BFH: Juristische Personen haben keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO
BFH
Beschluss vom 08.02.Februar 2024
IX B 113/22
Der BFH hat entschieden, dass juristische Personen keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Ein Anspruch auf Überlassung der begehrten elektronischen Kopien über den Anwendungsbereich des § 78 FGO hinaus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 3 DSGVO.
a) Dabei kann dahinstehen, ob ‑‑wie vom X. Senat des BFH bereits entschieden‑‑ die Finanzgerichtsordnung dem Datenschutzrecht und damit auch dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vorgeht (BFH-Beschluss vom 29.08.2019 - X S 6/19, Rz 23, unter Verweis auf die Stellungnahme der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Bundesratsstellungnahme vom 23.03.2017 zu Nr. 6, BTDrucks 18/11655, S. 27; ebenso BFH-Beschluss vom 18.03.2021 - V B 29/20, BFHE 272, 296, BStBl II 2021, 710, Rz 23; zu § 299 der Zivilprozessordnung vgl. Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22.06.2023 - 2 VA 5/23; zustimmend z.B. Brandis in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz 1; kritisch Schaz, Deutsche Steuer-Zeitung 2020, 338, 339 f.).
b) Jedenfalls enthält die Datenschutz-Grundverordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 und 2 nur Vorschriften zum Schutze natürlicher Personen. Sie erfasst nicht die Daten, die juristische Personen betreffen (EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 41). Als betroffene Personen kommen daher nur natürliche Personen in Betracht (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Im Erwägungsgrund 14 der DSGVO heißt es hierzu, dass die Datenschutz-Grundverordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Dementsprechend betont der EuGH, dass der Begriff "Informationen, die sich auf Körperschaften beziehen" streng von dem unionsrechtlich definierten Begriff der personenbezogenen Daten natürlicher Personen zu unterscheiden ist. Das Recht natürlicher Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist ein Grundrecht, das durch Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Dagegen werden Informationen, die juristische Personen betreffen, im Unionsrecht nicht in vergleichbarer Weise geschützt (vgl. EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 46).
Im Streitfall kann die Klägerin, eine GmbH, als juristische Person daher keine Rechte aus Art. 15 DSGVO ableiten.
c) Ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin gegebenenfalls Rechte betreffend Daten einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" geltend machen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den hier streitgegenständlichen Antrag hat der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als möglicherweise betroffene natürliche Person im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin, also einer juristischen Person, gestellt.
d) Auch soweit sich die Klägerin auf § 2a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) beruft, begründet dies keine Anwendung des Art. 15 DSGVO. Die Anwendungserweiterung der Datenschutz-Grundverordnung durch § 2a Abs. 5 AO gilt nur für das Besteuerungsverfahren nach der Abgabenordnung (so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 2a AO Rz 24a), nicht jedoch für das Verfahren vor den Finanzgerichten.
3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
a) Nach Ansicht des Senats bestehen ‑‑auf Grundlage der oben genannten Rechtsprechung des EuGH‑‑ keine Zweifel daran, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 DSGVO juristische Personen keine Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung ableiten können, sondern lediglich die dahinterstehenden, betroffenen (natürlichen) Personen.
b) Mangels Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht klärbar, ob FA und FG gemeinsam Verantwortliche im Sinne des Art. 26 DSGVO sein können.
c) Die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 DSGVO von seinem Anwendungsbereich nationale Gesetzgebungsmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung erlassen wurden, ausschließt, hat der EuGH bereits beantwortet (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 56) und ist im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Beschluss vom 08.02.Februar 2024
IX B 113/22
Der BFH hat entschieden, dass juristische Personen keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Ein Anspruch auf Überlassung der begehrten elektronischen Kopien über den Anwendungsbereich des § 78 FGO hinaus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 3 DSGVO.
a) Dabei kann dahinstehen, ob ‑‑wie vom X. Senat des BFH bereits entschieden‑‑ die Finanzgerichtsordnung dem Datenschutzrecht und damit auch dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vorgeht (BFH-Beschluss vom 29.08.2019 - X S 6/19, Rz 23, unter Verweis auf die Stellungnahme der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Bundesratsstellungnahme vom 23.03.2017 zu Nr. 6, BTDrucks 18/11655, S. 27; ebenso BFH-Beschluss vom 18.03.2021 - V B 29/20, BFHE 272, 296, BStBl II 2021, 710, Rz 23; zu § 299 der Zivilprozessordnung vgl. Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22.06.2023 - 2 VA 5/23; zustimmend z.B. Brandis in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz 1; kritisch Schaz, Deutsche Steuer-Zeitung 2020, 338, 339 f.).
b) Jedenfalls enthält die Datenschutz-Grundverordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 und 2 nur Vorschriften zum Schutze natürlicher Personen. Sie erfasst nicht die Daten, die juristische Personen betreffen (EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 41). Als betroffene Personen kommen daher nur natürliche Personen in Betracht (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Im Erwägungsgrund 14 der DSGVO heißt es hierzu, dass die Datenschutz-Grundverordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Dementsprechend betont der EuGH, dass der Begriff "Informationen, die sich auf Körperschaften beziehen" streng von dem unionsrechtlich definierten Begriff der personenbezogenen Daten natürlicher Personen zu unterscheiden ist. Das Recht natürlicher Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist ein Grundrecht, das durch Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Dagegen werden Informationen, die juristische Personen betreffen, im Unionsrecht nicht in vergleichbarer Weise geschützt (vgl. EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 46).
Im Streitfall kann die Klägerin, eine GmbH, als juristische Person daher keine Rechte aus Art. 15 DSGVO ableiten.
c) Ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin gegebenenfalls Rechte betreffend Daten einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" geltend machen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den hier streitgegenständlichen Antrag hat der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als möglicherweise betroffene natürliche Person im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin, also einer juristischen Person, gestellt.
d) Auch soweit sich die Klägerin auf § 2a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) beruft, begründet dies keine Anwendung des Art. 15 DSGVO. Die Anwendungserweiterung der Datenschutz-Grundverordnung durch § 2a Abs. 5 AO gilt nur für das Besteuerungsverfahren nach der Abgabenordnung (so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 2a AO Rz 24a), nicht jedoch für das Verfahren vor den Finanzgerichten.
3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
a) Nach Ansicht des Senats bestehen ‑‑auf Grundlage der oben genannten Rechtsprechung des EuGH‑‑ keine Zweifel daran, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 DSGVO juristische Personen keine Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung ableiten können, sondern lediglich die dahinterstehenden, betroffenen (natürlichen) Personen.
b) Mangels Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht klärbar, ob FA und FG gemeinsam Verantwortliche im Sinne des Art. 26 DSGVO sein können.
c) Die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 DSGVO von seinem Anwendungsbereich nationale Gesetzgebungsmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung erlassen wurden, ausschließt, hat der EuGH bereits beantwortet (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 56) und ist im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich.
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