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OLG Stuttgart: SWR darf NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten - Prozesshindernis durch Schlichtungszwang in Schlichtungsvereinbarung

OLG Stuttgart
Urteil vom 28.06.2023
4 U 31/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass der SWR seine NEWSZONE-App jedenfalls vorerst weiter verbreiten darf, da ein Prozesshindernis durch einen Schlichtungszwang in der zwischen den Parteien geschlossenen Schlichtungsvereinbarung besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
OLG Stuttgart hebt einstweilige Verfügung zum Verbreitungsverbot der NEWSZONE-App auf

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit seinem heutigen Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, mit der die Verbreitung des Telemedien-App-Angebots „NEWSZONE“ untersagt worden war.

In dem Verfahren wenden sich mehrere Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse und ein Online-Portal gegen das Angebot der App NEWSZONE, mit der auf Smartphones und anderen onlinefähigen Mobilgeräten abgestimmte Nachrichteninhalte aus einem von der Beklagten – einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt – betriebenen Internetauftritt abgerufen werden konnten. Die Klägerinnen rügen, dass die App NEWSZONE ein eigenständiges und nicht nach § 32 MStV genehmigtes Telemedienangebot der Beklagten darstelle; darüber hinaus sei die App hinsichtlich ihrer nichtsendungsbezogenen Inhalte presseähnlich und greife daher in wettbewerbswidriger Weise in den ihnen als Presseorgane vorbehaltenen Bereich ein.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 21.10.2022 dem Verfügungsantrag der Klägerinnen zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE stattgegeben. Hiergegen wehrt sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Sie stellt die Genehmigungsbedürftigkeit und die Presseähnlichkeit ihres Angebots in Abrede. In erster Linie stützt sie sich jedoch darauf, dass vor Durchführung eines Gerichtsverfahrens ein Schlichtungsverfahren gemäß § 30 Abs. 7 S. 6 MStV hätte durchgeführt werden müssen, nachdem von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet und zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der ARD eine entsprechende Schlichtungsvereinbarung geschlossen worden ist.

Der 4. Zivilsenat schloss sich dieser Auffassung der Beklagten nun an, hob die vom Landgericht Stuttgart erlassene einstweilige Verfügung wieder auf und wies das Begehren der Klägerinnen als derzeit unzulässig zurück.

Anders als zuvor das Landgericht erkennt der Senat im Fehlen eines vorab durchgeführten Schlichtungsverfahrens ein Prozesshindernis, das der Zulässigkeit des Verfügungsantrags zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots NEWSZONE entgegensteht. Jedenfalls nach der – hier unstreitig erfolgten – Einrichtung einer Schlichtungsstelle und dem Abschluss einer entsprechenden Schlichtungsvereinbarung bestehe ein Schlichtungszwang. Neben dem sachlichen sei auch der persönliche Anwendungsbereich der Schlichtungsvereinbarung eröffnet. Alle Klägerinnen seien entweder über eine gestufte Mitgliedschaft im BDZV oder wegen gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen an die Schlichtungsvereinbarung gebunden, die Beklagte als eine der ARD zugehörige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Die Anrufung der staatlichen Gerichte sei so lange ausgeschlossen, bis die vertraglich bestimmte Schlichtungsstelle den Versuch unternommen habe, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen.

Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.

Aktenzeichen:
LG Stuttgart - 53 O 177/22 - Urteil vom 21.10.2022
OLG Stuttgart - 4 U 31/23 - Urteil vom 28.06.2023



BVerwG: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (hier: MDR) dürfen Nutzer-Kommentare ohne Sendungsbezug auf ihrer Facebook-Seite löschen

BVerwG
Urteil vom 30.11.2022
6 C 12.20

Das BVerwG hat entschieden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (hier: MDR) Nutzer-Kommentare ohne Sendungsbezug auf ihrer Facebook-Seite löschen dürfen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
MDR darf Kommentare ohne Sendungsbezug auf seiner Facebook-Seite löschen

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind berechtigt, nicht-sendungsbezogene Kommentare der Nutzer in Foren auf ihren Unternehmensseiten in den sozialen Medien zu löschen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Beiträge zu ausgewählten Sendungen, die Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u.a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt. Der MDR hat 14 vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR gepostete Kommentare gelöscht.

Das Verwaltungsgericht hat der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hinsichtlich eines Kommentars stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines weiteren Kommentars Erfolg.

Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Löschung noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags bestimmte sich die Zulässigkeit des Telemedienangebots des MDR nach § 11d RStV. Danach unterlagen sendungsbezogene und eigenständige Telemedienangebote unterschiedlich strengen Anforderungen. Foren und Chats ohne Sendungsbezug waren unzulässig. Mit diesen zum Teil in den nunmehr geltenden Medienstaatsvertrag übernommenen Regelungen haben die Landesgesetzgeber den sog. Beihilfekompromiss zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Kommission hatte im April 2007 ein auf Betreiben privater Medienanbieter eingeleitetes Beihilfeverfahren eingestellt, nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz privater Medien sowie der Presse verpflichtet hatte, den gesetzlichen Auftrag des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Internetauftritte näher zu präzisieren.

Zwar liegt in der Löschung der Kommentare des Klägers ein Eingriff in dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Denn zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählen u.a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des § 11d RStV. Die Beschränkung des Angebots dieser Rundfunkanstalten auf sendungsbezogene Telemedien sowie das Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erstreckt sich auch auf die Kommentare der Nutzer. Die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrenden Vorschriften verleihen dem MDR zudem die Berechtigung zur Löschung von Posts ohne Sendungsbezug. Hierbei bedarf es weder einer vorherigen Anhörung noch einer nachträglichen Benachrichtigung.

Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hatten überwiegend keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Sendungen des MDR. Insbesondere der vom Kläger in dem Forum wiederholt geäußerten Kritik an der Löschungspraxis des MDR fehlte der notwendige Sendungsbezug. Zu eng haben die Vorinstanzen dieses Erfordernis jedoch hinsichtlich eines Kommentars gehandhabt, in dem der Kläger auf einen Beitrag mit dem Titel "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" auch den islamistischen Terrorismus in den Blick genommen hatte.

BVerwG 6 C 12.20 - Urteil vom 30. November 2022

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 5 A 35/20 - Urteil vom 16. September 2020 -

VG Leipzig, VG 1 K 1642/18 - Urteil vom 11. September 2019 -


BVerwG: Landesmedienanstallt kann nicht gegen Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch andere Landesmedienanstalt klagen

BVerwG
Urteil vom 15.07.2020 - 6 C 6.19
Urteil vom 15.07.2020 - 6 C 25.19


Das BVerwG hat entschieden, dass eine Landesmedienanstallt nicht gegen die Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch eine andere Landesmedienanstalt klagen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Klagen von Landesmedienanstalten gegen die Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch eine andere Landesmedienanstalt unzulässig

Eine Landesmedienanstalt kann sich nicht auf eine wehrfähige Rechtsposition berufen, um die Aufhebung einer Zulassung zu erreichen, die eine andere Landesmedienanstalt einem privaten Rundfunkveranstalter für ein bundesweit verbreitetes Fernsehprogramm auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) erteilt hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Die Klägerinnen, die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) und die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), sind ebenso wie die Beklagte, die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), nach dem jeweiligen Landesrecht für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter zuständig.

Die LMK hatte der Beigeladenen zu 2., einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen zu 1., mit Bescheid vom 26. August 2008 die Zulassung zur Ausstrahlung des bundesweiten Fernsehprogramms „SAT.1“ ab dem 1. Juni 2010 erteilt. Im Hauptprogramm „SAT.1“ werden werktäglich Regionalfensterprogramme für die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen gesendet. Hierfür haben die Klägerinnen einem Regionalfensterveranstalter jeweils die Zulassung erteilt. Am 2. April 2012 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Erteilung einer Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Fernsehvollprogramms „SAT.1“. Auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der ZAK erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 11. Juli 2012 die beantragte Zulassung für die Dauer von zehn Jahren ab dem 1. Juni 2013. Die Zulassung ist insoweit eingeschränkt, als Regionalfensterprogramme bestehen oder organisiert werden; die gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme von Regionalfensterprogrammen im Programm „SAT.1“ bleibt unberührt. Die Zulassung wird erst wirksam, wenn die Zulassung der Beigeladenen zu 2. aus dem Jahr 2008 durch Rückgabe bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft dieser Zulassung unwirksam geworden ist.

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2012 erhobenen Anfechtungsklagen der LMK und der LPR Hessen waren in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Klagen sind mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) bereits unzulässig. Die Klägerinnen können sich nicht auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) berufen. Eine wehrfähige Rechtsposition der Klägerinnen gegenüber anderen Landesmedienanstalten ergibt sich auch nicht aus einer Letztverantwortung für die Rechtmäßigkeit der in ihrem Sendegebiet ausgestrahlten Rundfunkprogramme.

Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 auf der Grundlage der damaligen Fassung des Rundfunkstaatsvertrages - RStV - sowie mit Blick auf durch Art. 5 Abs. 1 GG ausgelöste staatliche Schutzpflichten eine solche Letztverantwortung bestätigt und daraus ein Klagerecht hergeleitet. Hieran kann indes jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Jahr 2008 nicht mehr festgehalten werden. Nach der Neuregelung (vgl. §§ 35 ff. RStV) trifft nunmehr im Innenverhältnis allein die ZAK, die sich aus den gesetzlichen Vertretern der Landesmedienanstalten zusammensetzt, die abschließenden Entscheidungen im Zusammenhang mit der Zulassung privater bundesweiter Rundfunkveranstalter und bei Aufsichtsmaßnahmen gegenüber solchen Veranstaltern, soweit nicht die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig ist. Die Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalt beschränkt sich darauf, die Beschlüsse der ZAK zu vollziehen, d.h. in Form eines an den betroffenen Rundfunkveranstalter gerichteten Verwaltungsakts zu erlassen. Diese einfach-rechtliche Ausgestaltung steht der Annahme einer Letztverantwortung der einzelnen Landesmedienanstalten im Bereich der Zulassung bundesweiter Rundfunkveranstalter entgegen.

Das geänderte Zulassungs- und Aufsichtsregime für bundesweite Rundfunkveranstalter unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar fasst die ZAK ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder. Diese sind an Weisungen nicht gebunden und unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht. Dass hierdurch die pluralistisch zusammengesetzten Beschlussgremien der Landesmedienanstalten einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren, ist jedoch sowohl mit den Vorgaben aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch mit dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die im Bereich des Rundfunks offensichtlichen faktischen Grenzen einer isolierten Aufgabenerfüllung der Länder und die vom Bundesverfassungsgericht dementsprechend angenommene Pflicht zur Kooperation der Länder bestehen objektiv gewichtige Sachgründe für die getroffenen Regelungen. Die Zusammensetzung der ZAK und die Rechtsstellung ihrer Mitglieder tragen dem grundrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung. Zudem verfügt die ZAK nur über einen eingeschränkten Entscheidungsspielraum. Solange die KEK keine vorherrschende Meinungsmacht festgestellt hat (vgl. § 26 RStV), besteht bei Vorliegen der in § 20 a RStV geregelten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen grundsätzlich ein Zulassungsanspruch des Bewerbers.

