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OLG Frankfurt: Es ist Allgemeinwissen dass die kommerzielle Verwertung von Bildern Dritter aus dem Internet fremde Urheberrechte verletzt

OLG Frankfurt
Beschluss vom 06.06.2023
4 W 13/23


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgeführt, dass es Allgemeinwissen ist, dass die kommerzielle Verwertung von Bildern Dritter aus dem Internet fremde Urheberrechte verletzt

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bedruckte Kissen - Prozesskostenhilfe im Streit um Rückzahlung einer Anzahlung nach Vertragsanfechtung Existenzgründerin muss Urheberrechtslage vor Auftragserteilung für Kissenbezüge mit Bildern der „Boyband“ BTS selbst klären.

Es gehört zum Allgemeinwissen der breiten Bevölkerung, dass man nicht einfach ohne jede Rücksicht auf fremde Urheberrechte Bilder aus dem Internet - hier von der bereits intensiv kommerziell verwerteten „Boyband“ BTS mit 41 Mio. Fans - herunterladen und dann selbst kommerziell verwerten darf. Zwischen den Parteien eines Vertrags über das Bedrucken von Kissenbezügen mit Mitgliedern dieser Band besteht damit kein Wissensgefälle. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichtem Beschluss die von der auftraggebenden Existenzgründerin erklärte Anfechtung für unbegründet erklärt. Da die Beschwerdegegnerin zu den nach Kündigung ersparten Aufwendungen aber nicht hinreichend vorgetragen hatte, wurde der Beschwerdeführerin teilweise Prozesskostenhilfe gewährt.

Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie wollte sich mit dem Vertrieb bedruckter großer Kissenbezüge eine berufliche Existenz aufbauen. Motive sollten lebensgroße Bilder der Mitglieder der südkoreanischen „Boyband“ BTS sein, die die Kunden über Pappaufsteller streifen können.

Die Beschwerdeführerin beauftragte für knapp 20.000,00 € das auf das Bedrucken von Textilien spezialisierte Unternehmen der Beschwerdegegnerin. Ob diese bereits frühzeitig darauf hinwies, dass die Beschwerdeführerin über die Urheberrechte an den von ihr verwendeten Bilder verfügen müsse, ist streitig. Nach Zahlung von gut 11.000 € verwies die Beschwerdegegnerin jedenfalls darauf, dass die Beschwerdeführerin eine fehlende Urheberrechtsverletzung sicherstellen müsse. Daraufhin kündigte die Beschwerdeführerin den Vertrag.

Die Beschwerdeführerin begehrt nunmehr nach Anfechtung des Vertrags Prozesskostenhilfe für eine auf Rückzahlung der Anzahlung gerichtete Klage. Sie fühlt sich durch die Beschwerdegegnerin getäuscht. Diese habe sie nicht über die Urheberrechtsproblematik aufgeklärt. Das Landgericht hatte diesen Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde sprach das OLG teilweise Prozesskostenhilfe zu.

Zutreffend habe das Landgericht allerdings eine Aufklärungspflicht der Beschwerdegegnerin und eine Täuschung abgelehnt, begründete das OLG die Entscheidung. Es habe kein Wissensgefälle zwischen den Parteien vorgelegen. Die Beschwerdeführerin habe als Existenzgründerin als Unternehmerin gehandelt. Als Rechtsanwaltsfachangestellte habe sie zudem „jedenfalls ein gewisses Grundverständnis für die Rechtsordnung“ gehabt, betonte das OLG.

Der Klage könne jedoch nicht jede Erfolgsaussicht abgesprochen werden, so dass teilweise Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Die Beschwerdeführerin habe den Vertrag zumindest kündigen dürfen. Für die Höhe ihres Rückzahlungsanspruchs sei dann u.a. die Höhe der durch die Kündigung ersparten Aufwendungen der Beschwerdegegnerin relevant. Hierzu müsse die Beschwerdegegnerin konkret vorgetragen. Das fehle bislang. Soweit sie behaupte, überhaupt keine Aufwendungen erspart zu haben, sei dies „ungereimt“. Sie erspare zumindest Konfektion und Druck.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 6.6.2023, Az. 4 W 13/23
(vorgehend LG Limburg a. d. Lahn, Beschluss vom 9.3.2023, Az. 1 O 458/22)



Volltext BGH liegt vor: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18
DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken.

b) Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18 - OLG Köln - LG Köln

BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH (siehe dazu EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich) entschieden, dass ein Anspruch des Betroffenen auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 DGSVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit besteht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder ("thumbnails") anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos - unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann - Rechnung zu tragen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat daraufhin die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.

Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der Bundesgerichtshof die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.

Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17

Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)



Volltext OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung eines Unternehmers mit Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, geschah dies zu Recht.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, es zu unterlassen, bei einer Suche nach dem Vor- und Zunamen des Klägers in der Suchmaschine der Beklagten das aus der Anlage K3 ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen und dabei auf die Webseite mit der URL www.(...).de zu verlinken (Klageantrag zu 1.).

a) Der geltend gemachte Anspruch auf Auslistung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
aa) Der auf die dauerhafte Auslistung der von dem Kläger beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist vorliegend zeitlich (1), sachlich (2) und räumlich (3) anwendbar.
(1) Sie gilt seit dem 25.05.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.
(2) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen - wie hier - personenbezogene Daten enthalten, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO). Sie ist als automatisierte „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.
Ob die hiesige Beklagte datenschutzrechtlich für die streitbefangene Auslistung zumindest mitverantwortlich ist, da sie im Sinne des Art. 26 DSGVO mit der Y LLC jedenfalls eine gemeinsame Verantwortung für die Verarbeitung von Daten trägt, kann vorliegend im Ergebnis offenbleiben, da jedenfalls in der Sache kein Anspruch gegen die Beklagte besteht (s.u.).

Verantwortlicher im Sinne der DSGVO und damit passivlegitimiert für einen Anspruch nach Art. 17 DSGVO ist gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Nach der Rechtsprechung des BGH wurde die Y LLC mit Sitz in den USA als Betreiberin der Suchmaschine als Verantwortliche i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO angesehen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13). Für eine daneben bestehende Mitverantwortung der Beklagten gem. Art. 26 DSGVO könnte sprechen, dass sie in ihrer Datenschutzerklärung zum Y Suchdienst für Nutzerdaten als zumindest auch Verantwortliche genannt wird. Dies muss jedoch aufgrund des in der Sache nicht bestehenden Anspruchs (s.u.) vorliegend nicht entschieden werden.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 14).

(3) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf die in Irland ansässige Beklagte folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 DSGVO. Die Beklagte betreibt eine deutsche Niederlassung und bietet in deutscher Sprache Nutzern in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als "Bezahlung" ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13 m.w.N.).

bb) Das auf dauerhafte Auslistung des von ihm beanstandeten Suchergebnisses gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst. Der Begriff der Löschung i.S.d. Art. 17 DSGVO ist autonom auszulegen, so dass ihm unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 17 m.w.N.).

cc) Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, vorrangig die für die von der Beklagten verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieter in Anspruch zu nehmen. Die Haftung des Suchmaschinenbetreibers bzw. Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht subsidiär, da ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müsste. Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers ist ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen eigenständig zu beurteilen ist (so auch BGH, NJW 2020 3436, Rn. 18 m.w.N.).

Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist der hiesige Fall schon nicht mit der Konstellation vergleichbar, die den BGH in der Sache VI ZR 476/18 (MMR 2021, 239) zur Vorlage der dortigen ersten Frage an den EuGH veranlasst hat. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil der zugrundeliegende Sachverhalt im Kern unstreitig ist und die Frage der Wahrheitsgemäßheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen bzw. auf Tatsachenbehauptungen beruhenden Werturteile ohne weitere Ermittlungen/Aufklärungen beurteilt werden kann. Auch hat der EuGH in seinem Urteil vom 08.12.2022 entschieden, dass ein Anspruch auf Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dem Kläger gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist (vgl. EuGH, MMR 2023, 105).

dd) Auch hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise nicht verpflichtet ist, bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Auslistung aufgefordert (sog. Notice and Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird der konkret beanstandete Ergebnislink genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

ee) Anders als der Kläger meint, liegen die materiellen Voraussetzungen für sein Auslistungsbegehren nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO, weil die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Streitfalls zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 f, Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).

Einschlägige Grundlage des klägerischen Auslistungsbegehrens ist Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Danach steht - soweit im Streitfall relevant - der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d DSGVO).

(1) Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abzuwägen. Diesbezüglich hat der BGH in seinem Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3436, Rn. 23 ff.) ausgeführt, dass die Abwägung der allein maßgeblichen Unionsgrundrechte auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des betroffenen Klägers (Art. 7, 8 GRCh) einerseits, der Grundrechte der beklagten Suchmaschinenverantworlichen (Art. 16 GRCh), der Zugangsinteressen der Internetnutzer, des Interesses der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen als Ausdruck des Art 11 GRCh sowie der Grundrechte der Inhalteanbieter (Art. 11 CRCh) andererseits umfassend vorzunehmen ist. Insoweit hat er betont, dass eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalls aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt, durchzuführen ist und im Hinblick auf diese in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen muss, unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO), ob die Verarbeitung der (Gesundheits-)Daten aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO) oder ob die Beklagte zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers als der betroffenen Person überwiegen.

(2) Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze, die der Senat im vorliegenden Fall für anwendbar hält, haben die hier betroffenen Grundrechte des Klägers aus Art 7, 8 und 16 GRCh hinter dem Grundrecht der Beklagten aus Art. 16 GRCh und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, dem Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information und dem Grundrecht des für den verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieters auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) zurückzutreten:

(a) Ein wichtiger, in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die verlinkte, in der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) ersichtliche Berichterstattung entgegen der Ansicht des Klägers zulässig ist.
(aa) Anders als der Kläger meint, ist die Äußerung „X1 bankrott“ keine unzulässige Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung.
Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG, AfP 2013, 389, Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018., Kap. 4, Rn. 43, 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4, Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14, Rn. 14.16; jew. m.w.N.). Maßgeblich für die Ermittlung des Aussagegehalts ist grundsätzlich nicht der Sinn, den der Äußernde der Äußerung beilegen wollte, sondern der in der Aussage objektivierte Sinngehalt, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BVerfGE 82, 43, 51 ff.; BVerfG, NJW 2005, 1341 - vollzugsfeindlich; BGH, NJW 1982, 1805 - Schwarzer Filz; Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6, Rn. 90 m.w.N.), wobei auf das Verständnis des Empfängers abzustellen ist, an den sich die Äußerung unter Berücksichtigung der für ihn wahrnehmbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Umstände richtet (BVerfGE 93, 266, 295 - Soldaten sind Mörder II; BVerfG NJW 2003, 1303 - Benetton-Werbung; Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90). Maßgeblich hierfür ist der Durchschnittsleser (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Aussage als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Anders als der Kläger meint, wird der Durchschnittrezipient die Äußerung „X1 bankrott“ unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht auf den Kläger persönlich beziehen, sondern auf ein Unternehmen, für welches der Kläger Namensgeber war. Aus dem Gesamtkontext der Äußerung geht klar hervor, dass die Äußerung sich auf ein Unternehmen (bzw. umgangssprachlich eine „Firma“ bezieht), nämlich ein solches, das auf dem Gebiet des Innenausbaus von Luxushotels tätig ist und gegen welches das Inkassounternehmen ein Mandat wegen unbezahlter Handwerkerrechnungen hat und im Rahmen der Forderungseintreibung feststellen musste, dass dieses „bankrott“ ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Durchschnittrezipient der Äußerung kein juristisch vorgebildetes Fachpublikum ist, welches zwischen einem Einzelkaufmann, einer juristischen Person und einer Personengesellschaft differenziert. Der i.d.R. juristisch nicht vorgebildete Durchschnittsrezipient wird daher nicht davon ausgehen, dass die hinter einem möglichen Einzelkaufmann stehende natürliche Person gleichsam insolvent ist, wenn „die Firma bankrott“ ist. Er wird die Äußerung vielmehr nicht juristisch hinterfragen, sondern sie an dem Wortlaut orientiert dahingehend verstehen, dass das Unternehmen oder die „Firma“ „bankrott“, „pleite“ oder insolvent ist. Zudem wird auch auf der streitgegenständlichen Internetseite (vgl. Anlage K2, Bl. 17 d.A.) zwischen Schuldnern, die Privatpersonen sind, und solchen, die Unternehmen sind, differenziert, indem bei Privatpersonen nur die Namen genannt werden (z.B. B, D, C etc.) und bei Unternehmen die (weiteren) Firmenbestandteile (wenn auch nicht immer vollständig).

Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit einem Rechtsformzusatz (z.B. GmbH) genannt wird, steht dem nicht entgegen, denn das Weglassen dessen in der Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - ist üblich (zumal auch der Klägervertreter dies in seinen Schriftsätzen und der Kläger dies in seiner eidesstattlichen Versicherung (vgl. Anlage K1, Bl. 16 d.A.) tun).

Ferner wird der unbefangene Durchschnittsempfänger die Äußerung im Gesamtkontext entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf alle Unternehmen mit dem Firmenbestandteil „X1“ beziehen und dahingehend verstehen, dass diese alle „bankrott“ seien. Dass sich die Äußerung vielmehr nur auf ein Unternehmen bezieht, geht klar aus der Verwendung des Singulars in den Folgesätzen des Berichtes hervor („ist…tätig“; „die Firma“).

[...]

Die zulässige Meinungsäußerung ist von dem Kläger hinzunehmen.

Sie beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, denn unstreitig hat die X1 Hotel … GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und wurde später aus dem Handelsregister gelöscht. Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit sämtlichen Bestandteilen und dem Rechtsformzusatz GmbH genannt wird, ist unerheblich. Zum einen ist das Weglassen einzelner Firmenbestanteile in der täglichen Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - üblich. Zum anderen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass es ein weiteres zu der Unternehmensgruppe des Klägers zugehöriges Unternehmen gäbe, welches die Firmenbestandteile „X1 Hotel …“ enthalten würde und auf welches bezogen eine Wertung als „bankrott“ keine zutreffende Tatsachengrundlage hätte.

