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BfJ: Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Das BfH hat ein Bußgeldverfahren nach dem NetzDG gegen Twitter wegen systemischen Versagens des Beschwerdemanagements beim Umgang mit Nutzerbeschwerden wegen rechtswidriger Inhalte

Die Pressemitteilung des BfJ:
Bundesamt für Justiz führt Bußgeldverfahren gegen die Twitter International Unlimited Company wegen unzureichenden Umgangs mit Nutzerbeschwerden

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat ein Bußgeldverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen die Twitter International Unlimited Company eingeleitet. Aus Sicht des BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte für Versäumnisse im Beschwerdemanagement der Anbieterin von Twitter in Deutschland vor.

Die Anbieterin von Twitter unterliegt den Vorschriften des NetzDG. Dem BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sie gegen die gesetzliche Pflicht zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte verstoßen hat und es sich dabei um ein bußgeldbewehrtes systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin handelt.

Fehlerhafter Umgang mit Nutzerbeschwerden
Die Anbieterin von Twitter ist nach dem NetzDG verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Sie muss unter anderem unverzüglich von einem gemeldeten Inhalt Kenntnis nehmen, prüfen, ob dieser rechtswidrig im Sinne des NetzDG ist, und einen rechtswidrigen Inhalt, unter Beachtung der gesetzlichen Frist von regelmäßig sieben Tagen bzw. 24 Stunden im Falle offensichtlicher Rechtswidrigkeit, löschen oder den Zugang zu ihm sperren. Ein Inhalt gilt nach dem NetzDG als rechtwidrig, wenn er einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeführten Tatbestände des Strafgesetzbuchs, wie beispielsweise Volksverhetzung, Beleidigung oder Bedrohung, erfüllt.

Dem BfJ wurden zahlreiche Inhalte gemeldet, die auf Twitter veröffentlicht wurden, nach Einschätzung der Behörde rechtswidrig sind und trotz Nutzerbeschwerden nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen von der Anbieterin gelöscht oder gesperrt wurden. Hierauf gründet das eingeleitete Bußgeldverfahren.

Systemisches Versagen des Beschwerdemanagements
Bei vereinzelten Verstößen von Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke gegen die Prüf- und Löschpflichten des NetzDG kann in der Regel noch nicht angenommen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird. Bußgeldbewehrt ist aber ein systemisches Versagen des Beschwerdemanagements, das vorliegt, wenn Verfehlungen gegen die einschlägigen Vorgaben des NetzDG zeit- und sachnah wiederholt auftreten.

Die dem Bußgeldverfahren gegen die Anbieterin von Twitter zugrundeliegenden Inhalte weisen einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auf und sind daher geeignet, ein systemisches Versagen im Beschwerdemanagement der Anbieterin zu begründen. Sie wurden in einem Zeitraum von rund vier Monaten auf Twitter veröffentlicht und der Anbieterin von Twitter von Nutzerinnen und Nutzern als rechtswidrig angezeigt. Alle Inhalte enthalten ähnlich gelagerte, nicht gerechtfertigte, ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten. Sie erfüllen nach Einschätzung des BfJ den Tatbestand der Beleidigung.

Anhörung der Anbieterin und Vorabentscheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bonn
Das BfJ hat der Anbieterin von Twitter nunmehr zu dem Vorwurf eines systemischen Versagens des Beschwerdemanagements Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Im weiteren Verfahren wird das BfJ die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente prüfen. Sollte das BfJ zum Ergebnis kommen, dass der Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens weiterhin berechtigt ist, wird das BfJ beim Amtsgericht Bonn die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beantragen und zugleich die Stellungnahme der Anbieterin vorlegen.

Vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids gegen Anbieter sozialer Netzwerke wegen fehlerhafter Nichtlöschung oder Nichtsperrung rechtswidriger Inhalte soll nach § 4 Absatz 5 NetzDG die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhalte herbeigeführt werden. Zuständig für dieses sogenannte Vorabentscheidungsverfahren ist das Amtsgericht Bonn.

Sollte das Amtsgericht Bonn die Rechtswidrigkeit der Inhalte feststellen, kann das BfJ eine Geldbuße gegen die Anbieterin von Twitter festsetzen.



BGH: Zustellungen an Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG

BGH
Beschluss vom 10.11.2022
I ZB 10/22
ZPO § 890 Abs. 1 und 2; NetzDG § 1 Abs. 3 und 4, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2


Der BGH hat entschieden, dass Zustellungen an den Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nur hinsichtlich rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG wirksam bewirkt werden können.