Schließlich ergeben sich auch aus der Aufsichtsverantwortung für die in Rheinland-Pfalz bzw. in Hessen verbreiteten Regionalfensterprogramme im Hauptprogramm „SAT.1“ keine wehrfähigen Rechtspositionen für die Klägerinnen. Die Zuständigkeit für die Zulassung von Regionalfensterprogrammveranstaltern und für die Aufsicht hierüber wird nicht dadurch berührt, dass der jeweilige Hauptprogrammveranstalter wechselt.


BVerwG 6 C 25.19 - Urteil vom 15. Juli 2020

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 3 LB 20/14 - Urteil vom 29. November 2018 -

VG Schleswig, 11 A 4/13 - Urteil vom 23. Mai 2013 -

BVerwG 6 C 6.19 - Urteil vom 15. Juli 2020

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 3 LB 19/14 - Urteil vom 29. November 2018 -

VG Schleswig, 11 A 3/13 - Urteil vom 23. Mai 2013 -


VG Berlin: BILD benötigt für Ausstrahlung der Live-Streams "Die richtigen Fragen"- "BILD live" und "BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinhöfer" über bild.de eine Rundfunklizenz

VG Berlin
Urteil vom 26.09.2019
VG 27 K 365.18


Das VG Berlin hat entschieden, dass BILD für die Ausstrahlung der Live-Streams "Die richtigen Fragen", "BILD live" und "BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinhöfer" über bild.de eine Rundfunklizenz benötigt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Live-Streams der BILD-Zeitung sind zulassungspflichtiger Rundfunk

Die BILD-Zeitung darf ihre Live-Streams nicht weiter zulassungsfrei betreiben. Das hat das Verwaltungsgericht entschieden.

Die Klägerin veranstaltet und verbreitet seit April 2018 die Internet-Video-Formate „Die richtigen Fragen“, „BILD live“ und „BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinhöfer“. Diese können live gestreamt werden. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg stellte im Juli 2018 fest, dass die Klägerin hierdurch Rundfunk ohne Zulassung veranstalte und beanstandete diesen Verstoß. Die besagten Live-Streams seien als Rundfunk einzustufen, da es sich um lineare, audiovisuelle Informations- und Kommunikationsdienste handle, die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmt seien. Bei mindestens fahrlässiger Begehungsweise könne dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Darüber hinaus untersagte die Beklagte die Veranstaltung und Verbreitung der streitigen Live-Streams, sofern nicht bis zum 3. September 2018 ein Antrag auf Zulassung gestellt werde. Hiergegen hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheides begehrt. Sie macht insbesondere geltend, dass ihre Live-Streams mangels Verbreitung entlang eines Sendeplans nicht als Rundfunk einzuordnen und damit nicht zulassungspflichtig seien.

Die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage in weiten Teilen abgewiesen. Der Bescheid sei größtenteils rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht habe die Beklagte die Live-Streams als zulassungspflichtigen Rundfunk eingeordnet. Die Angebote seien für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmt. Zudem liege ihnen nicht zuletzt aufgrund ihrer Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit ein Sendeplan zugrunde. Soweit die Beklagte allerdings im angegriffenen Bescheid darauf hingewiesen hat, dass eine mindestens fahrlässige Rundfunkausstrahlung ohne Zulassung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könne, hob die Kammer diesen Bescheidausspruch auf. Denn die Beklagte sei zum Erlass eines solchen Verwaltungsakts nicht befugt.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Kammer die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Urteil der 27. Kammer vom 26. September 2019 (VG 27 K 365.18)


BVerfG: ZDF muss Wahlwerbespot der NPD zur Europawahl nicht ausstrahlen da Inhalte Grenzen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG überschreiten

BVerfG
Beschluss vom 27.04.2019
1 BvQ 36/19


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ZDF einen Wahlwerbespot der NPD zur Europawahl nicht ausstrahlen muss, da die Inhalte die Grenzen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG überschreiten.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Eilantrag der NPD auf Verpflichtung zur Ausstrahlung eines Wahlwerbespots abgelehnt

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen Eilantrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, mit dem die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots begehrt wurde, abgelehnt.

Die Partei hatte beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) einen Wahlwerbespot für die Europawahl eingereicht, in dem behauptet wird, Deutsche würden „seit der willkürlichen Grenzöffnung 2015 und der seither unkontrollierten Massenzuwanderung fast täglich zu Opfern ausländischer Messermänner“. Auf die sich anschließende Aussage „Migration tötet!“ folgt ein Aufruf zur Schaffung von Schutzzonen als Orten, an denen Deutsche sich sicher fühlen sollten.

Das ZDF lehnte die Ausstrahlung des Werbespots in den dafür vorgesehenen Zeitfenstern am 29. April und 15. Mai 2019 ab, da dieser den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Das Verwaltungsgericht Mainz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigten diese Auffassung des ZDF und wiesen den Antrag der Partei auf Eilrechtsschutz zurück.

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 2. Kammer des Ersten Senats den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die NPD eine Verpflichtung des ZDF zur Ausstrahlung des Wahlwerbespots begehrte. Eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache wäre offensichtlich unbegründet, da sich die Entscheidungen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen hielten. Es sei nicht erkennbar, dass die Fachgerichte den Schutzgehalt der Meinungsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verkannt hätten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV zur kommerziellen Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG und ein Verstoß wettbewerbswidrig

BGH
Urteil vom 08.11.2018
I ZR 108/17
Deutschland-Kombi
UWG § 3a; RStV § 16a Abs. 1 Satz 3


Der BGH hat entschieden, dass die in § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV zur kommerziellen Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten enthaltende Regelung, wonach eine kommerzielle Tätigkeit nur unter Marktbedingungen erbracht werden darf, eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG und ein Verstoß wettbewerbswidrig ist.

Leitsatz des BGH:

Die Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.

BGH, Urteil vom 8. November 2018 - I ZR 108/17 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Berlin-Brandenburg: bild.de darf jedenfalls vorläufig weiter Live-Streams ohne Rundfunklizenz über Website ausstrahlen

OVG Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 02.04.2019
11 S 72.18


Das OVG Berlin-Brandenburg hat im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass bild.de jedenfalls vorläufig weiter Live-Streams ohne Rundfunklizenz über die Website ausstrahlen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OVG: Vorerst keine Untersagung von Live-Streams auf bild.de – 11/19

Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat in einem Eilverfahren entschieden, dass vorerst weiter Live-Streams im Online-Angebot von www.bild.de verbreitet werden dürfen. Damit hat es die Beschwerde der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gegen einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2018 zurückgewiesen.

Die Medienanstalt hatte Internet-Video-Formate von bild.de, soweit diese als Live-Stream verbreitet werden, als zulassungspflichtigen Rundfunk eingestuft und deren Verbreitung ohne Rundfunkzulassung untersagt. Dabei handelt es sich um die – später über bild.de, Facebook und YouToube abrufbaren – Formate „Die richtigen Fragen“, „BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinnhöfer“ und „BILD –Live“. Gegen diesen Bescheid hatte sich die Muttergesellschaft des Axel-Springer-Konzerns gewandt.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Erfolgsaussichten der beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage unter Verweis darauf als „offen“ angesehen, dass die rechtliche Abgrenzung zwischen zulassungspflichtigem Rundfunk und zulassungsfreien Medien in der digitalen Welt bisher ungeklärt und höchst umstritten sei. Die in einem solchen Fall gebotene Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides und dem Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung des Bescheides bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, gehe zu Gunsten der Antragstellerin aus. Denn diese müsste im Falle der vorläufigen Einstellung des Live-Streamings einen erheblichen Verlust an (Publikums-)Reichweite hinnehmen. Das ergebe sich aus der Konzeption als Live-Angebot mit Kommentarfunktionen für die Empfänger, die bei laufender Sendung eine Diskussion bzw. eine direkte Kommunikation mit den Nutzern ermögliche. Demgegenüber reduziere sich das öffentliche Vollzugsinteresse darauf, ein Verbot durchzusetzen, dessen Anwendung vorliegend gerade streitig sei. Form und Inhalt der Formate seien nicht beanstandet worden.

Beschluss vom 2. April 2019 – OVG 11 S 72.18 -



OVG Schleswig: Zulassung für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm durch Medienanstalt Hamburg - Schleswig-Holstein rechtmäßig

OVG Schleswig
Entscheidungen vom 29.11.2018
3 LB 19/14 und 3 LB 18/14


Das OVG Schleswig hat entschieden, dass die Zulassung für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm durch die Medienanstalt Hamburg - Schleswig-Holstein rechtmäßig war.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OVG Schleswig bestätigt die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm erteilte Zulassung

Gestern hat der 3. Senat des OVG Schleswig nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung die Berufungen der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien zurückgewiesen. Die Berufung einer Regionalfensterveranstalterin hatte nur zu einem kleinen Teil Erfolg.

In den drei Berufungsverfahren ging es um die Frage, ob die der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH durch die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung für das bundesweite Fernsehvollprogramm SAT.1 rechtmäßig ist. Die Zulassung ist unter der aufschiebenden Bedingung erteilt worden, dass die derzeitige Veranstalterin ihre Zulassung zurückgibt. Dies ist die Sat1 Satelliten Fernsehen GmbH, die über eine von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz erteilte Zulassung verfügt.

Berufung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz:

Der Senat hat entschieden, dass die streitige Neuzulassung rechtmäßig ist und die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist. Es handelt sich nach Auffassung des Senats beim angegriffenen Bescheid nicht um eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse, mit der Folge dass die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz zuständig geblieben wäre, sondern um eine Neuzulassung, für die die Landesmedienanstalt zuständig ist, bei der der Zulassungsantrag gestellt worden ist - mithin die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein.

Berufung der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien:

Hinsichtlich des Verfahrens der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien ist bereits die Klagebefugnis verneint worden. Sie hat erfolglos geltend gemacht, durch die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung in ihren Rechten im Verwaltungsverfahren betreffend die Zulassung von Regionalfenstern verletzt sein zu können.

Berufung einer Regionalfensterveranstalterin:

Auf die Berufung einer Regionalfensterveranstalterin, die in Rheinland-Pfalz und Hessen über eine Zulassung für das jeweilige Regionalfensterprogramm verfügt, hat der Senat festgestellt, dass diese Zulassungen nicht erlöschen, wenn die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung wirksam wird. Denn das Regionalfensterprogramm ist an das Fernsehvollprogramm SAT.1 geknüpft, unabhängig davon, wer es veranstaltet.

Der Senat hat die Revision im Verfahren der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (Az. 3 LB 19/14) und der Regionalfensterveranstalterin (3 LB 18/14) zugelassen.


OLG Köln: TV-Pannen anderer Fernsehsender dürfen nicht ohne weiteres kostenfrei von Konkurrenzsender ausgestrahlt werden- NDR Top Flops

OLG Köln
Urteil vom 20.04.2018
6 U 116/17


Das OLG Köln hat entschieden, dass TV-Pannen anderer Fernsehsender nicht ohne weiteres kostenfrei von Konkurrenzsender ausgestrahlt werden dürfen.

"TV-Flops" sind für andere Sender kostenpflichtig

Pannen in den Fernsehsendungen anderer Sender ("TV Flops") dürfen von der Konkurrenz nicht ohne weiteres kostenfrei ausgestrahlt werden. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter der Leitung von Herrn Vorsitzendem Richter Hubertus Nolte kürzlich anlässlich der vom NDR produzierten Sendereihe "Top Flops" entschieden.

In der Sendereihe wurden Ausschnitte von Fernsehbeiträgen diverser Sender gezeigt, in denen als lustig empfundene Pannen (Moderatorin hat etwas zwischen den Zähnen, gähnende Moderatorin, Pannen mit Tieren, etc.) geschehen waren. Darunter waren auch Sendungen der RTL-Gruppe. Diese verklagte daraufhin den produzierenden Sender NDR und andere öffentlich-rechtliche Sender, die das Format ebenfalls ausgestrahlt hatten, u.a. auf Bezahlung einer Lizenzgebühr für die gesendeten Sequenzen. Die Beklagten hatten dagegen argumentiert, die Schnipsel seien im Rahmen einer Parodie gesendet worden und daher kostenfrei. Jedenfalls handele es sich um ein kostenfrei zulässiges Zitat im Sinne des Urheberrechts.

Der 6. Zivilsenat hat die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Köln hinsichtlich der Lizenzpflicht der Sequenzen bestätigt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nutzung der Sequenzen nach Maßgabe der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung zu "TV Total" entwickelten Grundsätze bezahlt werden müsse. Insbesondere seien die Sequenzen nicht im Rahmen einer Parodie ausgestrahlt worden. Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestünden nämlich darin, an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen und einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. In der Sendung "Top Flops" seien aber keine wahrnehmbaren Unterschiede zwischen der Parodie und dem parodierten Werk zu erkennen gewesen. Vielmehr hätten die Moderatoren die einzelnen Beiträge lediglich angekündigt, ohne sich besonders mit diesen auseinander zu setzen. Sinn und Zweck der Sendung sei die Belustigung der Zuschauer durch die Pannen, ohne dass hierfür die Anmoderation von Bedeutung sei.

Es liege auch kein kostenfreies Zitat vor. Zweck der Zitatfreiheit sei es, die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken zu erleichtern. Die Zitatfreiheit gestatte aber nicht, ein fremdes Werk oder ein urheberrechtlich geschütztes Leistungsergebnis nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Der Zitierende müsse eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellen. An einer solchen inneren Verbindung fehle es regelmäßig, wenn sich das zitierende Werk nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetze, sondern es nur zur Illustration verwende. So liege der Fall hier. Bei "Top Flops" fehle es an einer Auseinandersetzung im vorstehenden Sinne. Vielmehr würden die Sequenzen um ihrer selbst willen dargestellt.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 20.04.2018 - Az. 6 U 116/17 -

Urteil des Landgerichts Köln vom 29.06.2017 - Az. 14 O 411/14 -



OLG München: Ausstrahlung eines werbefreien Hörfunkprogramms durch öffentlich-rechtlichen Sender keine geschäftliche Handlung nach § 2 UWG

OLG München
Urteil vom 27.07.2017
U 2879/16 Kart


Das OLG München hat entschieden, dass die Ausstrahlung eines werbefreien Hörfunkprogramms auf UKW durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt keine geschäftliche Handlung im Sinne von 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Die beanstandete Ausstrahlung des Programms ... auf UKW-Frequenzen stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts keine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

aa) Nach dieser Vorschrift ist geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Im Streitfall fehlt es an einem derartigen Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen. Insbesondere setzt der Beklagte seine Leistung in Gestalt der Ausstrahlung des Programms ... nicht im Sinne dieser Vorschrift ab, da er sie in Erfüllung seines rundfunkrechtlichen Grundversorgungsauftrags kostenlos erbringt; der Begriff des Absatzes eines Produkts erfordert aber, dass das Produkt gegen Entgelt - im weitesten Sinne - vertrieben wird (vgl. Köhler, a. a. O., § 2 UWG Rz. 21; Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 2 Rz. 27; Lehmler in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz -Urheberrecht - Medienrecht, 3. Aufl. 2015, § 2 UWG Rz. 11; jeweils m. w. N.). Die Entrichtung des Rundfunkbeitrags ist hierfür nicht zu berücksichtigen, denn sie stellt als öffentlichrechtliche Abgabe, die ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten erhoben wird, keine Entgeltleistung für tatsächlich empfangene Sendungen dar (vgl. BVerwGE 154, 275 Tz. 22).

Im Streitfall kommt auch nicht in Betracht, die Ausstrahlung der Programminhalte als Leistung anzusehen, durch welche die Attraktivität des Gesamtprogramms einschließlich von Werbesendungen erhöht wird und die deshalb Teil dessen ist, was durch die für die Werbesendungen geleisteten Entgelte abgegolten wird, denn das Programm ... enthält keine Werbung.

Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass das Programm ... dazu verwendet werden könnte, dorthin Programmteile auszulagern, die nur einen geringen oder einen kaufkraftschwachen Teil von Hörern ansprechen und so die anderen Hörfunkprogramme, in denen der Beklagte Werbung ausstrahlt, stärker auf den Geschmack kaufkräftiger Hörer zurecht zu schneiden und so diese Programme für die angesprochenen Hörer und damit die Werbenden interessanter zu gestalten (vgl. dazu die von den Klägerinnen angeführte Entscheidung OLG Dresden GRUR 1996, 73 [74] - MDR-Sputnik)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Tagesschau-App der ARD in der Fassung 2011 aufgrund des presseähnlichen Charakters unzulässig - Verstoß gegen § 11d RStV

OLG Köln,
Urteil vom 30.09.2016
6 U 188/12

Das OLG Köln hat entschieden, dass die Tagesschau-App der ARD in der Fassung vom Juni 2011 unzulässig war. Diese hatte- so das Gericht - einen presseähnlichen Charakter auf und war damit nach § 11d RStV unzulässig.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Tagesschau App unzulässig

Die „Tagesschau App“ ist, so wie sie am 15. Juni 2011 abrufbar war, unzulässig. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Hubertus Nolte heute entschieden und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten untersagt, die App in dieser Form zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Damit hat die Unterlassungsklage von elf führenden deutschen Verlagshäusern weitgehend Erfolg.

Die Klage war darauf gestützt, dass die „Tagesschau App“ gegen eine Regelung im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) verstoße. Nach § 11d RStV ist es den öffentlich-rechtlichen Anbietern untersagt, „nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote“ in Telemedien zu verbreiten. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Presseverlage vor weitgreifenden Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet schützen.

Zunächst hatte das Oberlandesgericht Köln die Klage abgewiesen, weil der Rundfunkrat des federführenden NDR in einem Telemedienkonzept die „Tagesschau App“ als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben hatte (Urteil vom 20.12.2013 – Az. 6 U 188/12 – unter www.nrw.de veröffentlicht). Der Bundesgerichtshof hatte die Bindungswirkung der Entscheidung des Rundfunkrates verneint und dem Oberlandesgericht Köln sodann aufgegeben, selbst zu überprüfen, ob das Angebot der App „presseähnlich“ sei (vgl. Pressemitteilung Nr. 75/2015 des BGH). Dabei dürfe, so der Bundesgerichtshof, das Angebot der App nicht durch „stehende“ Texte und Bilder geprägt sein, sondern müsse den Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung haben.

Diese Überprüfung hat der Senat nunmehr vorgenommen und die Pressähnlichkeit der App bejaht. Dabei hatte der 6. Zivilsenat nur darüber zu entscheiden, ob das Angebot der „Tagesschau App“ am 15. Juni 2011 als „presseähnlich“ einzustufen war. Denn nur der Inhalt dieses Tages ist von den Klägern zum Streitgegenstand gemacht worden. Der Senat hat auch die von den Klägern in Papierform vorgelegte Dokumentation dieses Angebots als ausreichend angesehen, um die vom Bundesgerichtshof geforderte Überprüfung vornehmen zu können. Der Senat hat dabei die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Inhalte bewertet. Schon die Start- und Übersichtsseiten der App, die den Nutzern bestimmungsgemäß als erste gegenübertreten, bestünden ausschließlich aus Text und Standbildern und sie enthielten überwiegend Verweise auf - ggf. bebilderte - Textseiten. Auch auf den nachgelagerten Ebenen sei die Gestaltung der dokumentierten Beiträge mit wenigen Ausnahmen dadurch geprägt, dass es sich um in sich geschlossene Nachrichtentexte handelte, die aus sich heraus verständlich und teilweise mit Standbildern illustriert seien. Insgesamt stünden Texte und Standbilder bei der Gestaltung im Vordergrund. Dies sei nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs als presseähnlich zu qualifizieren.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da nach der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof nunmehr nur die die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen waren.



BVerwG: Unzulässige Schleichwerbung durch Pokersendung bei Sport1

BVerwG
Urteil vom 22.06.2016
6 C 9.15

Das Bundesverwaltgungsgericht hat bestätigt, dass beim Fernsehsender Sport1 unzulässige Schleichwerbung im Form einer Pokersendung ausgestrahlt wurde.

Schleichwerbung bei Sport 1 zu Recht beanstandet

Ein Rundfunkveranstalter verstößt gegen das Schleichwerbungsverbot des Rundfunkstaatsvertrags, wenn in einer von ihm ausgestrahlten Sendung nicht als solche gekennzeichnete Werbung enthalten ist und hierfür keine Rechtfertigung durch den Zweck der Sendung besteht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin verbreitet das Fernsehprogramm Sport 1. Sie strahlte eine Sendung aus, in der professionelle Pokerspieler Tipps und Tricks preisgaben. Es handelte sich um einen ursprünglich für den amerikanischen Markt hergestellten, von der Klägerin in Lizenz erworbenen und mit einer deutschen Tonspur versehenen Titel. In der Sendung war das Logo eines Anbieters von Poker im Internet in nahezu jeder Einstellung zu sehen, zum Beispiel auf einem großen Bildschirm zwischen zwei das Spielgeschehen kommentierenden Personen, auf animierten und tatsächlichen Spielchips, in erklärenden Animationen, auf Spielkartenrückseiten und auf Tafeln der Studiodekoration. Die beklagte Bayerische Landeszentrale für neue Medien beanstandete die Sendung wegen Verstoßes gegen das Schleichwerbungsverbot. Das Verwaltungsgericht München hat die Klage gegen den Beanstandungsbescheid abgewiesen, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen: Durch die in die Sendung integrierten Darstellungen des Logos wurde in objektiv werbegeeigneter Weise auf die Dienstleistungen des Pokeranbieters hingewiesen. Die Klägerin hat die Sendung auch absichtlich zu Werbezwecken ausgestrahlt. Auf die Werbeabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal der Schleichwerbung kann bei einem Rundfunkveranstalter dann geschlossen werden, wenn die werbegeeigneten Darstellungen in einer von ihm ausgestrahlten Sendung nicht durch programmlich-redaktionelle Erfordernisse gerechtfertigt sind. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung festgestellt werden. Diese Abwägung hat das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte redaktionelle Konzept des Rundfunkveranstalters in den Blick zu nehmen und an dem vom Gesetzgeber mit dem Schleichwerbungsverbot bezweckten Schutz der Zuschauer vor Irreführung über die Bedeutung des Sendegeschehens zu messen. Nach diesem Maßstab bestand kein redaktionell gerechtfertigtes Bedürfnis dafür, in die von der Klägerin ausgestrahlte Inszenierung mit Tipps zur Vervollkommnung des Pokerspiels werbende Aussagen in der vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Intensität aufzunehmen. Wegen ihrer nicht gekennzeichneten Integration in die Sendung waren diese werbenden Aussagen zur Irreführung der Zuschauer über den Zweck der Sendung geeignet.

