Das OLG Naumburg hat entschieden, dass Online-Coaching nur dann einer FernUSG-Erlaubnis bedarf,wenn eine Lernerfolgskontrolle erfolgt.
Aus den Entscheidungsgründen: Entscheidend kommt es auf die Frage an, ob der Dienstvertrag über das Coaching-Programm dem FernUSG unterfällt. Unstreitig ist das Steuer-Coaching-Programm der Klägerin nicht als Fernlehrgang nach § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG zugelassen, was zur Nichtigkeit nach § 7 Abs. 1 FernUSG führt, sofern es sich um Fernunterricht handelt. Dies ist indessen nicht der Fall.
Fernunterricht i. S. d. FernUSG setzt nach § 1 Abs. 1 die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten voraus, wobei Lehrender und Lernender ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen. Der Vertrag der Parteien erfüllt die Merkmale der Entgeltlichkeit, der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie der räumlichen Trennung.
Neben der Vermittlung von Kenntnissen enthält der Vertrag zwar auch beratende Elemente (vgl. S. 4 der Anlage B 1, Bl. 21 d. A. diverse Beratungs- und Analysegutscheine). Die einleitenden Versprechen (vgl. S. 2 der Anlage B 1, Bl. 19 d. A.) stellen jedoch das Erwerben von Wissen auf steuerlichem Gebiet in den Mittelpunkt. Die Bezeichnung als Coaching, also als interaktive und personenbezogene Form der Prozessberatung (Schwab/Sablotny, NJW 2024, 2802), steht dem nicht entgegen. Am Merkmal der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten scheitert die Anwendbarkeit des FernUSG nicht (anders z. B. AG Traunstein MMR 2024, 815; anders auch OLG München, Beschluss vom 16. Mai 2024, 3 U 984/24 zu einem Vertrag mit Schwerpunkt 1:1-Coaching ohne Überwachung der Lernerfolgs).
Teilweise wird das Merkmal der räumlichen Trennung einschränkend ausgelegt mit der Begründung, es trage dem Umstand Rechnung, dass der Lernende zusätzliche Anstrengungen unternehmen müsse, um mit dem Lehrenden Kontakt aufzunehmen. Es liege daher nicht vor bei Videokonferenzen oder anderer synchronen Kommunikation, die jederzeit einen Kontakt wie in Präsenz ermöglichten (Vennemann, NK-FernUSG, 2. Auflage, § 1, Rn. 10; LG Mönchengladbach, Urteil vom 13, März 2024, 2 O 217/21, zitiert bei Lach, jurisPR-ITR 18/2024 Anm. 4 m. w. N.). Nach anderer Ansicht widerspricht eine solche einschränkende Auslegung dem Wortlaut und sei auch aufgrund der mit dem Gesetz beabsichtigten umfassenden Ordnung des Fernunterrichtsmarktes zum Schutz der Teilnehmerinteressen nicht geboten (OLG Stuttgart, Urteil vom 29. August 2024, 13 U 176/23, Rn. 31). Sofern der Unterricht teilweise räumlich getrennt und teilweise synchron stattfindet, kommt es bei der Beurteilung der überwiegenden räumlichen Trennung nicht auf die Lerngeschwindigkeit des Einzelnen an, sondern auf den Umfang des Stoffes und den Schwerpunkt des Vertrages (vgl. Vennemann a. a. O., Lach a. a. O.; Schwab/Sablotny a. a. O.). Der Vertrag der Parteien enthält mit den acht Online- Modulen, der Orientierungstabelle, dem Plakat und den Kompendien (vgl. Überblick Anlage B 1, Bl. 18 d. A.) zunächst Elemente der Wissensvermittlung in räumlicher Trennung. Daneben ist ein Netzwerk- und Spezialistentag zu Beginn in F. und ein ein- oder zweitägiges Schlussevent vorgesehen, die ohne räumliche Trennung stattfinden. Bei dem ebenfalls vereinbarten 14tägigen Live-Webinar handelt es sich dem OLG Stuttgart folgend um eine Veranstaltung mit räumlicher Trennung oder nach anderer Ansicht um Synchronunterricht. Abschließender Entscheidung bedarf es hierzu nicht, denn ganz überwiegend erarbeiten sich die Teilnehmer die Kenntnisse anhand der zur Verfügung gestellten Materialien selbst und räumlich getrennt von den Lehrenden. Auch das Merkmal der räumlichen Trennung liegt danach vor.
Kritisch und hier im Ergebnis zu verneinen ist das Merkmal der Lernerfolgskontrolle. Dieses ist im FernUSG selbst nicht definiert. Der BGH nahm in dem auch vom Landgericht zugrunde gelegten Urteil vom 15. Oktober 2009 (NJW 2010, 608, 609) ausgehend von der Entstehungsgeschichte des FernUSG eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals vor. Neben schriftlichen Korrekturen kämen auch begleitende Unterrichtsveranstaltungen oder andere Mittel zur Überwachung des Lernerfolgs in Betracht, etwa eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts durch Frage und Antwort (BGH a. a. O. Rn. 19). Es genüge, dass der Lernende berechtigt sei, eine Überwachung des Lernerfolgs einzufordern (BGH a. a. O. Rn. 20). Hiervon ist das Landgericht richtig ausgegangen. Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang, dass in dem vom BGH entschiedenen Fall der Kurs als „Studium“ und „Lehrgang“ bezeichnet wurde, mit Begriffen also, die schon für sich mit Lernkontrollen verbunden sind (BGH a. a. O. Rn. 24). Die Teilnehmer waren als Absolventen bezeichnet, was ebenfalls mehr als Teilnahme und damit eine Lernkontrolle nahelegt (BGH a. a. O. Rn. 25). Im Vertrag der hiesigen Parteien geht es um Wissensvermittlung und Beratungsleistungen. Zwar wird den Teilnehmern nach Abschluss ein Zertifikat ausgestellt, das sie als Absolventen des Next Level Steuercoachings ausweist. Anders als im vom BGH entschiedenen Fall werden Begriffe wie „Studium“ und „Lehrgang“ jedoch nicht verwendet. Die Freischaltung der acht Module erfolgt im 14tägigen Rhythmus. Die Freischaltung des nächsten Moduls ist also nicht abhängig davon, dass der Teilnehmer die Inhalte des aktuellen Moduls zur Kenntnis genommen bzw. aufgenommen hat. Die Überwachung eines konkreten Lernerfolges schuldete die Klägerin nach dem Vertrag nicht. Vielmehr räumte sie dem Teilnehmer die Möglichkeit ein, individuelle Fragen zu den Inhalten des Steuercoachings zu stellen, was keine Lernerfolgskontrolle darstellt (vgl. auch OLG Schleswig-Holstein Urteil vom 5. Juli 2024, 19 U 65/24, Rn. 47; OLG Hamburg Urteil vom 20. Februar 2024, 10 U 44/23, Rn. 28; OLG München GRUR-RS 2024, 19897, Rn. 17). Soweit das OLG Celle (Urteil vom 1. März 2023, MMR 2023, 864) die dem Teilnehmer eingeräumte Möglichkeit, Fragen zu stellen, zur Lernerfolgskontrolle für ausreichend erachtet hat, überzeugt dies ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 FernUSG, in dem es um eine Überwachung des Lernerfolgs geht, nicht. Bei der Würdigung des vertraglich Vereinbarten handelt es sich indessen um eine dem Tatrichter überlassene Einzelfallentscheidung.
Liegt kein Fernunterricht i. S. d. § 1 Abs. 1 FernUSG vor, ist ein Widerrufsrecht nach § 4 S. 1 FernUSG ausgeschlossen. Die Frage, ob das Gesetz nur Verbraucher schützt oder auch von Unternehmen geschlossene Verträge betrifft (hierzu Laukemann/Förster, WRP 2024, 24), muss nicht entschieden werden.
Der Geschäftsführer der Beklagten hat nicht als Verbraucher gehandelt, so dass ein Widerrufsrecht gemäß § 356 BGB ebenfalls ausscheidet.
Die Klägerin kann für die Entgeltforderung gegenüber der Beklagten Prozesszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen, §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
Freistellung von den Kosten für die Inanspruchnahme des Inkassounternehmens schuldet die Beklagte hingegen nicht, denn die Klägerin trägt selbst vor, dass die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung nicht zahlte. Zweckentsprechend wäre daher die gerichtliche Geltendmachung gewesen.
Das LG München hat entschieden, dass der streitgegenständliche Vertrag über Online-Coaching zum Thema Kryptowährungen mangels FernUSG-Zulassung nichtig ist und einen Anspruch der Kursteilnehmerin auf Rückzahlung der Kursgebühren bejaht.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Online-Coaching zu Kryptowährung
Die 44. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute die Betreiberin einer Plattform für Online-Coaching zur Rückzahlung von 1.500 EUR an eine Kundin verurteilt. Zudem hat das Landgericht München I festgestellt, dass der zwischen Kundin und Anbieterin geschlossene Vertrag nichtig ist (44 O 16944/23). Der beklagten Plattformbetreiberin fehle schon die erforderliche Zulassung für das Anbieten von Fernunterricht.
Die Kundin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitigen Vertrages erwerbslos. Sie trug vor, sie sei durch Werbung in sozialen Medien und den mit ihr online verhandelnden Coach, der ihr gegenüber als Finanzexperte auftrat, überrumpelt worden. Mit der Klage verfolgte sie daher das Ziel, sich von diesem Vertrag wieder zu lösen.
Die Plattformbetreiberin war dagegen der Auffassung, der im Streit stehende Vertrag sei wirksam. Insbesondere sei das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) und die dort geregelten Schutzmechanismen nicht auf den Vertrag anwendbar. Denn die Klägerin habe den Vertrag als Existenzgründerin geschlossen und sei daher wie eine Unternehmerin zu behandeln. Außerdem habe sie im Rahmen des Bestellvorgangs aktiv auf ihr Widerrufsrecht verzichtet.
Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat die Klage weitgehend zugesprochen.
Die klagende Kundin sei von der Beklagten beim Bestellprozess wahrscheinlich schon nicht ausreichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Selbst wenn sie beim Vertragsschluss als Existenzgründerin gehandelt habe, sei der Vertrag jedoch bereits nichtig, da das FernUSG zu ihrem Schutz in diesem Fall auf sie anwendbar sei. Die Beklagte habe der Klägerin Fernunterricht angeboten, ohne über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen.
Gerade der Schutzzweck des Gesetzes spreche dafür, das Gesetz auch auf Personengruppen anzuwenden, die nicht Verbraucher seien. Geschützt werden sollten nämlich allgemein vor Anbietern, die nicht durch eine staatliche Stelle geprüft wurden und deren Qualität der Bildungswillige schon angesichts der räumlichen Distanz schlechter prüfen kann als bei einer Bildungsmaßnahme in Präsenz.
Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erwerbslos und in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation gewesen. Selbst wenn unterstellt werde, dass sie sich mit der angebotenen Bildungsmaßnahme eine Existenz im Bereich E-Commerce habe aufbauen wollen, sei ihre Schutzbedürftigkeit nicht wesentlich geringer gewesen als die eines Verbrauchers im Sinne des § 13 BGB.
Damit hat die Klage der Kundin ganz überwiegend Erfolg. Lediglich hinsichtlich eines von der Klägerin geforderten immateriellen Schadenersatzes für den behaupteten Kontrollverlust über ihre Daten im Rahmen des Bestellvorgangs hat das Gericht die Klage abgewiesen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Zum Hintergrund:
Das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) regelt in Deutschland Rechte und Pflichten der Anbieter und Teilnehmer beim Fernunterricht. Das Gesetz bestimmt unter anderem, dass Fernlehrgänge einer staatlichen Zulassung bedürfen, und definiert umfassende Informations- und Vertragspflichten für zulassungspflichtige Fernlehrgänge.
(1) Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist nichtig.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das FernUSG nicht für Online-Coaching im Wege der Videokonferenz oder anderer synchroner Kommunikation gilt.
Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth bedarf der Abänderung, weil der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung in Höhe von 21.420,00 € gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., § 818 Abs. 2 BGB zusteht.
1. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., § 818 Abs. 2 BGB besteht nicht, weil der streitgegenständliche Coachingvertrag nicht gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig ist.
Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen, sie hat grundsätzlich auch das Fehlen eines rechtlichen Grundes zu beweisen (Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Auflage 2024, § 812 Rn. 76).
a) Das FernUSG ist nur auf Verbraucher und nicht auch auf Unternehmer anwendbar.
aa) Für die Anwendung des FernUSG nur auf Verbraucherverträge spricht die Begründung des Gesetzes. Danach soll das FernUSG den Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sichern und sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher wie z.B. das Abzahlungsgesetz und die Regelungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, des Rechts der Reiseveranstalter oder der Immobilienmakler einreihen (BT-Drs. 7/4245, S. 13 und 32; vgl. auch Hinweis des Kammergerichts Berlin vom 22.06.2023 – 10 U 74/23, Bl. 51 f. d. OLG-Akte). Außerdem wird im Zusammenhang mit der Kompetenz des Bundes zur Regelung einer Zulassungspflicht für Fernlehrgänge und der Versagungsgründe aus Art. 74 Nr. 11 GG betont, dass zum Recht der Wirtschaft auch z.B. Vorschriften, die eine wirtschaftliche Betätigung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes regeln, gehören und das FernUSG als Verbraucherschutzregelung zu charakterisieren ist (BT-Drs. 7/4245, S. 34).
bb) Der Umstand, dass das FernUSG den Begriff des Verbrauchers – abgesehen von § 3 Abs. 3 FernUSG – nicht verwendet, und – anders als z.B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. – keine gesonderte Vorschrift enthält, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22, juris Rn. 48), führt nicht dazu, dass von der Anwendbarkeit des FernUSG auch auf Unternehmer auszugehen ist. Denn im Jahr der Verabschiedung des FernUSG am 24.08.1976 gab es keine Legaldefinition für Verbraucher. So wurde § 13 BGB in der Fassung vom 27.06.2000 durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.06.2000 eingefügt.
Schließlich regelt § 3 FernUSG Form und Inhalt des Fernunterrichtsvertrages und bestimmt in § 3 Abs. 2 FernUSG, dass die dem Verbraucherschutz dienenden Informationspflichten des Unternehmers nach § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB (vgl. MüKoBGB/Wendehorst, 9. Auflage 2022, § 312d Rn. 1, m.w.N.) gelten. Dies ist ebenso ein Indiz dafür, dass das FernUSG nicht auch auf Unternehmer anwendbar ist.
b) Darüber hinaus handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Coachingvertrag nicht um einen Vertrag i.S.d. § 1 FernUSG.
Nach § 1 Abs. 1 FernUSG liegt ein Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes vor, wenn ein Vertrag zugrunde liegt, der die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand hat, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
aa) Es könnte zwar bereits zweifelhaft sein, ob es sich bei einem „Coaching-Vertrag“ um einen Vertrag handelt, aufgrund dessen bestimmte Kenntnisse vermittelt werden sollten (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 20.02.2024 – 10 U 44/23, juris Rn. 22 ff.). Doch vorliegend war Vertragsinhalt unstreitig die Wissensvermittlung zum Thema Funnelaufbau (Prozess des Gewinnens von Interessenten zu wertvollen Kunden), so dass diese Voraussetzung des § 1 Abs. 1 FernUSG gegeben ist.
bb) Die Klägerin kann nicht nachweisen, dass der Kontakt zwischen ihr und der Beklagten ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend räumlich getrennt erfolgt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG).
(1) Für die räumliche Trennung ist maßgeblich, ob Lernende zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen, um mit dem Lehrenden Kontakt aufzunehmen. Bei einer Videokonferenz oder anderen synchronen Kommunikation ist jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, so dass eine räumliche Trennung i.S.d. Gesetzes nicht gegeben ist, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhalten. Dies ist für die Frage, ob netzgestützte Lernangebote unter das FernUSG fallen, von Bedeutung (zum Ganzen: NomosKommentar/Vennemann FernUSG, 2. Auflage 2014, § 1 Rn. 10).
(2) Nach der richtigen Erläuterung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht kann von einer ausschließlichen oder überwiegend räumlichen Distanz in folgenden Fällen ausgegangen werden (vgl. https://zfu.de/veranstaltende/fernunterricht):
- Die Lehrenden und die Lernenden sind ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt, wenn mehr als die Hälfte (> 50%) der Kenntnisse und Fähigkeiten mithilfe von Medien (z.B. Lehrbriefe etc.) vermittelt wird und bei deren Bearbeitung ein asynchroner Informationsaustausch vorliegt.
- Bei einem „virtuellen Klassenraum“ oder anderer synchroner Kommunikation (z.B. Live-Chat) ist jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, so dass eine „räumliche Trennung“ i. S. des Gesetzes nicht gegeben ist, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhalten.
- Bei asynchronem Austausch (z. B. Weblog, Forum, Wiki als Lernhilfe etc.) ist die Voraussetzung der „räumlichen Trennung“ i. S. d. FernUSG gegeben. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, das Forum mit Fragen zu bestücken und Kommentare abzugeben. Die Möglichkeit, einer simultanen Antwort besteht jedoch nicht.
(3) Die Klägerin bleibt beweisfällig hinsichtlich der Voraussetzung der überwiegenden räumlichen Distanz.
Die beweisbelastete Klägerin hat für ihre pauschale Behauptung, dass der überwiegende Anteil in Form asynchroner Schulungsvideos über eine der Klägerin zur Verfügung gestellte Lernplattform stattgefunden habe, kein Beweismittel angeboten.
Die Beklagte dagegen hat substantiiert vorgetragen, dass sich allein in den ersten drei Monaten der Vertragslaufzeit 60 Stunden Videos und 114 Stunden Phasen synchroner Kommunikation (präsenzäquivalente Online-Veranstaltungen) ergeben haben und damit der Anteil der Phasen synchroner Kommunikation deutlich höher als 50% sei.
cc) Die Klägerin kann auch nicht den Nachweis führen, dass sie nach dem Vertrag Anspruch auf eine Überwachung des Lernerfolgs hatte (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG).
(1) Die vom Gesetz vorgesehene Überwachung des Lernerfolgs ist hinsichtlich ihrer Voraussetzungen im Gesetz nicht näher bestimmt. Unter Berücksichtung der Entstehungsgeschichte der Norm und der Intention des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal jedoch weit auszulegen (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, juris Rn. 16; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a.a.O., Rn. 28, m.w.N.). Eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG ist bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten (BGH, a.a.O., Rn. 21). Insofern kommt es auf die vertragliche Vereinbarung an und nicht darauf, ob die Überwachung des Lernerfolgs auch tatsächlich durchgeführt wird (BGH, a.a.O., Rn. 20, m.w.N.; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – I-2 U 24/23, juris Rn. 53 ff., m.w.N.).
Maßgeblich ist demnach, ob die Klägerin nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern. Sollte der Vertragspartner der Klägerin nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen, so wird keine „Überwachung“ des Lernerfolges geschuldet. Allein die Gelegenheit der Klägerin im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen (zum Ganzen: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a.a.O., Rn. 29).
(2) Soweit die Klägerin auf die Leistungsbeschreibung der Beklagten (Anlagen K3 und K4) und darauf verweist, dass die Beklagte bzw. deren Dienstleistungsanbieter den Videokurs als „E-Learning Plattform“ bezeichne, belegt dies nicht, dass sie nach dem streitgegenständlichen Coachingvertrag das Recht gehabt hätte, eine Lernkontrolle einzufordern. Denn allein aus der Bezeichnung „E-Learning Plattform“ lässt sich nicht schließen, dass eine Überwachung des Lernerfolgs geschuldet wird. Aus den Anlagen K3 und K4 ergibt sich nicht, dass eine Kontrolle des Lernerfolgs Vertragsinhalt wurde. Soweit in Anlage K4 von „Besprechung/Kontrolle der Werbeanzeigen“ die Rede ist, handelt es sich nicht um eine Lernkontrolle.
2. Der Klägerin steht auch aufgrund der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB nicht zu.
Die Klägerin kann ihre Behauptung, sie sei arglistig über die Identität ihres Vertragspartners getäuscht worden, nicht nachweisen.
a) Die Beklagte bestreitet eine Täuschungshandlung und legt dar, dass ausweislich der Anlage B1 ein Auftreten der Beklagten als Vertragspartner nicht zu übersehen sei. Insofern ist auch eine Ursächlichkeit der Täuschung von vornherein ausgeschlossen, weil der Getäuschte Kenntnis von der wahren Sachlage hatte. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die wahre Sachlage bei Vertragsabschluss derart offensichtlich war, dass ein Irrtum ausgeschlossen erscheint (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Auflage 2021, § 123 Rn. 22, m.w.N.).
b) Im Übrigen hat die Klägerin nicht die Frist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten. Die erste Rechnung der Beklagten stammt vom 26.08.2021 (Anlage K2). Damit ist die von der Klägerin – ohne Beweisantritt – aufgestellte Behauptung, dass ihr Geschäftsführer erst im April 2023 davon Kenntnis erlangt habe, dass die Beklagte alleinige Vertragspartnerin geworden sei, bereits widerlegt.
OLG Stuttgart
Hinweisbeschluss vom 18.07.2024 6 U 34/24
Das OLG Stuttgart hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass bei einem Online-Coaching-Vertrag zur Vorbereitung der Existenzgründung ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB besteht, da der Kunde insofern noch als Verbraucher anzusehen ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Der Beklagte hat den streitgegenständlichen Vertrag jedenfalls wirksam widerrufen, die Einwendungen der Berufung gegen diese Beurteilung greifen nicht durch.
a) Nachdem die übrigen Voraussetzungen des § 312c Abs. 1 BGB unstreitig vorliegen, stand dem Beklagten ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu, falls er den Vertrag als Verbraucher geschlossen hat.
b) Das ist entgegen der Auffassung der Berufung der Fall.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt einerseits Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln vor, wenn das fragliche Geschäft nach seiner objektiven Zweckrichtung zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – III ZB 36/04 –, BGHZ 162, 253-259, Rn. 8).
Davon sind jedoch andererseits Rechtsgeschäfte abzugrenzen, die den Zweck haben, die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, vorzubereiten, indem sie dem Handelnden die erforderliche Sachkunde verschaffen, um diese Entscheidung überhaupt treffen zu können. Da die objektive Zweckrichtung des Geschäfts maßgebend ist, kommt es insoweit nicht darauf an, ob derjenige, der sich darauf beruft, Verbraucher zu sein, subjektiv bereits fest zu einer Existenzgründung entschlossen war. Vielmehr kommt es darauf an, ob das fragliche Geschäft schon Bestandteil der Existenzgründung selbst war, oder sich im Vorfeld einer solchen bewegte (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - III ZR 295/96 -, Rn. 7, juris).
bb) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte vorliegend, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, als Verbraucher gehandelt. Denn der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages diente nach seiner objektiven Zweckrichtung dazu, die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen sollte, erst vorzubereiten.
Die dagegen angebrachten Rügen der Berufung greifen nicht durch.
(1) Insoweit führt zunächst die Erwägung der Berufung nicht weiter, das Angebot der Klägerin richte sich nicht an Verbraucher.
Auf diesen Gesichtspunkt kommt es nach den genannten Grundsätzen nicht an; maßgeblich ist allein die anhand der objektiven Zweckrichtung des fraglichen Geschäfts zu klärende Frage, ob das Geschäft nach seiner objektiven Zweckrichtung schon Bestandteil der Existenzgründung selbst war, oder sich im Vorfeld bewegte.
Im Übrigen richtet sich das Angebot der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag (Ss. v. 31.1.2024, Bl. 11 d. eA. LG) an Gewerbetreibende, Unternehmer „und die, die es werden wollen“, also ausdrücklich an Personen die gegenwärtig nicht Unternehmer, sondern Verbraucher sind.
(2) Aus dem gleichen Grund für die Entscheidung ohne Relevanz sind die Ausführungen der Berufung, es solle durch die Gestaltung des Verfahrensablaufs sichergestellt werden, dass Verbraucher ausgeschlossen werden.
Ob die Interessenten beim Abschluss des Geschäfts Verbraucher im Rechtssinne sind, ergibt sich nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus der objektiven Zweckrichtung des Geschäfts. Ist das Geschäft danach als Verbrauchergeschäft zu qualifizieren, sind die Vertragspartner ggf. Verbraucher; ein „Ausschluss“ von „Verbrauchern“ ist dann nicht möglich.
(3) Im Hinblick auf die Anknüpfung an die objektive Zweckrichtung des Geschäfts nicht entscheidend ist weiter, ob der Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglicherweise - subjektiv - entschlossen war, ein entsprechendes Gewerbe zu gründen.
(4) Entgegen der Auffassung der Berufung zu Recht hat das Landgericht weiter darauf abgestellt, dass die von der Klägerin vertraglich zugesagten Leistungen jedenfalls teilweise solche sind, die dazu dienen, die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, vorzubereiten, indem sie dem Beklagten die erforderliche Sachkunde verschaffen, um diese Entscheidung überhaupt treffen zu können.
(a)Unstreitig sollen dem Kunden durch den streitgegenständlichen Kurs zunächst die Grundlagen für das Themengebiet Kurzzeitvermietung vermittelt werden. Anschließend führt die Klägerin Standortanalysen durch, verbunden mit einer Wettbewerbsanalyse, durch die der Kunde die kalkulatorischen Grundlagen erhält, auf deren Grundlage er ermitteln kann, ob sich eine Kurzzeitvermietung an dem von ihm in Aussicht genommenen Standort lohnt.
Damit werden Kunden ohne jegliche Vorkenntnisse in Fragen der Unternehmensgründung und der Kurzzeitvermietung erst durch die von der Klägerin bereitgestellten Informationen in die Lage versetzt, überhaupt beurteilen zu können, ob die Gründung einer unternehmerischen Kurzzeitvermietung ihren Vorstellungen, Möglichkeiten und Befähigung entspricht.
Damit dienen die Inhalte des streitgegenständlichen Vertrages gerade im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, die Sachkunde zu vermitteln, ohne die ein Kunde, der bislang nicht Unternehmer ist, eine fundierte Entscheidung darüber, ob er die letztlich angestrebte unternehmerische Tätigkeit - überhaupt und außerdem am angestrebten Standort - ausüben kann und will, nicht treffen kann.
(b) Das legt im Ausgangspunkt auch die Berufungsbegründung selbst zugrunde, meint jedoch, es handele sich insoweit gemessen an den von der Klägerin insgesamt erbrachten Leistungen um einen ganz untergeordneten Teil.
Das greift indes nicht durch.
Liegt, wie nach dem zu (a) Gesagten und von der Berufungsbegründung nicht in Zweifel gezogen, ein Geschäft vor, das jedenfalls in seinem ersten Teil auch den Zweck hat, die Entscheidung des bislang nicht unternehmerisch tätigen Kunden, ob es zu einer Existenzgründung kommen soll, lediglich vorzubereiten, verliert der Vertrag seinen Charakter als Verbrauchervertrag nicht dadurch, dass der Unternehmer die fraglichen Leistungen in einem einheitlichen Vertragswerk mit solchen Leistungen kombiniert, die bereits auf die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit gerichtet und demnach Geschäfte im Rahmen einer Existenzgründung sind.
Es fehlt jede dogmatische Grundlage für eine derartige Rechtsfolge, wonach ein Verbrauchervertrag diese Qualifizierung verlieren würde, wenn der Verbraucher im selben Vertrag weitere Leistungen erwirbt, die für sich genommen bereits Existenzgründungsgeschäfte sein mögen. Insbesondere liegt darin kein Fall, bei dem es i. S. d. § 13 BGB auf ein Überwiegen ankäme; denn anders als in den Fällen des § 13 BGB geht es vorliegend nicht um einen „dual-use“-Vertrag, bei dem eine Leistung verschiedenen Zwecken dient (vgl. dazu Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 13 Rn. 1), sondern um die Kombination von verschiedenen Leistungen, die nur teils als Verbraucher in Anspruch genommen werden.
Vielmehr liegt ein Fall des § 139 BGB vor: Mit den nach oben (a) unterscheidbaren Teilleistungen liegt ein von den Parteien als einheitliches gewolltes Rechtsgeschäft vor und die Vorschrift ist auch in Fällen anzuwenden, in denen nicht die Nichtigkeit, sondern die Widerruflichkeit eines Teils des einheitlichen Geschäfts in Rede steht (Grüneberg/Ellenberger, a. a. O., 139 Rn. 2; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl., BGB § 139 Rn. 8). In der Folge ist das streitgegenständliche Geschäft nach Widerruf insgesamt unwirksam: Entweder, weil sich das vorliegende Rechtsgeschäft nicht - wie jedoch erforderlich (vgl. MüKoBGB/Busche, 9. Aufl., BGB § 139 Rn. 24; BGH NJW 2019, 2016 Rn. 25) - sinnvoll in der Weise teilen lässt, dass ein selbständig der Geltung fähiger Teil verbleibt und dann die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit führt. Oder, nimmt man an, der streitgegenständliche Vertrag lasse sich in selbständig bestandsfähige Teile zerlegen, weil die Parteien den Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen, auf den dann unter Berücksichtigung von Treu und Glauben abzustellen ist (BGH NJW-RR 1997, 684; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl., BGB § 139 Rn. 29) insgesamt nicht geschlossen hätten, hätten sie bedacht, dass der auf die Vermittlung der für die Entscheidung über die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit gerichtete Teil des Rechtsgeschäfts unwirksam sein und die weiteren Teile daher für einen der Vertragspartner gänzlich nutzlos könnte.