Auch wird die Grenze zur Schmähkritik trotz der Wortwahl „bankrott“, die nach der Ansicht des Klägers negativ besetzt sein soll, und der Einbettung der Aussage auf der Homepage (…).com, auf welcher nach Meinung des Klägers „finster dreinblickende, gewaltbereite Männer mit Glatze“ abgebildet seien, nicht überschritten. Denn dem Äußernden geht es - wie der Gesamtzusammenhang der Äußerung zeigt - um eine Auseinandersetzung in der Sache und nicht um eine reine Herabsetzung des Klägers bzw. seines Unternehmens (vgl. hierzu auch BVerfG, ZUM 2013, 36).

(bb) Soweit der Kläger sich in der Replik auf Seite 5 (Bl. 149 d.A.) darauf stützt, dass die Aussage in der streitgegenständlichen Mitteilung, dass Handwerkerrechnungen nicht bezahlt worden seien, unwahr sei, so ist dies unbeachtlich. Denn dieser Vortrag ist widersprüchlich zu dem diesbezüglichen Vortrag auf Seite 4 der Klageschrift, in dem der Kläger nur betont, dass die Forderung nicht endgültig verweigert oder abgelehnt worden und die A GmbH auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei.

Selbst wenn man den Vortrag nicht als widersprüchlich ansehen würde, so ließe sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers keine offensichtliche Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung herleiten, welche ein Auslistungsbegehren stützen könnte. Nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben (vgl. MMR 2023, 105, Rn. 72).

Vorliegend hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Forderung der A GmbH nicht beglichen und diese auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei, da der Kläger die Forderung nicht als begründet angesehen habe. Der Kläger hat demnach schon keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgeht, warum die Forderung seiner Ansicht nach offensichtlich unbegründet sei.

Darüber hinaus wird in der streitgegenständlichen Mitteilung gerade nicht behauptet, dass der Kläger die Zahlung der Forderung endgültig abgelehnt hätte.

(b) Soweit der Kläger sich auf die negativen Auswirkungen der verlinkten Berichterstattung für ihn bzw. seine Unternehmen beruft, so ist dies vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung unbeachtlich. Denn weder das Datenschutzrecht noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleihen einen Anspruch, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es einem genehm ist (st. Rspr. des BVerfG zum Äußerungsrecht, vgl. 1 BvR 3487/14, Rn. 14).

(c) Wenn sich Betroffene - wie hier - nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine ist in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 42; BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 122 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

Dass die X1 Hotel … GmbH nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Jahre 2020 gelöscht wurde, ist demnach ebenfalls in die Abwägung einzustellen. Dies wirkt sich - anders als der Kläger meint - jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auf Seiten der Nutzer der Beklagten weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verbreitung der wahren Aussage - nämlich der Insolvenz bzw. des Bankrotts der Firma des Klägers - besteht. Der Senat hat insoweit auch den Zeitfaktor in seine Abwägung eingestellt und abgewogen, ob die Weiterverbreitung des Beitrags auch unter Namensnennung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit noch gerechtfertigt ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Zeitablauf sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren (vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 131 - Recht auf Vergessen II). So kann durch Zeitablauf die identifizierende Verbreitung solcher Beiträge durch Suchmaschinen unzumutbar und damit unzulässig werden, denn die belastende Wirkung der Verbreitung kritischer Beiträge zum Verhalten einzelner Personen kann im Laufe der Zeit - insbesondere wenn die Beiträge auf namensbezogene Abfrage hin auch viele Jahre später noch prioritär kommuniziert werden - für die Betroffenen erheblich wachsen und immer weniger gerechtfertigt sein (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 132 f. - Recht auf Vergessen II).

Dies führt im vorliegenden Fall im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht dazu, dass es der Beklagten zu untersagen wäre, den Suchtreffer zu der Namenssuche des Klägers, der zu einer für sich genommen zulässigen Berichterstattung führt, heute nicht mehr anzuzeigen und auszulisten. In die Abwägung einzustellen ist, dass die Löschung der Gesellschaft erst im Jahre 2020 erfolgte und somit erst wenige Jahre zurückliegt. Die seit den berichteten Ereignissen vergangene Zeitspanne von rund drei Jahren ist noch nicht derart groß, als dass sie das Interesse an der niedrigschwelligen Erreichbarkeit der Informationen - auch über die namensbezogene Suche mittels einer Suchmaschine - in den Hintergrund treten ließe. Auch ist zu beachten, dass die Nutzer der Suchmaschine trotz der Löschung des Unternehmens weiterhin ein erhebliches Informationsinteresse haben. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen, die zudem dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ gewesen ist bzw. ob eine Handwerkerrechnung nicht beglichen wurde. Denn dies ist ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den anderen Unternehmen des Klägers, z.B. hinsichtlich der Frage, ob seitens der Kunden Vorkasse geleistet wird oder seitens der Geschäftspartner Vorkasse für Projekte von dem Kläger bzw. seinen Unternehmen gefordert wird. Die Insolvenz eines Unternehmens kann - auch wenn dies freilich nicht zwingend ist - nämlich auch etwas über die Solvenz der restlichen Unternehmensgruppe aussagen bzw. über den Umgang dieser mit Zahlungsschwierigkeiten einzelner Unternehmen innerhalb der Gruppe.

Das berechtigte Berichterstattungsinteresse erstreckt sich unter den Umständen des Streitfalls ohne Weiteres auch auf die namentliche Nennung des Klägers. Der Name des Klägers ist Teil der Firmierung des gelöschten Unternehmens und einer Vielzahl weiterer Unternehmen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass dies negativ für den Kläger und seine weiteren Unternehmen mit entsprechendem Namensbestandteil ist. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Kläger dadurch, dass er seinen Namen zum Firmenbestandteil einer Vielzahl von Unternehmen gemacht hat, das Risiko in Kauf genommen hat, dass er mit dem bzw. den Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Das muss er auch im Falle einer aus seiner Sicht negativen Berichterstattung gegen sich gelten lassen.

Ferner hat der Senat im Rahmen seiner Abwägung berücksichtigt, dass der streitgegenständliche Bericht nicht von privatem, bewusst nicht vor anderen gezeigtem Verhalten oder Fehlverhalten handelt, sondern die berufliche Tätigkeit und mithin die Sozialsphäre des Klägers betrifft, so dass der langfristigeren Zugänglichkeit des Berichtes höheres Gewicht zukommt.

Auch hat der Senat in die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten, des Inhalteanbieters, der Nutzer und der Öffentlichkeit eingestellt, dass die Berichterstattung nicht reißerisch oder skandalös, sondern eher kurz und sachlich ist; wobei nicht unbeachtet geblieben ist, dass der letzte Absatz des Berichtes auf die Kundenakquise des Inkassounternehmens zielt.

Die Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers erhält auch im Streitverhältnis zur Beklagten kein entscheidend anderes Gewicht. Denn die Beklagte weist den fraglichen Artikel auf eine entsprechende Suchanfrage unkommentiert in ihren Ergebnislisten nach (so auch BVerfG, NJW 2020, 300, Rn. 124 - Recht auf Vergessen I). Schließlich wird der angegriffene Ergebnislink durch den Nachweis zahlreicher weiterer, teilweise vorrangig platzierter, im Netz befindlicher Informationen relativiert (vgl. Anlage K3, Bl. 18 d.A.; so auch BVerfG NJW 2020, 314, Rn. 125 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Mangels eines Anspruchs auf Auslistung steht dem Kläger auch kein diesbezüglicher Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes aus § 890 ZPO zu (Klageantrag zu 3.).

C) Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 520, 517 ZPO).

D) Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

I. Soweit der Klage stattgegeben wurde, war diese zulässig.

1. Das angerufene Gericht ist international und örtlich zuständig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2. Unter Zugrundelegung der obenstehend dargestellten Grundsätze ist der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt. Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass sich der Klageantrag zu 2. ebenfalls auf die Suchmaschine der Beklagten unter www.(y).de bezieht (vgl. Anlage K5).

II. Die Klage ist im Umfang der von der Beklagten eingelegten Berufung unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei der namensbasierten Suche nach seinem Vor- und Zunamen in der Suchmaschine der Beklagten.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

aa) Der geltend gemachte Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.

(1) Die Datenschutz-Grundverordnung ist auch im Hinblick auf den mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Unterlassungsanspruch gegen die Suchwortergänzungsfunktion von Suchmaschinen nach den zuvor im Abschnitt B. dargestellten Grundsätzen zeitlich und räumlich anwendbar.

(2) Gleiches gilt in Bezug auf die sachliche Anwendbarkeit. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten (vgl. zum Auslistungsanspruch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13) . Dies gilt nach Ansicht des Senates auch, soweit aufgrund der Integration der „Autocomplete“-Funktion in der Suchmaschine dem Nutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge („predictions“) in Form von Wortkombinationen angezeigt werden, sofern diese - wie hier - personenbezogene Daten erhalten. Denn die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge mit personenbezogenen Daten werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der die suchwortgesteuerten Suchanfragen einbezieht und dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen präsentiert, die zum fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren (vgl. hierzu BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16, 22 - Autocomplete-Funktion). Die Autocomplete-Funktion ist damit als automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.

Ob die Beklagte nach den vorstehend in Bezug auf die Auslistung dargelegten Grundsätzen, welche auf die Autocomplete-Funktion übertragen werden können, datenschutzrechtlich für die streitbefangene Autocomplete-Funktion zumindest mitverantwortlich im Sinne des Art. 26 DSGVO ist, kann auch insoweit mangels eines Anspruchs in der Sache (s.u.) offenbleiben.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von Suchergebnissen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar.

bb) Auch wird der in Rede stehende Anspruch, der auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gerichtet ist, ist aus den obenstehenden Erwägungen (vgl. Abschnitt B II. 1. a) bb)) grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst.

cc) Ferner hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung der von ihrer Suchmaschine generierten Suchwortvervollständigungen nicht verpflichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn 30 - Autocomplete-Funktion), bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Unterlassung der konkret benannten Autocomplete-Funktion aufgefordert (sog. sog. Notice an Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird die konkret beanstandete Autocomplete-Funktion, nämlich „bankrott“ in Verbindung mit der namensbasierten Suche des Klägers, genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

dd) Anders als das Landgericht angenommen hat, liegen nach Ansicht des Senates jedoch die materiellen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gem. Art 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor.

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO steht - soweit hier relevant - der betroffenen Person ein Anspruch auf Löschung zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO).

(1) Auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen dieses Löschungsanspruches ist eine umfassende Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, und zwar unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Klägers als betroffene Person einerseits und der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit andererseits. Auch hier finden die von BGH in dem Urteil vom 27.07.2020, Az. VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3464, Rn. 23 ff.) dargestellten Abwägungsgrundsätze (s.o.) im Ausgangspunkt Anwendung, wobei allerdings zu beachten ist, dass - anders als bei einer begehrten Entfernung von Links aus Suchergebnissen - bei dem hier in Rede stehenden Anspruch auf Unterlassung der Anzeige der Suchwortvervollständigung keine Rechte der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) betroffen sind, da sich der Autocomplete-Vorgang im Vorfeld der Anzeige konkreter Suchergebnisse abspielt und sich der Kläger hier nicht gegen den Inhalt von Suchergebnissen wendet.

Im Rahmen der anzustellenden Abwägung sind auf Seiten des Klägers demnach die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh und das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen.

Auf Seiten der Beklagten sind ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh sowie ihr Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung gem. Art. 11 GRCh zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 22 - Autocomplete-Funktion zu der Rechtslage nach deutschem Recht; anders in Bezug auf die Anzeige von Ergebnislinks BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 31).

In die Abwägung sind ferner die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information.

(2) Nach diesen Grundsätzen haben die Interessen des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten:

Nach Ansicht des Senates ist der hier in Rede stehenden Suchoption „X bankrott“ nach dem maßgeblichen Verständnis des Durchschnittsrezipienten zwar eine inhaltliche Aussage zu entnehmen. Diese ist jedoch in einem Maße vieldeutig, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden werden kann, sondern sich für den Rezipienten als schlagwortartige Äußerung darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Gen-Milch-Entscheidung vom 08.09.2010 (Az. 1 BvR 1890/08; ZUR 2011, 252, Rn. 21 ff.) im Hinblick auf die Unterlassung schlagwortartiger Äußerungen folgendes ausgeführt:

„[21] Auch nach diesem Maßstab begegnet das angegriffene Urteil indes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte der Bundesgerichtshof den auf die Produkte der Beschwerdeführerin bezogenen Begriff »Gen-Milch« als substanzarme Äußerung ansehen und seine Verwendung hiervon ausgehend als zulässig beurteilen. Entgegen der Auffassung der Verfassungsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass einer auf die künftige Unterlassung einer Behauptung gerichteten Klage bereits dann stattzugeben ist, wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt aufweist und in einer der nicht fernliegenden Deutungsvarianten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt, weil dieses die Meinungsfreiheit des Äußernden im konkreten Fall überwiegt (vgl. BVerfGE 114, 339 <350> - Stolpe -). [22] Dies ändert aber nichts daran, dass es den Fachgerichten obliegt, zunächst zu ermitteln, ob ein derartiger Fall der Mehrdeutigkeit im zu entscheidenden Fall gegeben ist oder ob der Äußerung durch die gebotenen Auslegungsbemühungen ein eindeutiger Aussagegehalt beigemessen werden kann, weil theoretisch mögliche Deutungsalternativen sich am Maßstab des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten als fernliegend erweisen. Hinsichtlich der Deutung der Aussage lassen sich der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Maßgaben entnehmen. Von daher besteht insbesondere auch kein Anlass, in größerem Umfang als bisher zu der Annahme eines im Rechtssinne mehrdeutigen Aussagegehalts zu gelangen.

[23] Angesichts dessen ist die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Deutung des Begriffs »Gen-Milch« verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist - wie das angegriffene Urteil auch nicht verkennt - die Formulierung für sich genommen nicht eindeutig, sondern lässt eine Vielzahl von Verständnismöglichkeiten zu. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof hieraus aber nicht die von der Verfassungsbeschwerde geforderte Konsequenz gezogen, der weiteren rechtlichen Prüfung diejenige Deutungsvariante zugrunde zu legen, die die intensivste Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin darstellen würde. Dieses Vorgehen ist nämlich nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden (und insoweit dann aber mehrdeutig sind). Anders liegt es hingegen bei Äußerungen, die in einem Maße vieldeutig erscheinen, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden, wie dies häufig bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen der Fall sein wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <9 f.>), die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Rezeption weiterer Informationsquellen bieten sollen. In einem solchen Fall fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, zu auf falsche Sachaussagen gestützten Fehlvorstellungen der Rezipienten beizutragen. Die Meinungsfreiheit, die auch das Recht aufmerksamkeitserregender Zuspitzungen und polemisierender Pointierungen umfasst, steht hier einer Untersagung der Äußerung wegen ihrer Mehrdeutigkeit vielmehr entgegen.“

Die hier automatisch erstellte Suchwortvervollständigung der Beklagten kombiniert zwei Wörter, nämlich den Namen des Klägers und das Wort „bankrott“, die dem unvoreingenommenen, die Suchmaschine der Beklagten nutzenden Durchschnittsrezipienten verschiedene Möglichkeiten eröffnen, inhaltliche Zusammenhänge herzustellen oder ein Verständnis zu entwickeln.

Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält diesen jedenfalls für möglich. Denn aus dem „Ozean von Daten“ werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer“ liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - vielmehr auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16 - Autocomplete-Funktion). Dies führt im Streitfall dazu, dass dem bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers angezeigten Ergänzungssuchvorschlag „bankrott“ die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem namentlich Genannten und dem Begriff „bankrott“ bestehe ein sachlicher Zusammenhang bzw. eine Verbindung (so auch BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 13, 16 - Autocomplete-Funktion).

Es bleibt für den maßgeblichen Durchschnittsrezipienten aber erkennbar offen und unbestimmt, welcher Zusammenhang bestehen könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein verständiger Internetnutzer darüber bewusst ist, dass die vorgeschlagenen Suchoptionen das Ergebnis eines automatischen, technischen Vorgangs sind. Wesentlich bei der Beurteilung ist jedoch, dass ein Nutzer der Suchmaschine mit der angezeigten Kombination der Begriffe zunächst nichts anfangen kann. Er kann nicht beurteilen, ob der vorgeschlagene Begriff in Verbindung mit der Person steht, zu der er recherchiert hat, denn es ist denkbar, dass es mehrere Personen mit dem von dem Nutzer eingegebenen Namen gibt. Um sich hierüber Sicherheit zu verschaffen, muss er sich mit den zu der Kombination angezeigten Ergebnissen beschäftigen oder die Suchbegriffe ändern.

Dies zeigt bereits, dass der vorliegend angezeigten Suchoption keine eigenständige Behauptung zu entnehmen ist, sondern diese vielmehr Anlass für weitere Recherchen bietet. Selbst wenn der Nutzer davon ausgeht, dass die Person, zu der er die Suchanfrage gestattet hat, mit der ergänzenden Suchoptionen „bankrott“ grundsätzlich in Verbindung zu bringen ist, erhält er erkennbar keine Informationen, die über die Mitteilung der beiden Begriffe hinausgehen. Vielmehr stellt es sich für ihn als eine Art schlagwortartige Äußerung dar, die ihm wiederum Anlass geben kann, sich mit möglichen Suchergebnissen zu der Begriffskombination auseinanderzusetzen. Ob der Kläger direkt oder indirekt von einem „bankrott“ betroffen ist, ob er persönlich oder eines oder alle seiner Unternehmen „bankrott“ ist/sind, ob er zu diesem Themenkreis Informationen oder Leistungen anbietet oder publiziert, bleibt gänzlich offen, wobei die hier dargestellten Verständnismöglichkeiten der Begriffskombination nicht abschließend sind. Sie belegen jedoch, dass es sich um eine zwar vieldeutige, jedoch substanzarme Wortkombination handelt. Auf diese ist nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Gen-Milch-Entscheidung die Stolpe-Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 114, 339) nicht anzuwenden (so auch LG Hamburg, Urteil v. 18.01.2013 - 324 O 766/11 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 104 ff. d.A.); in diese Richtung weisend auch OLG Hamburg, Protokoll v. 29.03.2016 - 7 U 13/13 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 101 ff. d.A.); a.A. OLG Köln, Urteil vom 08.02.2014 - I-15 U 199/11 -, Rn. 43, juris).

Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Grundrechten des Klägers aus Art. 7, 8 und 16 GRCh und den Grundrechten der Beklagten aus Art. 11 und 16 GRCh sowie der Nutzer der Suchmaschine und der Öffentlichkeit (Art. 11 GRCh) ist zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass es für die Verbindung des Klägers mit einem „bankrott“ tatsächliche Anknüpfungstatsachen gibt und damit auch für die Kombination der beiden Begriffe.
[...]
Ferner ist im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers zu beachten, dass in dem in den Suchergebnissen der Beklagten angezeigten Beitrag gemäß der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) zulässig (s.o.) darüber berichtet wird, dass „X1 bankrott“ sei.

Auf Seiten der Nutzer der Beklagten und für die Öffentlichkeit besteht - wie obenstehend dargestellt - trotz der Löschung der Unternehmen weiterhin ein erhebliches diesbezügliches Informationsinteresse. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen und dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ bzw. insolvent gewesen ist. Denn dies ist - wie obenstehend dargestellt - ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den Unternehmen des Klägers.

Ebenfalls in die Abwägung ist einzustellen, dass der Name des Klägers ein Namensbestandteil vieler Unternehmen ist. Durch eine derartige Firmierungspraxis hat der Kläger das Risiko in Kauf genommen, dass er mit den Unternehmen in Verbindung gebracht wird und somit auch im Falle von möglichen Insolvenzen.

Auch bei der Beurteilung der Suchergänzungsfunktion der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zu deren Gunsten berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, Rn. 40) und insoweit auch die Suchergänzungsfunktion einen nützlichen Beitrag zur Recherche leistet.

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Autocomplete-Funktion - Klage gegen Google zurückgewiesen

Es besteht kein Anspruch eines Unternehmers gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung seines Namens mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion.

Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzelfallumständen zulässig sein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung einen Unterlassungsanspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion sei erkennbar unbestimmt und enthalte keine eigenständige Behauptung. Der Nutzer wisse, dass es automatisch generiert werde. Konkrete Bedeutung erlange die Kombination erst nach weiteren Recherchen, begründete das OLG seine Entscheidung.

Der Kläger ist Inhaber einer Unternehmensgruppe, die auf dem Gebiet des Innendesigns von Hotels tätig ist. Die Beklagte betreibt u.a. die Internetsuchmaschine Google. Bei Eingabe von Vor- und Nachnamen des Klägers erscheint über die Autocomplete-Funktion als Suchergänzungsvorschlag „bankrott“. Hintergrund ist, dass zwei zur Unternehmensgruppe des Klägers gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Steuerbehörden insolvent und später wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurden. Ein konkret auf den Kläger bezugnehmender Webseiteneintrag stammt von einem Inkassounternehmen, welches ein Geschäftspartner der Unternehmensgruppe mit dem Einzug einer Forderung beauftragt hatte.

Der Kläger wendet sich sowohl gegen die Anzeige des Suchergänzungsvorschlags „bankrott“ als auch gegen die Anzeige und Verlinkung auf die Webseite mit der URL, die sich auf die Zahlungsfähigkeit bezieht. Das Landgericht hatte die Beklagte verpflichtet, den über die Autocomplete-Funktion generierten Sucherergänzungsvorschlag nicht mehr anzuzeigen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der Datenschutzgrundverordnung (i.F.: DS-GVO). Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten.

Ob ein Löschungsanspruch bestehe, sei grundsätzlich auf Basis einer umfassenden Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Abzuwägen seien auf Seiten des Klägers die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, des Schutzes personenbezogener Daten und der unternehmerischen Freiheit; auf Seiten der Beklagten das Recht auf unternehmerische Freiheit und freie Meinungsäußerung. Zu berücksichtigen seien auch die Zugangsinteressen der Internetnutzer und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen.

Gewicht erlange hier, dass die Bedeutung des nach Eingabe des Namens erscheinenden Suchvorschlags „bankrott“ erkennbar offenbleibe und unbestimmt sei. Einem verständigen Internetnutzer sei bewusst, dass der Suchvorschlag Ergebnis eines automatischen Vorgangs sei. Der Nutzer könne mit der angezeigten Kombination zunächst „nichts anfangen“. Der angezeigten Kombination selbst sei keine eigenständige Behauptung zu entnehmen. Sie sei allein Anlass für weitere Recherchen. Selbst wenn der Nutzer eine Verbindung zwischen dem Kläger und dem Begriff „bankrott“ herstellen würde, wäre offen, wie diese Verbindung inhaltlich auszugestalten wäre. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass es tatsächliche Anknüpfungstatsachen für die Verbindung des Namens mit dem Begriff „bankrott“ gebe.

Entgegen der Ansicht des Klägers beschränke sich der Begriff „bankrott“ auch nicht auf den strafbewehrten Vorwurf des § 283 StGB. Er finde vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz Verwendung.

Die Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin auch die Auslistung des Suchergebnisses in Form der konkreten URL begehrte, hatte dagegen keinen Erfolg. Die betroffenen Grundrechte des Klägers hätten hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Informationszugang zurückzutreten, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.4.2023, Az. 16 U 10/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt Main, Urteil vom 1.12.2021, Az. 2-34 O 37/21)



EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich

EuGH
Urteil vom 08.12.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC


Der EuGH hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO (Recht auf Vergessenwerden) aus dem Suchindex entfernen muss. Dabei muss der Betroffene zum Nachweis der Unrichtigkeit keine gerichtliche Entscheidung gegen den eigentlichen Websitebetreiber, auf dessen Website der gerügte Inhalt veröffentlicht wird, erwirken.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

ist dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche der Link zu einem Inhalt, der Behauptungen enthält, die von der die Auslistung begehrenden Person für unrichtig gehalten werden, gelöscht wird, diese Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in den Ergebnissen einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden und diese Person darstellen, gelöscht werden, dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts) - Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“): Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass sich dieser Nachweis aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die gegen den Herausgeber der Website erwirkt wurde.

Zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften forderten Google auf, aus den Ergebnissen einer anhand ihrer Namen durchgeführten Suche die Links zu bestimmten Artikeln auszulisten, die das Anlagemodell dieser Gruppe kritisch darstellten. Sie machen geltend, dass diese Artikel unrichtige Behauptungen enthielten. Ferner forderten sie Google auf, dass Fotos von ihnen, die in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) angezeigt werden, in der Übersicht der Ergebnisse einer anhand ihrer Namen durchgeführten Bildersuche gelöscht werden. In dieser Übersicht wurden nur die Vorschaubilder als solche angezeigt, ohne die Elemente des Kontexts der Veröffentlichung der Fotos auf der verlinkten Internetseite wiederzugeben.

Anders ausgedrückt, wurde bei der Anzeige des Vorschaubildes der ursprüngliche Kontext der Veröffentlichung der Bilder nicht benannt und war auch im Übrigen nicht erkennbar.

Google lehnte es ab, diesen Aufforderungen Folge zu leisten, und zwar unter Hinweis auf den beruflichen Kontext dieser Artikel und Fotos sowie unter Berufung darauf, nicht gewusst zu haben, ob die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig seien.

Der mit diesem Rechtsstreit befasste deutsche Bundesgerichtshof hat den Gerichtshof darum ersucht, die Datenschutz- Grundverordnung, die u. a. das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) regelt, und die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen.

In seinem heutigen Urteil erinnert der Gerichtshof daran, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss. So sieht die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich vor, dass das Recht auf Löschung ausgeschlossen ist, wenn die Verarbeitung u. a. für die Ausübung des Rechts auf freie Information erforderlich ist.

Die Rechte der betroffenen Person auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegen im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben. Der Ausgleich kann aber von den relevanten Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Art dieser Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Allerdings kann das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information dann nicht berücksichtigt werden, wenn zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist.

Was zum einen die Verpflichtungen der Person, die wegen eines unrichtigen Inhalts die Auslistung begehrt, anbelangt, betont der Gerichtshof, dass dieser Person der Nachweis obliegt, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diese Informationen nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Beweise beizubringen, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können. Insoweit kann diese Person grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium eine – auch in Form einer im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes ergangene – gerichtliche Entscheidung vorzulegen, die gegen den Herausgeber der betreffenden Website erwirkt wurde.

Was zum anderen die Verpflichtungen und den Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine anbelangt, führt der Gerichtshof aus, dass sich dieser Betreiber infolge eines Auslistungsbegehrens auf alle betroffenen Rechte und Interessen sowie auf alle Umstände des Einzelfalls zu stützen hat, um zu prüfen, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann. Gleichwohl ist dieser Betreiber nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist.

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine dann, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihr Begehren stützen können und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen offensichtlich unrichtig sind, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag nachzukommen. Dies gilt umso mehr, wenn diese Person eine gerichtliche Entscheidung vorlegt, die das feststellt.

Dagegen ist bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung dieser Betreiber, wenn sich aus den von der betroffenen Person vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig sind, nicht verpflichtet, einem solchen Auslistungsantrag stattzugeben.

Allerdings muss sich die Person, die in einem solchen Fall die Auslistung begehrt, an die Kontrollstelle oder das Gericht wenden können, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Ferner verlangt der Gerichtshof von dem Betreiber der Suchmaschine, dass er die Internetnutzer über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren informiert, in dem die Frage geklärt werden soll, ob in einem Inhalt enthaltene Informationen unrichtig sind, sofern dem Betreiber dieses Verfahren zur Kenntnis gebracht worden ist.

In Bezug auf die Anzeige der Fotos in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) betont der Gerichtshof, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige von Fotos der betroffenen Person in Gestalt von Vorschaubildern einen besonders starken Eingriff in die Rechte dieser Person auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten dieser Person darstellen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er in Bezug auf in Gestalt von Vorschaubildern angezeigte Fotos mit einem Auslistungsantrag befasst wird, prüfen muss, ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, das den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos haben. Insoweit stellt der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse einen entscheidenden Gesichtspunkt dar, der bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte zu berücksichtigen ist.

