Skip to content

OLG Zweibrücken: Für die Strafbarkeit der Beleidigung von Politikern in sozialen Medien kommt es nicht auf Reichweite und Anzahl der Follower an

OLG Zweibrücken
Urteil vom 30.09.2024
1 ORs 1 SRs 8/24


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass es für die Strafbarkeit der Beleidigung von Politikern in sozialen Medien nicht auf die Reichweite und die Anzahl der Follower ankommt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung: Auf die Anzahl der „Follower“ kommt es nicht an

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Zweibrücken hat entschieden, dass es für die Strafbarkeit von Beleidigungen in sozialen Medien gegenüber im politischen Leben stehenden Personen lediglich auf den Inhalt der Äußerung ankommt. Nicht relevant sind dagegen die sonstigen Umstände, wie beispielsweise die gewählte Verbreitungsart und die Größe des Adressatenkreises.

Im September 2021 veröffentlichte ein Mann aus Kaiserslautern auf seinem öffentlichen Facebook-Profil folgenden Kommentar: „Merkel im Ahrtal…daß sich die dumme Schlampe nicht schämt…“. Der Text war dabei in weißer Schriftfarbe auf braunem Untergrund geschrieben, auf dem zudem insgesamt sieben sogenannte Emoticons in Form von lächelnden Kothaufen zu sehen waren.

Das Amtsgericht Kaiserslautern verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung des Angeklagten stellte das Landgericht Kaiserslautern das Verfahren gegen ihn ein. Bei der sog. „Politikerbeleidigung“ (§ 188 Strafgesetzbuch: Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung) seien neben der Äußerung selbst auch die Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Dies betreffe neben der Person des Betroffenen auch die Reichweite der jeweiligen Veröffentlichung. Der Post des Facebook-Nutzers auf seinem privaten Profil mit 417 „Freunden“ habe nicht die Reichweite, die eine Strafbarkeit seines Tuns rechtfertige. Einer Verurteilung wegen (einfacher) Beleidigung stand der fehlende Strafantrag der ehemaligen Bundeskanzlerin entgegen.
Der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken teilte diese Rechtsmeinung nicht, weshalb er das Urteil des Landgerichts in der Verhandlung am 30.09.2024 aufhob und die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Kaiserslautern zurückverwies. Für die Strafbarkeit komme es einzig auf den Inhalt der Äußerung an und nicht auf sonstige Umstände. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der kurz vor der Tat den Anwendungsbereich des Straftatbestands durch eine Gesetzesänderung erheblich ausweitete, um Personen, die sich im politischen Leben engagieren, vor Hass und Hetze im Internet besser schützen zu können.

Verfahrensgang:
Amtsgericht Kaiserslautern, Urteil vom 14.12.2022, Az. 41 Cs 52Js 293/22
Landgericht Kaiserslautern, Urteil vom 22.11.2023, Az. 5 NBs 52 Js 293/22
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 30.09.2024, Az. 1 ORs 1 SRs 8/24


OLG Zweibrücken: Laufendes Schiedsverfahren schließt Entscheidung im Wege des Eilrechtsschutzschutzes durch staatliche Gerichte nicht aus

OLG Zweibrücken
Beschluss vom 01.10.2024
4 U 74/24


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass ein laufendes Schiedsverfahren eine Entscheidung im Wege des Eilrechtsschutzschutzes durch staatliche Gerichte nicht ausschließt.

Die Pressmeitteilung des Gerichts:
Aus der Rechtsprechung: Schiedsvertrag hindert staatlichen Eilrechtsschutz nicht

Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat entschieden, dass trotz eines laufenden Schiedsverfahrens eine Entscheidung im Wege des Eilrechtsschutzschutzes durch die staatlichen Gerichte zulässig ist.

Ein indonesisches Unternehmen stritt mit der Vermieterin von Maschinen um vertragliche Ansprüche wegen Überlassung von Maschinen und Belieferung mit Produktionsmaterial. Konkret ging es um Maschinen, mit denen (Vor-)Komponenten für Schuhproduzenten hergestellt werden können. Das Unternehmen beanspruchte während des laufenden Mietverhältnisses für sich eine Kaufoption für die Maschinen, was zum Streit geführt hatte. Im Januar 2024 kündigte die Vermieterin das seit mehr als zehn Jahren bestehende Mietverhältnis zum 21. Juli 2024. Überdies forderte sie die Rückführung der Maschinen, die Herausgabe des Know-hows sowie die Unterlassung der weiteren Nutzung. Seit 18. September 2023 führen die beiden Vertragspartner aufgrund einer gesondert zwischen ihnen abgeschlossenen Vereinbarung ein außergerichtliches Schiedsverfahren. Verhandlungstermin im Schiedsverfahren war auf den 3. September 2024 bestimmt.

Das Unternehmen beantragte Mitte Juni 2024 beim Landgericht im Wege des Eilrechtsschutzes der Vermieterin aufzugeben, die überlassenen Maschinen nebst Produktionsmaterial bis auf Weiteres bei ihr, dem Unternehmen, zu belassen. Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen.

Der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts hat auf die Berufung des Unternehmens die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig bestätigt. Bereits nach dem eigenen Verhalten bzw. Vortrag des Unternehmens fehle es an der notwendigen Dringlichkeit für die Gewährung von Eilrechtsschutz. Das Unternehmen habe nach der Kündigung mit der Antragsstellung beim Landgericht fast fünf Monate gewartet. Zudem habe es sich selbst darauf berufen, dass vor dem Erlass einer Entscheidung im Wege des Eilrechtsschutzes das Ergebnis des Schiedsverfahrens abzuwarten sei. Das Schiedsverfahren binde das staatliche Gericht jedoch weder in zeitlicher noch in inhaltlicher Hinsicht. Dies könne zwar zum Ergebnis führen, dass ein staatliches Gericht angerufen werde und eine (vorläufige) Regelung treffe, die Einfluss auf das schiedsgerichtliche Verfahren haben könne. Staatliche Gerichte hätten aber neben den Schiedsgerichten für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine konkurrierende Zuständigkeit. So könnten Verfahren vor staatlichen Gerichten schneller zum Ziel führen als der Weg über das Schiedsgericht, zumal nur die von staatlichen Gerichten angeordneten einstweiligen Maßnahmen aus sich heraus vollziehbar seien.

Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 11.07.2024, 7 O 204/24,
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 01.10.2024, 4 U 74/24


OLG Zweibrücken: Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche kann unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen - Kunde muss nur Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen

OLG Zweibrücken
Hinweisbeschluss vom 25.06.2024
5 U 38/23


Das OLG Zweibrücken führt in einem Hinweisbeschluss aus, dass eine Skonto-Klausel beim Kauf einer Einbauküche eine unzulässige Vertragsstrafenklausel darstellen kann. Dies hat zur Folge, dass der Kunde nur den Kaufpreis abzüglich Skonto zahlen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Aus der Rechtsprechung: Das Pfälzische Oberlandesgericht stärkt die Rechte der Kunden beim Einbauküchenkauf

Der 5. Zivilsenat des Pfälzische Oberlandesgerichts hat eine Klausel für unzulässig erachtet, nach der sich der Preis für die Lieferung und Montage einer Einbauküche (nur) dann um über 20 % reduziert, wenn der Kunde den reduzierten Küchengesamtpreis bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung zahlt.

Ein Ehepaar aus der Vorderpfalz bestellte bei einem in Baden-Württemberg ansässigen Küchenstudio eine Einbauküche nebst Elektrogeräten für ihr Wohnhaus. In der Auftragsbestätigung wies das Küchenstudio einen Gesamtpreis in der Größenordnung von 70.000,- € sowie einen „Skontobetrag“ von über 15.000,- € aus für den Fall der vollständigen Zahlung bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung. Bei Lieferung und Montage der Küche erhielten die Kunden eine Rechnung, die auf ihren Hinweis unter anderem bei der Höhe der Mehrwertsteuer korrigiert wurde. Etwa eine Woche nach Erhalt der korrigierten Rechnung überwiesen sie den um das „Skonto“ reduzierten Rechnungsbetrag bis auf einen Restbetrag in Höhe von knapp 3.000,- € unter Verweis auf eine noch nicht erledigte Aufgabe. Wenige Tage später wiesen sie auch diesen Betrag an, nachdem das Küchenstudio ihnen mitgeteilt hatte, der Skontoabzug setze eine vollständige Zahlung voraus. In der Folge kam es zu Mängelrügen der Kunden und Nachbesserungsarbeiten des Küchenstudios. Etwa drei Monate nach der ersten Rechnung stellte das Studio den Kunden einen weiteren Betrag über etwa 1.000,- € in Rechnung für Arbeiten, die bei Montage der Küche erledigt worden waren. Diesen Betrag sowie den von den Kunden in Abzug gebrachten „Skontobetrag“ klagte das Küchenstudio ein. Das Landgericht wies die Klage des Küchenstudios mit der Begründung ab, die verwendete Klausel sei unwirksam und ein mündlicher Zusatzauftrag nicht erwiesen.

Der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken bestätigte in einem Hinweisbeschluss die erstinstanzliche Entscheidung. Die Zahlungsbedingung „fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung“ sei aus mehreren voneinander unabhängigen Gründen unzulässig. So bestehe für den Kunden keine Möglichkeit, die Zahlung aufgrund von Mängeln (teilweise) zurückzuhalten, möchte er sich nicht der Forderung des höheren Preises aussetzen. Bei Zahlung am selben Tag sei auch keine angemessene Zeit zur Prüfung, ob die Leistung vertragsgerecht erbracht und die Rechnung ordnungsgemäß gestellt worden sei, gegeben. Ferner sei eine Bar- oder Sofortzahlung über mehrere Zehntausend Euro dem Kunden nicht zumutbar. Schließlich sei der „Skontobetrag“ aufgrund seines Umfangs und im Verhältnis zum Gesamtküchenpreis als unzulässige Vertragsstrafe zu werten. Denn branchenüblich sei ein Skonto von lediglich 1 % bis 3 %. In Anbetracht der Unwirksamkeit der Klausel schulde der Kunde lediglich den als „Sonderpreis“ vereinbarten Betrag („Gesamtpreis“ abzüglich „Skontobetrag“). Auf einen entsprechenden Hinweis des Senats nahm das Küchenstudio seine Berufung zurück.

Verfahrensgang:
Landgericht Frankenthal in der Pfalz, Urteil vom 24.03.2023, Az. 9 O 45/21
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 25.06.2024, Az. 5 U 38/23


OLG Zweibrücken: Keine Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG bei Schaden durch Phishing-Mail wenn Überweisung mit Einverständnis des Alleingesellschafters erfolgte

OLG Zweibrücken
Urteil vom 18.08.2022
4 U 198/21

Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass keine Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG bei Schaden durch eine Phishing-Mail vorliegt, wenn die Überweisung auf das in der Phishing-Mail genannte Konto mit Einverständnis des Alleingesellschafters erfolgte.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Erstgerichts ist im Ergebnis richtig. Es fehlt bereits an der Verletzung einer Pflicht, die eine Organwalterhaftung der Beklagten nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu begründen vermöchte.

Zutreffend ist das Erstgericht im Ausgangspunkt von der Doppelfunktion des § 43 Abs. 1 GmbHG als Verschuldensmaßstab und Pflichtenquelle ausgegangen (ganz h.M.: vgl. nur MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 10).

Die Beklagte hat keine sie gerade aus ihrer Stellung als Geschäftsführerin der Klägerin treffende (spezifische) Pflicht als Organwalterin der Gesellschaft verletzt. Zwar hat die Beklagte bei den Überweisungen (leicht) fahrlässig gehandelt, da ihr bei Wahrung der im geschäftlichen Zahlungsverkehr bei der Überweisung höherer Geldbeträge erforderlichen Sorgfalt der „Buchstabendreher“ in den zu den jeweiligen Geldüberweisungen auffordernden Phishing-Mails hätte auffallen können und müssen. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG (1.). Die Beklagte haftet der Klägerin auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB oder nach § 823 BGB (2.).

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

1. Für eine Haftung des Organwalters nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist nach Auffassung des Senats eine Verletzung einer - hier nicht zu bejahenden - spezifisch organschaftlichen Pflicht erforderlich.

Was unter den „Pflichten“ im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG im Einzelnen zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

a. Eine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der konkreten Fragestellung des § 43 Abs. 2 GmbHG besteht nach dem Verständnis des erkennenden Senats nicht. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 Rn. 38 = NJW 2008, 2437; Urteil vom 27.9.1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354 (357) (AG) = NJW 1956, 1753; so beispielhaft: MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43) verhalten sich jeweils nicht zu § 43 GmbHG, sondern betreffen eine Haftung nach § 826 BGB oder Spezialregelungen aus dem AktG.

b. Auch die obergerichtliche Rechtsprechung dazu ist nicht eindeutig.

aa. So hat sich der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken zu einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden letztlich nicht äußern müssen. Er konnte es insoweit dabei belassen, dass „bei der Bestimmung und Abgrenzung der einem Geschäftsführer obliegenden Pflichten … sich insoweit Schwierigkeiten (ergeben), als das Gesetz einerseits den Umfang dieser Pflichten nicht abschließend regelt, andererseits diese Pflichten grundsätzlich durch den Gesellschaftsvertrag, den Anstellungsvertrag oder durch einzelne Gesellschafterbeschlüsse erweitert bzw. eingeschränkt werden“ (PfOLG Zweibrücken, Urteil vom 22.12.1998, 8 U 98/98, NZG 1999, 506). Für die dortige Fallgestaltung (sog. Risikogeschäft) ist die Meinung in der Rechsprechung und Literatur auch einhellig (vgl. BGHZ 135, 244, 253; ThürOLG DStR 2001, 863, beck-online).

Um ein solches Risikogeschäft handelte es sich bei den Geldüberweisungen der Beklagten zum Zwecke der Bezahlung von Lieferantenrechnungen indes nicht.

bb. Das OLG Koblenz hat – ohne nähere Ausführungen zu der Problematik der Verletzung einer organschaftlichen Pflicht – eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG für einen Fall eines durch einen Geschäftsführer grob fahrlässig verursachten Verkehrsunfalls bejaht. Der Geschäftsführer habe in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (OLG Koblenz, Urteil vom 14. Mai 1998 – 5 U 1639/97 –, Rn. 14, juris).

Ein Fall grob fahrlässigen Handelns der Beklagten ist vorliegend jedoch zu verneinen.

c. Im Schrifttum zu § 43 GmbHG wird die Frage unterschiedlich beantwortet.

aa. Teilweise wird vertreten, der Geschäftsführer hafte dafür, dass er „die allgemeinen Verhaltensanforderungen aus Abs. 1 verletzt hat, also seine Sorgfaltspflicht i.e.S. oder seine Legalitätspflicht - jeweils einschließlich der damit verbundenen Pflichten zur Überwachung der Geschäftsführerkollegen und nachgeordneten Mitarbeiter - oder auch seine organschaftliche Treuepflicht. Sie kann sich ferner aus der Verletzung spezieller Pflichten des Geschäftsführers ergeben, die das Gesetz dem Geschäftsführer in gesonderten Vorschriften zuweist“ (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 257). Für den Fall einer sich nicht aus der organschaftlichen Stellung ergebenden Pflichtverletzung schließe dies „aber nicht aus, dass sie auch bei Schädigungen eingreift, die in gleicher Weise von einer Person verursacht werden könnten, die nicht Geschäftsführer ist (z.B. Verkehrsunfall mit dem Dienstwagen). Im Schrifttum wird jedoch meist betont, dass in diesem Fall nicht der organspezifische Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1, sondern der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB gelte. Zu demselben Ergebnis gelangt man indes auch, wenn man Abs. 1 anwendet und in diesem Rahmen anerkennt, dass von einem ordentlichen Geschäftsleiter bei der Teilnahme am Straßenverkehr oder vergleichbaren nicht organspezifischen Tätigkeiten keine Anforderungen erwartet werden, die über den allgemeinen Maßstab des § 276 Abs. 1 BGB hinausgehen. Für eine Haftungsprivilegierung entsprechend den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich ist auch bei solchen nicht organspezifischen Handlungen kein Raum.“ (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 259).

Nach dieser Auffassung wäre hier eine Pflichtverletzung unter Anwendung der allgemeinen Sorgfaltspflichten (§ 276 BGB) zu bejahen.

bb. Nach anderer, wohl überwiegender Auffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, sind „vier größere Pflichtenkreise zu unterscheiden: Erstens ist jeder Geschäftsführer gehalten, die im GmbH-Gesetz, der Satzung und der Geschäftsordnung niedergelegten Organpflichten zu erfüllen und die das Unternehmen betreffenden Rechtsvorschriften des allgemeinen Zivilrechts, des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und des öffentlichen Rechts zu beachten (sog. Legalitätspflicht). Zweitens muss ein Geschäftsführer die ihm übertragene Unternehmensleitung innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Pflichtenrahmens umfänglich wahrnehmen und sein Amt mit der erforderlichen Sorgfalt führen (sog. Sorgfaltspflicht im engeren Sinne). Drittens obliegt es dem Geschäftsführer, sich in geeigneter Weise von dem recht- und zweckmäßigen Verhalten nachgeordneter Unternehmensangehöriger und seiner Geschäftsführerkollegen zu überzeugen (sog. Überwachungspflicht). Viertens hat sich in jüngerer Zeit aus der allgemeinen Überwachungspflicht eine besondere Pflicht herausgebildet, Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen schon im Vorfeld durch geeignete und zumutbare Schutzvorkehrungen zu verhindern (sog. Compliance-Pflicht ; MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 12).

In diese Richtung argumentiert auch Kleindiek, nach welchem § 43 Abs. 1 GmbHG „einen Verschuldensmaßstab (umschreibt), aber zugleich den Maßstab für die Konkretisierung der dem Geschäftsführer obliegenden Organpflichten (liefert), soweit sie nicht schon gesetzlich ausformuliert sind. Denn die Verhaltenspflichten gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 spricht von „Obliegenheiten“) lassen sich nur vor dem Hintergrund des in § 43 Abs. 1 umschriebenen Sorgfaltsmaßstabs eingrenzen. Auch wenn man § 43 Abs. 1 nicht schon unmittelbar die Funktion einer Pflichtenquelle zubilligen mag, wird in der Systematik des Gesetzes die Pflicht des Geschäftsführers zur ordnungsgemäßen (dem Standard der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ entsprechenden) Unternehmensleitung doch vorausgesetzt.“ (Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 43 GmbHG, Rn. 10).

Danach gelten für Tätigkeiten, die lediglich bei Gelegenheit der Geschäftsführung vorgenommen werden (zB das Fahren eines Geschäfts-Pkw) der Pflichten-, Sorgfalts- und Haftungsmaßstab aus den allgemeinen Regeln. Das Verhalten des Geschäftsführers ist in solchen Fällen „an §§ 280 ff., 823 BGB und am Sorgfaltsmaßstab des § 276 II BGB zu messen“ (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 43 Rn. 6; ebenso: MHLS/Ziemons, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 43 Rn. 57; Henssler/Strohn GesR/Oetker, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 3).

Ähnlich sieht es wohl Wicke, wenn er ausführt, der Anstellungsvertrag könne besondere Bedeutung „erlangen, wenn Vertragspflichten verletzt werden, die in keinem Zusammenhang zur Organstellung stehen, oder wenn der Anstellungsvertrag mit einem Dritten geschlossen wurde oder drittschützende Wirkung entfaltet (MüKoGmbHG/Fleischer Rn. 8; Henssler/Strohn/Oetker Rn. 3).“ (Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 43 Rn. 2), wenn er auch - inkonsequent - Haftungsmilderungen erwägt bei einer Tätigkeit, die nicht die Erfüllung typischer Geschäftsführerpflichten zum Gegenstand hat wie, zB bei einer Fahrt mit dem Dienst-PKW (Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 43 Rn. 4).

Der erkennende Senat entscheidet dahin, dass der Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten, der in der Beauftragung von Geldüberweisungen aufgrund einer (gefälschten) Mitteilung einer geänderten Kontoverbindung des Empfängers W. bestand, nicht als Verletzung einer spezifisch organschaftlichen Pflicht anzusehen ist. Denn diese Tätigkeit wäre üblicherweise eine solche der Buchhaltung gewesen. Die der Beklagten als Geschäftsführerin übertragene Unternehmensleitung als solche ist hiervon nicht berührt, auch nicht in Form einer Verletzung von Überwachungspflichten.

Dieses Ergebnis findet nach Auffassung des Senats Bestätigung in § 93 AktG, dem § 43 Abs.2 GmbHG nachgebildet ist. Denn bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern nach § 93 AktG wird die vom Senat für zutreffend erachtete Auffassung übereinstimmend geteilt:

„Als Pflichtverletzungen iSd § 93 Abs. 2 kommen nur organbezogene Tätigkeiten in Betracht. Wo das Verhalten eines Vorstandsmitglieds in keinem Sachzusammenhang mit seinen dienstlichen Pflichten steht, scheidet eine Organhaftung aus. Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten „bei Gelegenheit“ der Geschäftsführung, die ebenso gut von einem Dritten hätten vorgenommen werden können. Paradigmatisches Beispiel ist die Fahrt mit dem Dienstwagen. In solchen Fällen greift statt § 93 Abs. 1 der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB ein.“ (BeckOGK/Fleischer, 1.9.2021, AktG § 93 Rn. 240 mit weiteren Nachweisen).

Sonach scheidet eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz aus § 43 Abs. 2 GmbHG aus.

2. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der sie aus dem Anstellungsvertrag als Geschäftsführerin treffenden Dienstpflichten oder aus § 823 BGB besteht nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob von der Beklagten nach dem Anstellungsvertrag die Sorgfalt verlangt werden kann, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 3 mit weiteren Nachweisen), was über den von jedermann zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab in § 276 BGB hinaus geht (BeckOK GmbHG/Pöschke, 49. Ed. 1.8.2021, GmbHG § 43 Rn. 287 unter Verweis auf OLG Koblenz aaO).

Denn die (wenn auch geringfügige) Abweichung der Absenderadresse bei den Phishing-Mails („film.com“ zu „flim.com“) hätte von der Beklagten bei einem höheren Maß an Aufmerksamkeit durchaus bemerkt werden können.

Unabhängig von der Verneinung einer spezifisch organschaftlichen Pflichtverletzung der Beklagten greift aber - die Klageabweisung selbständig tragend - im vorliegenden Fall zu Gunsten der Beklagten eine Haftungsmilderung in Anlehnung an die Grundsätze der Haftung von Arbeitnehmern im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit (dazu Wilhelmi, NZG 2017, 681, 686f; Fritz, NZA 2017, 673, 678f). Danach ist hier - unter weiterer Berücksichtigung gerade auch der von dem Senat als glaubhaft erachteten Angaben der Beklagten in ihrer formlosen Parteianhörung zu ihren faktisch beschränkten Entscheidungskompetenzen in dem Unternehmen der Klägerin - sowohl eine Haftung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag als auch nach § 823 BGB und auch eine solche nach § 43 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen.

Eine Haftungsmilderung kommt nach herrschender Meinung im Bereich der Organfunktion zwar nicht in Betracht (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 5 mit Darstellung des Streitstandes). Eine Ausnahme wird teilweise als möglich erachtet, wenn der Geschäftsführer wie jeder beliebige Dritte am Rechtsverkehr teilnimmt. In diesen Fällen sei eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur innerbetrieblichen Schadensteilung je nach Umständen des Einzelfalls möglich, die umso eher ausscheidet, je autonomer der Geschäftsführer handeln kann, und umso mehr in Betracht kommt, je mehr er in seinem Handeln – etwa als Geschäftsführer einer konzernabhängigen GmbH – gebunden ist (vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301, 312, juris). Klassischer Beispielsfall ist die Beschädigung eines gesellschaftseigenen Dienstwagens durch den Geschäftsführer (Lutter, GmbHR 2000, 301, 312; aA OLG Koblenz, aaO).

Legt man - wie nach Auffassung des Senats geboten - diesen Maßstab an das Handeln der Beklagten an, scheidet ihre Haftung auf Schadensersatz aus, weil sie bei den Fehlüberweisungen bloß leicht fahrlässig gehandelt hat (vgl. auch BAG NZA 1999, 263):

So wurden bei den Phishing-Mails, mit welchen die Beklagte getäuscht wurde, lediglich eine geringfügige Änderung der korrekten E-Mail-Adresse des langjährigen Geschäftspartners der Klägerin W. vorgenommen. Es wurden von dem oder den Tätern keine Änderung von Namen bei den (angeblich) für W. handelnden Personen vorgenommen und zudem war zeitlich vor den Überweisungen in Betrugsabsicht eine Änderung von Kontoverbindungen angekündigt worden. Die übersandten Rechnungen in den E-Mails waren plausibel sowohl nach der Art der Darstellung als auch in ihrer Höhe. Hinzu kommt die Art des Phishing-Angriffs, der nicht einmalig, sondern durch fortgesetzten E-Mail-Kontakt erfolgte, wobei jeweils Bezug auf die bestehende Kommunikation genommen wurde (auch auf solche vor Beginn der Phishing-Attacke). Insgesamt ergibt sich daraus das Bild eines sehr professionellen Handelns durch den oder die Phishing-Täter, auf welches die Beklagte als Betrugsopfer „hereingefallen“ ist.

Hiergegen ließe sich letztlich nur einwenden, dass Summen ab einer bestimmten Größenordnung nur nach intensiver Überprüfung und unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips überwiesen werden sollten. Angesichts der von der Beklagten glaubhaft geschilderten Ausgestaltung der (von dem Alleingesellschafter vorgegebenen) tatsächlichen Abläufe im Unternehmen der Klägerin war eine solche Gegenkontrolle für die Beklagte allerdings nicht leistbar. Die im Einzelnen überwiesenen Summen waren zudem nach im Prozess vorgelegten Kontoauszügen nicht außergewöhnlich, sondern alltäglich.

Damit scheidet in Übertragung der Grundsätze der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers eine Haftung der Beklagten hier insgesamt aus.

3. Damit kann dahinstehen, ob einer Haftung der Beklagten weiter auch die Berücksichtigung des relativen Verschuldensmaßstabes des § 43 GmbHG entgegen steht.

Die Ausgestaltung des anzulegenden Verschuldensmaßstabes ist durch die besondere Lage des Einzelfalles geprägt (so BGHZ 129, 30 = NJW 1995, 1290 – offenlassend, ob die arbeitsrechtlichen Grundsätze gelten; BeckOK GmbHG/Pöschke, 49. Ed. 1.8.2021, GmbHG § 43 Rn. 290). Bei der gebotenen Berücksichtigung des Einzelfalls müssten die oben genannten Argumente Berücksichtigung finden. Danach wäre eine Haftung der Beklagten zu verneinen.

4. Letztlich scheidet eine Haftung der Beklagten auch wegen Kenntnis der Klägerin in der Person ihres Alleingesellschafters und Mitgeschäftsführers R. von den tatsächlichen Geschehnissen im Zusammenhang mit den durch Betrugshandlungen Dritter veranlassten Geldüberweisungen aus.

Aus den im Prozess vorgelegten E-Mails wird deutlich, dass der Alleingesellschafter R. von der Beklagten in deren Email-Kommunikation mit (vermeintlich) W. jeweils in CC gesetzt bzw. ausdrücklich über die (angeblich) geänderten Kontoverbindungen informiert wurde. Dennoch unterblieb – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – eine ausdrückliche Anweisung, keine Gelder zu überweisen oder die Geschäftsbeziehungen mit W. zu beenden. Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Whatsapp-Nachricht (Blatt 233 der eAkte erster Instanz). Damit liegt ein sog. informelles Einverständnis der Klägerin mit der Handlungsweise der Beklagten vor, das die Haftung der Beklagten entfallen lässt. Denn der Befolgung eines Gesellschafterbeschlusses steht es gleich, wenn Geschäftsführer ohne förmliche Beschlussfassung im - auch stillschweigenden - Einverständnis aller Gesellschafter handeln (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 265).

Auch danach ist eine Haftung der Beklagten zu verneinen, da die Überweisungen auf eine geänderte Kontoverbindung (insoweit nicht wegen Übersehen der veränderten E-Mail-Adresse) mit dem zumindest informellen Einverständnis des Allein-Gesellschafters erfolgten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Zweibrücken: Wettbewerbswidrige Werbung für Reifen mit Testergebnis wenn andere Reifendgröße getestet wurde

OLG Zweibrücken
Urteil vom 17.03.2022
4 U 127/21


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass ein wettbewerbswidrige Werbung für Reifen mit einem Testergebnis vorliegt, wenn eine andere Reifendgröße getestet wurde. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Zweibrücken: Wortmarke Flip-Flop ist zur gebräuchlichen Gattungsbezeichnung für Zehentretersandalen geworden und die Marke ist daher für Schuhwaren wegen Verfalls zu löschen

OLG Zweibrücken
Hinweisbeschluss vom 02.03.2022 und Beschluss vom 25.03.2022
4 U 63/21


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass die Wortmarke "Flip-Flop" zur gebräuchlichen Gattungsbezeichnung für Zehentretersandalen geworden ist und die Marke daher für Schuhwaren wegen Verfalls zu löschen ist. In weiteren Klassen ist die Marke wegen Nichtnutzung ebenfalls verfallen und zu löschen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte ist Inhaberin der am 10.12.1997 in den Nizzaklassen 25, 17, 28 eingetragenen deutschen Wortmarke „Flip-Flop” (39745377). Das Zeichen ist für folgende Waren eingetragen:

„Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit in Klasse 17 enthalten; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate), Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall); Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck.“

Die Klägerin zu 1. stellt Schuhwaren her. Sie vertreibt unter der 1962 in Brasilien entstanden Marke „Havaianas“ Fußbekleidung, u. a. nach Deutschland. Die Klägerin zu 2. ist ihre Lizenznehmerin und u. a. für den Vertrieb in Europa zuständig.