(c) Wollte man das anders beurteilen, dürfte die Kombination der verschiedenen Anteile im streitgegenständlichen Vertrag im Übrigen einen Fall der gemäß § 361 Abs. 2 Satz 2 BGB unzulässigen Umgehung darstellen.
Ob eine Umgehung im Sinne dieser Norm vorliegt, ist auf Grund einer vom Gesetzeszweck ausgehenden wirtschaftlichen Betrachtung zu entscheiden. Die Umgehung muss nur objektiv vorliegen, eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich (Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 361 Rn. 2; OLG Nürnberg, NJW 2023, 130).
Das zugrundegelegt würde es eine Umgehung des für Fernabsatzverträge zwingend vorgesehenen Widerrufsrechts des Verbrauchers darstellen, würde ein Unternehmer dadurch, dass er einen Verbrauchervertrag mit einem - ggf. für den Verbraucher wirtschaftlich gänzlich wertlosen - Unternehmervertrag kombiniert, das Widerrufsrecht des Verbrauchers beseitigen.
cc) Damit hat das Landgericht auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliche Gehör verletzt.
(1) Das obige Ergebnis folgt vielmehr bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt, so dass es der Erhebung der angebotenen Beweise nicht bedurfte.
(2) Auch entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin hat das Landgericht nicht übergangen.
Soweit die Berufung das mit der Begründung meint, das Landgericht habe sich rechtlich fehlerhaft auf den Standpunkt gestellt, dass bereits die Qualifikation eines Teils des gesamten Kursprogramms genüge, die Buchung des gesamten Kurses als Verbraucherhandeln zu qualifizieren, ergibt sich vielmehr aus dem oben bb) (4) Gesagten, dass dieser rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts zutreffend ist.
dd) Darauf, ob der streitgegenständliche Vertrag überhaupt wirksam zustandegekommen ist und darauf, ob der Vertrag (auch) gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig sein könnte (dafür für einen Online-Coachingvertrag OLG Celle, Urteil vom 1. März 2023 – 3 U 85/22 –, juris) kommt es damit nicht an.
Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung aus § 812 Abs. 1 BGB besteht, wenn ein Online-Coaching-Vertrag wegen fehlender Zulassung nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht eine Zulassungspflicht und damit die Nichtigkeit des Vertrages bejaht.
Aus den Entscheidungdgründen: Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag nichtig, sodass die Beklagte die geleistete Zahlung in Höhe von 23.800,00 € rechtsgrundlos erlangt hat und der Kläger diese aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen kann. Die Nichtigkeit folgt aus § 7 Abs. 1 FernUSG i.V.m. § 12 Abs. 1 FernUSG.
a) Der Kläger macht zu Recht geltend, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FernUSG vorliegen.
aa) Die Parteien haben eine entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vereinbart. Dies folgt bereits aus der Seite 7 der beklagtenseits als Anlage B7 vorgelegten Programmbeschreibung, in der es u.a. heißt, dass die Teilnehmer bis zum Ende des Programms Wissen aus den dort dann nachfolgend aufgeführten Bereichen abrufen und aneignen können werden. Auch auf den Seiten 1 und 5 der Programmbeschreibung wird der Aufbau bzw. die Vermittlung von Wissen bzw. „Know-How“ als ein wesentlicher Teil und Ziel des Programms hervorgehoben.
bb) Es ist auch das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung gegeben.
(1) Diese Voraussetzung ist schon deshalb erfüllt, weil nach der Programmbeschreibung zweiwöchig online-meetings stattfinden und Präsenzveranstaltungen eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Außerdem werden den Teilnehmern Lehrvideos mit Lektionen zum Durcharbeiten zur Verfügung gestellt (vgl. Anl. B2 sowie die Einlassung des Gesellschafters und früheren Geschäftsführers der Beklagten F. A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.07.2024, Sitzungsprotokoll S. 2). Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Faix, MMR 2023, 821, 824, Vennemann, FernUSG, 2. Aufl., § 1 Rn. 10) ist auch bei einem Online-Unterricht eine räumliche Trennung gegeben. Hierfür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung. Eine einschränkende Auslegung des Wortsinns nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht angezeigt. Zwar gab es zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 1976 noch keine Videokonferenzen. Der Gesetzgeber hat aber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 7/4245, S. 14) die Möglichkeit gesehen, dass der Unterricht in einen anderen Raum übertragen werden kann und hat auch diesen Sachverhalt unter den Begriff der räumlichen Trennung gefasst. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass alle Unterrichtsformen, die nicht in Präsenz stattfinden, unter das Fernunterrichtsschutzgesetz fallen sollen. Auch der Umstand, dass bei Videokonferenzen eine synchrone Kommunikation wie bei Präsenzveranstaltungen möglich ist, kann eine einschränkende Auslegung des insoweit klaren Wortlauts nicht begründen. Ziel des Gesetzes ist eine umfassende Ordnung des Fernunterrichtsmarktes zum Schutz der Teilnehmerinteressen, nachdem Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität auf dem Markt waren (BT-Drs. 7/4245, S. 12). Dieser Schutzzweck führt dazu, dass die Tatbestandsmerkmale weit und nicht restriktiv auszulegen sind (BGH v. 15.10.2009 - III ZR 310/08 - juris Rn. 16 ff.). Ausgehend hiervon gibt es für eine einschränkende Auslegung bei Videokonferenzen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als das Bedürfnis, die Teilnehmer vor unseriösen Anbietern zu schützen, bei Videokonferenzen deutlich größer als bei Präsenzveranstaltungen ist, nachdem für Präsenzveranstaltungen Investitionen in die Räume erforderlich sind, was unseriöse Anbieter abschrecken kann. Hinzukommt, dass bei Präsenzveranstaltungen eine stärkere soziale Kontrolle stattfindet, da im Falle einer geringen Qualität des Unterrichts die Lehrenden unmittelbar mit dem Unmut der Teilnehmer konfrontiert werden und die Teilnehmer sich - unter anderem hierüber - auch unmittelbar austauschen können.
(2) Auf die Frage, ob das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung jedenfalls dann erfüllt ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Online-Seminare aufgezeichnet und von den Teilnehmern nachträglich abgerufen werden können (vgl. hierzu OLG Celle v. 29.05.2024 - 13 U 8/24 - juris Rn. 9; OLG Köln v. 06.12.2013 - 2 U 24/23 - juris Rn. 50), kommt es daher nicht mehr an.
cc) Entgegen der Auffassung des Landgerichts findet im vorliegenden Fall auch eine Überwachung des Lernerfolgs statt.
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung ein weites Verständnis des Merkmals zu Grunde zu legen (BGH v. 15.10.2009 – III ZR 310/08 - juris Rn. 20 ff.). Danach ist eine Überwachung des Lernerfolgs nach §1 Abs.1 Nr.2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Ausreichend ist insoweit, wenn der Lernende in den Informationsveranstaltungen eine individuelle Anleitung erhält und Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten stellen kann, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und "sitzt".
(2) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sieht bereits die Programmbeschreibung (Anlage B7) auf Seite 6 ausdrücklich vor, als es darin heißt, dass Fragen in den Meetings und per Mail, oder in der Facebook-Gruppe geklärt werden. Dies dient auch der persönlichen Lernkontrolle. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten hat dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, indem er angegeben hat, dass in den Meetings die Fragen der Teilnehmer geklärt würden; natürlich hätten nicht alle Teilnehmer jede Woche eine Frage, die Sitzungen gingen aber immer so lange, bis alle ihre Fragen beantwortet bekommen hätten. Weiter hat der Vertreter der Beklagten im Rahmen der Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass der Kunde nach Erfassung der Grundlagen erst einmal mit Spielgeld agiere und anhand konkreter Investitionsentscheidungen Fragen stellen könne, die dann in Live-Calls geklärt würden. Erst wenn er stabil 3 bis 5 % Rendite pro Woche erreiche, könne er ins Echtgeldkonto wechseln und Echtgelt investieren. Soweit er dabei Verluste erwirtschafte, würden die Fehler analysiert und aufgezeigt, was man hätte besser machen können. Ausgehend hiervon findet auch insoweit eine Kontrolle der Lernenden durch die Lehrenden statt. Dies alles wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Programmbeschreibung (Anl. B7) an mehreren Stellen hervorgehoben wird, dass es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern - mithilfe einer intensiven Betreuung - auch um die Gewährleistung einer „erfolgreichen Umsetzung“ des Erlernten und die Erzielung bestimmter „Ergebnisse“ geht (vgl. etwa S. 5 und S. 8).
(3) Die Frage, ob die bloße Möglichkeit Fragen zu stellen, ausreicht, oder ob die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG voraussetzt, dass auch eine weitergehende Lernkontrolle durch den Lehrenden stattfindet (so OLG Hamburg v. 20.02.2024 – 10 U 44/23 - juris Rn. 29; OLG Köln v. 06.12.2023 – 2 U 24/23 - juris Rn. 56; vgl. zu dieser Diskussion auch OLG Celle v. 29.05.2024 - 13 U 8/24), kann daher offenbleiben.
b) Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine Zulassung i.S.v. § 12 Abs. 1 FernUSG, sodass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist.
c) Demnach hat die Beklagte nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung in Höhe von 23.800,00 €. Der Wert der beklagtenseits erbrachten Leistungen ist im Rahmen der Saldotheorie (vgl. für den Fall des Verstoßes gegen § 3 RDG BGH v. 03.07.2008 – III ZR 260/07 – juris Rn. 25) nicht zu berücksichtigen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat zum Wert der erbrachten Leistung keinen Vortrag gehalten, obwohl sie auf die Möglichkeit, dass der Senat von der Nichtigkeit des Vertrages nach § 7 Abs. 1 FernUSG ausgeht, bereits durch die Terminsverfügung vom 19.03.2024 hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war.
d) Auf die Frage, ob der Vertrag auch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist oder wirksam gekündigt wurde, kommt es nicht mehr an.
OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom. 05.07.2024 19 U 65/24
Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass § 12 Abs. 1 FernUSG nicht für Online-Mentoring-Angebote gilt, sofern keine Kontrolle des Lernerfolgs stattfindet.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Die Parteien haben einen wirksamen Vertrag geschlossen, der ein zwölfmonatiges Mentoringprogramm der Klägerin gegen Zahlung von zwölfmal 5.000 € (zzgl. MwSt.) zum Gegenstand hatte.
Bei dem geschlossenen Vertrag handelt es sich, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, um einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB. Ein bestimmter Erfolg war nämlich im Schwerpunkt gerade nicht geschuldet. Wenngleich zum Teil auch konkrete Handlungen, z.B. die Übersendung von VIP-Tickets, vereinbart waren, so war das Programm der Klägerin nach seiner Leistungsbeschreibung doch überwiegend auf die Vermittlung von Inhalten in Präsenzveranstaltungen bzw. die Freischaltung von Zugängen zu Online-Medien ausgelegt, über die der Mentor sein Wissen an den noch unerfahrenen Kunden weitergeben und ihn bei seiner persönlichen und/oder beruflichen Entwicklung unterstützen sollte (vgl. auch die Sachverhalte und rechtliche Einordnung bei OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22; LG Ravensburg, Urteil vom 11.07.2023 – 5 O 25/23; LG Stuttgart Urteil vom 30.03.2023 – 30 O 266/22).
Unbestritten hat die Klägerin erstinstanzlich dargelegt, dass über die wesentlichen Vertragsbestandteile des Mentoring-Vertrages – auch die Zahlungsverpflichtung im Voraus (entgegen der Regelung des § 614 Satz 1 BGB) – im Telefonat vom 18.02.2023 gesprochen worden sei. § 614 Satz 1 BGB ist dispositiv (BeckOGK/Maties BGB § 614 Rn. 44). Im Zweifel war die Zahlung danach sofort fällig, § 271 Abs. 1 BGB. Auch über die Höhe der geschuldeten Leistung (50.000 € bei Einmalzahlung oder zwölfmal 5.000 €) ist unzweifelhaft gesprochen worden. Die Art der geschuldeten Leistung lässt sich aus der Beschreibung Anlage K1 jedenfalls im Groben entnehmen. Geschuldet sind Teilnahmerechte in Zoommeetings und Messenger-Gruppen, das Freischalten von Online-Seminaren und ähnliches, wobei Kursbeginn der 30.05.2023 hätte sein sollen.
Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.06.2024 bestritten hat, dass die o.g. Leistungen vereinbart worden seien mit der Folge, dass es einer konkreten Leistungsbeschreibung gemangelt habe und der Vertrag unwirksam sei, greift er damit nicht durch. Der nicht angegriffene Tatbestand des landgerichtlichen Urteils weist den genannten Inhalt des Vertrages als unstreitig aus. Daran ist der Senat nach § 314 ZPO zwingend gebunden (BeckOK ZPO, 314 Rn. 29).
2. Der Vertrag ist auch nicht nichtig. Weder ist er sittenwidrig (dazu unter a.) noch unterfällt er dem Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG), der in seinem § 7 Abs. 1 bei Fehlen der entsprechenden Zulassung des Veranstalters die Nichtigkeit des Vertrages vorsieht (dazu unter b.).
a. Der Vertrag ist, anders als das Landgericht es gesehen hat, nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB.
Keine Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO stellt es dar, dass die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung, § 331 ZPO, die Frage der Sittenwidrigkeit überhaupt geprüft hat. Die Klage ist schlüssig, wenn das Gericht die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen ohne weitere tatsächliche Überprüfung im Sinne des Klageantrages unter eine Anspruchsgrundlage subsumieren kann und nach dem Tatsachenvortrag des Klägers auch keine Gegenrechte eingreifen. Es darf somit weder am Vortrag anspruchsbegründender Tatsachen fehlen, noch darf der Kläger vollumfänglich Tatsachen vorgebracht haben, die zu einer rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendung führen, ohne diese gleichzeitig durch eine Replik zu entkräften (Musielak/Voit/Stadler ZPO § 331 Rn. 7). Bei der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine solche rechtsvernichtende Einwendung. Zu Recht rügt die Klägerin allerdings, dass die Kammer gerade nicht sämtliche tatsächlichen Grundlagen, die sie für die Sittenwidrigkeit herangezogen hat, insbesondere Preise von Vergleichsangeboten, aus dem Vortrag der Klägerin selbst entnommen, sondern diese selbst recherchiert hat.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist auch in der Sache nicht sittenwidrig. Entsprechenden Vortrag hat der Beklagte in der Berufung nachgeholt. Der Vertrag erweist sich jedoch auch auf der Grundlage des erweiterten aktenkundigen Sachverhalts nicht als sittenwidrig.
Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Vorschrift sichert ein im Rechtsverkehr zu wahrendes ethisches Minimum. Ihr Zweck ist es, Missbräuchen der Privatautonomie entgegenzuwirken und die Geltung von Rechtsgeschäften zu verhindern, die für die Rechtsgemeinschaft unerträglich sind, weil sie gegen deren ethische Wertvorstellungen – die guten Sitten – verstoßen (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 138 Rn. 1, 2 m.w.N.).
Wucher im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB (als lex specialis zu Abs. 1) liegt – unabhängig von der Frage nach einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung – schon deshalb nicht vor, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Klägerin eine Zwangslage, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Beklagten ausgenutzt hätte.
Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB wird angenommen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dafür ist derjenige, der sich auf Sittenwidrigkeit beruft, darlegungs- und beweisbelastet (Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl. § 138 Rn. 34 m.w.N.). Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O. Rn. 34a m.w.N.; BeckOK BGB/Wendtland BGB § 138 Rn. 61, 61.1). Dabei liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, wobei es jeweils auf die objektiven Werte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (BGH, Urteil vom 19.01.2001 – V ZR 437/99;BGH, Urteil vom 05.10.2001 – V ZR 237/00; BGH, Urteil vom 18.12.2007 – XI ZR 324/06).Eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung besteht allerdings dann nicht, wenn es sich bei dem benachteiligten Vertragspartner um einen Kaufmann (§§ 1 Abs. 1, 5 HGB) handelt (BGH, Urteil vom 06.05.2003 – XI ZR 226/02 – „Benachteiligter“ war dort eine größere GmbH).
Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht festzustellen. Es mangelt bereits an Vortrag der Beklagtenseite zum Wert der angebotenen Leistung der Klägerin.
Maßgeblich ist der objektive Wert der Leistung, wobei grundsätzlich der Marktwert für dessen Bestimmung ein geeignetes Mittel darstellt. Dabei wird der vereinbarte Betrag demjenigen gegenübergestellt, den die Mehrzahl der weiteren Anbieter für vergleichbare Leistungen verlangt (Marktwert; marktüblicher Preis). Ein generell überhöhtes Preisniveau vermag ein auffälliges Leistungsmissverhältnis nicht zu beseitigen. Lässt sich ein ortsüblicher Preis für eine Leistung nicht ermitteln, so kann sich die Sittenwidrigkeit aus einer Überschreitung der andernorts üblichen oder der angemessenen Vergütung ergeben (dazu: MüKoBGB/Armbrüster BGB § 138 Rn. 206).
Soweit das Landgericht als Vergleichsmaßstab die Preise von Fernuniversitäten nebst Sicherheitszuschlag bemüht hat, begegnet dies neben den genannten prozessualen auch inhaltlichen Bedenken. Wie die Kammer selbst geschrieben hat, findet in Fernunterrichtskursen und Universitäten Unterricht in größeren Gruppen statt. Sie sind auf die Erlangung eines Abschlusses gerichtet. Das Angebot von Fernuniversitäten mag durch hierfür ausgebildete Lehrende und durch eine gewisse staatliche Kontrolle bzw. Qualitätsstandards nachhaltiger und grundlegender sein, es verfolgt aber einen anderen Ansatz und ein anderes Ziel als das Angebot der Klägerin. Während die Fernunis auf eher klassischem Wege Wissen vermitteln wollen, versprechen Mentorenprogramme wie das der Klägerin den modernen (insbes. durch Nutzung von Social Media) und schnellen individuellen Erfolg. Abschlüsse und die Vermittlung von Grundlagenwissen sind weniger wichtig; wichtig ist vielmehr die Persönlichkeit des Mentors, dessen (jedenfalls vermeintlicher) wirtschaftlicher Erfolg und dessen Erfahrung, die dieser an die Teilnehmer weitergeben soll, um das Wachstum des konkreten Unternehmens schnell voranzutreiben (so auch die Klägerin in ihrer Berufungsschrift (S. 6 eAOLG): „Es geht also um praktisch anwendbares Know-how, das bei konsequenter Umsetzung zu einer merklichen Umsatzsteigerung führt.“).
Soweit sich der Beklagte in der Berufungserwiderung ebenfalls auf private Unternehmen und Akademien bis hin zu Universitäten und anderen Einrichtungen wie IHKs bezieht, die „genau das Gleiche“ anböten wie die Klägerin, geht dies zum Teil aus den oben genannten Gründen fehl; soweit sei sich auf private Anbieter wie die Haufe-Akademie bezieht (1.350 EUR für Neukundengewinnung und Akquisegespräche), ist auch dieses Angebot nicht vergleichbar. Die Klägerin bietet ein Zwölf-Monats-Mentoring an. Die genannte H.-Akademie nimmt beispielsweise 1.300 € plus MwSt. für fünf Stunden Coaching (Nachweis: Link zur Webseite der H.-Akademie).
Während damit einerseits der Beklagte nicht ausreichend zu Angeboten anderer Anbieter vorträgt, die eine wucherische Überhöhung des von der Klägerin verlangten Preises erkennen ließen, kann andererseits die Klägerin auf einen von dem OLG Köln entschiedenen Fall verweisen, der – wie sie behauptet – einen ihrem Angebot vergleichbaren Fall betraf (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23). Dort ging es um ein Angebot namens „Coaching & Consulting Excellence“. Die Laufzeit betrug ebenfalls zwölf Monate. Die Vergütung für dieses Angebot lag im Jahr 2021 bei 4.165,00 € (brutto) pro Monat.
Dies spricht jedenfalls dafür, dass die Klägerin mit ihrer Preisgestaltung nicht unangemessen außerhalb des üblichen Rahmens liegt.
b. Der Vertrag ist nicht nichtig wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Nach § 7 FernUSG ist ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, nichtig.
Ob das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern Anwendung findet (wofür jedenfalls der uneingeschränkte Gesetzeswortlaut spricht; vgl. auch: OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22; diese Frage offenlassend OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23), braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn bei den angebotenen Kursen der Klägerin handelt es sich nicht um Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG.
(1) Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der
1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
Der Vertrag hat zwar zumindest auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand. So gibt es nach dem Programm der Klägerin (Anlage K1) Mentoring-Termine etwa im „Verkauf“, „Vertrieb“, mit den Themen „Führung im Betrieb“, „Social Media Marketing“ und ähnlichem. Auch stellt sie z.B. ein Workbook zum Onlinekurs zur Verfügung. Dass es auch Präsenzveranstaltungen und unmittelbaren Austausch miteinander gibt, schließt eine Anwendung des FernUSG nicht aus („überwiegend“, Nr. 1). Eine Überwachung des Lernerfolgs im Sinne der Nr. 2 schuldet die Klägerin allerdings nach dem konkreten Vertrag nicht.
Zwar ist das Tatbestandsmerkmal weit auszulegen. In dem Urteil des BGH vom 15.10.2019 – III ZR 310/08 – heißt es insoweit:
„[19] (3) Der Gesetzgeber ging selbst bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können (BT-Dr 7/4245, S. 14). Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z.B. durch Frage und Antwort, in Betracht (vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 10. 10. 1979 – 2/1 S 153/79, S. 5). Es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist (Bühler, Fernunterrichtsvertrag und Fern-USG, 1984, S. 94; Faber/Schade, Fern-USG, 1980, § 1 Rdnr. 15; Bartl, NJW 1976, 1993 [1994]), die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht (Faber/Schade, § 1 Rdnr. 16).
[20] (4) Da nach § 2 I i.V. mit § 1 I FernUSG eine Überwachung des Lernerfolgs nach dem Vertrag vorgesehen sein muss, kommt es für die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes nicht darauf an, ob diese letztlich auch tatsächlich durchgeführt wird (Bühler, S. 94; Faber/Schade, § 1 Rdnrn. 14f.). Es reicht deshalb aus, dass nach dem Vertrag der Lernende das Recht hat, eine solche einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen.
[21] Insgesamt ist deshalb eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 I Nr. 2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten.“
Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte hat nach dem Angebot der Klägerin nicht die Möglichkeit einer individuellen Kontrolle seines Lernerfolgs durch einen Lehrenden zu erhalten. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem Programm der Klägerin.
Zwar heißt es in der Broschüre Anlage K1 beispielsweise: „Schildere für alle Coaches so konkret, aber kompakt wie möglich, Deine aktuelle Situation und stelle gezielte Fragen zum weiteren Vorgehen.“ Es gebe „Feedback“ von Experten (Anlage K 1, Bl. 2), eine Teilnehmerin lobt „die Schnelligkeit der Antworten“ (Anlage K1, 7), als Inhalt der „Lektoring“-Einheit wird ein Telefonskript genannt (Anlage K1, Bl. 5). All dies impliziert eine gewisse Interaktion zwischen dem Dozenten und dem Teilnehmer, reicht aber – trotz geringer Anforderungen daran - nicht für die Annahme einer irgendwie gearteten Lernerfolgskontrolle aus. Begriffe wie „Studium“, Absolvent“, „Zertifikat“ (BGH, a.a.O.) oder ähnliches, die implizieren könnten, dass eine solche stattfinden würde, werden gerade nicht genannt. Das Programm ist schon seinem objektiven Inhalt nach nicht darauf gerichtet, dass ein bestimmter, objektiv messbarer Lernerfolg erzielt würde, sondern darauf, dass der Mentor sein persönliches Erfahrungswissen weitergibt. Die Geschäftsführerin der Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert, wie die Interaktion der Mentoren und der Teilnehmer untereinander ausgestaltet ist. So sei es bei den Meetings so, dass die Mentoren ihre Erfahrungen teilten und ganz individuelle Fragen, die auch zuvor eingesandt werden könnten, beantworteten. Konkret angesprochen auf das Telefon-Skript (Anlage K1, Bl. 5) erklärte sie, dass im Rahmen der „Lektoring“-Stunden im Gegensatz zum „Mentoring“ keine Fragen gestellt werden könnten. Die Teilnehmer könnten hier – bei diesem Beispiel bleibend – ihr bisher genutztes Telefonskript einreichen und dieses werde dann “durchgegangen“. Die Coaches erläuterten, was sie ändern würden und gäben Tipps. Die Umsetzung des Gehörten liege jeweils an den Kunden selbst.
Danach fehlt es aber an einer Kontrolle eines abprüfbaren Lerninhaltes.
(Erlaubte) Verständnisfragen dergestalt, ob das Gehörte richtig verstanden worden sei, reichen für eine Lernerfolgskontrolle nicht aus. Zum einen ließe sich so jede Art Vortrag, der nur ein Mindestmaß an Fragestellung durch die Teilnehmer zulässt, in eine Lernkontrolle wandeln, zum anderen erfolgte diese im Rahmen einer Art Selbstkontrolle und nicht durch den Lehrenden oder Beauftragten, wie es aber der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG verlangt (so auch OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23). Deswegen wäre auch eine irgendwie geartete Kontrolle durch die Teilnehmer untereinander (etwa in Telegram-Gruppen) nicht geeignet, eine Kontrolle des Lernerfolgs im Sinne des FernUSG darzustellen.
Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 01.03.2020 – 3 U 85/22 –, wonach das FernUSG auf einen Coaching-Vertrag anwendbar sei, ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil der dortige Sachverhalt sich von dem hiesigen unterscheidet. So gab es dort einen WhatsApp-Support, in dem Fragen gestellt werden konnten, und Zugang zu einer Akademie bestand, „die Videos, Checklisten und Prüfungen“ beinhalte. Ähnliches bietet hiesige Klägerin aber gerade nicht an.
3. Der Beklagte hat sich von dem Vertrag auch nicht lösen können. Weder hat er wirksam widerrufen (dazu unter a.) noch stand ihm ein Kündigungsrecht zur Verfügung (dazu unter b.).
a. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge nach §§ 312c, g, 355 BGB gilt für Verbraucher. Der Beklagte hat nicht als Verbraucher den Vertrag abgeschlossen. Ein solcher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Darlegungs- und beweisbelastet für seine Verbrauchereigenschaft ist der Beklagte.
Zwar hat der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen (Bl. 20 eALG), er sei davon ausgegangen, dass der Vertrag „mit ihm selber“ abgeschlossen worden sei, zumal er die Leistungen ja auch nur persönlich hätte entgegennehmen können; damit greift er aber nicht durch. Die „persönliche Entgegennahme“ von Coaching-Inhalten liegt in der Natur der Sache. Der Coaching-Erfolg hätte aber dem Unternehmen des Beklagten zu Gute kommen sollen, dessen Wachstum er vorantreiben wollte. Die Zweckrichtung des Mentorings war der unternehmerischen Sphäre des Beklagten zuzurechnen. Nicht zuletzt hat der Beklagte telefonisch bestätigt, dass er als Unternehmer handele und hat ein Mitarbeiter der Klägerin darauf hingewiesen, dass diese nur im B2B-Bereich tätig sei.
Ein Widerrufsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass die Widerrufsbelehrung der Klägerin unklar gewesen wäre. Die Angaben auf ihrer Internetseite sind nicht irreführend. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass es dieser Art der Widerrufsbelehrung, in der von Verbrauchern die Rede ist, nicht bedurft hätte, weil die Klägerin nach eigenem Vortrag mit Verbrauchern keine Verträge schließt. Nicht ersichtlich ist allerdings, wie sich daraus ein Widerrufsrecht des Beklagten herleiten lassen sollte. Es wird zwar vertreten, dass die irrtümliche Belehrung über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht als Angebot auf Einräumung eines vertraglichen ausgelegt werden kann (umstr., s. BeckOGK/Mörsdorf, BGB § 355 Rn. 37). Gegenüber einem Unternehmer kommt dies aber in der Regel nicht in Betracht (ebd.). Das gilt erst recht in einem Fall wie hier, in dem die Belehrung mit der Klarstellung verbunden war, dass ein Widerrufsrecht nur für Verbraucher und nicht auch für Unternehmer bestehe. Ein Widerrufsrecht nach § 4 FernUSG, § 355 BGB besteht nicht, weil es sich nicht um einen Fernunterrichtevertrag i.S.d. FernUSG handelt (s.o.).
b. Der Beklagte hat den Vertrag auch nicht wirksam gekündigt.
Zwar mag die Widerrufserklärung in eine Kündigungserklärung umgedeutet werden und hat der Beklagte mit der Klageerwiderung vom 28.09.2023 (Bl. 20f. eALG) erneut die Kündigung des Vertrages ausgesprochen, ihm stand aber kein Kündigungsrecht zur Seite.
Eine ordentliche Kündigung ist bei – wie hier – auf bestimmte Zeit geschlossenen Dienstverträgen grundsätzlich nicht möglich, § 620 Abs. 1 BGB.
Möglich bleibt allerdings eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, § 626 BGB. Ein solcher ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vertragsreue und fehlende Liquidität stellen einen solchen wichtigen Grund jedenfalls nicht dar.
In Betracht kommt des Weiteren eine Kündigung wegen der Erbringung von Dienstleistungen höherer Art, § 627 BGB. Dienste höherer Art sind solche, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzen und infolgedessen dem Dienstpflichtigen eine herausgehobene Stellung verleihen. Für die Beurteilung, ob Dienste höherer Art geschuldet werden, ist die typische Situation, nicht der konkrete Einzelfall, entscheidend. Der klassische Anwendungsbereich des § 627 BGB liegt z.B. in qualifizierten Tätigkeiten, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, insbesondere Ehe-, Partner- und Bekanntschaftsvermittler (MüKoBGB/Henssler BGB § 627 Rn. 22 f.). Die Tätigkeit vieler Unternehmensberater ist nicht nur Dienstleistung, sondern auch ein Vertrauensverhältnis i.S.d. § 627 BGB, dies jedenfalls dann, wenn und soweit einem solchen Berater auch Einblicke in interne Vorgänge gewährt werden, was nur bei vorhandenem Vertrauen möglich ist (s. OLG München, Urteil vom 10.01.2001 – 7 U 21005/00; OLG Hamm, Beschluss vom 22.01.2015 – 17 U 143/14). Wenn hingegen die Vermittlung von spezifischen Fertigkeiten im Vordergrund steht, so etwa bei bestimmten Formen des Coachings, kann nicht unbedingt von einem Kündigungsrecht nach § 627 BGB ausgegangen werden (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23; LG Trier, Urteil vom 07.12.2016 – 5 O 128/16; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.09.2023 – 2-21 O 323/21).
Hier fehlt es jedenfalls an einer „besonderen Vertrauensstellung“, denn der Mentor erhält nicht, ähnlich einem Unternehmensberater, tiefe Einblicke in das Unternehmen, in Geschäftsgeheimnisse und Geschäftszahlen. Die Mentoring-Termine sind schlagwortartig beschrieben mit etwa „Mentoring – Verkauf, Vertrieb, Mindset, Skalierbarkeit, Unternehmertum, Onboarding, Recruiting und Führung im Vertrieb“, „Lektoring – Verkaufstext, Telefon-Skript, 33 gute Gründe etc.“ (Anlage K1, dort S. 5). Sie sind darauf ausgelegt, dass Erfahrungswissen weitergegeben wird oder Fragen zu konkreten Themen beantwortet werden, deren Umsetzung dann den jeweiligen Teilnehmern obliegt (s.o.). Eines besonderen Vertrauens des Dienstberechtigten in den Dienstverpflichteten bedarf es dabei nicht.
Für einen Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Rückabwicklung des zustande gekommenen Vertrags aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 BGB wegen der Verletzung vorvertraglicher Beratungspflichten mangelt es an Vortrag des Beklagten und an sonstigen Anhaltspunkten. Jedenfalls gab es unstreitig ein telefonisches Beratungsgespräch.
Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf, so dass der Coaching-Anbieter einen Anspruch auf Vergütung hat.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 6.366,50 Euro aus dem streitgegenständlichen Vertrag.
a) Der Vertrag ist insbesondere nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG, da es sich bei dem geschlossenen Vertrag nicht um einen Vertrag i.S.d. § 1 FernUSG handelt. Fernunterricht i.S.d. § 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende zumindest überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
aa) Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Vertrag handelt, aufgrund dessen bestimmte Kenntnisse vermittelt werden sollten.
Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass mit dem Vertrag vereinbart worden wäre, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, dem Beklagten bestimmte Kenntnisse „zu vermitteln“. Angeboten hat die Vertragspartnerin vielmehr ein „[...]Mentoring“ (Anlage K3). In den wöchentlichen „ [...] Calls“ sollte der Beklagte die Möglichkeit haben, „alle Fragen zu stellen, die für dich wichtig sind“ (Anlage K4). Dem Beklagten sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Hilfe der Vertragspartnerin und der „1:1 Vorlagen“ einen „Print on Demand Online-Shop“ aufzubauen (Anlage B 2).
Zwar gehörte zum Vertragsinhalt auch die Möglichkeit für den Beklagten, sich durch Ansehen der von der Vertragspartnerin zur Verfügung gestellten Videos bestimmte Kenntnisse, die er aus dem zur Verfügung gestellten Material auswählen konnte, selbst anzueignen. Allerdings war dieser Vertragsbestandteil von untergeordneter Bedeutung. Allein zeitlich wurden lediglich ca. 40h Videomaterial zur Verfügung gestellt, wohingegen dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, 6 Monate lang an 3 ca. 2-stündigen Coachingsessions pro Woche teilzunehmen. 40h Videomaterial stehen also ca. 144 h für Coachingsessions gegenüber, der Schwerpunkt des Vertrages liegt also deutlich auf den Coachingsessions, in denen der Beklagte beraten werden sollte, und nicht auf den Inhalten der Videos. Dem entspricht auch die aus Anlage K3 hervorgehende Bezeichnung des Angebots der Vertragspartnerin des Beklagten als „[...]-Mentoring“.
Im Rahmen eines Coachings wird aber nicht systematisch didaktisch aufbereiteter Lehrstoff vermittelt, sondern es erfolgt eher eine individuelle und persönliche Beratung und Begleitung (Lach, Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22, zitiert nach juris). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Ziel des streitgegenständlichen Vertrages also gerade nicht die Vermittlung bestimmten „Wissens“, vielmehr steht die Coachingleistung im Vordergrund. In den Calls sollte laut Anlage K4 nur Gelegenheit gegeben werden die Fragen zu stellen, die für den jeweiligen Kursteilnehmer von Bedeutung waren.
Ein Bezug zu den zur Verfügung gestellten Videos musste dabei nicht bestehen. Schon daraus wird deutlich, dass es gerade nicht darum ging, dass der Beklagte das gesamte Videomaterial ansah und „lernte“, sondern es ging darum Informationen zur Verfügung zu stellen, aus denen der jeweilige Vertragspartner die Informationen, die für ihn relevant waren, heraussuchen konnte.
Dies ergibt sich auch aus der vom Beklagten eingereichten Anlage B2. Danach sollte dem Beklagten gezeigt werden, wie er profitable Produkte findet, dann sollte der Beklagte nach einer Vorlage einen online-shop aufbauen und anschließend sollte die Klägerin dem Beklagten zeigen, wie er über social media Kanäle Werbung schaltet, um Umsätze zu generieren. Ein bestimmtes
abgegrenztes Wissen sollte gerade nicht vermittelt werden. Aufgabe der Klägerseite sollte es nur sein, beratend zur Seite zu stehen („bei Fragen stehen dir (...) zur Seite“). Der Beklagte sollte nach einer Vorlage selbständig einen online-shop aufbauen („Du baust dir eine echte eigene Marke mit deinem Online-Shop auf“). Auch aus den in Anlage B2 aufgeführten Bewertungen ergibt sich, dass mit dem Angebot nicht ein bestimmtes Wissen vermittelt werden sollte, vielmehr heben die Kunden hervor, dass das persönliche „Mentoring“ und gerade nicht ein bestimmtes vermitteltes Wissen zum Erfolg geführt habe. Hervorgehoben wird, dass es bei dem Angebot darum geht, dem Kunden zu helfen, sich eigenständig einen online-shop aufzubauen.
So erklärt der Beklagte selbst in dem Schriftsatz vom 27.04.2023, dass der Kunde beim Finden profitabler Produkte beraten werden sollte und dass in dem Gespräch, das zu dem Vertragsschluss führte, damit geworben worden sei, dass sich nach dem absolvierten Coaching das Leben vieler Absolventen positiv verändert habe. Dass dem Beklagten ein bestimmtes Wissen hätte vermittelt werden sollen, trägt der Beklagte gerade nicht substantiiert vor.
Anders gelagert war offensichtlich der vom BGH am 15.10.2009 entschiedene Fall (III ZR 310/08, zitiert nach juris), auf den der Beklagte Bezug nimmt: Hier sollte ein „Lehrgang“ durchgeführt werden, mit „Lehreinheiten“, „Lehrmaterialsendungen“, die Vertragspartner wurden als „Absolventen“ bezeichnet, die nach Beendigung des „Studiums“ ein „Zertifikat“ erhalten sollten. Es sollte also - anders als hier - ein bestimmter abgeschlossener Komplex als „Wissen“ vermittelt werden.
bb) Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht, dass eine „Überwachung“ des Lernerfolges vertraglich geschuldet gewesen wäre. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen, da mit dem FernUSG der Schutz der Lehrgangsteilnehmer gestärkt werden und die Enttäuschung der Bildungswilligkeit verhindert werden sollte (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, zitiert nach juris). Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass eine wiederholte Überwachung des Lernerfolges nicht notwendig, sondern die einmalige Überwachung ausreichend sein sollte (BT Drs 7/4965, S. 7). Ausreichend sein soll, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolges einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH Urteil vom 15.10.2009
- III ZR 310/08).
Dass der Beklagte nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern, hat der Beklagte aber gerade nicht dargelegt. Aus dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt des Vertrages ergibt sich ein solches Recht nicht. Geschuldet wird in dem streitgegenständlichen Vertrag gerade keine „Überwachung“ des Lernerfolges, sondern
der Vertragspartner sollte dem Beklagten nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen. Dem Wort „Überwachung“ wohnt ein Kontrollelement inne (vgl. https://www.dwds.de/wb/%C3%9Cberwachung und https://www.wortbedeutung.info/%C3%9Cberwachung/). Allein die Gelegenheit des Beklagten im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Eine Kontrolle eines etwaigen Lernerfolges schuldete die Klägerseite gerade nicht. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen.
Ein solches Verständnis von der Norm widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 (III ZR 310/08, zitiert nach juris). Im dortigen Fall hatte die Klägerin den Anspruch, eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, „ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde“ und „sitzt“. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lässt sich ein solcher Anspruch gerade nicht aus dem Vertrag herleiten, denn im streitgegenständlichen Fall wurde gerade kein Vertrag über einen „Lehrgang“ oder ein „Studium“ geschlossen, der Beklagte sollte kein „Absolvent“ sein und auch kein „Zertifikat“ erhalten. Keiner der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Begriffe („Mentoring“, „Coaching“) lässt darauf schließen, dass eine Lernerfolgskontrolle stattfinden sollte.
Dem steht auch nicht das Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 - 3 U 85/22 entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte die Beklagte - anders als der Beklagte im streitgegenständlichen Fall -Zugang zu einer „Akademie“, die auch „Prüfungen“ beinhaltete und das jeweils nächste Videokursmodul wurde erst dann freigeschaltet, wenn der vorangehende Abschnitt angesehen worden war. Entsprechende Bestandteile einer Erfolgskontrolle wies der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht auf.
Eine „Überwachung“ des Lernerfolges i.S.d. § 1 FernUSG war damit gerade nicht geschuldet. Der Vertrag ist daher nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FerUSG.
b) Der Beklagte hat auch nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig und damit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft liegt dann vor, wenn es gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Weder aus dem dargelegten Vertragsinhalt noch aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich dementsprechend ein Anhaltspunkt für Sittenwidrigkeit. Auch nach § 138 Abs. 2 BGB liegt keine Sittenwidrigkeit vor. Sittenwidrigkeit ist gem. § 138 Abs. 2 BGB dann gegeben, wenn jemand sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen und dabei eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche eines anderen ausgenutzt werden.
Dass ein solches auffälliges Missverhältnis bestehe, hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat bestritten, dass die Inhalte der verkauften Videos einfach so kostenfrei im Internet zu finden seien. Seinen Vortrag näher substantiiert und Beweis angeboten hat der Beklagte daraufhin nicht. Auch fehlt es an konkretem Vortrag zu einer „Zwangslage“ des Beklagten. Zwar
mögen die finanziellen Verhältnisse des Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwierig gewesen sein. Eine Zwangslage, welche die Vertragspartnerin ausgenutzt hätte, ergibt sich allein daraus aber nicht.
Sonstige Umstände, welche eine Qualifizierung des Vertrages als „sittenwidrig“ i.S.d. § 138 BGB begründen würden, wurden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
Das LG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf. Fehlt die Zulassung, so ist der Coaching-Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und der Anbieter hat keinen Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem „Coaching“ Vertrag zu, da dieser Vertrag gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist. Schließlich handelt es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag (hierzu 1.), für den die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfügt (hierzu 2.)
1. Bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG.
a) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).
b) Bei der Auslegung des Gesetzes und der Qualifikation des streitgegenständlichen Lehrgangs war die Intention des Gesetzgebers beim Erlass des FernUSG zu berücksichtigen. Dieser wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen.
Die bislang geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen „Schadens“, nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, NJW 2010, 608).
Diese Intention des Gesetzgebers findet auch in der Formulierung des FernUSG ihren Niederschlag. So regelt § 8 FernUSG ein Umgehungsverbot, wonach §§ 2 bis 7 des Gesetzes auf Verträge, die darauf abzielen, die Zwecke eines Fernunterrichtsvertrages in einer anderen Rechtsform zu erreichen, entsprechende Anwendung finden. Die Kammer war daher gehalten, das Gesetz weit auszulegen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2022 – 102 O 42/21 –, Rn. 29 - 30, juris). Hiervon ausgehend war der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Fernunterrichtsvertrag zu qualifizieren.
c) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte „Kurskonzept“ der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online – mittels Video-Coaching und Lernvideos – stattfinden sollte.
Dem steht insbesondere die Rechtsmeinung der Beklagten entgegen, dass die Coachingmodule - die einen deutlichen Schwerpunkt des „Kurskonzepts“ ausmachen, trotz der Videoübertragung keinen Fall der räumlichen Trennung darstellen.
Zwar sieht die Kammer, dass Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG ansehen, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme (vgl. VG München, Urt. v. 14.0 September 1988 - M 6 K 86.7044 - NVwZ-RR 1989, 473; Nomos-BR/Vennemann FernUSG/Michael Vennemann, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 1 Rn. 10).
Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, welcher einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 Ss-OWi 71/06 - 210 B Rn. 10).
Auch der Gesetzesbegründung ist keine derartig weite Auslegung des Wortlauts und damit einhergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG zu entnehmen. So heißt es dort hinsichtlich der überwiegenden Trennung von Lernenden und Lehrenden, dieses Merkmal grenze
„den Fernunterricht einerseits gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ab, der sich nur ausnahmsweise eines Mediums bedient, um eine ebenfalls nur in Ausnahmefällen vorhandene, unerhebliche räumliche Trennung von Lehrer und Schüler zu überbrücken (z. B. Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum oder ein anderes Gebäude), und der jedenfalls weniger als die Hälfte des gesamten Lehrstoffs einer Unterrichtseinheit ohne die genannte räumliche Trennung anbietet“ (BT-Drs. 7/4245, S. 14).
Ein Fall der räumlichen Trennung war somit auch etwa eine Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum bzw. ein anderes Gebäude. Dabei ist zwar zu sehen, dass Techniken der Videokonferenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erahnen waren. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Gesetzesbegründung auf eine räumliche Trennung im Wortsinne abstellt, ungeachtet technischer Möglichkeiten der Teilnahme am Unterricht – wenn auch nur durch Audioübertragung – aus Nebenräumen.
Dabei sieht das Gericht zwar auch, dass die Zeit augenscheinlich über das FernUSG hinweggegangen ist. Gleichzeitig ist hier – erneut – der bereits geschilderte Sinn und Zweck des FernUSG in den Blick zu nehmen. Schließlich war es insbesondere auch ein – augenscheinlich auch in der Gegenwart bedeutsames – Anliegen des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben (Fernunterrichtsschutzgesetz, Einleitung Rn. 7, beck-online).
d) Zudem sieht der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen im Sinne des § 1 Nr. 2 FernUSG vor. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien. Lernerfolgskontrolle ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom BGH in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (III ZR 310/08, NJW 2010, 608) konkretisiert wurde. Danach sind nur geringe Anforderungen an die Lernerfolgskontrolle zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z.B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Für die Lernerfolgskontrolle waren dabei die Zoom-Calls mit dem Vorstand der Klägerin persönlich vorgesehen.
Hierfür ist auch gerade nicht notwendig, dass innerhalb des Gesprächs eine gezielte Wissensabfrage durch den Lernenden vorgesehen ist, beispielsweise durch vorbereitete Kontrollfragen. Es genügt bereits, dass ein persönlicher Austausch zwischen Lernendem und Lehrendem vorgesehen ist, in dessen Rahmen die Möglichkeit zu Rückfragen im Kontext der Lerninhalte besteht. Es muss davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Vorstand der Klägerin auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich (un-)mittelbar auf Lerninhalte beziehen und in diesem Rahmen auch die Möglichkeit zu Verständnisfragen besteht. Durch den Vergleich der Antwort auf die eigenen Nachfragen können die Coaching-Teilnehmer den eigenen Wissensstand überprüfen und nachvollziehen, ob sie bestimmte Inhalte entsprechend dem Coaching-Konzept bereits im Sinne des Vorstandes der Klägerin hinreichend verstanden haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit einer (wenn auch nicht als solchen deklarierten) Lernerfolgskontrolle.
e) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Anwendbarkeit des FernUSG zudem weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin gerierte (vgl. OLG Celle 3. Zivilsenat, Urteil vom 01. März 2023 - 3 U 85/22 - noch nicht rechtskräftig).
Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig. Soweit die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei der Schutz durch das FernUSG zu verwehren, da das Gesetz dem Verbraucherschutz diene und der Beklagte sich an dem Rechtsschein halten lassen müsse, den er durch seine Aussage vor dem Vertragsschluss am 21. März 2022 gesetzt habe, verkennt die Klägerin, dass die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 FernUSG, die Nichtigkeit des Vertrages, ohne Geltendmachung eines Gestaltungsrecht durch die Beklagte kraft Gesetzes eintritt. Die Rechtsfolge steht nicht zur Disposition der Parteien; es fehlt damit der Anknüpfungspunkt für den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens.
f) Zudem erfordert die Subsumtion des streitgegenständlichen Vertrages unter des FernUSG insbesondere auch nicht die Einvernahme des Herrn T. G. von der staatlichen Zulassungsstelle für Fernunterricht als sachverständigen Zeugen. Schließlich liegt die rechtliche Bewertung und Würdigung des streitgegenständlichen Vertrages in den Händen des Gerichts.
2. § 7 Abs. 1 FernUSG schreibt eine generelle Zulassungspflicht für alle Fernlehrgänge mit Ausnahme sog. Hobbylehrgänge vor, die lediglich anzeigepflichtig sind (Abs. 1 Satz 3). Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin verfüge nicht über eine entsprechende Zulassung, wurde nicht bestritten und ist damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Auch fehlt von Klägerseite jeder Vortrag dazu, der eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis gem. § 12 Abs. 1 S. 2 in Betracht kommen ließe.