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VGH Hessen: Supermarkt ohne Personal darf nicht an Sonntagen und Feiertagen öffnen - Hessisches Ladenöffnungsgesetz gilt auch für Verkaufsmodule ohne Personal

VGH Hessen
Beschluss vom 22.02.2023
8 B 77/22


Der VGH Hessen hat entschieden, dass ein Supermarkt ohne Personal nicht an Sonntagen und Feiertagen öffnen darf. Das Hessische Ladenöffnungsgesetz gilt auch für Verkaufsmodule ohne Personal.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Keine Öffnung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen

Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 entschieden, dass die von der Stadt Fulda verfügte Schließung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen Bestand hat.

Die Antragstellerin und Inhaberin einer Supermarktkette betreibt im Gebiet der Stadt Fulda Verkaufsmodule, die an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr geöffnet sind und zu denen die Kunden nach einer digitalen Kontrolle Zugang erhalten. Angeboten werden dort Waren des täglichen Bedarfs, die digital bezahlt werden. An Sonn- und Feiertagen wird in diesen Verkaufsmodulen kein Personal eingesetzt.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 2021 hatte die Stadt Fulda gegenüber der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung verfügt, die im Stadtgebiet aufgestellten Verkaufsmodule insbesondere an Sonn- und Feiertagen zu schließen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem gerichtlichen Eilantrag, den das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 4. Januar 2022 ablehnte (3 L 1734/21.KS).

Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Kassel nunmehr bestätigt und sich hierbei maßgebend auf die Bestimmungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes gestützt. Nach § 3 Abs. 2 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes müssen Verkaufsstellen unter anderem an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein. Verkaufsstellen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes Ladengeschäfte aller Art, falls in ihnen von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann „feilgehalten“ werden.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Verkaufsmodule Verkaufsstellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes seien. Das „Feilhalten“ von Waren im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes setze nach der gesetzlichen Definition dieses Begriffs keinen persönlichen Kontakt mit einem Verkäufer voraus. Es mache für das „Feilhalten“ von Waren keinen Unterschied, ob der Kunde die begehrte Ware aus einem Automaten oder aus einem Verkaufsregal bzw. von einem Verkaufstisch an sich nehme; der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus, dem nicht zwangsläufig ein aktives Tun des Verkäufers gegenüberstehe. Richtig sei zwar das von der Antragstellerin vorgetragene Argument, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von Verkaufspersonal das dem Ladenschlussrecht zu Grunde liegende Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde. Das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen. Es bestehe auch keine Vergleichbarkeit zwischen dem Einkauf in den streitgegenständlichen Verkaufsmodulen und den auch sonn- und feiertags durchgängig möglichen Onlinebestellungen. Insbesondere habe der Onlinebestellvorgang keinerlei Außenwirkungen und sei daher nicht geeignet, die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen.

Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar.

Aktenzeichen: 8 B 77/22



Volltext BGH: Lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Durchführungsverordnung ab

BGH
Urteil vom 27.07.2023
I ZR 144/22
Zweibrücken Fashion Outlet
GG Art. 80 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 139; UWG § 3a; LV RP Art. 47, Art. 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 110 Abs. 1 Satz 2; LadöffnG RP § 3 Satz 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und 2; Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 (GVBl. Rheinland-Pfalz 2007 S. 65) § 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung ab über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet - anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt - keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende
geschäftliche Handlung.

b) Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - OLG Zweibrücken - LG Zweibrücken

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center hängt von Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung ab

BGH
Urteil vom 27. Juli 2023
I ZR 144/22


Der BGH hat entschieden, dass die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center von der Wirksamkeit der gestattenden Durchführungsverordnung nach Herabstufung des Flugplatzes abhängt. Der BGH hat die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet zur Zulässigkeit der Ladenöffnung an Sonntagen im Zweibrücken Fashion Outlet Center

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Zulässigkeit der Sonntagsöffnung eines Geschäfts im Zweibrücken Fashion Outlet Center davon abhängt, ob die eine solche Öffnung gestattende Durchführungsverordnung auch nach der Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz noch wirksam ist.

Sachverhalt:

Der Kläger betreibt unter anderem in der Pfalz Ladengeschäfte, in denen er auch Damenmodeartikel verkauft. Die Beklagte ist ein Damenoberbekleidungsunternehmen, das eine Filiale im Zweibrücken Fashion Outlet betreibt, das in der Nähe des Flugplatzes Zweibrücken liegt. Gemäß der aufgrund von § 7 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (nachfolgend: LadöffnG) erlassenen Durchführungsverordnung vom 13. März 2007 (nachfolgend: Durchführungsver-ordnung) ist die Sonntagsöffnung im zeitlichen Zusammenhang mit den jährlichen Oster-, Sommer- und Herbstferien in Rheinland-Pfalz erlaubt. Im Jahr 2014 wurde der kommerzielle Linienflugverkehr des Flugplatzes Zweibrücken eingestellt. Seit 2018 liegt eine Genehmigung als Sonderlandeplatz vor, die Fracht- und Geschäftsreiseverkehr sowie Flüge zu privaten sowie Ausbildungs- und Schulungszwecken gestattet. Der Kläger meint, die Ladenöffnungen der Beklagten an Feriensonntagen verstießen gegen § 3 LadöffnG und seien nach §§ 3, 3a UWG wettbewerbswidrig. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagten sei keine unlautere geschäftliche Handlung gemäß §§ 3, 3a UWG vorzuwerfen, weil die Durchführungsverordnung ihr Verhalten legitimiere.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Durchführungsverordnung legitimiert die in der Sonntagsöffnung der Beklagten liegende geschäftliche Handlung nur, sofern sie wirksam ist. Eine infolge Rechtswidrigkeit nichtige Rechtsverordnung entfaltet keine Legitimationswirkung. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Durchführungsverordnung können auch nach ihrem Erlass eingetretene Umstände (hier: die Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz) von Bedeutung sein. Die Nichtigkeit einer (wie die Durchführungsverordnung) im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

Der Bundesgerichtshof hat dem Oberlandesgericht aufgegeben zu prüfen, ob hinreichende Sachgründe bestehen, die mit Blick auf den hohen verfassungsrechtlichen Rang des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vorgesehenen Sonn- und Feiertagsschutzes die von der Durchführungsverordnung vorgesehene Sonntagsöffnung im Zweibrücken Fashion Outlet Center rechtfertigen. Hierfür kommt ein erhöhter, am Flugplatz Zweibrücken nicht gedeckter Bedarf an Ladenöffnung in Betracht. Weiter ist zu prüfen, ob die Durchführungsverordnung auch dem Ziel regionaler Wirtschaftsförderung dient und dieses Ziel die Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigt.

Vorinstanzen:

LG Zweibrücken - Urteil vom 15. Oktober 2021 - HK O 46/20

OLG Zweibrücken - Urteil vom 4. August 2022 - 4 U 202/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 140 GG

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Artikel 139 WRV

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Artikel 47 Verfassung für Rheinland-Pfalz

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind als Tage der religiösen Erbauung, seelischen Erhebung und Arbeitsruhe gesetzlich geschützt.

Artikel 57 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz

Der 8-Stunden-Tag ist die gesetzliche Regel. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen sind zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordert.

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

§ 3 Abs. 1 Satz 1 LadöffnG

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein:

1. an Sonn- und Feiertagen, […]

soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine abweichenden Regelungen getroffen werden. […]

§ 7 Abs. 2 LadöffnG

Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung für Verkaufsstellen, die im näheren Einzugsgebiet […] der in Absatz 1 Satz 1 genannten Flugplätze liegen, bestimmen, dass diese auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) […] geöffnet sein dürfen; […]

§ 1 Satz 1 LadöffnG-DVO

Verkaufsstellen dürfen in den in der Anlage bestimmten Bereichen im näheren Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken während der im Ferienplan für Rheinland -Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien abweichend von § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (GVBl. S. 351, BS 8050-3) an Sonntagen in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein.