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Volltext BGH liegt vor: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18
DSGVO Art. 17


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken.

b) Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 - VI ZR 476/18 - OLG Köln - LG Köln

BGH: Anspruch auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex nach Art. 17 DSGVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit

BGH
Urteil vom 23.05.2023
VI ZR 476/18


Der BGH hat in Umsetzung des Urteils des EuGH (siehe dazu EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich) entschieden, dass ein Anspruch des Betroffenen auf Löschung von Inhalten aus dem Google-Suchindex gemäß Art. 17 DGSVO bei Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit besteht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder ("thumbnails") anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos - unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann - Rechnung zu tragen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat daraufhin die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.

Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der Bundesgerichtshof die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.

Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17

Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden")

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)



Volltext OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung eines Unternehmers mit Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, geschah dies zu Recht.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, es zu unterlassen, bei einer Suche nach dem Vor- und Zunamen des Klägers in der Suchmaschine der Beklagten das aus der Anlage K3 ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen und dabei auf die Webseite mit der URL www.(...).de zu verlinken (Klageantrag zu 1.).

a) Der geltend gemachte Anspruch auf Auslistung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
aa) Der auf die dauerhafte Auslistung der von dem Kläger beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist vorliegend zeitlich (1), sachlich (2) und räumlich (3) anwendbar.
(1) Sie gilt seit dem 25.05.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.
(2) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen - wie hier - personenbezogene Daten enthalten, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO). Sie ist als automatisierte „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.
Ob die hiesige Beklagte datenschutzrechtlich für die streitbefangene Auslistung zumindest mitverantwortlich ist, da sie im Sinne des Art. 26 DSGVO mit der Y LLC jedenfalls eine gemeinsame Verantwortung für die Verarbeitung von Daten trägt, kann vorliegend im Ergebnis offenbleiben, da jedenfalls in der Sache kein Anspruch gegen die Beklagte besteht (s.u.).

Verantwortlicher im Sinne der DSGVO und damit passivlegitimiert für einen Anspruch nach Art. 17 DSGVO ist gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Nach der Rechtsprechung des BGH wurde die Y LLC mit Sitz in den USA als Betreiberin der Suchmaschine als Verantwortliche i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO angesehen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13). Für eine daneben bestehende Mitverantwortung der Beklagten gem. Art. 26 DSGVO könnte sprechen, dass sie in ihrer Datenschutzerklärung zum Y Suchdienst für Nutzerdaten als zumindest auch Verantwortliche genannt wird. Dies muss jedoch aufgrund des in der Sache nicht bestehenden Anspruchs (s.u.) vorliegend nicht entschieden werden.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 14).

(3) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf die in Irland ansässige Beklagte folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 DSGVO. Die Beklagte betreibt eine deutsche Niederlassung und bietet in deutscher Sprache Nutzern in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als "Bezahlung" ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13 m.w.N.).

bb) Das auf dauerhafte Auslistung des von ihm beanstandeten Suchergebnisses gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst. Der Begriff der Löschung i.S.d. Art. 17 DSGVO ist autonom auszulegen, so dass ihm unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (so auch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 17 m.w.N.).

cc) Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, vorrangig die für die von der Beklagten verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieter in Anspruch zu nehmen. Die Haftung des Suchmaschinenbetreibers bzw. Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht subsidiär, da ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müsste. Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers ist ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen eigenständig zu beurteilen ist (so auch BGH, NJW 2020 3436, Rn. 18 m.w.N.).

Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist der hiesige Fall schon nicht mit der Konstellation vergleichbar, die den BGH in der Sache VI ZR 476/18 (MMR 2021, 239) zur Vorlage der dortigen ersten Frage an den EuGH veranlasst hat. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil der zugrundeliegende Sachverhalt im Kern unstreitig ist und die Frage der Wahrheitsgemäßheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen bzw. auf Tatsachenbehauptungen beruhenden Werturteile ohne weitere Ermittlungen/Aufklärungen beurteilt werden kann. Auch hat der EuGH in seinem Urteil vom 08.12.2022 entschieden, dass ein Anspruch auf Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dem Kläger gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist (vgl. EuGH, MMR 2023, 105).

dd) Auch hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise nicht verpflichtet ist, bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Auslistung aufgefordert (sog. Notice and Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird der konkret beanstandete Ergebnislink genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

ee) Anders als der Kläger meint, liegen die materiellen Voraussetzungen für sein Auslistungsbegehren nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO, weil die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Streitfalls zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 f, Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).

Einschlägige Grundlage des klägerischen Auslistungsbegehrens ist Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Danach steht - soweit im Streitfall relevant - der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 d DSGVO).

(1) Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abzuwägen. Diesbezüglich hat der BGH in seinem Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3436, Rn. 23 ff.) ausgeführt, dass die Abwägung der allein maßgeblichen Unionsgrundrechte auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des betroffenen Klägers (Art. 7, 8 GRCh) einerseits, der Grundrechte der beklagten Suchmaschinenverantworlichen (Art. 16 GRCh), der Zugangsinteressen der Internetnutzer, des Interesses der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen als Ausdruck des Art 11 GRCh sowie der Grundrechte der Inhalteanbieter (Art. 11 CRCh) andererseits umfassend vorzunehmen ist. Insoweit hat er betont, dass eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalls aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt, durchzuführen ist und im Hinblick auf diese in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen muss, unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO), ob die Verarbeitung der (Gesundheits-)Daten aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO) oder ob die Beklagte zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers als der betroffenen Person überwiegen.

(2) Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze, die der Senat im vorliegenden Fall für anwendbar hält, haben die hier betroffenen Grundrechte des Klägers aus Art 7, 8 und 16 GRCh hinter dem Grundrecht der Beklagten aus Art. 16 GRCh und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, dem Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information und dem Grundrecht des für den verlinkten Artikel verantwortlichen Inhalteanbieters auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) zurückzutreten:

(a) Ein wichtiger, in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die verlinkte, in der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) ersichtliche Berichterstattung entgegen der Ansicht des Klägers zulässig ist.
(aa) Anders als der Kläger meint, ist die Äußerung „X1 bankrott“ keine unzulässige Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung.
Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG, AfP 2013, 389, Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018., Kap. 4, Rn. 43, 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4, Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14, Rn. 14.16; jew. m.w.N.). Maßgeblich für die Ermittlung des Aussagegehalts ist grundsätzlich nicht der Sinn, den der Äußernde der Äußerung beilegen wollte, sondern der in der Aussage objektivierte Sinngehalt, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BVerfGE 82, 43, 51 ff.; BVerfG, NJW 2005, 1341 - vollzugsfeindlich; BGH, NJW 1982, 1805 - Schwarzer Filz; Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6, Rn. 90 m.w.N.), wobei auf das Verständnis des Empfängers abzustellen ist, an den sich die Äußerung unter Berücksichtigung der für ihn wahrnehmbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Umstände richtet (BVerfGE 93, 266, 295 - Soldaten sind Mörder II; BVerfG NJW 2003, 1303 - Benetton-Werbung; Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90). Maßgeblich hierfür ist der Durchschnittsleser (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6, Rn. 90 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Aussage als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Anders als der Kläger meint, wird der Durchschnittrezipient die Äußerung „X1 bankrott“ unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht auf den Kläger persönlich beziehen, sondern auf ein Unternehmen, für welches der Kläger Namensgeber war. Aus dem Gesamtkontext der Äußerung geht klar hervor, dass die Äußerung sich auf ein Unternehmen (bzw. umgangssprachlich eine „Firma“ bezieht), nämlich ein solches, das auf dem Gebiet des Innenausbaus von Luxushotels tätig ist und gegen welches das Inkassounternehmen ein Mandat wegen unbezahlter Handwerkerrechnungen hat und im Rahmen der Forderungseintreibung feststellen musste, dass dieses „bankrott“ ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Durchschnittrezipient der Äußerung kein juristisch vorgebildetes Fachpublikum ist, welches zwischen einem Einzelkaufmann, einer juristischen Person und einer Personengesellschaft differenziert. Der i.d.R. juristisch nicht vorgebildete Durchschnittsrezipient wird daher nicht davon ausgehen, dass die hinter einem möglichen Einzelkaufmann stehende natürliche Person gleichsam insolvent ist, wenn „die Firma bankrott“ ist. Er wird die Äußerung vielmehr nicht juristisch hinterfragen, sondern sie an dem Wortlaut orientiert dahingehend verstehen, dass das Unternehmen oder die „Firma“ „bankrott“, „pleite“ oder insolvent ist. Zudem wird auch auf der streitgegenständlichen Internetseite (vgl. Anlage K2, Bl. 17 d.A.) zwischen Schuldnern, die Privatpersonen sind, und solchen, die Unternehmen sind, differenziert, indem bei Privatpersonen nur die Namen genannt werden (z.B. B, D, C etc.) und bei Unternehmen die (weiteren) Firmenbestandteile (wenn auch nicht immer vollständig).

Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit einem Rechtsformzusatz (z.B. GmbH) genannt wird, steht dem nicht entgegen, denn das Weglassen dessen in der Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - ist üblich (zumal auch der Klägervertreter dies in seinen Schriftsätzen und der Kläger dies in seiner eidesstattlichen Versicherung (vgl. Anlage K1, Bl. 16 d.A.) tun).

Ferner wird der unbefangene Durchschnittsempfänger die Äußerung im Gesamtkontext entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf alle Unternehmen mit dem Firmenbestandteil „X1“ beziehen und dahingehend verstehen, dass diese alle „bankrott“ seien. Dass sich die Äußerung vielmehr nur auf ein Unternehmen bezieht, geht klar aus der Verwendung des Singulars in den Folgesätzen des Berichtes hervor („ist…tätig“; „die Firma“).

[...]

Die zulässige Meinungsäußerung ist von dem Kläger hinzunehmen.

Sie beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, denn unstreitig hat die X1 Hotel … GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und wurde später aus dem Handelsregister gelöscht. Dass das Unternehmen in der angegriffenen Mitteilung nicht mit sämtlichen Bestandteilen und dem Rechtsformzusatz GmbH genannt wird, ist unerheblich. Zum einen ist das Weglassen einzelner Firmenbestanteile in der täglichen Kommunikation - insbesondere im nichtjuristischen Bereich - üblich. Zum anderen ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass es ein weiteres zu der Unternehmensgruppe des Klägers zugehöriges Unternehmen gäbe, welches die Firmenbestandteile „X1 Hotel …“ enthalten würde und auf welches bezogen eine Wertung als „bankrott“ keine zutreffende Tatsachengrundlage hätte.

Auch wird die Grenze zur Schmähkritik trotz der Wortwahl „bankrott“, die nach der Ansicht des Klägers negativ besetzt sein soll, und der Einbettung der Aussage auf der Homepage (…).com, auf welcher nach Meinung des Klägers „finster dreinblickende, gewaltbereite Männer mit Glatze“ abgebildet seien, nicht überschritten. Denn dem Äußernden geht es - wie der Gesamtzusammenhang der Äußerung zeigt - um eine Auseinandersetzung in der Sache und nicht um eine reine Herabsetzung des Klägers bzw. seines Unternehmens (vgl. hierzu auch BVerfG, ZUM 2013, 36).

(bb) Soweit der Kläger sich in der Replik auf Seite 5 (Bl. 149 d.A.) darauf stützt, dass die Aussage in der streitgegenständlichen Mitteilung, dass Handwerkerrechnungen nicht bezahlt worden seien, unwahr sei, so ist dies unbeachtlich. Denn dieser Vortrag ist widersprüchlich zu dem diesbezüglichen Vortrag auf Seite 4 der Klageschrift, in dem der Kläger nur betont, dass die Forderung nicht endgültig verweigert oder abgelehnt worden und die A GmbH auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei.

Selbst wenn man den Vortrag nicht als widersprüchlich ansehen würde, so ließe sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers keine offensichtliche Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung herleiten, welche ein Auslistungsbegehren stützen könnte. Nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben (vgl. MMR 2023, 105, Rn. 72).

Vorliegend hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Forderung der A GmbH nicht beglichen und diese auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen worden sei, da der Kläger die Forderung nicht als begründet angesehen habe. Der Kläger hat demnach schon keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgeht, warum die Forderung seiner Ansicht nach offensichtlich unbegründet sei.

Darüber hinaus wird in der streitgegenständlichen Mitteilung gerade nicht behauptet, dass der Kläger die Zahlung der Forderung endgültig abgelehnt hätte.

(b) Soweit der Kläger sich auf die negativen Auswirkungen der verlinkten Berichterstattung für ihn bzw. seine Unternehmen beruft, so ist dies vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung unbeachtlich. Denn weder das Datenschutzrecht noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleihen einen Anspruch, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es einem genehm ist (st. Rspr. des BVerfG zum Äußerungsrecht, vgl. 1 BvR 3487/14, Rn. 14).

(c) Wenn sich Betroffene - wie hier - nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine ist in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen (BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 42; BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 122 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

Dass die X1 Hotel … GmbH nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Jahre 2020 gelöscht wurde, ist demnach ebenfalls in die Abwägung einzustellen. Dies wirkt sich - anders als der Kläger meint - jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auf Seiten der Nutzer der Beklagten weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verbreitung der wahren Aussage - nämlich der Insolvenz bzw. des Bankrotts der Firma des Klägers - besteht. Der Senat hat insoweit auch den Zeitfaktor in seine Abwägung eingestellt und abgewogen, ob die Weiterverbreitung des Beitrags auch unter Namensnennung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit noch gerechtfertigt ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Zeitablauf sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren (vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 131 - Recht auf Vergessen II). So kann durch Zeitablauf die identifizierende Verbreitung solcher Beiträge durch Suchmaschinen unzumutbar und damit unzulässig werden, denn die belastende Wirkung der Verbreitung kritischer Beiträge zum Verhalten einzelner Personen kann im Laufe der Zeit - insbesondere wenn die Beiträge auf namensbezogene Abfrage hin auch viele Jahre später noch prioritär kommuniziert werden - für die Betroffenen erheblich wachsen und immer weniger gerechtfertigt sein (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2020, 314, Rn. 132 f. - Recht auf Vergessen II).

Dies führt im vorliegenden Fall im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht dazu, dass es der Beklagten zu untersagen wäre, den Suchtreffer zu der Namenssuche des Klägers, der zu einer für sich genommen zulässigen Berichterstattung führt, heute nicht mehr anzuzeigen und auszulisten. In die Abwägung einzustellen ist, dass die Löschung der Gesellschaft erst im Jahre 2020 erfolgte und somit erst wenige Jahre zurückliegt. Die seit den berichteten Ereignissen vergangene Zeitspanne von rund drei Jahren ist noch nicht derart groß, als dass sie das Interesse an der niedrigschwelligen Erreichbarkeit der Informationen - auch über die namensbezogene Suche mittels einer Suchmaschine - in den Hintergrund treten ließe. Auch ist zu beachten, dass die Nutzer der Suchmaschine trotz der Löschung des Unternehmens weiterhin ein erhebliches Informationsinteresse haben. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen, die zudem dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ gewesen ist bzw. ob eine Handwerkerrechnung nicht beglichen wurde. Denn dies ist ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den anderen Unternehmen des Klägers, z.B. hinsichtlich der Frage, ob seitens der Kunden Vorkasse geleistet wird oder seitens der Geschäftspartner Vorkasse für Projekte von dem Kläger bzw. seinen Unternehmen gefordert wird. Die Insolvenz eines Unternehmens kann - auch wenn dies freilich nicht zwingend ist - nämlich auch etwas über die Solvenz der restlichen Unternehmensgruppe aussagen bzw. über den Umgang dieser mit Zahlungsschwierigkeiten einzelner Unternehmen innerhalb der Gruppe.