Leitsätze des BGH:
a) Für die Frage, ob Zustellungen an den gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG.

b) Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist. Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZB 10/22 - OLG Köln - LG Bonn

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: NetzDG nicht anwendbar bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen über Facebook-Messenger zwischen nur zwei Personen

LG Frankfurt
Beschluss vom 30.04.2018
2-03 O 430/17


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass das NetzDG bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen über den Facebook-Messenger zwischen nur zwei Personen keine Anwendung findet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag der Antragstellerin, der darauf gerichtet ist, es der Beteiligten gemäß § 14 Abs. 3 TMG zu gestatten, Auskunft über Bestands- und Verkehrsdaten einzelner Nutzer zu erteilen, war zurückzuweisen.

Es fehlt an einem Anspruch auf Gestattung, denn für die hier streitgegenständliche Nutzung der Dienste der Beteiligten ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 NetzDG ("soziale Netzwerke") nicht eröffnet.

1. Die Antragstellerin stützt sich auf § 14 Abs. 3 TMG, der in seiner Neufassung lautet:

"(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist."

§ 1 des dort in Bezug genommenen NetzDG lautet:

(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 und 3 befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.

(3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/13013, S. 18 f.) führt zum Anwendungsbereich aus:

"Durch das Abstellen auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch sowie die Klarstellung in Satz 3 wird im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Anbieter von Plattformen, die darauf angelegt sind, dass nur spezifische Inhalte verbreitet werden, nicht unter die Regelungen des NetzDG fallen. Daher fallen z. B. berufliche Netzwerke, Fachportale, Online-Spiele, Verkaufsplattformen nicht in den Anwendungsbereich.

Durch das Streichen des Wortes "auszutauschen" sowie die Klarstellung in Satz 3 wird im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Dienste der Individualkommunikation (z.B. E-Mail- oder Messengerdienste) nicht unter das Gesetz fallen. Dies ergibt sich auch aus dem eingrenzenden Tatbestandsmerkmal des Betreibens von "Plattformen". Denn der Begriff der Plattform verweist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf Kommunikationsräume, wo sich Kommunikation typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet."

2. Die Auslegung des Anwendungsbereichs des NetzDG in § 1 Abs. 1 NetzDG ist unklar und daher auslegungsbedürftig.

a. Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich ermitteln, dass das NetzDG bestimmte "Telemediendiensteanbieter" erfassen soll. Es könnte vor diesem Hintergrund bereits fraglich sein, ob das Angebot von Telekommunikationsdiensten, die nach § 1 Abs. 1 S. 1 TMG nicht unter das TMG fallen sollen, überhaupt von der Norm erfasst ist (so Guggenberger, NJW 2017, 2577, 2578). Als solche Telekommunikationsdienste werden nach h.M. auch sogenannte "Over-the-Top"-Dienste wie Messenger (z.B. Skype oder Whatsapp) gezählt (vgl. insoweit OVG Münster, Beschl. v. 26.02.2018 - 13 A 17/16, BeckRS 2018, 3494; VG Köln MMR 2016, 141 [VG Köln 11.11.2015 - 21 K 450/15]; Grünwald/Nüßling, MMR 2016, 91 m.w.N.; Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26 m.w.N.). Zu beachten ist insoweit jedoch, dass der Gesetzgeber offenkundig davon ausgeht, dass § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG auch auf Messenger Anwendung finden kann, ansonsten hätte es der Ausnahme in § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG nicht bedurft. Daher dürfte - auch nach dem Schutzzweck von § 14 Abs. 3 TMG - der Anwendungsbereich für diese Norm nach § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG bestimmt werden und nicht nach § 11 Abs. 3 TMG. Ansonsten ergäbe die Ausnahme von Individualkommunikation keinen Sinn.

b. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist somit, ob die Ausnahme in § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG auch für die hier streitgegenständlichen Nachrichten gilt, ob also der Facebook "Messenger" ein "soziales Netzwerk" (im Sinne einer "Plattform im Internet, die dazu bestimmt ist, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen") ist, oder aber eine "Plattform, die zur Individualkommunikation dient". Nach der Gesetzesbegründung fallen jedenfalls E-Mail(Plattformen) nicht unter das NetzDG.

Das Bundesamt für Justiz hält bei "Messengerdiensten" den Anwendungsbereich nicht für eröffnet (NetzDG-Bußgeldleitinien, 22.03.2018, Anlage B5, S. 3 f.; vgl. auch https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/NetzDG/Fragen/1.html), ohne jedoch auf die hier zwischen den Parteien aufgeworfenen Abgrenzungsfragen einzugehen.

