OLG Frankfurt: Schadensersatzanspruch gegen Bank oder Sparkasse wegen unrichtiger Geldwäscheverdachtsmeldung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 15.4.2024 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 29.5.2024
3 U 192/23
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch gegen eine Bank oder Sparkasse wegen einer unrichtigen Geldwäscheverdachtsmeldung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit besteht.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Haftung - Kein Schadensersatz wegen unrichtiger Geldwäscheverdachtsmeldung
Eine Bank haftet nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger unwahrer Erstattung einer Geldwäscheverdachtsmeldung.
Sowohl die Meldepflicht als auch die Haftungsfreistellung sind dabei nach dem GwG grundsätzlich weit auszulegen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichter Entscheidung Schadensersatzansprüche wegen einer unrichtigen Geldwäscheverdachtsmeldung (hier: Verdacht des Insiderhandels im Zusammenhang mit Wirecard-Aktien) zurückgewiesen.
Der Kläger war bis 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der Wirecard AG. Die beklagte deutsche Großbank hatte dem Kläger im Juni 2020 telefonisch geraten, Aktien der Wirecard AG aus dem Depot seiner Ehefrau zu verkaufen, da sie die Aktien neu bewertet habe. Der Kläger platzierte daraufhin - in Vollmacht seiner Frau - eine Verkaufsorder für eine im unteren sechsstelligen Bereich liegende Anzahl an Aktien der Wirecard AG. Zwei Tage später veröffentlichte die Wirecard AG eine ad-hoc-Meldung über die Stellung eines Insolvenzantrags. Nachfolgend brach der Aktienkurs nochmals signifikant ein. Die Beklagte erstattete einen Monat später eine Geldwäscheverdachtsmeldung gegen den Kläger und seine Frau. Ein gegen das Ehepaar eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, nachdem die BaFin keine überwiegenden Anhaltspunkte für die Verwertung von Insiderinformationen bei der gemeldeten Transaktion festgestellt hatte.
Der Kläger nimmt die Beklagte nunmehr auf Schadensersatz wegen einer unrichtigen Verdachtsmeldung in Anspruch. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zur Begründung wies der zuständige 3. Zivilsenat darauf hin, es könne offenbleiben, ob die Beklagte durch die Erstattung der Geldwäscheverdachtsmeldung und insbesondere die unterlassene Erwähnung der zuvor von ihr erfolgten Verkaufsempfehlung ihre vertraglichen Pflichten verletzt habe. Jedenfalls komme ihr der gesetzliche Haftungsausschluss nach § 48 Abs. 1 GwG zu gute. Gem. § 48 Abs. 1 GwG darf derjenige, der einen Sachverhalt meldet, deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
Hier sei die Beklagte zur Abgabe der Meldung berechtigt gewesen. Die Meldung habe insbesondere an Tatsachen angeknüpft, die eine Meldepflicht auslösen. Der meldepflichtige Verdacht habe sich auf die Straftat des Insiderhandels und damit eine taugliche Vortat der Geldwäsche bezogen. Ausreichend sei dabei ein niedriger Verdachtsgrad. „Die Meldepflicht nach § 43 GwG und die Haftungsfreistellung nach § 48 Abs. 1 GwG sind grundsätzlich weit auszulegen, da die Beurteilung, wann Umstände so ungewöhnlich oder auffällig sind, nicht klar zu bestimmen sind“, führte das OLG vertiefend aus. Der geringe Verdachtsgrad sei hier objektiv erreicht gewesen. Der Verkauf einer großen Stückzahl von Aktien sei mit dem öffentlichen Bekanntwerden der dortigen Unregelmäßigkeiten und letztlich der Insolvenzantragstellung zeitlich eng zusammengetroffen, auch wenn dies dem Kläger nicht anzulasten sei. Vor dem Hintergrund der Verbindungen des Klägers zu dem Unternehmen habe damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Verwertung von Insiderkenntnissen gesprochen.
Die Meldung sei auch nicht unwahr gewesen, da die ihr zu Grunde liegenden Tatsachen der Wirklichkeit entsprachen. Dass die Beklagte ihre eigene Empfehlung zum Verkauf nicht in der Meldung erwähnt habe, mache diese nicht unwahr oder entstelle sie in einer maßgeblichen Weise. Im Übrigen hätte diese Mitteilung die weiteren den Verdacht stützenden Tatsachen nicht ausgeräumt.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 15.4.2024 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 29.5.2024, Az. 3 U 192/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.10.2023, Az.: 2-12 O 181/23)
Erläuterungen:
§ 48 GwG Freistellung von der Verantwortlichkeit
(1) Wer Sachverhalte nach § 43 meldet oder eine Strafanzeige nach § 158 der Strafprozessordnung erstattet, darf deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
(2) ....
§ 43 GwG Meldepflicht von Verpflichteten, Verordnungsermächtigung
(1) 1Liegen Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte, ein Geschäftsvorfall, eine Transaktion oder ein Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung steht oder der Vertragspartner seine Pflicht nach § 11 Absatz 6 Satz 3, gegenüber dem Verpflichteten offenzulegen, ob er die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründen, fortsetzen oder durchführen will, nicht erfüllt hat, so hat der Verpflichtete diesen Sachverhalt unabhängig vom Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes oder der Transaktionshöhe unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu melden. 2Gibt der Verpflichtete zusätzlich zu der Meldung eines nach Satz 1 meldepflichtigen Sachverhalts auch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag ab, so teilt er dies der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen mit Abgabe der Meldung mit.
Hinweisbeschluss vom 15.4.2024 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 29.5.2024
3 U 192/23
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch gegen eine Bank oder Sparkasse wegen einer unrichtigen Geldwäscheverdachtsmeldung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit besteht.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Haftung - Kein Schadensersatz wegen unrichtiger Geldwäscheverdachtsmeldung
Eine Bank haftet nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger unwahrer Erstattung einer Geldwäscheverdachtsmeldung.
Sowohl die Meldepflicht als auch die Haftungsfreistellung sind dabei nach dem GwG grundsätzlich weit auszulegen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichter Entscheidung Schadensersatzansprüche wegen einer unrichtigen Geldwäscheverdachtsmeldung (hier: Verdacht des Insiderhandels im Zusammenhang mit Wirecard-Aktien) zurückgewiesen.
Der Kläger war bis 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der Wirecard AG. Die beklagte deutsche Großbank hatte dem Kläger im Juni 2020 telefonisch geraten, Aktien der Wirecard AG aus dem Depot seiner Ehefrau zu verkaufen, da sie die Aktien neu bewertet habe. Der Kläger platzierte daraufhin - in Vollmacht seiner Frau - eine Verkaufsorder für eine im unteren sechsstelligen Bereich liegende Anzahl an Aktien der Wirecard AG. Zwei Tage später veröffentlichte die Wirecard AG eine ad-hoc-Meldung über die Stellung eines Insolvenzantrags. Nachfolgend brach der Aktienkurs nochmals signifikant ein. Die Beklagte erstattete einen Monat später eine Geldwäscheverdachtsmeldung gegen den Kläger und seine Frau. Ein gegen das Ehepaar eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, nachdem die BaFin keine überwiegenden Anhaltspunkte für die Verwertung von Insiderinformationen bei der gemeldeten Transaktion festgestellt hatte.
Der Kläger nimmt die Beklagte nunmehr auf Schadensersatz wegen einer unrichtigen Verdachtsmeldung in Anspruch. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zur Begründung wies der zuständige 3. Zivilsenat darauf hin, es könne offenbleiben, ob die Beklagte durch die Erstattung der Geldwäscheverdachtsmeldung und insbesondere die unterlassene Erwähnung der zuvor von ihr erfolgten Verkaufsempfehlung ihre vertraglichen Pflichten verletzt habe. Jedenfalls komme ihr der gesetzliche Haftungsausschluss nach § 48 Abs. 1 GwG zu gute. Gem. § 48 Abs. 1 GwG darf derjenige, der einen Sachverhalt meldet, deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
Hier sei die Beklagte zur Abgabe der Meldung berechtigt gewesen. Die Meldung habe insbesondere an Tatsachen angeknüpft, die eine Meldepflicht auslösen. Der meldepflichtige Verdacht habe sich auf die Straftat des Insiderhandels und damit eine taugliche Vortat der Geldwäsche bezogen. Ausreichend sei dabei ein niedriger Verdachtsgrad. „Die Meldepflicht nach § 43 GwG und die Haftungsfreistellung nach § 48 Abs. 1 GwG sind grundsätzlich weit auszulegen, da die Beurteilung, wann Umstände so ungewöhnlich oder auffällig sind, nicht klar zu bestimmen sind“, führte das OLG vertiefend aus. Der geringe Verdachtsgrad sei hier objektiv erreicht gewesen. Der Verkauf einer großen Stückzahl von Aktien sei mit dem öffentlichen Bekanntwerden der dortigen Unregelmäßigkeiten und letztlich der Insolvenzantragstellung zeitlich eng zusammengetroffen, auch wenn dies dem Kläger nicht anzulasten sei. Vor dem Hintergrund der Verbindungen des Klägers zu dem Unternehmen habe damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Verwertung von Insiderkenntnissen gesprochen.
Die Meldung sei auch nicht unwahr gewesen, da die ihr zu Grunde liegenden Tatsachen der Wirklichkeit entsprachen. Dass die Beklagte ihre eigene Empfehlung zum Verkauf nicht in der Meldung erwähnt habe, mache diese nicht unwahr oder entstelle sie in einer maßgeblichen Weise. Im Übrigen hätte diese Mitteilung die weiteren den Verdacht stützenden Tatsachen nicht ausgeräumt.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 15.4.2024 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 29.5.2024, Az. 3 U 192/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.10.2023, Az.: 2-12 O 181/23)
Erläuterungen:
§ 48 GwG Freistellung von der Verantwortlichkeit
(1) Wer Sachverhalte nach § 43 meldet oder eine Strafanzeige nach § 158 der Strafprozessordnung erstattet, darf deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
(2) ....
§ 43 GwG Meldepflicht von Verpflichteten, Verordnungsermächtigung
(1) 1Liegen Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte, ein Geschäftsvorfall, eine Transaktion oder ein Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung steht oder der Vertragspartner seine Pflicht nach § 11 Absatz 6 Satz 3, gegenüber dem Verpflichteten offenzulegen, ob er die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründen, fortsetzen oder durchführen will, nicht erfüllt hat, so hat der Verpflichtete diesen Sachverhalt unabhängig vom Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes oder der Transaktionshöhe unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu melden. 2Gibt der Verpflichtete zusätzlich zu der Meldung eines nach Satz 1 meldepflichtigen Sachverhalts auch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag ab, so teilt er dies der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen mit Abgabe der Meldung mit.