Das berechtigte Berichterstattungsinteresse erstreckt sich unter den Umständen des Streitfalls ohne Weiteres auch auf die namentliche Nennung des Klägers. Der Name des Klägers ist Teil der Firmierung des gelöschten Unternehmens und einer Vielzahl weiterer Unternehmen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass dies negativ für den Kläger und seine weiteren Unternehmen mit entsprechendem Namensbestandteil ist. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Kläger dadurch, dass er seinen Namen zum Firmenbestandteil einer Vielzahl von Unternehmen gemacht hat, das Risiko in Kauf genommen hat, dass er mit dem bzw. den Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Das muss er auch im Falle einer aus seiner Sicht negativen Berichterstattung gegen sich gelten lassen.

Ferner hat der Senat im Rahmen seiner Abwägung berücksichtigt, dass der streitgegenständliche Bericht nicht von privatem, bewusst nicht vor anderen gezeigtem Verhalten oder Fehlverhalten handelt, sondern die berufliche Tätigkeit und mithin die Sozialsphäre des Klägers betrifft, so dass der langfristigeren Zugänglichkeit des Berichtes höheres Gewicht zukommt.

Auch hat der Senat in die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten, des Inhalteanbieters, der Nutzer und der Öffentlichkeit eingestellt, dass die Berichterstattung nicht reißerisch oder skandalös, sondern eher kurz und sachlich ist; wobei nicht unbeachtet geblieben ist, dass der letzte Absatz des Berichtes auf die Kundenakquise des Inkassounternehmens zielt.

Die Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers erhält auch im Streitverhältnis zur Beklagten kein entscheidend anderes Gewicht. Denn die Beklagte weist den fraglichen Artikel auf eine entsprechende Suchanfrage unkommentiert in ihren Ergebnislisten nach (so auch BVerfG, NJW 2020, 300, Rn. 124 - Recht auf Vergessen I). Schließlich wird der angegriffene Ergebnislink durch den Nachweis zahlreicher weiterer, teilweise vorrangig platzierter, im Netz befindlicher Informationen relativiert (vgl. Anlage K3, Bl. 18 d.A.; so auch BVerfG NJW 2020, 314, Rn. 125 m.w.N. - Recht auf Vergessen II).

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.

2. Mangels eines Anspruchs auf Auslistung steht dem Kläger auch kein diesbezüglicher Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes aus § 890 ZPO zu (Klageantrag zu 3.).

C) Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 520, 517 ZPO).

D) Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

I. Soweit der Klage stattgegeben wurde, war diese zulässig.

1. Das angerufene Gericht ist international und örtlich zuständig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2. Unter Zugrundelegung der obenstehend dargestellten Grundsätze ist der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt. Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass sich der Klageantrag zu 2. ebenfalls auf die Suchmaschine der Beklagten unter www.(y).de bezieht (vgl. Anlage K5).

II. Die Klage ist im Umfang der von der Beklagten eingelegten Berufung unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei der namensbasierten Suche nach seinem Vor- und Zunamen in der Suchmaschine der Beklagten.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO.

aa) Der geltend gemachte Anspruch kann sich grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO ergeben.

(1) Die Datenschutz-Grundverordnung ist auch im Hinblick auf den mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Unterlassungsanspruch gegen die Suchwortergänzungsfunktion von Suchmaschinen nach den zuvor im Abschnitt B. dargestellten Grundsätzen zeitlich und räumlich anwendbar.

(2) Gleiches gilt in Bezug auf die sachliche Anwendbarkeit. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten (vgl. zum Auslistungsanspruch BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 13) . Dies gilt nach Ansicht des Senates auch, soweit aufgrund der Integration der „Autocomplete“-Funktion in der Suchmaschine dem Nutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge („predictions“) in Form von Wortkombinationen angezeigt werden, sofern diese - wie hier - personenbezogene Daten erhalten. Denn die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge mit personenbezogenen Daten werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der die suchwortgesteuerten Suchanfragen einbezieht und dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen präsentiert, die zum fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren (vgl. hierzu BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16, 22 - Autocomplete-Funktion). Die Autocomplete-Funktion ist damit als automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO einzustufen.

Ob die Beklagte nach den vorstehend in Bezug auf die Auslistung dargelegten Grundsätzen, welche auf die Autocomplete-Funktion übertragen werden können, datenschutzrechtlich für die streitbefangene Autocomplete-Funktion zumindest mitverantwortlich im Sinne des Art. 26 DSGVO ist, kann auch insoweit mangels eines Anspruchs in der Sache (s.u.) offenbleiben.

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 4 MSTV. Die automatisierte bloße Auflistung von Suchergebnissen stellt keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung dar.

bb) Auch wird der in Rede stehende Anspruch, der auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gerichtet ist, ist aus den obenstehenden Erwägungen (vgl. Abschnitt B II. 1. a) bb)) grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst.

cc) Ferner hat der Kläger die Beklagte, die ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven Prüfung der von ihrer Suchmaschine generierten Suchwortvervollständigungen nicht verpflichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn 30 - Autocomplete-Funktion), bereits vor Klageerhebung mit dem Schreiben vom 02.02.2021 (Anlage K6, Bl. 25 ff. d.A.) in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Unterlassung der konkret benannten Autocomplete-Funktion aufgefordert (sog. sog. Notice an Take Down Schreiben). In dem Schreiben vom 02.02.2021 wird die konkret beanstandete Autocomplete-Funktion, nämlich „bankrott“ in Verbindung mit der namensbasierten Suche des Klägers, genannt und es erfolgt eine Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen.

dd) Anders als das Landgericht angenommen hat, liegen nach Ansicht des Senates jedoch die materiellen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung gem. Art 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor.

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO steht - soweit hier relevant - der betroffenen Person ein Anspruch auf Löschung zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO).

(1) Auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen dieses Löschungsanspruches ist eine umfassende Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, und zwar unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Klägers als betroffene Person einerseits und der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit andererseits. Auch hier finden die von BGH in dem Urteil vom 27.07.2020, Az. VI ZR 405/18 (NJW 2020, 3464, Rn. 23 ff.) dargestellten Abwägungsgrundsätze (s.o.) im Ausgangspunkt Anwendung, wobei allerdings zu beachten ist, dass - anders als bei einer begehrten Entfernung von Links aus Suchergebnissen - bei dem hier in Rede stehenden Anspruch auf Unterlassung der Anzeige der Suchwortvervollständigung keine Rechte der Inhalteanbieter auf Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) betroffen sind, da sich der Autocomplete-Vorgang im Vorfeld der Anzeige konkreter Suchergebnisse abspielt und sich der Kläger hier nicht gegen den Inhalt von Suchergebnissen wendet.

Im Rahmen der anzustellenden Abwägung sind auf Seiten des Klägers demnach die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh und das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen.

Auf Seiten der Beklagten sind ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh sowie ihr Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung gem. Art. 11 GRCh zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 22 - Autocomplete-Funktion zu der Rechtslage nach deutschem Recht; anders in Bezug auf die Anzeige von Ergebnislinks BGH, NJW 2020, 3436, Rn. 31).

In die Abwägung sind ferner die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information.

(2) Nach diesen Grundsätzen haben die Interessen des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten:

Nach Ansicht des Senates ist der hier in Rede stehenden Suchoption „X bankrott“ nach dem maßgeblichen Verständnis des Durchschnittsrezipienten zwar eine inhaltliche Aussage zu entnehmen. Diese ist jedoch in einem Maße vieldeutig, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden werden kann, sondern sich für den Rezipienten als schlagwortartige Äußerung darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Gen-Milch-Entscheidung vom 08.09.2010 (Az. 1 BvR 1890/08; ZUR 2011, 252, Rn. 21 ff.) im Hinblick auf die Unterlassung schlagwortartiger Äußerungen folgendes ausgeführt:

„[21] Auch nach diesem Maßstab begegnet das angegriffene Urteil indes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte der Bundesgerichtshof den auf die Produkte der Beschwerdeführerin bezogenen Begriff »Gen-Milch« als substanzarme Äußerung ansehen und seine Verwendung hiervon ausgehend als zulässig beurteilen. Entgegen der Auffassung der Verfassungsbeschwerde steht dies nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass einer auf die künftige Unterlassung einer Behauptung gerichteten Klage bereits dann stattzugeben ist, wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt aufweist und in einer der nicht fernliegenden Deutungsvarianten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt, weil dieses die Meinungsfreiheit des Äußernden im konkreten Fall überwiegt (vgl. BVerfGE 114, 339 <350> - Stolpe -). [22] Dies ändert aber nichts daran, dass es den Fachgerichten obliegt, zunächst zu ermitteln, ob ein derartiger Fall der Mehrdeutigkeit im zu entscheidenden Fall gegeben ist oder ob der Äußerung durch die gebotenen Auslegungsbemühungen ein eindeutiger Aussagegehalt beigemessen werden kann, weil theoretisch mögliche Deutungsalternativen sich am Maßstab des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten als fernliegend erweisen. Hinsichtlich der Deutung der Aussage lassen sich der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Maßgaben entnehmen. Von daher besteht insbesondere auch kein Anlass, in größerem Umfang als bisher zu der Annahme eines im Rechtssinne mehrdeutigen Aussagegehalts zu gelangen.

[23] Angesichts dessen ist die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Deutung des Begriffs »Gen-Milch« verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist - wie das angegriffene Urteil auch nicht verkennt - die Formulierung für sich genommen nicht eindeutig, sondern lässt eine Vielzahl von Verständnismöglichkeiten zu. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof hieraus aber nicht die von der Verfassungsbeschwerde geforderte Konsequenz gezogen, der weiteren rechtlichen Prüfung diejenige Deutungsvariante zugrunde zu legen, die die intensivste Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin darstellen würde. Dieses Vorgehen ist nämlich nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden (und insoweit dann aber mehrdeutig sind). Anders liegt es hingegen bei Äußerungen, die in einem Maße vieldeutig erscheinen, dass sie gar nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden, wie dies häufig bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen der Fall sein wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <9 f.>), die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Rezeption weiterer Informationsquellen bieten sollen. In einem solchen Fall fehlt es an einer konkreten Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, zu auf falsche Sachaussagen gestützten Fehlvorstellungen der Rezipienten beizutragen. Die Meinungsfreiheit, die auch das Recht aufmerksamkeitserregender Zuspitzungen und polemisierender Pointierungen umfasst, steht hier einer Untersagung der Äußerung wegen ihrer Mehrdeutigkeit vielmehr entgegen.“

Die hier automatisch erstellte Suchwortvervollständigung der Beklagten kombiniert zwei Wörter, nämlich den Namen des Klägers und das Wort „bankrott“, die dem unvoreingenommenen, die Suchmaschine der Beklagten nutzenden Durchschnittsrezipienten verschiedene Möglichkeiten eröffnen, inhaltliche Zusammenhänge herzustellen oder ein Verständnis zu entwickeln.

Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält diesen jedenfalls für möglich. Denn aus dem „Ozean von Daten“ werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer“ liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - vielmehr auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt (zum Vorstehenden im Ganzen vgl. BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 16 - Autocomplete-Funktion). Dies führt im Streitfall dazu, dass dem bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers angezeigten Ergänzungssuchvorschlag „bankrott“ die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem namentlich Genannten und dem Begriff „bankrott“ bestehe ein sachlicher Zusammenhang bzw. eine Verbindung (so auch BGH, GRUR 2013, 751, Rn. 13, 16 - Autocomplete-Funktion).

Es bleibt für den maßgeblichen Durchschnittsrezipienten aber erkennbar offen und unbestimmt, welcher Zusammenhang bestehen könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein verständiger Internetnutzer darüber bewusst ist, dass die vorgeschlagenen Suchoptionen das Ergebnis eines automatischen, technischen Vorgangs sind. Wesentlich bei der Beurteilung ist jedoch, dass ein Nutzer der Suchmaschine mit der angezeigten Kombination der Begriffe zunächst nichts anfangen kann. Er kann nicht beurteilen, ob der vorgeschlagene Begriff in Verbindung mit der Person steht, zu der er recherchiert hat, denn es ist denkbar, dass es mehrere Personen mit dem von dem Nutzer eingegebenen Namen gibt. Um sich hierüber Sicherheit zu verschaffen, muss er sich mit den zu der Kombination angezeigten Ergebnissen beschäftigen oder die Suchbegriffe ändern.

Dies zeigt bereits, dass der vorliegend angezeigten Suchoption keine eigenständige Behauptung zu entnehmen ist, sondern diese vielmehr Anlass für weitere Recherchen bietet. Selbst wenn der Nutzer davon ausgeht, dass die Person, zu der er die Suchanfrage gestattet hat, mit der ergänzenden Suchoptionen „bankrott“ grundsätzlich in Verbindung zu bringen ist, erhält er erkennbar keine Informationen, die über die Mitteilung der beiden Begriffe hinausgehen. Vielmehr stellt es sich für ihn als eine Art schlagwortartige Äußerung dar, die ihm wiederum Anlass geben kann, sich mit möglichen Suchergebnissen zu der Begriffskombination auseinanderzusetzen. Ob der Kläger direkt oder indirekt von einem „bankrott“ betroffen ist, ob er persönlich oder eines oder alle seiner Unternehmen „bankrott“ ist/sind, ob er zu diesem Themenkreis Informationen oder Leistungen anbietet oder publiziert, bleibt gänzlich offen, wobei die hier dargestellten Verständnismöglichkeiten der Begriffskombination nicht abschließend sind. Sie belegen jedoch, dass es sich um eine zwar vieldeutige, jedoch substanzarme Wortkombination handelt. Auf diese ist nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Gen-Milch-Entscheidung die Stolpe-Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 114, 339) nicht anzuwenden (so auch LG Hamburg, Urteil v. 18.01.2013 - 324 O 766/11 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 104 ff. d.A.); in diese Richtung weisend auch OLG Hamburg, Protokoll v. 29.03.2016 - 7 U 13/13 (vgl. Anlagenkonvolut B10, Bl. 101 ff. d.A.); a.A. OLG Köln, Urteil vom 08.02.2014 - I-15 U 199/11 -, Rn. 43, juris).

Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Grundrechten des Klägers aus Art. 7, 8 und 16 GRCh und den Grundrechten der Beklagten aus Art. 11 und 16 GRCh sowie der Nutzer der Suchmaschine und der Öffentlichkeit (Art. 11 GRCh) ist zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass es für die Verbindung des Klägers mit einem „bankrott“ tatsächliche Anknüpfungstatsachen gibt und damit auch für die Kombination der beiden Begriffe.
[...]
Ferner ist im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers zu beachten, dass in dem in den Suchergebnissen der Beklagten angezeigten Beitrag gemäß der Anlage K2 (Bl. 17 d.A.) zulässig (s.o.) darüber berichtet wird, dass „X1 bankrott“ sei.

Auf Seiten der Nutzer der Beklagten und für die Öffentlichkeit besteht - wie obenstehend dargestellt - trotz der Löschung der Unternehmen weiterhin ein erhebliches diesbezügliches Informationsinteresse. Dies ergibt sich daraus, dass neben dem gelöschten Unternehmen eine Vielzahl weiterhin aktiver Unternehmen zu der Unternehmensgruppe des Klägers zählen und dessen Namen in der Firmierung tragen. Für (potentielle) Kunden und Geschäftspartner ist es weiterhin von erheblichem Interesse, ob ein Unternehmen des Klägers (kürzlich) „bankrott“ bzw. insolvent gewesen ist. Denn dies ist - wie obenstehend dargestellt - ein wichtiger Aspekt für die Gestaltung künftiger Geschäfte mit den Unternehmen des Klägers.

Ebenfalls in die Abwägung ist einzustellen, dass der Name des Klägers ein Namensbestandteil vieler Unternehmen ist. Durch eine derartige Firmierungspraxis hat der Kläger das Risiko in Kauf genommen, dass er mit den Unternehmen in Verbindung gebracht wird und somit auch im Falle von möglichen Insolvenzen.