Der Gerichtshof stellt klar, dass eine unterschiedliche Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interesse vorzunehmen ist: Einerseits dann, wenn es sich um Artikel handelt, die mit Fotos versehen sind, die in ihrem ursprünglichen Kontext die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen und die dort zum Ausdruck gebrachten Meinungen veranschaulichen, und andererseits dann, wenn es sich um Fotos handelt, die in Gestalt von Vorschaubildern in der Ergebnisübersicht außerhalb des Kontexts angezeigt werden, in dem sie auf der ursprünglichen Internetseite veröffentlicht worden sind. Im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der in Gestalt von Vorschaubildern angezeigten Fotos kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ihrem Informationswert unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, Rechnung zu tragen ist. Allerdings ist jedes Textelement zu berücksichtigen, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Suchmaschinenbetreiber Google muss bei Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 07.04.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts)


Der EUGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Suchmaschinenbetreiber (hier: Google) bei einem Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus dem Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pitruzzella ist der Auffassung, dass ein auf die angebliche Unrichtigkeit der Informationen gestützter Antrag auf Auslistung den Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, die Überprüfungen vorzunehmen, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallen.

Des Weiteren darf im Rahmen eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche nur der Informationswert der Bilder als solcher berücksichtigt werden.

TU und RE erhoben gegen die Google LLC Klage und beantragten zum einen die Auslistung bestimmter Links, die in den Ergebnissen der Suchen über die von der Google LLC betriebene Suchmaschine angezeigt wurden. Die Links beziehen sich auf im Internet veröffentliche Artikel eines Dritten, in denen TU und RE genannt werden. Zum anderen beantragten sie die Unterlassung der Anzeige von Fotos, die mit diesen Artikeln in Form von Vorschaubildern verbunden sind. TU ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. RE war die Lebensgefährtin von TU und bis Mai 2015 Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Website g-net erschienen drei Artikel, in denen kritische Meinungen und Zweifel hinsichtlich der Seriosität des Anlagemodells verschiedener dieser Gesellschaften zum Ausdruck gebracht wurden und von denen einer mit vier Fotos bebildert war, auf denen TU und RE am Steuer von Luxus-Autos, in einem Hubschrauber und vor einem Charterflugzeug gezeigt wurden, was den Eindruck erwecken konnte, dass sie in fremdfinanziertem Luxus schwelgten. TU und RE forderten die Google LLC auf, die fraglichen Artikel auszulisten, die ihrer Auffassung nach unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten, die auf unwahren Tatsachen beruhten, und die Vorschaubilder aus der Ergebnisliste der Suche zu entfernen.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die erste Frage betrifft die Besonderheit der Funktion von Suchmaschinen und das Spannungsverhältnis, das sie zwischen den Grundrechten aus den Art. 7,8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union1 erzeugt, in einem vom Gerichtshof noch nicht geprüften Szenarium, nämlich dem, dass die betroffene Person die Richtigkeit der verarbeiteten Daten bestreitet und aus diesem Grund die Auslistung der Links verlangt, die auf von Dritten herausgegebene Inhalte verweisen, in denen diese Daten enthalten sind. Die zweite Frage betrifft die Notwendigkeit, bei der Prüfung eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche den Inhalt der Website, in die das betreffende Foto eingefügt ist, zu berücksichtigen.

In seinen heute vorgelegten Schlussanträgen untersucht Generalanwalt Pitruzzella zunächst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Verpflichtungen, die einem Suchmaschinenbetreiber obliegen, und arbeitet dabei vier Eckpunkte heraus.

Zunächst erläutert er, welche Verpflichtungen dem Betreiber einer Suchmaschine bei der Behandlung eines Antrags auf Auslistung obliegen, wenn dieser auf die nicht durch Beweise untermauerte Behauptung gestützt wird, dass einige der in dem gelisteten Inhalt enthaltene Informationen unrichtig seien.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten keinen absoluten Charakter hätten. Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten müsse im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Dabei sei das Recht, zu informieren, angemessen zu gewichten. Soweit in dem Fall, dass die betroffene Person eine öffentliche Rolle habe, das Recht, zu informieren, und das Recht auf Information Vorrang hätten, kehre sich dies dann um, wenn sich die Informationen, die Gegenstand des Auslistungsantrags seien, als unrichtig herausstellten.
Denn die Richtigkeit der Daten stelle nicht nur eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten dar, sondern dieses Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit könne in seiner zweifachen, aktiven und passiven, Bedeutung, wenn es sich um eine unrichtige Information handele, auch nicht auf der gleichen Ebene stehen wie die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. In diesem Fall kommt nach Auffassung des Generalanwalts ein vorrangiges Kriterium zum Tragen, das in einem der Grundwerte der Europäischen Union wurzelt, nämlich dem der in Art. 1 der Charta der Grundrechte verbürgten Menschenwürde. Eine unrichtige
Information verletze nicht nur das Grundrecht der Person, auf die sich der Schutz personenbezogener Daten beziehe, sondern beeinträchtige ihre Würde, da sie auf einer unrichtigen Darstellung beruhe und eine Verfälschung ihrer Identität bewirke, die heute vor allem im Netz definiert werde.

Wenn Zweifel an der Richtigkeit der vom Suchmaschinenbetreiber verarbeiteten Information bestünden, stelle sich die Frage der Abwägung der betroffenen Grundrechte daher ganz besonders, zumindest in dem Stadium, in dem die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Information noch nicht festgestellt worden sei. Zwar könne der Suchmaschinenbetreiber nicht verpflichtet
werden, die gespeicherten Inhalte einer allgemeinen Kontrolle in Bezug auf deren Richtigkeit zu unterziehen; aufgrund seiner besonderen Verantwortung, die mit seiner Funktion eines „gatekeeper“ der Information verbunden sei, müsse er jedoch eine aktive Rolle bei der Löschung der Ergebnisse der Suche nach Inhalten spielen, in denen unrichtige personenbezogene Daten
enthalten seien.

Allerdings schließt der Generalanwalt aus, dass eine Auslistung allein auf der Grundlage des bloß einseitigen Antrags des Betroffenen vorgenommen werden kann, ebenso wie er es ausschließt, dass von dem Betroffenen verlangt werden kann, sich an den Herausgeber der Webseite zu wenden, um die Entfernung des angeblich unrichtigen Inhalts zu verlangen. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass der Betroffene verpflichtet sei, die Umstände anzugeben, auf die der Antrag gestützt wird, und einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig seien. Der Suchmaschinenbetreiber müsse demgegenüber die Überprüfungen durchführen, mit denen die Begründetheit des Antrags
bestätigt oder nicht bestätigt werde und die sich im Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten hielten. Dabei habe er, wenn möglich, den Herausgeber der gelisteten Website zu kontaktieren, und dann darüber zu entscheiden, ob er dem Auslistungsantrag stattgebe oder nicht. Wenn sich der Inhalt auf eine Person beziehe, die eine öffentliche Rolle habe, müsse
sich die Entscheidung für die Auslistung auf besonders aussagekräftige Bestätigungen für die Unrichtigkeit der Informationen stützen. Schließlich könne der Suchmaschinenbetreiber, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen ließen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger der Informationen bestritten werde.

Hinsichtlich der Antwort auf die zweite Frage stellt der Generalanwalt fest, dass für namensbezogene Bildersuchen über eine Internetsuchmaschine dieselben Regeln gelten wie für Websuchen und dass der Suchmaschinenbetreiber mit der Zusammenstellung von im Internet veröffentlichten Fotos von natürlichen Personen und der Wiedergabe dieser Fotos einen
Dienst anbiete, bei dem er eine eigenständige Verarbeitung personenbezogener Daten vornehme, die sowohl von der des Herausgebers der Website, von der die Fotos entnommen seien, als auch von derjenigen der Listung dieser Website verschieden sei.

Nach Auffassung des Generalanwalts ist bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos vorzunehmen sei, nur der Informationswert der Fotos als solcher zu berücksichtigen, unabhängig von dem Inhalt, in den sich diese Fotos auf der Webseite, von der sie entnommen worden seien, einfügten.

Angesichts des Umstands, dass das Bild einer Person eines der Hauptmerkmale ihrer Persönlichkeit sei, komme dem Schutz des Rechts der Person auf Vertraulichkeit in diesem Kontext besondere Bedeutung zu, da die Fotos besonders persönliche Informationen vermitteln könnten.

Schlussanträge:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des BGH wie folgt zu antworten:

1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus den Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen der Prüfung eines Auslistungsbegehrens gegen den Betreiber einer Suchmaschine, das auf der Grundlage erhoben wird, dass die in dem indexierten Inhalt enthaltenen Informationen unrichtig seien, vorzunehmen ist, nicht maßgeblich darauf abgestellt werden kann, ob der Betroffene in zumutbarer Weise, z. B. durch eine einstweilige Verfügung, Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen kann. Im Rahmen eines solchen Antrags obliegt es dem Betroffenen, einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig sind, wenn dies, insbesondere in Bezug auf die Art der in Rede stehenden Informationen, nicht offensichtlich unmöglich oder übermäßig schwer ist. Es ist Sache des Suchmaschinenbetreibers, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallenden Überprüfungen in Bezug auf die behauptete Unrichtigkeit der verarbeiteten Daten durchzuführen und so weit wie möglich mit dem Herausgeber der indexierten Webseite in Kontakt zu treten. Der Suchmaschinenbetreiber kann, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen lassen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger Informationen, die in dem Inhalt enthalten sind, zu dem der fragliche Link führt, bestritten wird.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos, die eine natürliche Person darstellen, aus den Ergebnissen einer mit dem Namen dieser Person durchgeführten Bildersuche vorzunehmen ist, der Kontext der Veröffentlichung im Internet, in dem diese Fotos ursprünglich erscheinen, nicht zu berücksichtigen ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


BGH: Kein Verstoß gegen Unterlassunsgerklärung wenn Lichtbild nur noch durch Direkteingabe von langer URL aufrufbar und nicht mehr in Google-Bildersuche oder Suchmachinen-Cache auffindbar ist

BGH
Urteil vom 27.05.2021
I ZR 119/20
Lautsprecherfoto
UrhG § 15 Abs. 3, § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a


Der BGH hat entschieden, dass kein Verstoß gegen eine abgegebene Unterlassunsgerklärung vorliegt, wenn ein Lichtbild nur durch Direkteingabe einer langen URL aufrufbar und der Link auch nicht mehr in Diensten wie der Google-Bildersuche oder im Suchmachinen-Cache auffindbar ist.

Leitsatz des BGH:

Das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium "recht viele Personen" ist nicht erfüllt, wenn ein Produktfoto, dass zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor - als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war - abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war.

BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 119/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Verstoß gegen Unterlassungserklärung wenn Lichtbild noch per Direkteingabe der URL oder über Suchmaschine aufrufbar ist

OLG Karlsruhe
Urteil vom 14.04.2021
6 U 94/20


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vorliegt, wenn ein Lichtbild noch per Direkteingabe der URL oder über Suchmaschine aufrufbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

" 1. Die Beklagte hat mit dem Verstoß am 28.05.2016 den Vertragsstrafeanspruch in der mit der Klage geltend gemachten Höhe verwirkt.

a) Die Abrufbarkeit des Lichtbildes unter der genannten URL verstößt gegen die vertragliche Unterlassungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger.

aa) Die Beklagte hat sich mit ihrer Unterlassungserklärung vom 21.4.2016 gegenüber dem Kläger verpflichtet, es u.a. zukünftig zu unterlassen, die Fotografie „[...]“ oder Teile hieraus öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben.

Für den Fall des Verstoßes hat sie eine Vertragsstrafe in Höhe von mindestens 5.100 EUR versprochen, die vom Unterlassungsgläubiger festzusetzen und im Streitfall der Höhe nach vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist. Die Annahme des Versprechens durch den Kläger am 27.4.2016 steht nicht im Streit.

bb) Unstreitig ist das Lichtbild „[...]“ im Internet nach Abgabe der Unterlassungserklärung und deren Annahme am 28.5.2016 unter der im landgerichtlichen Urteil auf Seite 5 genannten URL ohne Urhebernennung für jedermann im Internet abrufbar gewesen, der diese URL-Adresse kennt oder auffindet. Die Beklagte hatte das Lichtbild von der Unterseite ihrer Website (einer russischen Website der Beklagten), in die das Bild zuvor noch eingebunden gewesen ist, zwar unmittelbar nach Abgabe der Unterlassungserklärung entfernt, sie hat es aber ohne Verlinkung zu Webseiten unter der genannten URL im Internet belassen.

cc) Zu dem als Verstoß geltend gemachten Zeitpunkt (28.5.2016) war das Lichtbild allerdings nicht in eine Website eingebunden und konnte daher nicht über Inhalte einer Website abgerufen werden. Der Abruf war damit nur in Kenntnis der URL des Lichtbildes durch Eingabe dieser URL in den Browser oder über eine Suche nach dem konkreten, also vorbekannten, Lichtbild über eine Suchmaschine möglich. Ob der Kläger oder das von ihm mit der Recherche und Dokumentation beauftragte Unternehmen das Lichtbild aufgrund der Kenntnis der URL des Lichtbildes zum Zeitpunkt der Einbindung in eine Website oder über eine Bildersuchmaschine im Internet auf der Domain der Beklagten aufgefunden hat, ist nicht vorgetragen. Unstreitig konnte das Lichtbild jedenfalls ohne Mithilfe der Beklagten im Internet zugänglich aufgefunden und abgerufen werden.

In der Rechtsprechung wird unterschiedlich beurteilt, ob der Umstand der Abrufbarkeit eines Lichtbildes im Internet durch Eingabe einer URL oder durch Suche nach einem Lichtbild mit einer Suchmaschine auf diese Weise ein öffentliches Zugänglichmachen i.S. eines an den Wortlaut des Gesetzes anknüpfenden Vertragsstrafeversprechens darstellt.

(1) Der Senat hatte mit Urteil vom 12.9.2012 – 6 U 58/11 Juris Rn. 22 entschieden, dass es für ein öffentliches Zugänglichmachen genügt, dass es für einen Dritten, wenn - wie im Streitfall - zuvor eine Verlinkung mit einer Website bestanden hatte, möglich bleibt, das Lichtbild im Internet auch ohne genaue Kenntnis der URL aufzufinden. Der Umstand, dass das Lichtbild zu diesem Zeitpunkt nicht in eine Homepage eingebettet war, steht danach der Annahme des öffentlich Zugänglichmachens im Sinne der Unterlassungserklärung nicht entgegen. Das Auffinden ist aufgrund der vorangegangenen Nutzung unter Einbindung in eine Website möglich. Im dortigen Fall hatte der Senat ausgeführt, das Lichtbild könne unter der auf dem Rechner gegebenenfalls noch gespeicherte URL, welche den Nutzer unmittelbar auf die noch vorhandene Datei führe und zum anderen unter Einsatz von Suchmaschinen aufgefunden werden. Entsprechend hatte der Senat auch mit Urteil vom 3.11.2012 – 6 U 92/11 Juris Rn. 29 angenommen, dass ein Beklagter bei einer Unterlassungserklärung dieses Inhalts verpflichtet sei, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das betreffende Lichtbild nicht mehr über ihre Webseite oder die von ihr verwendete URL öffentlich zugänglich ist und dass das bloße Löschen eines Links zu dem redaktionellen Beitrag, in dessen Zusammenhang das Lichtbild Verwendung gefunden hatte, für die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht genügt. Diese Auffassung vertreten auch das Kammergericht mit Urt. v. 29.07.2019 (24 U 143/18, Juris Rn. 20 f., ZUM-RD 2020, 497) und das Oberlandesgericht Hamburg mit Urt. v. 09.04.2008 (5 U 124/07, Juris Rn. 38; ZUM-RD 2009, 72). Den von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (ZUM 2013, 874) und des LG Kölns (Urt. v. 30.01.2014 ZUM-RD 2014, 220) ist nichts Gegenteiliges entnehmen.

(2) Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urt. v. 16.6.2020 – 11 U 46/19 Juris Rn. 33 ff., ZUM-RD 2020, 508) hingegen ist der Ansicht, dass der Umstand, dass ein Lichtbild durch die Eingabe der URL-Adresse zugänglich sei, nicht die Anforderung an ein „öffentliches Zugänglichmachen“ i.S. des § 19a UrhG und eines daran anknüpfenden Unterlassungsvertrages erfülle. Denn der Begriff „öffentlich“ beinhalte bei europarechtlich zutreffender Auslegung des § 19a UrhG, der einer Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG diene, eine bestimmte Mindestschwelle, die bei einer allzu kleinen oder gar unbedeutenden Mehrzahl betroffener Personen nicht erreicht werde (EuGH, Urt. v. 26.4.2017 – C-527/15 Rn. 44 [dort zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe]). Beschränke sich der Personenkreis, für den das Lichtbild zugänglich sei, faktisch auf diejenigen Personen, denen die URL-Adresse zuvor, als das Lichtbild vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige frei zugänglich gewesen sei, zur Kenntnis gelangt sei, oder denen die Adresse von solchen Personen weitergegeben worden sei, und seien dies neben dem Kläger nicht „recht viele Personen“ i.S. der EuGH-Rechtsprechung, stelle dies keine ausreichende Zahl von Personen dar. Daher fehle es an einem öffentlichen Zugänglichmachen. Gegen die Entscheidung ist beim Bundesgerichtshof nach Juris unter dem Aktenzeichen I ZR 119/20 die vom Berufungsgericht zugelassene Revision anhängig.

(3) Der Senat hält an seiner oben unter (1) wiedergegeben Auffassung fest, nach der ein Schuldner – nach vorangegangener urheberrechtswidriger Nutzung eines Lichtbildes auf seiner Website – gegen seine nachfolgend eingegangene vertragliche Verpflichtung, es zu unterlassen, ein Lichtbild ohne Urheberbenennung öffentlich zugänglich zu machen, verstößt, wenn dasselbe Lichtbild im Anschluss durch Eingabe der URL oder durch Suche mit einer Suchmaschine im Internet weiterhin unter der Domainadresse des Schuldners von jedermann aufgerufen werden kann und der Urheber nicht benannt ist.

Im Streitfall ist es nicht maßgeblich, ob ein nicht mit einer Website verknüpftes und nur über die Direkteingabe einer URL im Internet abrufbares Lichtbild öffentlich zugänglich i.S. des § 19a UrhG gemacht wird. Daran bestehen Zweifel, da der Begriff „öffentlich“ erfordert, dass eine nicht allzu kleine oder unbedeutende Zahl das Lichtbild wahrnehmen können muss und dies nicht der Fall ist, wenn mangels Kenntnis von dem Lichtbild nach diesem nicht gesucht werden kann und die URL nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis bekannt ist. So aber verhält es sich im Streitfall nicht: Denn die Beurteilung des Streitfalls ist von zwei Unterschieden gekennzeichnet. Zum einen wird kein Anspruch wegen eines Verstoßes gegen § 19a UrhG, sondern ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung geltend gemacht. Zum zweiten war das Lichtbild zuvor – ohne Urheberbenennung und unter Einbindung in eine Website – im Internet einem unüberschaubar großen Personenkreis zugänglich gemacht worden. Ob der Umstand, dass das Lichtbild ohne Benennung des Urhebers weiterhin über die Eingabe einer URL oder gegebenenfalls über eine Bildersuchmaschine, nicht aber über die Einbindung einer Website im Internet zugänglich ist, gegen die vorgenannte Unterlassungsverpflichtung verstößt, ist bei dieser Ausgangslage im Tatsächlichen durch Auslegung des Unterlassungsvertrages zu ermitteln.

Bei der Auslegung des Unterlassungsvertrages ist nach §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass die Parteien mit der Formulierung der Verpflichtung, es zu unterlassen, „die Fotographie (…) öffentlich zugänglich zu machen (…), ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben“ in jedem Fall das zuvor als rechtswidrig beanstandete Verhalten erfassen und mithin zumindest die Wiederholungsgefahr aus dem zuvor begangenen urheberrechtlichen Verstoß beseitigen wollten. Die Unterlassungsverpflichtung, die der Kläger angenommen hat, sollte damit jedenfalls geeignet sein, die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches wegen des beanstandeten Verhaltens als urheberrechtswidriges öffentliches Zugänglichmachen i.S. des § 19a UrhG des nach § 72, § 2 UrhG geschützten Lichtbildes auszuschließen. Gegenstand der damaligen Beanstandung war das öffentliche Zugänglichmachen des Lichtbildes auf der Homepage der Beklagten ohne Angabe des Urhebers. Zum damaligen Zeitpunkt war das Lichtbild unstreitig in eine verlinkte Website (die russische Unterseite der Beklagten) eingebettet und der Urheber nicht benannt. Die Beklagte hat damit gegen das Recht des Urhebers nach § 13 UrhG auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk verstoßen. Der Urheber kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Der Anspruch auf Namensnennung folgt aus dem Persönlichkeitsrecht auf Anerkennung der Urheberschaft und ist daher in allen Fällen gegeben, in denen das Werk, sei es in bearbeiteter oder in unbearbeiteter Form, an die Öffentlichkeit herangeführt wird (BGH GRUR 1963, 40, 42 – Straßen - gestern und morgen). Das geschieht nicht nur durch das Original, sondern auch durch Vervielfältigungsstücke (BGH NJW 1994, 2621, 2622 - Namensnennungsrecht des Architekten; amtl. Begr. BT-Drucks IV/270, 44). Die damalige Nutzung auf der Website, die zur Abgabe der Unterlassungserklärung geführt hatte, war – falls ein Nutzungsvertrag zustande gekommen sein sollte – auch nicht durch die Nutzungsbedingungen von [P.] gedeckt. Denn nach Ziff. 8 der AGB v. 28.09.2007 hat „der Nutzer (…) am Bild selbst oder am Seitenende [P.] und den Urheber mit seinem beim Upload des Bildes genannten Fotografennamen bei [P.] in folgender Form zu nennen.“ Weder am Bild auf der Website (der russischen Unterseite der Beklagten) noch am Seitenende war der Kläger als Urheber benannt.

Der Umstand, dass es vorliegend an einer Einbettung des Lichtbildes in eine Website, wie dies Anlass der abgegebenen Unterlassungserklärung war, fehlt, führt aber nicht von vornherein zu der Annahme, dass die beanstandete Handlung nicht von der Unterlassungsverpflichtung umfasst ist. Denn eine Unterlassungsvereinbarung ist darüber hinaus dahin auszulegen, dass ein Schuldner nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störzustandes schuldet (vgl. BGH Urt. v. 18.09.2014 – I ZR 76/13 Juris Rn. 67– CT-Paradies). Besteht die Verletzungshandlung in dem urheberrechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachen eines Lichtbildes ohne Urheberbenennung, kann aus der Unterlassungsverpflichtung auch verlangt werden, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass ein zuvor in das Internet eingestelltes Lichtbild vor dem Zugriff Dritter geschützt wird, nicht mehr öffentlich zugänglich ist (Senat Urt. v. 03.12.2012, aaO Juris Rn. 29; KG Urt. v. 29.07.2019 aaO Juris Rn. 21; insoweit auch OLG Frankfurt Urt. v. 16.06.2020 aaO Juris Rn. 29). Die Beklagte war daher aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtung dazu angehalten, alles dafür zu tun, dass das Lichtbild zukünftig nicht ohne Urhebernennung öffentlich zugänglich wird. Die vertragliche Handlungspflicht zum Schutz vor einem Zugriff Dritter im Internet auf das konkrete Lichtbild geht damit gegebenenfalls weiter als die allgemeinen gesetzlichen (Unterlassungs-)Pflichten. Deshalb genügt es zur Erfüllung dieser Handlungspflicht nicht, das Lichtbild von der Website zu entfernen, es aber ohne selbst ergriffene technische Maßnahmen zur Verhinderung des Auffindens weiterhin im Internet ohne Urheberbenennung unter ihrer Domainadresse abzuspeichern. Denn es besteht aufgrund der vorangegangenen Nutzung des Lichtbildes auf ihrer Website die nicht nur abstrakte Möglichkeit, dass Dritte nach dem Lichtbild suchen, und dieses im Internet auf ihrer Seite auch ohne Verlinkung auf einer URL der Beklagten auffinden. Dass die Beklagte technische Maßnahmen ergriffen habe, damit dies nicht möglich ist, hat sie nicht behauptet.

(4) Ob die Annahme des Landgerichts zutrifft, dass der Unterlassungsvertrag für sich genommen dahin ausgelegt werden kann, dass mit ihm eine in den [P.]-Nutzungsbedingungen nicht vorgesehen Vertragsstrafe vereinbart ist, im Übrigen aber die Nutzungsbedingungen weiterhin gelten, ist zweifelhaft. Denn nach Ziff. 5 Abs. 1 der Nutzungsbedingungen ist die Nutzung nur „für die zulässigen Nutzungen in Übereinstimmung mit den jeweiligen Lizenzen (…)“ eingeräumt. An einer vorangegangenen zulässigen Nutzung durch die Beklagte hat es aber wegen der Wiedergabe des Lichtbildes auf ihrer Homepage ohne Urheberbenennung unter Verstoß gegen Ziff. 8 der Nutzungsbedingungen unzweifelhaft gefehlt.

Jedenfalls aber kommt diese Auslegung im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, da die Beklagte sich wegen eines vorangegangenen Verstoßes dem Kläger gegenüber bereits mit Schreiben v. 08.10.2014 verpflichtet hatte, es „zukünftig zu unterlassen, die Fotografie „[...]“ Ihres Mandanten oder Teile dieser Fotografie zu veröffentlichen, zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen, zu bearbeiten oder umzugestalten“ (LGU S. 4, Klageschrift AS I 4) und die Beklagte schon deshalb – unabhängig von der Urheberbenennung – zu Nutzungshandlungen nicht berechtigt war.

Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang außerdem ohne Erfolg geltend, dass die mit den nach dem Verstoß eingeführten Nutzungsbedingungen einhergehende Einschränkung der Pflicht zur Urheberbenennung (es bedarf bei der isolierten Darstellung des Bildes durch direkten Aufruf der Bild-URL keiner Urheberbenennung) bereits in die früheren Nutzungsbedingungen hinein zu lesen sei. Denn in jedem Fall hat sich die Beklagte abweichend von den Nutzungsbedingungen und über diese hinausgehend mit ihrer Unterlassungserklärung verpflichtet, es zu unterlassen, das genannte Lichtbild öffentlich zugänglich zu machen, ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben.

(5) Und schließlich macht die Beklagte noch geltend, die nach den Nutzungsbedingungen der [P.] vereinbarte Verpflichtung könne nicht der Kläger als Dritter gegen sie geltend machen, da die schuldrechtliche Verpflichtung nur [P.] gegenüber bestehe. Die Beklagte verkennt, dass der Kläger keinen Anspruch aus den Nutzungsbedingungen, sondern aus dem von ihr ihm gegenüber abgegebenen Vertragsstrafeversprechen geltend macht.

(6) Soweit die Beklagte einwendet, sie habe sich nur demjenigen gegenüber verpflichten wollen, der wirklich ihr gegenüber Urheberrechte geltend machen könne und sie bestreite, dass der Kläger Urheber des Bildes „[...]“ sei, geht dies fehl. Die Tatsachen, die zur rechtlichen Wertung führen, dass der Kläger Urheber des Lichtbildes ist, hat das Landgericht als unstreitig festgestellt (LGU S. 3, 2. Abs.). Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht gestellt worden, Gründe für Zweifel an der Feststellung i.S. des § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) sind nicht aufgezeigt. Im Weiteren handelt es sich allenfalls um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Der Kläger macht außerdem vorliegend gegen die Beklagte auch keine (gesetzlichen) Ansprüche als Urheber, sondern Ansprüche als Vertragspartner der Beklagten geltend.

b) Die Vertragsstrafe ist nach den obigen Darlegungen verwirkt (§ 339 S. 2 BGB). Die Beklagte handelte auch schuldhaft, sie handelte zumindest fahrlässig. Fahrlässig handelt, wer das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außer Acht lässt. Die positive Kenntnis der Beklagten bzw. ihrer Organe von dem Verbleib des Lichtbildes unter der vorne festgestellten URL steht außer Zweifel. Das Handeln von Erfüllungsgehilfen muss sie sich zurechnen lassen (§ 278 BGB). Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte auch erkannt, dass der Verbleib des Lichtbildes im Internet ohne Benennung des Urhebers unter ihrer Domainadresse gegen die mit dem Unterlassungsversprechen selbst eingegangene vertragliche Verpflichtung verstößt.

Nachdem die Vertragsstrafe verwirkt ist, besteht der Zahlungsanspruch in der mit der Klage geltend gemachten Mindesthöhe der versprochenen Strafe (5.100 EUR). Darüber hinaus besteht auch der Zahlungsanspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten für die Dokumentation des Verstoßes als Verfolgungs- und Ermittlungskosten in Höhe von 47,60 EUR und nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB der geltend gemachte Zinsanspruch. Mit Schreiben vom 22.7.2016 hat die Beklagte die Ansprüche des Klägers ernsthaft und endgültig verweigert.

2. Der Zahlungsanspruch ist nicht verjährt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Verstoß gelangte dem Kläger frühestens nach seiner Abmahnung des vorangegangenen Verstoßes mit Schreiben v. 17.3.2016 und spätestens mit der Dokumentation des Verstoßes durch das von ihm beauftragte Unternehmen am 28.5.2016 zur Kenntnis, so dass die Verjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 hätte eintreten können. Allerdings hemmt nach § 204 Nr. 1 BGB die Erhebung der Klage die Verjährung. Zwar ging die Klage bei Gericht am 13.12.2019 ein, nach § 253 Abs. 1 ZPO erfolgt die Erhebung der Klage aber (erst) durch die Zustellung der Klageschrift. Die Zustellung ist im Streitfall am 03.03.2020 erfolgt (PZU AS I AS 61). Nach § 167 ZPO wirkt aber die Zustellung auf den Eingang des Antrags (im Streitfall also auf den 13.12.2019) zurück, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Ist die Zustellung also demnächst erfolgt, hat sie die mit Ablauf des 31.12.2019 eintretende Verjährung wirksam gehemmt. Die Parteien streiten darüber, ob die Zustellung am 03.03.2020 noch als „demnächst“ i.S. des § 167 ZPO bewertet werden kann. Das Landgericht hat, da es bereits das Bestehen eines Anspruchs verneint hat, in der angegriffenen Entscheidung aus seiner Sicht folgerichtig zur Frage der Verjährung keine Ausführungen gemacht.

Die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO ist wegen des gebotenen Vertrauensschutzes für den Empfänger nur vertretbar, wenn die Zustellung in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand vom Fristablauf erfolgt (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 167 Rn. 10). Die Rechtsprechung legt diesem Merkmal neben der zeitlichen Komponente allerdings eine wertende Komponente bei, indem sie darauf abstellt, ob der Zustellungsbetreiber alles ihm zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen (BGH NJW 1999, 3125). Denn die gerechte Abwägung der beteiligten Interessen ist auch davon abhängig, wer für die Dauer des Zustellungsverfahrens verantwortlich ist. Verzögerungen durch gerichtliche Sachbehandlung sind einem Kläger nicht anzulasten. Deshalb steht der Beurteilung der Zustellung als „demnächst“, nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger die Klage beim örtlich unzuständigen Landgericht erhoben hat. Denn auch mit der Klage vor dem unzuständigen Gericht hätte der Kläger die Zustellung der Klage erreichen können. Dies ist nicht nur durch die Einreichung der Klage bei dem zuständigen, sondern auch durch die Einreichung der Klage bei einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht möglich. Denn ein örtlich oder sachlich unzuständiges Gericht muss die Sache nicht sofort an das zuständige Gericht verweisen und so die rechtzeitige Zustellung ermöglichen, sondern kann auch zunächst selbst die Zustellung der Klage verfügen (vgl. BGH MDR 2014, 47 Juris Rn26 [zur Wahrung einer Ausschlussfrist nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGGBG]). Daher kann es nicht dem Kläger angelastet werden, dass das unzuständige Landgericht weder den Gebührenvorschuss erhoben (vergl. Vermerk vom 8.1.2029, AS I 43) noch die Zustellung der Klageschrift veranlasst hat. Mit Beschluss vom 14.1.2020 ist das Verfahren an das zuständige Gericht verwiesen worden. Die Vorschussanforderung folgte mit Verfügung der Kostenbeamtin des zuständigen Gerichts mit Verfügung vom 24.1.2020 (AS I 53). Unstreitig hat der Kläger mit dem in Anlage K 12 (AS I 73) vorgelegten Überweisungsauftrag vom 24.1.2020 seiner Bank eine Anweisung zur Zahlung des Kostenvorschusses erteilt. Dass die Beklagte die Richtigkeit einer (darin liegenden) Behauptung der Ausführung des Überweisungsauftrages hat dahingestellt sein lassen, steht dem nicht entgegen. Angesichts des erteilten Überweisungsauftrages kann dem Kläger ein Zuwarten mit einer Sachstandsanfrage an das Gericht bis zum 10.2.2020 nicht als zögerlich vorgeworfen werden. Auch im Weiteren liegt kein zögerliches Handeln des Klägers vor: Auf seine Sachstandsanfrage war ihm mit Verfügung vom 13.2.2020 (AS I 56) durch den Vorsitzenden mitgeteilt worden, dass der Kostenvorschuss zwar angefordert, bislang aber nicht eingegangen und die Klage daher nach § 12 GKG nicht zugestellt worden sei. Das Schreiben des Vorsitzenden ist am 19.2.2020 vom Landgericht abgegangen. Daraufhin ist der Eingang des Kostenvorschusses bereits am 25.2.2020 und somit fünf Tage nach Abgang der Verfügung vom 13.2.2020 verbucht worden (vgl. Zahlungsanzeige in der Vorakte). Bei wertender Betrachtung ist bei diesen Umständen davon auszugehen, dass nicht der Kläger als Zustellungsbetreiber die Verzögerung der Zustellung herbeigeführt hat. Die Erhebung der Klage vor dem örtlich unzuständigen Gericht steht der Annahme einer Zustellung demnächst nicht entgegen, die Sachstandsanfrage ist zeitnah erfolgt und nach Mitteilung des fehlenden Eingangs des Kostenvorschusses ist dieser unmittelbar bezahlt worden. Der Zeitablauf begründet auch keine entgegenstehenden schützenswerten Interessen der Beklagten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände, ist die Zustellung der Klage als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt zu bewerten und hat die Erhebung der Klage den Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist daher nicht verjährt."


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LG Köln: Kein Anspruch auf Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau wenn Abmahnung keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

LG Köln
Urteil vom 20.05.2021
14 O 167/20


Das LG Köln hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau im Internet besteht, wenn die Abmahnung entgegen § 97a Abs. 2 UrhG keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Beklagten steht weder ein Anspruch auf (nicht im Wege der Widerklage geltend gemachten) Schadensersatz in Höhe von 2.415,92 € (22.015,92 € abzüglich 19.600,- €) noch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.564,26 € zu. Außerdem hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.564,26 € zzgl. Verzugszinsen seit dem 03.06.2020 aus § 97a Abs. 4 UrhG, §§ 286, 288 BGB.

a) Aus den obigen Erwägungen zur Widerklage ergibt sich spiegelbildlich, dass der Beklagte keinen über 1.113,05 € hinaus gehenden Schadensersatzanspruch gegen den Kläger hat. Der Klageantrag zu 1. ist folglich begründet. Dabei war der Klageantrag nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung dahingehend zu korrigieren, dass die Feststellung nur den tenorieren Betrag von 2.415,92 € betrifft.

b) Der Antrag zu 2. der Klage ist ebenfalls begründet, weil der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG hat, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 97a Abs. 2 UrhG entspricht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abmahnung keine Ablichtung oder sonstige eindeutige Konkretisierung des streitgegenständlichen Lichtbilds enthielt und somit die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet war im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Dies genügt bereits, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Auf die anderen Einwände des Klägers gegen die Abmahnung kommt es nicht weiter an, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch der Antrag zu 3. der Klage dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 97a Abs. 4 UrhG. Mit Blick auf die Höhe hat der Kläger seine erforderlichen Aufwendungen spiegelbildlich zur Höhe der Abmahnkosten berechnet. Dabei hat er einen Gegenstandswert i.H.v. 29.576,18 € und eine 1,5 Geschäftsgebühr angesetzt und einen Betrag von 1.584,26 € berechnet. Mit Ausnahme der fehlerhaften Berechnung der Gebühr begegnet dies im Ergebnis angesichts der Berühmung von Ansprüchen des Beklagten keinen Bedenken. Der Gegenstandswert errechnet sich zwar aus der Höhe der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche und zwar Schadensersatz in Höhe von 19.600,- €, dem Unterlassungsanspruch zu 6.000,- € sowie der eigenen Forderung in Höhe von 1.584,26 €, mithin 27.184,26 € (in der Abmahnung geltend gemachte Zinsen in Höhe von 2.415,92 € bleiben als Nebenforderung außer Betracht). Da mit dieser leicht überhöhten Angabe des Gegenstandswerts jedoch kein Gebührensprung verbunden ist, bleibt sie im Ergebnis ohne Folge. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr ist berechtigt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nach Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Eine höher festgesetzte Gebühr ist voll durch die Gerichte überprüfbar. In der Literatur wird vertreten, dass im Regelfall bei urheberrechtlichen Angelegenheiten von einem hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen sei. Es handelt sich um eine Spezialmaterie, die eine umfassende Einarbeitung eines nicht darauf spezialisierten Anwalts erfordert (Fromm/Nordemann, UrhG § 97a Rn. 41). Ob jede urheberrechtliche Angelegenheit einen hohen Schwierigkeitsgrad hat, lässt die Kammer ausdrücklich offen. Im vorliegenden Fall der Abwehr einer sehr hohen Schadensersatzforderung in einem Fall mit beiderseitigem Auslandsbezug ist dieser hohe Schwierigkeitsgrad jedoch anzunehmen und der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr angemessen. Jedoch beläuft sich eine 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 VV RVG auf 1.294,50 € (nicht wie vom Klägerbevollmächtigten in seinem vorgerichtlichen Schreiben errechnet: 1564,26 €). Zuzüglich der Auslagen nach Nr. 7001 und 7002 VV RVG von 20,- € errechnen sich damit Nettogebühren von 1.314,50 €. Der Kläger forderte dabei in seinem Schreiben nur den Nettobetrag. Umsatzsteuer dürfte wegen § 3a Abs. 2 UStG auch nicht anfallen, sodass der Kläger nur den Nettobetrag ersetzt verlangen kann. Dass der Kläger Umsatzsteuer in Deutschland oder der Schweiz gezahlt hat und deshalb auch insoweit Ersatz verlangen kann, hat er nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

d) Aus dem vorgenannten Betrag kann der Kläger Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB seit dem 03.06.2020 fordern, weil der Beklagte durch E-Mail seines Rechtsanwalts vom 02.06.2020 die Zahlung von Aufwendungsersatz eindeutig abgelehnt hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).


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AG Würzburg: Kein Anspruch auf Lizenzschaden bei Fotoklau wenn Lichtbild unter Creative Commons-Lizenz steht und unentgeltlich lizenziert werden kann

AG Würzburg
Urteil vom 23.07.2020
34 C 2436/19


Das AG Würzburg hat entschieden, das kein Anspruch auf Lizenzschaden beim Fotoklau besteht, wenn das Lichtbild unter der Creative Commons-Lizenz steht und unentgeltlich lizenziert werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Hinsichtlich der Schadensersatzklage ergibt sich Folgendes:

Der Beklagte hat nicht nachweisen können, dass ihm ein Zahlungsanspruch gegen den Kläger zusteht.

Die Entstehung eines konkreten Schadens in Form eines entgangenen Gewinns hat der Beklagte schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt.

Auch auf der Grundlage der Lizenzanalogie ergibt sich kein anderes Ergebnis. Hierbei ist davon auszugehen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für vom Verletzer vorgenommene Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums gezahlt hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsbeeinträchtigung, wobei die Höhe des Schadens nach § 287 ZPO zu schätzen ist. Neben dem Umfang der Nutzung ist der Wert des verletzten Rechts zu berücksichtigen. Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlung beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, Az. 62/14, zitiert nach Juris).

Mit dem OLG Köln ist das Gericht der Auffassung, dass ein Lichtbild, das der Beklagte und Widerkläger zur Nutzung im Rahmen einer CC-Lizenz unentgeltlich zur Verfügung stellt, mit einem objektiven Wert von 0,00 € zu bemessen ist. Auch eine Verdoppelung im Hinblick auf einen Verletzerzuschlag führt zu keinem höheren Wert. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte die unentgeltliche Benutzung nur unter Werbegesichtspunkten - und folglich unter Nennung seines Namens - zugelassen haben will. Dies stellt lediglich das Motiv des Beklagten für die Erlaubnis zur unentgeltlichen Nutzung dar. Das Gericht ist jedoch nicht der Auffassung, dass sich hierdurch der objektive Wert erhöht. Ein gesonderter wirtschaftlicher Wert ist in der unterlassenen Namensnennung nicht zu sehen."


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OLG Frankfurt: Keine Vertragsstrafe aus Unterlassungserklärung im nicht gewerblichen Bereich wenn Foto noch im Google Cache / der Google-Bildersuche vorübergehend zu finden war

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.02.2019
11 U 156/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung, die von einer nicht im gewerblichen Bereich handelnden Person abgegeben wurde, besteht, wenn das urheberrechtswidrig verwendete Foto vorübergehend noch im Google Cache / der Google-Bildersuche zu finden war.

"1) Die Voraussetzungen, unter denen sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Vertrag vom 7.3.2017 zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hatte, sind nicht erfüllt.

Zwar hat die Klägerin zuletzt unstreitig gestellt, dass die gegenständliche Photographie am 22.3.2017 noch in der beklagtenseits geschilderten Art und Weise über die Suchmaschine Google abrufbar war. Die unterbliebene Veranlassung einer Löschung aus dem Google Cache stellt jedoch unter den Umständen des vorliegenden Falles keinen Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungsvereinbarung dar.

Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens und der Zweck der Vereinbarung sowie die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind (BGH Urteil vom 18.9.2014, I ZR 76/13 - CT-Paradies - Rdnr. 57 m.w.Nw.). Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst (BGH aaO Rdnr. 63). Besteht die Verletzungshandlung - wie vorliegend - in der Öffentlich-Zugänglichmachung von Lichtbildern, kann daher grundsätzlich auch verlangt werden, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die bereits in das Internet eingestellten Lichtbilder dort nicht mehr öffentlich zugänglich sind (BGH aaO Rdnr. 67).

Daraus ergibt sich ohne Weiteres - und wird auch von der Klägerin selbst nicht in Abrede gestellt -, dass sich die vertraglich übernommene Unterlassungsverpflichtung der Klägerin nicht darauf beschränkte, das Bild nicht erneut hochzuladen oder sonst zu verlinken, sondern dass sie auch verpflichtet war, es von ihrer Webseite und von ihrem Server zu entfernen, als actus contrarius zu der von ihr veranlassten Einstellung auf ihre Webseite. Die Auslegung der Unterlassungserklärung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände ergibt aber nach Auffassung des Senates nicht, dass die Klägerin sich auch dazu verpflichtet hatte, für die sofortige Beseitigung des Photos im Cache von Suchmaschinen zu sorgen.

Insbesondere kann die Erklärung nicht nach denselben Maßstäben ausgelegt werden, wie sie von der beklagtenseits zitierten Rechtsprechung für die Auslegung von Vertragsstrafeversprechen im gewerblichen Kontext entwickelt wurden (vgl. dazu BGH Urteil vom 18.9.2014, I ZR 76/13 - CT-Paradies; Urteil vom 4.5.2017, I ZR 208/15 - Luftentfeuchter; OLG Düsseldorf, Urteil vom 3.9.2015, 1-15 U 119/14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.12.2012, 6 U 92/11; OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.5.2016, 4 U 45/15). Die Klägerin handelte vorliegend nicht als Teilnehmerin am Wirtschaftsleben. Sie verwendete das streitgegenständiche Blumenphoto zur Illustration der Ankündigung von zwei Seniorennachmittagen; es war damit keinerlei Gewinnerzielungsabsicht verbunden. Für den Beklagten, auf dessen Empfängerhorizont es für die Auslegung des von der Klägerin abgegebenen Unterlassungsversprechens ankommt, war offenkundig, dass die seinerzeit nicht anwaltlich vertretene Klägerin das Vertragsstrafeversprechen nicht im Rahmen einer geschäftlichen Tätigkeit abgab; er hatte auch keinen Grund zu der Annahme, dass es sich bei der Klägerin um einen versierten Internetnutzer handelte, dem ohne entsprechende Hinweise (die der Beklagte ohne Weiteres hätte geben können) die Funktionsweise von Caches bekannt war. Anders als etwa bei der vom Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des KG vom 27.11.2009, 9 U 27/09, bei der die - im Übrigen gewerblich handelnde - Verletzerin in einer besonderen Vertragsbeziehung zu Google stand, aufgrund derer Google gesorgt hatte, dass die Inhalte auf ihrer Webseite gefunden werden konnten, war vorliegend die Notwendigkeit einer Einflussnahme auf Google auch nicht aufgrund einer solchen Vertragsbeziehung für beide Parteien offensichtlich.

Dazu kommt, dass nach gefestigter Rechtsprechung des BGH um so eher eine eng am Wortlaut des Unterlassungsvertrages orientierte Auslegung geboten ist, je höher die vereinbarte Vertragsstrafe im Verhältnis zu dem gesicherten Unterlassungsanspruch ist (Urteil vom 13.2.2003, I ZR 281/01, GRUR 2003, 545, 546 - Hotelfoto; GRUR 2015, 258 [BGH 18.09.2014 - I ZR 76/13] Rdnr. 68 - CT-Paradies.). Anders als bei den beklagtenseits zitierten Entscheidungen, bei der ausweislich des veröffentlichten Tatbestandes eine Vertragsstrafe nach dem Ermessen des Gläubigers vereinbart war, hatte die Klägerin vorliegend eine feste Vertragsstrafe von 5.100 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen. Diese Vertragsstrafe konnte bei verständiger Würdigung der Vertragsparteien zwar für eine der Erstverletzung vergleichbare Handlung als angemessen angesehen werden, nicht aber für die nunmehr noch streitgegenständliche Verletzungsform (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.1.2015, 13 U 58/14, wo bei unterlassener Sicherstellung der Löschung von - im Unterschied zum vorliegenden Fall gewerblich genutzten - Seiten im Google-Cache eine Vertragsstrafe von maximal 2.500 Euro als angemessen angesehen war). In Anbetracht dessen, dass durch die vorliegend streitgegenständliche Aufrufbarkeit des Bildes in kleinem Maßstab aus dem Cache für einen absehbaren Zeitraum die Beeinträchtigung der Rechte des Beklagten äußerst gering erscheint, ebenso wie sich hieraus für die Klägerin keinerlei Nutzen mehr ergibt, konnte die von der nicht gewerblich handelnden Klägerin abgegebene Erklärung, sich zu einer Vertragsstrafe von 5.100 Euro zu verpflichten, bei verständiger Würdigung auch vom Beklagten nach §§ 133, 157 BGB nicht dahingehend verstanden werden, dass sie eine derart hohe Vertragsstrafe auch dann zahlen wollte, wenn das Bild noch im Cache eines Internet-Browsers vorhanden war. So hatte auch der BGH in der Entscheidung CT-Paradies die Höhe der Vertragsstrafe (nur) deshalb nicht als relevant für die Auslegung erachtete, weil dort die Höhe dem billigen Ermessen des Klägers vorbehalten war (aao Rdnr. 69).

Soweit der Beklagte der Auffassung ist, es habe der Klägerin oblegen, sich ggf. fachkundigen Rechtsrat über den Umfang ihrer Unterlassungspflichten einzuholen, so wie sie dies nach Erhalt der zweiten Abmahnung getan hat, verkennt sie, dass es vorliegend nicht um die Reichweite von gesetzlichen Handlungs- und Unterlassungspflichten geht, sondern um die Auslegung von Willenserklärungen nach dem Maßstab der §§ 133, 157 BGB. Maßgeblich ist nicht, zu welchen Maßnahmen ein Verletzer aufgrund eines gerichtlichen Unterlassungstitels verpflichtet ist, sondern welche Verpflichtungen der Verletzer in dem Vertragsstrafeversprechen übernommen hatte.

2) Die Beklagte kann jedoch nach § 97a Abs. 3 UrhG Erstattung der erforderlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 22.3.2017 verlangen.

a) Im Hinblick darauf, dass das Photo am 22.3.2017 weiterhin durch Eingabe der klägerseits benannten Suchbegriffe im Internet aufrufbar war, stand dem Beklagten gegenüber der Klägerin ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zu. Die Klägerin hat durch die Einstellung des Photos auf ihrer Webseite einen fortdauernden Verletzungszustand begründet, da das Öffentlich-Zugänglich-Machen eine Dauerhandlung ist (BGH GRUR 2015, 158 - CT-Paradies Rdnr. 67). Dieser Verletzungszustand dauert an, solange das Photo aufgrund der von der Klägerin veranlassten Einstellung im Internet auffindbar ist. Eine fortdauernde Verantwortlichkeit der Klägerin für diesen von ihr als Handlungsstörerin geschaffenen Verletzungszustand und damit eine Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch ergibt sich daraus, dass es ihr, wie beklagtenseits dargelegt, ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, bei Google eine Löschung aus dem Cache zu erwirken (vgl. BGH Beschluss vom 12.7.2018, I ZB 86/17).

Damit war die gegenständliche Abmahnung berechtigt. Da sie auch den Anforderungen des § 97a Abs. 2 UrhG entsprach, hat die Klägerin die notwendigen Kosten zu erstatten.

b) Allerdings waren die beklagtenseits geforderten Anwaltskosten nicht in der geltend gemachten Höhe erforderlich, da der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 15.000 Euro überhöht ist.

aa) Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt (BGH Urteil vom 12.5.2016, I ZR 1/15, Rdnr. 33 - Tannöd). Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt. (BGH aaO Rdnr. 34).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bewertet der Senat das Interesse des Beklagten an der Unterbindung des konkreten Verstoßes mit maximal 3.000 Euro.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist hier nicht etwa wegen eines zweiten Verstoßes von einem erhöhten Angriffsfaktor auszugehen. Denn die mit der zweiten Abmahnung gerügte Rechtsverletzung beruht im Gegensatz zur ersten gerade nicht auf einem bewussten Handeln der Klägerin, sondern lediglich auf einem allenfalls fahrlässigen Unterlassen, das dazu geführt hat, dass ein durch die Erstverletzung geschaffener und zwischenzeitlich weitgehend beseitigter rechtwidriger Zustand in geringem Umfang perpetuiert wurde. Die Gefährlichkeit der Rechtsverletzung für den Beklagten war gering, da das Photo nicht mehr aktiv auf der Webseite eingebunden ist, sondern lediglich in verkleinerter Form im Google Cache erschien. Auch nach eigenem Vortrag der Beklagten war davon auszugehen, dass das Photo dort nur noch temporär gespeichert war.

cc) Ausgehend von einem Gegenstandswert zwischen 2000 und 3000 Euro und unter Zugrundelegung einer - klägerseits nicht beanstandeten - 1,3 Gebühr betragen die erstattungsfähigen Kosten 334,75 Euro."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Umstand das Bild bei Suche nach "kostenlos" in Ergebnissen angezeigt wird bedeutet nicht dass Bild gemeinfrei ist und entspricht nicht Sorgfaltsmaßstab des § 97 UrhG

LG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 03.09.2018
2-03 S 10/18


Das LG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass der Umstand das ein Bild bei der Suche nach "kostenlos" in den Ergebnissen angezeigt wird, nicht bedeutet, dass das Bild gemeinfrei ist. Dies entspricht nicht dem Sorgfaltsmaßstab des § 97 UrhG.

Aus dem Hinweisbeschluss:

"Nach § 10 Abs. 1 UrhG gilt eine Vermutung für denjenigen, der auf einem Vervielfältigungsstück eines Werkes in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Voraussetzung ist dementsprechend, dass die Urheberbezeichnung auf einem Vervielfältigungsstück eines erschienenen Werkes angebracht ist (Schricker/Loewenheim-Loewenheim/Peifer, UrhG, 5. Aufl. 2017, § 10 Rn. 7) und an der üblichen Stelle erfolgt (Schricker/Loewenheim-Loewenheim/Peifer, a.a.O., § 10 Rn. 8). Dabei kann die Urhebernennung z.B. bei ins Internet eingestellten Werken erfolgen, indem der Urheber auf der Webseite in üblicher Weise als Urheber bezeichnet wird (BGH GRUR 2015, 258 Rn. 35 - CT-Paradies m.w.N.). Unerheblich ist, ob das Werk vor der Anbringung der Urheberbezeichnung bereits anderweitig erschienen ist (BGH GRUR 1985, 887, 888 - Bora Bora; Schricker/Loewenheim-Loewenheim/Peifer, a.a.O., § 10 Rn. 7).

Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht in nicht angreifbarer Weise angenommen.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen. § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286 Rn. 13, m.w.N.). Darüber hinaus hat er die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar im Urteil darzulegen, wobei es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 28.01.2008 - 12 U 50/07 - juris, m.w.N.).

An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat sich das Amtsgericht im angefochtenen Urteil gehalten und ist unter Würdigung insbesondere der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Broschüre davon ausgegangen, dass eine hinreichende Urheberkennzeichnung vorliegt. Dies begegnet auch unter Berücksichtigung des Einwands des Beklagten, dass sich die Urheberbezeichnung nicht stets an derselben Stelle befindet, keinen Bedenken. Denn auch insoweit ist nicht zu erkennen, dass das Amtsgericht unter Verstoß gegen Denkgesetze diesen Umstand außer Acht gelassen hat, selbst wenn er gegen eine Urheberschaft des Klägers sprechen würde. Denn der Kläger hat bereits mit der Klageschrift dargelegt, dass seine Zeichnung jedenfalls zweimal veröffentlicht worden ist, wobei die Zeichnung nur einmal unmittelbar mit einer Urheberbenennung versehen war.

Darüber hinaus hat auch der Beklagte eingeräumt, dass die Zeichnung des Klägers im Internet mit der Urheberbezeichnung "X" im Internet verfügbar sei.

Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 14.08.2018 erstmals die Aktivlegitimation des Klägers damit bestreitet, dass der Kläger zuvor der S AG ein ausschließliches Nutzungsrecht erteilt habe, war dieser Vortrag gemäß den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, da er erstmals in der Berufungsinstanz erhoben worden ist. Im Übrigen würde gegen den Vortrag des Beklagten, der Kläger habe eine ausschließliche Lizenz erteilt, auch sprechen, dass das Werk des Klägers unstreitig in mindestens zwei Publikationen verwendet worden ist.

Das Amtsgericht hat auch zu Recht ein Verschulden des Beklagten angenommen.

Die Rechtsprechung stellt an das Maß der Sorgfalt bei urheberrechtlichen Sachverhalten strenge Anforderungen (Dreier/Schulze-Specht, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 97 Rn. 78 m.w.N.).

Zu Recht hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass der Beklagte die Berechtigung zur Nutzung des Bildes überhaupt nicht überprüft habe. Er habe nicht allein aus dem Umstand, dass er nach kostenlosen Bildern im Internet gesucht habe, darauf schließen dürfen, dass er die Bilder verwenden dürfe.