BVerwG 6 C 9.15 - Urteil vom 22. Juni 2016

Vorinstanzen:
VGH München 7 B 14.1605 - Urteil vom 09. März 2015
VG München M 17 K 11.6090 - Urteil vom 13. Juni 2013

VG Kassel: Sat1 ist weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet

VG Kassel
1 K 618/13,KS
Urteil vom 01.12.2015


Das VG Kassel hat entschieden, dass Sat1 weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet ist.

Die Pressemitteilung des VG Kassel:

Die 1. Kammer des VG Kassel hat eine Klage u.a. der Veranstalterin des Fernsehprogramms Sat.1 gegen einen Genehmigungsbescheid der Hessischen Landesmedienanstalt abgewiesen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz produziert seit März 1990 das 30-minütige werktägliche regionale Fernsehprogramm für Hessen und Rheinland-Pfalz im Prgramm von Sat.1. Im Januar 2012 beantragte dieses Unternehmen bei der Hessischen Landesmedienanstalt in Kassel die Verlängerung der entsprechenden rundfunkrechtlichen Zulassung, die im November 2012 erteilt wurde. Hiergegen legte Sat.1 Widerspruch ein, der jedoch zurückgewiesen wurde. Im Mai 2013 hat Sat.1 Klage erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass der Genehmigungsbescheid an einer Reihe von formellen und materiellen Rechtsfehlern leide. So habe es die Hessische Landesmedienanstalt versäumt, das Regionalfenster von Sat.1 auszuschreiben. Es bestünden auch Bedenken, ob die einschlägige Vorschrift des Rundfunkstaatsvertrages, wonach u.a. Sat.1 ein regionales Fernsehprogramm anbieten müsse, mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, vor allem der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, in Einklang stehe.

Die 1. Kammer teilte diese Bedenken nicht. Der angefochtene Genehmigungsbescheid sei, so der Vorsitzende in einer kurzen mündlichen Begründung, weder aus formellen Gründen noch materiell rechtlich zu beanstanden. Die Berufung zum Hess. VGH ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

Das Aktenzeichen des Verfahrens lautet 1 K 618/13.KS.


BGH-Entscheidung zur Zulässigkeit der Tagesschau-App liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 30.04.2015
I ZR 13/14
Tagesschau-App
ZPO § 50; UWG § 4 Nr. 11; RStV § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3, § 11f


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Tagesschau-App unzulässig, wenn Angebot in der Gesamtheit als presseähnlich einzustufen ist - OLG Köln muss diesen Aspekt erneut prüfen" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) ist in Rechtsstreitigkeiten, die die Erfüllung der den Rundfunkanstalten zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben betreffen (hier die Bereitstellung eines Telemedienangebots), nicht gemäß § 50 ZPO parteifähig.

b) Die Vorschrift des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien untersagt, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

c) Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich durch das zuständige Gremium (§ 11f Abs. 4 bis 6 RStV) und die Freigabe dieses Telemedienkonzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde (§ 11f Abs. 7 RStV) entfalten keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.

d) Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedienkonzept beruht. Besteht ein Telemedienangebot sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus sendungsbezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Beiträge abzustellen. Stehen bei einem Telemedienangebot „stehende“ Texte und Bilder deutlich im Vordergrund,
deutet dies auf die Presseähnlichkeit des Angebots hin.

BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Tagesschau-App unzulässig, wenn Angebot in der Gesamtheit als presseähnlich einzustufen ist - OLG Köln muss diesen Aspekt erneut prüfen

BGH
Urteil vom 30. April 2015
I ZR 13/14
Tagesschau-App

Der BGH hat in dem Rechtsstreit um die Tagesschau-App entschieden, dass die Tagesschau-App dann unzulässig ist, wenn das Angebot in der Gesamtheit als presseähnlich einzustufen ist. Der BGH hat die Sache an das OLG Köln zurückverwiesen. Das OLG Köln muss diesen Aspekt nun prüfen.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der "Tagesschau-App"

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Zulässigkeit der "Tagesschau-App" befasst.

Die Klägerinnen sind Zeitungsverlage. Die Beklagte zu 1 ist die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), der Beklagte zu 2 ist der Norddeutsche Rundfunk. Die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betreiben seit dem Jahr 1996 das von der Beklagten zu 2 betreute Online-Portal "tagesschau.de". Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag die Regelungen des §§ 11d*, 11f RStV eingefügt. Danach haben öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedienangebote in Telemedienkonzepten zu konkretisieren und diese Konzepte einer - als "Drei-Stufen-Test" bezeichneten - Prüfung zu unterwerfen. Die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten daraufhin unter Federführung des Beklagten zu 2 ein Telemedienkonzept für das Online-Portal "tagesschau.de". Dieses Konzept wurde im Jahr 2010 vom Rundfunkrat des Beklagten zu 2 beschlossen, von der Niedersächsischen Staatskanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde freigegeben und im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht.

Seit dem 21. Dezember 2010 bieten die Rundfunkanstalten die Applikation "Tagesschau-App" für Smartphones und Tabletcomputer an. Über diese Applikation kann das unter "tagesschau.de" vorgehaltene Angebot aufgerufen werden. Dieses besteht aus - teils um Standbilder oder Bildstrecken ergänzten - Textbeiträgen, aus Audio- und Videobeiträgen sowie aus interaktiven Elementen.

Mit ihrer Klage wenden sich die Klägerinnen gegen das am 15. Juni 2011 über die "Tagesschau-App" bereitgestellte Angebot. Sie sind der Ansicht, dieses Angebot sei wettbewerbswidrig, weil es gegen die als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzustufende Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV verstoße. Danach sind nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien unzulässig. Die Klägerinnen nehmen die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen das Verbot presseähnlicher Angebote könne keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründen, weil das Angebot des Online-Portals "tagesschau.de" im Zuge des "Drei-Stufen-Tests" von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben worden sei. Die Wettbewerbsgerichte seien an diese rechtliche Bewertung gebunden.

Die Revision der Klägerinnen hatte hinsichtlich der Beklagten zu 1 keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit - so der Bundesgerichtshof - im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist bereits unzulässig. Bei der Beklagten zu 1, der ARD, handelt es sich um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten, der als solcher nicht rechtsfähig ist und nicht verklagt werden kann.

Hinsichtlich des Beklagten zu 2 hatte die Revision der Klägerinnen dagegen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, aufgrund der Freigabe des Telemedienkonzeptes durch die Niedersächsische Staatskanzlei stehe - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das am 15. Juni 2011 über die "Tagesschau-App" bereitgestellte Angebot im Online-Portal "tagesschau.de" nicht presseähnlich gewesen sei. Mit der Freigabe ist allenfalls das Konzept und jedenfalls nicht dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall als nicht presseähnlich gebilligt worden. Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Verlage begründen. Der Bundesgerichtshof hat die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nunmehr prüfen, ob das von den Klägerinnen beanstandete Angebot presseähnlich gewesen ist. Bei dieser Prüfung kommt es - so der BGH - nicht darauf an, ob einzelne Beiträge dieses Angebots als presseähnlich anzusehen sind. Entscheidend ist vielmehr, ob das über die "Tagesschau-App" am 15. Juni 2011 abrufbare Angebot des Online-Portals "tagesschau.de" in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich einzustufen ist. Das ist der Fall, wenn bei diesem Angebot der Text deutlich im Vordergrund steht.

Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - Tagesschau-App

OLG Köln - Urteil vom 20. Dezember 2013 - 6 U 188/12

WRP 2014, 194

LG Köln -Urteil vom 27. September 2012 - 31 O 360/11

WRP 2012, 1606

Karlsruhe, den 30. April 2015"


§ 11d RStV lautet:

(1) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio bieten Telemedien an, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sind.

(2) Der Auftrag nach Absatz 1 umfasst das Angebot von […]

3. […] nichtsendungsbezogenen Telemedien nach Maßgabe eines nach § 11f durchgeführten Verfahrens; in den Telemedienkonzepten ist angebotsabhängig eine Befristung für die Verweildauer vorzunehmen; nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote sind nicht zulässig […]

§ 11f RStV lautet:

(1) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschland radiokonkretisieren die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 jeweils in Telemedienkonzepten, die Zielgruppe, Inhalt, Ausrichtung und Verweildauer der geplanten Angebote näher beschreiben. […]

(4) Ist ein neues Angebot oder die Veränderung eines bestehenden Angebots nach Absatz 1 geplant, hat die Rundfunkanstalt gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist. Es sind Aussagen darüber zu treffen,

1. inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,

2. in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird und

3. welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist.

Dabei sind Quantität und Qualität der vorhandenen frei zugänglichen Angebote, die marktlichen Auswirkungen des geplanten Angebots sowie dessen meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener vergleichbarer Angebote, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu berücksichtigen. Darzulegen ist der voraussichtliche Zeitraum, innerhalb dessen das Angebot stattfinden soll.

(5) Zu den Anforderungen des Absatzes 4 ist vor Aufnahme eines neuen oder veränderten Angebots durch das zuständige Gremium Dritten in geeigneter Weise, insbesondere im Internet, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Gelegenheit zur Stellungnahme besteht innerhalb einer Frist von mindestens sechs Wochen nach Veröffentlichung des Vorhabens. Das zuständige Gremium der Rundfunkanstalt hat die eingegangenen Stellungnahmen zu prüfen. Das zuständige Gremium kann zur Entscheidungsbildung gutachterliche Beratung durch unabhängige Sachverständige auf Kosten der jeweiligen Rundfunkanstalt in Auftrag geben; zu den marktlichen Auswirkungen ist gutachterliche Beratung hinzuzuziehen. Der Name des Gutachters ist bekanntzugeben. Der Gutachter kann weitere Auskünfte und Stellungnahmen einholen; ihm können Stellungnahmen unmittelbar übersandt werden.

(6) Die Entscheidung, ob die Aufnahme eines neuen oder veränderten Angebots den Voraussetzungen des Absatzes 4 entspricht, bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder, mindestens der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des zuständigen Gremiums. Die Entscheidung ist zu begründen. In den Entscheidungsgründen muss unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen und eingeholten Gutachten dargelegt werden, ob das neue oder veränderte Angebot vom Auftrag umfasst ist. Die jeweilige Rundfunkanstalt hat das Ergebnis ihrer Prüfung einschließlich der eingeholten Gutachten unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen in gleicher Weise wie die Veröffentlichung des Vorhabens bekannt zu machen.

(7) Der für die Rechtsaufsicht zuständigen Behörde sind vor der Veröffentlichung alle für eine rechtsaufsichtliche Prüfung notwendigen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zu übermitteln. Nach Abschluss des Verfahrens nach Absatz 5 und 6 und nach Prüfung durch die für die Rechtsaufsicht zuständige Behörde ist die Beschreibung des neuen oder veränderten Angebots in den amtlichen Verkündungsblättern der betroffenen Länder zu veröffentlichen.

§ 4 Nr. 11 UWG lautet:

Unlauter handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.