Auch bei der Beurteilung der Suchergänzungsfunktion der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zu deren Gunsten berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, Rn. 40) und insoweit auch die Suchergänzungsfunktion einen nützlichen Beitrag zur Recherche leistet.

b) Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41 - Recht auf Vergessen II) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (so auch BGH, NJW 2020, 3436 Rn. 64), insbesondere nicht auf §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 GG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion

OLG Frankfurt
Urteil vom 20.04.2023
16 U 10/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Wort "bankrott" über die Autocomplete-Funktion besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Autocomplete-Funktion - Klage gegen Google zurückgewiesen

Es besteht kein Anspruch eines Unternehmers gegen Google auf Unterlassung der Verknüpfung seines Namens mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion.

Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzelfallumständen zulässig sein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung einen Unterlassungsanspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion sei erkennbar unbestimmt und enthalte keine eigenständige Behauptung. Der Nutzer wisse, dass es automatisch generiert werde. Konkrete Bedeutung erlange die Kombination erst nach weiteren Recherchen, begründete das OLG seine Entscheidung.

Der Kläger ist Inhaber einer Unternehmensgruppe, die auf dem Gebiet des Innendesigns von Hotels tätig ist. Die Beklagte betreibt u.a. die Internetsuchmaschine Google. Bei Eingabe von Vor- und Nachnamen des Klägers erscheint über die Autocomplete-Funktion als Suchergänzungsvorschlag „bankrott“. Hintergrund ist, dass zwei zur Unternehmensgruppe des Klägers gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Steuerbehörden insolvent und später wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurden. Ein konkret auf den Kläger bezugnehmender Webseiteneintrag stammt von einem Inkassounternehmen, welches ein Geschäftspartner der Unternehmensgruppe mit dem Einzug einer Forderung beauftragt hatte.

Der Kläger wendet sich sowohl gegen die Anzeige des Suchergänzungsvorschlags „bankrott“ als auch gegen die Anzeige und Verlinkung auf die Webseite mit der URL, die sich auf die Zahlungsfähigkeit bezieht. Das Landgericht hatte die Beklagte verpflichtet, den über die Autocomplete-Funktion generierten Sucherergänzungsvorschlag nicht mehr anzuzeigen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung „bankrott“ bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der Datenschutzgrundverordnung (i.F.: DS-GVO). Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten.

Ob ein Löschungsanspruch bestehe, sei grundsätzlich auf Basis einer umfassenden Grundrechtsabwägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Abzuwägen seien auf Seiten des Klägers die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, des Schutzes personenbezogener Daten und der unternehmerischen Freiheit; auf Seiten der Beklagten das Recht auf unternehmerische Freiheit und freie Meinungsäußerung. Zu berücksichtigen seien auch die Zugangsinteressen der Internetnutzer und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen.

Gewicht erlange hier, dass die Bedeutung des nach Eingabe des Namens erscheinenden Suchvorschlags „bankrott“ erkennbar offenbleibe und unbestimmt sei. Einem verständigen Internetnutzer sei bewusst, dass der Suchvorschlag Ergebnis eines automatischen Vorgangs sei. Der Nutzer könne mit der angezeigten Kombination zunächst „nichts anfangen“. Der angezeigten Kombination selbst sei keine eigenständige Behauptung zu entnehmen. Sie sei allein Anlass für weitere Recherchen. Selbst wenn der Nutzer eine Verbindung zwischen dem Kläger und dem Begriff „bankrott“ herstellen würde, wäre offen, wie diese Verbindung inhaltlich auszugestalten wäre. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass es tatsächliche Anknüpfungstatsachen für die Verbindung des Namens mit dem Begriff „bankrott“ gebe.

Entgegen der Ansicht des Klägers beschränke sich der Begriff „bankrott“ auch nicht auf den strafbewehrten Vorwurf des § 283 StGB. Er finde vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz Verwendung.

Die Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin auch die Auslistung des Suchergebnisses in Form der konkreten URL begehrte, hatte dagegen keinen Erfolg. Die betroffenen Grundrechte des Klägers hätten hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Informationszugang zurückzutreten, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.4.2023, Az. 16 U 10/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt Main, Urteil vom 1.12.2021, Az. 2-34 O 37/21)



EuGH: Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO aus Suchindex entfernen - keine gerichtliche Entscheidung gegen Websitebetreiber erforderlich

EuGH
Urteil vom 08.12.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC


Der EuGH hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google offensichtlich unrichtige Inhalte nach Art. 17 DSGVO (Recht auf Vergessenwerden) aus dem Suchindex entfernen muss. Dabei muss der Betroffene zum Nachweis der Unrichtigkeit keine gerichtliche Entscheidung gegen den eigentlichen Websitebetreiber, auf dessen Website der gerügte Inhalt veröffentlicht wird, erwirken.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

ist dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche der Link zu einem Inhalt, der Behauptungen enthält, die von der die Auslistung begehrenden Person für unrichtig gehalten werden, gelöscht wird, diese Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in den Ergebnissen einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden und diese Person darstellen, gelöscht werden, dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts) - Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“): Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass sich dieser Nachweis aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die gegen den Herausgeber der Website erwirkt wurde.

Zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften forderten Google auf, aus den Ergebnissen einer anhand ihrer Namen durchgeführten Suche die Links zu bestimmten Artikeln auszulisten, die das Anlagemodell dieser Gruppe kritisch darstellten. Sie machen geltend, dass diese Artikel unrichtige Behauptungen enthielten. Ferner forderten sie Google auf, dass Fotos von ihnen, die in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) angezeigt werden, in der Übersicht der Ergebnisse einer anhand ihrer Namen durchgeführten Bildersuche gelöscht werden. In dieser Übersicht wurden nur die Vorschaubilder als solche angezeigt, ohne die Elemente des Kontexts der Veröffentlichung der Fotos auf der verlinkten Internetseite wiederzugeben.

Anders ausgedrückt, wurde bei der Anzeige des Vorschaubildes der ursprüngliche Kontext der Veröffentlichung der Bilder nicht benannt und war auch im Übrigen nicht erkennbar.

Google lehnte es ab, diesen Aufforderungen Folge zu leisten, und zwar unter Hinweis auf den beruflichen Kontext dieser Artikel und Fotos sowie unter Berufung darauf, nicht gewusst zu haben, ob die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig seien.

Der mit diesem Rechtsstreit befasste deutsche Bundesgerichtshof hat den Gerichtshof darum ersucht, die Datenschutz- Grundverordnung, die u. a. das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) regelt, und die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen.

In seinem heutigen Urteil erinnert der Gerichtshof daran, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss. So sieht die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich vor, dass das Recht auf Löschung ausgeschlossen ist, wenn die Verarbeitung u. a. für die Ausübung des Rechts auf freie Information erforderlich ist.

Die Rechte der betroffenen Person auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegen im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben. Der Ausgleich kann aber von den relevanten Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Art dieser Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Allerdings kann das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information dann nicht berücksichtigt werden, wenn zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist.

Was zum einen die Verpflichtungen der Person, die wegen eines unrichtigen Inhalts die Auslistung begehrt, anbelangt, betont der Gerichtshof, dass dieser Person der Nachweis obliegt, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diese Informationen nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Beweise beizubringen, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können. Insoweit kann diese Person grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium eine – auch in Form einer im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes ergangene – gerichtliche Entscheidung vorzulegen, die gegen den Herausgeber der betreffenden Website erwirkt wurde.

Was zum anderen die Verpflichtungen und den Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine anbelangt, führt der Gerichtshof aus, dass sich dieser Betreiber infolge eines Auslistungsbegehrens auf alle betroffenen Rechte und Interessen sowie auf alle Umstände des Einzelfalls zu stützen hat, um zu prüfen, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann. Gleichwohl ist dieser Betreiber nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist.

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine dann, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihr Begehren stützen können und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen offensichtlich unrichtig sind, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag nachzukommen. Dies gilt umso mehr, wenn diese Person eine gerichtliche Entscheidung vorlegt, die das feststellt.

Dagegen ist bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung dieser Betreiber, wenn sich aus den von der betroffenen Person vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig sind, nicht verpflichtet, einem solchen Auslistungsantrag stattzugeben.

Allerdings muss sich die Person, die in einem solchen Fall die Auslistung begehrt, an die Kontrollstelle oder das Gericht wenden können, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Ferner verlangt der Gerichtshof von dem Betreiber der Suchmaschine, dass er die Internetnutzer über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren informiert, in dem die Frage geklärt werden soll, ob in einem Inhalt enthaltene Informationen unrichtig sind, sofern dem Betreiber dieses Verfahren zur Kenntnis gebracht worden ist.

In Bezug auf die Anzeige der Fotos in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) betont der Gerichtshof, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige von Fotos der betroffenen Person in Gestalt von Vorschaubildern einen besonders starken Eingriff in die Rechte dieser Person auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten dieser Person darstellen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er in Bezug auf in Gestalt von Vorschaubildern angezeigte Fotos mit einem Auslistungsantrag befasst wird, prüfen muss, ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, das den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos haben. Insoweit stellt der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse einen entscheidenden Gesichtspunkt dar, der bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte zu berücksichtigen ist.

Der Gerichtshof stellt klar, dass eine unterschiedliche Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interesse vorzunehmen ist: Einerseits dann, wenn es sich um Artikel handelt, die mit Fotos versehen sind, die in ihrem ursprünglichen Kontext die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen und die dort zum Ausdruck gebrachten Meinungen veranschaulichen, und andererseits dann, wenn es sich um Fotos handelt, die in Gestalt von Vorschaubildern in der Ergebnisübersicht außerhalb des Kontexts angezeigt werden, in dem sie auf der ursprünglichen Internetseite veröffentlicht worden sind. Im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der in Gestalt von Vorschaubildern angezeigten Fotos kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ihrem Informationswert unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, Rechnung zu tragen ist. Allerdings ist jedes Textelement zu berücksichtigen, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH-Generalanwalt: Suchmaschinenbetreiber Google muss bei Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 07.04.2022
C-460/20
TU, RE gegen Google LLC
Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts)


Der EUGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Suchmaschinenbetreiber (hier: Google) bei einem Antrag auf Löschung angeblich unrichtiger Inhalte aus dem Suchindex Richtigkeit im Rahmen des Möglichen prüfen

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pitruzzella ist der Auffassung, dass ein auf die angebliche Unrichtigkeit der Informationen gestützter Antrag auf Auslistung den Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, die Überprüfungen vorzunehmen, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallen.

Des Weiteren darf im Rahmen eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche nur der Informationswert der Bilder als solcher berücksichtigt werden.

TU und RE erhoben gegen die Google LLC Klage und beantragten zum einen die Auslistung bestimmter Links, die in den Ergebnissen der Suchen über die von der Google LLC betriebene Suchmaschine angezeigt wurden. Die Links beziehen sich auf im Internet veröffentliche Artikel eines Dritten, in denen TU und RE genannt werden. Zum anderen beantragten sie die Unterlassung der Anzeige von Fotos, die mit diesen Artikeln in Form von Vorschaubildern verbunden sind. TU ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. RE war die Lebensgefährtin von TU und bis Mai 2015 Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Website g-net erschienen drei Artikel, in denen kritische Meinungen und Zweifel hinsichtlich der Seriosität des Anlagemodells verschiedener dieser Gesellschaften zum Ausdruck gebracht wurden und von denen einer mit vier Fotos bebildert war, auf denen TU und RE am Steuer von Luxus-Autos, in einem Hubschrauber und vor einem Charterflugzeug gezeigt wurden, was den Eindruck erwecken konnte, dass sie in fremdfinanziertem Luxus schwelgten. TU und RE forderten die Google LLC auf, die fraglichen Artikel auszulisten, die ihrer Auffassung nach unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten, die auf unwahren Tatsachen beruhten, und die Vorschaubilder aus der Ergebnisliste der Suche zu entfernen.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die erste Frage betrifft die Besonderheit der Funktion von Suchmaschinen und das Spannungsverhältnis, das sie zwischen den Grundrechten aus den Art. 7,8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union1 erzeugt, in einem vom Gerichtshof noch nicht geprüften Szenarium, nämlich dem, dass die betroffene Person die Richtigkeit der verarbeiteten Daten bestreitet und aus diesem Grund die Auslistung der Links verlangt, die auf von Dritten herausgegebene Inhalte verweisen, in denen diese Daten enthalten sind. Die zweite Frage betrifft die Notwendigkeit, bei der Prüfung eines Antrags auf Entfernung von Vorschaubildern aus den Ergebnissen einer Bildersuche den Inhalt der Website, in die das betreffende Foto eingefügt ist, zu berücksichtigen.

In seinen heute vorgelegten Schlussanträgen untersucht Generalanwalt Pitruzzella zunächst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Verpflichtungen, die einem Suchmaschinenbetreiber obliegen, und arbeitet dabei vier Eckpunkte heraus.

Zunächst erläutert er, welche Verpflichtungen dem Betreiber einer Suchmaschine bei der Behandlung eines Antrags auf Auslistung obliegen, wenn dieser auf die nicht durch Beweise untermauerte Behauptung gestützt wird, dass einige der in dem gelisteten Inhalt enthaltene Informationen unrichtig seien.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten keinen absoluten Charakter hätten. Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten müsse im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Dabei sei das Recht, zu informieren, angemessen zu gewichten. Soweit in dem Fall, dass die betroffene Person eine öffentliche Rolle habe, das Recht, zu informieren, und das Recht auf Information Vorrang hätten, kehre sich dies dann um, wenn sich die Informationen, die Gegenstand des Auslistungsantrags seien, als unrichtig herausstellten.
Denn die Richtigkeit der Daten stelle nicht nur eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten dar, sondern dieses Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit könne in seiner zweifachen, aktiven und passiven, Bedeutung, wenn es sich um eine unrichtige Information handele, auch nicht auf der gleichen Ebene stehen wie die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. In diesem Fall kommt nach Auffassung des Generalanwalts ein vorrangiges Kriterium zum Tragen, das in einem der Grundwerte der Europäischen Union wurzelt, nämlich dem der in Art. 1 der Charta der Grundrechte verbürgten Menschenwürde. Eine unrichtige
Information verletze nicht nur das Grundrecht der Person, auf die sich der Schutz personenbezogener Daten beziehe, sondern beeinträchtige ihre Würde, da sie auf einer unrichtigen Darstellung beruhe und eine Verfälschung ihrer Identität bewirke, die heute vor allem im Netz definiert werde.

Wenn Zweifel an der Richtigkeit der vom Suchmaschinenbetreiber verarbeiteten Information bestünden, stelle sich die Frage der Abwägung der betroffenen Grundrechte daher ganz besonders, zumindest in dem Stadium, in dem die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Information noch nicht festgestellt worden sei. Zwar könne der Suchmaschinenbetreiber nicht verpflichtet
werden, die gespeicherten Inhalte einer allgemeinen Kontrolle in Bezug auf deren Richtigkeit zu unterziehen; aufgrund seiner besonderen Verantwortung, die mit seiner Funktion eines „gatekeeper“ der Information verbunden sei, müsse er jedoch eine aktive Rolle bei der Löschung der Ergebnisse der Suche nach Inhalten spielen, in denen unrichtige personenbezogene Daten
enthalten seien.

Allerdings schließt der Generalanwalt aus, dass eine Auslistung allein auf der Grundlage des bloß einseitigen Antrags des Betroffenen vorgenommen werden kann, ebenso wie er es ausschließt, dass von dem Betroffenen verlangt werden kann, sich an den Herausgeber der Webseite zu wenden, um die Entfernung des angeblich unrichtigen Inhalts zu verlangen. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass der Betroffene verpflichtet sei, die Umstände anzugeben, auf die der Antrag gestützt wird, und einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig seien. Der Suchmaschinenbetreiber müsse demgegenüber die Überprüfungen durchführen, mit denen die Begründetheit des Antrags
bestätigt oder nicht bestätigt werde und die sich im Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten hielten. Dabei habe er, wenn möglich, den Herausgeber der gelisteten Website zu kontaktieren, und dann darüber zu entscheiden, ob er dem Auslistungsantrag stattgebe oder nicht. Wenn sich der Inhalt auf eine Person beziehe, die eine öffentliche Rolle habe, müsse
sich die Entscheidung für die Auslistung auf besonders aussagekräftige Bestätigungen für die Unrichtigkeit der Informationen stützen. Schließlich könne der Suchmaschinenbetreiber, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen ließen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger der Informationen bestritten werde.

Hinsichtlich der Antwort auf die zweite Frage stellt der Generalanwalt fest, dass für namensbezogene Bildersuchen über eine Internetsuchmaschine dieselben Regeln gelten wie für Websuchen und dass der Suchmaschinenbetreiber mit der Zusammenstellung von im Internet veröffentlichten Fotos von natürlichen Personen und der Wiedergabe dieser Fotos einen
Dienst anbiete, bei dem er eine eigenständige Verarbeitung personenbezogener Daten vornehme, die sowohl von der des Herausgebers der Website, von der die Fotos entnommen seien, als auch von derjenigen der Listung dieser Website verschieden sei.

Nach Auffassung des Generalanwalts ist bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos vorzunehmen sei, nur der Informationswert der Fotos als solcher zu berücksichtigen, unabhängig von dem Inhalt, in den sich diese Fotos auf der Webseite, von der sie entnommen worden seien, einfügten.

Angesichts des Umstands, dass das Bild einer Person eines der Hauptmerkmale ihrer Persönlichkeit sei, komme dem Schutz des Rechts der Person auf Vertraulichkeit in diesem Kontext besondere Bedeutung zu, da die Fotos besonders persönliche Informationen vermitteln könnten.

Schlussanträge:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des BGH wie folgt zu antworten:

1. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus den Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen der Prüfung eines Auslistungsbegehrens gegen den Betreiber einer Suchmaschine, das auf der Grundlage erhoben wird, dass die in dem indexierten Inhalt enthaltenen Informationen unrichtig seien, vorzunehmen ist, nicht maßgeblich darauf abgestellt werden kann, ob der Betroffene in zumutbarer Weise, z. B. durch eine einstweilige Verfügung, Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen kann. Im Rahmen eines solchen Antrags obliegt es dem Betroffenen, einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass die Inhalte, deren Auslistung verlangt wird, unrichtig sind, wenn dies, insbesondere in Bezug auf die Art der in Rede stehenden Informationen, nicht offensichtlich unmöglich oder übermäßig schwer ist. Es ist Sache des Suchmaschinenbetreibers, die in den Rahmen seiner konkreten Möglichkeiten fallenden Überprüfungen in Bezug auf die behauptete Unrichtigkeit der verarbeiteten Daten durchzuführen und so weit wie möglich mit dem Herausgeber der indexierten Webseite in Kontakt zu treten. Der Suchmaschinenbetreiber kann, wenn die Umstände des Falls dies angezeigt erscheinen lassen, um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für die betroffene Person zu vermeiden, die Listung vorübergehend aussetzen oder in den Ergebnissen der Suche angeben, dass die Richtigkeit einiger Informationen, die in dem Inhalt enthalten sind, zu dem der fragliche Link führt, bestritten wird.

2. Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta, die im Rahmen eines an den Suchmaschinenbetreiber gerichteten Antrags auf Entfernung von als Vorschaubilder angezeigten Fotos, die eine natürliche Person darstellen, aus den Ergebnissen einer mit dem Namen dieser Person durchgeführten Bildersuche vorzunehmen ist, der Kontext der Veröffentlichung im Internet, in dem diese Fotos ursprünglich erscheinen, nicht zu berücksichtigen ist.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Keine Funktionsbeeinträchtigung und keine Markenrechtsverletzung wenn Amazon bei Produktsuche nach Birkenstock auch Birki -Produkte vom selben Hersteller anzeigt

OLG Frankfurt am Main
Beschluss vom 11.04.2018
6 W 11/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden keine Funktionsbeeinträchtigung und keine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn Amazon bei Produktsuche nach "Birkenstock" auch "Birki"-Produkte vom selben Hersteller anzeigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die deutschen Gerichte sind nach Art. 125 UMV international zuständig. Die Antragsgegnerin zu 2 verfügt über eine Niederlassung in Deutschland (Art. 125 I UMV). Im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1 ergibt sich die Zuständigkeit jedenfalls aus Art. 125 Abs. 4 Buchst. b UMV. Die Antragsgegnerinnen haben in ihrem Verteidigungsvorbringen die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht geltend gemacht (vgl. BGH GRUR 2018, 84 [BGH 09.11.2017 - I ZR 164/16] Rn. 22 - Parfummarken).

2. Der Antragstellerin steht jedoch kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zu (Art. 9 II a, 129 I, 130 I UMV). Sie wendet sich im Kern dagegen, dass die Antragsgegnerinnen auf ihrer Handelsplattform unter dem Suchwort "Birki" Schuhwaren der Antragstellerin anbieten, die von dieser nicht unter der Marke "Birki", sondern unter der Bezeichnung "Birkenstock" in den Verkehr gebracht wurden.

a) Es besteht Doppelidentität. Die Antragsgegnerinnen haben im Quelltext ihres Angebots von "Birkenstock Classic-Schuhen" den Begriff "Birki" angegeben (; Anlage AS11). Hierbei handelt es sich um eine mit der Unionsmarke der Antragstellerin identische Bezeichnung. Sie wird für identische Waren (Schuhwaren) eingesetzt, für die die Marke Schutz genießt.

b) Der Markeninhaber kann einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens auch im Fall der Doppelidentität nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann (EuGH, GRUR 2009, 756Rn. 60 - L'Oréal/Bellure; GRUR 2010, 445 [EuGH 23.03.2010 - Rs. C-236/08; Rs. C-237/08; Rs. C-238/08] Rn. 76- Google France).

aa) Die Herkunftsfunktion als Hauptfunktion der Marke wird grundsätzlich bereits dann beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Bei Zeichenverwendungen, die das Auswahlverfahren von Internet-Suchmaschinen beeinflussen, gelten jedoch besondere Regeln. Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist insoweit gegeben, wenn ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu einer Internetseite des Verwenders zu führen (BGH GRUR 2010, 835 [BGH 04.02.2010 - I ZR 51/08] Rn. 43 - Power Ball). Nichts anderes gilt, wenn der Betreiber einer Internet-Handelsplattform seine interne Suchmaschine so programmiert, dass bei Eingabe der geschützten Marke Konkurrenzprodukte Dritter oder solche des Plattformbetreibers in der Trefferliste erscheinen (Senat, GRUR 2016, 620 Rn. 20 - Fatboy; Hacker in Ströbele/Hacker, 12. Aufl., § 14, Rn. 272). Hinzukommen muss bei dieser Benutzungsart allerdings, dass für den Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die Ware vom Markeninhaber oder von Dritten stammt (vgl. Presseerklärung des BGH in der Sache I ZR 138/16; BGH GRUR 2011, 828Rn. 23 - Bananabay II). Eine Beeinträchtigung soll also nur dann vorliegen, wenn mit der Trefferanzeige suggeriert wird, dass es sich um Waren des Markeninhabers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmens handelt.

bb) Mit seinem vom Landgericht zurückgewiesenen Antrag zu b) möchte die Antragstellerin das Erscheinen von solchen Angeboten unterbinden, die zwar Originalwaren aus dem Haus der Antragstellerin betreffen, die jedoch von der Antragstellerin nicht mit der Verfügungsmarke, sondern mit der Marke "Birkenstock" gekennzeichnet werden. Insoweit kann - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - eine Verletzung der Herkunftsfunktion nicht angenommen werden. Es kann dahinstehen, ob die beanstandete Verwendung der Marke als Metatag im Rechtssinne einzustufen ist oder als sog. Keyword. Nach Maßgabe der oben wiedergegeben Rechtsprechung kommt es darauf an, ob die angezeigten Treffer den unzutreffenden Eindruck erwecken können, die Ware stammt vom Markeninhaber. Ein solcher unzutreffender Eindruck entsteht im Streitfall schon deshalb nicht, weil auch die mit der Marke "Birkenstock" gekennzeichneten Schuhe von der Antragstellerin stammen.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin für ihre abweichende Auffassung darauf, es komme bei dem Tatbestand der Doppelidentität nicht auf die "betriebliche Herkunft" der Ware an, sondern auf den Eingriff in die Verfügungsmacht des Markeninhabers. Insoweit zieht sie eine Parallele zur Rechtslage bei der Erschöpfung. Die Einrede der Erschöpfung wäre ihrer Ansicht nach überflüssig, wenn der Vertrieb von Originalware durch einen Händler schon nicht die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigen würde und es damit an einer markenmäßigen Benutzung fehlen würde. Tatsächlich ist in dem typischen Fall der Erschöpfung, also dem Vertrieb von Originalware durch einen Händler, ein Fall der Doppelidentität gegeben (Thiering in Ströbele/Hacker, 12. Aufl., § 24 Rn. 1). Die markenmäßige Benutzung leitet sich in diesen Fällen unmittelbar aus § 14 III Nr. 2 MarkenG ab. Danach ist es Dritten grundsätzlich untersagt, unter der geschützten Marke Waren anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Eine Ausnahme bildet die Erschöpfung. Der Anspruch besteht nicht, wenn die gekennzeichnete Ware erstmalig durch den Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde. Der Zweck der Erschöpfung besteht gerade darin, Ansprüche auszuschließen, wenn keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion gegeben ist. Darüber hinaus gibt es jedoch auch andere Fälle, in denen die Herkunftsfunktion der Marke nicht beeinträchtigt wird. Insoweit ist erneut auf die oben zitierte Rechtsprechung zu den keyword-Fällen zu verweisen.

dd) Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die angegriffene Art der Benutzung die Werbefunktion nicht beeinträchtigt, auch wenn sie sich darauf auswirken mag. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird selbst durch die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens als "Keyword" für Konkurrenzprodukte im Rahmen einer Internetsuchmaschine die Werbefunktion nicht beeinträchtigt. Zwar könne eine solche Benutzung Auswirkungen auf die Möglichkeit haben, die Marke in der Werbung einzusetzen und zu einer Erhöhung des Werbeaufwands führen, um ihre Sichtbarkeit für den Verbraucher zu verbessern. Dieser Umstand lasse aber nicht ohne weiteres auf eine Beeinträchtigung der Werbefunktion schließen. Denn die Marke solle ihren Inhaber nicht vor Praktiken schützen, die zum Wettbewerb gehören (EuGH GRUR 2011, 1124Rn. 55-57 - Interflora m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn die Marke im Quelltext einer Internet-Handelsplattform so verwendet wird, dass bei Eingabe der geschützten Marke in die interne Suchfunktion Waren der Markeninhaberin oder verbundener Unternehmen in der Trefferliste erscheinen, die von dieser mit abweichenden Marken gekennzeichnet wurden.

ee) Auch die Garantiefunktion der Marke wird nicht beeinträchtigt. Die Qualitäts- oder Garantiefunktion wird typischer Weise durch das Inverkehrbringen veränderter oder verschlechterter Originalware beeinträchtigt (vgl. (BGH, Urt. v. 6.10.2011 - I ZR 6/10, Rn. 19 - Echtheitszertifikat; BGH GRUR 2005, 160, 161 - SIM-Lock). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zwar kann die Qualitätsfunktion grundsätzlich auch in anderer Weise beeinträchtigt werden, etwa dadurch, dass die Qualität einer Markenware in der Werbung falsch dargestellt wird (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, 12. Aufl., Einl. Rn. 43). Im Streitfall kann auch dies nicht angenommen werden. Für eine abweichende Güte oder Qualität der Waren ist nichts ersichtlich. Die Antragstellerin hat lediglich dargelegt, dass ihre Produkte unter der Marke "Birki" eine andere Zielgruppe ansprechen als ihre unter der Marke "Birkenstock" in den Verkehr gebrachten Produkte.

ff) Auch eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion ist nicht gegeben. Mit der "Investitionsfunktion" ist gemeint, dass eine Marke von ihrem Inhaber dazu eingesetzt werden kann, einen Ruf zu erwerben oder zu wahren, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden (EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 60 - Interflora). Sie ist von der Werbefunktion zu unterscheiden. Es sollen die Aufwendungen geschützt werden, die notwendig waren, um für die Marke einen Ruf zu erwerben (Hacker in Ströbele/Hacker, aaO, Rn. 45). Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Marke Bekanntheit genießt. Es genügt, dass sie bereits mit der Zielsetzung, Verbraucher zu binden, in Benutzung genommen wurde. Eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion wäre daher zu erwägen, wenn die Markeninhaberin mit der Marke "Birki" ein bestimmtes Markenimage aufbauen möchte, das sich von dem Image anderer Markenprodukte ihres Hauses deutlich abhebt, und so eine spezielle Zielgruppe ansprechen möchte. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie mit der Marke "Birki" - im Unterschied zu ihrer Bezeichnung "Birkenstock Classic" - Produkte kennzeichnet und vertreibt, die sich an eine jüngere Zielgruppe wenden (Anlage AS4). Diese Zielsetzung werde unterlaufen, wenn Händler die Marke zur Kennzeichnung von Angeboten verwenden, die gerade nicht auf diese Zielgruppe zugeschnitten sind. Die Antragstellerin hat jedoch den Aufbau eines speziellen, von der Marke "Birkenstock" abweichendes Markenimage nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerinnen haben demgegenüber dargelegt, dass die "Birki"-Produkte auf der Website "birkenstock.com" angeboten und vertrieben werden. Bei Eingabe der Domain "birki.de" wird man - wie der Senat auch selbst feststellen konnte - auf die Seite "birkenstock.com" weitergeleitet. Dort ist auf der Startseite keine eigene Rubrik "Birki" erkennbar. Die Antragstellerin stellt ihre "Birki"-Produkte also selbst in Zusammenhang mit "Birkenstock".

3. Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, 3, 5 I, II UWG zusteht. Selbst wenn man annehmen wollte, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Fehlvorstellung besteht, bei Eingabe des Suchworts "Birki" werde nur das Erscheinen von "Birki"-Produkten ausgelöst, würde damit keine geschäftliche Entscheidung der Verbraucher veranlasst. Denn bei näherer Befassung mit dem angegriffenen Angebot erkennt der Verkehr, dass es sich bei dem angegriffenen Angebot um "Birkenstock Classic"-Schuhe handelt. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die geschäftliche Entscheidung bereits darin besteht, dass der Verbraucher - angelockt durch die Trefferliste - sich überhaupt näher mit dem Angebot der "Birkenstock Classic"-Schuhe befasst. Diese Argumentation wäre allenfalls dann stichhaltig, wenn die "Birkenstock"-Schuhe ein völlig anderes Produkt beträfen, das für einen anderen Bedarf gedacht ist. Dies ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin vertreibt ihre Birki-Produkte selbst auf einer "Birkenstock"-Website, ohne eine strikte Trennung der Produkte durchzuführen."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Keine unlautere Rufausnutzung einer fremden Marke durch vergleichende Werbung auf Internetseite wenn auf diese Weise über Suchmaschinen das eigene Produkt beworben wirde

BGH
Urteil vom 02.04.2015
I ZR 167/13
Staubsaugerbeutel im Internet
UWG § 6 Abs. 2 Nr. 4


Der BGH hat entschieden, dass keine unlautere Rufausnutzung einer fremden Marke vorliegt, wenn diese im Rahmen zulässiger vergleichender Werbung auf einer Internetseite verwendet wird und auf diese Weise über Suchmaschinen auch das eigene Produkt des Seitenbetreibers beworben wird, wenn nach der fremden Marke gesucht wird.

Leitsatz des BGH:

Es stellt für sich allein keine unlautere Rufausnutzung dar, wenn eine fremde Marke in einem Internet-Verkaufsangebot im Rahmen einer vergleichenden Werbung verwendet wird, um Kunden, die sich einer Suchmaschine bedienen, auf das eigene Produkt aufmerksam zu machen.

BGH, Urteil vom 2. April 2015 - I ZR 167/13 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: