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BVerwG: Kein vorbeugender Rechtsschutz für Verein Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation durch BND mittels Quellen-TKÜ

BVerwG
Urteil vom 25.02.2023
6 A 1.22


Das BVerwG hat entschieden, dass dem Verein Reporter ohne Grenzen kein vorbeugender Rechtsschutz auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation durch BND mittels Quellen-TKÜ zusteht.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

Kein vorbeugender Rechtsschutz des Vereins Reporter ohne Grenzen auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation mittels Quellen-TK

Die vorbeugende Klage des Vereins Reporter ohne Grenzen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, dass seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation von dem Bundesnachrichtendienst (BND) mittels Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) überwacht wird, ist unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am gestrigen Tage entschieden.

§ 11 Abs. 1a des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10) enthält die Befugnis für die Nachrichtendienste, in Endgeräte (Telefone, Computer etc.) von Personen einzugreifen, um deren laufende und ruhende Kommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Es handelt sich bei dieser Quellen-TKÜ um eine besondere Durchführungsform von individuellen Maßnahmen der Beschränkung des Telekommunikationsgeheimnisses nach § 3 G10, die an einem bestimmten Endgerät einer Person und nicht an einem Übertragungsweg wie im Rahmen der strategischen Überwachung nach § 5 G10 ansetzt.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich als Teil eines internationalen Netzwerks die Dokumentation von Verstößen gegen die Presse- und Informationsfreiheit sowie die Hilfe für Journalisten in Notlagen zum Ziel gesetzt hat. Er hat nach eigenen Angaben vor allem Kontakt mit ausländischen Journalisten, die in denjenigen Themenbereichen und Gebieten recherchieren, in denen auch der BND seine Aufklärungsarbeit leistet. In Einzelfällen stehe er auch direkt in Kontakt zu Personen, die sich im Umfeld von extremistischen Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland bewegten, welche ebenfalls im Fokus des BND stünden. Er gehe daher davon aus, dass seine Kommunikation unmittelbar durch die Quellen-TKÜ auf seinen vereinseigenen Geräten überwacht werden könnte. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Kommunikationspartner mithilfe der Quellen-TKÜ überwacht werden und im Zuge dessen mittelbar seine Kommunikation erfasst werden könnte. Da der BND erklärt habe, von den Befugnissen des § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen, erhebe er vorbeugend Klage auf Unterlassung der unmittelbaren und mittelbaren Überwachung seiner Kommunikation im Wege der Quellen-TKÜ.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die befürchtete Überwachung der laufenden Kommunikation bezieht, ist bereits nach § 13 G10 die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die Klage unstatthaft. Die Statthaftigkeit setzt voraus, dass das Gericht in der Lage ist, das drohende Verwaltungshandeln, dessen Unterlassen der Kläger begehrt, einer Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Hierzu müsste sich die befürchtete Überwachung der Kommunikation des Klägers mit Dritten über Messenger-Dienste etc. mittels der Quellen-TKÜ hinreichend konkret in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzeichnen. Dies ist nicht der Fall.

Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten des Klägers ist nicht hinreichend konkret. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass seine Mitarbeiter im Verdacht stehen könnten, Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 zu begehen. Ebenso wenig zeichnet sich hinreichend konkret ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner des Klägers derartigen Maßnahmen wegen des Verdachts der Begehung solcher Straftaten mit Inlandsbezug ausgesetzt sein könnten.

Schließlich erweist sich die Klage auch deshalb als unzulässig, weil der Kläger sich nicht vor Klageerhebung mit seinem Unterlassungsbegehren an den BND gewandt hat. Das Erfordernis der behördlichen Vorbefassung gebietet es, sich vor einer Inanspruchnahme der Gerichte mit einem Begehren zunächst an die Verwaltung zu richten. Dies hat der Kläger unterlassen und damit dem BND die Möglichkeit genommen, das Unterlassungsbegehren vorprozessual zu prüfen.

BVerwG 6 A 1.22 - Urteil vom 25. Februar 2023



VG Köln: Vorbeugende Feststellungsklage gegen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unzulässig

VG Köln
Urteil vom 14.02.2019
6 K 4318/18


Das VG Köln hat entschieden, dass die vorbeugende Feststellungsklage zweier Politiker gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) mangels qualifiziertem Feststellungsinteresse unzulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: FDP-Bundestagsabgeordnete scheitern mit vorbeugender Feststellungsklage

Die FDP-Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin und Jimmy Schulz sind vor dem Verwaltungsgericht Köln mit einer Klage gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gescheitert. Das Gericht hat die von ihnen erhobene vorbeugende Feststellungsklage mit Urteil vom heutigen Tag als unzulässig abgewiesen.

Die beiden Politiker sind registrierte Nutzer des sozialen Netzwerks Facebook. Sie wandten sich mit ihrer im Juni 2018 erhobenen Klage gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vom 1. September 2017. Mit diesem Gesetz werden soziale Netzwerke wie Facebook unter bestimmten Voraussetzungen zur Löschung rechtswidriger Inhalte verpflichtet. Das Gesetz sieht auch Bußgeldvorschriften vor, mit denen das Bundesamt für Justiz den ordnungswidrigen Umgang von Anbietern sozialer Netzwerke mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte ahnden kann. Die Kläger wollten mit ihrer Klage die gerichtliche Feststellung erreichen, dass das Bundesamt für Justiz nicht berechtigt ist, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegenüber Facebook durch Maßnahmen nach § 4 NetzDG zu vollziehen und dadurch eine Löschung von Inhalten der Kläger durch Facebook zu bewirken. Zur Begründung hatten sie vorgetragen, das Gesetz sei verfassungswidrig.

Das Gericht hat die Klage schon aus prozessualen Gründen abgewiesen. Für die von den Klägern erhobene vorbeugende Feststellungsklage fehle es bereits an einem hinreichend konkreten Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem beklagten Bundesamt für Justiz. Überdies liege das nach dem Prozessrecht erforderliche qualifizierte Feststellungsinteresse für den von ihnen beanspruchten vorbeugenden Rechtsschutz nicht vor. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des NetzDG kam es danach für die Entscheidung nicht an.

Gegen das Urteil kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.


Volltext BGH: Zur Zulässigkeit der Versendung eines presserechtlichen Informationsschreibens

BGH
Urteil vom 15.01.2019
VI ZR 506/17
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Presserechtliche Informationsschreiben unzulässig wenn keine Informationen enthalten sind die Presse Beurteilung etwaiger Persönlichkeitsrechtverletzungen ermöglichen über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Die Übermittlung eines "presserechtlichen Informationsschreibens" greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens ein. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden.

BGH, Urteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Presserechtliche Informationsschreiben unzulässig wenn keine Informationen enthalten sind die Presse Beurteilung etwaiger Persönlichkeitsrechtverletzungen ermöglichen

BGH
Urteil vom 15.01.2019
VI ZR 506/17


Der BGH hat entschieden, dass presserechtliche Informationsschreiben unzulässig sind, wenn diese keine Informationen enthalten, die den angeschriebenen Presseunternehmen die Beurteilung möglicher Persönlichkeitsrechtverletzungen durch eine etwaige Berichterstattung ermöglichen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit presserechtlicher Informationsschreiben

Der Verlag der Klägerin gibt eine Zeitung heraus, in der unter der Rubrik "Herzblatt-Geschichten" Veröffentlichungen der Boulevardpresse über Prominente aufgegriffen werden. Der Beklagte zu 2, ein bekannter Musiker, war wiederholt Gegenstand einer solchen Berichterstattung durch die Klägerin. Die Beklagte zu 1 betreibt eine presserechtlich tätige Rechtsanwaltskanzlei. Sie versendet an von ihr ausgewählte Verlage sogenannte presserechtliche Informationsschreiben, in denen ein rechtliches Vorgehen gegen eine etwaige Berichterstattung über gewisse Ereignisse oder Umstände in Aussicht gestellt wird. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1 auf, sie aus dem Verteiler für den Versand derartiger Schreiben zu nehmen.

Die Beklagten übermittelten der Klägerin am 11. Mai 2016 gleichwohl ein weiteres presserechtliches Informationsschreiben, mit dem sie darum baten, von einer Übernahme der angeblich persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung über den Beklagten zu 2 in einer anderen Zeitung Abstand zu nehmen. Die Klägerin verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, ihr presserechtliche Informationsschreiben per Telefax zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben vom 11. Mai 2016.

Das Landgericht hat die Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.

Die Übermittlung eines presserechtlichen Informationsschreibens greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb eines Presseunternehmens ein. Derartige Schreiben zielen auf einen effektiven – möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden – Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie dienen dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken. Hinter diesen schutzwürdigen Interessen hat das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden. So verhielt es sich im Streitfall.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 14. Dezember 2017 – 16 U 60/17

Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 2. März 2017 – 2-03 O 219/16