VGH München: Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber Access-Provider den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren mangels Befugnisnorm rechtswidrig
VGH München:
Beschluss vom 23.03.2023
23 CS 23.195
Der VGH München hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider, den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, mangels Befugnisnorm rechtswidrig war.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, ist auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vortrags der Antragsgegnerin sowie ihres Beschwerdevorbringens im Ergebnis zutreffend. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021, § 9 des Ausführungsgesetzes des Landes S.-A. zur Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO LSA)) Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Oktober 2022, mit der die Antragstellerin als Internet-Access-Provider zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet wurde, auf denen die Beigeladenen unerlaubtes Glücksspiel anbieten, ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Var. 1 VwGO) und begründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Denn die im Bescheid vom 6. Oktober 2022 ihr gegenüber getroffenen Anordnungen, 1. die Internetseiten (= Domains) der Beigeladenen „im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von ihr in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich ist“, 2., „künftig von der Antragsgegnerin mitzuteilende Internetseiten (= Domains), auf denen sich nach Art und Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (sog. Mirror-Pages) von unter Nr. 1 benannten Anbietern oder deren Rechtsnachfolgern vermittelt bzw. veranstaltet werden, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren“, sowie die daran anknüpfenden Umsetzungsfristen (Nrn. 3 und 4) und die Zwangsgeldandrohung (Nr. 5) erweisen sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtswidrig.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (2.1.) noch auf die allgemeine Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 (2.2.) gestützt werden können. Schließlich kann auch das für die Antragsgegnerin grundsätzlich anzuwendende allgemeine Ordnungsrecht des Landes S.-A. (vgl. § 27a Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV 2021) nicht Grundlage der Entscheidung sein (2.3.).
2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 hat die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht (vgl. § 27a Abs. 1 und 2 GlüStV 2021) die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; sie kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. §§ 27f Abs. 2, 9a Abs. 3 GlüStV 2021) die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021). Unbeschadet sonstiger in diesem Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen kann sie insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.
Die Antragsgegnerin hat die gegenüber der Antragstellerin erlassene Sperrverfügung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 gestützt und die Antragstellerin als verantwortliche Diensteanbieterin in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 sind nach summarischer Prüfung indes nicht erfüllt. Zwar war vor Erlass der streitgegenständlichen Sperrverfügung eine Bekanntgabe des unerlaubten Glücksspielangebots gegenüber der Antragstellerin als deren Adressatin erfolgt. Auch dürfte nach Aktenlage davon auszugehen sein, dass sich Maßnahmen gegenüber den Beigeladenen als Veranstalter bzw. Vermittler unerlaubten Glücksspiels als nicht durchführbar erwiesen haben, da mehrere bestandskräftige, von verschiedenen Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder erlassene Untersagungsverfügungen nicht zur Einstellung des unerlaubten Angebots geführt haben.
Allerdings handelt es sich bei der Antragstellerin als Zugangsvermittlerin nicht um eine – wie von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vorausgesetzt – im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin (2.1.1.). Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegenüber Diensteanbietern unabhängig von deren Verantwortlichkeit nach §§ 8 bis 10 TMG erlassen werden können, weil sich die Verantwortlichkeit – wie von der Antragsgegnerin angenommen – unmittelbar aus der glücksspielrechtlichen Norm selbst ergibt, kommt nicht in Betracht (2.1.2.).
2.1.1. Den Ausgangspunkt der Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bildet zunächst deren Wortlaut.
a) Dieser streitet mit seiner ausdrücklichen Gesetzesformulierung, wonach nur im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieter als Adressaten von Sperrverfügungen in Betracht kommen, dafür, dass das Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG in Bezug genommen wird. Damit muss neben dem Erfordernis des Vorliegens eines Diensteanbieters i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG als weiteres Tatbestandsmerkmal dessen (telemedienrechtliche) „Verantwortlichkeit“ i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG bestehen. Demnach scheidet die Inanspruchnahme eines nach dem TMG nicht verantwortlichen Diensteanbieters auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus (vgl. OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris Rn. 7; Liesching, Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet, ZfWG 2022, 404, 405; Dünchheim, GlücksspielR, 2021, § 9 Rn. 29 ff.; Anstötz/Tautz, Internetsperre 2.0 – Eine effektive Maßnahme gegen illegale Online-Glücksspielangebote, ZdiW 2022, 173, 176, 178).
Angesichts der ausdrücklichen Inbezugnahme als Rechtsgrundverweisung steht dem entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die §§ 8 bis 10 TMG für sich genommen eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nicht zu begründen oder zu erweitern vermögen, sondern im Rahmen der Anwendung bestehender gesetzlicher Tatbestände zu beachtende Privilegierungen darstellen. Einem Verständnis der Verweisung auf §§ 8 bis 10 TMG als bloße Umschreibung der Tätigkeit der jeweiligen zu adressierenden Diensteanbieter steht entgegen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 ausdrücklich von „im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen“ Diensteanbietern und nicht lediglich von Diensteanbietern im Sinne des §§ 8 bis 10 TMG spricht, so dass explizit vorausgesetzt wird, dass deren Verantwortlichkeit nicht gemäß §§ 8 bis 10 TMG ausscheidet.
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b) Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um eine im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin.
Nach diesen Vorschriften wird die Verantwortlichkeit der jeweiligen Diensteanbieter für fremde Informationen in Abhängigkeit zu ihrer Verbindung zu diesen Informationen beschränkt. Für die Antragstellerin als Access-Provider ist die Regelung des § 8 TMG maßgeblich. Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie (1.) die Übermittlung nicht veranlasst, (2.) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und (3.) die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Der Freistellung von der Verantwortlichkeit nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, einen Diensteanbieter, welcher von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem solchen Netz vermittelt, von der Verantwortlichkeit bezogen auf solche Informationen zu befreien, mit denen er in keiner Weise in Verbindung steht. Die Regelung fungiert mithin als Filter, welcher die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen einschränkt, soweit deren Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten begrenzt sind (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23 f.; Erwägungsgrund 42 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ = E-Commerce-Richtlinie); Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 404, 406; Hennemann in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, 38. Ed. 1.11.2022, § 7 TMG Rn. 6, § 8 TMG Rn. 5 und Rn. 8). Auch eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die Verantwortlichkeitsprivilegierung grundsätzlich nicht auf; lediglich wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, findet die Privilegierung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TMG).
Die Antragstellerin erfüllt den Privilegierungstatbestand, denn sie veranlasst weder die Übermittlung der Glücksspielangebote noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Ein Fall des kollusiven Zusammenwirkens, der die Privilegierung entfallen ließe, scheidet offenkundig aus.
2.1.2. Die Benennung von Registraren und Zugangsvermittlern als Regelbeispiele, die Gesetzeshistorie, die Gesetzessystematik oder der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vermögen keine anderweitige Auslegung dahingehend zu begründen, dass deren Anwendungsbereich unabhängig von einer Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG eröffnet wäre.
a) Zunächst folgt aus dem Wortlaut und der Benennung von Zugangsvermittlern und Registraren als Regelbeispiele keine erweiternde Auslegung dergestalt, dass ein Zugangsvermittler oder ein Registrar in jedem Falle verantwortlicher Diensteanbieter im Sinne der Vorschrift und damit eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des verantwortlichen Diensteanbieters i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG stets entbehrlich wäre.
Allerdings stellt sich der Wortlaut mit Blick auf die genannten Regelbeispiele in zweierlei Hinsicht als widersprüchlich dar. Zum einen ist hinsichtlich des Registrars der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG von vornherein nicht eröffnet, weil der Registrar kein Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist. Der Registrar stellt Nutzern keine Informationen bereit und vermittelt keinen Zugang zur Nutzung von Telemedien, sondern nimmt lediglich die administrative Abwicklung der Domainregistrierung vor, indem er der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt (BGH, U.v. 15.10.2020 – I ZR 13/19 – CR 2021, 58 = juris Rn. 16 f.).
Aber auch der Zugangsvermittler resp. Internet-Access-Provider, den die Landesgesetzgeber mit der Formulierung des Regelbeispiels zu adressieren beabsichtigt haben dürften, ist zwar Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, wird aber hinsichtlich der in Rede stehenden Glücksspielangebote mit Blick auf das dargestellte abgestufte technikbezogene Haftungssystem in aller Regel den Privilegierungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG erfüllen, so dass bei der dargestellten Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut entgegen der Konzeption des Regelbeispiels lediglich im Ausnahmefall eine Verantwortlichkeit nach dem TMG und damit eine Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auf den Zugangsvermittler in Betracht kommt (vgl. Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 406; Anstötz/Tautz, ZdiW 2022, 173, 177 f.; Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390; Frey/Rudolph/Oster, MMR-Beilage 2012, 1, 17; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).
Dennoch rechtfertigt bzw. erlaubt die Benennung der Zugangsvermittler als Regelbeispiel eines verantwortlichen Diensteanbieters keine erweiternde Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 dahingehend, dass die Vorschrift selbst eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von einer Privilegierung gemäß §§ 8 bis 10 TMG begründet. Zwar bleiben gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG behördliche und gerichtliche Anordnungen zur Sperrung von Internetseiten aufgrund allgemeiner Gesetze auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit eines Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Derartige Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen müssen allerdings „klar gesetzlich geregelt“ sein (Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes, BT-Drs. 18/12202, S. 11). Mit Blick auf die von einer solchen gesetzlichen Regelung berührten grundrechtlich geschützten Interessen der unternehmerischen Freiheit des Diensteanbieters (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts der Nutzer des Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) sind staatlicherseits angeordnete Maßnahmen der Sperre oder Entfernung von Informationen nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs hinreichend klar bestimmt (vgl. BGH, U.v. 26.11.2015 – I ZR 174/14 – GRUR 2016, 268, 276 Rn. 72 f. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89, 126 = NJW 1979, 359, sowie BVerfG, U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282, 311 = NJW 2003, 3111). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77 – BVerfGE 49, 168, 181 = NJW 1978, 2446; BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579/84 – BVerfGE 78, 205, 212 = NJW 1998, 2593; BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1977 – 1 BvR 799/76 – BVerfGE 45, 400, 420 = NJW 1977, 1723; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 – BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603 m.w.N.) und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33, 54 = NJW 2004, 2213; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83 – BVerfGE 78, 214, 226 = NJW 1989, 666; BVerfG, U.v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166, 190 = NJW 2006, 976; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95 – BVerfGE 98, 106, 118 f. = NJW 1998, 2341; BVerfG, U.v. 15.7.2003 – 2 BvF 6/98 – BVerfGE 108, 169, 181, 183 = NVwZ 2003, 1497; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183, stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85 – BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175; BVerfG, B.v. 3.6.1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 – BVerfGE 86, 288, 311 = NJW 1992, 2947; BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33, 55 = NJW 2004, 2213; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 – BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; vgl. zu alldem BVerfG, B.v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09 – BVerfGE 128, 282, 318).
Nach diesen Maßstäben stellt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 trotz der Benennung des Zugangsvermittlers als Regelbeispiel keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Sperrverfügung gegenüber einem Zugangsvermittler als nicht im Sinne des § 8 bis 10 TMG verantwortlichem Diensteanbieter dar, weil die Vorschrift insoweit den Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen Grundrechtseingriff zu stellen sind, nicht genügt. Angesichts der dargestellten Inkonsistenz der Regelung fehlt es an der notwendigen Klarheit der gesetzlichen Grundlage. Diese lässt sich insoweit auch nicht anhand der Gesetzesgenese, der Gesetzesmaterialien oder einer systematischen Auslegung herstellen, weil sich auch hieraus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrags 2021 entgegen dem Wortlaut des Tatbestands auf eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz verzichten und Sperrverfügungen gegenüber diesen auch im Falle einer Privilegierung nach den §§ 8 bis 10 TMG zulassen wollte.
b) Aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich nicht, dass eine Inanspruchnahme des Diensteanbieters ohne inhaltliche Bezugnahme auf dessen Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz beabsichtigt war.
aa) So werden auch in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 die „im Sinne der §§ 8 bis 10 Telemediengesetz verantwortlichen Diensteanbieter“ adressiert und die staatsvertragliche Ermächtigung zu Sperranordnungen ausdrücklich vor dem Hintergrund als angemessen erachtet, dass sie „dem System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist, Rechnung trägt“ (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Dies spricht gegen ein Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 als eine von den Anforderungen der §§ 8 bis 10 TMG unabhängige Störerbestimmung, sondern dafür, dass nach dem Willen der Landesgesetzgeber nicht jeder Diensteanbieter losgelöst von den §§ 8 bis 10 TMG verantwortlich und damit Adressat einer Sperrverfügung sein soll.
Soweit die Antragsgegnerin auf die Erwägung des Landesgesetzgebers verweist, dass „unabhängig von der neu geschaffenen Ermächtigung eine vollständige Unterbindung des unerlaubten Glücksspiels grundsätzlich zu bevorzugen“ sei (LT-Drs. 18/11128, S. 122), bezieht sich dies auf den Vorrang eines Vorgehens unmittelbar gegen die Veranstalter und Vermittler unerlaubten Glücksspiels gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021.
bb) Hinreichend eindeutige Anhaltspunkte für eine Planwidrigkeit der Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 lassen sich auch aus der Gesetzeshistorie nicht ableiten.
Schon die Ermächtigungsgrundlage für Sperrverfügungen nach dem GlüStV 2008 setzte gesetzlich eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den telemedienrechtlichen Regelungen des damals geltenden Teledienstegesetzes (TDG) voraus. Die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass – wenngleich hierdurch faktisch der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 eingeschränkt werde – eine systemwidrige erweiternde Auslegung nicht möglich sei (VG Köln, U.v. 15.12.2011 – 6 K 5404/10 – juris Rn. 39; vgl. auch OVG NW, B.v. 26.1.2010 – 13 B 760/09 – juris Rn. 9 und 12; VG Düsseldorf, U.v. 29.11.2011 – 27 K 3883/11, 27 K 5887/10 – juris). Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur wurde auf die praktisch erheblichen Beschränkungen wegen des Erfordernisses einer telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit und die Möglichkeit einer gesetzgeberischen Nachbesserung im Falle einer politisch erachteten Notwendigkeit von Internetsperren hingewiesen (vgl. Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390 f.; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).
Der erste Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 14. April 2011 sah sodann zunächst eine Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 dahingehend vor, dass unabhängig von der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz die zuständige Behörde diesen nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den Angeboten untersagen könne (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search zum Notifizierungsverfahren Nr. 2011/0188/D; vgl. auch Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Nachdem die Europäische Kommission unter dem 18. Juli 2011 im Rahmen des Notifizierungsverfahrens eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hatte und zuvor auch die Arbeitsgruppe „Glücksspielstaatsvertrag“ der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen unter dem 8. Juni 2011 die (vollständige) Streichung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 der Entwurfsfassung vom 14. April 2011 empfohlen hatte (vgl. Bericht der Landesregierung NRW für die 19. Sitzung des Haupt- und Medienausschusses des Landtages NRW am 14.7.2011, TOP 4, Vorlage 15/745, Anlage 2, S. 3 f. und 7), überarbeiteten die Landesgesetzgeber ihre Entwurfsfassung. In der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Dezember 2011 zu der Stellungnahme der Europäischen Kommission heißt es, die Bundesländer wiesen darauf hin, dass sie die von der Kommission und Malta kritisierte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 gestrichen hätten (vgl. Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Die Regelung war dementsprechend in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht mehr enthalten.
Auch der am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag sah keine Änderung des § 9 GlüStV 2012 vor. Erst durch den am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Sperrverfügungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 wieder aufgenommen, welche – auch bereits in der der Kommission am 18. Mai 2020 notifizierten Entwurfsfassung (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search/?trisaction=search.detail& year=2020& num=304, Notifizierungsnummer 2020/0304/D) – wiederum den Verweis auf die Verantwortlichkeitsprivilegierungen des TMG beinhaltet (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 8 ff.). Vor dem Hintergrund, dass die Landesgesetzgeber die telemedienrechtliche Verantwortlichkeit im Bewusstsein der zur Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 ergangenen Rechtsprechung, der dieser zustimmenden Literaturstimmen und des im GlüStV 2012 gescheiterten Versuchs, eine sonderordnungsrechtliche Störerbestimmung unabhängig von der Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz einzuführen, beibehalten und ausweislich der amtlichen Erläuterungen zum Staatsvertrag, welche den einzig verlässlichen Anhaltspunkt für den Willen der Ländergesamtheit bilden (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05 – juris Rn. 168 zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 14), ein Vorgehen nach dem „System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist“, aus Gründen der Angemessenheit für notwendig erachtet haben, lässt sich nicht darauf schließen, sie hätten nunmehr das Haftungssystem des Telemediengesetzes, das die jeweilige Nähe des Diensteanbieters zur angebotenen Information berücksichtigt, trotz dessen ausdrücklicher Inbezugnahme außer Acht lassen wollen.
Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, die Landesgesetzgeber hätten im Glücksspielstaatsvertrag 2021 – anders als noch im Glücksspielstaatsvertrag 2008 – erkannt, dass die Durchleitung fremder Informationen keine strafrechtliche Relevanz aufweise, da sich in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 der strafrechtliche Mitwirkungsgedanke nicht mehr finde und die Norm nicht mehr als bloße Klarstellung bezeichnet werde, so dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen als Grundlage für Maßnahmen gegenüber Diensteanbietern diene, lässt allein dies nicht darauf schließen, die Landesgesetzgeber hätten nunmehr eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von der Anwendung des technikbezogenen abgestuften Haftungssystems des TMG begründen wollen. Zwar finden die Privilegierungen gemäß §§ 8 bis 10 TMG auch im Strafrecht Anwendung (BGH, U.v. 11.3.2004 – I ZR 304/01 = GRUR 2004, 860, 862; Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, vor § 7 TMG Rn. 15); umgekehrt begründet der Ausschluss eines Privilegierungsgrundes nach dem TMG aber allein noch keine Strafbarkeit (Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Allgemeine Probleme des Internetstrafrechts, Stand 58. EL März 2022, Rn. 25). Auch die Anwendung der Privilegierungstatbestände der §§ 8 bis 10 TMG erfolgt daher losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen.
c) Ebenso wenig lässt die systematische Gesamtschau vergleichbarer Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen gegen Diensteanbieter zur Sperrung fremder Inhalte darauf schließen, der Landesgesetzgeber habe mit dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auch nicht verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG erfassen wollen.
Nach der bis zum 6. November 2020 und damit während der Vertragsverhandlungs- und Ratifizierungsphase des Glücksspielstaatsvertrags 2021 noch geltenden Regelung in § 59 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrags – RStV – konnten Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten gegen den „Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes“ gerichtet werden (vgl. auch OVG NW, B.v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02 – juris Rn. 45 zur entsprechenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 3 Mediendienste-Staatsvertrag). Soweit § 20 Abs. 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags – JMStV – in seiner ebenfalls bis zum 6. November 2020 geltenden Fassung eine entsprechende Geltung des § 59 Abs. 4 RStV anordnete, bestand diese jugendschutzrechtliche Eingriffsermächtigung zunächst nur „unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes“. Nach der zum 7. November 2020 geänderten Fassung des § 20 Abs. 4 JMStV sowie der gleichzeitig in Kraft getretenen Regelung in § 109 Abs. 3 des Medienstaatsvertrags als Nachfolger des Rundfunkstaatsvertrags können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nunmehr gegen Dritte unter Beachtung der Vorgaben des Telemediengesetzes gerichtet werden (vgl. dazu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Netzsperren, Rechtslage und gesetzgeberischer Spielraum, WD 10 – 3000 – 016/21, S. 23). Angesichts dieser Gesetzesentwicklungen zur Frage der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Inhalte kann nicht davon ausgegangen werden, der Landesgesetzgeber habe mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 versehentlich an das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 20).
Soweit der Landesgesetzgeber in den amtlichen Erläuterungen darauf verweist, eine § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entsprechende Ermächtigung („IP-Blocking“) finde sich in einer Vielzahl von Glücksspielregulierungen europäischer Staaten („60% der EU/EWR-Mitgliedstaaten“), die wie die deutsche Glücksspielregulierung an die grundrechtlichen Vorgaben der EMRK gebunden seien (LT-Drs. 18/11128, S. 122), lässt auch dies nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit auf ein Versehen bei der Ausgestaltung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 schließen. Aufgrund des in den Erläuterungen zitierten Abschlussberichts der Europäischen Kommission vom November 2018 zu der Studie „Evaluation of Regulatory Tools for Enforcing Online Gambling Rules and Channelling Demand towards Controlled Offers” (LT-Drs. 18/11128, S. 62) musste dem Landesgesetzgeber nämlich bewusst sein, dass in den meisten der an der Studie teilnehmenden Staaten eine erlassene Sperrungsanordnung zugleich für sämtliche Internet-Service-Provider gilt (vgl. S. 38 des Abschlussberichts, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/ publications_en). Gleichwohl hat eine danach naheliegende Anordnung einer sonderordnungsrechtlichen Störerbestimmung unter Verzicht auf ein System abgestufter Verantwortlichkeit in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 keinen Niederschlag gefunden (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 21).
Für das Vorliegen einer Planwidrigkeit der dynamischen Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 spricht – anders als die Antragsgegnerin wohl meint – auch nicht die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG. Hiernach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Diese Regelung begründet aber nicht selbst solche Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung für den Diensteanbieter und stellt keinen Tatbestand dar, mit dem eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz begründet wird, sondern sieht lediglich vor, dass anderweitig begründete gesetzliche Verpflichtungen unberührt bleiben, d.h. fortbestehen (Spindler in Spindler/Schmitz, TMG – Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 7 TMG Rn. 43 f. m.w.N.).
Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG. Zwar dürfte § 8 TMG, insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wonach die Inanspruchnahme auf Beseitigung bzw. Unterlassung von nichtverantwortlichen Diensteanbietern ausgeschlossen ist, vorrangig im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme im § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 in Gestalt einer Rechtsgrundverweisung lässt sich der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG jedoch vorliegend nicht auf die zivilrechtliche Haftung begrenzen. Demnach bleibt in der hiesigen Konstellation eines Rechtsgrundverweises einer öffentlich-rechtlichen Norm auf § 8 TMG kein Raum für die Beschränkung der Privilegierungen auf zivilrechtliche Ansprüche.
d) Bei dem vorstehenden Befund einer dem Wortlaut nach widersprüchlichen – da mit dem Tatbestand inkonsistenten – Benennung von Regelbeispielen und einer historischen und systematischen Auslegung, die nicht den Schluss zulässt, der Gesetzgeber habe nur versehentlich an das System der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft, scheidet eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Ziele des Staatsvertrags (§ 1 GlüStV 2021) im Sinne einer teleologischen Extension nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz sowie dem Demokratieprinzip aus, da sie mit dem Gebot der Normenklarheit unvereinbar wäre und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingriffe (BVerfG, B.v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10 – BVerfGE 128, 193/210 = NJW 2011, 836; BVerfG, B.v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – BVerfGE 126, 286/306 = NJW 2010, 3422 Rn. 64; BVerfG (K), B.v. 3.3.2015 – 1 BvR 3226/14 – NZS 2015, 502 Rn. 18; BVerfG (K), B.v. 23.5.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 – NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39).
Zwar sollten nach den amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 durch diesen die Vollzugsmöglichkeiten zur Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote als wesentliches Ziel der Glücksspielregulierung mit Blick auf ein konsequentes, zügiges und nachhaltiges Vorgehen der Länder verbessert werden (LT-Drs. 18/11128, S. 51) und die Neuregelung der Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen Diensteanbieter mit dem Ziel der Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote („IP-Blocking“) die Erreichung der Zielsetzungen des § 1 GlüStV 2021 fördern, wobei die Landesgesetzgeber davon ausgehen, die Wiedereinführung der Ermächtigung zu Sperranordnungen habe sich im Gefolge der Schwierigkeiten des Vollzugs des Glücksspielstaatsvertrags 2012/2020 nicht zuletzt gegenüber ausländischen Veranstaltern und Vermittlern von nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubten Glücksspielen, die auf den Geltungsbereich dieses Staatsvertrags ausgerichtet seien, als geeignet und erforderlich erwiesen, um die genannten Ziele des § 1 GlüStV 2021 effektiv zu erreichen (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Tatsächlich ist der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aber sowohl seinem Wortlaut nach als auch nach den amtlichen Erläuterungen durch die dynamische Rechtsgrundverweisung auf das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG faktisch eingeschränkt (s.o.). Soweit die Antragsgegnerin fordert, die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bereits aus den allgemeinen Erwägungen zum Glücksspielstaatsvertrag so auszulegen, dass sie dessen Zielen unter Berücksichtigung der Vollzugsschwierigkeiten gegen Anbieter mit Sitz im Ausland in geeigneter Form dienen kann, ist die teleologische
Beschluss vom 23.03.2023
23 CS 23.195
Der VGH München hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider, den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, mangels Befugnisnorm rechtswidrig war.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, ist auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vortrags der Antragsgegnerin sowie ihres Beschwerdevorbringens im Ergebnis zutreffend. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021, § 9 des Ausführungsgesetzes des Landes S.-A. zur Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO LSA)) Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Oktober 2022, mit der die Antragstellerin als Internet-Access-Provider zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet wurde, auf denen die Beigeladenen unerlaubtes Glücksspiel anbieten, ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Var. 1 VwGO) und begründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Denn die im Bescheid vom 6. Oktober 2022 ihr gegenüber getroffenen Anordnungen, 1. die Internetseiten (= Domains) der Beigeladenen „im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von ihr in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich ist“, 2., „künftig von der Antragsgegnerin mitzuteilende Internetseiten (= Domains), auf denen sich nach Art und Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (sog. Mirror-Pages) von unter Nr. 1 benannten Anbietern oder deren Rechtsnachfolgern vermittelt bzw. veranstaltet werden, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren“, sowie die daran anknüpfenden Umsetzungsfristen (Nrn. 3 und 4) und die Zwangsgeldandrohung (Nr. 5) erweisen sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtswidrig.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (2.1.) noch auf die allgemeine Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 (2.2.) gestützt werden können. Schließlich kann auch das für die Antragsgegnerin grundsätzlich anzuwendende allgemeine Ordnungsrecht des Landes S.-A. (vgl. § 27a Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV 2021) nicht Grundlage der Entscheidung sein (2.3.).
2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 hat die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht (vgl. § 27a Abs. 1 und 2 GlüStV 2021) die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; sie kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. §§ 27f Abs. 2, 9a Abs. 3 GlüStV 2021) die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021). Unbeschadet sonstiger in diesem Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen kann sie insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.
Die Antragsgegnerin hat die gegenüber der Antragstellerin erlassene Sperrverfügung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 gestützt und die Antragstellerin als verantwortliche Diensteanbieterin in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 sind nach summarischer Prüfung indes nicht erfüllt. Zwar war vor Erlass der streitgegenständlichen Sperrverfügung eine Bekanntgabe des unerlaubten Glücksspielangebots gegenüber der Antragstellerin als deren Adressatin erfolgt. Auch dürfte nach Aktenlage davon auszugehen sein, dass sich Maßnahmen gegenüber den Beigeladenen als Veranstalter bzw. Vermittler unerlaubten Glücksspiels als nicht durchführbar erwiesen haben, da mehrere bestandskräftige, von verschiedenen Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder erlassene Untersagungsverfügungen nicht zur Einstellung des unerlaubten Angebots geführt haben.
Allerdings handelt es sich bei der Antragstellerin als Zugangsvermittlerin nicht um eine – wie von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vorausgesetzt – im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin (2.1.1.). Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegenüber Diensteanbietern unabhängig von deren Verantwortlichkeit nach §§ 8 bis 10 TMG erlassen werden können, weil sich die Verantwortlichkeit – wie von der Antragsgegnerin angenommen – unmittelbar aus der glücksspielrechtlichen Norm selbst ergibt, kommt nicht in Betracht (2.1.2.).
2.1.1. Den Ausgangspunkt der Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bildet zunächst deren Wortlaut.
a) Dieser streitet mit seiner ausdrücklichen Gesetzesformulierung, wonach nur im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieter als Adressaten von Sperrverfügungen in Betracht kommen, dafür, dass das Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG in Bezug genommen wird. Damit muss neben dem Erfordernis des Vorliegens eines Diensteanbieters i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG als weiteres Tatbestandsmerkmal dessen (telemedienrechtliche) „Verantwortlichkeit“ i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG bestehen. Demnach scheidet die Inanspruchnahme eines nach dem TMG nicht verantwortlichen Diensteanbieters auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus (vgl. OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris Rn. 7; Liesching, Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet, ZfWG 2022, 404, 405; Dünchheim, GlücksspielR, 2021, § 9 Rn. 29 ff.; Anstötz/Tautz, Internetsperre 2.0 – Eine effektive Maßnahme gegen illegale Online-Glücksspielangebote, ZdiW 2022, 173, 176, 178).
Angesichts der ausdrücklichen Inbezugnahme als Rechtsgrundverweisung steht dem entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die §§ 8 bis 10 TMG für sich genommen eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nicht zu begründen oder zu erweitern vermögen, sondern im Rahmen der Anwendung bestehender gesetzlicher Tatbestände zu beachtende Privilegierungen darstellen. Einem Verständnis der Verweisung auf §§ 8 bis 10 TMG als bloße Umschreibung der Tätigkeit der jeweiligen zu adressierenden Diensteanbieter steht entgegen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 ausdrücklich von „im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen“ Diensteanbietern und nicht lediglich von Diensteanbietern im Sinne des §§ 8 bis 10 TMG spricht, so dass explizit vorausgesetzt wird, dass deren Verantwortlichkeit nicht gemäß §§ 8 bis 10 TMG ausscheidet.
12
b) Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um eine im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin.
Nach diesen Vorschriften wird die Verantwortlichkeit der jeweiligen Diensteanbieter für fremde Informationen in Abhängigkeit zu ihrer Verbindung zu diesen Informationen beschränkt. Für die Antragstellerin als Access-Provider ist die Regelung des § 8 TMG maßgeblich. Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie (1.) die Übermittlung nicht veranlasst, (2.) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und (3.) die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Der Freistellung von der Verantwortlichkeit nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, einen Diensteanbieter, welcher von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem solchen Netz vermittelt, von der Verantwortlichkeit bezogen auf solche Informationen zu befreien, mit denen er in keiner Weise in Verbindung steht. Die Regelung fungiert mithin als Filter, welcher die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen einschränkt, soweit deren Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten begrenzt sind (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23 f.; Erwägungsgrund 42 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ = E-Commerce-Richtlinie); Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 404, 406; Hennemann in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, 38. Ed. 1.11.2022, § 7 TMG Rn. 6, § 8 TMG Rn. 5 und Rn. 8). Auch eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die Verantwortlichkeitsprivilegierung grundsätzlich nicht auf; lediglich wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, findet die Privilegierung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TMG).
Die Antragstellerin erfüllt den Privilegierungstatbestand, denn sie veranlasst weder die Übermittlung der Glücksspielangebote noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Ein Fall des kollusiven Zusammenwirkens, der die Privilegierung entfallen ließe, scheidet offenkundig aus.
2.1.2. Die Benennung von Registraren und Zugangsvermittlern als Regelbeispiele, die Gesetzeshistorie, die Gesetzessystematik oder der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vermögen keine anderweitige Auslegung dahingehend zu begründen, dass deren Anwendungsbereich unabhängig von einer Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG eröffnet wäre.
a) Zunächst folgt aus dem Wortlaut und der Benennung von Zugangsvermittlern und Registraren als Regelbeispiele keine erweiternde Auslegung dergestalt, dass ein Zugangsvermittler oder ein Registrar in jedem Falle verantwortlicher Diensteanbieter im Sinne der Vorschrift und damit eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des verantwortlichen Diensteanbieters i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG stets entbehrlich wäre.
Allerdings stellt sich der Wortlaut mit Blick auf die genannten Regelbeispiele in zweierlei Hinsicht als widersprüchlich dar. Zum einen ist hinsichtlich des Registrars der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG von vornherein nicht eröffnet, weil der Registrar kein Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist. Der Registrar stellt Nutzern keine Informationen bereit und vermittelt keinen Zugang zur Nutzung von Telemedien, sondern nimmt lediglich die administrative Abwicklung der Domainregistrierung vor, indem er der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt (BGH, U.v. 15.10.2020 – I ZR 13/19 – CR 2021, 58 = juris Rn. 16 f.).
Aber auch der Zugangsvermittler resp. Internet-Access-Provider, den die Landesgesetzgeber mit der Formulierung des Regelbeispiels zu adressieren beabsichtigt haben dürften, ist zwar Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, wird aber hinsichtlich der in Rede stehenden Glücksspielangebote mit Blick auf das dargestellte abgestufte technikbezogene Haftungssystem in aller Regel den Privilegierungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG erfüllen, so dass bei der dargestellten Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut entgegen der Konzeption des Regelbeispiels lediglich im Ausnahmefall eine Verantwortlichkeit nach dem TMG und damit eine Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auf den Zugangsvermittler in Betracht kommt (vgl. Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 406; Anstötz/Tautz, ZdiW 2022, 173, 177 f.; Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390; Frey/Rudolph/Oster, MMR-Beilage 2012, 1, 17; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).
Dennoch rechtfertigt bzw. erlaubt die Benennung der Zugangsvermittler als Regelbeispiel eines verantwortlichen Diensteanbieters keine erweiternde Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 dahingehend, dass die Vorschrift selbst eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von einer Privilegierung gemäß §§ 8 bis 10 TMG begründet. Zwar bleiben gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG behördliche und gerichtliche Anordnungen zur Sperrung von Internetseiten aufgrund allgemeiner Gesetze auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit eines Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Derartige Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen müssen allerdings „klar gesetzlich geregelt“ sein (Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes, BT-Drs. 18/12202, S. 11). Mit Blick auf die von einer solchen gesetzlichen Regelung berührten grundrechtlich geschützten Interessen der unternehmerischen Freiheit des Diensteanbieters (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts der Nutzer des Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) sind staatlicherseits angeordnete Maßnahmen der Sperre oder Entfernung von Informationen nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs hinreichend klar bestimmt (vgl. BGH, U.v. 26.11.2015 – I ZR 174/14 – GRUR 2016, 268, 276 Rn. 72 f. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89, 126 = NJW 1979, 359, sowie BVerfG, U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282, 311 = NJW 2003, 3111). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77 – BVerfGE 49, 168, 181 = NJW 1978, 2446; BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579/84 – BVerfGE 78, 205, 212 = NJW 1998, 2593; BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1977 – 1 BvR 799/76 – BVerfGE 45, 400, 420 = NJW 1977, 1723; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 – BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603 m.w.N.) und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33, 54 = NJW 2004, 2213; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83 – BVerfGE 78, 214, 226 = NJW 1989, 666; BVerfG, U.v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166, 190 = NJW 2006, 976; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95 – BVerfGE 98, 106, 118 f. = NJW 1998, 2341; BVerfG, U.v. 15.7.2003 – 2 BvF 6/98 – BVerfGE 108, 169, 181, 183 = NVwZ 2003, 1497; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183, stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85 – BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175; BVerfG, B.v. 3.6.1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 – BVerfGE 86, 288, 311 = NJW 1992, 2947; BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33, 55 = NJW 2004, 2213; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 – BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; vgl. zu alldem BVerfG, B.v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09 – BVerfGE 128, 282, 318).
Nach diesen Maßstäben stellt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 trotz der Benennung des Zugangsvermittlers als Regelbeispiel keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Sperrverfügung gegenüber einem Zugangsvermittler als nicht im Sinne des § 8 bis 10 TMG verantwortlichem Diensteanbieter dar, weil die Vorschrift insoweit den Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen Grundrechtseingriff zu stellen sind, nicht genügt. Angesichts der dargestellten Inkonsistenz der Regelung fehlt es an der notwendigen Klarheit der gesetzlichen Grundlage. Diese lässt sich insoweit auch nicht anhand der Gesetzesgenese, der Gesetzesmaterialien oder einer systematischen Auslegung herstellen, weil sich auch hieraus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrags 2021 entgegen dem Wortlaut des Tatbestands auf eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz verzichten und Sperrverfügungen gegenüber diesen auch im Falle einer Privilegierung nach den §§ 8 bis 10 TMG zulassen wollte.
b) Aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich nicht, dass eine Inanspruchnahme des Diensteanbieters ohne inhaltliche Bezugnahme auf dessen Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz beabsichtigt war.
aa) So werden auch in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 die „im Sinne der §§ 8 bis 10 Telemediengesetz verantwortlichen Diensteanbieter“ adressiert und die staatsvertragliche Ermächtigung zu Sperranordnungen ausdrücklich vor dem Hintergrund als angemessen erachtet, dass sie „dem System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist, Rechnung trägt“ (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Dies spricht gegen ein Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 als eine von den Anforderungen der §§ 8 bis 10 TMG unabhängige Störerbestimmung, sondern dafür, dass nach dem Willen der Landesgesetzgeber nicht jeder Diensteanbieter losgelöst von den §§ 8 bis 10 TMG verantwortlich und damit Adressat einer Sperrverfügung sein soll.
Soweit die Antragsgegnerin auf die Erwägung des Landesgesetzgebers verweist, dass „unabhängig von der neu geschaffenen Ermächtigung eine vollständige Unterbindung des unerlaubten Glücksspiels grundsätzlich zu bevorzugen“ sei (LT-Drs. 18/11128, S. 122), bezieht sich dies auf den Vorrang eines Vorgehens unmittelbar gegen die Veranstalter und Vermittler unerlaubten Glücksspiels gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021.
bb) Hinreichend eindeutige Anhaltspunkte für eine Planwidrigkeit der Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 lassen sich auch aus der Gesetzeshistorie nicht ableiten.
Schon die Ermächtigungsgrundlage für Sperrverfügungen nach dem GlüStV 2008 setzte gesetzlich eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den telemedienrechtlichen Regelungen des damals geltenden Teledienstegesetzes (TDG) voraus. Die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass – wenngleich hierdurch faktisch der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 eingeschränkt werde – eine systemwidrige erweiternde Auslegung nicht möglich sei (VG Köln, U.v. 15.12.2011 – 6 K 5404/10 – juris Rn. 39; vgl. auch OVG NW, B.v. 26.1.2010 – 13 B 760/09 – juris Rn. 9 und 12; VG Düsseldorf, U.v. 29.11.2011 – 27 K 3883/11, 27 K 5887/10 – juris). Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur wurde auf die praktisch erheblichen Beschränkungen wegen des Erfordernisses einer telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit und die Möglichkeit einer gesetzgeberischen Nachbesserung im Falle einer politisch erachteten Notwendigkeit von Internetsperren hingewiesen (vgl. Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390 f.; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).
Der erste Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 14. April 2011 sah sodann zunächst eine Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 dahingehend vor, dass unabhängig von der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz die zuständige Behörde diesen nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den Angeboten untersagen könne (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search zum Notifizierungsverfahren Nr. 2011/0188/D; vgl. auch Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Nachdem die Europäische Kommission unter dem 18. Juli 2011 im Rahmen des Notifizierungsverfahrens eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hatte und zuvor auch die Arbeitsgruppe „Glücksspielstaatsvertrag“ der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen unter dem 8. Juni 2011 die (vollständige) Streichung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 der Entwurfsfassung vom 14. April 2011 empfohlen hatte (vgl. Bericht der Landesregierung NRW für die 19. Sitzung des Haupt- und Medienausschusses des Landtages NRW am 14.7.2011, TOP 4, Vorlage 15/745, Anlage 2, S. 3 f. und 7), überarbeiteten die Landesgesetzgeber ihre Entwurfsfassung. In der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Dezember 2011 zu der Stellungnahme der Europäischen Kommission heißt es, die Bundesländer wiesen darauf hin, dass sie die von der Kommission und Malta kritisierte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 gestrichen hätten (vgl. Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Die Regelung war dementsprechend in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht mehr enthalten.
Auch der am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag sah keine Änderung des § 9 GlüStV 2012 vor. Erst durch den am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Sperrverfügungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 wieder aufgenommen, welche – auch bereits in der der Kommission am 18. Mai 2020 notifizierten Entwurfsfassung (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search/?trisaction=search.detail& year=2020& num=304, Notifizierungsnummer 2020/0304/D) – wiederum den Verweis auf die Verantwortlichkeitsprivilegierungen des TMG beinhaltet (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 8 ff.). Vor dem Hintergrund, dass die Landesgesetzgeber die telemedienrechtliche Verantwortlichkeit im Bewusstsein der zur Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 ergangenen Rechtsprechung, der dieser zustimmenden Literaturstimmen und des im GlüStV 2012 gescheiterten Versuchs, eine sonderordnungsrechtliche Störerbestimmung unabhängig von der Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz einzuführen, beibehalten und ausweislich der amtlichen Erläuterungen zum Staatsvertrag, welche den einzig verlässlichen Anhaltspunkt für den Willen der Ländergesamtheit bilden (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05 – juris Rn. 168 zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 14), ein Vorgehen nach dem „System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist“, aus Gründen der Angemessenheit für notwendig erachtet haben, lässt sich nicht darauf schließen, sie hätten nunmehr das Haftungssystem des Telemediengesetzes, das die jeweilige Nähe des Diensteanbieters zur angebotenen Information berücksichtigt, trotz dessen ausdrücklicher Inbezugnahme außer Acht lassen wollen.
Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, die Landesgesetzgeber hätten im Glücksspielstaatsvertrag 2021 – anders als noch im Glücksspielstaatsvertrag 2008 – erkannt, dass die Durchleitung fremder Informationen keine strafrechtliche Relevanz aufweise, da sich in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 der strafrechtliche Mitwirkungsgedanke nicht mehr finde und die Norm nicht mehr als bloße Klarstellung bezeichnet werde, so dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen als Grundlage für Maßnahmen gegenüber Diensteanbietern diene, lässt allein dies nicht darauf schließen, die Landesgesetzgeber hätten nunmehr eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von der Anwendung des technikbezogenen abgestuften Haftungssystems des TMG begründen wollen. Zwar finden die Privilegierungen gemäß §§ 8 bis 10 TMG auch im Strafrecht Anwendung (BGH, U.v. 11.3.2004 – I ZR 304/01 = GRUR 2004, 860, 862; Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, vor § 7 TMG Rn. 15); umgekehrt begründet der Ausschluss eines Privilegierungsgrundes nach dem TMG aber allein noch keine Strafbarkeit (Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Allgemeine Probleme des Internetstrafrechts, Stand 58. EL März 2022, Rn. 25). Auch die Anwendung der Privilegierungstatbestände der §§ 8 bis 10 TMG erfolgt daher losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen.
c) Ebenso wenig lässt die systematische Gesamtschau vergleichbarer Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen gegen Diensteanbieter zur Sperrung fremder Inhalte darauf schließen, der Landesgesetzgeber habe mit dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auch nicht verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG erfassen wollen.
Nach der bis zum 6. November 2020 und damit während der Vertragsverhandlungs- und Ratifizierungsphase des Glücksspielstaatsvertrags 2021 noch geltenden Regelung in § 59 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrags – RStV – konnten Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten gegen den „Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes“ gerichtet werden (vgl. auch OVG NW, B.v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02 – juris Rn. 45 zur entsprechenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 3 Mediendienste-Staatsvertrag). Soweit § 20 Abs. 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags – JMStV – in seiner ebenfalls bis zum 6. November 2020 geltenden Fassung eine entsprechende Geltung des § 59 Abs. 4 RStV anordnete, bestand diese jugendschutzrechtliche Eingriffsermächtigung zunächst nur „unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes“. Nach der zum 7. November 2020 geänderten Fassung des § 20 Abs. 4 JMStV sowie der gleichzeitig in Kraft getretenen Regelung in § 109 Abs. 3 des Medienstaatsvertrags als Nachfolger des Rundfunkstaatsvertrags können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nunmehr gegen Dritte unter Beachtung der Vorgaben des Telemediengesetzes gerichtet werden (vgl. dazu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Netzsperren, Rechtslage und gesetzgeberischer Spielraum, WD 10 – 3000 – 016/21, S. 23). Angesichts dieser Gesetzesentwicklungen zur Frage der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Inhalte kann nicht davon ausgegangen werden, der Landesgesetzgeber habe mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 versehentlich an das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 20).
Soweit der Landesgesetzgeber in den amtlichen Erläuterungen darauf verweist, eine § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entsprechende Ermächtigung („IP-Blocking“) finde sich in einer Vielzahl von Glücksspielregulierungen europäischer Staaten („60% der EU/EWR-Mitgliedstaaten“), die wie die deutsche Glücksspielregulierung an die grundrechtlichen Vorgaben der EMRK gebunden seien (LT-Drs. 18/11128, S. 122), lässt auch dies nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit auf ein Versehen bei der Ausgestaltung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 schließen. Aufgrund des in den Erläuterungen zitierten Abschlussberichts der Europäischen Kommission vom November 2018 zu der Studie „Evaluation of Regulatory Tools for Enforcing Online Gambling Rules and Channelling Demand towards Controlled Offers” (LT-Drs. 18/11128, S. 62) musste dem Landesgesetzgeber nämlich bewusst sein, dass in den meisten der an der Studie teilnehmenden Staaten eine erlassene Sperrungsanordnung zugleich für sämtliche Internet-Service-Provider gilt (vgl. S. 38 des Abschlussberichts, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/ publications_en). Gleichwohl hat eine danach naheliegende Anordnung einer sonderordnungsrechtlichen Störerbestimmung unter Verzicht auf ein System abgestufter Verantwortlichkeit in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 keinen Niederschlag gefunden (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 21).
Für das Vorliegen einer Planwidrigkeit der dynamischen Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 spricht – anders als die Antragsgegnerin wohl meint – auch nicht die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG. Hiernach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Diese Regelung begründet aber nicht selbst solche Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung für den Diensteanbieter und stellt keinen Tatbestand dar, mit dem eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz begründet wird, sondern sieht lediglich vor, dass anderweitig begründete gesetzliche Verpflichtungen unberührt bleiben, d.h. fortbestehen (Spindler in Spindler/Schmitz, TMG – Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 7 TMG Rn. 43 f. m.w.N.).
Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG. Zwar dürfte § 8 TMG, insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wonach die Inanspruchnahme auf Beseitigung bzw. Unterlassung von nichtverantwortlichen Diensteanbietern ausgeschlossen ist, vorrangig im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme im § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 in Gestalt einer Rechtsgrundverweisung lässt sich der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG jedoch vorliegend nicht auf die zivilrechtliche Haftung begrenzen. Demnach bleibt in der hiesigen Konstellation eines Rechtsgrundverweises einer öffentlich-rechtlichen Norm auf § 8 TMG kein Raum für die Beschränkung der Privilegierungen auf zivilrechtliche Ansprüche.
d) Bei dem vorstehenden Befund einer dem Wortlaut nach widersprüchlichen – da mit dem Tatbestand inkonsistenten – Benennung von Regelbeispielen und einer historischen und systematischen Auslegung, die nicht den Schluss zulässt, der Gesetzgeber habe nur versehentlich an das System der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft, scheidet eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Ziele des Staatsvertrags (§ 1 GlüStV 2021) im Sinne einer teleologischen Extension nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz sowie dem Demokratieprinzip aus, da sie mit dem Gebot der Normenklarheit unvereinbar wäre und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingriffe (BVerfG, B.v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10 – BVerfGE 128, 193/210 = NJW 2011, 836; BVerfG, B.v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06 – BVerfGE 126, 286/306 = NJW 2010, 3422 Rn. 64; BVerfG (K), B.v. 3.3.2015 – 1 BvR 3226/14 – NZS 2015, 502 Rn. 18; BVerfG (K), B.v. 23.5.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 – NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39).
Zwar sollten nach den amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 durch diesen die Vollzugsmöglichkeiten zur Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote als wesentliches Ziel der Glücksspielregulierung mit Blick auf ein konsequentes, zügiges und nachhaltiges Vorgehen der Länder verbessert werden (LT-Drs. 18/11128, S. 51) und die Neuregelung der Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen Diensteanbieter mit dem Ziel der Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote („IP-Blocking“) die Erreichung der Zielsetzungen des § 1 GlüStV 2021 fördern, wobei die Landesgesetzgeber davon ausgehen, die Wiedereinführung der Ermächtigung zu Sperranordnungen habe sich im Gefolge der Schwierigkeiten des Vollzugs des Glücksspielstaatsvertrags 2012/2020 nicht zuletzt gegenüber ausländischen Veranstaltern und Vermittlern von nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubten Glücksspielen, die auf den Geltungsbereich dieses Staatsvertrags ausgerichtet seien, als geeignet und erforderlich erwiesen, um die genannten Ziele des § 1 GlüStV 2021 effektiv zu erreichen (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Tatsächlich ist der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aber sowohl seinem Wortlaut nach als auch nach den amtlichen Erläuterungen durch die dynamische Rechtsgrundverweisung auf das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG faktisch eingeschränkt (s.o.). Soweit die Antragsgegnerin fordert, die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bereits aus den allgemeinen Erwägungen zum Glücksspielstaatsvertrag so auszulegen, dass sie dessen Zielen unter Berücksichtigung der Vollzugsschwierigkeiten gegen Anbieter mit Sitz im Ausland in geeigneter Form dienen kann, ist die teleologische