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Volltext BGH liegt vor: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18
DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken.

b) Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18 - OLG Köln - LG Köln

BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH (siehe dazu EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich) entschieden, dass ein Anspruch des Betroffenen auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 DGSVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit besteht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder ("thumbnails") anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos - unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann - Rechnung zu tragen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat daraufhin die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.

Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der Bundesgerichtshof die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.

Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17

Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)



Volltext OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung eines Unternehmers mit Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, geschah dies zu Recht.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, es zu unterlassen, bei einer Suche nach dem Vor- und Zunamen des Klägers in der Suchmaschine der Beklagten das aus der Anlage K3 ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen und dabei auf die Webseite mit der URL www.(...).de zu verlinken (Klageantrag zu 1.).

a) Der geltend gemachte Anspruch auf Auslistung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
aa) Der auf die dauerhafte Auslistung der von dem Kläger beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist vorliegend zeitlich (1), sachlich (2) und räumlich (3) anwendbar.
(1) Sie gilt seit dem 25.05.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.
(2) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen - wie hier - personenbezogene Daten enthalten, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO). Sie ist als automatisierte „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.
Ob die hiesige Beklagte datenschutzrechtlich für die streitbefangene Auslistung zumindest mitverantwortlich ist, da sie im Sinne des Art. 26 DSGVO mit der Y LLC jedenfalls eine gemeinsame Verantwortung für die Verarbeitung von Daten trägt, kann vorliegend im Ergebnis offenbleiben, da jedenfalls in der Sache kein Anspruch gegen die Beklagte besteht (s.u.).

Verantwortlicher im Sinne der DSGVO und damit passivlegitimiert für einen Anspruch nach Art. 17 DSGVO ist gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Nach der Rechtsprechung des BGH wurde die Y LLC mit Sitz in den USA als Betreiberin der Suchmaschine als Verantwortliche i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO angesehen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13). Für eine daneben bestehende Mitverantwortung der Beklagten gem. Art. 26 DSGVO könnte sprechen, dass sie in ihrer Datenschutzerklärung zum Y Suchdienst für Nutzerdaten als zumindest auch Verantwortliche genannt wird. Dies muss jedoch aufgrund des in der Sache nicht bestehenden Anspruchs (s.u.) vorliegend nicht entschieden werden.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 14).

(3) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf die in Irland ansässige Beklagte folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 DSGVO. Die Beklagte betreibt eine deutsche Niederlassung und bietet in deutscher Sprache Nutzern in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als "Bezahlung" ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13 m.w.N.).

bb) Das auf dauerhafte Auslistung des von ihm beanstandeten Suchergebnisses gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst. Der Begriff der Löschung i.S.d. Art. 17 DSGVO ist autonom auszulegen, so dass ihm unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 17 m.w.N.).

cc) Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, vorrangig die für die von der Beklagten verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieter in Anspruch zu nehmen. Die Haftung des Suchmaschinenbetreibers bzw. Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht subsidiär, da ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müsste. Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers ist ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen eigenständig zu beurteilen ist (so auch BGH, NJW 2020 3436, Rn. 18 m.w.N.).

Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist der hiesige Fall schon nicht mit der Konstellation vergleichbar, die den BGH in der Sache VI ZR 476/18 (MMR 2021, 239) zur Vorlage der dortigen ersten Frage an den EuGH veranlasst hat. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil der zugrundeliegende Sachverhalt im Kern unstreitig ist und die Frage der Wahrheitsgemäßheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen bzw. auf Tatsachenbehauptungen beruhenden Werturteile ohne weitere Ermittlungen/Aufklärungen beurteilt werden kann. Auch hat der EuGH in seinem Urteil vom 08.12.2022 entschieden, dass ein Anspruch auf Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dem Kläger gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist (vgl. EuGH, MMR 2023, 105).

dd) Auch hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise nicht verpflichtet ist, bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Auslistung aufgefordert (sog. Notice and Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird der konkret beanstandete Ergebnislink genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

ee) Anders als der Kläger meint, liegen die materiellen Voraussetzungen für sein Auslistungsbegehren nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO, weil die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Streitfalls zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 f, Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).

Einschlägige Grundlage des klägerischen Auslistungsbegehrens ist Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Danach steht - soweit im Streitfall relevant - der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d DSGVO).

(1) Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abzuwägen. Diesbezüglich hat der BGH in seinem Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3436, Rn. 23 ff.) ausgeführt, dass die Abwägung der allein maßgeblichen Unionsgrundrechte auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des betroffenen Klägers (Art. 7, 8 GRCh) einerseits, der Grundrechte der beklagten Suchmaschinenverantworlichen (Art. 16 GRCh), der Zugangsinteressen der Internetnutzer, des Interesses der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen als Ausdruck des Art 11 GRCh sowie der Grundrechte der Inhalteanbieter (Art. 11 CRCh) andererseits umfassend vorzunehmen ist. Insoweit hat er betont, dass eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalls aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt, durchzuführen ist und im Hinblick auf diese in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen muss, unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO), ob die Verarbeitung der (Gesundheits-)Daten aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO) oder ob die Beklagte zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers als der betroffenen Person überwiegen.

(2) Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze, die der Senat im vorliegenden Fall für anwendbar hält, haben die hier betroffenen Grundrechte des Klägers aus Art 7, 8 und 16 GRCh hinter dem Grundrecht der Beklagten aus Art. 16 GRCh und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, dem Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information und dem Grundrecht des für den verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieters auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) zurückzutreten:

(a) Ein wichtiger, in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die verlinkte, in der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) ersichtliche Berichterstattung entgegen der Ansicht des Klägers zulässig ist.
(aa) Anders als der Kläger meint, ist die Äußerung „X1 bankrott“ keine unzulässige Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung.
Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG, AfP 2013, 389, Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018., Kap. 4, Rn. 43, 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4, Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14, Rn. 14.16; jew. m.w.N.). Maßgeblich für die Ermittlung des Aussagegehalts ist grundsätzlich nicht der Sinn, den der Äußernde der Äußerung beilegen wollte, sondern der in der Aussage objektivierte Sinngehalt, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BVerfGE 82, 43, 51 ff.; BVerfG, NJW 2005, 1341 - vollzugsfeindlich; BGH, NJW 1982, 1805 - Schwarzer Filz; Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6, Rn. 90 m.w.N.), wobei auf das Verständnis des Empfängers abzustellen ist, an den sich die Äußerung unter Berücksichtigung der für ihn wahrnehmbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Umstände richtet (BVerfGE 93, 266, 295 - Soldaten sind Mörder II; BVerfG NJW 2003, 1303 - Benetton-Werbung; Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90). Maßgeblich hierfür ist der Durchschnittsleser (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Aussage als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Anders als der Kläger meint, wird der Durchschnittrezipient die Äußerung „X1 bankrott“ unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht auf den Kläger persönlich beziehen, sondern auf ein Unternehmen, für welches der Kläger Namensgeber war. Aus dem Gesamtkontext der Äußerung geht klar hervor, dass die Äußerung sich auf ein Unternehmen (bzw. umgangssprachlich eine „Firma“ bezieht), nämlich ein solches, das auf dem Gebiet des Innenausbaus von Luxushotels tätig ist und gegen welches das Inkassounternehmen ein Mandat wegen unbezahlter Handwerkerrechnungen hat und im Rahmen der Forderungseintreibung feststellen musste, dass dieses „bankrott“ ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Durchschnittrezipient der Äußerung kein juristisch vorgebildetes Fachpublikum ist, welches zwischen einem Einzelkaufmann, einer juristischen Person und einer Personengesellschaft differenziert. Der i.d.R. juristisch nicht vorgebildete Durchschnittsrezipient wird daher nicht davon ausgehen, dass die hinter einem möglichen Einzelkaufmann stehende natürliche Person gleichsam insolvent ist, wenn „die Firma bankrott“ ist. Er wird die Äußerung vielmehr nicht juristisch hinterfragen, sondern sie an dem Wortlaut orientiert dahingehend verstehen, dass das Unternehmen oder die „Firma“ „bankrott“, „pleite“ oder insolvent ist. Zudem wird auch auf der streitgegenständlichen Internetseite (vgl. Anlage K2, Bl. 17 d.A.) zwischen Schuldnern, die Privatpersonen sind, und solchen, die Unternehmen sind, differenziert, indem bei Privatpersonen nur die Namen genannt werden (z.B. B, D, C etc.) und bei Unternehmen die (weiteren) Firmenbestandteile (wenn auch nicht immer vollständig).

Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit einem Rechtsformzusatz (z.B. GmbH) genannt wird, steht dem nicht entgegen, denn das Weglassen dessen in der Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - ist üblich (zumal auch der Klägervertreter dies in seinen Schriftsätzen und der Kläger dies in seiner eidesstattlichen Versicherung (vgl. Anlage K1, Bl. 16 d.A.) tun).

Ferner wird der unbefangene Durchschnittsempfänger die Äußerung im Gesamtkontext entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf alle Unternehmen mit dem Firmenbestandteil „X1“ beziehen und dahingehend verstehen, dass diese alle „bankrott“ seien. Dass sich die Äußerung vielmehr nur auf ein Unternehmen bezieht, geht klar aus der Verwendung des Singulars in den Folgesätzen des Berichtes hervor („ist…tätig“; „die Firma“).

[...]

Die zulässige Meinungsäußerung ist von dem Kläger hinzunehmen.