Dem folgt die Kammer. Der Beklagte hat insoweit lediglich vorgetragen, dass er die Zeichnung bei einer Suche nach kostenlosen Bildern gefunden habe. Die Berufung stellt sich nunmehr auf den Standpunkt, dass der Beklagte so zu stellen sei wie bei Abruf der Zeichnung von einem Freeware-Portal. Unabhängig davon, ob der Beklagte selbst bei Erlangung der Zeichnung von einem der genannten Freeware-Portale ohne weitere Prüfung schuldhaft gehandelt hätte, ist der hiesige Fall bereits damit nicht zu vergleichen. Lediglich aus dem Umstand, dass eine Zeichnung bei einer Suche nach "kostenlos" angezeigt wird, zu folgern, dass dieses gemeinfrei sei, entspricht nicht dem Sorgfaltsmaßstab des § 97 UrhG.

Auch der vom Amtsgericht ausgesprochene Lizenzschaden von € 2.000,- begegnet keinen Bedenken. Jedenfalls im Ergebnis ist das Amtsgericht zu Recht von einem solchen Betrag ausgegangen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass auf den tatsächlichen Nutzungszeitraum vom 21.03.2017 bis 07.07.2017 abzustellen sei, wobei das Amtsgericht es als zugestanden angesehen hat, dass der Kläger für die zeitlich begrenzte Nutzung seiner Zeichnungen Lizenzen ab € 100,- vergibt. Für die gewerbliche Nutzung auf insgesamt 5 Webseiten für einen Zeitraum von insgesamt 2,5 Monaten stehe dem Kläger damit ein Anspruch von € 1.750,- zu, wobei das Amtsgericht einen Aufschlag von 20 % für die Nutzung außerhalb des Internet für angemessen erachtet hat.

Die Kammer erachtet im Ergebnis auch den vom Amtsgericht angenommenen Lizenzbetrag von € 2.000,- als angemessen, wobei insoweit offen bleiben kann, ob das Amtsgericht zu Recht von der Verwendung von fünf Webseiten (statt wie vom Beklagten vorgetragen einer Webseite mit fünf Unterseiten, vgl. insoweit Anlage K1, Bl. 6 ff. d.A.) und der Verwendung außerhalb des Internet ausgegangen ist.

Der Kläger hat vorliegend dargelegt, dass er für die Verwendung seiner Bildnisse Lizenzbeträge in Höhe von € 100,- pro Monat verlangt. Auf dieser Grundlage hätte jedenfalls ein Lizenzbetrag von € 300,- zuzüglich eines 100%-Aufschlages wegen der unterlassenen Urhebernennung, also insgesamt € 600,-, gerechtfertigt werden können.

Aber auch der darüber hinausgehende Betrag von € 2.000,- ist hier angemessen. Denn anders als in den vom Kläger dargelegten Nutzungen hat hier der Beklagte die streitgegenständliche Zeichnung nicht lediglich im Internet auf einer (oder mehreren) Webseite(n) genutzt, sondern sie als Firmenlogo verwendet. Die Kammer erachtet insoweit einen deutlichen Aufschlag für diese Sonderform der Nutzung einer Zeichnung als angemessen, so dass der vom Amtsgericht festgesetzte Wert nicht jeder Grundlage entbehrt.

Die Höhe des für die Abmahnung geltend gemachten Gegenstandswerts greift die Berufung nicht an. Sie begegnet aber ebenfalls keinen Bedenken.

Beklagten wird empfohlen, zur Vermeidung weiterer Kosten die Berufung zurückzunehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich neues Vorbringen an § 531 Abs. 2 ZPO messen lassen muss."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Zweibrücken: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung müssen nur gängige Suchmachinen auf streitgegenständliche Inhalte vom Abgemahnten geprüft werden - keine monatelange Überwachung

OLG Zweibrücken
Urteil 19.11.2015
4 U 120/14


Wer nach einer Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgibt, hat nach herrschender Ansicht auch dafür sorge zu tragen, dass die rechtswidrigen Inhalte auf Drittseiten entfernt werden (z.B. Google, Google-Bildersuche, Preisvergleichsseiten). Andernfalls drohen Vertragsstrafen bzw. bei einem gerichtlich titulieren Unterlassungsanspruch Ordnungsgelder. Wie weit die Pflicht zur Kontrolle von Drittseiten geht, ist umstritten und nicht abschließend geklärt. Zunächst müssen die Inhalte von Seiten entfernt werden, wo der Verletzer die Inhalte bewusst verbreitet hat. Das OLG Zweibrücken hat nun entschieden, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung darüber hinaus nur gängige Suchmaschinen und Webseiten auf rechtswidrige Inhalte vom Abgemahnten geprüft und die Entfernung veranlasst werden müssen. Auch ist keine monatelange Überwachung und Recherche von Drittseiten erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Richtig hat der Erstrichter festgestellt, dass der Erblasser aufgrund seiner Verpflichtung aus der Vertragsstrafenvereinbarung nicht nur alles zu unterlassen hatte, was zu einer Verletzung führen konnte, sondern auch alles zu tun hatte, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar war, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen, ihn also nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Handlungspflichten trafen und dass es den Beklagten obliegt, insoweit den Entlastungsbeweis zu führen (vgl. BGH Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13 -; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 77/12 -).

2. Dieser Entlastungsbeweis ist entgegen der Auffassung des Landgerichts geführt.

a) Aufgrund der Aussage der Zeugin S…, einer Beschäftigten der Fa. b… steht fest, dass diese Firma die im Stadtbranchenbuch von K… enthaltene Anzeige, welche der Erblasser im Jahre 2006 bei der Fa. O… beauftragt hatte, die im Internet den Suchdienst „S… .com“ betrieb, im Mai 2011 aus eigenem Antrieb ergänzt hatte, indem sie die Anzeige um den „Geschäftsgegenstand … angereichert“ hatte. Diese Ergänzung enthielt die nunmehr von dem Kläger beanstandete Angabe „z... und a... h... K... e.V.“.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin R… , einer Mitarbeiterin der Fa. O… , welche lediglich in einem Schreiben vom 12. März 2012 an den Rechtsanwalt Dr. O… , einem Mitarbeiter des Klägers, geäußert hatte, dass die Anzeige im Jahre 2006 von dem Erblasser geschaltet worden sei und sich bei ihrer Zeugenvernehmung an die näheren Umständen des Schreibens nicht mehr erinnern konnte.

b) Zwar musste der Erblasser damit rechnen, dass Branchendienste seine Unternehmensbezeichnung mit der abgemahnten unrichtigen Bezeichnung in im Internet verfügbare Verzeichnisse aufnahmen. Dementsprechend war er aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der untersagten Bezeichnung durchzuführen und jedenfalls die Betreiber der gängigen Dienste zu veranlassen, diese oder ähnliche Angaben aus ihren Verzeichnissen zu entfernen (vgl. BGH, aaO).

c) Die Beklagten machen aber mit Recht geltend, dass eine unverzügliche Recherche des Erblassers nach Abgabe der Unterwerfungserklärung vom 4. Januar 2011 den nunmehr inkriminierten Wettbewerbsverstoß nicht verhindert hätte.

Wie sich aus der Aussage der Zeugin S… ergibt, wurde die beanstandete Bezeichnung erst im Mai 2011 durch die Fa. b… der Anzeige des Erblassers hinzugefügt. Hätte der Erblasser in nahem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Unterwerfungserklärung im Internet recherchiert, hätte er somit (noch) keinen rechtsverletzenden Eintrag gefunden. Dem Erblasser war nicht zumutbar, das Internet wochen- oder sogar monatelang zu überwachen, ob eine der Bezeichnungen, zu deren Unterlassung er sich verpflichtet hatte, im Zusammenhang mit der Nennung seines Sachverständigenbüros verwendet wurde.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der von der Fa. O… betriebenen Internetseite „B… .com“ um einen gängigen Suchdienst wie z. B. „G… .de“, „G…“ oder „1… .com“ (vgl. hierzu BGH aaO) handelt. Das behauptet noch nicht einmal der Kläger. Dem Erblasser war nicht zuzumuten, über die gängigen Suchdienste hinaus sämtliche Suchdienste im Internet ausfindig zu machen und zu kontrollieren.


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OLG Düsseldorf: Wer eine Unterlassungserklärung abgibt ist verpflichtet Inhalte aus Google Cache zu entfernen - andernfalls droht eine Vertragsstrafe

OLG Düsseldorf
Urteil vom 03.09.2015
I-15 U 119/14


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Betreiber einer Webseite nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtet ist, die streitgegenständlichen Inhalte auch im Google-Cache löschen zu lassen. Die Problematik ist nicht neu und sorgt immer wieder für unangenehme Überraschungen, wenn dies nicht vor Abgabe einer Unterlassungserklärung bedacht und berücksichtigt wird. Fundierter anwaltlicher Rat ist vor der Abgabe von Unterlassungserklärungen unumgänglich. Auch helfen wir gern bei der zeitnahen Entfernung von Inhalten aus dem Suchmachinen-Cache.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Beklagte war aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 05.01.2012 auch verpflichtet, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern.

Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst (BGH GRUR 2015, 258 – CT-Paradies). Hat eine Verletzungshandlung einen andauernden rechtswidrigen Verletzungszustand hervorgerufen, besteht neben dem Unterlassungsanspruch ein Beseitigungsanspruch (BGH GRUR 2015, 258 – CT-Paradies; BGH GRUR 1977, 814 – Gebäudefassade). Dabei handelt es sich um selbstständige Ansprüche mit grundsätzlich unterschiedlicher Zielrichtung. Der Gläubiger hat es in der Hand, ob er den einen oder den anderen Anspruch oder aber beide Ansprüche geltend macht. Er kann bei einer solchen Fallgestaltung allerdings auch bereits mit dem Unterlassungsanspruch die Beseitigung des Verletzungszustands verlangen. Das folgt daraus, dass bei einer Dauerhandlung die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist (BGH GRUR 2015, 258 – CT-Paradies; BGH GRUR 1977, 814 – Gebäudefassade). Vereinbaren die Parteien in einem solchen Fall eine Unterlassungsverpflichtung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese auch die Verpflichtung zur Beseitigung des Verletzungszustands umfasst, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie allein die Verpflichtung zur Unterlassung zukünftiger Verletzungshandlungen erfassen soll.

Danach ist die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten vom 05.01.2012 dahin auszulegen, dass sie auch die Verpflichtung umfasst, den durch die ursprüngliche Verwendung des Hinweises „TÜV-Sondereintragungen“ auf der eigenen Internetseite geschaffenen Störungszustand zu beseitigen, soweit es ihm möglich und zumutbar ist.

Vorliegend bestehen nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Unterlassungsverpflichtungserklärung ausnahmsweise nicht auf die Verpflichtung zur Beseitigung des Verletzungszustands erstreckt. Das Vertragsstrafeversprechen bezieht sich zwar nur auf „zukünftige“ Zuwiderhandlungen, also solche, die nach Zustandekommen der Vereinbarung liegen. Jedoch stellt auch eine fortdauernde Beeinträchtigung eine zukünftige Zuwiderhandlung dar.

Die Unterlassungsverpflichtung umfasst die Pflicht des Beklagten, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrages hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. Zwar hat ein Schuldner für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist (BGH GRUR 2014, 595 – Vertragsstrafenklausel). Die streitgegenständlichen Einträge bzw. Treffer bei Google beruhten letztlich auf der eigenen Internetseite des Beklagten. Damit, dass eine allseits bekannte und gängige Suchmaschine die Einträge auf seiner Internetseite auffinden und seine Angaben bei einer Suchanfrage ausweisen wird, musste der Beklagte rechnen. Es kam ihm auch wirtschaftlich zugute. Folglich war er aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die Verwendung des ihm untersagten Hinweises durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der Suchmaschine Google aufzufordern, den streitgegenständlichen Eintrag zu entfernen. Da Google zudem unstreitig ein Webmaster-Tool bereit hält, über das die Löschung im Cache gespeicherter veralteter oder gelöschter Informationen beantragt und damit ihre Anzeige verhindert werden kann, war es dem Beklagten auch möglich und zumutbar, die Entfernung des streitgegenständlichen Hinweises aus dem Cache zu beantragen.

Dass das Herantreten an den Betreiber einer Suchmachine verbunden mit der Aufforderung bestimmte Einträge zu löschen möglich und zumutbar ist, sieht der Beklagte, der dies bezüglich Google konkret nicht in Abrede gestellt hat, an sich ebenso wie seine Korrespondenz mit den Betreibern der Seiten www.B..de, www.C..de, www.D..de und www.I..de bestätigt.

Soweit der Beklagte behauptet, bei Google sei im Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung ein entsprechendes Ergebnis nicht auffindbar gewesen, kann dahin stehen, ob dies zutrifft. Selbst wenn dies zugunsten des Beklagten unterstellt würde, kann nicht außer Acht gelassen werden, dass nach seinem Vortrag jedenfalls bei den Betreibern der oben genannten Internetseiten der entsprechende Eintrag nach Abgabe der Erklärung vorhanden war. Jedenfalls auf den Seiten www.B..de, www.C..de und www.D..de fand sich die streitgegenständliche Werbung auch auf Veranlassung des Beklagten. Damit, dass die Suchmaschine Google diese Einträge solange (also auch noch nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung) auffinden und bei einer Recherche anzeigen wird, wie sie im Internet auf diesen Seiten zu finden sind, musste der Beklagte rechnen. Also selbst dann, wenn eine Recherche mittels Google erst nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung die streitgegenständliche Werbung aufgezeigt hätte, würde sie (mittelbar) auf der eigenen Internetwerbung des Beklagten beruhen. Gerade wegen dieses Umstandes besteht die oben genannte Pflicht, auf die Löschung hinzuwirken.

Gegen diese ihm obliegende Verpflichtung hat der Beklagte schuldhaft verstoßen. Er ist unterstreitig gegenüber Google nicht tätig geworden; er hat Google nicht einmal aufgefordert, den streitgegenständlichen Eintrag zu löschen. Er hat sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin solle sich selbst an den Betreiber der Suchmaschine wenden (Schreiben vom 07.05.2013, Bl. 20 d. GA).


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