Das BVerfG hat entschieden, dass die wörtliche Veröffentlichung im Rahmen des CumEx-Skandals beschlagnahmter Tagebuchaufzeichnungen zulässig ist und eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen der wörtlichen Veröffentlichung beschlagnahmter Tagebuchaufzeichnungen
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines Bankiers nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich dieser gegen die Abweisung seiner Klage auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus seinen beschlagnahmten Tagebüchern wendet.
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens betreibt eine Internetseite, auf der sie im September 2020 einen Artikel veröffentlichte, in dem Auszüge aus den Tagebüchern des Beschwerdeführers wörtlich wiedergegeben wurden. Diese hatten die Strafverfolgungsbehörden zuvor im Rahmen eines gegen den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften geführten Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer die Beklagte des Ausgangsverfahrens gerichtlich auf Unterlassen der wörtlichen Wiedergabe der Tagebuchauszüge in Anspruch, blieb jedoch ohne Erfolg. Gegen die schließlich vollständige Abweisung seiner Klage durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 16. Mai 2023 - VI ZR 116/22 -) wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt offensichtlich nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz und eine Verletzung der zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sind nicht hinreichend dargetan.
Soweit der Beschwerdeführer unter anderem beanstandet, dass der Bundesgerichtshof die Vorschrift des § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anerkannt hat, beziehungsweise, dass der Bundesgerichtshof meint, eine etwaige Anwendung von § 353d Nr. 3 StGB als Schutzgesetz setzte für die Zuerkennung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche jedenfalls eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen voraus, ist eine Missachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung durch den Bundesgerichtshof, die dem Willkürverbot zuwiderliefe, nicht substantiiert vorgebracht. Sie ist auch nicht ersichtlich.
Zudem setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert mit der seitens des Bundesgerichtshofs herangezogenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auseinander, der es für die Anwendung eines strafrechtlichen Veröffentlichungsverbots nach portugiesischem Recht – dessen Vergleichbarkeit mit § 353d Nr. 3 StGB der Beschwerdeführer dahingestellt lässt und damit für das vorliegende Verfahren hinnimmt – beanstandet hat, dass es in seiner allgemeinen und absoluten Fassung den Richter an einer Abwägung mit den durch Art. 10 EMRK geschützten Rechten hindere.
Nach § 353d Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Der BGH hat entschieden, dass auch bei einer vom Betroffenen selbst erwirkten Gegendarstellung ein Anspruch auf Löschung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans bestehen kann.
Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans, wenn auch die unzulässige Erstmitteilung dort nicht mehr zum Abruf vorgehalten wird.
BGH, Urteil vom 28. September 2021 - VI ZR 1228/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main
Das OVG Münster hat entschieden, dass das Amtsgericht Düsseldorf den ehemaligen Profifußballer Christoph Metzelder in einer Pressemitteilung über eine Anklageerhebung unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung namentlich nennen aber keine Details aus Anklageschrift verbreiten drufte.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
OVG untersagt Amtsgericht Pressemitteilung mit Details aus Anklageschrift
Das Amtsgericht Düsseldorf war und ist nicht berechtigt, Details aus einer bei ihm eingegangenen Anklage gegen einen ehemaligen Profifußballspieler per Pressemitteilung öffentlich bekannt zu machen. Es war und ist dem Amtsgericht im konkreten Fall aber erlaubt, Medienvertreter wahrheitsgemäß unter Namensnennung über die Anklageerhebung und den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung zu unterrichten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes entschieden und den vorausgegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf teilweise geändert.
Kurz nachdem die Staatsanwaltschaft per Pressemitteilung über die Anklageerhebung in anonymisierter Form und ohne Nennung des Strafvorwurfs informiert hatte, gab das Amtsgericht wegen zahlreicher Medienberichte und -anfragen ebenfalls hierüber eine Pressemitteilung heraus, die auch im Internet veröffentlicht wurde. Sie enthielt den Namen des Angeschuldigten und offenbarte Details der Anklage, die zuvor nicht öffentlich bekannt waren. Der daraufhin vom Antragsteller beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellte Eilantrag blieb erfolglos. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte nun teilweise Erfolg.
Zur Begründung seines Beschlusses hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts verletze die Pressemitteilung das Recht des Antragstellers auf ein faires Verfahren und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die öffentliche Berichterstattung über den Strafvorwurf greife erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein. Medieninformationen der Pressestelle des Amtsgerichts über das Strafverfahren, denen amtliche Authentizität zukomme, müssten mit Blick auf die Unschuldsvermutung und die Auswirkungen auf das Strafverfahren gerade zu seinem Beginn mit der gebotenen Sachlichkeit, Objektivität und Zurückhaltung erfolgen. Die Pressemitteilung des Amtsgerichts in diesem frühen Verfahrensstadium hätte danach nicht ohne vorherige Anhörung des Antragstellers erfolgen dürfen und gehe über den zulässigen Inhalt hinaus. Außerdem habe die in Rechte des Antragstellers eingreifende Pressemitteilung nicht für die Allgemeinheit im Internet zugänglich gemacht werden dürfen, weil es dafür keine Ermächtigungsgrundlage gebe.
Der Antragsteller müsse es aber wegen der Besonderheiten des Einzelfalles hinnehmen, wenn das Amtsgericht die Medien, die sich auf die Pressefreiheit berufen könnten, durch sorgfältig formulierte Informationen wahrheitsgemäß und unter Namensnennung über den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung unterrichte. Für eine solche Information liege der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen vor. Dabei sei nach vorheriger Anhörung des Antragstellers gegebenenfalls knapp und ohne nähere Einzelheiten mitzuteilen, dass dieser den Vorwürfen entgegen trete.
In Bezug auf das weitergehende Begehren, dem Amtsgericht bestimmte Vorgaben für seine künftige Pressearbeit zu dem Strafverfahren zu machen, blieb die Beschwerde erfolglos. Der Antragsteller könne hier keinen - nur ausnahmsweise zulässigen - vorbeugenden Rechtsschutz beanspruchen.
BGH
Urteil vom 22.09.2020 VI ZR 476/19
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Der BGH hat sich erneut mit der Zulässigkeit von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans befasst und dabei ausgeführt, dass die Haftung des Inhalteanbieters nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers ist.
Leitsatz des BGH:
Zur Zulässigkeit des Vorhaltens von Altmeldungen im Online-Archiv eines Presseorgans (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17).
BGH, Urteil vom 22. September 2020 - VI ZR 476/19 - OLG Hamburg - LG Hamburg
Aus den Entscheidungsgründen:
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Artikel aus den Jahren 1982 und 1983 zum Abruf im Internet sei rechtswidrig, wird durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Bereithalten der Artikel einen Eingriff in den Schutzbereich des durch § 823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 9 mwN). Es hat zu Recht angenommen, dass dem Eingriff angesichts der durch das Internet ermöglichten allgemeinen Verfügbarkeit der Artikel, die bereits bei einer bloßen Eingabe des Namens des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine an erster Stelle der Ergebnisliste erscheinen, eine ganz erhebliche Intensität zukommt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 146 ff.).
2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat indes nicht beurteilen, in welchem Maße die Interessen der Beklagten hinter dem Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten haben.
a) Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Onlinearchiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit im Ausgangspunkt anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsverlangens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 115 f., 127; NJW 2020, 1793 Rn. 10). Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten (BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 10).
Steht - wie vorliegend - die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Berichterstattung nicht im Streit, ist insbesondere die Schwere der aus der trotz der verstrichenen Zeit andauernden Verfügbarkeit der Information drohenden Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 121, 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 16 mwN), die Einbindung zurückliegender Ereignisse in eine Folge weiterer hiermit einen Zusammenhang bildender Vorkommnisse sowie das zwischenzeitliche Verhalten des Betroffenen (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 107, 109, 122 f.; BVerfG, AfP 2020, 307 Rn. 20; Senatsurteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17, NJW 2018, 3509 Rn. 14 mwN), die fortdauernde oder verblassende konkrete Breitenwirkung der beanstandeten Presseveröffentlichung (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 114, 124 f., 131; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 24 mwN), die Priorität, mit der die Information im Netz von Suchmaschinen kommuniziert wird (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 125) sowie das generelle Interesse der Allgemeinheit an einer dauerhaften Verfügbarkeit einmal zulässig veröffentlichter Informationen und das grundrechtlich geschützte Interesse von Inhalteanbietern an einer grundsätzlich unveränderten Archivierung und Zurverfügungstellung ihrer Inhalte (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 112 f., 121, 130; EGMR, NJW 2020, 295 Rn. 90; Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 25 mwN) angemessen zu berücksichtigen (vgl. auch
BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).
Für den Interessenausgleich zwischen den Medien und dem Betroffenen sind zudem mögliche Abstufungen hinsichtlich der Art der Schutzgewähr in die Betrachtung einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist, wieweit dem Betreiber eines Onlinearchivs Mittel zu Gebote stehen, zum Schutz des Betroffenen auf die Erschließung und Verbreitung der Berichte im Netz Einfluss zu nehmen (Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 ff.). Solche Schutzmaßnahmen sind den Medien nicht grundsätzlich unzumutbar; sie dürfen technische Anstrengungen und Kosten mit sich bringen. Anzustreben ist ein Ausgleich, der einen ungehinderten Zugriff auf den Originaltext möglichst weitgehend erhält, diesen auf besonderen (wie hier) Schutzbedarf hin - insbesondere gegenüber namensbezogenen Suchabfragen mittels Suchmaschinen - aber einzelfallbezogen doch hinreichend begrenzt (BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 128 ff., 139, 153; vgl. auch BVerfG, NJW 2020, 1793 Rn. 11).
b) Eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich. Das Berufungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf aus der Schwere der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung abgeleitet. Diese entsteht für den Kläger dadurch, dass trotz der seit den Straftaten verstrichenen langen Zeit jeder, der den Namen des Klägers im Suchfeld einer Suchmaschine eingibt, davon erfährt, so dass ein In-Vergessenheit-Geraten nicht möglich ist. Offen geblieben ist aber, ob und auf welchem
Wege es der Beklagten möglich und zumutbar ist, lediglich die Auffindbarkeit der Artikel über Internet-Suchmaschinen zu unterbinden oder einzuschränken. Eine abschließende Gewichtung der widerstreitenden Rechtspositionen nach den obigen Grundsätzen ist nicht möglich, solange dies nicht geklärt ist. Die generelle Untersagung des weiteren Bereithaltens der Artikel zum Abruf im Onlinearchiv geht über das zur Wahrung der Rechte des Klägers Erforderliche hinaus, falls die Beklagte dessen Auffindbarkeit ausschließen oder (beispielsweise unter Berücksichtigung von Suchbegriffen) einschränken könnte. Das würde umso mehr gelten, wenn die Beklagte die Voraussetzungen der Zugänglichmachung der Artikel durch Internet-Suchmaschinen kontrollieren könnte (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 21 f. mwN).
c) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der geltend gemachte Anspruch nicht schon daran, dass der Kläger die Suchmaschinenbetreiber nicht auf Auslistung der bei einer namensbezogenen Suche angezeigten und auf die streitgegenständlichen Artikel hinführenden Ergebnislinks in Anspruch genommen hat. Die Haftung des Inhalteanbieters ist nicht subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers. Im Gegenteil kann in einer Konstellation wie der vorliegenden über den Antrag eines Betroffenen auf Unterlassung des Bereitstellens von Suchnachweisen gegenüber einem Suchmaschinenverantwortlichen nicht ohne Berücksichtigung der Frage entschieden werden, ob und wieweit der Inhalteanbieter gegenüber den Betroffenen zur Verbreitung der Information berechtigt ist (BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 109 mwN; Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 35). Da bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Berichts durch die Beklagte dessen Wirkung für den Kläger im Internet in der Abwägung mit zu berücksichtigen ist, muss die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verbreitung auch die Entscheidung gegenüber den Suchmaschinenverantwortlichen anleiten (Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, juris Rn. 38).
VG Düsseldorf
Beschluss vom 14.09.2020 20 L 1781/20
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass das Amtsgericht Düsseldorf Christoph Metzelder in einer Pressemitteilung über Anklageerhebung namentlich nennen durfte.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Pressemitteilung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4.9.2020 darf weiter verbreitet werden
Die durch das Amtsgericht Düsseldorf veröffentlichte Pressemitteilung vom 4.9.2020 über die Anklageerhebung gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler darf weiter verbreitet werden. Auch entsprechende mündliche Erklärungen gegenüber Medienvertretern dürfen abgegeben werden. Das hat die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag, der den Beteiligten bekannt gegeben worden ist, entschieden und damit einen Eilantrag des früheren Nationalspielers abgelehnt. Dieser wollte im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass dem Amtsgericht untersagt wird, im Rahmen von Presseinformationen – insbesondere mit der Pressemitteilung vom 4.9.2020 – Auskünfte zu der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zu erteilen.
Ausgehend von § 4 des Landespressegesetzes hatte das Gericht eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Informationsfreiheit der Presse auf der einen und des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen auf der anderen Seite vorzunehmen. Bei einer umfassenden Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles verdient das öffentliche Interesse an der durch das Amtsgericht erteilten Information den Vorrang gegenüber dem privaten Interesse, weder namentlich noch mit den angeklagten Straftatbeständen und Tathandlungen genannt zu werden, so die Kammer. Unsachliche Formulierungen enthält der Text der Pressemitteilung ebenso wenig wie eine unzulässige Vorverurteilung.
Das weitere Begehren, dem Amtsgericht eine vergleichbare Information der Öffentlichkeit zu untersagen, wenn die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefallen ist, ist ebenfalls erfolglos geblieben. Auch insoweit hat die Kammer entschieden, dass das Amtsgericht zur Unterrichtung der Medien unter Namensnennung und Darlegung etwaiger Tatvorwürfe berechtigt ist.
Gegen den Beschluss kann der Antragsteller Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster einlegen.
VG Düsseldorf
Beschluss vom 19.08.2020 20 L 1629/20
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass das Justizministerium NRW den Rechtsausschuss über das Strafverfahren gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler nur bei Gewährleistung der Vertraulichkeit informieren darf.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Auskunft des Justizministeriums an den Rechtsausschuss über Strafverfahren gegen ehemaligen Fußballnationalspieler nur bei Gewährleistung der Vertraulichkeit zulässig
Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen darf an den Rechtsausschuss des Landtages in dessen heutiger Sitzung nur dann schriftlich oder mündlich über das gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren berichten, wenn der Rechtsausschuss zuvor nach der Geschäftsordnung des Landtages mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder die Vertraulichkeit seiner Verhandlung beschließt. Das hat die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag, der den Beteiligten soeben bekannt gegeben worden ist, entschieden und hat damit dem Antrag des ehemaligen Nationalspielers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattgegeben.
Der Antragsteller will mit seinem Antrag verhindern, dass das Justizministerium des Landes NRW dem Rechtsausschuss des Landtages NRW in seiner Sitzung vom 19. August 2020, beginnend um 13.30 Uhr, in nicht öffentlicher Sitzung Auskunft über den Stand des von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen ihn geführten Strafverfahrens erteilt. Der Antragsteller befürchtet, dass Einzelheiten aus dem Strafverfahren öffentlich bekannt werden könnten, wenn sie vom Rechtsausschuss nicht vertraulich behandelt werden. Er begründet diese Befürchtung damit, dass in der Vergangenheit Einzelheiten aus den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten an den Präsidenten des Landtages bzw. das Justizministerium Eingang in Presseberichte gefunden hätten. Mit der Veröffentlichung sei eine unzumutbare und nicht wieder gut zu machende Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte verbunden. Diese Rechte habe auch das Justizministerium zu beachten, wenn es an den Rechtsausschuss des Landtages berichte.
Die Kammer hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers untersagt, an den Rechtsausschuss des Landtages einen schriftlichen Bericht gemäß dem Berichtswunsch der SPD-Landtagsfraktion vom 17. August 2020 (TOP 28 der 62. Sitzung des Rechtsausschusses am 19. August 2020) zu übermitteln oder in der heutigen 62. Sitzung des Rechtsausschusses zu TOP 28 als Vertreter der Landesregierung hierüber mündlich einen Bericht zu erstatten, der Details und Informationen zu dem Gegenstand, zum Stand bzw. zum Ergebnis einer eventuellen Verfahrensbeendigung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf betreffend den Antragsteller enthält, wenn nicht der Rechtsausschuss zuvor die Vertraulichkeit der Inhalte zu TOP 28 beschlossen hat. Die Kammer geht davon aus, dass der Rechtsausschuss seinen eigenen Vertraulichkeitsbeschluss beachten und über die erhaltenen Informationen zum Strafverfahren gegen den Antragsteller Stillschweigen bewahren wird.
Wegen der außerordentlichen Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat die Kammer den Parteien am Mittag des 19. August 2020 nur den Entscheidungstenor ihres Beschlusses bekannt gegeben. Der vollständige Beschluss mit den Gründen der Entscheidung wird den Beteiligten alsbald übermittelt werden.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster erhoben werden.
Der BGH hat nochmals bekräftigt, dass es eine Abwägungsentscheidung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Meinungs- und Medienfreiheit des Presseunternehmens andererseits ist, ob eine alte identifizierende Berichterstattung über ein Strafverfahren aus dem Online-Archiv einer Zeitung zu löschen ist. Dabei ist auch die Zumutbarkeit der Unterbindung der Auffindbarkeit durch Internet-Suchmaschinen ein Abwägungsgesichtspunkt.
Leitsätze des BGH:
a) Die Frage, ob in dem Online-Archiv einer Tageszeitung Altmeldungen zum Abruf bereitgehalten werden dürfen, in denen über die Hauptverhandlung eines Strafverfahrens berichtet und in denen der Angeklagte namentlich genannt wird, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten mit dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden.
b) Dabei stellt die Frage, ob es dem Verlag möglich und zumutbar ist, die Auffindbarkeit der Altmeldung über Internet-Suchmaschinen zu unterbinden oder einzuschränken, aus Gründen der praktischen Konkordanz einen Abwägungsgesichtspunkt dar.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17 - KG Berlin - LG Berlin
LG Düsseldorf
Beschluss vom 25.06.2018
018 Kls 3/17
Das LG Düsseldorf hat die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Strafsache gegen die GWE-Gewerbeauskunftszentrale abgelehnt. Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegt, und das OLG Düsseldorf Gelegenheit erhält, die Sache anders zu bewerten.
Die Pressemitteilung des LG Düsseldorf:
Landgericht Düsseldorf: Keine Eröffnung des Strafverfahrens zur GWE-Gewerbeauskunftszentrale
Am 25. Juni 2018 hat die 18. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf (018 Kls 3/17) beschlossen, das Hauptverfahren im sogenannten GWE-Strafverfahren nicht zu eröffnen.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat mit Anklage vom 31. August 2017 den elf Angeschuldigten vorgeworfen, in unterschiedlichen Tatbeteiligungen gewerbsmäßig Bandenbetrug in 862 unselbständigen Fällen begangen zu haben; in 801 Fällen sollte es beim Versuch geblieben sein. Nach der Anklage haben die Angeschuldigten in der Zeit von Januar 2010 bis Ende 2015 862 Formularschreiben an Kaufleute, (Klein-)Gewerbetreibende und Freiberufler versandt. Die Unternehmen konnten in das Online-Branchenverzeichnis der GWE Wirtschaftsinformations GmbH aufgenommen werden, Kosten 569,06 EUR jährlich. 61 Angeschriebene haben an die GWE Wirtschaftsinformations GmbH gezahlt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf geht in der Anklage von Betrug aus. Das Formular habe die Angeschriebenen bewusst darüber getäuscht, dass es von einer Behörde stamme und offiziell Daten abfrage. Tatsächlich sollten die Angeschriebenen mit ihrer Unterschrift einen kostenpflichtigen Vertrag mit der GWE Wirtschaftsinformations GmbH abschließen.
Die 18. große Strafkammer lehnte mit Beschluss vom 25.06.2018 aus rechtlichen Gründen die Eröffnung des Hauptverfahrens ab:
Nach Auffassung des Gerichts bestehen bereits erhebliche Bedenken, dass die Angeschriebenen im Sinne eines Betruges getäuscht wurden. Denn das Formular weise an mehreren Stellen –wenn auch zum Teil im Kleingedruckten– eindeutig darauf hin, dass es ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages sei. So heißt es in dem Formular sogar "behörden- und kammerunabhängiges Angebot".
Jedenfalls hätten die Angeschriebenen aufgrund eines möglichen Irrtums nicht ihr Vermögen belastet; es fehle an einer Vermögensverfügung im Sinne einer Betrugsstraftat. Die Unterschrift unter dem Formular hätte die Unternehmen nicht verpflichtet, die Kosten zu zahlen. Denn die Kostenklausel im Kleingedruckten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VII ZR 262/11) eine überraschende AGB-Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) und damit unwirksam. Die GWE hätte also nie Geld von den Angeschriebenen, die das Formular unterschrieben zurückgesendet haben, verlangen können.
Diejenigen 61 Angeschriebenen, die gezahlt haben, haben zwar ihr Vermögen belastet. Die Strafkammer verweist jedoch darauf, dass in der Rechnung die GWE GmbH offen gelegt habe, dass das zuvor übersandte Formular nicht von einer Behörde stammt. Damit war die mögliche Täuschung in dem zunächst übersandten Formular nicht mehr ursächlich für die Zahlung, die erst aufgrund Rechnungsstellung erfolgte.
Unter den Angeschuldigten waren auch Rechtsanwälte; die Staatsanwaltschaft hat ihnen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug in 862 unselbständigen Fällen vorgeworfen, weil sie die unberechtigten Forderungen mittels Inkasso eingezogen haben. Demgegenüber vertritt die 18. große Strafkammer die Auffassung, dass die Rechtsanwälte nicht wissen konnten, dass sie Beihilfe zu einem Betrug leisteten. Denn bis 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf in mehreren Fällen Betrugsvorwürfe eingestellt, weil die Formulare die Angeschriebenen nicht täuschten. Zusätzlich gab es Urteile, wonach durch die Rücksendung der ausgefüllten und unterzeichneten Formulare wirksame Verträge mit der GWE Wirtschaftsinformations GmbH geschlossen wurden. Deshalb, so die Strafkammer, konnten die Rechtsanwälte nicht wissen, dass sie Beihilfe zu einem Betrug begehen.
Gegen den Beschluss der 18. großen Strafkammer kann die Staatsanwaltschaft Düsseldorf sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen.