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BGH: Auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG hat Abmahnverein Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZB 42/23


Der BGH hat entschieden, dass auch bei fehlender Eintragung nach § 8b UWG bzw. § 4 UKlaG ein Abmahnverein über die notwendige Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren verfügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren nicht entgegen, dass er - anders als noch im Erkenntnisverfahren auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF) angenommen - gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 geänderten und seit dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (BGBl. | S. 2568, 2574; UWG nF) nicht mehr klagebefugt wäre, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF eingetragen ist.

a) Die Zwangsvollstreckung ist ein vom Erkenntnisverfahren selbständiges und unabhängiges Verfahren (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., 85 Rn. 10). Die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG nF.

[…]

cc) Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind.

(1) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF standen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF, um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können. Damit soll ein Missbrauch der Anspruchsverfolgung verhindert werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucks. 19/12084, S. 26 f.; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., 88 Rn. 3.31; BeckOK.UWG/Haertel, 22. Edition [Stand 1. Oktober 2023], 8 8 Rn. 171). Nach § 15a Abs. 1 UWG nF ist diese Neuregelung nicht auf Verfahren anzuwenden, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind.

(2) Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG arF/nF regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - | ZR 111/22, GRUR 2023, 585 [juris Rn. 13] = WRP 2023, 576 - Mitgliederstruktur) für die Geltendmachung von Beseitigungs- und (bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren. Ein Wegfall dieser Prozessführungsbefugnis durch die Neuregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF kann einer Festsetzung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, für das es gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Parteistellung im Titel (oder der Klausel) ankommt (vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard aaO 8 10 Rn. 60 und 8 23 Rn. 30), nicht entgegengehalten werden (vgl. KG, NJW 1995, 1036 [juris Rn. 9]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 1997 - 2 W 30/97, juris Rn. 31; aA Engler, NJW 1995, 2185, 2188; Koch/Artz, WM 2001, 1016, 1021).

(3) Dem steht die Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken, nicht entgegen. Ein Missbrauch kann in erster Linie auf der Ebene der prozessualen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis wirksam verhindert werden. Für eine Übertragung dieser Einschränkung in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich an der Parteistellung im zu vollstreckenden Titel orientiert (vgl. BGH, NJW 2018, 399 [juris Rn. 13]) besteht kein Bedürfnis.

dd) Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (vgl. BeckOK.UWG/Scholz aaO 8 12 Rn. 349a) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist.

b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein.

aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - V ZB 15/01, BGHZ 148, 392 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 135/03, BGHZ 158, 159 [juris Rn. 11]; GaulV/Schilken/ Becker-Eberhard aaO 8 40. Rn. 2).

bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Uhnterlassungstitel nach Wegfall der Sachbefugnis des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1995 [BGBi. | S. 1738], das keine dem § 15a Abs. 1 UWG nF vergleichbare Übergangsvorschrift enthielt, vgl. BGHZ 133, 316 [juris Rn. 31 bis 33] - Altunterwerfung I, mwN; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - | ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] =WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; Engler, NJW 1995, 2185, 2186).

cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (vgl. zum Streitstand Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 52 f. mwN) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (vgl. Scholz in Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavani, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Aufl., Rn. 1173; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., $ 927 Rn. 9a; zur erforderlichen einschränkenden Auslegung eines solchen Verzichts vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - | ZR 146/07, BGHZ 181, 373 [juris Rn. 26] - Mescher weis; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl, 812 Rn. 156; Teplitzky/Bacher aaO Kap. 43 Rn. 8).



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