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LG Nürnberg: Richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk ist die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags

LG Nürnberg
Urteil vom 22.08.2023
11 O 6693/21


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist in ihrer zuletzt geänderten Fassung nur teilweise zulässig.

I. Es liegt eine zulässige Klageänderung vor.
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2022 (Bl. 94 ff. d. A.) den Klageantrag Ziffer 5 um einen Hilfsantrag erweiterte, liegt eine Änderung des Sachantrags, mithin eine Klageänderung vor.

2. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Die sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage liegen nur teilweise vor, da die Klageanträge Ziffer 2 und Ziffer 5 bereits unzulässig sind.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international, sachlich und örtlich zuständig.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig, Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist nach vorstehenden Ausführungen auch örtlich zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beruht auf § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit von der in dem Klageantrag Ziffer 2 genannten Sperre, Nutzungseinschränkung, Entfernung und Unterbindungshandlung begehrt. Der Klageantrag zielt insoweit nicht auf die Feststellung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ab (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2022 – 14 U 270/20, juris Rn. 58 ff. mwN).

Der Aspekt, ob eine Kontensperrung rechtswidrig war, stellt kein Rechtsverhältnis dar, da die Qualifizierung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet und daher kein Rechtsverhältnis zwischen Personen begründet. Von daher spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtswidrigkeit von erfolgten Sperren eine Vorfrage bei der Entscheidung über andere Klageanträge darstellt. Schließlich erweist sich der Feststellungsantrag auch unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig.

3. Ebenfalls unzulässig ist die Klage mit ihrem Klageantrag Ziffer 5 nebst Hilfsantrag.

a. Der Unterlassungsantrag ist – auch in der Fassung des Hilfsantrags – nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, sind in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Vorliegend gibt der Unterlassungsantrag zwar nicht einen Gesetzeswortlaut wieder, sondern knüpft an eine Handlung der Beklagten – die Vornahme einer Sperre des Klägers auf www.facebook.com – an. Dennoch entspricht das Klagebegehren in seiner Wirkung faktisch der bloßen Wiederholung einer Rechtslage, nämlich der Rechtslage in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 59).

b. Zudem darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Fall der Kontosperre als Verletzungshandlung bzw. als Handlung, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, gibt es nicht. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass von einer Anhörung vor Durchführung der Maßnahme in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Außerdem kann z. B. ein Wiederholungsfall vorliegen, der eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich macht. Von daher ist die Verletzungshandlung, an die der geltend gemachte Unterlassungsanspruch anknüpft, nicht hinreichend bestimmt. Ließe man den Antrag zu, hätte die Beklagte keine Möglichkeit, sich umfassend und adäquat zu verteidigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 60).

c. Schließlich handelt es sich bei dem Begehren des Klägers inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf zukünftiges positives Tun (Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre). Eine solche Klage ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden ist. Ein Anspruch auf Information kann aber nicht vor Vornahme der entsprechenden Handlung (hier: Einstellung eines Posts, der zu einer Sperre Anlass geben könnte) entstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 61).

B. Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, überwiegend unbegründet.

I. Der auf die Freischaltung des am 14.08.2021 gelöschten Beitrags (Klageantrag Ziffer 3) ist begründet, da der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch hat, den von ihr am 14.08.2021 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, der aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten dem deutschen Recht unterliegt (so auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 38). Gemäß Nr. 1 ihrer Nutzungsbedingungen hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 40).

2. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags verstoßen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich insoweit nicht auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 der (…)-Nutzungsbedingungen i.V.m. den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ berufen. Denn ausgehend von der in den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ geregelten Definition enthält der Beitrag des Klägers keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards.

a. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 mwN). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31). Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich von Sanktionen diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2003, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris 33 ff.). Anders bei Unterlassungsansprüchen: Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 34). Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 35).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten vor. Denn die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Beitrag beanstandeten Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt im vorliegenden Kontext keinen direkten Angriff auf Personen dar, auch wenn durch die Äußerung eine bestimmte Personengruppe aufgrund ihrer nationalen Herkunft identifizierbar ist.

aa. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt bereits ausgehend von dem objektiven Wortlaut und auch unter Berücksichtigung des Kontexts keine gewalttätige oder menschenverachtende Sprache und auch keinen Aufruf, Personen auszugrenzen oder zu isolieren, dar.

bb. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt überdies in der Zusammenschau der gegebenen tatsächlichen Umstände nicht eine als Hassrede definierte Aussage über Minderwertigkeit, schädliche Stereotypisierung oder einen Ausdruck der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung oder Beschimpfung dar. Denn die Äußerung des Klägers ist mehrdeutig und von der Beklagten ist – ausgehend von dem oben dargestellten Maßstab – bei der Prüfung der Löschung die für den Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen.

(1) Zwar kann die Äußerung des Klägers, wie von der Beklagten behauptet, von einem Durchschnittsleser im Gesamtkontext als eine Aussage über die Minderwertigkeit der deutschen Bevölkerung bzw. Ausdruck der Verachtung gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgelegt und verstanden werden.

Zum einen ist die Aussage „verblödet“ bereits nach dem Wortsinn ein Ausdruck der Verachtung und Minderwertigkeit. In den Gemeinschaftsstandards ist zudem definiert, dass es sich bei dem Wort „blöd“ um eine verbotene Verallgemeinerung handelt, die Minderwertigkeit aufgrund geistiger Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeit zum Ausdruck bringe.

Die Äußerung des Klägers könnte vor diesem Hintergrund somit dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt oder jedenfalls ein repräsentativer, „typischer“ Deutscher“ „verblödet“ sei. Damit würde allen Menschen deutscher Nationalität verallgemeinernd verminderte intellektuelle Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch der Gesamtkontext würde einem solchen Verständnis nicht entgegenstehen. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes kann die Äußerung dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft über geringere geistige Fähigkeiten verfüge und sich daher leicht täuschen und ausnutzen lasse.

(2) Zugleich kann die Äußerung von einem Durchschnittsleser allerdings auch als Selbstkritik bzw. Selbstironie im Rahmen einer aktuellen politischen Diskussion über den Klimawandel verstanden werden. In diesem Fall würde die Äußerung des Klägers nicht unter die Definition der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards fallen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung, wie von dem Kläger vorgetragen, im Gesamtkontext dahingehend versteht, dass die beanstandete Wertung lediglich an das Verhalten und die Einstellung der Deutschen in Bezug auf den Klimawandel und die Klima- bzw. CO₂-Politik („grüner Ökowahn“) im internationalen Vergleich anknüpfe. Die Äußerung kann in diesem Gesamtkontext aufgrund der weiteren Aussagen „Autofahrer schröpfen“, „Industrie knebeln“ sowie der Aussage zur Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland dahingehend verstanden werden, dass der Kläger die Deutschen kritisiere, dass diese einem „grünen Ökowahn“ unterlägen, der mit Nachteilen für die Deutschen und die deutsche Wirtschaft verbunden sei, während den Rest der Welt bzw. andere Länder der Klimawandel und Belastung der Umwelt nicht interessiere bzw. andere Länder auch noch von dem „Ökowahn“ der Deutschen profitieren würden, weil Produktionsstandorte von Deutschland ins Ausland verlagert werden.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die Äußerung als (überspitzt formulierte) Selbstkritik bzw. Selbstironie und nicht als Ausdruck der Minderwertigkeit versteht.
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(3) Da es sich bei der Löschung des Beitrags um eine Sanktion der Beklagten dem Kläger gegenüber handelt, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Löschung aufgrund des oben dargestellten Maßstabes die für den Kläger günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Da die Äußerung, wie bereits dargestellt, auch dahingehend verstanden und ausgelegt werden kann, dass keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards vorliegt, war die Löschung rechtswidrig und der Beitrag ist wiederherzustellen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 71 d. A. Rückseite) geltend macht, andere Gerichte hätten bereits entschieden, dass eine Darstellung der Deutschen als dumm bzw. intellektuell minderbemittelt eine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstelle, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entsprechende Urteile sind weder veröffentlicht noch vorgelegt. Es kann daher nicht überprüft werden, ob die den Entscheidungen zugrunde liegenden Äußerungen mit der streitgegenständlichen Äußerung im konkreten Zusammenhang identisch sind.

c. Da der streitgegenständliche Beitrag mangels Erfüllung eines dort genannten Straftatbestands auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellt, kommt eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht.

3. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die in der Entfernung des Beitrags bestehende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte zur Wiederherstellung des Beitrags verpflichtet. Denn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden des Klägers besteht darin, dass sein Beitrag auf der Plattform der Beklagten nicht mehr gespeichert ist und von den anderen Nutzern nicht mehr gelesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 111).

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Fragen der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Drittwirkung von Grundrechten, sowie deren wirksame Einbeziehung und des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht entscheidungserheblich an.

II. Der auf die Unterlassung einer künftigen Löschung des in Klageantrags Ziffer 3 enthaltenen Beitrags gerichtete Klageantrag (Klageantrag Ziffer 4) ist unbegründet. Denn die künftige Löschung des streitgegenständlichen Beitrags kann der Beklagten – unabhängig von der Anspruchsgrundlage – nicht untersagt werden (vgl. zum Folgenden: OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, juris Rn. 54 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, juris Rn. 32). Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen Textes, dessen Löschung der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des künftigen Textbeitrags durch die Beklagte unzulässig wäre.

III. Ein Anspruch auf Datenberichtigung (Klageantrag Ziffer 1) besteht – unabhängig von der Zulässigkeit erfolgter Maßnahmen – nicht.

1. Zwar kann eine betroffene Person nach Art. 16 Satz 1 DS-GVO von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte vorgenommene Löschungen und Sperrungen in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich jedoch nicht um unrichtige Daten. Soweit die gespeicherten Daten Werturteile der Beklagten über das Vorliegen von Vertragsverstößen beinhalten sollten, könnte auch insoweit keine Datenberichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachen, sondern um rechtliche Bewertungen handelt, die schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen sind, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten. Der Beklagten ist es mithin nicht verwehrt, ihre Auffassung zu vermerken, etwaige Löschungen und Sperrungen seien rechtmäßig gewesen, ohne dass damit ein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden wäre. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, wonach von der Beklagten gespeicherte Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage seien (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, juris Rn. 95 ff.).

b. Soweit der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz begehrt, sieht Art. 16 Satz 1 DS-GVO eine solche Rechtsfolge nicht vor. Dem „Recht auf Berichtigung“ kann im Einzelfall auch dadurch – ggf. besser – Rechnung getragen werden, dass unrichtige Daten durch Hinzufügung von Vermerken in korrigierter Weise beibehalten werden.

c. Ein Anspruch auf Löschung gespeicherter Daten steht dem Kläger auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO zu. Denn danach sind personenbezogene Daten auf Verlangen erst dann zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Im Rahmen einer fortgesetzten Nutzung der Dienste der Beklagten ist diese jedoch zur Durchführung des Vertragsverhältnisses darauf angewiesen, Informationen zu etwaigen Löschungen und Sperrungen in den Konten ihrer Nutzer vorzuhalten.

d. Soweit eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Raume steht, Datensätze insoweit zu korrigieren, als ihnen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, ungerechtfertigte Sanktionen des Klägers zugrunde liegen, stehen solche zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19, juris Rn. 178) legt weder schlüssig noch substantiiert dar, welchen konkreten Inhalt die auf Seite 16 der Klageschrift (Bl. 16 d. A.) aufgelisteten und in der Vergangenheit gelöschten Beiträge hatten. Durch die Kammer kann somit nicht überprüft werden, ob vorliegend ein Löschung des jeweiligen Beitrags zulässig war.

IV. Der auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag Ziffer 6 ist unbegründet.

1. Nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 BGB kann der Kläger eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.

Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn mit dem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2021 (Anlage K 13) hat der Klägervertreter die Beklagte unter Ziffer IV.1. lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des gelöschten streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden (so auch OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, juris Rn. 209 ff.).

2. Auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB kann der Kläger die Freistellung von außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verlangen, da sich die Beklagte bei Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug befunden hat. Denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat weder schlüssig dargelegt, dass er die Beklagte vor Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB abgemahnt hat, noch war die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da für die Leistung der Beklagten (Zur Verfügung Stellung der Plattform) keine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auch liegt keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 vor, da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Eintritt des Verzugs nicht rechtfertigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BfJ: Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Das BfH hat ein Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Die Pressemitteilung des BfJ:
Bundesamt für Justiz führt Bußgeldverfahren gegen die Twitter International Unlimited Company wegen unzureichenden Umgangs mit Nutzerbeschwerden

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat ein Bußgeldverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen die Twitter International Unlimited Company eingeleitet. Aus Sicht des BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte für Versäumnisse im Beschwerdemanagement der Anbieterin von Twitter in Deutschland vor.

Die Anbieterin von Twitter unterliegt den Vorschriften des NetzDG. Dem BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sie gegen die gesetzliche Pflicht zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte verstoßen hat und es sich dabei um ein bußgeldbewehrtes systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin handelt.

Fehlerhafter Umgang mit Nutzerbeschwerden
Die Anbieterin von Twitter ist nach dem NetzDG verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Sie muss unter anderem unverzüglich von einem gemeldeten Inhalt Kenntnis nehmen, prüfen, ob dieser rechtswidrig im Sinne des NetzDG ist, und einen rechtswidrigen Inhalt, unter Beachtung der gesetzlichen Frist von regelmäßig sieben Tagen bzw. 24 Stunden im Falle offensichtlicher Rechtswidrigkeit, löschen oder den Zugang zu ihm sperren. Ein Inhalt gilt nach dem NetzDG als rechtwidrig, wenn er einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeführten Tatbestände des Strafgesetzbuchs, wie beispielsweise Volksverhetzung, Beleidigung oder Bedrohung, erfüllt.

Dem BfJ wurden zahlreiche Inhalte gemeldet, die auf Twitter veröffentlicht wurden, nach Einschätzung der Behörde rechtswidrig sind und trotz Nutzerbeschwerden nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen von der Anbieterin gelöscht oder gesperrt wurden. Hierauf gründet das eingeleitete Bußgeldverfahren.

Systemisches Versagen des Beschwerdemanagements
Bei vereinzelten Verstößen von Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke gegen die Prüf- und Löschpflichten des NetzDG kann in der Regel noch nicht angenommen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird. Bußgeldbewehrt ist aber ein systemisches Versagen des Beschwerdemanagements, das vorliegt, wenn Verfehlungen gegen die einschlägigen Vorgaben des NetzDG zeit- und sachnah wiederholt auftreten.

Die dem Bußgeldverfahren gegen die Anbieterin von Twitter zugrundeliegenden Inhalte weisen einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auf und sind daher geeignet, ein systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin zu begründen. Sie wurden in einem Zeitraum von rund vier Monaten auf Twitter veröffentlicht und der Anbieterin von Twitter von Nutzerinnen und Nutzern als rechtswidrig angezeigt. Alle Inhalte enthalten ähnlich gelagerte, nicht gerechtfertigte, ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten. Sie erfüllen nach Einschätzung des BfJ den Tatbestand der Beleidigung.

Anhörung der Anbieterin und Vorabentscheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bonn
Das BfJ hat der Anbieterin von Twitter nunmehr zu dem Vorwurf eines systemischen Versagens des Beschwerdemanagements Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Im weiteren Verfahren wird das BfJ die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente prüfen. Sollte das BfJ zum Ergebnis kommen, dass der Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens weiterhin berechtigt ist, wird das BfJ beim Amtsgericht Bonn die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beantragen und zugleich die Stellungnahme der Anbieterin vorlegen.

Vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids gegen Anbieter sozialer Netzwerke wegen fehlerhafter Nichtlöschung oder Nichtsperrung rechtswidriger Inhalte soll nach § 4 Absatz 5 NetzDG die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhalte herbeigeführt werden. Zuständig für dieses sogenannte Vorabentscheidungsverfahren ist das Amtsgericht Bonn.

Sollte das Amtsgericht Bonn die Rechtswidrigkeit der Inhalte feststellen, kann das BfJ eine Geldbuße gegen die Anbieterin von Twitter festsetzen.



BGH: Zustellungen an Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG

BGH
Beschluss vom 10.11.2022
I ZB 10/22
ZPO § 890 Abs. 1 und 2; NetzDG § 1 Abs. 3 und 4, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2


Der BGH hat entschieden, dass Zustellungen an den Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG wirksam bewirkt werden können.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Frage, ob Zustellungen an den gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG.

b) Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist. Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZB 10/22 - OLG Köln - LG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundestag nimmt den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes - NetzDG an

Der Bundestag hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes - NetzDG in der in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung angenommen.

LG Frankenthal: Facebook darf Nutzerbeitrag bei Verdacht auf Hassposting vorübergehend sperren und prüfen

LG Frankenthal
Urteil vom 08.09.2020
6 O 23/20


Das LG Frankenthal hat entschieden, dass Facebook einen Nutzerbeitrag bei Verdacht Hassposting vorübergehen sperren und prüfen darf.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Antrag Ziff. 1 auf Berichtigung der bei der Beklagten gespeicherten Daten des Klägers dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 18.10.2019 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird, ist unbegründet.

Der Kläger kann sich nicht auf einen solchen Anspruch gegenüber der Beklagten aus Art. 16 Satz 1 DSGVO berufen. Aus Art. 16 Satz 1 DSGVO folgt das Recht der betroffenen Person, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Hinsichtlich der Unrichtigkeit der Daten ist aufgrund des Zusammenhangs und des Zwecks auf den Zeitpunkt der Datenerfassung abzustellen. Werturteile, die aufgrund der Datenverarbeitung entstehen, unterfallen nicht dem Berechtigungsanspruch (vgl. LG Köln, Urt. v. 13.05.2019 – 21 O 283/18, Anlage B31).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nicht ersichtlich, dass unrichtige Daten des Klägers bzw. seines Nutzerkontos bei der Beklagten gespeichert sind. Vorliegend kann nur davon ausgegangen werden, dass eine Speicherung bezüglich des Nutzerkontos des Klägers dahingehend erfolgte, dass wegen eines angenommenen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards der streitgegenständliche Beitrag des Klägers sowie dessen Nutzerkonto am 18.10.2019 vorübergehend gelöscht bzw. gesperrt wurde, diese Löschung und Sperre aber am selben Tag wieder aufgehoben und der streitgegenständliche Beitrag wiederhergestellt wurde. Hierbei handelt es sich nicht um unrichtige Daten iSd Art. 16 Satz 1 DSGVO, da lediglich das tatsächliche Geschehen zutreffend wiedergegeben wurde. Insbesondere kommt es hier nicht darauf an, ob die Beklagte zur vorübergehenden Löschung des Beitrags und Sperrung des Nutzerkontos berechtigt war.

Es ist nicht ersichtlich, dass unrichtige Daten in der Form gespeichert wurden, dass tatsächlich ein Verstoß des Klägers gegen die Gemeinschaftsstandards erfasst wurde, weswegen der Kläger nun zu befürchten habe, dass bei etwaigen künftigen Verstößen ihn weitergehende Nachteile treffen würden. Die Beklagte hat im Rahmen der Klageerwiderung klargestellt, dass in den Daten des Klägers gerade nicht gespeichert ist, dass der Kläger mit der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Beitrags gegen die vertraglichen Bestimmungen verstoßen hat. Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Unrichtigkeit der Daten nicht nachgekommen, da die Speicherung anderer Daten weder darlegen noch beweisen konnte.

2. Der auf Feststellung der Erledigung gerichtete Antrag Ziff. 3 ist unbegründet. Der Antrag wäre begründet, wenn der Klageantrag Ziff. 3 zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig und/oder unbegründet geworden ist. Vorliegend war der ursprüngliche Klageantrag Ziff. 3 bereits im Zeitpunkt der Anhängigkeit unbegründet und ist nicht erst nachträglich unbegründet geworden. Der streitgegenständliche Beitrag wurde unstreitig am 18.10.2019 wiederhergestellt. Hinsichtlich des auf Wiederherstellung gerichteten ursprünglichen Klageantrags ist daher bereits am 18.10.2019 und somit vor Klageerhebung am 19.01.2020 Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB eingetreten.

3. Der Klageantrag Ziff. 4 auf Unterlassung einer erneuten Sperrung des Benutzerkontos sowie Löschung des Beitrags ist unbegründet. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch nicht nach §§ 1004, 241 Abs. 2 BGB zu, da es an der erforderlichen Voraussetzung der Wiederholungsgefahr fehlt.

a) Die tatsächliche Vermutung greift nicht, da es an einer früheren rechtswidrigen Beeinträchtigung fehlt. Die Beklagte war zur vorübergehenden Löschung des Beitrags und Sperrung des Nutzerkontos berechtigt, da der streitgegenständliche Beitrag den Anschein erweckte gegen die Gemeinschaftsstandards zu verstoßen.

aa) Die Parteien haben unstreitig einen Vertrag über die Nutzung des sozialen Netzwerks der Beklagten geschlossen, bei dem es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit Elementen des Miet-, Werk- sowie Dienstvertragsrechts handelt (so auch: OLG München, Beschl. v. 24.08.2018 – 18 W 1294/18, NJW 2018, 3115).

bb) Die Beklagte war aufgrund ihrer wirksam einbezogenen Gemeinschaftsstandards berechtigt, den streitgegenständlichen Beitrag des Klägers vorübergehend zu löschen als auch das Nutzerkonto des Klägers vorübergehend zu sperren.

(1) Bei den Gemeinschaftsstandards handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Die Bedingungen hat die Beklagte durch Veröffentlichung auf ihrer Homepage wirksam einbezogen. Weder die in den Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition von "Gewalt und Anstiftung" sowie der „Hassrede“ noch die hieran anknüpfende Sanktion der Nutzungsbedingungen verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 BGB (so auch: OLG Dresden, Beschl. v. 08.08.2018 – 4 W 577/18, NJW 2018, 3111 zur vorangegangenen Regelung).

(a) Der Bewertung sind die aktualisierten Gemeinschaftsstandards zugrunde zu legen, da diese wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen wurden. Der Kläger hat auf den detaillierten Vortrag der Beklagten zur erteilten Zustimmung vom 01.05.2018 (Bl. 302 d. A.) nicht mehr substantiiert erwidert. Gründe, warum die neuen Standards zum 19.04.2018 durch nachträgliche Zustimmung des Klägers nicht wirksam geworden sein sollen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht aus einer Unwirksamkeit der Einbeziehung auf Grund der im ursprünglichen Vertrag vorgesehenen Möglichkeit einer Anpassung der Gemeinschaftsstandards. Dass die Anbieter bekannter Onlinedienste ihre Nutzungsbedingungen fortdauernd anpassen, ist einem jeden durchschnittlich versierten Internetnutzer geläufig und kann keinesfalls als überraschend i.S.d. § 305c BGB bewertet werden. Der am 18.10.2019 geteilte streitgegenständliche Beitrag erfolgte nach dem Zeitpunkt der wirksamen Anpassung der Gemeinschaftsstandards im Frühjahr 2018.

(b) Die Regelungen sind insbesondere nicht unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligen. Es wird im Rahmen der Gemeinschaftsstandards ausführlich und verständlich ausgeführt, welche Art von Beiträgen durch die Beklagte nicht gestattet werden, da sie ihr soziales Netzwerk nicht für die Unterstützung von Hassorganisationen zur Verfügung stellen möchte. Insbesondere enthalten die Gemeinschaftsstandards eine ausführliche, in leicht verständlicher Sprache verfasste Definition der „Hassrede“ und „Hassorganisation“.

(c) Insbesondere erscheint die durch die Beklagte eröffnete Möglichkeit der Sperrung auch nicht ungewöhnlich i.S.d. § 305c BGB. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Vertrages hauptsächlich danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.1992 – VIII ZR 65/91, NJW 1992, 1236). Eine solche Abweichung ist hier nicht ersichtlich. Gemessen an den gesetzlichen Maßstäben können die Gemeinschaftsstandards für den durchschnittlichen Nutzer kaum als überraschend qualifiziert werden: Denn fast alle vergleichbaren Kommunikationsplattformen kennen in der ein oder anderen Form vergleichbare Verhaltensregeln; sie sind auch in der Öffentlichkeit hinreichend diskutiert worden, durchaus in Gestalt als Kritik bezüglich der Löschung bzw. Sperrung an sich zulässiger Inhalte durch soziale Netzwerke, aber auch im Rahmen der Diskussion um das NetzDG bzw. „hate speech“. Daher dürfte es jedem durchschnittlichen Nutzer bewusst sein, dass Betreiber sozialer Netzwerke sich entsprechende Rechte vorbehalten und versuchen, Teilnahmebedingungen bzw. Qualitätsstandards durchzusetzen, auch wenn in den letzten Jahren eine Verrohung der Kommunikationssitten um sich gegriffen hat. Ferner sind die Bedingungen nicht unüblich, wie die Vertragswerke bzw. Regeln anderer Plattformen zeigen, so dass der durchschnittliche Nutzer mit ihnen rechnen kann (Spindler, CR 2019, 238, 241).

(2) Unter Anwendung der wirksam einbezogenen Gemeinschaftsstandards im vorliegenden Fall durfte die Beklagte den streitgegenständlichen Beitrag dem ersten Anschein nach als Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards werten und daher vorübergehend sperren.

(a) Zunächst kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er sich durch das Teilen des streitgegenständlichen Beitrags den Inhalt nicht zu eigen macht. Bereits begrifflich ist das Teilen als konkludentes Zueigenmachen zu werten und zielt darauf ab, auf den geteilten Beitrag hinzuweisen. Etwas anderes könnte erst dann angenommen werden, wenn im Rahmen des Teilens durch einen ergänzenden Beitrag eine Distanzierung des Teilenden von dem Inhalt des geteilten Beitrags vorgenommen wird. Sodann könnte man das Teilen lediglich als Verweis auf fremde Inhalte und Meinungen ansehen. Vorliegend fehlt es jedoch an jeglicher Stellungnahme des Klägers zu dem geteilten Beitrag. Hieraus lässt sich nicht auf eine Distanzierung schließen. Vielmehr ist bei einem Teilen ohne einer ergänzenden Bemerkung davon auszugehen, dass der Teilende allein auf den geteilten Beitrag Bezug nehmen möchte und sich diesen zu eigen macht.

(b) Eine Abbildung von Adolf Hitler als Anführer der NSDAP, die zweifellos eine terroristische und kriminelle Organisation im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstellt, ist stets darauf zu prüfen, ob die Abbildung als Unterstützung dieser kriminellen Organisation zu werten ist. Vorliegend fehlt es an jeglicher kritischen Auseinandersetzung mit der Person Adolf Hitlers und es erfolgt ebenso wenig eine offensichtlich lächerliche Darstellung. Vielmehr kann die Darstellung Adolf Hitlers Game Boy spielend auf dem Sofa als Verharmlosung angesehen werden. Nach Auffassung des OLG München (Beschl. v. 30.11.2018 – 24 W 1771/18, GRUR-RS 2018, 50857) ist eine Abbildung samt Wortbeiträgen ohne jede Distanzierung als Unterstützung von Hitler bzw. der NSDAP zu werten. Aus verständiger und unvoreingenommener Sicht konnte der streitegegenständliche Beitrag im Rahmen einer ersten Überprüfung somit durchaus als Hassrede verstanden werden. Die vorübergehende Löschung ist daher keineswegs als willkürlich zu bewerten, sondern wurde durch den Beitrag des Klägers veranlasst. Aufgrund der in Betracht kommenden Hassrede war die Beklagte berechtigt im Rahmen einer schnellen Reaktion eine vorläufige Sperre des Beitrags vorzunehmen. Zudem ist ihr im Rahmen der ersten Beurteilung ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ohne dass dies im Falle einer fehlerhaften Ersteinschätzung sogleich weitere Rechtsfolgen nach sich zieht (LG Karlsruhe, Urt. v. 04.07.2019 – 2 O 160/18, Anlage B33).

b) Selbst wenn man die vorübergehende Löschung des Beitrags und Sperrung des Kontos nicht durch die Gemeinschaftsstandards als gedeckt ansehen würde - wovon das Gericht jedoch ausgeht -, fehlt es an der Wiederholungsgefahr. Das konkrete Verhalten der Beklagten, die noch am selben Tag den streitgegenständlichen Beitrag wiederherstellte und die Sperrung des Nutzerkontos aufhob, zeigt, dass diese konkludent anerkannt hat, dass der streitgegenständliche Beitrag nicht gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstößt. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte denselben Beitrag erneut löschen oder zum Anlass für eine erneute Sperrung des Nutzerkontos des Klägers nehmen wird (LG Köln, Urt. v. 13.05.2019 – 21 O 283/18, Anlage B31; LG Karlsruhe, Urt. v. 04.07.2019 – 2 O 160/18, Anlage B33). Es fehlt bereits an jeglichem Anhaltspunkt, warum die Beklagte den Beitrag überhaupt erneut prüfen und sodann bei erneuter Prüfung zu einem anderen Ergebnis kommen sollte (LG Hamburg, Urt. v. 02.12. 2019 – 322 O 109/19, Anlage B86).

4. Der Klageantrag Ziff. 5 ist bereits mangels Schlüssigkeit unbegründet. Ein Auskunftsanspruch kann sich grundsätzlich aus § 242 BGB ergeben, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 260 Rn. 4 m.w.N.). Verpflichtet ist dabei in der Regel derjenige, gegen den der Leistungsanspruch geltend gemacht werden soll, für den die Auskunft benötigt wird (Palandt/Grüneberg BGB, 78. Aufl. § 260 Rn. 9). Inwieweit die hier begehrten Informationen allerdings für die Durchsetzung der von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche erforderlich sind, ist weder ersichtlich noch schlüssig dargetan. Insbesondere ist es für die erhobenen Ansprüche vollkommen unerheblich, ob die Sperre durch die Beklagte selbst oder in ihrem Auftrag durch einen externen Dienstleister vorgenommen wurde. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Einschaltung von Drittunternehmen weitere Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte begründen könnte, zumal sich aus den AGB der Beklagten, insbesondere deren Datenrichtlinie, sehr weit gehende Rechte zur Nutzung und Weitergabe der von den Nutzern ihrer Dienste erhobenen Daten ergeben und nicht ersichtlich ist, dass durch die Offenlegung gegenüber beauftragten Unternehmen ein Schaden entstehen könnte (OLG München, Beschl. v. 22.08.2019 – 18 U 1310/19, BeckRS 2019, 26477). Der Kläger trägt auch nicht substantiiert vor, unter welchem Gesichtspunkt ihm Ansprüche gegen Dritte auf Grundlage der Auskunftserteilung zustehen könnten.

5. Der Auskunftsantrag Ziff. 6 ist ebenfalls unbegründet. Für die erhobenen Ansprüche ist es unerheblich, ob die Bundesregierung irgendwelche Erklärungen gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Löschung von Beiträgen abgegeben hat. Somit fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, inwiefern die begehrte Information zur Durchsetzung der Klageansprüche erforderlich ist. Ein Interesse des Klägers an der Auskunft darüber, ob die Beklagte „Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat“, legt der Kläger in seinem Vorbringen nicht schlüssig dar. Zudem werden auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, die für eine Einflussnahme der Bundesregierung oder sonstiger Bundesbehörden auf Sperrungen oder Löschungen durch die Beklagte sprechen könnten (OLG München, Beschl. v. 22.08.2019 – 18 U 1310/19, BeckRS 2019, 26477).

6. Der in Ziff. 7 geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz oder Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ i.H.v 1.500,00 € ist unbegründet, da er dem Kläger unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Ein Schadensersatzanspruch, sei es aus § 280 Abs. 1 oder §§ 823 ff. BGB, scheitert – ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen – daran, dass der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrags entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens und dessen Höhe trifft bei sämtlichen Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 280 Rn. 34; Palandt/Sprau, BGB, 78 Aufl. § 823 Rn. 80 f.).

a) Vorliegend fehlt es bereits nach dem klägerischen Vortrag an der schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 1.500,00 €. Nach der klägerischen Auffassung sind als Schadensersatz 50,00 € für jeden Tag, an welchem der Kläger sein Konto nicht nutzen konnte, zugrunde zu legen. Die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos dauerte im gegebenen Fall keine 24 Stunden, weswegen nicht einmal der Schadensersatz für einen Tag schlüssig dargelegt ist. Erst recht ist nicht ersichtlich, wieso der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers für ein paar Stunden ein Wert von 1.500,00 € zukommen solle.

b) Der Kläger verkennt darüber hinaus hinsichtlich des geltend gemachten Schadens, dass der zeitweiligen Einschränkung seiner privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten für sich genommen kein Vermögenswert zukommt. Die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. § 823 Rn. 133 ff.) einen Vermögensschaden begründen. Wegen eines immateriellen Schadens kann gem. § 253 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor. Der Kläger ist nicht in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt worden. Auf andere Rechtsgüter und absolute Recht ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 253 Rn. 11). Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu (OLG München, Urt. v. 07.01.2020 – 18 U 1491/19Pre, GRUR-RR 2020, 174).

7. Mangels zu bejahendem Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die in Ziff. 8 a) beantragte Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zudem sind unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens Rechtsverfolgungskosten nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig ist. Zum Zeitpunkt der Beauftragung war die Löschung und Sperrung bereits rückgängig gemacht worden, weswegen die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG München: Nutzer trägt Darlegungs- und Beweislast dafür dass Löschung oder Sperrung bei Facebook zu Unrecht erfolgte

OLG München
Urteil vom 18.02.2020
18 U 3465/19


Das OLG München hat entschieden, dass der betroffene Nutzer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine Löschung oder Sperrung bei Facebook zu Unrecht erfolgte, wenn der Nutzer wegen der vom Betreiber der Social-Media-Plattform verhängten Sanktionen Ansprüche geltend macht.

Leitsätze des Gerichts:

1. Dem Nutzer einer Social-Media-Plattform, die nach ihrer Zweckbestimmung einen allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch ermöglichen soll, steht aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und der mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gegen den Betreiber ein Anspruch darauf zu, dass eine von ihm eingestellte zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt wird (Bestätigung des Urteils des Senats v. 7.1.2020, 18 U 1491/19).

2. Der Nutzer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gegen ihn verhängte Sanktionen unberechtigt waren, denn mit der Behauptung, dass eine Löschung oder Sperrung zu Unrecht erfolgt sei, wirft er dem Betreiber der Social-Media-Plattform eine Pflichtverletzung vor, die er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat. Deren Betreiber trifft regelmäßig auch keine sekundäre Darlegungslast.

3. Ohne ausreichende Angaben des Nutzers zum konkreten Kontext des Beitrags kann regelmäßig nicht beurteilt werden, ob der Betreiber diesen zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder mit dessen Löschung seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Nutzer verletzt hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht München I hat seine internationale Zuständigkeit, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02 -, NJW 2003, 426), zutreffend bejaht.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Beklagte ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen um vertragliche Erfüllungsansprüche oder um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt, denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Beklagten im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „Facebook-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Klägers zu erfüllen.

Falls die Sperrung des Klägers bzw. die Löschung eines von ihm auf „Facebook“ eingestellten Beitrags ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte auch dieses primär am Wohnsitz des Klägers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Klägers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Beklagten auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 2.3.2010 - VI ZR 23/09 -, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313).

2. Die vom Landgericht unter Ziffer 1 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, dass die am 13.12.2017 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers auf www.facebook.com rechtswidrig war, kann aus prozessualen Gründen keinen Bestand haben. Der diesbezügliche Antrag ist bereits unzulässig, da damit entgegen § 256 Abs. 1 ZPO nicht die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses begehrt wird und es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehlt.

a) Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass die Klage nur auf die Feststellung einer Vorfrage oder eines Elements eines Rechtsverhältnisses gerichtet wäre, wenn auch grundsätzlich bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (vgl. BGH, Urteil vom 27.3.2015 - V ZR 296/13 -, NJW-RR 2015, 915; Urteil vom 3.5.1977 - VI ZR 36/74 -, BGHZ 68, 331, 332). Die Auslegung des Klageantrags ergibt nämlich, dass er auf die Feststellung zielt, der Beklagten habe gegenüber dem Kläger kein Recht zugestanden, am 13.12.2017 dessen Profil auf www.facebook.com zu sperren, also auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinn des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 17.6.2016 - V ZR 272/15 -, NJW-RR 2016, 1404). Es fehlt aber an dem für die Feststellungsklage notwendigen rechtlichen Interesse.

b) Gegenstand einer Feststellungsklage kann grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und die Zukunft ergeben können (BGH, Urteil vom 17.6.2016, a.a.O.; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 256 Rn. 3a). Da sich der vorliegende Feststellungsantrag auf eine Maßnahme der Beklagten bezieht, die unstreitig seit 13.1.2018 beendet ist, hängt die Zulässigkeit des Antrags davon ab, ob der Kläger noch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Beklagte eine „Sperrung“ seines Profils nicht vornehmen durfte. Davon kann auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers nicht ausgegangen werden.

aa) Der Kläger kann sein Feststellungsinteresse nicht mit seinem Rehabilitierungsbedürfnis begründen, denn die Rechtswidrigkeit der Sperrung ist Voraussetzung der mit der Klage ebenfalls geltend gemachten Wiederherstellungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche und in diesem Zusammenhang ohnehin inzident zu prüfen. Durch eine Bekanntgabe einer diese Ansprüche zusprechenden Entscheidung könnten mögliche Beeinträchtigungen des Ansehens des Klägers ebenso leicht behoben werden wie durch die Bekanntgabe eines Feststellungsurteils.

bb) Auch mit der Behauptung, dass die Beklagte bei künftigen Verstößen gegen ihre Gemeinschaftsstandards frühere Sperren berücksichtige und im Wiederholungsfalle längere Sperren anordne, lässt sich ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse nicht begründen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung hätte noch nicht zur Folge, dass der diese Sperrung betreffende Vermerk aus dem Datensatz der Beklagten entfernt oder auch nur korrigiert würde. Einen hierauf gerichteten Leistungsanspruch könnte der Kläger gesondert geltend machen. Ist dem Kläger aber eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, so ist im Interesse der endgültigen Klärung der Streitfrage in einem Prozess das erforderliche Feststellungsinteresse regelmäßig zu verneinen (vgl. Zöller/Greger a.a.O. § 256 Rn. 7a m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24.5.2019 - 18 U 335/19 Pre - und Urteil vom 7.1.2020 - 18 U 1491/19 Pre).

Falls eine Leistungsklage deswegen abgewiesen würde, weil die Beklagte tatsächlich keinen Vermerk über die frühere Sperrung gespeichert hat, wäre der Kläger dadurch auch nicht mehr beschwert.

cc) Anders als der Kläger meint, könnte das beantragte Feststellungsurteil keine „verbindliche Klarheit“ darüber schaffen, dass eine zukünftige Sperre durch die Beklagte nicht wegen Vertragsverstößen des Klägers durch Beiträge in Betracht komme, soweit diese keinen Straftatbestand erfüllten. Mit einem solchen Urteil würde mit Rechtskraft nach § 322 ZPO und damit „verbindlich“ nur über die Frage entschieden, ob die konkrete streitgegenständliche Äußerung in dem konkreten streitgegenständlichen Kontext die Beklagte zur Sperrung des Profils des Klägers berechtigt. Auf die Begründung des festgestellten Rechtsverhältnisses würde sich die Rechtskraft nicht erstrecken (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 322 Rn. 6/8).

3. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob die streitgegenständlichen Sperren durch ein beauftragtes Unternehmen und gegebenenfalls durch welches erfolgt sind.

a) Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind durchwegs nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich für vertragliche Ansprüche aus Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO in Verbindung mit der Rechtswahl in den besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2), für etwaige außervertragliche Ansprüche aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Der Kläger hat sein Bestimmungsrecht zugunsten des deutschen Rechts durch seine Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift (dort S. 18) ausdrücklich ausgeübt.

b) Aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lässt sich ein derartiger Auskunftsanspruch nicht ableiten.

c) Ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), wie ihn das Landgericht angenommen hat, besteht ebenfalls nicht, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm Ansprüche gegen etwaige Dritte, die von der Beklagten mit der Vornahme der Sperrungen beauftragt worden waren, zustehen könnten.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 1.8.2013 - VII ZR 268/11 -, NJW 2014, 155 m.w.N.). Besteht zwischen den Parteien ein Vertrag, reicht es aus, dass für den Leistungsanspruch oder die Einwendung, die mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 260 Rn. 6 m.w.N.). Bei gesetzlichen Ansprüchen muss dagegen - sofern es sich nicht um bestimmte erbrechtliche Ansprüche handelt - dargetan werden, dass der Anspruch, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, dem Grunde nach besteht; es genügt grundsätzlich nicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen wahrscheinlich gemacht werden (st. Rspr., vgl. BGHZ 74, 379, 381; BGH, Urteil vom 14.7.1987 - IX ZR 57/86 -, NJW-RR 1987, 1296; Palandt/Grüneberg a.a.O.). bb) Wegen einer von der Beklagten veranlassten Sperrung seines Profils können dem Kläger ausschließlich Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, weil rechtliche Grundlage aller denkbaren Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche der zwischen den Parteien bestehende Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB ist. Dritte haften dem Kläger wegen des relativen Charakters des Schuldverhältnisses weder auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Die Beklagte müsste sich vielmehr ein etwaiges Verschulden der von ihr mit der Vornahme der Sperrung beauftragten Personen nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil diese in Bezug auf die ihr obliegende Pflicht, Rücksicht auf die Rechte und Interessen des Klägers zu nehmen, ihre Erfüllungsgehilfen sind.

cc) In einer im Auftrag der Beklagten vorgenommenen Sperrung des Profils durch Dritte kann auch keine Verletzung des Klägers in absoluten Rechten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, etwa in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gesehen werden. Der Kläger verkennt, dass ihm die Möglichkeit, seine Meinung auf der von der Beklagten betriebenen Plattform zu äußern und zu verbreiten, nicht per se, sondern nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags eröffnet ist. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, auf die sich der Kläger beruft, prägt das zwischen den Parteien als rechtliche Sonderverbindung bestehende Schuldverhältnis, verwandelt die vertraglichen Ansprüche des Klägers auf Nutzung der von der Beklagten bereit gestellten Leistungen aber nicht in absolut geschützte Rechte, die von jedermann zu respektieren sind und deren Verletzung deliktische Schadensersatzansprüche auslösen kann.
B.

Die zulässige Anschlussberufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers darauf verneint, dass die Beklagte es unterlässt, den Kläger für das erneute Einstellen des im Tenor des angefochtenen Urteils unter Ziffer 2. wiedergegebenen Beitrags auf www.facebook.com zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

a) Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte bietet ihren Nutzern unter der Bezeichnung „Facebook-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.f. .com bereitstellt (vgl. hierzu die Definitionen unter Nr. 17.1 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“, vorgelegt als Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann. Es dürfte sich vielmehr um einen Vertrag sui generis handeln. Das ausführliche Regelwerk der Beklagten (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) lässt jedenfalls erkennen, dass die Beklagte ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

Mit Abschluss des Nutzungsvertrags hat der Kläger gegen die Beklagte einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Nutzung der von dieser angebotenen „Facebook-Dienste“ erworben. Da eine unberechtigte Einschränkung dieser Nutzung in der Vergangenheit, die die Beklagte mit einem Verstoß des Klägers gegen ihre Gemeinschaftsstandards rechtfertigte, die Besorgnis begründen würde, dass sie ihre vertraglichen Pflichten in Zukunft in gleicher Weise verletzen würde, könnte der Kläger nach § 259 ZPO grundsätzlich bereits jetzt auf Erfüllung in Form der Unterlassung der Nutzungseinschränkung klagen.

b) Aufgrund der fehlenden Angaben des Klägers zum konkreten Kontext des streitgegenständlichen Beitrags kann der Senat nicht beurteilen, ob die Beklagte diesen zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder mit dessen Löschung ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat. Da der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die gegen ihn verhängten Sanktionen unberechtigt waren, geht diese Ungewissheit zu seinen Lasten und führt zur Abweisung des Unterlassungsantrags.

aa) Die Verurteilung der Beklagten zur Wiederherstellung des streitgegenständlichen Beitrags, die vom Landgericht mit der Rechtswidrigkeit der Löschung begründet wurde, ist zwar rechtskräftig. Der Senat ist an diese Einschätzung des Landgerichts aber bei der Entscheidung über die sonstigen Klageanträge nicht gebunden, denn bei der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der Löschung handelt es sich bei allen Leistungsanträgen im vorliegenden Verfahren um eine bloße Vorfrage, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt (Zöller/Vollkommer a.a.O. vor § 322 Rn. 28 f. m.w.N.).

bb) Der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber verpflichtet seinem Inhalt nach gemäß § 241 Abs. 2 BGB beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Die Beklagte ist in dem durch den Zweck der von ihr betriebenen Plattform, den Nutzern einen allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch zu ermöglichen, vorgegebenen Rahmen grundsätzlich berechtigt, die den Nutzern obliegenden Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln zu konkretisieren (vgl. Senat, Beschluss vom 17.9.2018 - 18 W 1383/18 -, NJW 2018, 3119; Beschluss vom 12.12.2018 - 18 W 1873/18). Mit solchen Verhaltensregeln definiert der Plattformbetreiber zugleich seine eigenen Rechte, Rechtsgüter und Interessen, auf die der Nutzer gemäß § 241 Abs. 2 BGB bei der Inanspruchnahme der bereit gestellten Leistungen Rücksicht zu nehmen hat. Dabei muss jedoch im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von einer Plattform mit der vorgenannten Zweckbestimmung entfernt werden darf.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als sie zugleich Elemente objektiver Ordnung enthalten, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 - 2 BvR 487/80 -, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/51 -, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 - 2 BvR 487/80 -, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrags bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung auch dem Grundrecht des Nutzers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist.

Eine zulässige Meinungsäußerung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Äußerung dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GG unterfällt. Andererseits ist eine Meinungsäußerung aber nicht erst dann unzulässig, wenn sie einen Straftatbestand erfüllt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre sowie in kollidierendem Verfassungsrecht (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 5 Rn. 43). Als ausländische juristische Person des Privatrechts kann sich die Beklagte zwar gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht unmittelbar auf die Grundrechte des Grundgesetzes berufen. Ihr kommen aber durchaus „eigentumsähnliche“ Rechte an der von ihr bereit gestellten Plattform zu. Zudem ist auf Seiten der Beklagten die Europäische Grundrechtscharta (EuGRCh) einzustellen, die auch juristische Personen schützt und deren Art. 16 die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ausdrücklich anerkennt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 - 1 BvR 276/17 - ZUM-RD 2020, 1, 13).

Im Hinblick auf die fundamentale Bedeutung, die der Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88 -, BVerfGE 85, 1), kann die Entscheidung über die Entfernung der dort eingestellten Inhalte nicht im Ermessen des Plattformbetreibers liegen. Andererseits muss ihm zumindest das Recht zustehen, Inhalte mit einem strafbaren oder die Rechte Dritter verletzenden Inhalt von der Plattform zu entfernen, weil er andernfalls Gefahr läuft, berechtigten Klagen auf Löschung solcher Inhalte oder anderen Sanktionen ausgesetzt zu sein.

(2) Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Löschung einer Äußerung zwar nicht unmittelbar auf Ziffer 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ in der zum Zeitpunkt der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags am 13.12.2017 geltenden Fassung (Anlage KTB 1) stützen, da diese Klausel die Löschung in das freie Ermessen der Beklagten stellt und dadurch den Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dagegen ist die Klausel betreffend die Entfernung von „Hassbotschaften“ in den bis zum 19.4.2018 geltenden „Gemeinschaftsstandards“ der Beklagten (Anlage KTB 3, S. 11 f., bzw. Anlage B 3) wirksam, da sie an objektive, gerichtlich überprüfbare Gesichtspunkte anknüpft.

Die Befugnis der Beklagten zur Verhängung temporärer Sperren gegen einen Nutzer, der gegen diese Gemeinschaftsstandards verstoßen hat, ergibt sich aus Ziffer 14 der „Erklärung über Rechte und Pflichten“ (Anlage KTB 1). Diese Klausel ist zwar mit „Beendigung“ überschrieben. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte sich in dieser Klausel die Befugnis vorbehält, auf einen Verstoß des Nutzers gegen den Inhalt dieser Erklärung hin „die Bereitstellung von Facebook … ganz oder teilweise ein(zu) stellen“.

cc) Ob eine Äußerung auf der Plattform der Beklagten gegen deren Gemeinschaftsstandards verstößt oder zulässig ist, kann, wenn die Äußerung nicht bereits gegen ein allgemeines Gesetz verstößt, regelmäßig nur aufgrund einer Abwägung zwischen den kollidierenden Rechtspositionen des Nutzers und der Beklagten festgestellt werden.

(1) Unabdingbare Voraussetzung für die zutreffende rechtliche Bewertung des streitgegenständlichen Beitrags ist die Ermittlung seines vollständigen Aussagegehalts. Maßgeblich dafür ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Bei der Interpretation ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, der ihren Sinn aber nicht abschließend festlegt. Dieser wird vielmehr auch von dem Kontext bestimmt, in dem die umstrittene Äußerung steht, und von den Begleitumständen, unter denen sie fällt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, NJW 1995, 3303/3305). Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteile vom 22.9.2009 - VI ZR 19/08; vom 3.2.2009 - VI ZR 36 /07; vom 16.11.2004 - VI ZR 298/03).

(2) Der streitgegenständliche Facebook-Beitrag ist nicht aus sich heraus verständlich, denn er bezieht sich mit der einleitenden Frage „Ja, und jetzt?“ erkennbar auf eine vorangegangene Äußerung, die er kommentiert. Der Beitrag selbst lässt erkennen, dass er sich gegen „Schlepper“ wendet und für das Schützen von Grenzen eintritt. Er äußert ferner, dass jeder, der sich in ein Schlauchboot setze, das Risiko kenne, und bezieht sich dabei offensichtlich auf Personen, die keine Deutschen sind, da er einen - ironischen - Vergleich mit „uns doofen Deutschen“ anstellt. Wegen des erkennbaren Bezugs zu „Ethnizität“ oder „nationaler Herkunft“ der Personen, mit denen sich der Beitrag befasst, ist nicht fernliegend oder gar ausgeschlossen, dass er in einem denkbaren Kontext als „Hassbotschaft“ im Sinn der bis zum 19.4.2018 geltenden Gemeinschaftsstandards oder als „Hassrede“ im Sinn der jetzt maßgeblichen Gemeinschaftsstandards (Anlage B 35) gewertet werden könnte. Das gilt insbesondere dann, wenn der Beitrag die Kommentierung eines Artikels über im Mittelmeer ertrunkene Migranten darstellte, wie die Parteien in erster Instanz übereinstimmend vorgetragen haben (u.a. auf S. 11 der Klageschrift. Bl. 11 d.A., und S. 2 der Klageerwiderung, Bl. 64 d.A.).

(3) Den näheren Kontext, insbesondere den genauen Inhalt des kommentierten Beitrags, gibt der Kläger nicht an. Auf genauen Vortrag zum Kontext der streitgegenständlichen Äußerung kann im vorliegenden Fall auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Beklagte die Verurteilung zur Wiederherstellung des gelöschten Beitrags hingenommen hat und nach ihrem Berufungsvorbringen nicht mehr an der Ansicht festhält, dass dieser gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen habe. Ob ein solcher Verstoß vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu entscheiden ist und nicht zugestanden werden kann. Gegenstand eines Geständnisses im Sinn des § 288 ZPO können nur Tatsachenbehauptungen sein, an denen es hier gerade fehlt.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die gegen den Kläger verhängten Sanktionen unberechtigt waren, trägt entgegen seiner Ansicht der Kläger, nicht die Beklagte, denn mit der Behauptung, dass eine Löschung oder Sperrung zu Unrecht erfolgt sei, wirft der Kläger der Beklagten eine Pflichtverletzung vor, die er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat. Da der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen ist, war der Unterlassungsantrag abzuweisen.

(4) Die Beklagte trifft insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast. Eine solche wäre dann anzunehmen, wenn der primär darlegungsbelastete Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stünde und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln könnte, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.6.2016 - VI ZR 559/14, Rn. 18, NJW 2016, 3244).

Im vorliegenden Fall fehlt es erkennbar bereits an der ersten Voraussetzung, denn es handelt sich um die Umstände einer eigenen Handlung des Klägers. Der Senat geht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon aus, dass der Kläger den streitgegenständlichen Beitrag in unbeschränkt geschäftsfähigem Zustand wissentlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt hat und dabei sowohl die Äußerung, die er damit kommentierte, als auch die Seite, die er benutzte, kannte.

Die bloße Behauptung, er könne sich nicht daran erinnern, ändert an der Darlegungslast des Klägers nichts, denn sie ist nicht näher begründet und erscheint wenig glaubhaft. Wie allgemein bekannt ist, folgen die Sanktionen der Beklagten in der Regel rasch auf die - angeblichen - Verstöße der Nutzer und der Kläger hat nicht behauptet, dass es im vorliegenden Fall anders gewesen sei. Da er noch am Tag der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags und Sperrung seines Nutzerkontos mit anwaltlicher Hilfe dagegen vorgegangen ist, erscheint es nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass er den Gegenstand der Auseinandersetzung mit der Beklagten besonders gut im Gedächtnis behielt. Dafür spricht auch, dass er den ungefähren Inhalt des streitgegenständlichen Beitrags bei Klageerhebung „aus der Erinnerung beschrieben“ hat (S. 5 des Schriftsatzes vom 11.12.2018, Bl. 151 d.A.).

2. Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft darüber versagt, ob sie Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonstige Vorschläge der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen in Bezug auf die Löschung von Beiträgen oder die Sperrung von Nutzern erhalten hat.

a) Eine Anspruchsgrundlage für dieses Auskunftsbegehren ist nicht ersichtlich. Einem Anspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen bereits der Umstand entgegen, dass Ansprüche des Klägers gegen die Bundesregierung und dieser nachgeordnete Stellen im Zusammenhang mit der Löschung von Beiträgen und der Sperrung seines Profils, deren Vorbereitung die verlangte Auskunft dienen könnte, aus Rechtsgründen von vornherein ausgeschlossen sind. Wie oben unter A. 3. c) dargelegt, finden sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm auf Facebook eingestellten Beitrages oder einer von der Beklagten gegen ihn verhängten Sperrung ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis und richten sich deshalb gegen die Beklagte als seine Vertragspartnerin.

b) Für Weisungen der Bundesregierung oder sonstiger Bundesbehörden an die Beklagte fehlt es im Übrigen an einer Rechtsgrundlage. Selbst wenn die Beklagte mit den streitgegenständlichen Löschungen und Sperrungen rechtswidrigen Weisungen der Bundesregierung nachgekommen wäre, wofür der Kläger keinerlei belastbare Tatsachen vorträgt, würde dies nichts daran ändern, dass für diese Maßnahmen und deren Folgen dem Kläger gegenüber allein die Beklagte verantwortlich wäre. Das gilt erst recht, wenn die Beklagte unverbindlichen Hinweisen, Ratschlägen oder sonstigen Vorschlägen nachgekommen sein sollte.

c) Der Kläger legt in seiner Berufungsbegründung auch nicht dar, dass Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Bundesregierung auf Sperrungen oder Löschungen durch die Beklagte bestehen, die über die aus den Anlagen K 7 bis K 12 ersichtlichen politischen Meinungsäußerungen und das Einbringen des Gesetzentwurfs zum NetzDG hinaus gehen.

Dieses Gesetz, in dem der Kläger die Grundlage für das Vorgehen der Beklagten zu sehen scheint, ist keine Weisung der Bundesregierung oder einer nachgeordneten Behörde, sondern ein formelles Gesetz, das vom Bundestag beschlossen wurde und veröffentlicht ist; einer Auskunft der Beklagten darüber bedarf der Kläger nicht.

3. Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.500 € steht dem Kläger unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) lägen auch dann nicht vor, wenn die zeitweilige Sperre rechtswidrig gewesen wäre.

aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Kollision mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Bei der Prüfung der Frage, ob die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Rn. 38, NJW 2014, 2029).

bb) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch die vorübergehende - teilweise - Sperrung seines Nutzerkontos nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Zwar ergibt sich aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit und der durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber dem Staat ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen ungerechtfertigte und insbesondere unverhältnismäßige Verbote jeder Art. Diesen grundrechtlichen Gewährleistungen, die unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze stehen, lässt sich aber nicht mit derselben Allgemeinheit eine Wertentscheidung der Verfassung entnehmen, nach der in jedem Privatrechtsstreit die unbenannte Freiheit zu jedwedem selbstbestimmten Handeln die Auslegung des Privatrechts im Wege der mittelbaren Drittwirkung anleiten müsste. Die Freiheit, nach subjektivem Belieben ein bestimmtes Verhalten zu verwirklichen, kann privatrechtlichen Veranstaltern oder Plattformbetreibern wie der Beklagten nicht unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit schon grundsätzlich zur Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse oder ihrer unternehmerischen Freiheit entgegengehalten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09 -, NJW 2018, 1667).

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis über § 241 Abs. 2 BGB durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte der Parteien geprägt wird, beeinträchtigt daher eine pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Kläger ohnehin nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

cc) Auch wenn man die bestehende Einschränkung, während der befristeten Sperre Beiträge auf Facebook einzustellen, als Beeinträchtigung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werten wollte, läge im Übrigen - auch ihre Rechtswidrigkeit unterstellt - jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Die Funktionseinschränkung war auf 30 Tage befristet. Dass dem Kläger während dieser Zeit nicht nur das Einstellen weiterer Beiträge, sondern auch der Zugriff auf seine „höchstpersönlichen Inhalte“ verwehrt gewesen sei, hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten konnte der Kläger auch während der Sperrfrist auf sein Konto zugreifen und Inhalte auf dem Facebook-Dienst zur Kenntnis nehmen. Er konnte während dieser Zeit lediglich keine Beiträge auf Facebook veröffentlichen, war aber nicht daran gehindert, seine Meinung auf andere Weise kundzutun.

b) Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr kann der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen.

Er hat weder nachvollziehbar vorgetragen, dass und warum die von ihm der Beklagten zur Verfügung gestellten Daten einen Nutzwert von 50 € pro Tag hatten, noch dass die Beklagte während des Zeitraums der Sperrung seine persönlichen Daten tatsächlich zu Werbezwecken oder anderweitig genutzt und dadurch Einnahmen erzielt hat. Zudem hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift mit Abschluss des Nutzungsvertrages die Einwilligung zur umfassenden Nutzung seiner Beiträge und Daten erteilt, ohne einen Vorbehalt für den Fall vorübergehender Sperrung der Möglichkeit, aktiv Beiträge einzustellen, zu erklären. Eine rechtsgrundlose Nutzung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützter Daten liegt demnach nicht vor.

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung, im Folgenden: DSGVO) aus. Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten des Klägers durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DSGVO, denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Diese Zustimmung gilt auch für die Sperrung des Nutzerkontos des Klägers, zumal, wie oben ausgeführt, von deren Rechtmäßigkeit auszugehen ist, und umfasst auch den Zeitraum der Sperrung.

d) Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden ist, hat er nicht dargelegt. Entgegen seiner Ansicht kommt der zeitweiligen Einschränkung seiner privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf „Facebook“ und dem Verlust der Kontrolle über seine personenbezogenen Daten - auch wenn ein solcher Verlust eingetreten sein sollte - für sich genommen kein Vermögenswert zu.

4. Einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Gesamtumfang von 1.763,82 € (vgl. die Aufschlüsselung im Berufungsantrag 5) hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

a) Der Anspruch auf Wiederherstellung des zuletzt streitgegenständlichen Beitrags ist dem Kläger zwar rechtskräftig zugesprochen worden. In dem Schreiben vom 13.12.2017 (Anlage KTB 13) hat der Klägervertreter jedoch auf den zunächst in der Klage genannten Text Bezug genommen, der nicht Gegenstand des angegriffenen Urteils ist, und die Beklagte zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden.

b) Die übrigen von seinem Prozessbevollmächtigten mit vorgenanntem Schreiben außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger, wie oben dargelegt, nicht zu. Ob es dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, die Beklagte zunächst selbst auf Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen, kann daher dahinstehen.

c) Die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die für die Einholung von Deckungszusagen der Rechtsschutzversicherung angefallen sind, könnte der Kläger unabhängig davon nicht verlangen.

Selbst wenn man annimmt, dass die Deckungsanfrage überhaupt eine besondere Angelegenheit ist, für die dem Rechtsanwalt eine gesonderte Gebühr zusteht, und es sich nicht um eine Vorbereitungshandlung im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG handelt (so aber OLG München, Urteil vom 4.12.1990 - 13 U 3085/90 -, JurBüro 1993, 163; offen gelassen von BGH, Urteil vom 9.3.2011 - VIII ZR 132/10 -, NJW 2011, 1222), bedarf es für den Gebührenanspruch eines gesonderten Auftrags zur Einholung der Deckungszusage und eines auftragsgemäßen Tätigwerdens des Rechtsanwalts. Dazu trägt der Kläger nichts vor. Angesichts dessen, dass nach der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellung in dem landgerichtlichen Urteil die streitgegenständliche Löschung und Sperrung am 13.12.2017 erfolgte und der Klägervertreter sich deswegen noch am selben Tag an die Beklagte wandte, erscheint es jedenfalls fernliegend, dass er vorher eine Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit eingeholt hatte.

Auch wenn ein Auftrag und eine entsprechende Tätigkeit vorliegt, sind solche Kosten nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 9.3.2011 a.a.O.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2011 - 1 U 105/11 -, juris). Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar allgemein ausgeführt, dass eine Deckungsanfrage in Fällen wie dem hier vorliegenden ohne Einschaltung eines Anwalts „typischerweise“ abschlägig beschieden werde. Dass die Rechtsschutzversicherung des Klägers im konkreten Fall eine Deckungszusage jedenfalls zunächst verweigert hätte und in Schreiben des Prozessbevollmächtigten an die Versicherung - wenn es solche gegeben haben sollte - entscheidende Argumente enthalten gewesen wären, die der Kläger nicht auch selbst hätte vorbringen können, hat er aber weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Bundesregierung hat Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) in der Fassung vom 27.04.2020 vorgelegt

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) in der Fassung vom 27.04.2020 vorgelegt.

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verabschiedet

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verabschiedet. Auch nach den erneuten Änderungen ist der Ansatz verfehlt und die Umsetzung missglückt.

Die Pressemitteilung des BMJV:

NetzDG- Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Die Bundesregierung hat am 01.04.2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) beschlossen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Mit der Reform stärken wir die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke. Wir stellen klar: Meldewege müssen für jeden mühelos auffindbar und leicht zu bedienen sein. Wer im Netz bedroht und beleidigt wird, muss die Möglichkeit haben, dies dem sozialen Netzwerk einfach und unkompliziert anzuzeigen. Darüber hinaus vereinfachen wir die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen: Wer sich vor Gericht gegen Bedrohungen oder Beleidigungen zur Wehr setzen will, soll die hierfür erforderlichen Daten deutlich leichter herausverlangen können als bisher. Außerdem verbessern wir den Schutz vor unberechtigten Löschungen: Betroffene können künftig verlangen, dass die Entscheidung über die Löschung ihres Beitrags überprüft und begründet wird. Dies erhöht die Transparenz und schützt vor unberechtigten Löschungen.“

Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs:
Nutzerrechte stärken:
Wird ein eigener Post gelöscht oder ein als rechtswidrig gemeldeter beibehalten, können Nutzerinnen und Nutzer künftig vom sozialen Netzwerk die Überprüfung dieser Entscheidung verlangen. Das Ergebnis dieser Überprüfung muss das soziale Netzwerk gegenüber dem Nutzer bzw. der Nutzerin individuell begründen. Zu diesem Zweck müssen die sozialen Netzwerke ein sogenanntes Gegenvorstellungsverfahren einführen. Zudem wird gesetzlich klargestellt, dass an den Zustellungsbevollmächtigten auch Schriftstücke bei Wiederherstellungsklagen, mit denen eine Nutzerin oder ein Nutzer die Aufhebung einer Löschung (sogenanntes „Put-back“) verlangt, zugestellt werden können. Dadurch wird der Schutz der Nutzerinnen und Nutzer gegen unberechtigte Löschungen und Account-Sperrungen verbessert.

Meldewege nutzerfreundlicher gestalten:
Die Vorgaben für die Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden der Nutzerinnen und Nutzer über rechtswidrige Inhalte werden zur Klarstellung um weitere nutzerfreundliche Aspekte ergänzt wie etwa leichte Bedienbarkeit oder Erkennbarkeit des Meldewegs vom Inhalt aus.

Durchsetzung von Auskunftsansprüchen vereinfachen:
§ 14 Telemediengesetz (TMG) wird dahingehend ergänzt, dass zukünftig das mit der Zulässigkeit zur Datenherausgabe befasste Gericht zugleich auch die Verpflichtung des sozialen Netzwerks zur Datenherausgabe anordnen kann. Dadurch wird das Verfahren vereinfacht, das Betroffene anstrengen müssen, um von Anbietern sozialer Netzwerke Auskünfte beispielsweise über die Identität eines Beleidigers zu erhalten.

Aussagekraft der Transparenzberichte erhöhen:

Die Informationspflichten für die halbjährlichen Transparenzberichte werden um verschiedene Aspekte ergänzt. Künftig müssen Veränderungen im Vergleich zu vorherigen Berichten erläutert werden. Zudem müssen die sozialen Netzwerke insbesondere Angaben zur Anwendung und zu Ergebnissen von Gegenvorstellungsverfahren machen und über automatisierte Verfahren zum Auffinden und Löschen von rechtswidrigen Inhalten berichten.
Darüber hinaus muss künftig in den Berichten aufgeführt werden, ob und inwiefern die sozialen Netzwerke unabhängigen Forschungseinrichtungen Zugang zu anonymisierten Daten für wissenschaftliche Zwecke gewähren. Über den Zugang zu anonymisierten Daten der Netzwerke könnten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wichtige Erkenntnisse gewinnen, welche Personengruppen systematisch - und in Bezug auf welche Eigenschaften - das Ziel rechtswidriger Inhalte im Netz sind und inwiefern abgestimmte und koordinierte Verhaltensweisen von Verfasserinnen und Verfassern rechtswidriger Inhalte vorliegen.

Anlass des Gesetzentwurfs ist die Umsetzung der geänderten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), die bis zum 19. September 2020 in nationales Recht umzusetzen ist. Die geänderte AVMD-RL sieht Compliance-Pflichten zum Schutz vor strafbaren Inhalten auf Videosharingplattform-Diensten vor, auch für kleinere sowie themenspezifische Anbieter, beispielsweise Plattformen zum Verbreiten von Games-Videos. Entsprechend weitet der Gesetzentwurf den Anwendungsbereich auf solche Anbieter von Videosharingplattform-Diensten aus.

Neben diesen europäischen Vorgaben wird der Anlass genutzt, um auf Basis der bisherigen Erkenntnisse aus der Anwendung des NetzDG Verbesserungen für Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke zu schaffen. Der Gesetzentwurf ergänzt die Änderungen im NetzDG, die mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 19. Februar 2020 vorgeschlagen wurden.


BMJV: Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)

Das BMJV hat erneut einen missglückten Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BMJV:

Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat heute einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) veröffentlicht.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt hierzu:
„Ziel des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist es, Hass und Hetze im Netz effektiv und konsequent einzudämmen.
Mit der Weiterentwicklung dieses Gesetzes stellen wir klar: Wer im Netz bedroht und beleidigt wird, muss das dem Netzwerk einfach und unaufwendig melden können – und zwar direkt vom Posting aus. Zudem stärken wir die Nutzerrechte: Nutzerinnen und Nutzer bekommen künftig geeignete Mittel an die Hand, um die Entscheidung von Netzwerken, ein Posting zu löschen oder beizubehalten, überprüfen zu lassen.“

Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs:

Stärkung der Nutzerrechte: Wenn ein eigenes Posting gelöscht oder ein als rechtswidrig gemeldetes, beibehalten wird, können Nutzerinnen und Nutzer künftig vom sozialen Netzwerk die Überprüfung dieser Entscheidung verlangen. Dafür müssen die Plattformen ein sog. Gegenvorstellungsverfahren einführen. Zudem wird gesetzlich klargestellt, dass an den Zustellungsbevollmächtigten auch Schriftstücke bei Wiederherstellungsklagen zugestellt werden können. Dadurch wird der Schutz gegen unberechtigte Löschungen und Account-Sperrungen verbessert.

Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit der Meldewege: Die Vorgaben für die Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte werden klarstellend um weitere Aspekte der Nutzerfreundlichkeit ergänzt (leichte Bedienbarkeit, Erkennbarkeit des Meldewegs vom Inhalt aus).

Vereinfachung der Durchsetzung von Auskunftsansprüchen: § 14 Telemediengesetz (TMG) wird dahingehend ergänzt, dass zukünftig das mit der Zulässigkeit zur Datenherausgabe befasste Gericht zugleich auch die Verpflichtung des sozialen Netzwerks zur Datenherausgabe anordnen kann. Dadurch wird das Verfahren vereinfacht, das Betroffene anstrengen müssen, um von Online-Anbietern Auskünfte beispielsweise über die Identität des Beleidigers zu erhalten.

Erhöhung der Aussagekraft der Transparenzberichte: Die Informationspflichten für die halbjährlichen Transparenzberichte werden um verschiedene Aspekte ergänzt. Künftig müssen insbesondere Angaben zu Personengruppen, die besonders häufig von Hassrede betroffen sind, zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Auffinden und Löschen von Inhalten sowie zur Anwendung und zu Ergebnissen von Gegenvorstellungsverfahren gemacht werden.

Anlass des Gesetzentwurfs ist die geänderte Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), die bis zum 19. September 2020 in nationales Recht umzusetzende Compliance-Vorgaben zu Videosharingplattform-Diensten enthält. Aufgrund der Überschneidungen zum NetzDG, wird die AVMD-RL teilweise dort umgesetzt. Gleichzeitig wird dieser Anlass genutzt, um auf Basis der bisherigen Erkenntnisse aus der Anwendung des NetzDG, Verbesserungen für Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke zu schaffen.

OLG Oldenburg: Anspruch gegen Facebook auf Wiedereinstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags wenn nach Abwägung kein Verstoß gegen NetzDG besteht

OLG Oldenburg
Urteil vom 01.07.2019
13 W 16/19


Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass ein Anspruch gegen Facebook auf Wiedereinstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags besteht, wenn nach Abwägung kein Verstoß gegen das NetzDG vorliegt.

Die Pressemitteilung des OLG Oldenburg:

Facebook muss gelöschten Post wieder einstellen

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat jetzt in einem Eilverfahren Facebook dazu verpflichtet, einen ursprünglich gelöschten Post wieder einzustellen. Das Recht der Meinungsfreiheit werde sonst in unzulässigem Maße eingeschränkt, so die Richter.

Der klagende Facebook-Nutzer hatte auf seinem Account ein Mitglied des Zentralrats der Muslime kritisiert und es als feige bezeichnet, dass dieser bestimmte Informationen aus dem Netz wieder gelöscht hatte. Hintergrund war, dass das Mitglied des Zentralrats sich negativ über eine Islamkritikerin geäußert hatte.

Facebook löschte die Kritik des Klägers. Die aufgestellten Behauptungen seien unwahr und beleidigend. Es handele sich um „Hassrede“.

Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen Internetplattformen wie Facebook rechtswidrige Kommentare löschen. „Hassreden“ sollen nicht im Netz stehenbleiben dürfen. Auch nach den Geschäftsbedingungen von Facebook sind „Hassreden“ verboten. Dabei kann es aber manchmal schwierig sein, festzustellen, ob ein Kommentar rechtswidrig ist oder nicht.

Das Landgericht wies den Antrag des Klägers, Facebook zur Wiedereinstellung des Beitrags zu verpflichten, zurück. Dagegen zog der Kläger vor das Oberlandesgericht Oldenburg. Nachdem der Kläger die von ihm behaupteten Tatsachen belegt hatte, hatte er Erfolg. Weder die Darstellung richtiger Tatsachen noch die Bewertung einer Handlung als feige seien rechtswidrig. Die Bewertung stelle eine zulässige Meinungsäußerung dar.

Facebook müsse auch bei der Anwendung seiner Geschäftsbedingungen im Einzelfall abwägen, ob das Persönlichkeitsrecht einer Person mehr Gewicht zukomme als der Schutz der Meinungsfreiheit einer anderen Person. Vorliegend sei die Grenze zur „Hassrede“ noch nicht überschritten. Die Sache sei auch dringlich, so dass im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden werden müsse, so der Senat. Denn anderenfalls laufe der Kläger Gefahr, dass Facebook einen nächsten, ähnlichen Post wiederum löschen und damit dem Kläger die Möglichkeit nehmen würde, seine Meinung frei zu äußern.

Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 13 W 16/19, Urteil vom 1. Juli 2019




Bundesamt für Justiz: Bußgeld in Höhe von 2 Millionen EURO gegen Facebook Ireland Limited - Verstoß gegen Netzwerk­durchsetzungsgesetzes (NetzDG)

Das Bundesamt für Justiz hat ein Bußgeld in Höhe von 2 Millionen EURO gegen die Facebook Ireland Limited verhängt. Auslöser sind Verstöße gegen das Netzwerk­durchsetzungsgesetzes (NetzDG).

Die Pressemitteilung des Bundesamts für Justiz:

Bundesamt für Justiz erlässt Bußgeldbescheid gegen Facebook

Bonn. Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat einen Bußgeldbescheid gegen die Facebook Ireland Limited erlas­sen, da das Unternehmen bei der Veröffentlichung des Transparenzberichts über das 1. Halbjahr 2018 gegen Vorgaben des Netzwerk­durchsetzungsgesetzes (NetzDG) verstoßen hat. In dem Bußgeldbescheid rügt das BfJ insbesondere, dass im veröffent­lichten Bericht die Anzahl der eingegangenen Beschwerden über rechts­widrige Inhalte unvollständig ist. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit über das Ausmaß rechtswidriger Inhalte und die Art und Weise, wie das soziale Netzwerk mit ihnen umgeht, ein verzerrtes Bild. Das BfJ hat ein Bußgeld in Höhe von zwei Millionen Euro verhängt.

Die Facebook Ireland Limited ist als Anbieterin von Facebook gemäß § 2 Absatz 1 NetzDG seit dem 1. Januar 2018 verpflichtet, halbjährlich einen deutschsprachigen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zu erstellen und im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen. Der veröffentlichte "NetzDG-Transpa­renzbericht Juli 2018" ist jedoch hinsichtlich mehrerer gesetzlicher Informationspflichten unzureichend.

Der Bericht führt nur einen Bruchteil der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf. Facebook hat zwei Meldewege für Beschwerden eingerichtet, nämlich einen Flagging-Meldeweg und ein sogenanntes NetzDG-Meldeformular. Nutzer, die eine Beschwerde über einen strafbaren Inhalt im Sinne des NetzDG einreichen wollen, werden auf den Flagging-Meldeweg gelenkt, da das Nebeneinander von Flagging-Meldeweg und NetzDG-Formular bei Facebook nicht ausreichend trans­parent und das NetzDG-Formular zu versteckt ist. Das BfJ geht davon aus, dass die Anzahl der über den weithin bekannten Flagging-Meldeweg eingegangenen Beschwerden beachtlich und die Darstellung im veröffentlichten Bericht insofern unvollständig ist. Rückschlüsse auf eine hohe Anzahl von Meldungen über rechtswidrige Inhalte ergeben sich insbesondere aus Facebooks Commu­nity Standard Enforcement Report. Die vom Community Standard umfassten Sachverhalte betreffen in einer Vielzahl von Fällen auch rechtswidrige Inhalte im Sinne des NetzDG. Wenn soziale Netzwerke mehrere Meldewege vorhalten, müssen diese für die Nutzer­innen und Nutzer transparent und eindeutig sein und dortige Eingänge grundsätzlich im Transparenzbericht abgebildet werden. Denn die Auswirkungen auf die Transparenz der Verfahren zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte sind erheblich.

Die unvollständige Beschwerdeanzahl betrifft ebenfalls die Aussagekraft der Aufschlüsselung der Beschwerden nach ergriffenen Maßnahmen (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 7 NetzDG). Auch diese ist unvollständig, da der Bericht nicht alle Beschwerden über rechtswidrige Inhalte darstellt, welche im Berichtszeitraum zu einer Löschung oder Sperrung führten. Die gesetzgeberisch beab­sichtigten Aussagen zur Effizienz des Beschwerdeverfahrens sind aufgrund der unvollständigen Beschwerdezahlen somit nicht möglich.

Der veröffentlichte Transparenzbericht ist darüber hinaus im Hinblick auf die Angaben zur Organisation, zur sprachlichen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zu den Schulungen der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Personen (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 4 NetzDG) nicht vollständig. Die veröffentlichten Angaben ergeben kein schlüssiges, transpa­rentes Bild der Organisation und der Prozessabläufe beim Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte.

Außerdem wird Facebook vorgeworfen, hinsichtlich der auf die Beschwerden ergangenen Rückmeldungen (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 9 NetzDG) einen unrichtigen Bericht erstellt zu haben. Denn die Ausführungen zu den Benachrichtigungen an die Beschwerdeführer und Nutzer lassen keine Rückschlüsse zu, ob diese eine Begründung der Entscheidung über den gemeldeten Inhalt enthalten.

Bußgeldbescheid noch nicht rechtskräftig
Die Facebook Ireland Limited kann gegen den Bußgeldbescheid des BfJ Einspruch einlegen. Sollte das BfJ den Bußgeldbescheid daraufhin nicht aufheben, übersendet es die Akten über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht Bonn.



VG Köln: Vorbeugende Feststellungsklage gegen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unzulässig

VG Köln
Urteil vom 14.02.2019
6 K 4318/18


Das VG Köln hat entschieden, dass die vorbeugende Feststellungsklage zweier Politiker gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) mangels qualifiziertem Feststellungsinteresse unzulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: FDP-Bundestagsabgeordnete scheitern mit vorbeugender Feststellungsklage

Die FDP-Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin und Jimmy Schulz sind vor dem Verwaltungsgericht Köln mit einer Klage gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gescheitert. Das Gericht hat die von ihnen erhobene vorbeugende Feststellungsklage mit Urteil vom heutigen Tag als unzulässig abgewiesen.

Die beiden Politiker sind registrierte Nutzer des sozialen Netzwerks Facebook. Sie wandten sich mit ihrer im Juni 2018 erhobenen Klage gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vom 1. September 2017. Mit diesem Gesetz werden soziale Netzwerke wie Facebook unter bestimmten Voraussetzungen zur Löschung rechtswidriger Inhalte verpflichtet. Das Gesetz sieht auch Bußgeldvorschriften vor, mit denen das Bundesamt für Justiz den ordnungswidrigen Umgang von Anbietern sozialer Netzwerke mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte ahnden kann. Die Kläger wollten mit ihrer Klage die gerichtliche Feststellung erreichen, dass das Bundesamt für Justiz nicht berechtigt ist, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegenüber Facebook durch Maßnahmen nach § 4 NetzDG zu vollziehen und dadurch eine Löschung von Inhalten der Kläger durch Facebook zu bewirken. Zur Begründung hatten sie vorgetragen, das Gesetz sei verfassungswidrig.

Das Gericht hat die Klage schon aus prozessualen Gründen abgewiesen. Für die von den Klägern erhobene vorbeugende Feststellungsklage fehle es bereits an einem hinreichend konkreten Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem beklagten Bundesamt für Justiz. Überdies liege das nach dem Prozessrecht erforderliche qualifizierte Feststellungsinteresse für den von ihnen beanspruchten vorbeugenden Rechtsschutz nicht vor. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des NetzDG kam es danach für die Entscheidung nicht an.

Gegen das Urteil kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.


LG Bamberg: Facebook muss bei Löschung von Nutzerbeiträgen Meinungsfreiheit beachten - Einstweilige Verfügung gegen unberechtigte Löschung und Accountsperre

LG Bamberg
Urteil vom 18.10.2018
2 O 248/18


Das LG Bamberg hat entschieden, dass Facebook muss bei Löschung von Nutzerbeiträgen und Sperrung von Accounts die Meinungsfreiheit beachten muss. Insofern besteht auch die Möglichkeit durch eine einstweilige Verfügung gegen eine unberechtigte Löschung und Accountsperre vorzugehen.


Aus den Entscheidungsgründen:

1. Ein Verfügungsgrund im Sinne von § 935, 940 ZPO, der eine vorläufige Sicherung oder Regelung im Eilverfahren zu rechtfertigen vermag, besteht anerkanntermaßen nur im Falle der Dringlichkeit. Eine solche Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit liegt vor, wenn eine objektiv begründete Besorgnis besteht, dass durch bevorstehende Veränderungen des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn bei dauernden Rechtsverhältnissen die Regelung eines einstweiligen Zustands zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig ist (vgl. Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 935 Rn. 10). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist unter Abwägung der sich im Einzelfall gegenüberstehenden Parteiinteressen zu prüfen. Gegen das Interesse des Antragstellers an der alsbaldigen Untersagung ist das Interesse des Antragsgegners abzuwägen, nicht aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens mit einem Verbot belegt zu werden (OLG Düsseldorf Schlussurteil v. 25.8.2015 - 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904).

Die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird im Äußerungsrecht regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerungen zu rechnen ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 12 Rn. 144), was bei Medien ohne Weiteres angenommen werden kann (Prinz/Peters, MedienR, Fn. 243 zu Rn. 361). In der Praxis des Äußerungs- und Presserechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne Weiteres bejaht (vgl. etwa die Ausführungen bei Prinz/Peters, MedienR, Rn. 325; Korte, Praxis des PresseR, 2014, § 5 Rn. 108 mwN in Fn. 142; als Bsp. OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 1435). „Die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch zu langes Zuwarten ist als allgemein anerkannter Grundsatz des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilprozessrecht anzusehen (KG, NJW-RR 2001, 1201 [1202]; MüKoZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 935 Rn. 18 ff.). Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel bei einem Zuwarten von mehr als 8 Wochen bzw. 2 Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung anzunehmen (OLG Stuttgart, OLG-Report 2009, 633 [634] = BeckRS 2009, 10790 und NZBau 2010, 639 [640] = NJOZ 2010, 2408, jeweils zum UrheberR) (siehe OLG Stuttgart, Urteil vom 23.9.2015 - 4 U 101/15; so auch Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 935, Rn 15-23).“

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Dringlichkeit zu bejahen und ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten zu verneinen:

Hierzu wird seitens des Verfügungsklägers vorgetragen, er habe mit seinem Kommentar nicht nur aufgefordert, die gegenständliche Petition zu zeichnen, sondern ebenfalls seine Meinung insoweit kundgetan, als er, der Verfügungskläger, diese Petition unterstütze. Die Unterstützung der Petition sei sein Recht auch nach Ablauf der offiziellen Zeichnungsfrist. Die Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers sei hier zu beachten.

Am 03.06.2018 fand ein schriftlicher Meinungsaustausch zwischen Verfügungskläger und Verfügungsbeklagter zu der Frage der Löschung des Beitrags und der Sperre des Accounts statt und am 05.06.2018 wurde dem Verfügungskläger mitgeteilt, die Sanktion werde aufrechterhalten. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht am 06.07.2018 waren damit zwar sowohl die Mitzeichnungsfrist für die vom Verfügungskläger unterstützte Petition zur „Erklärung 2018“ als auch die Accountsperre von 30 Tage bereits abgelaufen. Aufgrund des vorprozessualen Verhaltens der Prozessbeteiligten liegt jedoch nahe, dass entsprechende Reaktionen seitens der Verfügungsbeklagten auch bei künftigen die genannte Erklärung betreffenden Postings des Verfügungsklägers folgen werden. Daher besteht - auch mit Blick darauf, dass über die Petition bezüglich der „Erklärung 2018“ bislang noch nicht in öffentlicher Sitzung verhandelt wurde - das Risiko des Verfügungsklägers, dass weitere identische Postings möglicherweise ebenfalls entfernt und sein Account erneut aus diesem Grund gesperrt werden wird. Deshalb ist über eine vorläufige Sicherung oder Regelung im Eilverfahren zu entscheiden, da dem Verfügungskläger nicht zuzumuten ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist ebenfalls nicht festzustellen, da jedenfalls kein Zeitraum von zwei Monaten verstrichen ist seit der durch den Verfügungskläger angegriffenen Maßnahme der Verfügungsbeklagten.

Die Wiederholungsgefahr ergibt sich vorliegend bereits aus dem Beharren der Verfügungsbekagten auf der Rechtmäßigkeit ihrer ergriffenen Maßnahmen. Hinzu kommt, dass aufgrund der im Rahmen einer Petition anhängigen „Erklärung 2018“ es kein gangbarer Weg ist, den Verfügungskläger auf die Hauptsache zu verweisen. Wenngleich vorliegend eine gewisse Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu vermeiden ist, da inhaltlich - wie seitens der Verfügungsbeklagten zu Recht eingewandt wurde - in vollem Umfang sowohl der Kommentar als auch die der Löschung desselben zugrundeliegenden Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten vollumfänglich zu prüfen sind, rechtfertigt die bestehende Dringlichkeit aus den vorgenannten Gründen eine Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren. Bei Abwarten eines Hauptsacheverfahrens wäre das Recht des Verfügungsbeklagten für den zu erwartenden Zeitraum effektiv vereitelt (so im Ergebnis auch OLG München vom 24.08.2018, 18 W 1294/18).

2. Ein Verfügungsanspruch zugunsten des Verfügungsklägers liegt ebenfalls vor. Ein solcher ergibt sich aus §§ 241 Abs. 2 i.V.m. 1004 BGB. Eine Rechtsgrundlage für das Löschen des konkreten Beitrags des Verfügungsklägers und die darauf gestützte Sperre seines Accounts ist in den vertraglichen Regelungen nicht ersichtlich, insbesondere war die Verfügungsbeklagte hierzu auch unter Anwendung ihrer eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht berechtigt.

Die Löschung des streitgegenständlichen Kommentars und die darauf gestützte Sperre des Accounts stellen eine Pflichtverletzung hinsichtlich der vertraglich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit dar, da sie ohne rechtliche Grundlage erfolgt sind. Sie stellen daher einen Verstoß gegen die wirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das heißt Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, der Verfügungsbeklagten dar.

a) Zwischen den Parteien wurde ein Vertragsverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet, in das die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten nebst Anlagen als Vertragsinhalt durch Veröffentlichung auf deren Homepage wirksam einbezogen wurden.

Unstreitig hat sich der Verfügungskläger im sozialen Netzwerk der Verfügungsbeklagten mit einem persönlichen Profil angemeldet. Es handelt sich vorliegend um einen Vertrag sui generis, der den Verfügungskläger insbesondere dazu berechtigt, die Plattform der Verfügungsbeklagten zu nutzen und zwar dergestalt, dass die Verfügungsbeklagte mit ihrer Plattform eine digitale Infrastruktur zur Verfügung stellt, die es den angemeldeten Nutzern ermöglicht, miteinander zu kommunizieren sowie Inhalte durch Postings oder das Teilen derselben auszutauschen. Durch die Nutzung der Internetplattform der Verfügungsbeklagten stehen den Nutzern diverse Kommunikationsmöglichkeiten zum Zwecke des Kommunikations-/Meinungs-/Informationsaustauschs zur Verfügung. Zwar ist die Nutzung der Plattform für Privatpersonen unentgeltlich, ein Vertragsverhältnis wird aber gleichwohl durch das Zur-Verfügungstellen der Nutzungsmöglichkeiten durch die Verfügungsbeklagte einerseits und das Nutzen dieser Möglichkeiten durch den Nutzer - hier den Verfügungskläger - andererseits begründet.

Gegenstand des so begründeten Vertragsverhältnisses sind unstreitig die von der Verfügungsbeklagten in den Vertrag wirksam einbezogenen „Gemeinschaftsstandards“ sowie die sogenannten „Facebookrichtlinien“.

Bei den Nutzungsbedingungen und den Gemeinschaftsstandards, auf die in Nummer 1.2 der Nutzungsbedingungen ausdrücklich Bezug genommen wird, handelt es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB.

Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses war der Antragsteller grundsätzlich berechtigt, Kommentare auf seinem Profil zu erstellen. Dies ergibt sich bereits aus der Nummer 3.2 der vorgelegten Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten (Anlage AG1), in der es heißt: „Wir möchten, dass Menschen Facebook nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die Ihnen wichtig sind“. Auch das streitgegenständliche Einstellen des Kommentars beruht auf dem Vertrag zwischen Verfügungskläger und Verfügungsbeklagte. Letztere ist aufgrund des geschlossenen Vertrags rechtsverbindlich eine Verpflichtung gegenüber dem Verfügungskläger eingegangen, grundsätzlich Kommentare bzw. deren Veröffentlichung und Teilen zu dulden.

Die Verfügungsbeklagte ist hingegen nur unter den vertraglich geregelten Vorgaben ihrer Gemeinschaftsstandards, soweit diese wirksam sind, sowie aufgrund ihrer Nutzungsbedingungen, die in Nummer 3.2 auf die Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien ausdrücklich Bezug nehmen, berechtigt, sich von ihrer vertraglichen Verpflichtung, nämlich des Zulassens der Nutzung durch Kommentare und das Posten derselben, zu lösen. Diese Sanktionierungsmöglichkeit findet sich ebenfalls in Nummer 1.2 der Nutzungsbedingungen (Anlage AG1).

b) Die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten sowie die daran anknüpfenden Gemeinschaftsstandards halten einer Überprüfung nach dem geltenden Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand.

aa) Die in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition der sogenannten „Hassrede“ sowie auch die sich hieran anknüpfende Sanktion aus Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen der Beklagten verstößt nicht gegen die geltende Vorschrift des § 307 I S. 2 oder II BGB. Die Entfernung von bestimmten Beiträgen sowie sonstige Sanktionen, wie sie in Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen geregelt ist, ist auch für den jeweiligen Verbraucher als Nutzer an objektivierbare Kriterien angeknüpft. Die Klausel an sich ist auch nicht intransparent, dies insbesondere nicht wegen der Verweisung auf weitere Regelwerke wie zum Beispiel die ebenfalls hier gegenständlichen Gemeinschaftsstandards.

Die Gemeinschaftsstandards (Anlage AG2) selbst enthalten eine Definition des Begriffs der sogenannten „Hassrede“, die der hier gegenständlichen Löschung zugrunde liegt. Darin heißt es:
„Grundgedanke dieser Richtlinie Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu.
Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Kaste, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit.
Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.
Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassreden einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die den Inhalt teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.
Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden. (…)"…

Die Definition selbst ist - wie dargestellt - ausführlich gehalten und in leicht verständlicher Sprache verfasst sowie mit vielerlei Beispielen versehen.

Die im Grundgedanken der Richtlinie genannten Schweregrade finden sich direkt unterhalb des Einleitungstextes, jeweils verdeutlicht mit Beispielen, so dass für jeden Nutzer, der die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zur Kenntnis nimmt, zugleich erkennbar (und einschätzbar) ist, welche Art von Kommentar(en) von der Verfügungsbeklagten nach deren Auffassung unter „Hassrede“ fällt und welche Sanktionsmöglichkeiten der Plattformbetreiber in der Folge hat.

Beispielhaft lautet der Text zu Schweregrad drei:
„Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.“

In diesem Zusammenhang bleibt die Transparenz der Regelung auch dann erhalten, wenn sie -wie geschehen - auch Meinungsäußerungen im Sinne des Art. 5 I GG umfasst.

bb) Auch eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB liegt in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards nicht vor. Überraschende Klauseln sind solche, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zurechnen braucht (vgl. z.B. BeckOGK, Stand 01.07.2018, § 305c Rnr 8). Bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild der Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards sind diese nicht als ungewöhnlich im Sinne der vorgenannten Definition zu bezeichnen. Ob eine Klausel ungewöhnlich ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Vertrags insbesondere danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH in NJW 1992, 1236; BGHZ 121, 113; OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 - 4 W 577/18 BeckRS 2018, 18249, Rn. 15).

Aufgrund der bereits seit Jahren fortschreitenden Digitalisierung ist jedem Internetnutzer hinlänglich bekannt, dass Internet-Foren, Internet-Communities und sonstige Internetplattformen mittels Nutzungsbedingungen festlegen, wie und in welchem Umfang der jeweilige Dienst zur Verfügung steht. Allein aus dem unstreitigen Vortrag des Verfügungsklägers wird ersichtlich, dass diesem sowohl die Nutzungsbedingungen als auch die Gemeinschaftsstandards bei Vertragsabschluss und somit auch bei Nutzung für den gegenständlichen Kommentar bekannt waren. Auch und insbesondere abgestellt auf einen durchschnittlichen Nutzer ist die Klausel nicht ungewöhnlich und damit einhergehend auch nicht überraschend. Die sogenannte „Netiquette“ ist in der heutigen Zeit jedem Internetnutzer ein Begriff, weswegen auch jedem Internetnutzer klar ist, dass nicht jede Art von Äußerung, gleichgültig ob sie unter den Begriff der Meinungsfreiheit zu subsumieren ist oder nicht, von Netzwerkbetreibern geduldet wird ( vgl. hier auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 - 4 W 577/18, ebd., .a.a.O. Randnummer 15) und aufgrund der geltenden Privatautonomie auch nicht ohne Weiteres geduldet werden muss.

cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht mit Blick auf § 3 NetzDG. Diese Vorschrift verpflichtet den Netzwerkbetreiber zwar dazu, offensichtlich rechtswidrige Inhalte i.S. d. § 1 Abs. 2 NetzDG zu löschen, verbietet aber umgekehrt nicht, im Wege der Privatautonomie strengere Maßstäbe anzusetzen. Mit Einführung des NetzDG sind lediglich Mindestanforderungen bezüglich des Löschens von Kommentaren - oder abstrakt gesprochen: eines Eingreifens des Netzwerkbetreibers - geschaffen worden. Die Befugnis des Betreibers, durch eigene Vertragsbedingungen (weiteres) unzulässiges Handeln festzulegen, bleibt hiervon jedoch unberührt (so im Ergebnis auch OLG Dresden, a.a.O.).

dd) Der abstrakt generelle Ausschluss bestimmter Meinungsäußerungen darf von Netzwerkbetreibern - hier der Verfügungsbeklagten - auch vorgenommen werden, dies bereits in Ausübung der auch für sie geltenden Grundrechte der Artt. 2, 12 und 14 GG und der hiervon geschützten Freiheiten (so im Ergebnis auch OLG Dresden, a.a.O.).

Die Verfügungsbeklagte greift durch die gegenständlichen Regelungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in die Grundrechte ihrer Kunden, namentlich Art. 5 GG, ein. Grundrechte stellen grundsätzlich Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar; gleichwohl sind diese auch im privatrechtlichen Bereich zu berücksichtigen und finden dort Eingang über ihre mittelbare Drittwirkung.

Zur Bewertung von Klauseln sind auch im Privatrecht über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte Wertungen des Grundgesetzes heranzuziehen, dies im Sinne einer mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 307 Rn. 53), die - wie vorliegend - dazu führt, dass vertragliche Vereinbarungen zum Zwecke des Grundrechtsschutzes eng auszulegen sind.

Die Grundrechte des Grundgesetzes binden als solche Abwehrrechte nach Art. 1 III GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (vgl. hierzu z.B. Papier in NJW 2017, 3025 ff.). Gleichwohl entfalten Grundrechte im Rahmen der Auslegung einfachgesetzlicher Regelungen und hierauf fußender auslegungsfähiger Vertragsbedingungen mittelbare Wirkung, die umso mehr Geltung für sich beansprucht, je mehr die Regelung einem staatlichen Eingriff gegenüber einem Bürger nahe kommt.

Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 129, 78). Die Reichweite der mittelbaren Grundrechtswirkung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, dass die Freiheitssphären der Bürgerinnen und Bürger in einen Ausgleich gebracht werden müssen, der die in den Grundrechten liegenden Wertentscheidungen hinreichend zur Geltung bringt. Dabei können insbesondere auch die Unausweichlichkeit von Situationen, das Ungleichgewicht zwischen sich gegenüberstehenden Parteien, die gesellschaftliche Bedeutung von bestimmten Leistungen oder die soziale Mächtigkeit einer Seite eine maßgebliche Rolle spielen (vgl. BVerfGE 89, 214; BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09; NJW 2018, 1667, beckonline).

Vorliegend besteht eine vertragliche Verpflichtung, wie bereits dargestellt, darin, dass die Verfügungsbeklagte eine Plattform zur Verfügung stellt, die nach ihren eigenen Nutzungsbedingungen für ihre Nutzer ein Mittel zur öffentlichen Meinungsdarstellung und -diskussion sein soll. Es wird also eine Art „öffentlicher Marktplatz“ zur Nutzung bereitgestellt, weswegen im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten gewährleistet sein muss, dass aufgrund Art. 5 GG, eine zulässige Meinungsäußerung nicht entfernt wird (vgl. zum Gesamtkontext OLG München vom 24.08.2018, 18 W 1294/18, BeckRS 2018, 20659 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen).

Es hat bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der seitens der Verfügungsbeklagten angewandten Bedingungen grundsätzlich eine Abwägung stattzufinden zwischen der Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers einerseits und den für die Verfügungsbeklagte streitenden Grundrechten der Artt. 2, 12 und 14 GG andererseits. Dabei sind die allgemeine Handlungs-, Berufsausübungsfreiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen mit Art. 5 GG. Auch insoweit entfalten die Grundrechte keine unmittelbare, sondern nur eine Ausstrahlungswirkung.

Eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Verfügungsbeklagten ist nicht anzunehmen, weil sie mittels ihrer - auch akzeptierten - Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards gerade von ihren Grundrechten Gebrauch macht und diese zur Bewertung bzw. Auslegung der vertraglichen Regelungen umgekehrt wieder heranzuziehen sind. Nach ihren eigens auferlegten Möglichkeiten der Sanktionierung eines Nutzers bei Vorliegen z.B. eines Verstoßes wie dem vorliegenden, hat die Verfügungsbeklagte Gebrauch gemacht von der ihr zustehenden Freiheit, bestimmte Inhalte im Rahmen ihrer Diensteausübung nicht zu dulden und ihr Eigentum mittels Löschung und Sperrung zu schützen.

Soweit die Grundrechte des Verfügungsklägers betroffen sind, hat diese die Verfügungsbeklagte in Ausübung ihrer Rechte aufgrund ihrer Quasi-Monopolstellung in erhöhtem Maße zu beachten.

Aufgrund der hohen Anzahl der Nutzer der Plattform der Verfügungsbeklagten, kommt dieser eine Stellung im öffentlichen Leben zu, die nahezu keinem anderen sozialen Netzwerk zuteil wird.

So wird facebook.com alleine in Deutschland von ca. 30 Millionen Nutzern genutzt (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37545/umfrage/anzahlderaktivennutzervon-facebook/). Aufgrund der hohen Nutzerzahlen nimmt die Plattform der Verfügungsbeklagten daher einen Stellenwert im Rahmen des Informations- und Meinungsaustauschs ein, der in allen Bereichen des öffentlichen Lebens - auch des politischen - eine so große Rolle spielt, dass damit eine Quasi-Monopolstellung (so auch OLG Dresden vom 08.08.2018, BeckRs 2018, 18249 Rn. 19) einhergeht, im Rahmen derer die Grundrechte nahezu unmittelbar Geltung beanspruchen können.

Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung von Privaten einer Grundrechtsbindung des Staates nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die - wie die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen - früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren (so BVerfG vom 22.02.2011 - 1 BvR 699/06, BeckRS 2011, 47764 Rn. 59). So liegt der Fall hier, so dass bei Anwendung der vorliegenden Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten als allgemeine Geschäftsbedingungen diese zugunsten der Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers eng auszulegen sind.

Das pauschale Verwahren der Verfügungsbeklagten gegen die Annahme einer QuasiMonopolstellung geht ins Leere, denn es wurde nichts vorgetragen, das die Annahme einer Quasi-Monopolstellung in Abrede hätte stellen können.

In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch den Einwand der Verfügungsbeklagten berücksichtigt, dass dieser im Sinne eines virtuellen Hausrechts gestattet sein muss, Kommentare zu löschen. Es wäre vielmehr mit dem zu treffenden Ausgleich der hier dargestellten widerstreitenden Grundrechtspositionen auf beiden Seiten im Wege der praktischen Konkordanz unvereinbar, wenn die Verfügungsbeklagte, gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“, auf der von ihr bereitgestellten Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Standards sieht, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet (OLG München, a.a.O., Rn. 28 a.E.) und im Übrigen der Wortlaut der Standards selbst eine Löschung des Kommentars - wie bereits erläutert - nicht ermöglicht.

Nach alledem sind die Klauseln (Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards) daher auch unter dem Aspekt der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten wirksam, insbesondere lässt deren konkrete Formulierung Raum für eine grundrechtskonforme Auslegung.

c) Ein gelöschter Kommentar mit anschließender Accountsperre auf Grundlage eines Vertrages, dessen Inhalt sich an Art. 2, 12 und 14 GG zu bemessen hat und der nach obigen Ausführungen für den hier gegenständlichen Teil in vollem Umfang wirksam ist, ist zunächst auch an dem Vertrag selbst zu messen. Da der Kommentar nicht unter die vertraglich eingeräumte Sanktionierungsmöglichkeit fällt, ist er im Ergebnis zuzulassen und zu dulden.

Die Prüfung, ob der Kommentar unter Berufung auf diese Klauseln zu Recht gelöscht wurde, ist unter Anwendung des Vertragsinhalts im Lichte des Art. 5 GG vorzunehmen. Eine solche Prüfung ergibt, dass - auch wenn aus vorstehenden Gründen die Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten in Ziffer 12 keinen unmittelbaren Verstoß gegen die Meinungsfreiheit darstellen, weil sie nur jene Verstöße sanktionieren, die - verkürzt dargestellt - Hass schüren können - der streitgegenständliche Kommentar mit der darin enthaltenen „Erklärung 2018“ nicht unter den Begriff der „Hassrede“ im Rahmen einer engen Auslegung zu fassen ist.

Dies hat zur Folge, dass es der Verfügungsbeklagten im konkreten Fall verwehrt war, von den vertraglich vereinbarten Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

Die „Erklärung 2018“, die Gegenstand einer laufenden Petition im Bundestag ist, stellt keine „Hassrede“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards dar.

aa) Hassrede ist in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards definiert als direkter Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften wie beispielsweise nationaler Herkunft, religiöser Zugehörigkeit etc. Auch Einwanderungsstatus ist als geschützte Eigenschaft in gewissem Umfang genannt. Angriff selbst wird definiert als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren (Anlage AG3). Sodann werden Angriffe in drei Schweregrade unterteilt.

Der vorliegende Kommentar inklusive seiner in Volltext abgedruckten „Erklärung 2018“ enthält keine offensichtlich gewalttätige oder unmittelbar herabwürdigende Sprache. Auch wird darin nicht offen dazu aufgerufen, Einwanderer zu isolieren.

In Betracht kommt daher als Grundlage der Sanktionierung des Verfügungsklägers bzw. der Nutzung des Verfügungsklägers allenfalls eine „Hassrede“ nach der Definition des Schwergrades 2 oder 3 in den Gemeinschaftsstandards.

Unter Schweregrad 2 sollen Angriffe fallen, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen mit Aussagen über deren Minderwertigkeit oder Bilder, die implizieren, dass eine Person oder Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist.

(1) Der von dem Verfügungskläger einleitende Satz in seinem Kommentar „Wer diese Petition noch nicht unterschrieben hat, soll das bitte bis 17.06. Tun! (…)“ stellt für sich betrachtet keinen Angriff im Sinne einer Hassrede dar, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass er selbst die gegenständliche Petition unterstützt und unterstützt wissen will, weswegen er zur Mitzeichnung aufruft.

(2) Der im Anschluss vollständig abgedruckte Text der „Erklärung 2018“, die als Petition im Bundestag eingereicht wurde, fällt ebenfalls nicht unter den Begriff der Hassrede in deren Schwergrad 2.

Zwar enthält die Erklärung Tatsachen und Wertungen auch hinsichtlich illegaler Einwanderung, allerdings sind diese bezogen auf einen aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionspunkt fußend auf der Einwanderungs(grenz) politik und damit Teil dessen, was die Verfügungsbeklagte aufgrund ihrer Quasi-Monopolstellung als Meinung im Sinne des Art. 5 GG zuzulassen hat.

Die Verfügungsbeklagte verhält sich daher nach Auffassung der Kammer widersprüchlich und daher auch nicht vertragstreu, wenn dem Nutzer im Rahmen der Gemeinschaftsstandards per definitionem erlaubt ist, entsprechende Kritik zu äußern, um diese Kritik im Anschluss zu verbieten. Dabei muss außer Acht bleiben, ob die Meinung von der Verfügungsbeklagten geteilt wird oder nicht, ob sie moralisch oder unmoralisch erscheint, da grundsätzlich jede Meinung erlaubt sein muss, die Rechte Dritter nicht verletzt. Letzteres ist nach dem Wortlaut des Kommentars nicht der Fall.

Im Schweregrad 3 wird klargestellt: „Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.“

Eine solche Kritik liegt vorliegend in der von dem Verfügungskläger geposteten „Erklärung 2018“, die keine offene Beleidigung gegenüber Einwanderern und auch keine offene Hetze enthält und damit von der Verfügungsbeklagten geduldet werden muss. Ausschlaggebend für dieses Ergebnis ist eine im Lichte des Art. 5 GG vorzunehmende Interpretation des Textes.

(3) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinnes aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. OLG München vom 24.08.2018 - 18 W 1294/18, Beck RS 2018, 20659 Rnr. 31 mit Verweis auf BGH Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14, Rnr. 11 m.w.N.). Fernliegende Deutungen sind auszuscheiden. Es ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabes der weiteren Prüfung zugrunde zu legen.

Zeigt sich, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum eine Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen, so OLG München, ebd., a.a.O., unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rnr. 31).

Vorliegend kann unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze der streitgegenständliche Kommentar des Verfügungsklägers wie folgt interpretiert werden:
(3.1)

Diejenigen, die die sogenannte „Erklärung 2018“ unterstützen, beobachten eine Beschädigung Deutschlands durch illegale Masseneinwanderung und wollen die „Wiederherstellung des rechtsstaatlichen Grenzregimes“. In der Erklärung ist die Rede von einem „ungebremsten Zustrom“, einer „Asylmaschinerie“. Es werden sodann die Auswirkungen aufgezeigt, die die Unterstützer der Erklärung 2018 aufgrund der von ihnen genannten „illegalen Masseneinwanderung“ als gegeben sehen. Hierzu werden statistische Werte von Delikten genannt und der Anteil hieran, der auf „Asylbewerber“ zutreffen soll. Für einen verständigen unvoreingenommenen Leser ist augenscheinlich, dass diese Zahlen aus einer polizeilichen und/oder jedenfalls medial veröffentlichten Statistik stammen.

Dabei kann der Einwand der Verfügungsbeklagten, der Text der Petition sei hinsichtlich der wiedergegebenen Zahlen und in Beziehung zu diesen Zahlen stehenden Delikten geändert worden, dahinstehen, da es auf die Interpretierung nur des gelöschten Kommentars ankommt. Die Verfügungsbeklagte trägt hierzu vor, dass hinsichtlich der Zahlen aus der Kriminalstatistik bereits seitens der Politik eben diese nach unten korrigiert wurden bzw. ein falscher Wortlaut wiedergegeben sein soll, der korrigiert wurde. Dieser sei durch den Verfügungskläger bewusst im Rahmen seines Kommentars nicht berücksichtigt worden. Auch fände man z.B. nicht den Begriff des „Asylbewerbers“, sondern den des „tatverdächtigen Zuwanderers“. Es sei auch nicht die Rede von „begangenen Sexualstraftaten“. Alleine aus diesem Aspekt sei ersichtlich, dass es sich bei dem von dem Verfügungskläger geposteten Kommentar, der den Wortlaut der „Erklärung 2018“ wiedergibt, um einen Angriff auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, nämlich die Einwanderer, handle. Es sei hier bewusst ein falsches Bild über Einwanderer verbreitet worden; dies nicht nur bayernweit, sondern bundesweit. Dies erfülle zwar nicht den schwersten Schweregrad der Definition von Hassrede, jedoch jedenfalls einen.

Maßgeblich ist die Interpretation der Äußerung, die getätigt wurde, da nur sie Gegenstand der Löschung war. Die Argumentation der Verfügungsbeklagten verfängt daher nicht.

Des Weiteren ist in der „Erklärung 2018“ von „islamistischem Terror in Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten“ die Rede. In diesem Zusammenhang wird auch genannt, dass trotz dieser Situation „junge Männer ohne geklärte Identität, Alter, Herkunftsland und Grund für den Einreisewunsch nach Deutschland“ einreisen dürften. Es ist von einem Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol die Rede, das „zersetzt“ werde. Des Weiteren ist, unter Bezugnahme auf den „Bremer Skandal um das dortige BAMF“, von einem „Schutzstatus“ von „Terrorverdächtigen“ die Rede.

Aufgrund des Einleitungssatzes des Verfügungsklägers erkennt ein verständiger und unvoreingenommener Leser des Kommentars einerseits, dass es sich bei dem folgenden Text um eine im Bundestag anhängige Petition handelt und zum anderen, dass man diese Meinung bei Bedarf durch Mitzeichnung teilen könne, jedoch aber nicht muss.

Zwar wird durch die Aneinanderreihung bestimmter Begriffe in der Erklärung 2018 ein gewisser Zusammenhang für den unvoreingenommenen Leser dahingehend hervorgerufen, dass der / die Verfasser der „Erklärung 2018“ augenscheinlich die Meinung vertreten, dass ein unkontrolliertes, illegales Einwandern über deutsche Grenzen zu einem Anstieg bestimmter Straftaten in Deutschland und so auch zu Spannungen im Inland führt. Gleichwohl ist in der Zusammenschau zwischen dem einleitenden Satz des Verfügungsklägers und dem daraufhin folgenden Inhalt der „Erklärung 2018“ für einen unvoreingenommenen und verständigen Leser auch ersichtlich, dass sich der Verfügungskläger an einer aktuell geführten Debatte zu Grenzkontrollen und deren möglicher Unterstützung beteiligt.
84
Mit dieser Interpretation und dem so ermittelten Aussagegehalt kann die streitgegenständliche Äußerung nicht als direkter Angriff auf bestimmte Personengruppen wegen ihrer Rasse oder Religion gesehen werden. Es handelt sich bei dem Kommentar um die Teilnahme an einer politischen und wohl auch gesellschaftspolitischen Debatte, die im Übrigen nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsstandards selbst von der Verfügungsbeklagten zu dulden ist.
85
Der Einwand der Verfügungsbeklagten dahingehend, dass durch den Kommentar des Verfügungsklägers bewusst ein falsches Bild über Asylbewerber geschaffen wird, geht insoweit fehl, als der Verfügungskläger mit seinem einleitenden Satz selbst klar macht, dass es letztlich jedem Leser frei steht, sich der Erklärung 2018 und ihrem Inhalt anzuschließen oder nicht. Die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme einer Aneinanderreihung von Tatsachenbehauptungen, wie sie in der „Erklärung 2018“ zu finden ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass es sich bei dem Kommentar um ein offenes Aufstacheln oder eine offensichtlich Hetze gegen Einwanderer handelt. Eine kritische, Befürchtungen äußernde Ansicht und das Begründen dieser Ansicht mit der derzeitigen Einwanderungs- und Grenzpolitik, die wohl Grundlage der Petition ist, ist einer Hetze im Sinne einer Hassrede, wie die Verfügungsbeklagte sie mittels ihrer Gemeinschaftsstandards verbieten will, nicht gleichzustellen.
(3.2)

Die „Erklärung 2018“ und damit einhergehend der Kommentar des Verfügungsklägers lässt zwar als eine andere mögliche Interpretation grundsätzlich auch die zu, dass sämtliche illegal nach Deutschland eingewanderten Personen straffällig werden oder sich möglicherweise dem islamistischen Terror zugewandt sehen, zwingend ist diese Interpretation jedoch nicht. Wörtlich ist dies der „Erklärung 2018“ nicht zu entnehmen und eine Mehrdeutigkeit hinsichtlich der Auslegung einer der Meinungsfreiheit unterstehenden Äußerung wirkt sich schon aus Gründen des Grundrechtsschutzes immer zugunsten derjenigen Interpretation aus, die für den Verwender günstiger ist.

bb) Dass der Post einen Straftatbestand wie etwa §§ 111, 130 StGB oder § 166 StGB erfüllt, ist nicht ersichtlich. Auch beleidigender Inhalt ist in dem Kommentar nicht festzustellen, so dass sich auch keine rechtliche Verpflichtung der Verfügungsbeklagten ersehen lässt, die die Löschung des Kommentars und die sich hieran anschließende Account-Sperre aus deren Sicht erforderlich machte.

Darüber hinaus ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von dem Verfügungskläger wiedergegebenen Text um einen solchen einer Petition handelt. Das Petitionsrecht ist ebenfalls im Grundgesetz niedergelegt, dort in Art. 17 GG. Das Petitionsbehandlungsverfahren richtet sich im Übrigen nach Art. 45c GG. Hier ist zu berücksichtigen, dass bei Eingang einer Petition sich eine Vorprüfung anschließt, die dem sogenannten Ausschussdienst obliegt. Im Rahmen dieser Vorprüfung werden sogenannte NichtPetitionen ausgesondert. Darunter fallen nicht nur solche Petitionen, die keine Petitum enthalten, sondern beispielsweise auch solche, die inhaltlich verworren, unleserlich oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen oder beleidigenden, erpresserischen oder nötigenden Inhalt haben (Maunz/Dürig GG, 82.EL Januar 2018, Art. 45 c Rnr. 36). Aufgrund des Umstands, dass die Petition im Bundestag weiterhin behandelt wird und eine anderweitige Erledigung wohl nicht erfolgte, ist jedenfalls dort bislang nicht von einer Verfassungswidrigkeit ausgegangen worden.

Eine Plattform wie die der Verfügungsbeklagten, die eine derartige Stellung im öffentlichen Leben und damit einhergehend auch im Rahmen gesellschaftlicher und politischer Positionen inne hat und letztlich auch inne haben will, muss es daher im Sinne der Meinungsfreiheit und der - auch erwünschten Teilnahme an Diskussionen - dulden, wenn ihre Nutzer sich -nachvollziehbar oder nicht - am politischen Meinungsaustausch beteiligen.

3. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Verfügungsbeklagte die Meinungsfreiheit des Verfügungsklägers in nicht hinreichendem Umfang beachtet, weswegen antragsgemäß zu entscheiden war.


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OLG Köln: Wer sich gegen Löschung und Sperrung bei Facebook wehrt trägt Darlegungs- und Beweislast dafür dass Hassposting im Gesamtkontext doch zulässig war

OLG Köln
Beschluss vom 18.10.2018
15 W 57/18

Das OLG Köln hat entschieden, dass derjenige, der sich gegen die Löschung und Sperrung bei Facebook wehrt, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass ein Hassposting im Gesamtkontext doch zulässig war.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Unterlassungsanspruch gegen die Löschung aufgrund des hier streitgegenständlichen Kommentars verneint.

a. Dabei kann und soll ausdrücklich dahinstehen, ob eine Löschung auf Grundlage der recht weit gefassten Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin (vgl. dort Ziff. 3 und Ziff. 12) zulässig wäre oder ob diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667) auch im Bereich der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin möglicherweise rechtlichen Bedenken z.B. mit Blick auf § 307 BGB begegnen (vgl. dazu - mit Unterschieden im Detail - OLG München, Beschl. v. 17.9.2018 – 18 W 1383/18, NJW 2018, 3119; Beschl. v. 24.08.2018 – 18 W 1294/18, NJW 2018, 3115; OLG Dresden, Beschl. v. 8.8.2018 – 4 W 577/18, NJW 2018, 3111; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.6.2018 – 15 W 86/18, MMR 2018, 678; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885; LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.9.2018 – 3 O 310/18, BeckRS 2018, 21919; LG Köln, Urt. v. 27.7.2018 – 24 O 187/18, BeckRS 2018, 21132 und aus dem Schrifttum etwa Holznagel, CR 2018, 369 ff.).

b. Denn selbst wenn sich der Antragsteller in vollem Umfang, also weder durch die Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin oder deren „virtuelles Hausrecht“ (dazu LG Offenburg, Urt. v. 26.09.2018 – 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rn. 39 ff; Elsaß/Labusga/Tichy, CR 2017, 234 , 235 ff. m.w.N.) beschränkt noch durch sonstige schutzwürdige Interessen der Antragsgegnerin behindert (vgl. zu möglicherweise drohender Inanspruchnahme der Antragsgegnerin nach dem NetzDG als Argument etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn.29), in vollem Umfang auch im Verhältnis zur Antragsgegnerin auf seine grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen könnte, lässt sich der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch so nicht begründen.

Insofern fehlt es - bis zuletzt - an ausreichendem Prozessvortrag des Antragsstellers und (erst recht) an einer ausreichenden Glaubhaftmachung (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO) des Verfügungsanspruchs. Denn die Bewertung der Zulässigkeit der Sperrung hängt unzweifelhaft von der zutreffenden Sinndeutung der streitgegenständlichen Äußerung ab, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung von deren ureigenem Aussagegehalt ist. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.1.2018 – VI ZR 498/16, BeckRS 2018, 2270 Rn. 20 m.w.N.). Im hier fraglichen Bereich von Kurzbeiträgen im Internet wird man dabei zudem auf den eher flüchtigen Durchschnittsleser abzustellen haben (OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.9.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 26), gewichtig ist zudem der konkrete Seitenaufbau und die Anordnung und das Verhältnis der einzelnen Äußerungen im Zusammenspiel zueinander. Diesen Gesamtkontext als Voraussetzung der korrekten rechtlichen Bewertung der konkreten Äußerung – und damit hier eben auch der Zulässigkeit der Sperrung/Löschung – muss aber nach den auch im Verfügungsverfahren geltenden allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast (dazu statt aller Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, Vor § 916 Rn. 6a m.w.N.) – der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen. Auf die Besonderheiten des einseitigen Beschlussverfahrens i.S.d. § 937 Abs. 2 ZPO (dazu Vollkommer, a.a.O.; MüKo-ZPO/Drescher, 5. Aufl. 2016, § 920 Rn. 21 m.w.N.) kommt es dabei nicht einmal mehr an.

Der hier streitgegenständliche Kommentar enthält – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und wie letztlich auch vom Antragsteller selbst nicht in Abrede gestellt wird – jedenfalls isoliert betrachtet eine Aussage, die die Schrecken des Nationalsozialismus und des in den Konzentrationslagern begangenen Völkermordes verharmlosend als Hilfe zum Lernen darstellt und mit einem Vorwurf an die jüdische Bevölkerung verbunden ist, aus diese „Nachhilfe“ nichts gelernt zu haben. Hinsichtlich der bei isolierter Betrachtung somit vorliegenden Schmähung kann sich der Antragsteller mangels ausreichendem Sachvortrag zum damaligen Gesamtkontext aber nicht darauf berufen, es habe sich bei seinem Beitrag erkennbar nur um Satire gehandelt, welche gerade die angegriffene Bevölkerungsgruppe im öffentlichen Meinungskampf habe unterstützen sollen. Denn der Antragsteller hat nicht dargelegt (und erst recht nicht glaubhaft gemacht), dass und warum die von ihm subjektiv beabsichtigte satirische Einkleidung seines Beitrags für den durchschnittlichen Rezipienten der fraglichen G-Seiten (und dort dann seines Kommentars) erkennbar war. Der Antragsteller hat insbesondere den von ihm mit der streitgegenständlichen Äußerung kommentierten Beitrag eines anderen Nutzers, in welchen nach seinen Angaben „massiv gegen Israel und Juden gehetzt wurde“ ebensowenig vorgelegt wie etwa andere Kommentare/Bilder/Links in unmittelbarem Kontext, so dass dem Senat keine Beurteilung dazu möglich ist, ob die Äußerung des Antragstellers aus Sicht des Durchschnittslesers dann doch als Bekräftigung eines antisemitischen Beitrags oder vielmehr als satirische Abgrenzung zu verstehen war. Der in der eidesstattlichen Versicherung v. 16.08.2018 (Anlage JS5, Bl. 111 d.A., Original Bl. 157 d.A.) dazu mitgeteilte Kern-Sachverhalt lässt eine Würdigung der Aussage im Gesamtkontext so nicht zu, gleiches gilt für den Vortrag auf S. 6 ff. der Antragsschrift (Bl. 71 ff. d.A.) und S. 2 ff. der Beschwerdeschrift (Bl. 153 ff. d.A.).

Soweit der Antragsteller auf S. 2 der Beschwerdeschrift (Bl. 153 d.A.) vorträgt, er könne zum Gesamtkontext auch nichts Näheres mehr vortragen, weil seine Äußerung – auch im „Aktivitätenprotokoll“ – weiterhin gelöscht sei, ist das nicht nachvollziehbar. Denn in der o.a. eidesstattlichen Versicherung hat er selbst angegeben, dass zu seinem Unverständnis die anderen (unstreitig antisemitischen) User-Kommentare „weiter online“ seien, so dass ihm aber durchaus weiterer Vortrag zum Umfeld des streitgegenständlichen Kommentars – mag dieser selbst auch gelöscht sein – möglich und zumutbar gewesen wäre.

Der Antragsteller kann sich schließlich auch mangels weiteren Vortrages (nebst Glaubhaftmachung) nicht darauf berufen, dass er persönlich und seine – jeweils ähnlichen Schemata folgenden - Postings dem durchschnittlichen Leser der einschlägigen G-Seiten als eindeutig satirisch erkennbar gewesen sind, weil seine politische Einstellung gemeinhin bekannt und erkennbar gewesen sei. Dafür ist auch nach dem Akteninhalt nichts ersichtlich. Dass der Antragsteller sich u.a. für den Staat Israel und im Kampf gegen den Antisemitismus engagiert und dafür auch öffentlich gelobt worden sein mag (Anlage JS 1a, Bl.94 f. d.A.), genügt isoliert dafür nicht. Auch der Vortrag auf S. 3 f. der Beschwerdebegründung (Bl. 154 f. d.A.) besagt nichts zur Erkennbarkeit solcher Umstände für den Durchschnittsuser, weil insbesondere nicht nur G-Freunde des Antragstellers dessen Postings lesen – die den Duktus und die Intention eher einschätzen können -, sondern eben vor allem auch andere Leser der (hier offenbar antisemitischen) Ausgangspostings, denen weitergehende Hintergrundinformationen kaum präsent sein werden und die dies – anderes ist nicht vorgetragen - auch nicht ohne weiteres aus dem Posting des Antragstellers selbst erkennen könnten.

Der Antragssteller kann sich zuletzt auch nicht auf die meinungsfreundlichen Auslegungsgrundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207) berufen, da auch deren Anwendung nur vor dem jeweiligen Gesamtkontext erfolgen kann, so dass es beim oben Gesagten verbleiben muss. Daher kann und soll ausdrücklich offen bleiben, ob diese Grundsätze auch im Verhältnis von Antragsteller und Antragsgegnerin zur Anwendung gelangen können, wenn es – wie hier – um Sperrungen/Löschungen geht.

2. Der Antragsteller kann dann folgerichtig auch nicht verlangen, dass der Antragsgegnerin verboten wird, ihn wegen des streitgegenständlichen Kommentars auf „G.com“ zu sperren. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit aufgrund der zwischenzeitlich abgelaufenen Sperre von drei Tagen eine Beeinträchtigung des Antragstellers nicht mehr vorliegt. Denn da nach den vorstehenden Ausführungen angesichts der vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel davon auszugehen ist, dass der streitgegenständliche Kommentar so nicht zulässig veröffentlicht werden durfte, kann der Antragsgegnerin auch keine weitere (zeitweilige oder endgültige) Sperrung des Antragstellers auf „G.com“ untersagt werden, falls er diesen Kommentar erneut online stellen sollte.

Ob die Antragsgegnerin den Antragsteller möglicherweise auch wegen anderer, inhaltlich ähnlicher Kommentare zu sperren droht und dazu berechtigt wäre bzw. wie die Antragsgegnerin sich zu verhalten hätte, soweit der Antragsteller den streitgegenständlichen Kommentar nur in modifizierter, den satirischen Charakter deutlicher erkennbaren Form online stellen sollte, ist vorliegend nach der Antragstellung nicht Streitgegenstand, woran die unklare Formulierung auf S. 12 der Antragsschrift (Bl. 76 d.A.) nichts zu ändern vermag.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG München: Facebook muss bei Löschung von Nutzerbeiträgen Meinungsfreiheit beachten - Klausel in Community-Standards wonach Löschung allein im Ermessen von Facebook steht unwirksam

OLG München
Beschluss vom 17.07.2018
18 W 858/18


Das OLG München hat in einer weiteren Entscheidung entschieden, dass Facebook bei der Löschung von Nutzerbeiträgen die Meinungsfreiheit beachten muss. Eine Klausel in den Community-Standards, wonach die Löschung allein im Ermessen von Facebook steht, ist nach Ansicht des Gerichts unwirksam.

Leitsätze des OLG München:

1. Anspruchsgrundlage für den Anspruch des (angemeldeten) Nutzers einer Social-Media-Plattform gegen den Plattformbetreiber auf Unterlassung der rechtswidrigen Löschung eines auf der Plattform eingestellten Beitrags oder auf Unterlassung der rechtswidrigen Entziehung der vom Plattformbetreiber bereitgestellten Kommunikationsmöglichkeiten („Sperrung“) ist der vertragliche Erfüllungsanspruch in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Soweit der Nutzer sich gegen eine zukünftige Löschung bzw. Sperrung wendet, muss er nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO das Bestehen einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr darlegen.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Nutzung einer Social-Media-Plattform, die dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für den Austausch von Informationen und Meinungen zu verschaffen, müssen bei der Konkretisierung der wechselseitigen Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB) der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts der Nutzer auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), angemessen Rechnung tragen.

3. Eine Klausel, welche die Löschung des von einem Nutzer geposteten Beitrags wegen eines Verstoßes gegen die vom Plattformbetreiber aufgestellten „Community-Standards“ in das Ermessen des Plattformbetreibers stellt, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Vielmehr hat der Nutzer einen Anspruch darauf, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht gegen seinen Willen von der Plattform entfernt wird.

4. Da der Anspruch auf Unterlassung einer Sperrung in der Sache auf zukünftige Ver-tragserfüllung gerichtet ist, kann er im Wege der einstweiligen Verfügung nur geltend gemacht werden, wenn der Nutzer das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung darlegt und glaubhaft macht. (

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Verfügungsantrag ist begründet, soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin eine erneute Löschung des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages, den der Antragsteller nach eigenen Angaben nochmals auf www.f...com einzustellen beabsichtigt, zu untersagen.

a) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, dem Antragsteller die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Eines Rückgriffs auf die vom Antragsteller als weitere Anspruchsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB bedarf es nicht.

aa) Der Antragsteller hat durch seine eidesstattliche Versicherung vom 30.05.2018 glaubhaft gemacht, dass er sich im sozialen Netzwerk „F.“ unter Anlegung eines persönlichen Profils („Konto“) angemeldet hatte. Die Tatsache der Anmeldung wird außerdem durch die in die Antragsschrift vom 29.05.2018 auf Seite 6 eingescannte Mitteilung der Antragsgegnerin über die Löschung des vom Antragsteller geposteten streitgegenständlichen Textbeitrages bestätigt.

Mit der Anmeldung ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis zustande gekommen. Nach ihren eigenen Angaben bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.f...com bereitstellt (vgl. „Erklärung der Rechte und Pflichten“, Nr. 17.1, vorgelegt als Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet die Antragsgegnerin ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) – vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) – lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

bb) Mit der Löschung des vom Antragsteller geposteten, im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages am 27.03.2018 hat die Antragsgegnerin ausweislich der hierfür gegebenen Begründung (vgl. die eingescannte Mitteilung auf Seite 6 der Antragsschrift vom 29.05.2018):
„It looks like something you posted doesn’t follow our Community Standards. We remove posts that attack people based on their race, ethnicity, national origin, religious affiliation, sexual orientation, gender or disability.“
von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer „Erklärung der Rechte und Pflichten“ (Anlage KTB 1) unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:
„5. Schutz der Rechte anderer Personen
Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F. posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (...)“

cc) Die Klausel 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel – dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305 c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht – kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen M.platz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261).

Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem vom Antragsteller geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 – 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

dd) Die in den Gemeinschaftsstandards (Anlage KTB 3, 13. Abschnitt) geregelte Entfernung von sogenannten „Hassbotschaften“ – definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen – wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Klausel stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab. Auf diese Klausel kann die Antragstellerin die Löschung des streitgegenständlichen Textbeitrags aber nicht stützen, weil dieser keinen „Hassbeitrag“ im Sinne der Klauseldefinition darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339–356).


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