Die Klägerinnen verlangen mit ihrer im Februar 2017 erhobenen Klage die Einwilligung der Beklagten in die Löschung der Wortmarke „Flip-Flop“ wegen Verfalls, § 49 MarkenG. Dieser Anspruch wird zum einen darauf gestützt, dass die Marke sich zu einer warenbeschreibenden Bezeichnung entwickelt habe (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die streitgegenständliche Wortmarke sei wegen ihrer generischen Verwendung bei den beteiligten Verkehrskreisen zu einer üblichen Bezeichnung für Zehentrennersandalen geworden. Zudem wird das Klagebegehren auf die Nichtbenutzung des Zeichens innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren gestützt (§§ 49 Abs. 1, 25, 26 MarkenG).

Das sachverständig beratene Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Kammer für Handelssachen, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt auf die Eintragung der deutschen Marke Nr. 397 45 377 „Flip-Flop“ zu verzichten. Zur Begründung ist in dem Urteil ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der von dem Sachverständigen durchgeführten Verkehrsbefragungen bei Händlern und Verbrauchern die klagegegenständliche Marke ihre Unterscheidungskraft verloren habe und zur gebräuchlichen Bezeichnung für „Schuhwerk der beschriebenen Art“ geworden sei. Dieser Umstand sei auf das Verhalten bzw. die Untätigkeit der Beklagten zurückzuführen. Dies wurde begründet mit den durch die Klägerinnen angeführten Beispielen der Fremdnutzung des Zeichens durch Dritte sowie mit vergleichsweise geringen Verteidigungshandlungen der Beklagten. Die Verfallsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG seien danach erfüllt. Nur noch ein unbeachtlicher Teil des Verkehrs verbinde mit dem Zeichen „Flip-Flop“ Herkunftsvorstellungen bezüglich eines bestimmten Unternehmens. Zu dem Gesichtspunkt der von den Klägerinnen weiter ins Feld geführten Nichtbenutzung der Marke durch die Beklagte verhält sich das erstinstanzliche Urteil nicht.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiter das Ziel der Klageabweisung. Demgegenüber verteidigen die Klägerinnen das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen verwiesen.

II. Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Da auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 ZPO erfüllt sind, kann die Berufung im Beschlussverfahren zurückgewiesen werden.

Zur Begründung der Entscheidung nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in seinem Hinweisbeschluss vom 02.03.2022. Die Beklagte hat dagegen in der Sache nichts mehr erinnert. Ihrem mit Schriftsatz vom 15.03.2022 gestellten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nicht entsprochen werden, weil gegen die Entscheidung des Senats dieses Rechtsmittel nach dem Gesetz nicht eröffnet ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 02.03.2022:
Während des Rechtsstreits ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. 2018 I 2357) mit Wirkung vom 14.01.2019 novelliert worden. Daraus folgt jedoch keine für die in Entscheidung in vorliegender Sache maßgebliche Änderung der Rechtslage: Der in § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG normierte Verfallsgrund hat sich nicht geändert; §§ 49 Abs. 1 und 26 MarkenG a.F. sind unverändert anzuwenden, weil die Klage am 22.02.2017 erhoben worden ist (§ 253 Abs. 1 ZPO) und damit vor dem nach der Übergangsvorschrift des § 158 Abs. 6 MarkenG n.F. maßgeblichen 14.01.2019.

2. Die von der Beklagten innegehaltene deutsche Wortmarke Flip-Flop (39745377) ist hinsichtlich sämtlicher Waren, für welche sie eingetragen ist, wegen Verfalls löschungsreif, § 49 MarkenG.

Für die Warengruppe „Schuhwaren“ ergibt sich dies nach dem Ergebnis der im ersten Rechtszug mit sachverständiger Hilfe durchgeführten Verkehrsbefragung aus dem Absinken der Marke zur mittlerweile gebräuchlichen Gattungsbezeichnung für Zehentrennersandalen (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), für alle übrigen Waren wegen Nichtbenutzung der Marke gemäß § 49 Abs. 1 MarkenG a.F.

a) Die Angriffe der Berufung, in den Verkehrsbefragungen hätte nicht danach gefragt werden dürfen, ob Flip Flops im Rahmen von „Schuhwaren” zur Gattungsbezeichnung geworden seien, sondern im Rahmen von „Zehentrennersandalen” bzw. von „Schuhmode“, greifen nicht durch. Es ist nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten gewünschte andere Formulierung der Fragestellung zu einem höheren Zuordnungsgrad hätte führen können. Die von der Beklagten erwartete – letztendlich hypothetische – Kausalität erscheint somit bereits nicht schlüssig. Hinzu kommt, dass die streitgegenständliche Marke in das Markenregister gerade für „Schuhwaren“ eingetragen ist – es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen hiervon in den Verkehrsbefragungen hätte abgewichen werden müssen.

b) Die in Auswertung der demoskopischen Verkehrsbefragungen ermittelten Quoten rechtfertigen es zudem auch der Höhe nach, von einem Absinken der streitgegenständlichen Wortmarke zur gebräuchlichen Warenbezeichnung auszugehen, und zwar hinsichtlich beider befragter Verkehrskreise (Verbraucher und Händler). Dabei wäre es nach der Kornspitz-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits ausreichend gewesen, wenn auch nur in einem der beteiligten Verkehrskreise eine entsprechende Quote vorzufinden gewesen wäre (Urteil v. 06.03.2014, C-409/12, Rn. 29).

Hilfsweise sei angemerkt, dass das Zeichen Flip-Flop ein deutliches lautmalerisches Element enthält. Dieses führt zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Marke, da es zum einen beschreibenden (lautmalerischen) Charakter hat (nämlich des beim Tragen von Zehentrennersandalen typischerweise zu hörenden Klanges) und zum anderen für die gesamte Gattung der Zehentrennersandalen im Sinne eines üblichen Klanges charakteristisch ist.

c) Die von der Beklagten im zweiten Rechtszug weiterhin ins Feld geführte angebliche Befangenheit des Sachverständigen … kann mit der Berufung nicht mehr gerügt werden, weil hierüber rechtskräftig in erster Instanz entschieden ist. Die Anfechtung eines Urteils mit der Begründung, ein - wie hier - dem Urteil vorangegangener und die Frage der Ablehnung des Sachverständigen rechtskräftig klärender Beschluss sei unrichtig, ist nach § 406 Abs. 5 ZPO ausgeschlossen. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Gesetzgeber die Frage, ob ein Ablehnungsgrund gegen einen Sachverständigen vorliegt, rasch und endgültig bereinigt sehen will und zu diesem Zweck ein besonderes Verfahren mit einer selbständigen Anfechtbarkeit der Entscheidung (§ 406 Abs. 2 und 5 ZPO) eröffnet hat. Der Gesetzeszweck würde vereitelt, wenn die Befangenheitsrüge nicht der aufgezeigten Beschränkung unterläge (OLG Hamm, r+s 2022, 120 m.w.N.; Kontusch, NJ 2022, 49, 52).

d) Für sämtliche weiteren Warengruppen resultiert der Verfall der Marke aus deren Nichtbenutzung, § 49 Abs. 1 MarkenG a.F.. Die für eine rechtserhaltende Benutzung i.S.v. § 26 MarkenG a.F. darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (BGH, Urteil vom 14.01.2021, I ZR 40/20, GRUR 2021, 736) hat - auch nicht nach Veröffentlichung der vorbezeichneten höchstrichterlichen Entscheidung, mit welcher der Bundesgerichtshof unter Aufgabe früherer Rechtsprechung die primäre Darlegungs- und Beweislast dem beklagten Markeninhaber zugewiesen hat - keinen in Einzelheiten aufgegliederten Sachvortrag gehalten, welcher auf eine ernsthafte ununterbrochene Benutzung der streitgegenständlichen Marke für Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit in Klasse 17 enthalten; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate), Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall);, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten oder Christbaumschmuck schließen ließe.

Die Meinung der Berufung, der bereits mit der Klage geltend gemachte Verfallsgrund der Nichtbenutzung der Marke könne von den Klägerinnen im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgt werden, weil das Erstgericht sein Urteil darauf nicht gestützt und allein die Beklagte Rechtsmittel eingelegt habe, trifft nicht zu. Vielmehr wirkt der Prozessvortrag einer obsiegenden Klagepartei aus der ersten Instanz, so sie ihn nicht ausdrücklich fallen lässt, ohne weiteres für den zweiten Rechtszug fort und ist deshalb bei der Entscheidung des Berufungsgerichts zu berücksichtigen.


Den vollständigen Hinweisbeschluss finden Sie hier:



OLG Zweibrücken: Behörde darf urheberrechtlich geschütztes Werk nach § 5 UrhG nur veröffentlichen wenn der Urheber der Aufnahme in ein amtliches Werk zugestimmt hat

OLG Zweibrücken
Urteil vom 28.02.2019
4 U 37/18


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass eine Behörde ein urheberrechtlich geschütztes Werk (hier; Landkartenausschnitt) nach § 5 UrhG nur veröffentlichen darf, wenn der Urheber der Aufnahme in ein amtliches Werk zugestimmt hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel führt in der Sache zum Erfolg.

Der Klägerin steht als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Karte (§ 31 Abs. 3 UrhG) gegen die Beklagte ein (verschuldensunabhängiger) Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu, da diese sie in dem Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes (§ 19 a UrhG) verletzt hat. Entgegen der Meinung des Landgerichts ist der Urheberrechtsschutz für die Klägerin im Streitfall nicht nach § 5 UrhG ausgeschlossen.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Kartenausschnitt als Darstellung wissenschaftlich-technischer Art gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG Urheberrechtsschutz genießt; denn es handelt sich nach Darstellungsweise, Farbgebung und Beschriftung um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG (vgl. auch Cloos, WRP 2015, 35, 36). Die dahingehende Beurteilung durch das Erstgericht wird von der Beklagten im zweiten Rechtszug auch nicht in Zweifel gezogen.

2. In das der Klägerin exklusiv zugewiesene Nutzungsrecht zur öffentlichen Zugänglichmachung hat die Beklagte eingegriffen, indem sie den Kartenausschnitt ohne Zustimmung der Klägerin auf der von ihr betreuten Webseite der Stadt K... online gestellt hat. Das Tun der Beklagten war widerrechtlich, denn es lag dafür keine Einwilligung der Klägerin vor. Unstreitig standen die Parteien hierzu vor der Veröffentlichung im Internet nie in Kontakt, insbesondere fehlt es an jeder rechtsgeschäftlichen Grundlage für eine Einwilligung. Auf ein Verschulden der Beklagten hinsichtlich der Urheberrechtsverletzung kommt es für das mit der Klage verfolgte Unterlassungsbegehren nicht an.

3. Entgegen der rechtlichen Einschätzung des Landgerichts ist der urheberrechtliche Schutz für die Klägerin unter den tatsächlichen Umständen des vorliegenden Falles nicht nach § 5 Abs. 1 UrhG zu verneinen.

a) § 5 UrhG stellt amtliche Werke urheberrechtsfrei, um einem öffentlichen Informationsinteresse zu genügen. Die Vorschrift soll nicht nur der Publizität von Normsetzungen dienen, sondern auch ihre Auslegung und Anwendung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte öffentlich zugänglich machen. Die Öffentlichkeit soll Äußerungen von Hoheitsträgern, die für deren Amtsausübung bedeutsam sind, zur Kenntnis nehmen können, ohne daran durch urheberrechtliche Befugnisse an Werken, die zu ihrer Abfassung benutzt worden sind, gehindert zu sein (von Ungern-Sternberg, GRUR 2008, 193, 195). Dies bedeutet, dass an Schöpfungen, die amtlichen und damit öffentlichkeitsrelevanten Zwecken dienen, von vornherein kein Urheberrecht entsteht, was im Übrigen auch urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse einschließt, so dass in diesen Fällen auch keine Verpflichtung zur Verfassernennung besteht (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., 2018, § 5 Rdnr. 1).

Die Rechtfertigung für diesen Eingriff in das von der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG geschützte (BVerfG GRUR 2018, 829, 830 m.w.N.) Urheberrecht speist sich aus zwei Gedanken:

Zum Ersten muss ein allgemeines Bedürfnis dafür bestehen, dass nicht nur das „Amt“, sondern jedermann berechtigt sein soll, das amtliche Werk zu nutzen (Publizitätsinteresse; BeckOK UrhR/Ahlberg, UrhG 22. Edition, Stand: 20.04.2018, § 5 Rdnrn. 3).

Zum Zweiten erhält der regelmäßig im öffentlichen Dienst tätige Urheber für seine Leistung eine Besoldung dafür, dass er auch amtliche Werke verfasst bzw. mitverfasst (BeckOK UrhR aaO, § 5 Rdnr. 24). Die eigentumsbeschränkende Wirkung des § 5 UrhG lässt sich also (allgemein) aus dem Publizitätsinteresse der Öffentlichkeit und (individuell) mit dem Alimentierungsgedanken, der dem Urheberrecht insgesamt nicht fremd ist, erklären.

Auf dieser Grundlage ist der für § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG zentrale Begriff des „amtlichen Werks“ auszulegen, was vorliegend zu dem Ergebnis führt, dass ein solches nicht vorliegt. Denn bei der gebotenen engen Auslegung (BeckOK UrhR aaO § 5 Rdnr. 3) der Ausnahmevorschrift des § 5 UrhG kann von einem amtlichen Werk nur dann ausgegangen werden, wenn dieses Werk von vornherein hoheitlichen Zwecken zu dienen bestimmt war. Die Vorschrift rechtfertigt es hingegen nicht, Werke, die ursprünglich zu nicht amtlichen Zwecken erstellt wurden und demzufolge Urheberrechtsschutz genossen haben, zu amtlichen Äußerungen „umzuwidmen“ und auf diese Weise eine nachträgliche „Enteignung“ privater Urheber im Wege einer Art von vergütungsloser Zwangslizenz herbeizuführen.

Bereits ein (allgemeines) besonderes Publizitätsinteresse an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial liegt nicht vor. Ein solches könnte sich insbesondere aus dem „regelnden“ Charakter eines Werkes ergeben. Das streitgegenständliche Kartenmaterial erfüllt diese Voraussetzung jedoch gerade nicht. Das besondere Informationsinteresse an Werken mit regelndem Charakter beruht gerade auf der Singularität dieser Werke (Regelungen), aus welcher sich das Publizitätsgebot speist. Diese Singularität haftet dem hier in Rede stehenden Material jedoch nicht an: Die Karte wäre ohne Weiteres (entgeltlich) auf dem Markt zu beschaffen gewesen.

Daneben trägt der von dem Landgericht gebilligte Rechtsstandpunkt der Beklagten auch dem der Vorschrift des § 5 UrhG zugrundeliegenden (individuellen) Alimentierungsgedanken, sei es als Besoldung öffentlich Bediensteter oder in Form einer privaten Urhebervergütung, nicht hinreichend Rechnung. Zwar kann die öffentliche Hand sich privater Schöpfer bedienen, um amtliche Werke zu erschaffen (von Ungern-Sternberg, GRUR 1977, 766, 768). Wie das Erstgericht insoweit zutreffend ausführt, richtet sich in diesen Fällen der amtliche Charakter eines Werks allein danach, ob sein Inhalt dem Amt zuzurechnen, also auf den Träger öffentlicher Gewalt zurückzuführen ist (BeckOK UrhR aaO § 5 Rdnr. 7). Vorliegend hat die Beklagte die Klägerin jedoch nicht beauftragt und sich ihrer somit auch nicht „bedient“; das streitgegenständliche Kartenmaterial (Werk) wurde ursprünglich nicht im öffentlichen Auftrag und nicht zu amtlichen, sondern zu gewerblichen Zwecken geschaffen. Das Vorgehen der Beklagten gleicht somit nicht einer „Beauftragung“, sondern liefe im Ergebnis darauf hinaus, einen privaten Anbieter wie die Klägerin dazu zu verpflichten, entgeltfrei Kartenmaterial zu erstellen und dies der öffentlichen Hand zur Verfügung zu stellen - unter Verzicht auf sämtliche urheberrechtlichen Befugnisse, einschließlich der persönlichkeitsrechtlichen.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aus der von der Beklagten angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 6. Juli 2006, I ZR 175/03, BGHZ 168, 266 bis 276 „Vergaberichtlinien“). Die dort entschiedene Fallkonstellation unterscheidet sich von der hiesigen nämlich gerade dadurch, dass die Klägerin hoheitlich (von dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) beauftragt worden war. Als Schöpfer des Materials, für welches im dortigen Fall Urheberrechtsschutz reklamiert wurde, kamen nur Staatsbedienstete in Betracht, weswegen der Bundesgerichtshof „ohne Weiteres“ davon ausging, dass dieser Personenkreis der Verwendung seiner Beiträge in amtlichen Verlautbarungen zugestimmt hatte. Folglich war der dem § 5 UrhG zugrundeliegende Besoldungsmechanismus gewahrt. So verhält es sich im hier zu entscheidenden Fall nicht.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, es sei „üblich“, auf private Dritte zurückzugreifen, ließe sich hiermit zwar die Schutzfreiheit von öffentlich in Auftrag gegebenen (und gegebenenfalls vergüteten) Werken privater Urheber rechtfertigen, nicht hingegen die „Veramtlichung“ von an und für sich urheberrechtlich geschütztem Material, welches gerade nicht für öffentliche Zwecke oder im Zusammenhang mit hoheitlichen Tätigkeiten geschaffen wurde.

§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG gewähren nach der Rechtsüberzeugung des erkennenden Senates keine kostenfreie Zwangslizenz, sondern schränken das Eigentum unter Zugrundelegung des Besoldungs- bzw. Vergütungsgedankens ein. Dies wird im Übrigen auch durch die in Abs. 3 der Vorschrift enthaltene Regelung bestätigt: Denn dort ist für private Normwerke eine Art von Zwangslizenz vorgesehen - allerdings „zu angemessenen Bedingungen“ und damit (systemkonform) vergütungsabhängig.

b) Bei seiner vorstehend dargestellten rechtlichen Beurteilung sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juli 1998, 1 BvR 1143/90 (veröffentlicht u.a. in NJW 1999, 414 und in juris).

Dort wird ausgeführt (vgl. insbesondere Rdnrn. 23, 27 ff), dass die Vorschrift in § 5 UrhG eine verfassungsmäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, sofern es um den Ausschluss des urheberrechtlichen Schutzes für private Werke geht, die mit Zustimmung des Urhebers (Hervorhebung durch den Senat) in amtlichen Verlautbarungen Verwendung finden. Jedoch könne sowohl die Verpflichtung aus dem öffentlichen Dienstverhältnis wie das fehlende Eigeninteresse an einer Verwertung bei einem privaten Urheber nicht unterstellt werden. Das größere Gewicht der Individualinteressen bei Werken privater Verfasser könne auch nicht ohne Weiteres im Blick auf die hohe Bedeutung der Publizität amtlicher Werke durch Veröffentlichung und Verbreitung übergangen werden. Das Verfügungsrecht als Ausschließlichkeitsrecht stelle für den Urheber das Mittel dar, um mit dem Interessenten vor der Nutzung eine Vergütung aushandeln zu können. An eine Beschränkung dieses Rechts, wenn über das Verfügungsrecht hinaus auch das Verwendungsrecht eingeschränkt werden und die Benutzung ohne Vergütungsanspruch zugelassen werden solle, seien deshalb hohe Anforderungen zu stellen. Durch den Abdruck des Werkes eines privaten Urhebers als Teil einer amtlichen Verlautbarung im Sinne von § 5 UrhG gingen dem Urheber nicht nur das Verfügungs- und Verwertungsrecht hinsichtlich einzelner Nutzungen verloren; vielmehr genieße das Werk insgesamt gemäß § 5 Abs. 1 UrhG keinen urheberrechtlichen Schutz mehr. Dies sei mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, solange für den Abdruck die Zustimmung des privaten Urhebers verlangt werde (Hervorhebung durch den Senat). Denn damit werde die Entscheidung in seine Hand gelegt und ihm die Möglichkeit gegeben, eine angemessene Vergütung auszuhandeln (BVerfG aaO Rdnr. 32).

4. Die von der Beklagten sonach begangene Urheberrechtsverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte zu ihrem Tun auch weiterhin als nach § 5 UrhG berechtigt ansieht.

Die Androhung von Ordnungsmitteln zusammen mit der Titulierung des Verbotes findet ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.

Da es sich bei der beklagten Verbandgemeinde um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, muss der Wille ihres gesetzlichen Vertreters gebeugt werden. Die Ordnungsmittel sind deshalb gegen den Bürgermeister der Beklagten (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GemO Rheinland-Pfalz) anzudrohen. Eine Unterscheidung zwischen Ordnungsgeld und Ordnungshaft ist dabei nicht erforderlich; denn beide Ordnungsmittel werden zur Erreichung desselben Zwecks eingesetzt (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 888 ZPO Rdnr. 36 m.w.N.).

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zu. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 UrhG geht es um die Austarierung der Reichweite der Schutzsphäre des Urhebers auf der einen und des Allgemeininteresses an der Publizität von „amtlichen Werken“ auf der anderen Seite. Dabei hat die Frage, ob die Urheberrechtsfreiheit nach § 5 Abs. 1 UrhG für ein sogenanntes amtliches Werk auch dann eintritt, wenn der private Rechtehalter der Verwendung seines Werkes hierfür - wie im Streitfall - nicht zugestimmt hat, grundsätzliche Bedeutung und kann sich auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen. Der Bundesgerichthof hat diese Rechtsfrage, soweit für den Senat ersichtlich, bislang nicht entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2006, I ZR 175/03, Rdnr. 19).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Zweibrücken: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung müssen nur gängige Suchmachinen auf streitgegenständliche Inhalte vom Abgemahnten geprüft werden - keine monatelange Überwachung

OLG Zweibrücken
Urteil 19.11.2015
4 U 120/14


Wer nach einer Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgibt, hat nach herrschender Ansicht auch dafür sorge zu tragen, dass die rechtswidrigen Inhalte auf Drittseiten entfernt werden (z.B. Google, Google-Bildersuche, Preisvergleichsseiten). Andernfalls drohen Vertragsstrafen bzw. bei einem gerichtlich titulieren Unterlassungsanspruch Ordnungsgelder. Wie weit die Pflicht zur Kontrolle von Drittseiten geht, ist umstritten und nicht abschließend geklärt. Zunächst müssen die Inhalte von Seiten entfernt werden, wo der Verletzer die Inhalte bewusst verbreitet hat. Das OLG Zweibrücken hat nun entschieden, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung darüber hinaus nur gängige Suchmaschinen und Webseiten auf rechtswidrige Inhalte vom Abgemahnten geprüft und die Entfernung veranlasst werden müssen. Auch ist keine monatelange Überwachung und Recherche von Drittseiten erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Richtig hat der Erstrichter festgestellt, dass der Erblasser aufgrund seiner Verpflichtung aus der Vertragsstrafenvereinbarung nicht nur alles zu unterlassen hatte, was zu einer Verletzung führen konnte, sondern auch alles zu tun hatte, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar war, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen, ihn also nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Handlungspflichten trafen und dass es den Beklagten obliegt, insoweit den Entlastungsbeweis zu führen (vgl. BGH Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13 -; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 77/12 -).

2. Dieser Entlastungsbeweis ist entgegen der Auffassung des Landgerichts geführt.

a) Aufgrund der Aussage der Zeugin S…, einer Beschäftigten der Fa. b… steht fest, dass diese Firma die im Stadtbranchenbuch von K… enthaltene Anzeige, welche der Erblasser im Jahre 2006 bei der Fa. O… beauftragt hatte, die im Internet den Suchdienst „S… .com“ betrieb, im Mai 2011 aus eigenem Antrieb ergänzt hatte, indem sie die Anzeige um den „Geschäftsgegenstand … angereichert“ hatte. Diese Ergänzung enthielt die nunmehr von dem Kläger beanstandete Angabe „z... und a... h... K... e.V.“.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin R… , einer Mitarbeiterin der Fa. O… , welche lediglich in einem Schreiben vom 12. März 2012 an den Rechtsanwalt Dr. O… , einem Mitarbeiter des Klägers, geäußert hatte, dass die Anzeige im Jahre 2006 von dem Erblasser geschaltet worden sei und sich bei ihrer Zeugenvernehmung an die näheren Umständen des Schreibens nicht mehr erinnern konnte.

b) Zwar musste der Erblasser damit rechnen, dass Branchendienste seine Unternehmensbezeichnung mit der abgemahnten unrichtigen Bezeichnung in im Internet verfügbare Verzeichnisse aufnahmen. Dementsprechend war er aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der untersagten Bezeichnung durchzuführen und jedenfalls die Betreiber der gängigen Dienste zu veranlassen, diese oder ähnliche Angaben aus ihren Verzeichnissen zu entfernen (vgl. BGH, aaO).

c) Die Beklagten machen aber mit Recht geltend, dass eine unverzügliche Recherche des Erblassers nach Abgabe der Unterwerfungserklärung vom 4. Januar 2011 den nunmehr inkriminierten Wettbewerbsverstoß nicht verhindert hätte.

Wie sich aus der Aussage der Zeugin S… ergibt, wurde die beanstandete Bezeichnung erst im Mai 2011 durch die Fa. b… der Anzeige des Erblassers hinzugefügt. Hätte der Erblasser in nahem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Unterwerfungserklärung im Internet recherchiert, hätte er somit (noch) keinen rechtsverletzenden Eintrag gefunden. Dem Erblasser war nicht zumutbar, das Internet wochen- oder sogar monatelang zu überwachen, ob eine der Bezeichnungen, zu deren Unterlassung er sich verpflichtet hatte, im Zusammenhang mit der Nennung seines Sachverständigenbüros verwendet wurde.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der von der Fa. O… betriebenen Internetseite „B… .com“ um einen gängigen Suchdienst wie z. B. „G… .de“, „G…“ oder „1… .com“ (vgl. hierzu BGH aaO) handelt. Das behauptet noch nicht einmal der Kläger. Dem Erblasser war nicht zuzumuten, über die gängigen Suchdienste hinaus sämtliche Suchdienste im Internet ausfindig zu machen und zu kontrollieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Zweibrücken: Werbung mit veraltetem Testergebnis der Stiftung Warentest irreführend und wettbewerbswidrig

OLG Zweibrücken
Urteil vom 24.05.2012
4 U 17/10


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass die Werbung mit einem alten Testergebnis jedenfalls dann irreführend und damit wettbewerbswudrig ist, wenn - wie vorliegend die Stiftung Warentest - ihr Testergebnis aufgrund einer erneuten Prüfung des Produkts revidiert hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Gleiches gilt nach Auffassung des erkennenden Senates auch dann, wenn der Urheber der früheren Bewertung aufgrund von Erkenntnissen aus einer von ihm vorgenommenen neuen Prüfung des getesteten Produktes sein ehemals positives Qualitätsurteil ausdrücklich revidiert und dies auch öffentlich macht, ungeachtet dessen aber das „alte“ Testergebnis zu Werbezwecken weiter verwendet wird. So verhält es sich hier, weil die Stiftung Warentest in ihrer Internetmitteilung vom 23. Juli 2009 (in Kopie Bl. 241 f. d. A.; „S. schmiert ab“) von ihrer guten Testbeurteilung des mit dem der Beklagten baugleichen Fahrradschlosses aus dem Jahr 2007 mit deutlichen Worten abgerückt ist."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

"OLG Zweibrücken: Werbung mit veraltetem Testergebnis der Stiftung Warentest irreführend und wettbewerbswidrig" vollständig lesen

OLG Zweibrücken:Werbung mit "Röstung über offenem Feuer" irreführend, wenn Kaffee-Röstung in einem Trommelröster erfolgt

OLG Zweibrücken
Beschluss vom 08.04.2011
4 U 173/10
Röstung über offenem Feuer


Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass die Werbung mit der Aussage "Röstung über offenen Feuer" durch eine Kaffeerösterei eine wettbewerbswidrige Irreführung ist, wenn der Kaffee tatsächlich in einem Trommelröster durch Gasflammen erhitzt wird.