In der Literatur wird diskutiert, ob unter die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG neben E-Mail- auch Messenger-Dienste wie z.B. Skype und Whatsapp fallen. Die Abgrenzung von Massen- und Individualkommunikation sei keinesfalls eindeutig. Einige der Dienste böten nämlich verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten in bzw. mit (großen) Gruppen und damit "Kommunikationsräume" (Spindler/Schmitz-Liesching, a.a.O., § 1 NetzDG Rn. 48; Spindler, K&R 2017, 533, 534; Spindler, GRUR 2018, 365, 367). Teilweise wird vertreten, dass, soweit bei solchen Plattformen eine Unterscheidung sinnvollerweise möglich sei, jedenfalls nur die Komponente der Massenkommunikation dem NetzDG unterfalle (Guggenberger, NJW 2017, 2577, 2578). Demgegenüber wird in der Kritik an der Gesetzesregelung teilweise ganz konkret nicht auf die Plattform an sich, sondern an die jeweilige Kommunikation abgestellt. Große WhatsApp-Gruppen könnten kaum noch als "nicht-öffentlich" bezeichnet werden, während kleine Twittergruppen bzw. "Follower" den sozialen Netzwerken zuzuschlagen sein könnten (Spindler, GRUR 2018, 365, 367; Spindler/Schmitz-Liesching, a.a.O., § 1 NetzDG Rn. 48, 61).

c. Problematisch ist mit Blick auf den Wortlaut der Regelung vorliegend, dass der Gesetzgeber bei der Unterscheidung der sozialen Netzwerke und der Dienste zur Individualkommunikation von "Plattformen" spricht und hierbei davon auszugehen scheint, dass diese Plattformen unproblematisch voneinander zu trennen seien. Dies ist jedoch in der Praxis nicht der Fall. Dies zeigt einerseits die oben angeführte Literatur. Aber auch der hiesige Sachverhalt offenbart, dass die Trennung im Einzelfall kaum möglich ist.

Die Beteiligte zieht sich insoweit darauf zurück, dass ihr "Messenger" eine "separate Plattform" sei. Der Kammer ist jedoch bekannt - und dies ergibt sich auch aus den Hilfestellungen der Beteiligten ("Du kannst Deine Nachrichten auch weiterhin auf der Facebook-Webseite sehen.") -, dass der "Messenger" der Beteiligten auch über die Webseite www.facebook.com genutzt werden kann. Die Funktion der Übersendung von nicht-öffentlichen Nachrichten unter Nutzern der "Plattform Facebook" war bis vor wenigen Jahren vollständig, auch bei der mobilen Nutzung, integriert. Die Beteiligte hat mittlerweile eine Trennung durchgeführt, die nach ihrem Vortrag technisch vollständig sein soll. Da allerdings die Funktionen des "Messenger" auch über die Webseite www.facebook.com genutzt werden können, ist jedenfalls insoweit aus Sicht der Nutzer die Messenger-Funktion auch als ein Teil der "Plattform Facebook" anzusehen. Hieraus folgt, dass im hiesigen Fall die "Plattform Facebook" und die "Plattform Individualkommunikation" gerade nicht trennscharf unterschieden werden können. Dies untermauert auch die Beteiligte, indem sie u.a. den "Messenger" als "Teil des Facebook-Benutzererlebnisses" bezeichnet, während sie andere ihrer Dienste als "unabhängigere Erlebnisse" ansieht (s. https://de-de.facebook.com/help/1561485474074139). Eine "Plattform" im Sinne des NetzDG kann daher sowohl der Definition des "sozialen Netzwerks" unterfallen, weil dort Inhalte mit anderen Nutzern geteilt werden können, als auch gleichzeitig und bestimmungsgemäß Indivualkommunikation ermöglichen. Dementsprechend ist die Bestimmung des Anwendungsbereichs über den Wortlaut "Plattform" in § 1 Abs. 1 S. 1 und 3 NetzDG nicht hilfreich.

d. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1 NetzDG im Wege einer "Regel/Ausnahme"-Regelung definiert wird. Um dem Ziel des Gesetzes, einer wirksamen Bekämpfung von persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten, zu genügen, ist daher nach der Gesetzessystematik der Anwendungsbereich des "sozialen Netzwerks" nach § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG eher weit, die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG tendenziell eher eng zu fassen.

e. Nach Auffassung der Kammer sollen - unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesichtspunkte sowie Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte der Regelung - durch das NetzDG jedenfalls Tathandlungen wie hier, die nicht öffentlich erfolgt sind, vom Anwendungsbereich des NetzDG nicht erfasst sein. Dies ergibt sich zum einen (indiziell) aus dem Wortlaut, der "Plattformen, die zur Individualkommunikation bestimmt sind", ausnehmen soll. Aus der Gesetzesbegründung des NetzDG und der Gesetzgebungshistorie ergibt sich weiter, dass nur "Kommunikation, [die sich] typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet" nicht in den Anwendungsbereich fallen soll.

Nach der Gesetzesbegründung war Anlass für die Schaffung des NetzDG u.a. eine "Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken" (BT-Drs. 18/12356, S. 11). Die Debattenkultur im Netz sei oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Hassrede und rassistische Hetze könnten jede und jeden aufgrund der Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamieren. Auch "Fake News" sollten bekämpft werden können (BT-Drs. 18/12356, S. 11). Hiervon erfasst sein sollten sowohl der "Austausch von Inhalten mit anderen Nutzern in einer geschlossenen Netzgemeinschaft ("gated community") als auch die Verbreitung von Inhalten in der Öffentlichkeit" (BT-Drs. 18/12356, S. 12).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass das NetzDG auch und insbesondere geschaffen wurde, um Inhalte "löschen" zu können, in der Regel binnen 24 Stunden (BT-Drs. 18/12356, S. 12). Auch dies spricht dafür, dass es sich bei den betroffenen, zu löschenden Nachrichten um solche handelt, die an eine bestimmte Öffentlichkeit gerichtet sind. Denn jedenfalls Nachrichten, die nur zwischen zwei Personen im Wege der "Individualkommunikation" ausgetauscht werden, können in der Regel auch vom Empfänger gelöscht werden. Von ihnen geht anschließend - über den ursprünglichen Gehalt hinaus - keine weitere persönlichkeitsrechtsverletzende Wirkung aus. Anders ist dies bei Nachrichten, die vom Betroffenen nicht gelöscht werden können, so dass sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung perpetuiert. Nur für diese besteht daher ein Bedarf an der Löschung.

f. Im vorliegenden Fall geht es um Rechtsverletzungen, die jeweils durch den "Messenger" der Beteiligten nur zwischen jeweils zwei Personen begangen wurden. Eine über dieses Verhältnis von Sender und Empfänger hinausgehende Wirkung, die eine "Öffentlichkeit" im oben dargestellten Sinn begründen würde, ist nicht erkennbar. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin an der jeweiligen Individualkommunikation nicht beteiligt war.

Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass die hier verfahrensgegenständlichen Nachrichten durchaus die übrigen Voraussetzungen insbesondere von § 1 Abs. 3 NetzDG i.V.m. den dort in Bezug genommenen Strafvorschriften erfüllen können und daher eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Antragstellerin außer Frage stehen dürfte. Es besteht vor diesem Hintergrund für die Antragstellerin durchaus der Bedarf, die Identität der Absender der Nachrichten ermitteln und so gegen die Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorgehen zu können. Der Gesetzgeber hat sich jedoch offenkundig dazu entschieden, dass in Fällen der Individualkommunikation eine Gestattung der Auskunft nicht verlangt werden kann und so die Möglichkeit des privaten Vorgehens gegen solche Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht ermöglicht bzw. nicht erleichtert werden soll. Der durch solche Äußerungen Betroffene wird daher vom Gesetzgeber (weiterhin) allein auf die Verfolgung durch Einschaltung der Strafbehörden verwiesen (vgl. zur Kritik an § 5 Abs. 2 NetzDG, der die Auskunft der Betreiber von sozialen Netzwerken an Strafverfolungsbehörden regelt, Spindler, K&R 2017, 533, 542).

Nach alledem konnte im Ergebnis offenbleiben, ob Messenger-Dienste wie der der Beteiligten generell oder nur im konkreten Einzelfall vom Anwendungsbereich des NetzDG erfasst sind. Denn jedenfalls die hier betroffenen Kommunikationsvorgänge zwischen lediglich zwei Personen unterfallen dem Anwendungsbereich des NetzDG nicht.

g. Auf die weiteren Fragen, insbesondere, ob die Antragstellerin auch Auskunft über Verkehrsdaten verlangen kann (vgl. insoweit § 15 Abs. 5 S. 4 TMG, der u.a. auf § 14 Abs. 3 TMG verweist) oder ob die der Beteiligten von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Informationen hinreichend zur Erteilung der Auskunft sind, kam es nach alledem nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 4 S. 6 TMG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 3 ZPO."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: