konkreten Schaden und Kausalzusammenhang voraus

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 26.10.2023
Verbundene Rechtssachen C‑182/22 und C‑189/22


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO beim Diebstahl sensibler personenbezogener Daten einen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, einen konkreten Schaden und einen Kausalzusammenhang voraussetzt.

Ergebnis:
Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

ist wie folgt auszulegen:

Der Diebstahl sensibler personenbezogener Daten einer betroffenen Person durch einen unbekannten Straftäter kann zu einem Anspruch auf immateriellen Schadensersatz führen, wenn der Nachweis eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, eines konkreten erlittenen Schadens und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und diesem Verstoß erbracht wird. Für die Gewährung eines solchen Schadensersatzes ist es nicht erforderlich, dass der Straftäter die Identität der betroffenen Person angenommen hat, und der Besitz von Daten, die die betroffene Person identifizierbar machen, stellt für sich genommen keinen Identitätsdiebstahl dar.


Rechtliche Würdigung:
Das vorlegende Gericht möchte mit seiner fünften Frage wissen, ob der einfache Diebstahl der sensiblen personenbezogenen Daten einer betroffenen Person durch einen unbekannten Straftäter einen Identitätsdiebstahl darstellt, der einen Schadensersatzanspruch begründet, oder ob der Straftäter für die Annahme eines Identitätsdiebstahls die Identität der betroffenen Person tatsächlich annehmen oder zu diesem Zweck Anstrengungen unternehmen muss. Diese Frage wird im Zusammenhang mit der Feststellung gestellt, dass unbekannte Straftäter bestimmte sensible personenbezogene Daten von JU und SO aus der Trading-App von Scalable Capital gestohlen haben. Obwohl keine weitere (missbräuchliche) Verwendung der Daten erfolgt zu sein scheint, kann, da die Identität der Straftäter unbekannt ist und diese noch nicht ergriffen worden sind, eine solche künftige (missbräuchliche) Verwendung nicht ausgeschlossen werden.

23. Art. 82 der DSGVO bestätigt allgemein den Anspruch jeder betroffenen Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO „ein materieller oder immaterieller Schaden“ entstanden ist, auf Schadensersatz und teilt die Haftung zwischen dem (den) Verantwortlichen und/oder dem (den) Auftragsverarbeiter(n) auf. Diese Bestimmung benennt weder die genaue Art noch die Form eines solchen Schadens. Die DSGVO verweist zur Definition der Bedeutung und des Anwendungsbereichs des Begriffs „immaterieller Schaden“ nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten. Dieser Begriff ist daher als autonomer Begriff des Unionsrechts zu behandeln und in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen.

24. Nach Art. 82 der DSGVO ist Schadensersatz zu leisten, wenn der Nachweis eines Verstoßes gegen die DSGVO, eines „tatsächlich erlittenen Schadens“ und eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verstoß und diesem Schaden erbracht wird. Die DSGVO sieht kein System der verschuldensunabhängigen Haftung vor. Die Ausgleichsfunktion der durch Art. 82 Abs. 1 der DSGVO eingeführten Regelung schließt auch den Zuspruch von Strafschadensersatz aus. Eine solche Entschädigung muss vollständig und wirksam sein und damit „den aufgrund des Verstoßes gegen [die DSGVO] konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang ausgleichen“. Der immaterielle Schaden, den die betroffene Person erlitten hat, braucht keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit zu erreichen. Auch wenn es keine Geringfügigkeitsschwelle für die Höhe des immateriellen Schadens gibt, bedarf es eindeutiger und präziser Beweise dafür, dass die betroffene Person einen solchen Schaden erlitten hat. Ein potenzieller oder hypothetischer Schaden oder die bloße Beunruhigung wegen des Diebstahls der eigenen personenbezogenen Daten reicht nicht aus.

25. Art. 82 Abs. 3 der DSGVO befreit den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter von der Haftung, „wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist“. Der Gerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, Art. 82 Abs. 3 der DSGVO ausführlich zu prüfen. Eine wörtliche Auslegung dieser Bestimmung scheint darauf hinauszulaufen, dass jedes fahrlässige (Mit‑)Verschulden oder Versehen des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters ausreicht, um die Anwendung der Befreiung auszuschließen. Zudem kann die dem (den) Verantwortlichen oder dem (den) Auftragsverarbeiter(n), der (die) von der Befreiung Gebrauch machen möchte(n), nach dieser Bestimmung obliegende Beweislast die Umsetzung fortlaufender Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Datenschutzverletzungen auferlegen.

26. Der Diebstahl der personenbezogenen Daten einer betroffenen Person begründet einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 der DSGVO, wenn die drei im Urteil Österreichische Post aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Der siebte Erwägungsgrund der DSGVO bestimmt: „Natürliche Personen sollten die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen.“ Der Umstand, dass betroffene Personen „daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren“, oder dass natürliche Personen die „Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten“ verlieren, kann zu einem immateriellen Schaden führen. Dies ist der Kontext, in dem das vorlegende Gericht fragt, ob der Diebstahl personenbezogener Daten einen Identitätsdiebstahl darstellt.

27. Die operativen Bestimmungen der DSGVO erwähnen den Identitätsdiebstahl nicht und definieren ihn auch nicht. Die Erwägungsgründe 75 und 85 der DSGVO erwähnen den „Identitätsdiebstahl oder ‑betrug“ nur. Der 75. Erwägungsgrund nennt in einer nicht erschöpfenden Liste von Beispielen den „Identitätsdiebstahl oder ‑betrug“ als ein Beispiel für die Risiken für die Ausübung der Rechte und Freiheiten natürlicher Personen aufgrund der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. In ähnlicher Weise erwähnt der 85. Erwägungsgrund der DSGVO den „Identitätsdiebstahl oder ‑betrug“ als ein Beispiel für den Schaden, der durch das Versäumnis entsteht, auf eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten rechtzeitig und angemessen zu reagieren.

28. In einer Reihe von Erwägungsgründen und Bestimmungen in anderen Rechtsvorschriften der Union werden Begriffe wie „Identitätsdiebstahl“, „Identitätsbetrug“ und „Identitätsdiebstahl oder ‑betrug“ erwähnt. Ich habe keine Bestimmung des Unionsrechts gefunden, in der die diese Begriffe definiert werden(33). Der Unionsgesetzgeber nennt diese Begriffe daher beispielhaft.

29. Dies wird auch aus einer Betrachtung der verschiedenen Sprachfassungen dieser Begriffe in den Erwägungsgründen 75 und 85 der DSGVO ersichtlich. Während die deutsche (Identitätsdiebstahl oder –betrug), die englische (identity theft or fraud), die estnische (identiteedivargust või –pettust), die irische (goid aitheantais nó calaois aitheantais), die litauische (būti pavogta ar suklastota tapatybė), die niederländische (identiteitsdiefstal of –fraude), die polnische (kradzieżą tożsamości lub oszustwem dotyczącym tożsamości), die rumänische (furt sau fraudă a identității) und die slowakische (krádeži totožnosti alebo podvodu) Sprachfassung weitgehend ähnlich sind, weichen andere Sprachfassungen in unterschiedlichem Maß hiervon ab: die tschechische (krádeži či zneužití identity), die französische (vol ou une usurpation d’identité), die griechische (κατάχρηση ή υποκλοπή ταυτότητας), die portugiesische (usurpação ou roubo da identidade), die italienische (furto o usurpazione d’identità) und die spanische (usurpación de identidad o fraude). Die verschiedenen Sprachfassungen der maßgeblichen Erwägungsgründe der DSGVO deuten darauf hin, dass sich die Begriffe Identitätsdiebstahl, Identitätsbetrug, Identitätsmissbrauch, missbräuchliche Verwendung der Identität, Identitätsaneignung und Identitätsanmaßung überschneiden und dass sie zumindest zu einem gewissen Grad als austauschbar angesehen werden können. Folglich unterscheiden die Erwägungsgründe 75 und 85 der DSGVO entgegen dem in Nr. 18 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Vorbringen von SO nicht klar zwischen Identitätsdiebstahl und Identitätsbetrug.

30. Die Erwägungsgründe 75 und 85 unterscheiden zwischen dem Beispiel des „Verlusts der Kontrolle“ oder der Unmöglichkeit, personenbezogene Daten zu „kontrollieren“, und dem Beispiel des „Identitätsdiebstahls oder ‑betrugs“. Daher stellt der Diebstahl personenbezogener Daten allein selbst dann keinen Identitätsdiebstahl dar, wenn dieser Diebstahl zu einer künftigen (missbräuchlichen) Verwendung dieser Daten führen kann. Ein Identitätsdiebstahl erfordert eine zusätzliche Handlung oder einen zusätzlichen Schritt mit über den Diebstahl der personenbezogenen Daten hinausgehenden, nachteiligen Auswirkungen auf die betroffene Person. Wer die personenbezogenen Daten einer betroffenen Person stiehlt, muss diese Daten ohne Einwilligung der betroffenen Person (missbräuchlich) zu rechtswidrigen Zwecken verwenden oder konkrete Schritte hierzu unternehmen. Mit einer solchen Handlung ist typischerweise ein Betrug oder eine andere Form der Täuschung verbunden, und sie wird im Allgemeinen zur Erzielung eines finanziellen oder anderweitigen Gewinns durchgeführt oder um der betroffenen Person oder ihrer Umgebung Schaden zuzufügen.

31. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Diebstahl personenbezogener Daten zwar keinen Identitätsdiebstahl oder ‑betrug darstellt, jedoch zur Entstehung eines immateriellen Schadens und zu einem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 der DSGVO führen kann. Der Nachweis eines immateriellen Schadens kann einfacher zu erbringen sein, wenn festgestellt wird, dass die betroffene Person infolge des Diebstahls ihrer personenbezogenen Daten Opfer eines Identitätsdiebstahls oder ‑betrugs geworden ist. Ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 der DSGVO wegen des Diebstahls personenbezogener Daten hängt jedoch nicht vom Vorliegen eines Identitätsdiebstahls oder ‑betrugs ab. Ein immaterieller Schaden und der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 der DSGVO sind unter Berücksichtigung aller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen.


Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:


AG Düsseldorf: Anspruch auf 500 Euro immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wenn Online-Shop keine Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO erteilt

AG Düsseldorf
Urteil vom 24.08.2023
51 C 206/23


Das AG Düsseldorf hat entschieden, dass dem Kunden eines Online-Shops ein Anspruch auf 500 Euro immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO zusteht, wenn ein Online-Shop keine Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO erteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Der Beklagte hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie sämtlicher Daten, die sie über ihn verarbeitet sowie auf Auskunftserteilung, an welche anderen Unternehmen die Beklagte seine Daten übermittelt hat gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO.

Die Klägerin hat mit der Replik erklärt die entsprechende Forderung des Beklagten zu erfüllen. Getan hat sie dies indes nicht. Berechtigte Einwände die Erfüllung nicht zu leisten, bestehen nicht. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Klägerin bereits unter dem 23.12.2022 oder erst am 02.06.2023 zur Auskunft aufgefordert hat. Die Frist des Art 12 Abs. 3 S. 1 und DSGVO ist jedenfalls nunmehr abgelaufen.

Auch kann die Klägerin nicht verlangen, dass der Beklagte sich zuvor mit einem Personaldokument limitiert. Ein solcher Anspruch besteht, falls nicht sicher ist, dass der Anspruchsteller nicht die Person, die er behauptet zu sein, Art. 12 Abs. 6 DSGVO. Derartige begründete Zweifel bestehen hier jedoch nicht.

b. Weiter hat der Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 500,00 € gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO

Indem die Klägerin die dem Beklagten nach Art. 15 DSGVO zustehenden Ansprüche nicht erfüllt, führt dies zu einem Schadensersatzanspruch.

Der Umstand, dass der Beklagte systematisch Verstöße gegen die DSGVO in Bezug auf seine Person verfolgt, ist bei der Höhe des Schadenersatzes zu berücksichtigen, führt aber nicht dazu, dass dies einen Anspruch wegen rechtsmissbräuchlichen Handelns ausschließt.

Ein immaterieller Schadensersatz dient der Genugtuung, soll aber keine Einnahmequelle darstellen. Weiter kommt es bei der Höhe des Betrages nicht darauf an, wie wirtschaftlich potent der Anspruchsgegner ist. Der immaterielle Schadensersatzanspruch des geschädigten hat insoweit keine Straffunktion, so dass es auf eines „abschreckende“ Wirkung nicht ankommt.

Eine Erhöhung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Klägerin sich - rechtlich unbegründet - weigert die Auskunft zu erteilen und verlangten Daten herauszugeben. Dies wäre nur der Fall, wenn die Klägerin mit den Daten weiter arbeiten würde, insbesondere sie seit dem spätestens 02.06.2023 an weitere Dritte weitergegeben hätte weitergeben würde und allein damit den Schaden des Beklagten vertiefen würde. Dies ist aber nicht ersichtlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG München: Benachrichtigung über Datenschutzverstoß nach Art. 34 DSGVO genügt nicht um Schadensersatzanspruch nach Art 82 DSGVO schlüssig darzulegen und zu beweisen

AG München
Urteil vom 03.08.2023
241 C 10374/23

Das AG München hat entschieden, dass der Erhalt einer Benachrichtigung über einen Datenschutzverstoß nach Art. 34 DSGVO nicht genügt, um einen Schadensersatzanspruch nach Art 82 DSGVO schlüssig darzulegen und zu beweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags in Ziffer 2. unzulässig, im Übrigen aber zulässig.

Ein Feststellungsinteresse liegt bezüglich des Antrags Ziffer 2. nicht vor. Bei Vermögensschäden bedarf es für die Zulässigkeit der Klage der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Urteil vom 26.07.2018 – ZR 274/16, NJW-RR 2018, 1301 Rn. 20, beck-online). Der Kläger als Anspruchsteller hat die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt. Vorliegend ist den Ausführungen des Klägers nicht zu entnehmen, welche Nachteile ihm drohen könnten, zumal seit dem Abgreifen der Daten bereits 3 Jahre verstrichen sind, ohne dass es zu einem Missbrauch der Daten gekommen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso jetzt mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen wäre.

2. Die Klage ist in Ziffer 1. unbegründet

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens in Höhe von mindestens 1 .OOO € gegen die Beklagte gem. Art. 82 DGSVO.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen trägt der Anspruchsberechtigte (Rn 51 zu Art.82 DS-GVO, BeckOK Datenschutzrecht, 44. Auflage, 01.05.2023, beck-online).

Trotz Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2023 hat der Kläger weder dargelegt, welche Pflichtverletzung nach der DSGVO er der Beklagten vorwirft, noch welcher konkrete, immaterielle Schaden hierdurch eingetreten sein soll.

Aus dem Schreiben vom 19.10.202 folgt nicht ein vorheriger Verstoß der Beklagten gegen die DGSVO. Die Benachrichtigungspflicht gem. Art.34 DSGVO setzt eine „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ gem. Art. 4 Nr. 12 DSGVO voraus. Auf ein Verschulden oder eine Mitverursachung durch den Verantwortlichen kommt es hierbei nicht an (Rn 23 zu Art. 34 DGSVO, BeckOK Datenschutzrecht, 01.02.2022, 44 Auflage, beck-online)

Selbst wenn ein Verstoß gegen die DSGVO vorgelegen hätte, führt der Datenschutzverstoß an sich nicht zu einem Ersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO, da der „Verstoß gegen diese Verordnung“ und der „Schaden“ zwei unterschiedliche Tatbestandsmerkmale der Vorschrift sind. Auch reicht der bloße Kontrollverlust über Daten nicht für das Vorliegen eines Schadens aus.

b) Mangels konkreten Schadens steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen nach dem BGB zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-GRURRS-B-2023-N-20971?hl=true

OLG Düsseldorf: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO setzt Nachweis eines konkreten ggf. auch immateriellen Schadens voraus

OLG Düsseldorf
Urteil vom 09.03.2023
16 U 154/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO den Nachweis eines konkreten ggf. auch immateriellen Schadens voraussetzt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht – in dem für das Berufungsverfahren noch relevanten Umfang – weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Vielmehr hat das Landgericht die Klage mit weitgehend zutreffender und überzeugender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zunächst kein Anspruch auf weitergehende Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO zu. Insoweit hat das Landgericht mit zutreffender und in jeder Hinsicht überzeugender Begründung, der sich der Senat nach eigener Würdigung vollumfänglich anschließt, eine Erfüllung dieses ursprünglich bestehenden und vom Landgericht auch zutreffend angenommenen Anspruchs bejaht. Dabei geben die Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren lediglich noch Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Entgegen der Ansicht des Klägers sind die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19 – aufgestellten Grundsätze für die Bejahung der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs, die das Landgericht zutreffend dargestellt und auf den zugrunde liegenden Streitfall angewandt hat, vorliegend gegeben. Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch demnach grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/18, juris, Rn. 19). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann kann der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20).

Hier hat die Beklagte dem Kläger im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens letztlich Auskunft in Form der Anlage B11 erteilt. Die Übermittlung dieser unstreitig auch der Form des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO genügenden Unterlagen war verbunden mit der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten, über weitergehende Unterlagen bzw. den Kläger betreffende personenbezogene Daten nicht zu verfügen. Einzige Ausnahme bilden nach Auskunft der Beklagten dabei Unterlagen der Rechtsabteilung, die sich auf die Kommunikation im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Rechtsstreit, u.a. auch zwischen der Beklagten und deren Prozessvertretern, beziehen. Auf eine Auskunft über diese Kommunikation hat der Kläger aber bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 05.05.2021 verzichtet, weshalb die Frage des Eingreifens einer etwaigen Bereichsausnahme für entsprechende Unterlagen vorliegend keiner Erörterung bedarf. Bereits diese, die Vorlage der Anlage B11 begleitenden Angaben der Beklagten belegen nach Auffassung des Senats aber eindeutig, dass die Beklagte sich grundsätzlich zur umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet sah. Vor diesem Hintergrund ist sodann ihre – nicht einmal nur konkludent, sondern sogar ausdrücklich erfolgte – Vollständigkeitserklärung zu werten. Hinzu kommt, dass sich die begleitende Erklärung der Beklagten auch ausdrücklich zu den Vertragsverhältnissen verhielt, hinsichtlich derer der Kläger vorträgt, dass weitere Unterlagen mit Blick auf die Aufbewahrungspflicht gemäß § 147 Abs. 1 AO vorhanden sein müssten. Insoweit verkennt der Kläger bei seiner Argumentation aber bereits, dass der Umstand, dass etwas nach den gesetzlichen Vorgaben vorhanden sein bzw. aufbewahrt werden müsste, nichts dazu aussagt, dass dem auch tatsächlich genügt worden ist. Zudem ist dieser Umstand nicht geeignet, die von der Beklagten in Kenntnis ihrer umfassenden Auskunftspflicht abgegebene Vollständigkeitserklärung in Zweifel zu ziehen. Vielmehr handelt es sich insoweit allenfalls um einen Umstand, der im Zusammenhang mit der Frage der Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung Bedeutung erlangen kann (siehe dazu unten). Bereits aus diesem Grund hat das Landgericht hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Frage der Erfüllung des Auskunftsanspruchs in nicht zu beanstandender Weise von der Einvernahme des Datenschutzbeauftragten der Beklagten abgesehen. Hierin lag entgegen der Auffassung des Klägers mithin auch keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Soweit der Kläger zudem Zweifel daran äußert, dass das Landgericht die Anlage B11 hinreichend bei seiner Entscheidung gewürdigt habe, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Behauptung ins Blaue hinein, die durch keinerlei Tatsachen belegt oder auch nur gestützt wird. Im Gegenteil verhalten sich die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe ausdrücklich zu Anlage B11. Hieran vermag auch der Umstand, dass die Anlage B11 im Zusammenhang mit der Berufungseinlegung zunächst versehentlich nicht vom Landgericht an das Oberlandesgericht übermittelt worden ist, nichts zu ändern. Denn dieses Übermittlungsversehen hat keinerlei Aussagegehalt in Bezug auf die Frage, ob dem erstinstanzlichen Gericht die Anlage B11 bei seiner Entscheidung tatsächlich vorlag.

2. Dem Kläger steht, wie das Landgericht ebenfalls im Ergebnis und mit zum Teil überzeugender Begründung ausgeführt hat, auch kein Anspruch aus Art. 82 DS-GVO gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens wegen einer verzögerlichen und unvollständigen Datenauskunftserteilung zu (vgl. zum Ganzen, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20, juris, Rn. 64 ff.).

Nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DS-GVO. Die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen nach Auffassung des Senats nicht vor, da es jedenfalls an der Darlegung des Eintritts eines Schadens bei dem Kläger fehlt, worauf bereits das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung zumindest auch abgestellt hat.

Die Frage, ob bereits der Datenschutzverstoß als solcher für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs ausreicht oder es darüber hinaus der Darlegung und des Nachweises eines konkreten (auch: immateriellen) Schadens bedarf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. Nachweise zum Streitstand: OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 68). Sowohl der österreichische Oberste Gerichtshof (Vorabentscheidungsersuchen vom 12.05.2021, ZD 2021, S. 631, wobei der Gerichtshof die Auffassung vertritt, es sei der Nachweis eines Schadens erforderlich) als auch das Bundesarbeitsgericht (Vorabentscheidungsersuchen vom 26.08.2021, 8 AZR 253/20-A, wobei das BAG den Nachweis eines Schadens nicht für notwendig hält) haben die hiermit zusammenhängenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Senat folgt im Ergebnis der Auffassung, wonach über den festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften des DS-GVO hinaus Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld der Nachweis eines konkreten (auch immateriellen) Schadens ist. Hierfür spricht zunächst bereits der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, der über den Verstoß hinaus ausdrücklich die Entstehung eins Schadens („...Schaden entstanden ist") voraussetzt. Dieser Differenzierung im Wortlaut hätte es nicht bedurft, wenn bereits der Verstoß als solcher konstitutiv für den Anspruch wäre. Hätte der Verordnungsgeber eine nur an den Rechtsverstoß anknüpfende, vom Nachweis eines konkreten Schadens unabhängige Zahlungspflicht anordnen wollen, hätte es zudem demgegenüber nahegelegen, dies - wie z.B. im Luftverkehrsrecht gem. Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO (EG) 261/2004 - durch Pauschalen zu regeln (vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 70 m.w.N.; OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2022 – 5 U 2141/21, juris, Rn. 73 f., m.w.N.). In dem Erwägungsgrund 146 S. 3 zu der DS-GVO heißt es zwar, dass der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der Anspruch soll nach Erwägungsgrund 146 S. 6 sicherstellen, dass die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Das schließt ein, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen. Der Begriff des Schadens in Art. 82 DS-GVO ist autonom auszulegen, mithin kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Schaden nach nationalem Recht als Schaden angesehen werden könnte. Auch hiernach ist der Schaden jedoch nicht mit der zugrunde liegenden Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen. Denn ausdrücklich muss der Schaden „erlitten" werden, woraus folgt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird. Der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DS-GVO reicht daher nicht aus (OLG Frankfurt a.M., a.a.O., Rn. 71; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2021, 17 Sa 37/20, juris, Rn. 96 m.w.N.).

Das Vorliegen eines konkreten - immateriellen - Schadens, etwa Ängste oder starken Stress, hat der Kläger vorliegend nicht dargetan. Soweit der Kläger im Rahmen seiner Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 07.04.2021 vorträgt, erschöpfen sich seine Ausführungen in der Darlegung des Datenschutzverstoßes – also einer verzögerlichen und seiner Ansicht nach unvollständigen Datenauskunftserteilung – ohne irgendwelche hierdurch bedingte Einbußen oder Beeinträchtigungen immaterieller Art aufzuzeigen. Diesen Vortrag ergänzt der Kläger auch zweitinstanzlich nicht. Vielmehr beruft er sich auch in der Berufungsbegründung letztlich auf seine – von dem Senat aus den vorstehend dargestellten Erwägungen nicht geteilte – Ansicht, wonach allein der Datenschutzverstoß in der vorliegenden Konstellation einen Schaden begründe. Ergänzend verweist er auf seinen – wie dargestellt – bereits erstinstanzlich unzureichenden Vortrag. Nichts anderes gilt, soweit er im Schriftsatz vom 21.01.2023 einen „Kontrollverlust über die Daten“ als Schaden anführt. Dies stellt lediglich eine Umschreibung des von ihm geltend gemachten Gesetzesverstoßes dar, aber keinen davon zu unterscheidenden Schaden immaterieller oder materieller Art. Da sich die Ausführungen des Klägers letztlich im Wesentlichen auf die Darlegung seiner abweichenden Rechtsauffassung, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur beschränken, aber keinerlei Tatsachenvortrag enthalten, der geeignet wäre, einen etwaigen immateriellen Schaden konkret des Klägers zu belegen, vermag der Senat, der – ebenso wie das Landgericht – zum Erfordernis der Darlegung eines Schadens eine vom Kläger abweichende Rechtsauffassung vertritt, auch keine Verletzung dessen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu erkennen.

Auf den konkreten Umfang des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO und darauf, ob entgegen dem Landgericht die unter Berücksichtigung der in Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verzögerliche Aukunftserteilung eine taugliche Verletzungshandlung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO darstellt (vgl. dazu: OLG Köln, Urteil vom 14.07.2022 – 15 U 137/21, juris, Rn. 24; Quaas, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 41. Edition, Stand: 01.08.2022, Art. 82 DS-GVO, Rn. 14), kommt es nach dem Vorstehenden an dieser Stelle mithin nicht entscheidungserheblich an.

3. Soweit der Kläger erstmals mit der Berufungsbegründung hilfsweise die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung betreffend die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Datenauskunft beantragt, ist die hierin liegende Klageänderung zwar zulässig, jedoch dringt der Kläger mit seinem Begehren in der Sache auch insoweit nicht durch.

a. Die Klageänderung ist zunächst gemäß § 533 ZPO zulässig. Zwar hat die Beklagte insoweit ausdrücklich nicht eingewilligt (§ 533 Nr. 1, 1. Alt. ZPO), jedoch ist diese nach Auffassung des Senats vorliegend sachdienlich (§ 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO). Bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit sind die beiderseitigen Interessen zu bewerten und abzuwägen. Es kommt auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderenfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist (vgl. Wulf, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK, 47. Edition, Stand 01.12.2022, § 533 Rn. 11). Das ist vorliegend zu bejahen, da die Frage der Erfüllung bzw. deren Umfang weiterhin zwischen den Parteien in Streit steht. Auch die Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO ist vorliegend gegeben. Danach hängt die Zulässigkeit einer zweitinstanzlichen Klageänderung davon ab, dass sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Maßgeblich ist gemäß § 529 i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO mithin der erstinstanzliche Sach- und Streitstand (vgl. Rimmelspacher, in: MüKo/ZPO, 6. Auflage 2020, § 533 Rn. 14). Vorliegend stand die Frage der Erfüllung des Auskunftsanspruchs bzw. einer vollständigen Erfüllung bereits erstinstanzlich zwischen den Parteien in Streit, sodass die für die Entscheidung des klageerweiternd geltend gemachten Anspruchs maßgeblichen Umstände bereits erstinstanzlich Gegenstand der Erörterung gewesen sind.

b. In der Sache kann der Kläger von der Beklagte aber nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB nicht die Abgabe der begehrten eidesstattlichen Versicherung verlangen. Hiernach hat der Verpflichtete die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben auf Verlangen an Eides statt zu versichern, wenn die Besorgnis besteht, dass diese nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind. Erforderlich sind insoweit mithin Unvollständigkeit der Rechnungslegung / Auskunft und dass dies auf mangelnder Sorgfalt des Verpflichteten beruht. Beide Punkte müssen nicht feststehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit ein auf Tatsachen gründender Verdacht, die der Berechtigte darlegen und notfalls beweisen muss (vgl. Krüger, in: MüKo/BGB, 9. Auflage 2022, § 260 Rn. 47, § 259 Rn. 38 f.). Daran fehlt es vorliegend im Ergebnis jedoch.

So ist nach Auffassung des Senats bereits die Unvollständigkeit der erteilten Auskunft nicht hinreichend substantiiert dargetan. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang das Vorhandensein weiterer Unterlagen mit der Aufbewahrungspflicht des § 147 Abs. 1 AO begründet, verkennt er bereits, dass das Bestehen einer entsprechenden Aufbewahrungspflicht nichts über den Umfang einer tatsächlich erfolgten Aufbewahrung und Speicherung aussagt. Eine Auskunftspflicht kann sich dabei aber von vornherein nur auf tatsächlich aufbewahrte und gespeicherte Unterlagen und Daten beziehen. In diesem Zusammenhang ist mit Blick auf den Umfang der tatsächlich erteilten Auskunft für den Senat nicht ansatzweise erkennbar, dass und weshalb die Beklagte weitergehende Vertragsunterlagen zu den genannten Kundennummern, die sie selbst bestätigt hat, nicht herausgeben sollte, sondern letztlich „lieber“ einen etwaigen Verstoß gegen ihre Pflichten gemäß § 147 AO einräumen sollte. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte das Vorhandensein weiterer Unterlagen, zu deren Herausgabe sie nicht bereit war – Stichwort: Rechtsabteilung –, eingeräumt hat. Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass allein der Pflichtenverstoß der Beklagten gegen § 147 AO einen Verdacht auf die Unvollständigkeit im Sinne der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB begründet, wäre auch insoweit dem Beweisangebot des Klägers auf Einvernahme der Datenschutzbeauftragten der Beklagten nicht nachzugehen, da es jedenfalls an einer hinreichend substantiierten Darlegung etwaiger Tatsachen fehlt, nach denen davon auszugehen wäre, dass die – unterstellt unvollständige – Auskunftserteilung als solche auf mangelnder Sorgfalt der Beklagten beruht. Im Gegenteil. So bemängelt der Kläger wiederholt über das gesamte Verfahren hinweg die administrative Organisation der Beklagten. Dies wird sogar noch belegt durch die wiederholten unberechtigten Abbuchungen von dessen Konto, die ebenfalls Gegenstand eines zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrags gewesen sind. All dies mag für durchaus gravierende Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit ihrer Organisation, der Datenerfassung und –aufbewahrung, insbesondere auch der Achtung gesetzlicher Pflichten wie solchen gemäß § 147 AO sprechen, ist aber in keiner Weise geeignet, Zweifel dahingehend zu begründen, dass die Beklagte nicht sämtliche bei ihr vorhandene Daten und Unterlagen letztlich vollständig – also abgesehen von den, seitens des Klägers nicht begehrten Unterlagen der Rechtsabteilung – herausgegeben hat. Der sich aus dem Vortrag des Klägers allenfalls hinreichend substantiiert ergebende Vorwurf belegt mithin jedenfalls keine mangelnde Sorgfalt bei der Erteilung der Auskunft, sondern ggfls. im Vorfeld.

Damit kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage eines Eingreifens der §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 3 BGB ebenso wenig an wie darauf, ob § 260 Abs. 2 BGB überhaupt auf einen Anspruch aus Art. 15 DS-GVO anwendbar ist (aufgeworfen von: BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, juris, Rn. 34).

4. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung in keiner Weise zu beanstanden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision hat gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO teilweise zu erfolgen: Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Ansprüche des Klägers auf Zahlung eines Schadenersatzes liegt eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor, da die Voraussetzungen des Geldentschädigungsanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO und das Verständnis dieser Vorschrift bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind und sich nicht unmittelbar aus den Regelungen der DS-GVO ergeben (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, Rn. 20).

Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs war die Zulassung der Revision hingegen nicht geboten, weil die Rechtssache insoweit keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 1 ZPO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, juris Rn. 4; Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02, juris, Rn. 5). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2010 – 1 BvR 381/10, juris, Rn. 12). Die Frage, wann ein Auskunftsanspruch erfüllt ist, hat der BGH zwischenzeitlich in dem hier zugrunde gelegten Sinne entschieden. Ob im konkreten Fall Erfüllung eingetreten ist, ist dagegen eine Frage des Einzelfalls.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 39, 43, 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 2.400,00 € festgesetzt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

ArbG Oldenburg: 10.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für ehemaligen Arbeitnehmer wegen unterbliebener Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO durch Arbeitgeber

ArbG Oldenburg
Urteil 09.02.2023
3 Ca 150/21


Das Arbeitsgericht Oldenburg hat einem ehemaligen Arbeitnehmer 10.000 EURO immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unterbliebener Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO durch den Arbeitgeber zugesprochen. Die Auskunftserteilung war über 20 Monate nicht erfolgt und das Gericht hielt 500 EURO pro Monat für angemessen. Das Gericht ist der Ansicht, dass Art. 82 DSGVO abschrecken und generalpräventiv wirken soll.


OLG Hamm: 100 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für versehentliche Weiterleitung personenbezogener Daten per E-Mail-Verteiler an 1200 Personen durch Impfzentrum

OLG Hamm
Urteil vom 20.01.2023
11 U 88/22


Das OLG Hamm hat entschieden, dass 100 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO für die versehentliche Weiterleitung personenbezogener Daten per E-Mail-Verteiler an 1200 Personen durch ein Impfzentrum angemessen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit das Landgericht den dem Kläger zum Ausgleich des ihm entstandenen immateriellen Schadens zustehenden Betrag mit 100,00 Euro bemessen hat, ist hiergegen aus Sicht des Senats nichts zu erinnern.

Ausgehend von dem bereits dargestellten Schadensbegriff gelten bei der Bemessung der Schadenshöhe die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; der Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen (OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2022 – 5 U 2141/21, juris Rn. 81). Hierbei ist der Erwägungsgrund 146 S. 3 und 6 zur DS-GVO zu berücksichtigen, wonach der Begriff des Schadens auf eine Art und Weise auszulegen ist, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht und die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten sollen. Ergänzend können auch in Art. 83 Abs. 2 DS-GVO genannte Kriterien herangezogen werden, obwohl diese Vorschrift nicht die Geltendmachung individueller Entschädigungsansprüche sondern die Verhängung von Geldbußen betrifft; dies gilt insbesondere für Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung von Art, Umfang oder Zweck der betreffenden Verarbeitung, den Grad des Verschuldens, Maßnahmen zur Minderung des entstandenen Schadens, frühere Verstöße sowie die Kategorie der betroffenen personenbezogenen Daten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2021 – 16 U 275/20, juris Rn. 55 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2022 – 3 U 21/20, juris Rn. 56; Quaas, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 42. Edition, Stand 01.08.2022, Art. 82 DS-GVO Rn. 31).

aa) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die in der Excel-Datei enthaltenen personenbezogenen Daten des Klägers, nämlich vollständiger Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefonnummer und E-Mail-Adresse sowie der für die Impfung vorgesehene Impfstoff und das Datum der Impfung sowie Angaben zur Anzahl der Impfungen in ihrer Gesamtheit ein Datenbündel darstellen, welches problemlos die Identifizierung des Klägers ermöglicht. Auch sind hier nicht lediglich personenbezogene Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO betroffen, sondern auch Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 4 Nr. 15 DS-GVO, welche grundsätzlich besonders sensibel sind, wie auch Art. 9 DS-GVO deutlich macht.

Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass die Excel-Datei an eine Vielzahl von Personen übersandt wurde. Insoweit hat die Beklagte im Senatstermin klargestellt, dass der Versand an insgesamt 1.200 Personen erfolgte, wobei allerdings ein unmittelbar nach dem Versand erfolgter Rückruf der E-Mail in 500 Fällen Erfolg hatte. Damit haben 700 Personen die Datei erhalten und konnten deren Inhalt auch zur Kenntnis nehmen, da die Datei nicht vor einem einfachen Zugriff geschützt war. Auch ist zu berücksichtigen, dass dieser Versand und damit die Offenbarung der Daten nicht mehr rückgängig zu machen ist. Denn der Kläger hatte bzw. hat keine Möglichkeit, eine etwaige Weitergabe der Daten effektiv zu verhindern oder auch nur zu kontrollieren. Trotz des von der Beklagten unternommenen Versuches, die Empfänger der E-Mail zur Löschung der Datei zu veranlassen, kann eine Weitergabe dieser Dateien an Dritte nicht ausgeschlossen werden.

Damit besteht für den Kläger das Risiko des Erhalts unerwünschter Werbung insbesondere per E-Mail oder von Phishing-E-Mails mit dem Ziel, auf diese Art weitere Informationen vom Kläger zu erlangen. Auch die Möglichkeit eines Identitätsdiebstahls ist ebenso in Betracht zu ziehen wie die Auslösung kostenpflichtiger Bestellungen durch Dritte unter Verwendung der personenbezogenen Daten des Klägers.

Es ist aber auch zu beachten, dass es sich bei den offenbarten personenbezogenen Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO lediglich um solche Daten handelt, welche der Sozialsphäre des Klägers zuzuordnen sind. Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, also insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums. Demgegenüber umfasst die Privatsphäre sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird. Dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 16). Nach dieser Maßgabe sind jedenfalls die personenbezogenen Daten des Klägers, die zur Beschreibung seiner Person dienen, der Sozialsphäre zuzuordnen. Demgegenüber waren von dem Verstoß nicht besonders sensible Daten wie etwa Bank- oder Steuerdaten, Zugangsdaten und Kennwörter oder ähnliche Daten betroffen. Soweit Gesundheitsdaten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 15 DS-GVO offenbart wurden, sind diese zwar der Privatsphäre zuzurechnen. Allerdings darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass insbesondere im Hinblick auf den weiten Begriff der Gesundheitsdaten auch hier deren konkreter Inhalt zu berücksichtigen ist. Aus den offenbarten Daten lässt sich allenfalls das Fehlen einer Kontraindikation in der Person des Klägers bezüglich einer zweiten Impfung nach erfolgter Erstimpfung ableiten, nicht aber konkrete Schlüsse auf eine Erkrankung des Klägers oder eine besondere gesundheitliche Disposition. Damit stellt sich die Offenbarung der Gesundheitsdaten hier als weit weniger schwerwiegend dar, als dies etwa bei der Offenbarung spezifischer Gesundheitsdaten wie eines medizinischen Befundes oder einer ärztlichen Diagnose der Fall wäre.

Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass der vom Kläger beanstandete Versand der die personenbezogenen Daten des Klägers enthaltenden Datei von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt bezweckt war. Denn im Zuge des Betriebs des Impfzentrums benötigte die Beklagte die Datei einmalig für kurze Zeit zum Zwecke der Organisation des Impfzentrums, namentlich um die von der Änderung der Öffnungszeiten betroffenen Personen hierüber zu informieren. Der Versand der Datei beruhte auf einem Versäumnis der handelnden Mitarbeiter im Zug des Versands der E-Mail an die von der Änderung der Öffnungszeiten betroffenen Personen, war aber zu keinem Zeitpunkt intendiert.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit dem Betrieb des Impfzentrums und den damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen hat und insbesondere nicht mit der Absicht handelte, hierbei in irgendeiner Weise Gewinne zu erzielen. Auch der Versand der E-Mail vom 00.00.2021 stand in keinerlei Zusammenhang mit einer gewinnorientierten Tätigkeit.

Ferner ist der geringe Grad des Verschuldens auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen. Insoweit geht der Senat lediglich von einem fahrlässigen Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten aus, welche die E-Mail abgesandt haben. Soweit der Kläger hier von einem vorsätzlichen Verstoß ausgeht, hat er schon nicht dargelegt, welche Umstände die Annahme von Vorsatz rechtfertigen sollten. Auch soweit der Kläger meint, es greife insoweit ein Beweis des ersten Anscheins ein, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beweiswürdigungsregel des Anscheinsbeweises ist nur bei regelmäßigen (typischen) Geschehensabläufen anwendbar, die nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweisen (vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 4. Auflage 2019, Kap. 17 Rn. 10). Es ist schon nicht erkennbar, welcher typischen Geschehensablauf hier aufgrund von Erfahrungssätzen den Schluss auf ein vorsätzliches Verhalten erlauben soll. Allein der Versand einer E-Mail mit einem zuvor nicht entfernten Anhang kann zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, die Übersendung der angehängten Datei sei vorsätzlich erfolgt. Im Hinblick auf die Darstellung der Beklagten von den Abläufen, die zum Versand der E-Mail nebst angehängter Excel-Datei geführt haben und die der Kläger auch im Senatstermin nicht in Abrede gestellt hat, ist die Annahme vorsätzlichen Verhaltens fernliegend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass den betroffenen Mitarbeitern der Beklagten und damit auch der Beklagten allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass nicht ersichtlich ist, dass es bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall zu einem vergleichbaren Verstoß gekommen ist und sich dieser anlässlich des Versands der E-Mail vom 00.00.2021 wiederholt hätte.

Schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um den infolge des Verstoßes aufgetretenen Schaden gering zu halten. So wurde unmittelbar nach dem Versand der Mail der Versuch des Rückrufs der E-Mail unternommen, was bei insgesamt 500 Adressaten auch erfolgreich war. Ferner hat die Beklagte auch die Empfänger der E-Mail aufgerufen, die Daten zu löschen. Darüber hinaus hat die Beklagte den Kläger – sowie alle anderen Betroffenen – bereits kurz nach dem Verstoß mit Schreiben vom 05.08.2021 über diesen und über die offenbarten Daten informiert. Nachdem die Beklagte zudem Kenntnis davon erlangt hatte, dass sich eine Europäische Zentrale für Verbraucherschutz per E-Mail an den Kläger und andere Betroffene gewandt hatte, kam es nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten auf deren Betreiben auch zu einem Abschalten der Internetseite Webseite01.

Darüber hinaus hat die Beklagte sich mit Schreiben vom 05.08.2021 beim Kläger entschuldigt und den Vorfall der Aufsichtsbehörde angezeigt.

bb) Die Tatsache, dass der Kläger auf Facebook als Befürworter der Impfung aufgetreten ist und sich aus dem Profil auch Tag und Monat seines Geburtsdatums ablesen lassen, ist für die Bemessung der dem Kläger zuzusprechenden immateriellen Entschädigung demgegenüber lediglich von untergeordneter Bedeutung. Dies insbesondere deshalb, da die so durch den Kläger offenbarten Daten lediglich einen kleinen Teil der infolge des der Beklagten zuzurechnenden Datenschutzverstoßes offenbarten Daten repräsentieren, damit auch nicht ohne weiteres eine Identifizierung der Person des Klägers ermöglichen und der Kläger zudem auch eine Kontrolle über diese Daten innehat, die er jederzeit löschen kann.

cc) Im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Ersatzanspruchs wegen immaterieller Schäden ist die an den Kläger versandte E-Mail vom 18.08.2021 von Bedeutung. Denn insoweit geht es nicht mehr nur um die bloße Sorge des Klägers vor den Folgen eines Datenschutzverstoßes und des darauf beruhenden Kontrollverlusts; vielmehr hat sich das in dem Datenschutzverstoß liegende Risiko hier bereits verwirklicht. Allerdings ist zu sehen, dass es sich lediglich um eine E-Mail handelt. Weitere konkrete Beeinträchtigungen über den eingetreten Kontrollverlust hinaus, die sich als Folge der Offenbarung der personenbezogenen Daten des Klägers darstellen, hat der Kläger im Senatstermin am 09.12.2022 verneint, sie werden angesichts der seit dem Datenverstoß bereits verstrichenen Zeit auch zunehmend weniger wahrscheinlich. Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf militante Impfgegner auf eine von diesen ausgehende Gefahr körperlicher oder sonstiger Übergriffe aufgrund des Umstands hinweisen will, dass der Kläger selbst eine Impfung befürwortet, hat sich insoweit kein Anhaltspunkt für eine konkrete Beeinträchtigung aufgrund des Datenschutzverstoßes ergeben.

dd) Soweit der Kläger geltend macht, der vom Landgericht zuerkannte Betrag von 100,00 Euro sei eher symbolischer Natur und habe keinerlei Abschreckungseffekt, so vermag der Senat dem nicht beizutreten.
153
Im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 S. 3 zur DS-GVO sollen Schadenersatzforderungen zwar abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv gemacht werden (Schaffland/Holthaus, in: Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Stand: August 2022, Art. 82 DS-GVO Rn. 10b). Auch vermag sich ein Abschreckungseffekt vielleicht nicht aus dem dem Kläger zuerkannten Betrag ergeben. Allerdings ist hier in den Blick zu nehmen, dass der der Beklagten zuzurechnende Verstoß gegen die DS-GVO hier nicht lediglich den Kläger betrifft, sondern eine Vielzahl weiterer Personen, deren personenbezogene Daten ebenfalls in der übermittelten Excel-Datei enthalten waren. Insoweit gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Datei Daten von insgesamt 13.000 Personen enthielt. Dieser Umstand bietet jedenfalls das Potenzial, das sich aus Ansprüchen vieler Betroffener ein durchaus messbarer finanzieller Schadensbetrag bei der Beklagten einstellt.

ee) Eine Erhöhung der Entschädigung ist auch nicht im Hinblick auf eine Sanktionswirkung der Entschädigung angezeigt.

Das für die konkrete Bemessung der Höhe maßgebliche deutsche Recht (vgl. Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Art. 82 Rn. 17) kennt – anders als die Rechtsordnungen anderer Staaten – keinen Strafschadensersatz. Eine wie auch immer geartete Sanktionswirkung neben dem Ausgleich eines konkret entstandenen immateriellen Schadens ist daher bei der Bemessung der dem Kläger zustehenden Entschädigung nicht in Betracht zu ziehen. Insoweit bestimmt Art. 83 DS-GVO, dass die zuständige Aufsichtsbehörde im Falle eines Verstoßes gegen die DS-GVO neben einem etwaigen individuellen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO eine Geldbuße verhängen kann.

ff) Unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen hält der Senat bei einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falles und seiner Besonderheiten im Hinblick auf den eingetretenen dauerhaften Kontrollverlust und den Erhalt einer unerwünschten E-Mail den durch das Landgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 100,00 Euro für angemessen, aber auch ausreichend, um den beim Kläger eingetretenen immateriellen Schaden nach Maßgabe des in der DS-GVO geregelten Schadensersatzanspruchs zu kompensieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Vorlagebeschluss liegt im Volltext vor - BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor

BAG
Beschluss vom 22.09.2022
8 AZR 209/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor - Immaterieller Schadensersatz bei Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses" über die Entscheidung berichtet.

Tenor der Entscheidung:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist eine nach Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie etwa § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, im Folgenden BDSG -, in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten – von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen unter Beachtung von Art. 88 Abs. 2 DSGVO zulässig ist, dahin auszulegen, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind?

2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:

Darf eine nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie § 26 Abs. 4 BDSG – dahin ausgelegt werden, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist?

3. Sofern die Frage zu 2. bejaht wird:

Worauf darf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

5. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtigt werden?

6. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor - Immaterieller Schadensersatz bei Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses

BAG
Beschluss vom 22.09.2022
8 AZR 209/21


Der BAG hat dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DSGVO zur Entscheidung vorgelegt. Es geht dabei um die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses und möglichen Ansprüchen auf immateriellen Schadensersatz.

Die Vorlagefragen:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist eine nach Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie etwa § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, im Folgenden BDSG – in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten – von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen unter Beachtung von Art. 88 Abs. 2 DSGVO zulässig ist, dahin auszulegen, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind?

2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:
Darf eine nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie § 26 Abs. 4 BDSG – dahin ausgelegt werden, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist?

3. Sofern die Frage zu 2. bejaht wird:
Worauf darf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

5. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtig werden?

6. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.



BAG: 1.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO nicht zu niedrig

BAG
Urteil vom 05.05.2022
2 AZR 363/21

Das BAG hat entschieden, dass 1.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO nicht zu niedrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landesarbeitsgericht hat die Höhe des immateriellen Schadenersatzes mit 1.000,00 Euro nicht ermessensfehlerhaft zu niedrig festgesetzt.

a) Bei der Bemessung der Höhe eines Schadenersatzanspruchs nach § 287 Abs. 1 ZPO steht den Tatsachengerichten ein weiter Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben. Die Festsetzung unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Sie kann von diesem nur darauf überprüft werden, ob die Rechtsnorm zutreffend ausgelegt, ein Ermessen ausgeübt, die Ermessensgrenze nicht überschritten wurde und ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen einen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, indem es sich mit allen für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 28, BAGE 170, 340; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 68, BGHZ 193, 110).

b) Danach ist die Bemessung der Höhe des Schadenersatzes durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob die vom Berufungsgericht als „naheliegend“ erachtete Orientierung am Kriterienkatalog in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DSGVO möglich oder sogar geboten ist, kann dahinstehen. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, hätte sich das Landesarbeitsgericht nicht von sachfremden Erwägungen zulasten der Klägerin leiten lassen.

aa) Es hat zunächst zugunsten der Klägerin in Rechnung gestellt, dass die Beklagte eine vollständige Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO bis zuletzt nicht erteilt und ihre Verpflichtung jedenfalls grob fahrlässig verkannt habe. Selbst wenn das Berufungsgericht einen dieser Gesichtspunkte zu Unrecht in seine Erwägungen eingestellt hätte, wäre die Klägerin dadurch nicht beschwert.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne Rechtsfehler in seine Würdigung einbezogen, dass die persönliche Betroffenheit der Klägerin durch die nicht vollständige Erfüllung ihres Auskunftsanspruchs in Anbetracht des maßgeblichen Anliegens ihres Auskunftsbegehrens „überschaubar“ gewesen sei.

(1) Es hat das Auskunftsbegehren dahin ausgelegt, dass es der Klägerin maßgeblich um die Arbeitszeitaufzeichnungen gegangen sei. Diese habe ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. August 2020 aber übersandt. Damit hat das Landesarbeitsgericht eine Gewichtung des konkreten Ausmaßes der Beeinträchtigung der Klägerin durch die nicht vollständige Erfüllung ihres Auskunftsanspruchs vorgenommen und dieser eine relativ geringere Bedeutung beigemessen, als wenn es der Klägerin ebenso maßgeblich um Auskunft über ihre übrigen bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten gegangen wäre.

(2) Das lässt keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen. Wenn die Erlangung von Kontrolle über ihre übrigen personenbezogenen Daten nicht das primäre Ziel der Klägerin war, wiegt auch die Beeinträchtigung durch das Vorenthalten dieses Teils der begehrten Auskunft weniger schwer. Einen Rechtsfehler zeigt insoweit auch die Revision nicht auf. Sie beanstandet zwar, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigen dürfen, dass die Klägerin den Auskunftsanspruch gerichtlich nicht weiterverfolgt habe. Das Berufungsgericht hat dies aber nicht für sich genommen als einen die Beklagte entlastenden Umstand bewertet, wie die Klägerin meint, sondern lediglich als - weiteren - Beleg für sein Verständnis des primären Ziels des Auskunftsverlangens. Dass dieses Verständnis unzutreffend sei, macht auch die Klägerin nicht geltend.

cc) Andere Aspekte hat das Landesarbeitsgericht nicht zulasten der Klägerin gewürdigt.

dd) Soweit das Berufungsgericht bei der Anspruchsbemessung nicht ausdrücklich problematisiert hat, ob der Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch einen präventiven Charakter hat und damit auch eine Abschreckungsfunktion erfüllen muss (vgl. auch zu dieser Fragestellung das Vorabentscheidungsersuchen BAG 26. August 2021 - 8 AZR 253/20 (A) -, vor dem EuGH anhängig unter - C-667/21 - [Krankenversicherung Nordrhein]), ist dies im Ergebnis ebenfalls ohne Rechtsfehler. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass dem Anspruch ein solcher Präventionscharakter zukommt. Seine vom Berufungsgericht festgesetzte Höhe hat hinreichend abschreckende Wirkung.

(1) Der Betrag von 1.000,00 Euro ist fühlbar und hat nicht nur symbolischen Charakter (vgl. zur nicht ausreichenden Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG bei einer nur symbolischen Sanktion EuGH 15. April 2021 - C-30/19 - [Braathens Regional Aviation] Rn. 39; 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociaţia Accept] Rn. 64). Bloß symbolisch wäre es etwa, die Entschädigung einer Person, die Opfer einer Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung wurde, auf die Erstattung ihrer Bewerbungskosten zu beschränken (EuGH 10. April 1984 - C-14/83 - [von Colson] Rn. 24). Darüber geht der hier zugesprochene Schadenersatz deutlich hinaus.

(2) Ebenfalls eine Präventionsfunktion hat eine wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschuldete Entschädigung; auch diese kann mit einem Betrag in Höhe von 1.000,00 Euro ausreichend bemessen sein, wie etwa im Falle einer datenschutzwidrigen Observation mit heimlichen Videoaufnahmen durch einen Detektiv (BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 14 und 33).

(3) Der immaterielle Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat - anders als eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (dazu BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 17 ff., BAGE 170, 340) - keinen erkennbaren Bezug zur Höhe eines dem Gläubiger zustehenden Arbeitsentgelts, so dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich dabei um ein relevantes Bemessungskriterium für die Höhe des Schadenersatzes handeln könnte. Selbst wenn dies anders zu sehen sein sollte, entspräche der hier festgesetzte Betrag mehr als dem zweifachen der zwischen den Parteien vereinbarten monatlichen Vergütung. Für eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, die ebenfalls eine Abschreckungsfunktion erfüllen muss, ist bereits ein Betrag in Höhe des 1,5-fachen des auf einer Stelle erzielbaren Entgelts als ausreichend anzusehen, um die notwendige abschreckende Wirkung zu erzielen (BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 39, aaO).

(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin musste das Landesarbeitsgericht dem Umstand, dass die Beklagte anwaltlich vertreten war, auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention keine den Schadenersatzanspruch erhöhende Bedeutung beimessen. Die Abschreckungsfunktion kann sich nur auf die Vermeidung künftiger Verstöße gegen die DSGVO beziehen, nicht aber darauf, ob sich eine Partei bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach der DSGVO anwaltlich hat vertreten lassen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist weder allgemein noch nach der DSGVO verpönt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: 500 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO kann gerechtfertigt sein

OLG Köln
Urteil vom 14.07.2022
15 U 137/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass 500 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen verspäteter Auskunft nach Art. 15 DSGVO gerechtfertigt sein kann.