Sie beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, denn unstreitig hat die X1 Hotel … GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und wurde später aus dem Handelsregister gelöscht. Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit sämtlichen Bestandteilen und dem Rechtsformzusatz GmbH genannt wird, ist unerheblich. Zum einen ist das Weglassen einzelner Firmenbestanteile in der täglichen Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - üblich. Zum anderen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass es ein weiteres zu der Unternehmensgruppe des Klägers zugehöriges Unternehmen gäbe, welches die Firmenbestandteile „X1 Hotel …“ enthalten würde und auf welches bezogen eine Wertung als „bankrott“ keine zutreffende Tatsachengrundlage hätte.

Auch wird die Grenze zur Schmähkritik trotz der Wortwahl „bankrott“, die nach der Ansicht des Klägers negativ besetzt sein soll, und der Einbettung der Aussage auf der Homepage (…).com, auf welcher nach Meinung des Klägers „finster dreinblickende, gewaltbereite Männer mit Glatze“ abgebildet seien, nicht überschritten. Denn dem Äußernden geht es - wie der Gesamtzusammenhang der Äußerung zeigt - um eine Auseinandersetzung in der Sache und nicht um eine reine Herabsetzung des Klägers bzw. seines Unternehmens (vgl. hierzu auch BVerfG, ZUM 2013, 36).

(bb) Soweit der Kläger sich in der Replik auf Seite 5 (Bl. 149 d.A.) darauf stützt, dass die Aussage in der streitgegenständlichen Mitteilung, dass Handwerkerrechnungen nicht bezahlt worden seien, unwahr sei, so ist dies unbeachtlich. Denn dieser Vortrag ist widersprüchlich zu dem diesbezüglichen Vortrag auf Seite 4 der Klageschrift, in dem der Kläger nur betont, dass die Forderung nicht endgültig verweigert oder abgelehnt worden und die A GmbH auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei.

Selbst wenn man den Vortrag nicht als widersprüchlich ansehen würde, so ließe sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers keine offensichtliche Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung herleiten, welche ein Auslistungsbegehren stützen könnte. Nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben (vgl. MMR 2023, 105, Rn. 72).

Vorliegend hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Forderung der A GmbH nicht beglichen und diese auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei, da der Kläger die Forderung nicht als begründet angesehen habe. Der Kläger hat demnach schon keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgeht, warum die Forderung seiner Ansicht nach offensichtlich unbegründet sei.

Darüber hinaus wird in der streitgegenständlichen Mitteilung gerade nicht behauptet, dass der Kläger die Zahlung der Forderung endgültig abgelehnt hätte.

(b) Soweit der Kläger sich auf die negativen Auswirkungen der verlinkten Berichterstattung für ihn bzw. seine Unternehmen beruft, so ist dies vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung unbeachtlich. Denn weder das Datenschutzrecht noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleihen einen Anspruch, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es einem genehm ist (st. Rspr. des BVerfG zum Äußerungsrecht, vgl. 1 BvR 3487/14, Rn. 14).

(c) Wenn sich Betroffene - wie hier - nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine ist in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 42; BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 122 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

Dass die X1 Hotel … GmbH nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Jahre 2020 gelöscht wurde, ist demnach ebenfalls in die Abwägung einzustellen. Dies wirkt sich - anders als der Kläger meint - jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auf Seiten der Nutzer der Beklagten weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verbreitung der wahren Aussage - nämlich der Insolvenz bzw. des Bankrotts der Firma des Klägers - besteht. Der Senat hat insoweit auch den Zeitfaktor in seine Abwägung eingestellt und abgewogen, ob die Weiterverbreitung des Beitrags auch unter Namensnennung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit noch gerechtfertigt ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Zeitablauf sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren (vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 131 - Recht auf Vergessen II). So kann durch Zeitablauf die identifizierende Verbreitung solcher Beiträge durch Suchmaschinen unzumutbar und damit unzulässig werden, denn die belastende Wirkung der Verbreitung kritischer Beiträge zum Verhalten einzelner Personen kann im Laufe der Zeit - insbesondere wenn die Beiträge auf namensbezogene Abfrage hin auch viele Jahre später noch prioritär kommuniziert werden - für die Betroffenen erheblich wachsen und immer weniger gerechtfertigt sein (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 132 f. - Recht auf Vergessen II).

Dies führt im vorliegenden Fall im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht dazu, dass es der Beklagten zu untersagen wäre, den Suchtreffer zu der Namenssuche des Klägers, der zu einer für sich genommen zulässigen Berichterstattung führt, heute nicht mehr anzuzeigen und auszulisten. In die Abwägung einzustellen ist, dass die Löschung der Gesellschaft erst im Jahre 2020 erfolgte und somit erst wenige Jahre zurückliegt. Die seit den berichteten Ereignissen vergangene Zeitspanne von rund drei Jahren ist noch nicht derart groß, als dass sie das Interesse an der niedrigschwelligen Erreichbarkeit der Informationen - auch über die namensbezogene Suche mittels einer Suchmaschine - in den Hintergrund treten ließe. Auch ist zu beachten, dass die Nutzer der Suchmaschine trotz der Löschung des Unternehmens weiterhin ein erhebliches Informationsinteresse haben. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen, die zudem dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ gewesen ist bzw. ob eine Handwerkerrechnung nicht beglichen wurde. Denn dies ist ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den anderen Unternehmen des Klägers, z.B. hinsichtlich der Frage, ob seitens der Kunden Vorkasse geleistet wird oder seitens der Geschäftspartner Vorkasse für Projekte von dem Kläger bzw. seinen Unternehmen gefordert wird. Die Insolvenz eines Unternehmens kann - auch wenn dies freilich nicht zwingend ist - nämlich auch etwas über die Solvenz der restlichen Unternehmensgruppe aussagen bzw. über den Umgang dieser mit Zahlungsschwierigkeiten einzelner Unternehmen innerhalb der Gruppe.

Das berechtigte Berichterstattungsinteresse erstreckt sich unter den Umständen des Streitfalls ohne Weiteres auch auf die namentliche Nennung des Klägers. Der Name des Klägers ist Teil der Firmierung des gelöschten Unternehmens und einer Vielzahl weiterer Unternehmen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass dies negativ für den Kläger und seine weiteren Unternehmen mit entsprechendem Namensbestandteil ist. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Kläger dadurch, dass er seinen Namen zum Firmenbestandteil einer Vielzahl von Unternehmen gemacht hat, das Risiko in Kauf genommen hat, dass er mit dem bzw. den Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Das muss er auch im Falle einer aus seiner Sicht negativen Berichterstattung gegen sich gelten lassen.

Ferner hat der Senat im Rahmen seiner Abwägung berücksichtigt, dass der streitgegenständliche Bericht nicht von privatem, bewusst nicht vor anderen gezeigtem Verhalten oder Fehlverhalten handelt, sondern die berufliche Tätigkeit und mithin die Sozialsphäre des Klägers betrifft, so dass der langfristigeren Zugänglichkeit des Berichtes höheres Gewicht zukommt.

Auch hat der Senat in die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten, des Inhalteanbieters, der Nutzer und der Öffentlichkeit eingestellt, dass die Berichterstattung nicht reißerisch oder skandalös, sondern eher kurz und sachlich ist; wobei nicht unbeachtet geblieben ist, dass der letzte Absatz des Berichtes auf die Kundenakquise des Inkassounternehmens zielt.

Die Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers erhält auch im Streitverhältnis zur Beklagten kein entscheidend anderes Gewicht. Denn die Beklagte weist den fraglichen Artikel auf eine entsprechende Suchanfrage unkommentiert in ihren Ergebnislisten nach (so auch BVerfG, NJW 2020, 300, Rn. 124 - Recht auf Vergessen I). Schließlich wird der angegriffene Ergebnislink durch den Nachweis zahlreicher weiterer, teilweise vorrangig platzierter, im Netz befindlicher Informationen relativiert (vgl. Anlage K3, Bl. 18 d.A.; so auch BVerfG NJW 2020, 314, Rn. 125 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Mangels eines Anspruchs auf Auslistung steht dem Kläger auch kein diesbezüglicher Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes aus § 890 ZPO zu (Klageantrag zu 3.).

C) Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 520, 517 ZPO).

D) Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

I. Soweit der Klage stattgegeben wurde, war diese zulässig.

1. Das angerufene Gericht ist international und örtlich zuständig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2. Unter Zugrundelegung der obenstehend dargestellten Grundsätze ist der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt. Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass sich der Klageantrag zu 2. ebenfalls auf die Suchmaschine der Beklagten unter www.(y).de bezieht (vgl. Anlage K5).

II. Die Klage ist im Umfang der von der Beklagten eingelegten Berufung unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei der namensbasierten Suche nach seinem Vor- und Zunamen in der Suchmaschine der Beklagten.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

aa) Der geltend gemachte Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.

(1) Die Datenschutz-Grundverordnung ist auch im Hinblick auf den mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Unterlassungsanspruch gegen die Suchwortergänzungsfunktion von Suchmaschinen nach den zuvor im Abschnitt B. dargestellten Grundsätzen zeitlich und räumlich anwendbar.

(2) Gleiches gilt in Bezug auf die sachliche Anwendbarkeit. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten (vgl. zum Auslistungsanspruch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13) . Dies gilt nach Ansicht des Senates auch, soweit aufgrund der Integration der „Autocomplete“-Funktion in der Suchmaschine dem Nutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge („predictions“) in Form von Wortkombinationen angezeigt werden, sofern diese - wie hier - personenbezogene Daten erhalten. Denn die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge mit personenbezogenen Daten werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der die suchwortgesteuerten Suchanfragen einbezieht und dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen präsentiert, die zum fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren (vgl. hierzu BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16, 22 - Autocomplete-Funktion). Die Autocomplete-Funktion ist damit als automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.

Ob die Beklagte nach den vorstehend in Bezug auf die Auslistung dargelegten Grundsätzen, welche auf die Autocomplete-Funktion übertragen werden können, datenschutzrechtlich für die streitbefangene Autocomplete-Funktion zumindest mitverantwortlich im Sinne des Art. 26 DSGVO ist, kann auch insoweit mangels eines Anspruchs in der Sache (s.u.) offenbleiben.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von Suchergebnissen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar.

bb) Auch wird der in Rede stehende Anspruch, der auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gerichtet ist, ist aus den obenstehenden Erwägungen (vgl. Abschnitt B II. 1. a) bb)) grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst.

cc) Ferner hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung der von ihrer Suchmaschine generierten Suchwortvervollständigungen nicht verpflichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn 30 - Autocomplete-Funktion), bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Unterlassung der konkret benannten Autocomplete-Funktion aufgefordert (sog. sog. Notice an Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird die konkret beanstandete Autocomplete-Funktion, nämlich „bankrott“ in Verbindung mit der namensbasierten Suche des Klägers, genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

dd) Anders als das Landgericht angenommen hat, liegen nach Ansicht des Senates jedoch die materiellen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gem. Art 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor.

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO steht - soweit hier relevant - der betroffenen Person ein Anspruch auf Löschung zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO).

(1) Auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen dieses Löschungsanspruches ist eine umfassende Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, und zwar unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Klägers als betroffene Person einerseits und der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit andererseits. Auch hier finden die von BGH in dem Urteil vom 27.07.2020, Az. VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3464, Rn. 23 ff.) dargestellten Abwägungsgrundsätze (s.o.) im Ausgangspunkt Anwendung, wobei allerdings zu beachten ist, dass - anders als bei einer begehrten Entfernung von Links aus Suchergebnissen - bei dem hier in Rede stehenden Anspruch auf Unterlassung der Anzeige der Suchwortvervollständigung keine Rechte der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) betroffen sind, da sich der Autocomplete-Vorgang im Vorfeld der Anzeige konkreter Suchergebnisse abspielt und sich der Kläger hier nicht gegen den Inhalt von Suchergebnissen wendet.

Im Rahmen der anzustellenden Abwägung sind auf Seiten des Klägers demnach die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh und das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen.

Auf Seiten der Beklagten sind ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh sowie ihr Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung gem. Art. 11 GRCh zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 22 - Autocomplete-Funktion zu der Rechtslage nach deutschem Recht; anders in Bezug auf die Anzeige von Ergebnislinks BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 31).

In die Abwägung sind ferner die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information.

(2) Nach diesen Grundsätzen haben die Interessen des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten:

Nach Ansicht des Senates ist der hier in Rede stehenden Suchoption „X bankrott“ nach dem maßgeblichen Verständnis des Durchschnittsrezipienten zwar eine inhaltliche Aussage zu entnehmen. Diese ist jedoch in einem Maße vieldeutig, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden werden kann, sondern sich für den Rezipienten als schlagwortartige Äußerung darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Gen-Milch-Entscheidung vom 08.09.2010 (Az. 1 BvR 1890/08; ZUR 2011, 252, Rn. 21 ff.) im Hinblick auf die Unterlassung schlagwortartiger Äußerungen folgendes ausgeführt:

„[21] Auch nach diesem Maßstab begegnet das angegriffene Urteil indes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte der Bundesgerichtshof den auf die Produkte der Beschwerdeführerin bezogenen Begriff »Gen-Milch« als substanzarme Äußerung ansehen und seine Verwendung hiervon ausgehend als zulässig beurteilen. Entgegen der Auffassung der Verfassungsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass einer auf die künftige Unterlassung einer Behauptung gerichteten Klage bereits dann stattzugeben ist, wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt aufweist und in einer der nicht fernliegenden Deutungsvarianten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt, weil dieses die Meinungsfreiheit des Äußernden im konkreten Fall überwiegt (vgl. BVerfGE 114, 339 <350> - Stolpe -). [22] Dies ändert aber nichts daran, dass es den Fachgerichten obliegt, zunächst zu ermitteln, ob ein derartiger Fall der Mehrdeutigkeit im zu entscheidenden Fall gegeben ist oder ob der Äußerung durch die gebotenen Auslegungsbemühungen ein eindeutiger Aussagegehalt beigemessen werden kann, weil theoretisch mögliche Deutungsalternativen sich am Maßstab des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten als fernliegend erweisen. Hinsichtlich der Deutung der Aussage lassen sich der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Maßgaben entnehmen. Von daher besteht insbesondere auch kein Anlass, in größerem Umfang als bisher zu der Annahme eines im Rechtssinne mehrdeutigen Aussagegehalts zu gelangen.

[23] Angesichts dessen ist die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Deutung des Begriffs »Gen-Milch« verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist - wie das angegriffene Urteil auch nicht verkennt - die Formulierung für sich genommen nicht eindeutig, sondern lässt eine Vielzahl von Verständnismöglichkeiten zu. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof hieraus aber nicht die von der Verfassungsbeschwerde geforderte Konsequenz gezogen, der weiteren rechtlichen Prüfung diejenige Deutungsvariante zugrunde zu legen, die die intensivste Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin darstellen würde. Dieses Vorgehen ist nämlich nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden (und insoweit dann aber mehrdeutig sind). Anders liegt es hingegen bei Äußerungen, die in einem Maße vieldeutig erscheinen, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden, wie dies häufig bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen der Fall sein wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <9 f.>), die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Rezeption weiterer Informationsquellen bieten sollen. In einem solchen Fall fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, zu auf falsche Sachaussagen gestützten Fehlvorstellungen der Rezipienten beizutragen. Die Meinungsfreiheit, die auch das Recht aufmerksamkeitserregender Zuspitzungen und polemisierender Pointierungen umfasst, steht hier einer Untersagung der Äußerung wegen ihrer Mehrdeutigkeit vielmehr entgegen.“

Die hier automatisch erstellte Suchwortvervollständigung der Beklagten kombiniert zwei Wörter, nämlich den Namen des Klägers und das Wort „bankrott“, die dem unvoreingenommenen, die Suchmaschine der Beklagten nutzenden Durchschnittsrezipienten verschiedene Möglichkeiten eröffnen, inhaltliche Zusammenhänge herzustellen oder ein Verständnis zu entwickeln.

Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält diesen jedenfalls für möglich. Denn aus dem „Ozean von Daten“ werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer“ liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - vielmehr auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16 - Autocomplete-Funktion). Dies führt im Streitfall dazu, dass dem bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers angezeigten Ergänzungssuchvorschlag „bankrott“ die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem namentlich Genannten und dem Begriff „bankrott“ bestehe ein sachlicher Zusammenhang bzw. eine Verbindung (so auch BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 13, 16 - Autocomplete-Funktion).

Es bleibt für den maßgeblichen Durchschnittsrezipienten aber erkennbar offen und unbestimmt, welcher Zusammenhang bestehen könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein verständiger Internetnutzer darüber bewusst ist, dass die vorgeschlagenen Suchoptionen das Ergebnis eines automatischen, technischen Vorgangs sind. Wesentlich bei der Beurteilung ist jedoch, dass ein Nutzer der Suchmaschine mit der angezeigten Kombination der Begriffe zunächst nichts anfangen kann. Er kann nicht beurteilen, ob der vorgeschlagene Begriff in Verbindung mit der Person steht, zu der er recherchiert hat, denn es ist denkbar, dass es mehrere Personen mit dem von dem Nutzer eingegebenen Namen gibt. Um sich hierüber Sicherheit zu verschaffen, muss er sich mit den zu der Kombination angezeigten Ergebnissen beschäftigen oder die Suchbegriffe ändern.

Dies zeigt bereits, dass der vorliegend angezeigten Suchoption keine eigenständige Behauptung zu entnehmen ist, sondern diese vielmehr Anlass für weitere Recherchen bietet. Selbst wenn der Nutzer davon ausgeht, dass die Person, zu der er die Suchanfrage gestattet hat, mit der ergänzenden Suchoptionen „bankrott“ grundsätzlich in Verbindung zu bringen ist, erhält er erkennbar keine Informationen, die über die Mitteilung der beiden Begriffe hinausgehen. Vielmehr stellt es sich für ihn als eine Art schlagwortartige Äußerung dar, die ihm wiederum Anlass geben kann, sich mit möglichen Suchergebnissen zu der Begriffskombination auseinanderzusetzen. Ob der Kläger direkt oder indirekt von einem „bankrott“ betroffen ist, ob er persönlich oder eines oder alle seiner Unternehmen „bankrott“ ist/sind, ob er zu diesem Themenkreis Informationen oder Leistungen anbietet oder publiziert, bleibt gänzlich offen, wobei die hier dargestellten Verständnismöglichkeiten der Begriffskombination nicht abschließend sind. Sie belegen jedoch, dass es sich um eine zwar vieldeutige, jedoch substanzarme Wortkombination handelt. Auf diese ist nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Gen-Milch-Entscheidung die Stolpe-Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 114, 339) nicht anzuwenden (so auch LG Hamburg, Urteil v. 18.01.2013 - 324 O 766/11 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 104 ff. d.A.); in diese Richtung weisend auch OLG Hamburg, Protokoll v. 29.03.2016 - 7 U 13/13 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 101 ff. d.A.); a.A. OLG Köln, Urteil vom 08.02.2014 - I-15 U 199/11 -, Rn. 43, juris).

Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Grundrechten des Klägers aus Art. 7, 8 und 16 GRCh und den Grundrechten der Beklagten aus Art. 11 und 16 GRCh sowie der Nutzer der Suchmaschine und der Öffentlichkeit (Art. 11 GRCh) ist zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass es für die Verbindung des Klägers mit einem „bankrott“ tatsächliche Anknüpfungstatsachen gibt und damit auch für die Kombination der beiden Begriffe.
[...]
Ferner ist im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers zu beachten, dass in dem in den Suchergebnissen der Beklagten angezeigten Beitrag gemäß der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) zulässig (s.o.) darüber berichtet wird, dass „X1 bankrott“ sei.

Auf Seiten der Nutzer der Beklagten und für die Öffentlichkeit besteht - wie obenstehend dargestellt - trotz der Löschung der Unternehmen weiterhin ein erhebliches diesbezügliches Informationsinteresse. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen und dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ bzw. insolvent gewesen ist. Denn dies ist - wie obenstehend dargestellt - ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den Unternehmen des Klägers.

Ebenfalls in die Abwägung ist einzustellen, dass der Name des Klägers ein Namensbestandteil vieler Unternehmen ist. Durch eine derartige Firmierungspraxis hat der Kläger das Risiko in Kauf genommen, dass er mit den Unternehmen in Verbindung gebracht wird und somit auch im Falle von möglichen Insolvenzen.

Auch bei der Beurteilung der Suchergänzungsfunktion der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zu deren Gunsten berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, Rn. 40) und insoweit auch die Suchergänzungsfunktion einen nützlichen Beitrag zur Recherche leistet.

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Autocomplete-Funktion - Klage gegen Google zurückgewiesen

Es besteht kein Anspruch eines Unternehmers gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung seines Namens mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion.

Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzelfallumständen zulässig sein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung einen Unterlassungsanspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion sei erkennbar unbestimmt und enthalte keine eigenständige Behauptung. Der Nutzer wisse, dass es automatisch generiert werde. Konkrete Bedeutung erlange die Kombination erst nach weiteren Recherchen, begründete das OLG seine Entscheidung.

Der Kläger ist Inhaber einer Unternehmensgruppe, die auf dem Gebiet des Innendesigns von Hotels tätig ist. Die Beklagte betreibt u.a. die Internetsuchmaschine Google. Bei Eingabe von Vor- und Nachnamen des Klägers erscheint über die Autocomplete-Funktion als Suchergänzungsvorschlag „bankrott“. Hintergrund ist, dass zwei zur Unternehmensgruppe des Klägers gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Steuerbehörden insolvent und später wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurden. Ein konkret auf den Kläger bezugnehmender Webseiteneintrag stammt von einem Inkassounternehmen, welches ein Geschäftspartner der Unternehmensgruppe mit dem Einzug einer Forderung beauftragt hatte.

Der Kläger wendet sich sowohl gegen die Anzeige des Suchergänzungsvorschlags „bankrott“ als auch gegen die Anzeige und Verlinkung auf die Webseite mit der URL, die sich auf die Zahlungsfähigkeit bezieht. Das Landgericht hatte die Beklagte verpflichtet, den über die Autocomplete-Funktion generierten Sucherergänzungsvorschlag nicht mehr anzuzeigen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der Datenschutzgrundverordnung (i.F.: DS-GVO). Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten.

Ob ein Löschungsanspruch bestehe, sei grundsätzlich auf Basis einer umfassenden Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Abzuwägen seien auf Seiten des Klägers die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, des Schutzes personenbezogener Daten und der unternehmerischen Freiheit; auf Seiten der Beklagten das Recht auf unternehmerische Freiheit und freie Meinungsäußerung. Zu berücksichtigen seien auch die Zugangsinteressen der Internetnutzer und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen.

Gewicht erlange hier, dass die Bedeutung des nach Eingabe des Namens erscheinenden Suchvorschlags „bankrott“ erkennbar offenbleibe und unbestimmt sei. Einem verständigen Internetnutzer sei bewusst, dass der Suchvorschlag Ergebnis eines automatischen Vorgangs sei. Der Nutzer könne mit der angezeigten Kombination zunächst „nichts anfangen“. Der angezeigten Kombination selbst sei keine eigenständige Behauptung zu entnehmen. Sie sei allein Anlass für weitere Recherchen. Selbst wenn der Nutzer eine Verbindung zwischen dem Kläger und dem Begriff „bankrott“ herstellen würde, wäre offen, wie diese Verbindung inhaltlich auszugestalten wäre. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass es tatsächliche Anknüpfungstatsachen für die Verbindung des Namens mit dem Begriff „bankrott“ gebe.

Entgegen der Ansicht des Klägers beschränke sich der Begriff „bankrott“ auch nicht auf den strafbewehrten Vorwurf des § 283 StGB. Er finde vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz Verwendung.

Die Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin auch die Auslistung des Suchergebnisses in Form der konkreten URL begehrte, hatte dagegen keinen Erfolg. Die betroffenen Grundrechte des Klägers hätten hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Informationszugang zurückzutreten, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.4.2023, Az. 16 U 10/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt Main, Urteil vom 1.12.2021, Az. 2-34 O 37/21)



EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich

EuGH
Urteil vom 08.12.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC


Der EuGH hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO (Recht auf Vergessenwerden) aus dem Suchindex entfernen muss. Dabei muss der Betroffene zum Nachweis der Unrichtigkeit keine gerichtliche Entscheidung gegen den eigentlichen Websitebetreiber, auf dessen Website der gerügte Inhalt veröffentlicht wird, erwirken.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

ist dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche der Link zu einem Inhalt, der Behauptungen enthält, die von der die Auslistung begehrenden Person für unrichtig gehalten werden, gelöscht wird, diese Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in den Ergebnissen einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden und diese Person darstellen, gelöscht werden, dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts) - Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“): Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass sich dieser Nachweis aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die gegen den Herausgeber der Website erwirkt wurde.

Zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften forderten Google auf, aus den Ergebnissen einer anhand ihrer Namen durchgeführten Suche die Links zu bestimmten Artikeln auszulisten, die das Anlagemodell dieser Gruppe kritisch darstellten. Sie machen geltend, dass diese Artikel unrichtige Behauptungen enthielten. Ferner forderten sie Google auf, dass Fotos von ihnen, die in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) angezeigt werden, in der Übersicht der Ergebnisse einer anhand ihrer Namen durchgeführten Bildersuche gelöscht werden. In dieser Übersicht wurden nur die Vorschaubilder als solche angezeigt, ohne die Elemente des Kontexts der Veröffentlichung der Fotos auf der verlinkten Internetseite wiederzugeben.

Anders ausgedrückt, wurde bei der Anzeige des Vorschaubildes der ursprüngliche Kontext der Veröffentlichung der Bilder nicht benannt und war auch im Übrigen nicht erkennbar.

Google lehnte es ab, diesen Aufforderungen Folge zu leisten, und zwar unter Hinweis auf den beruflichen Kontext dieser Artikel und Fotos sowie unter Berufung darauf, nicht gewusst zu haben, ob die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig seien.

Der mit diesem Rechtsstreit befasste deutsche Bundesgerichtshof hat den Gerichtshof darum ersucht, die Datenschutz- Grundverordnung, die u. a. das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) regelt, und die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen.

In seinem heutigen Urteil erinnert der Gerichtshof daran, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss. So sieht die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich vor, dass das Recht auf Löschung ausgeschlossen ist, wenn die Verarbeitung u. a. für die Ausübung des Rechts auf freie Information erforderlich ist.

Die Rechte der betroffenen Person auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegen im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben. Der Ausgleich kann aber von den relevanten Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Art dieser Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Allerdings kann das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information dann nicht berücksichtigt werden, wenn zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist.

Was zum einen die Verpflichtungen der Person, die wegen eines unrichtigen Inhalts die Auslistung begehrt, anbelangt, betont der Gerichtshof, dass dieser Person der Nachweis obliegt, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diese Informationen nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Beweise beizubringen, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können. Insoweit kann diese Person grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium eine – auch in Form einer im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes ergangene – gerichtliche Entscheidung vorzulegen, die gegen den Herausgeber der betreffenden Website erwirkt wurde.

Was zum anderen die Verpflichtungen und den Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine anbelangt, führt der Gerichtshof aus, dass sich dieser Betreiber infolge eines Auslistungsbegehrens auf alle betroffenen Rechte und Interessen sowie auf alle Umstände des Einzelfalls zu stützen hat, um zu prüfen, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann. Gleichwohl ist dieser Betreiber nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist.

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine dann, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihr Begehren stützen können und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen offensichtlich unrichtig sind, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag nachzukommen. Dies gilt umso mehr, wenn diese Person eine gerichtliche Entscheidung vorlegt, die das feststellt.

Dagegen ist bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung dieser Betreiber, wenn sich aus den von der betroffenen Person vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig sind, nicht verpflichtet, einem solchen Auslistungsantrag stattzugeben.

Allerdings muss sich die Person, die in einem solchen Fall die Auslistung begehrt, an die Kontrollstelle oder das Gericht wenden können, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Ferner verlangt der Gerichtshof von dem Betreiber der Suchmaschine, dass er die Internetnutzer über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren informiert, in dem die Frage geklärt werden soll, ob in einem Inhalt enthaltene Informationen unrichtig sind, sofern dem Betreiber dieses Verfahren zur Kenntnis gebracht worden ist.

In Bezug auf die Anzeige der Fotos in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) betont der Gerichtshof, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige von Fotos der betroffenen Person in Gestalt von Vorschaubildern einen besonders starken Eingriff in die Rechte dieser Person auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten dieser Person darstellen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er in Bezug auf in Gestalt von Vorschaubildern angezeigte Fotos mit einem Auslistungsantrag befasst wird, prüfen muss, ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, das den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos haben. Insoweit stellt der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse einen entscheidenden Gesichtspunkt dar, der bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte zu berücksichtigen ist.

Der Gerichtshof stellt klar, dass eine unterschiedliche Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interesse vorzunehmen ist: Einerseits dann, wenn es sich um Artikel handelt, die mit Fotos versehen sind, die in ihrem ursprünglichen Kontext die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen und die dort zum Ausdruck gebrachten Meinungen veranschaulichen, und andererseits dann, wenn es sich um Fotos handelt, die in Gestalt von Vorschaubildern in der Ergebnisübersicht außerhalb des Kontexts angezeigt werden, in dem sie auf der ursprünglichen Internetseite veröffentlicht worden sind. Im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der in Gestalt von Vorschaubildern angezeigten Fotos kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ihrem Informationswert unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, Rechnung zu tragen ist. Allerdings ist jedes Textelement zu berücksichtigen, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG München: Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO umfasst auch einen Anspruch auf Unterlassung der zukünftigen Verarbeitung der gelöschten Daten

OLG München
Urteil vom 22.03.2022
18 U 1697/21 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass der Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO auch einen Anspruch auf Unterlassung der zukünftigen Verarbeitung der gelöschten Daten umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin kein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO darauf zu, dass die Beklagte es unterlässt, die private Anschrift der Klägerin oder deren Telefonnummer zu veröffentlichen, wenn dies geschieht wie im Februar 2020 unter der URL https://www. …

1. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass Art. 17 DS-GVO dem Betroffenen im Einzelfall auch einen Unterlassungsanspruch gewähren kann. Der gegenteiligen Rechtsansicht der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Der Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO schließt den Anspruch darauf ein, dass die gelöschten Daten nicht erneut verarbeitet werden. Hat der Verantwortliche - wie die Beklagte im vorliegenden Fall - die personenbezogenen Daten bereits gelöscht, kann bei Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr der auf Unterlassung künftiger Verarbeitung gerichtete Anspruch selbständig geltend gemacht werden.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 27.07.2020 (Az: VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285) bereits entschieden, dass ein auf dauerhafte Auslistung beanstandeter Suchergebnisse gerichtetes Rechtsschutzbegehren grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfasst wird. Dem steht nicht entgegen, dass die technische Umsetzung eines solchen Begehrens sich unter Umständen nicht im einmaligen Löschen von Daten erschöpft, sondern weitere Maßnahmen erfordert, um die erneute Indexierung der beanstandeten Information unter dem fraglichen Suchbegriff zu verhindern.

Der Begriff der Löschung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ist autonom auszulegen. Das in der Vorschrift niedergelegte „Recht auf Löschung“ ist schon aufgrund der für den Betroffenen letztlich unwägbaren und zudem stetem Entwicklungsfortschritt unterworfenen technischen Voraussetzungen der beanstandeten Datenverarbeitung nicht auf das schlichte Löschen von Daten zu verengen, sondern - entsprechend der zielorientierten weiteren Artikelüberschrift - als „Recht auf Vergessenwerden“ normativ zu verstehen, so dass ihm auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 17, zit. nach juris). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war das Rechtsschutzziel des damaligen Klägers im Übrigen ausdrücklich als Unterlassungsbegehren formuliert worden (vgl. a.a.O., Rn. 1).

b) Die Beklagte führt selbst aus, dass das Recht auf Löschung personenbezogener Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO in die Zukunft wirkt und einen Anspruch darauf gewährt, dass die gelöschten Daten nicht mehr verarbeitet werden dürfen (Berufungsbegründung, S. 3 f. = Bl. 83 f. d.A.). Da gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO der Verantwortliche nach einem Widerspruch des Betroffenen nicht mehr verarbeiten dürfe und gemäß Art. 6 Abs. 1 DS-GVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei, bedeute dies im Umkehrschluss, dass eine Verarbeitung auch zukünftig nicht mehr erfolgen dürfe (a.a.O., S. 3 f. = Bl. 83 f. d.A.). Es erschließt sich nicht, warum es dem Betroffenen verwehrt sein sollte, dieses Verbot durch Erhebung einer Unterlassungsklage titulieren zu lassen, wenn der Verantwortliche dem Löschungsbegehren bereits entsprochen hat, aber eine Wiederholungsgefahr zu bejahen ist.

2. Im vorliegenden Fall fehlt es aber sowohl an der Störereigenschaft der Beklagten als auch an der für einen Unterlassungsanspruch konstitutiven Wiederholungsgefahr. Denn die von der Klägerin beanstandete Datenverarbeitung - die Wiedergabe ihrer Privatanschrift und Telefonnummer unter den „Local Listings“ - war jedenfalls bis zum Löschungsverlangen der Klägerin, dem die Beklagte unverzüglich nachkam, rechtmäßig gewesen.

Als Betreiberin einer Suchmaschine ist die Beklagte nicht von sich aus zu einer proaktiven Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285, Rn. 19 m.w.N.). Störerin kann die Beklagte erst werden, wenn sie durch Benennung der konkret beanstandeten Ergebnislinks und eine zusammenhängende Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts und der daran geknüpften rechtlichen Erwägungen in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus Sicht des Betroffenen vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und zur Löschung aufgefordert wird (vgl. BGH a.a.O.). Kommt sie der Aufforderung unverzüglich nach, fehlt es an einer rechtswidrigen Beeinträchtigung, welche die Störereigenschaft - und die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl. Grüneberg-Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1004 Rn. 32 m.w.N.) - begründen könnte.

a) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter anderem dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten gilt nicht uneingeschränkt, sondern muss - wie im vierten Erwägungsgrund der Datenschutz-Grundverordnung ausgeführt - im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (BGH, Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285, Rn. 23, zit. nach juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 24.09.2019 - C-136/17, NJW 2019, 3503, Rn. 57). Diese Grundrechtsabwägung ist auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits, der Grundrechte des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen, der Interessen seiner Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits umfassend vorzunehmen (BGH a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).

Im Hinblick auf die in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung muss die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen, unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO), ob die Verarbeitung speziell der Daten des Betroffenen aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 lit. g DS-GVO) oder ob der Verantwortliche zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, welche die Interessen, Rechte und Freihei18 U 1697/21 Pre - Seite 5 - ten des Betroffenen überwiegen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO) (vgl. BGH a.a.O., Rn. 24 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 24.09.2019 - C-136/17, NJW 2019, 3503, Rn. 59, 66; Urteil vom 13.05.2014 - C-131/12, NJW 2014, 2257, Rn. 76).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind im Bereich der unionsrechtlich vollständig vereinheitlichten Regelungen nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich (BGH a.a.O., Rn. 25 unter Verweis auf BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 34 - Recht auf Vergessen II). Der Senat hat bereits im Berufungstermin darauf hingewiesen, dass der Hinweisbeschluss vom 10.02.2022 (Bl. 94/99 d.A.), in dem er die Grundrechte der Parteien nach dem Grundgesetz fallbezogen gegeneinander abgewogen hatte, in diesem Punkt zu korrigieren ist.

b) Im vorliegenden Fall sind auf Seiten der Klägerin deren Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh in die Abwägung einzustellen. Das Interesse der Beklagten, im Rahmen des von ihr betriebenen Geolokalisierungsdienstes ihren Nutzern unter den „Local Listings“ Kontaktinformationen zu dem jeweiligen Ort zur Verfügung zu stellen, wird durch ihr Grundrecht auf unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 GRCh geschützt.

Für das Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung kommt im vorliegenden Fall dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, dass die Beklagte die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht nur allgemein zugänglichen Quellen, sondern sogar der eigenen Internetpräsenz der Klägerin entnommen hat. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten hatte die Klägerin jedenfalls im Zeitraum von September 2013 bis August 2018 im Impressum ihres Internetauftritts eben jene Anschrift und Telefonnummer angegeben, deren Veröffentlichung sie der Beklagten nunmehr untersagen will (vgl. Anlage B 2). Die Beklagte durfte deshalb zunächst davon ausgehen, dass die Klägerin kein Interesse an der Geheimhaltung der von ihr selbst veröffentlichten Kontaktdaten hatte, sondern vielmehr mit deren Aufnahme in die „Local Listings“ einverstanden war.

c) Eine Pflicht zur unverzüglichen Löschung der streitgegenständlichen personenbezogenen Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO traf die Beklagte deshalb allenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem sie von der Klägerin zur Löschung aufgefordert worden war. Da aufgrund des Vorbringens der Parteien davon auszugehen ist, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Einträge auf Verlangen der Klägerin unverzüglich gelöscht hat, kann im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen, ob der Klägerin ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf deren Löschung zustand.

aa) Einen Widerspruch im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c DS-GVO gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch die Beklagte hat die Klägerin erst mit Anwaltsschreiben vom 07.05.2020 (Anlage K 2) erhoben, mit dem sie die Beklagte unter anderem aufgefordert hat, die Veröffentlichung ihrer privaten Anschrift und ihrer privaten Telefonnummer zu unterlassen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten ist ihr dieses Schreiben am 14.05.2020 per Telefax zugegangen (vgl. Klageerwiderung, S. 5 = Bl. 19 d.A.).

bb) Die E-Mail der Klägerin vom 13.02.2020 (Anlage K 1) hatte dagegen keine Prüfungspflichten der Beklagten ausgelöst, weil die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass diese E-Mail der Beklagten zugegangen ist oder die Beklagte sich so behandeln lassen muss, als ob sie die E-Mail erhalten hätte.

Die Beklagte behauptet, dass die E-Mail vom 13.02.2020 ausweislich des von der Klägerin verwendeten Antragsformulars nicht an sie, sondern an die G. LLC gegangen sei. Dabei handele es sich um ein selbständiges Unternehmen, mit dem die Beklagte lediglich im Konzern der Alphabet Inc. verbunden sei (vgl. Klageerwiderung, S. 4 = Bl. 18 d.A.; Schriftsatz vom 21.12.2020, S. 2 = Bl. 32 d.A.).

Die Klägerin bestreitet dies nicht, hält den Einwand aber für unbeachtlich, weil sich das sogenannte „Local Listing“ auch für einen erfahrenen Benutzer der von der Beklagten betriebenen Suchmaschine als ein - wenn auch besonders hervorgehobenes - Suchergebnis darstelle. Für den Benutzer sei in keiner Weise erkennbar, dass es sich dabei um einen vermeintlich nicht von der Beklagten verbreiteten Inhalt handeln solle, auf den sich das von der Beklagten bereitgestellte Formular angeblich nicht beziehe. Selbst wenn es sich so verhielte, müsste die Beklagte aber Vorsorge dafür treffen, dass Datenschutz-Beschwerden, die unter Verwendung des Formulars eingereicht würden, intern entsprechend zugeordnet und bearbeitet würden (Schriftsatz vom 10.12.2020, S. 2 = Bl. 26 d.A.).

Mit diesen Ausführungen verkennt die Klägerin, dass die Beklagte nicht ihre Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung der „Local Listings“ bestreitet, sondern den Erhalt der - an eine andere juristische Person gerichteten - E-Mail vom 13.02.2020. Eine Organisationspflicht der Beklagten, sicherzustellen, dass an andere juristische Personen des Konzerns gerichtete E-Mails ihr zeitnah zugeleitet werden, ist nicht ersichtlich. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag ist die Beklagte nicht die Muttergesellschaft des Konzerns (vgl. Schriftsatz vom 23.02.2021, S. 2 = Bl. 36 d.A.). Ihr obliegen deshalb auch keine Koordinationspflichten hinsichtlich der einzelnen zum Konzern gehörenden Unternehmen.

Die Klägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte durch eine irreführende Gestaltung ihrer Formulare oder sonstiger Mitteilungen in zurechenbarer Weise eine Ursache gesetzt hatte, dass die Klägerin sich mit ihrer E-Mail vom 13.02.2020 an die unzuständige G. LLC gewandt hat. Dagegen spricht nicht zuletzt der Umstand, dass das Anwaltsschreiben vom 07.05.2020 (Anlage K 2) zutreffend an die Beklagte („G. Ireland Ltd.“) gerichtet ist.

cc) Auf das Anwaltsschreiben vom 07.05.2020 hin hat die Beklagte unstreitig den streitgegenständlichen Eintrag unter den „Local Listings“ gelöscht. Dass die Beklagte auf die Aufforderung verspätet reagiert hätte, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt.

Das in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO verwendete Wort „unverzüglich“ bedeutet nach der für das deutsche Recht maßgeblichen Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Anhaltspunkte dafür, dass das Wort im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung einen anderen Sinngehalt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Der Beklagten ist grundsätzlich eine angemessene Prüfungsfrist zuzubilligen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann zu deren Konkretisierung regelmäßig die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 NetzDG geregelte Frist zur Entfernung rechtswidriger Inhalte nach Eingang einer Beschwerde herangezogen werden. Danach muss ein rechtswidriger Inhalt - von dem hier nicht einschlägigen Sonderfall eines offensichtlich rechtswidrigen Inhalts abgesehen - innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde entfernt werden.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie auf die Löschungsaufforderung der Klägerin vom 07.05.2020 verspätet reagiert hätte. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten ist ihr die Aufforderung erst am 14.05.2020 zugegangen. Ihre Antwort, in der sie die Prüfung der Beanstandung der Klägerin ankündigt, datiert vom 19.05.2019 (Anlage K 3). In der Folgezeit wurde der streitgegenständliche Eintrag unstreitig gelöscht. Da die Klägerin den konkreten Zeitpunkt der Löschung nicht mitteilt, ist zugunsten der Beklagten zu unterstellen, dass die Löschung jedenfalls innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Löschungsaufforderung bei der Beklagten erfolgt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex richtet sich nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und erfordert Abwägung aller Umstände des Einzelfalls - Recht auf Vergessenwerden

BGH
Urteil vom 03.05.2022
VI ZR 832/20
DSGVO Art. 17


Der BGH hat entschieden, dass sich der Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO richtet und eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erfordert.

Leitsatz des BGH:
Zu den Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes nach Art. 17 DS-GVO.

BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 - VI ZR 832/20 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe

Aus den Entscheidungsgründen:

"I. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, sondern ausschließlich aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ergeben.

Die Datenschutz-Grundverordnung ist zeitlich, sachlich und räumlich anwendbar (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 12 ff.). Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt insoweit aus Art. 79 Abs. 2 DS-GVO (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 16). Das auf dauerhafte Auslistung gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfasst (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 17). Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch hingegen nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 64).

II. Der Kläger hat auf der Grundlage des im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung des streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO, da die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung nach den relevanten Umständen des Streitfalls nicht zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f, Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Suchmaschinenbetreiber Google muss bei Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 07.04.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts)


Der EUGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Suchmaschinenbetreiber (hier: Google) bei einem Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus dem Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pitruzzella ist der Auffassung, dass ein auf die angebliche Unrichtigkeit der Informationen gestützter Antrag auf Auslistung den Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, die Überprüfungen vorzunehmen, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallen.

Des Weiteren darf im Rahmen eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche nur der Informationswert der Bilder als solcher berücksichtigt werden.

TU und RE erhoben gegen die Google LLC Klage und beantragten zum einen die Auslistung bestimmter Links, die in den Ergebnissen der Suchen über die von der Google LLC betriebene Suchmaschine angezeigt wurden. Die Links beziehen sich auf im Internet veröffentliche Artikel eines Dritten, in denen TU und RE genannt werden. Zum anderen beantragten sie die Unterlassung der Anzeige von Fotos, die mit diesen Artikeln in Form von Vorschaubildern verbunden sind. TU ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. RE war die Lebensgefährtin von TU und bis Mai 2015 Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Website g-net erschienen drei Artikel, in denen kritische Meinungen und Zweifel hinsichtlich der Seriosität des Anlagemodells verschiedener dieser Gesellschaften zum Ausdruck gebracht wurden und von denen einer mit vier Fotos bebildert war, auf denen TU und RE am Steuer von Luxus-Autos, in einem Hubschrauber und vor einem Charterflugzeug gezeigt wurden, was den Eindruck erwecken konnte, dass sie in fremdfinanziertem Luxus schwelgten. TU und RE forderten die Google LLC auf, die fraglichen Artikel auszulisten, die ihrer Auffassung nach unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten, die auf unwahren Tatsachen beruhten, und die Vorschaubilder aus der Ergebnisliste der Suche zu entfernen.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die erste Frage betrifft die Besonderheit der Funktion von Suchmaschinen und das Spannungsverhältnis, das sie zwischen den Grundrechten aus den Art. 7,8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union1 erzeugt, in einem vom Gerichtshof noch nicht geprüften Szenarium, nämlich dem, dass die betroffene Person die Richtigkeit der verarbeiteten Daten bestreitet und aus diesem Grund die Auslistung der Links verlangt, die auf von Dritten herausgegebene Inhalte verweisen, in denen diese Daten enthalten sind. Die zweite Frage betrifft die Notwendigkeit, bei der Prüfung eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche den Inhalt der Website, in die das betreffende Foto eingefügt ist, zu berücksichtigen.

In seinen heute vorgelegten Schlussanträgen untersucht Generalanwalt Pitruzzella zunächst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Verpflichtungen, die einem Suchmaschinenbetreiber obliegen, und arbeitet dabei vier Eckpunkte heraus.

Zunächst erläutert er, welche Verpflichtungen dem Betreiber einer Suchmaschine bei der Behandlung eines Antrags auf Auslistung obliegen, wenn dieser auf die nicht durch Beweise untermauerte Behauptung gestützt wird, dass einige der in dem gelisteten Inhalt enthaltene Informationen unrichtig seien.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten keinen absoluten Charakter hätten. Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten müsse im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Dabei sei das Recht, zu informieren, angemessen zu gewichten. Soweit in dem Fall, dass die betroffene Person eine öffentliche Rolle habe, das Recht, zu informieren, und das Recht auf Information Vorrang hätten, kehre sich dies dann um, wenn sich die Informationen, die Gegenstand des Auslistungsantrags seien, als unrichtig herausstellten.
Denn die Richtigkeit der Daten stelle nicht nur eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten dar, sondern dieses Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit könne in seiner zweifachen, aktiven und passiven, Bedeutung, wenn es sich um eine unrichtige Information handele, auch nicht auf der gleichen Ebene stehen wie die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. In diesem Fall kommt nach Auffassung des Generalanwalts ein vorrangiges Kriterium zum Tragen, das in einem der Grundwerte der Europäischen Union wurzelt, nämlich dem der in Art. 1 der Charta der Grundrechte verbürgten Menschenwürde. Eine unrichtige
Information verletze nicht nur das Grundrecht der Person, auf die sich der Schutz personenbezogener Daten beziehe, sondern beeinträchtige ihre Würde, da sie auf einer unrichtigen Darstellung beruhe und eine Verfälschung ihrer Identität bewirke, die heute vor allem im Netz definiert werde.

Wenn Zweifel an der Richtigkeit der vom Suchmaschinenbetreiber verarbeiteten Information bestünden, stelle sich die Frage der Abwägung der betroffenen Grundrechte daher ganz besonders, zumindest in dem Stadium, in dem die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Information noch nicht festgestellt worden sei. Zwar könne der Suchmaschinenbetreiber nicht verpflichtet
werden, die gespeicherten Inhalte einer allgemeinen Kontrolle in Bezug auf deren Richtigkeit zu unterziehen; aufgrund seiner besonderen Verantwortung, die mit seiner Funktion eines „gatekeeper“ der Information verbunden sei, müsse er jedoch eine aktive Rolle bei der Löschung der Ergebnisse der Suche nach Inhalten spielen, in denen unrichtige personenbezogene Daten
enthalten seien.

Allerdings schließt der Generalanwalt aus, dass eine Auslistung allein auf der Grundlage des bloß einseitigen Antrags des Betroffenen vorgenommen werden kann, ebenso wie er es ausschließt, dass von dem Betroffenen verlangt werden kann, sich an den Herausgeber der Webseite zu wenden, um die Entfernung des angeblich unrichtigen Inhalts zu verlangen. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass der Betroffene verpflichtet sei, die Umstände anzugeben, auf die der Antrag gestützt wird, und einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig seien. Der Suchmaschinenbetreiber müsse demgegenüber die Überprüfungen durchführen, mit denen die Begründetheit des Antrags
bestätigt oder nicht bestätigt werde und die sich im Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten hielten. Dabei habe er, wenn möglich, den Herausgeber der gelisteten Website zu kontaktieren, und dann darüber zu entscheiden, ob er dem Auslistungsantrag stattgebe oder nicht. Wenn sich der Inhalt auf eine Person beziehe, die eine öffentliche Rolle habe, müsse
sich die Entscheidung für die Auslistung auf besonders aussagekräftige Bestätigungen für die Unrichtigkeit der Informationen stützen. Schließlich könne der Suchmaschinenbetreiber, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen ließen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger der Informationen bestritten werde.

Hinsichtlich der Antwort auf die zweite Frage stellt der Generalanwalt fest, dass für namensbezogene Bildersuchen über eine Internetsuchmaschine dieselben Regeln gelten wie für Websuchen und dass der Suchmaschinenbetreiber mit der Zusammenstellung von im Internet veröffentlichten Fotos von natürlichen Personen und der Wiedergabe dieser Fotos einen
Dienst anbiete, bei dem er eine eigenständige Verarbeitung personenbezogener Daten vornehme, die sowohl von der des Herausgebers der Website, von der die Fotos entnommen seien, als auch von derjenigen der Listung dieser Website verschieden sei.

Nach Auffassung des Generalanwalts ist bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos vorzunehmen sei, nur der Informationswert der Fotos als solcher zu berücksichtigen, unabhängig von dem Inhalt, in den sich diese Fotos auf der Webseite, von der sie entnommen worden seien, einfügten.

Angesichts des Umstands, dass das Bild einer Person eines der Hauptmerkmale ihrer Persönlichkeit sei, komme dem Schutz des Rechts der Person auf Vertraulichkeit in diesem Kontext besondere Bedeutung zu, da die Fotos besonders persönliche Informationen vermitteln könnten.

Schlussanträge:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des BGH wie folgt zu antworten:

1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus den Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen der Prüfung eines Auslistungsbegehrens gegen den Betreiber einer Suchmaschine, das auf der Grundlage erhoben wird, dass die in dem indexierten Inhalt enthaltenen Informationen unrichtig seien, vorzunehmen ist, nicht maßgeblich darauf abgestellt werden kann, ob der Betroffene in zumutbarer Weise, z. B. durch eine einstweilige Verfügung, Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen kann. Im Rahmen eines solchen Antrags obliegt es dem Betroffenen, einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig sind, wenn dies, insbesondere in Bezug auf die Art der in Rede stehenden Informationen, nicht offensichtlich unmöglich oder übermäßig schwer ist. Es ist Sache des Suchmaschinenbetreibers, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallenden Überprüfungen in Bezug auf die behauptete Unrichtigkeit der verarbeiteten Daten durchzuführen und so weit wie möglich mit dem Herausgeber der indexierten Webseite in Kontakt zu treten. Der Suchmaschinenbetreiber kann, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen lassen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger Informationen, die in dem Inhalt enthalten sind, zu dem der fragliche Link führt, bestritten wird.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos, die eine natürliche Person darstellen, aus den Ergebnissen einer mit dem Namen dieser Person durchgeführten Bildersuche vorzunehmen ist, der Kontext der Veröffentlichung im Internet, in dem diese Fotos ursprünglich erscheinen, nicht zu berücksichtigen ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


BGH: Anspruch auf Löschung einer vom Betroffenen selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans

BGH
Urteil vom 28.09.2021
VI ZR 1228/20
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass auch bei einer vom Betroffenen selbst erwirkten Gegendarstellung ein Anspruch auf Löschung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans bestehen kann.

Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans, wenn auch die unzulässige Erstmitteilung dort nicht mehr zum Abruf vorgehalten wird.

BGH, Urteil vom 28. September 2021 - VI ZR 1228/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Zur Zulässigkeit von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans - Haftung des Inhalteanbieters nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers

BGH
Urteil vom 22.09.2020
VI ZR 476/19
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1


Der BGH hat sich erneut mit der Zulässigkeit von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans befasst und dabei ausgeführt, dass die Haftung des Inhalteanbieters nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers ist.

Leitsatz des BGH:

Zur Zulässigkeit des Vorhaltens von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17).

BGH, Urteil vom 22. September 2020 - VI ZR 476/19 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Aus den Entscheidungsgründen:

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Artikel aus den Jahren 1982 und 1983 zum Abruf im Internet sei rechtswidrig, wird durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bereithalten der Artikel einen Eingriff in den Schutzbereich des durch § 823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 9 mwN). Es hat zu Recht angenommen, dass dem Eingriff angesichts der durch das Internet ermöglichten allgemeinen Verfügbarkeit der Artikel, die bereits bei einer bloßen Eingabe des Namens des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine an erster Stelle der Ergebnisliste erscheinen, eine ganz erhebliche Intensität zukommt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 146 ff.).

2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat indes nicht beurteilen, in welchem Maße die Interessen der Beklagten hinter dem Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten haben.

a) Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Onlinearchiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit im Ausgangspunkt anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsverlangens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 115 f., 127; NJW 2020, 1793 Rn. 10). Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten (BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 10).

Steht - wie vorliegend - die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Berichterstattung nicht im Streit, ist insbesondere die Schwere der aus der trotz der verstrichenen Zeit andauernden Verfügbarkeit der Information drohenden Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 121, 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 16 mwN), die Einbindung zurückliegender Ereignisse in eine Folge weiterer hiermit einen Zusammenhang bildender Vorkommnisse sowie das zwischenzeitliche Verhalten des Betroffenen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 107, 109, 122 f.; BVerfG, AfP 2020, 307 Rn. 20; Senatsurteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17, NJW 2018, 3509 Rn. 14 mwN), die fortdauernde oder verblassende konkrete Breitenwirkung der beanstandeten Presseveröffentlichung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 114, 124 f., 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 24 mwN), die Priorität, mit der die Information im Netz von Suchmaschinen kommuniziert wird (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 125) sowie das generelle Interesse der Allgemeinheit an einer dauerhaften Verfügbarkeit einmal zulässig veröffentlichter Informationen und das grundrechtlich geschützte Interesse von Inhalteanbietern an einer grundsätzlich unveränderten Archivierung und Zurverfügungstellung ihrer Inhalte (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 112 f., 121, 130; EGMR, NJW 2020, 295 Rn. 90; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 25 mwN) angemessen zu berücksichtigen (vgl. auch
BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).

Für den Interessenausgleich zwischen den Medien und dem Betroffenen sind zudem mögliche Abstufungen hinsichtlich der Art der Schutzgewähr in die Betrachtung einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist, wieweit dem Betreiber eines Onlinearchivs Mittel zu Gebote stehen, zum Schutz des Betroffenen auf die Erschließung und Verbreitung der Berichte im Netz Einfluss zu nehmen (Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 ff.). Solche Schutzmaßnahmen sind den Medien nicht grundsätzlich unzumutbar; sie dürfen technische Anstrengungen und Kosten mit sich bringen. Anzustreben ist ein Ausgleich, der einen ungehinderten Zugriff auf den Originaltext möglichst weitgehend erhält, diesen auf besonderen (wie hier) Schutzbedarf hin - insbesondere gegenüber namensbezogenen Suchabfragen mittels Suchmaschinen - aber einzelfallbezogen doch hinreichend begrenzt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 128 ff., 139, 153; vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).

b) Eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich. Das Berufungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf aus der Schwere der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung abgeleitet. Diese entsteht für den Kläger dadurch, dass trotz der seit den Straftaten verstrichenen langen Zeit jeder, der den Namen des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine eingibt, davon erfährt, so dass ein In-Vergessenheit-Geraten nicht möglich ist. Offen geblieben ist aber, ob und auf welchem
Wege es der Beklagten möglich und zumutbar ist, lediglich die Auffindbarkeit der Artikel über Internet-Suchmaschinen zu unterbinden oder einzuschränken. Eine abschließende Gewichtung der widerstreitenden Rechtspositionen nach den obigen Grundsätzen ist nicht möglich, solange dies nicht geklärt ist. Die generelle Untersagung des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf im Onlinearchiv geht über das zur Wahrung der Rechte des Klägers Erforderliche hinaus, falls die Beklagte dessen Auffindbarkeit ausschließen oder (beispielsweise unter Berücksichtigung von Suchbegriffen) einschränken könnte. Das würde umso mehr gelten, wenn die Beklagte die Voraussetzungen der Zugänglichmachung der Artikel durch Internet-Suchmaschinen kontrollieren könnte (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 f. mwN).

c) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der geltend gemachte Anspruch nicht schon daran, dass der Kläger die Suchmaschinenbetreiber nicht auf Auslistung der bei einer namensbezogenen Suche angezeigten und auf die streitgegenständlichen Artikel hinführenden Ergebnislinks in Anspruch genommen hat. Die Haftung des Inhalteanbieters ist nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers. Im Gegenteil kann in einer Konstellation wie der vorliegenden über den Antrag eines Betroffenen auf Unterlassung des Bereitstellens von Suchnachweisen gegenüber einem Suchmaschinenverantwortlichen nicht ohne Berücksichtigung der Frage entschieden werden, ob und wieweit der Inhalteanbieter gegenüber den Betroffenen zur Verbreitung der Information berechtigt ist (BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 109 mwN; Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 35). Da bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Berichts durch die Beklagte dessen Wirkung für den Kläger im Internet in der Abwägung mit zu berücksichtigen ist, muss die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verbreitung auch die Entscheidung gegenüber den Suchmaschinenverantwortlichen anleiten (Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 38).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Vorlagebeschluss an EuGH zum Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO

BGH
Beschluss vom 27.07.2020
VI ZR 476/18
EU-Grundrechtecharta Art. 7, 8, 11, 16; DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex richtet sich nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und erfolgt nach umfassender Grundsrechtsabwägung - Recht auf Vergessenwerden über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Ist es mit dem Recht des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens (Art. 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, GRCh, ABl. EU C 202 vom 7. Juni 2016, S. 389) und auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar, bei der im Rahmen der Prüfung seines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO, ABl. EU L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh dann, wenn der Link, dessen Auslistung beantragt wird, zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält, deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt, und dessen Rechtmäßigkeit mit der Frage der Wahrheitsgemäßheit der in ihm enthaltenen Tatsachenbehauptungen steht und fällt, maßgeblich auch darauf abzustellen, ob der Betroffene in zumutbarer Weise - z.B. durch eine einstweilige Verfügung - Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen und damit die Frage der Wahrheit des vom Suchmaschinenverantwortlichen nachgewiesenen Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung zuführen könnte?

b) Ist im Falle eines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes, der bei einer Namenssuche nach Fotos von natürlichen Personen sucht, die Dritte im Zusammenhang mit dem Namen der Person ins Internet eingestellt haben, und der die von ihm aufgefundenen Fotos in seiner Ergebnisübersicht als Vorschaubilder ("thumbnails”) zeigt, im Rahmen der nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie, DS-RL, ABl. EU L 281 vom 23. November 1995, S. 31) / Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh der Kontext der ursprünglichen Veröffentlichung des Dritten maßgeblich zu berücksichtigen, auch wenn die Webseite des Dritten bei Anzeige des Vorschaubildes durch die Suchmaschine zwar verlinkt, aber nicht konkret benannt und der sich hieraus ergebende Kontext vom Internet-Suchdienst nicht mit angezeigt wird?

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2020 - VI ZR 476/18 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex richtet sich nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und erfolgt nach umfassender Grundsrechtsabwägung - Recht auf Vergessenwerden

BGH
Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18
DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex richtet sich nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und erfolgt nach umfassender Grundsrechtsabwägung - Recht auf Vergessenwerden über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Zu den Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes nach Art. 17 DS-GVO

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex richtet sich nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO und erfolgt nach umfassender Grundsrechtsabwägung - Recht auf Vergessenwerden

BGH
Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18
Beschluss vom 27.07.2020 - VI ZR 476/18


Der BGH hat sich in in zwei Entscheidungen mit einem Anspruch gegen den Suchmaschinenbetreiber Google auf Entfernung von Inhalten befasst. Der BGH hat entschieden, dass sich ein ein Anspruch auf Entfernung aus dem Google-Suchindex nunmehr nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO (Recht auf Vergessenwerden) richtet und eine umfassende Grundsrechtsabwägung der Grundrechte aller Beteiligten erfordert.

Seine Rechtsprechnung, wonach ein Suchmaschinenbetreiber erst nach Kenntnis von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung tätig werden muss, hat der BGH dabei ausdrücklich aufgegeben (siehe zur alten BGH-Rechtsprechung BGH: Google muss ab Inkenntnissetzung klar erkennbare Persönlichkeitsrechtsverletzungen aus Suchindex löschen - Keine Vorabüberprüfung der im Suchindex gelisteten Inhalte).

Darüber hinaus hat der BGH weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Recht auf Vergessenwerden dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google ("Recht auf Vergessenwerden")

Verfahren VI ZR 405/18:

Der Kläger war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Datenschutzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers zurückgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Der Auslistungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfordert nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2019 (1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II) eine umfassende Grundrechtsabwägung, die auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits (Art. 7, 8 GRCh), der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits (Art. 11, 16 GRCh) vorzunehmen ist. Da im Rahmen dieser Abwägung die Meinungsfreiheit der durch die Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar betroffenes Grundrecht in die Abwägung einzubeziehen ist, gilt keine Vermutung eines Vorrangs der Schutzinteressen des Betroffenen, sondern sind die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Aus diesem Gebot der gleichberechtigten Abwägung folgt aber auch, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt. An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest.

Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs im konkreten Fall hinter den Interessen der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten, wobei der fortdauernden Rechtmäßigkeit der verlinkten Berichterstattung entscheidungsanleitende Bedeutung für das Auslistungsbegehren gegen die Beklagte zukommt.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen.

Verfahren VI ZR 476/18:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleitungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als sog. "thumbnails" anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Zum einen ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob es mit den Rechten des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar ist, bei der im Rahmen der Prüfung seines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh dann, wenn der Link, dessen Auslistung beantragt wird, zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält, deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt, und dessen Rechtmäßigkeit mit der Frage der Wahrheitsgemäßheit der in ihm enthaltenen Tatsachenbehauptungen steht und fällt, maßgeblich auch darauf abzustellen, ob der Betroffene in zumutbarer Weise - z.B. durch eine einstweilige Verfügung - Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen und damit die Frage der Wahrheit des vom Suchmaschinenverantwortlichen nachgewiesenen Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung zuführen könnte.

Zum anderen bittet der Bundesgerichtshof um Antwort auf die Frage, ob im Falle eines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes, der bei einer Namenssuche nach Fotos von natürlichen Personen sucht, die Dritte im Zusammenhang mit dem Namen der Person ins Internet eingestellt haben, und der die von ihm aufgefundenen Fotos in seiner Ergebnisübersicht als Vorschaubilder ("thumbnails") zeigt, im Rahmen der nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a DS-RL / Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh der Kontext der ursprünglichen Veröffentlichung des Dritten maßgeblich zu berücksichtigen ist, auch wenn die Webseite des Dritten bei Anzeige des Vorschaubildes durch die Suchmaschine zwar verlinkt, aber nicht konkret benannt und der sich hieraus ergebende Kontext vom Internet-Suchdienst nicht mit angezeigt wird.

Vorinstanzen:

VI ZR 405/18:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 6. September 2018 – 16 U 193/17

Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 26. Oktober 2017 – 2-03 O 190/16

und

VI ZR 476/18:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17

Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)


BGH: Geschäftsführer einer GmbH hat keinen Anspruch auf Löschung des ehemals männlichen Vornamens im Handelsregister aus § 5 Abs. 1 Transsexuellengesetz

BGH
Beschluss vom 03.02.2015
TSG § 5; GmbHG § 39

Leitsatz des BGH:


Aus § 5 Abs. 1 TSG folgt kein Anspruch der Geschäftsführerin einer GmbH auf vollständige
Löschung ihres vormals männlichen Vornamens im Handelsregister.

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14 - OLG Schleswig - AG Pinneberg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Volltext der Entscheidung zur fehlenden Auskunftspflicht des Klinikträgers über die Privatanschrift eines angestellten Arztes zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen liegt vor

BGH
Urteil vom 20.01.2015
VI ZR 137/14
BGB § 242; BDSG § 32 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Patient hat gegen Klinikträger regelmäßig keinen Anspruch auf Preisgabe der Privatanschrift eines angestellten Arztes" über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Frage der Auskunftspflicht des Klinikträgers über die Privatanschrift eines bei ihm angestellten Arztes.

BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 - VI ZR 137/14 - LG Görlitz - AG Weißwasser

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: