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BGH: Käufer muss für Vermutungswirkung nach § 477 BGB darlegen und beweisen dass sich an der Kaufsache 6 Monate nach Gefahrübergang ein Mangel gezeigt hat

BGH
Urteil vom 10.11.2021
VIII ZR 187/20
BGB §§ 13, 14 Abs. 1, § 434 Abs. 1 Satz 1, § 437 Nr. 3, § 476 (nunmehr - wortgleich - § 477 BGB); HGB § 344 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Käufer für die Vermutungswirkung nach § 477 BGB darlegen und beweisen muss, dass sich an der Kaufsache 6 Monate nach Gefahrübergang ein Mangel gezeigt hat.

Leitsätze des BGH:

a) Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten, findet im Rahmen der Einordnung des rechtsgeschäftlichen Handelns eines Kaufmanns als Verbraucher- oder Unternehmerhandeln nach §§ 13, 14 Abs. 1 BGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person (Einzelkaufmann) handelt (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37; Abgrenzung zu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 Rn. 19; vom 9. Dezember 2008 - XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 Rn. 22).

b) Die Vermutung des § 476 BGB aF greift nur dann ein, wenn der Käufer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründete (im Anschluss an Senatsurteile vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36; vom 9. September 2020 - VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 27 ff.). Kommt als Ursache für eine festgestellte Mangelerscheinung (auch) ein Umstand
in Betracht, der eine Haftung des Verkäufers nicht zu begründen vermag - wie das bei gewöhnlichem Verschleiß an nicht sicherheitsrelevanten Teilen eines Gebrauchtwagens regelmäßig der Fall ist (vgl. Senatsurteil vom 9. September 2020 - VIII ZR 150/18, aaO Rn. 22 f. mwN) -, ist dieser Beweis erst erbracht, wenn feststeht, dass die Ursache ebenfalls in einem Umstand liegen kann, der - sofern er dem Verkäufer zuzurechnen wäre - dessen Haftung auslöste.

c) Der Regelung des § 476 BGB aF ist (jedenfalls) in den Fällen, in denen der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB aF alle Voraussetzungen für die Entstehung des betreffenden Mangelrechts geschaffen und dieses gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, eine "Ausstrahlungswirkung" dergestalt beizumessen, dass bezogen auf diejenigen - für die Durchsetzung des Mangelrechts neben dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs jeweils zusätzlich maßgeblichen - späteren Zeitpunkte, die innerhalb des Sechsmonatszeitraums liegen (etwa der Zeitpunkt des Zugangs des Gewährleistungsbegehrens), ebenfalls die Darlegung und der Nachweis des Vorhandenseins einer Mangelerscheinung ausreicht. Darüber hinaus wirkt die Bestimmung des § 476 BGB aF in den genannten Fällen dahingehend fort, dass der Käufer - soweit er auch das Vorliegen eines Mangels zu Zeitpunkten, die außerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB aF liegen (etwa im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), zu beweisen hat - ebenfalls lediglich das Fortbestehen der jeweiligen nachweislich innerhalb der Frist des § 476 BGB aF aufgetretenen Mangelerscheinung bis zu diesen Zeitpunkten, nicht aber deren Verursachung durch den Verkäufer nachzuweisen hat.

d) Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB kann nach wie vor anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 33/19, NJW 2021, 1532 Rn. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ 229, 115 bestimmt; Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZIP 2020, 1073 Rn. 41 ff. mwN; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.).

BGH, Urteil vom 10. November 2021 - VIII ZR 187/20 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Die dem Markeninhaber im Rahmen einer Löschungsklage obliegende sekundäre Darlegungslast zur rechtserhaltenden Benutzung ist keine Beweislastumkehr

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 28.02.2019
3 U 1295/18


Das OLG Nürnberg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses dargelegt, dass die dem Markeninhaber im Rahmen einer Löschungsklage obliegende sekundäre Darlegungslast zur rechtserhaltenden Benutzung keine Umkehr der Beweislast zur Folge hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Die Klägerin bleibt beweisfällig dafür, dass die Beklagte die Klagemarke nicht für die Warengruppe „Fahrräder mit elektrischem Unterstützungsmotor“ (ernsthaft) benutzt.

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Löschungsklage trifft die Klagepartei. Den Beklagten einer Löschungsklage trifft lediglich nach dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine prozessuale Erklärungspflicht, wenn der Löschungskläger keine genaue Kenntnis von den Umständen der Benutzung der Marke hat und auch nicht über die Möglichkeit verfügt, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären (BGH, GRUR 2015, 685, Rn. 10 - STAYER). Diese sogenannte sekundäre Darlegungslast hat jedoch keine Umkehr der Beweislast zur Folge. Sie bewirkt lediglich, dass der Beklagte die Behauptung der Nichtbenutzung des Klägers nicht einfach, sondern nur substantiiert bestreiten kann, d.h. im Einzelnen zu Art und Umfang seiner Benutzung vortragen muss. Entspricht er dieser sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache des Klägers, die Nichtbenutzung zu beweisen. Der Kläger kann sich somit nicht darauf beschränken, den im Rahmen der sekundären Darlegungslast unterbreiteten Vortrag des Beklagten zu bestreiten. Vielmehr bleibt es an ihm, dessen Unrichtigkeit erforderlichenfalls zu beweisen (Thiering, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 55 Rn. 44).

bb) Die Beklagte hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend zu einer (ernsthaften) Nutzung der Klagemarke für Fahrräder mit elektrischem Unterstützungsmotor vorgetragen.

In der ersten Instanz führte die Beklagte aus, dass sie unter der Klagemarke im Zeitraum von 2011 bis 2016 für „Fahrräder, einschließlich Elektrofahrräder“ einen Gesamtumsatz von ca. 21,6 Mio. €, d.h. durchschnittlich 3,6 Mio. pro Jahr, erzielt habe. Darüber hinaus legte sie Werbeanzeigen und Broschüren vor (Anlagenkonvolute AR 14 und AR 16), in denen auch Fahrräder mit elektromotorischem Hilfsantrieb gezeigt werden.

In der Berufungserwiderung führte die Beklagte aus, dass sie im Zeitraum von 2013 bis 2018 unter der Marke T… 6.310 Elektrofahrräder zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von ca. 2.000,00 Euro brutto verkauft habe. Die Stückzahlen würden sich wie folgt verteilen:
2013 830 Stück
2014 750 Stück
2015 600 Stück
2016 210 Stück
2017 2.000 Stück
2018 1.920 Stück

Die Beklagte habe damit seit 2013 fast jedes Jahr einen Umsatz von über einer Million Euro mit Elektrofahrrädern unter der Marke T… erwirtschaftet.

Die Klägerin beantragt, diese erstmals in der Berufungserwiderung gemachten Angaben zu verkauften Stückzahlen von Elektrofahrrädern zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO liegen jedoch nicht vor. Denn der Vortrag zu den Umsatzzahlen ist unstreitig geblieben, weshalb er nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden darf, da unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen werden, stets zu berücksichtigen sind (BGH, r+s 2015, 212 Rn. 5). Darüber hinaus ist ein Vorbringen einer Partei nicht neu i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 9).

cc) Die Klägerin hat keinen Nachweis dafür erbracht, dass der (hinreichend substantiierte) Vortrag der Beklagten zur Nutzung der Klagemarke für „Fahrräder mit elektrischem Unterstützungsmotor“ unzutreffend ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Beweislastumkehr bei grober Vernachlässigung der obliegenden Schutz- und Organisationspflichten - Hausnotrufvertrag

BGH
Urteil vom 11. Mai 2017
III ZR 92/16


Beweislastumkehr bei grober Verletzung besonderer, die Bewahrung von Leben und Gesundheit bezweckender Schutz- und Organisationspflichten ("Hausnotrufvertrag")

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob bei grober Verkennung eines akuten medizinischen Notfalls im Rahmen eines Hausnotrufvertrags eine Umkehr der Beweislast zugunsten des geschädigten Vertragspartners eingreift.

Sachverhalt:

Die Klägerinnen sind die Töchter und Erbinnen des während des Berufungsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers (im Folgenden: Kläger). Sie nehmen den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Hausnotrufvertrag in Anspruch.

Der 1934 geborene Kläger und der Beklagte schlossen 2010 einen "Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf". § 1 Abs. 2 des Vertrags lautet wie folgt:

"Das Hausnotrufgerät wird an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen. Von dieser Zentrale wird im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst)."

Dem Vertrag war ein Erhebungsbogen beigefügt, aus dem sich multiple Erkrankungen des Klägers ergaben (Arthrose, Atemnot, chronische Bronchitis, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus). Außerdem litt er an arteriellem Hypertonus und Makroangiopathie. Es bestand ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bis April 2012 lebte er allein in einer Wohnung in einem Seniorenwohnheim bei Pflegestufe 2.

Am 9. April 2012 betätigte der Kläger den Notruf zur Zentrale des Beklagten. Der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten vernahm minutenlang lediglich ein Stöhnen. Mehrere Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, scheiterten. Der Beklagte veranlasste daraufhin, dass ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes (Streithelferin) sich zu der Wohnung des Klägers begab. Der Mitarbeiter fand diesen am Boden liegend vor. Es gelang ihm nicht, den übergewichtigen Kläger aufzurichten. Nach Hinzuziehung eines weiteren Bediensteten der Streithelferin konnte der Kläger schließlich mit vereinten Kräften auf eine Couch gesetzt werden. Sodann ließen ihn die beiden Angestellten der Streithelferin allein in der Wohnung zurück, ohne eine ärztliche Versorgung zu veranlassen. Am 11. April 2012 wurde der Kläger von Angehörigen des ihn versorgenden Pflegedienstes in der Wohnung liegend aufgefunden und mit einer Halbseitenlähmung sowie einer Aphasie (Sprachstörung) in eine Klinik eingeliefert, wo ein nicht mehr ganz frischer, wahrscheinlich ein bis drei Tage zurückliegender Schlaganfall diagnostiziert wurde.

Der Kläger hat behauptet, er habe gegen Mittag des 9. April 2012 einen Schlaganfall erlitten. Dessen gravierende Folgen wären vermieden worden, wenn der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten einen Rettungswagen mit medizinisch qualifizierten Rettungskräften geschickt hätte.

Prozessverlauf:

Das Landgericht (Einzelrichter) hat die auf Zahlung von Schadensersatz und eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 40.000 €) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung war erfolglos. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen das Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der u.a. für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Beklagte die ihm nach dem Hausnotrufvertrag obliegenden Schutz- und Organisationspflichten grob vernachlässigt hat und deshalb eine Beweislastumkehr zugunsten des geschädigten Vertragspartners eingreift, soweit es um die Frage geht, ob die schwerwiegenden Folgen des Schlaganfalls auch bei rechtzeitiger Hinzuziehung eines Rettungsdienstes eingetreten wären.

Bei dem Hausnotrufvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB. Der Beklagte schuldete keinen Erfolg etwaiger Rettungsmaßnahmen. Er war allerdings verpflichtet, unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung zu vermitteln.

Im konkreten Fall drängte sich das Vorliegen eines akuten medizinischen Notfalls auf. Aufgrund der Betätigung der Notruftaste und des Verhaltens des Klägers nach Annahme des Rufs in der Zentrale des Beklagten war deutlich, dass medizinische Hilfe benötigt wurde. Der Kläger war zu einer verständlichen Artikulation offensichtlich nicht mehr in der Lage, so dass der Mitarbeiter des Beklagten minutenlang nur noch ein Stöhnen wahrnahm. Versuche, ihn telefonisch zu erreichen, scheiterten mehrfach. Aus dem Erhebungsbogen zu dem Notrufvertrag war den Bediensteten des Beklagten bekannt war, dass der 78-jährige Kläger an schwerwiegenden, mit Folgerisiken verbundenen Vorerkrankungen litt. In einer dermaßen dramatischen Situation stellte die Entsendung eines medizinisch nicht geschulten, lediglich in Erster Hilfe ausgebildeten Mitarbeiters eines Sicherheitsdienstes zur Abklärung der Situation keine "angemessene Hilfeleistung" im Sinne des Hausnotrufvertrags dar.

Grundsätzlich trägt der Geschädigte die Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Im Arzthaftungsrecht führt allerdings ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage gilt dies entsprechend bei grober Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese, ähnlich wie beim Arztberuf, dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Der Senat hat keine Bedenken, diese Beweisgrundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Der von dem Beklagten angebotene Hausnotrufvertrag bezweckte in erster Linie den Schutz von Leben und Gesundheit der zumeist älteren und pflegebedürftigen Teilnehmer. Der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten hat die diesem obliegenden vertraglichen Schutz- und Organisationspflichten grob verletzt. Durch diese Nachlässigkeit wurden erhebliche Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen. Die Beweissituation ist für den Kläger beziehungsweise seine Rechtsnachfolgerinnen gerade dadurch erheblich verschlechtert worden, dass der Beklagte gegen die ihm nach dem Hausnotrufvertrag obliegenden Kardinalpflichten gravierend verstoßen hat und der Kläger infolgedessen bis zur Einlieferung in die Klinik am 11. April 2012 gänzlich unversorgt allein in seiner Wohnung lag.

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. …

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin – Urteil vom 7. November 2013 – 63 O 41/13

Kammergericht Berlin – Urteil vom 20. Januar 2016 – 26 U 5/14


EuGH: Zur Auslegung der Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs - Gewährleistung, Beweislast und Unterrichtungspflicht

EuGH
Urteil vom 04.06.2015
C-497/13
Froukje Faber / Autobedrijf Hazet Ochten BV


Die Pressemitteilung des EuGH:

"Der Gerichtshof klärt die Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter

Bei Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung einer Ware offenbar werden, wird vermutet, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden

Mit der europäischen Richtlinie über bestimmte Aspekte von Verbraucherverträgen soll der Schutz von Verbrauchern sichergestellt werden.

Am 27. Mai 2008 kaufte Frau Froukje Faber bei einem Autohaus einen Gebrauchtwagen. Am 26. September 2008 fing das Fahrzeug während einer Fahrt Feuer und brannte völlig aus. Es wurde von einem Abschleppunternehmen zu dem Autohaus, das es verkauft hatte, und dann auf dessen Bitte zu einem Verschrottungsunternehmen gebracht, um dort gelagert zu werden. Frau Faber macht geltend, dass sich die Parteien bei dieser Gelegenheit über den Brand und eine twaige Haftung des Autohauses unterhalten hätten, was das Autohaus bestreitet. Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 machte Frau Faber das Autohaus für den Schaden haftbar. Eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands konnte nicht durchgeführt werden, da das Fahrzeug inzwischen verschrottet worden war.

Da der Verkäufer seine Haftung in Abrede stellte, erhob Frau Faber Klage. Der mit dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren befasste Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden, Niederlande, hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Frage, ob das nationale Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob Frau Faber als Verbraucher im Sinne der Richtlinie 1999/44 anzusehen ist, wenn sie sich nicht auf diese Eigenschaft berufen hat, wird vom Gerichtshof in seinem heutigen Urteil bejaht. Ob der Verbraucher anwaltlich vertreten ist oder nicht, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
Gleichzeitig bestätigt der Gerichtshof, dass das nationale Gericht im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie von Amts wegen prüfen kann. Diese Bestimmung sieht vor, dass bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich vermutet wird, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden,
bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden. In Anbetracht von Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, den diese Bestimmung für den Verbraucher sicherstellt, ist diese nämlich als eine Norm zu betrachten, die den nationalen Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht zwingend sind, gleichwertig ist.

Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob der Grundsatz der Effektivität einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Verbraucher nachzuweisen hat, dass er den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichtet hat. Nach dem niederländischen Recht obliegt es bei Bestreiten des Verkäufers grundsätzlich dem Käufer, den Beweis zu erbringen, dass er den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes unterrichtet hat, und zwar binnen einer
Frist von zwei Monaten nach der Feststellung der Vertragswidrigkeit.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 1999/442 vorsehen dürfen, dass der Verbraucher zur Inanspruchnahme seiner Rechte den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er sie festgestellt hat, unterrichten muss. Nach den Vorarbeiten für die Richtlinie trägt diese Möglichkeit dem Anliegen Rechnung, die Rechtssicherheit zu stärken, indem der Käufer zu einer „gewissen Sorgfalt unter
Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers“ gezwungen wird, „ohne dass damit dem Verbraucher eine zwingende Verpflichtung auferlegt würde, die betreffende Sache genauestens zu prüfen“
.
Der Gerichtshof führt aus, dass sich die dem Verbraucher obliegende Pflicht darauf beschränkt, den Verkäufer über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Der Verbraucher ist in diesem Stadium weder verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass eine Vertragswidrigkeit das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt, noch, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben. Damit die Mitteilung für den Verkäufer von Nutzen sein kann, muss sie hingegen eine Reihe von Angaben enthalten, deren Genauigkeitsgrad zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich sein wird.

Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, wie die Beweislastverteilung funktioniert, und insbesondere, welche Umstände der Verbraucher beweisen muss. Der Gerichtshof führt dazu aus, dass die Richtlinie, falls die Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird, die dem Verbraucher obliegende Beweislast
erleichtert, indem vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch das Vorliegen bestimmter Tatsachen nachweisen. Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, weil es zum Beispiel nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur die Vertragswidrigkeit beweisen. Er muss weder ihren Grund noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist.
Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Sind diese Tatsachen erwiesen, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten der Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat. Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, gegebenenfalls den Beweis zu erbringen, dass
die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes noch nicht vorlag, indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat"


Tenor der Entscheidung:

1. Die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann, die Frage zu prüfen hat, ob der Käufer als Verbraucher eingestuft werden kann, selbst wenn er sich nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat.

2. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass er als eine Norm anzusehen ist, die einer nationalen Bestimmung, die im innerstaatlichen Recht zwingend ist, gleichwertig ist, und dass das nationale Gericht von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden muss, die seine Umsetzung in innerstaatliches Recht sicherstellt.

3. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Verbraucher für die Inanspruchnahme seiner Rechte aus dieser Richtlinie den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichten muss, vorausgesetzt, dass der Verbraucher für diese Unterrichtung über eine Frist von nicht weniger als zwei Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Feststellung der Vertragswidrigkeit verfügt, dass sich diese Unterrichtung nur auf das Vorliegen dieser Vertragswidrigkeit erstrecken muss und dass sie nicht Beweisregeln unterliegt, die dem Verbraucher die Ausübung seiner Rechte unmöglich machen oder diese übermäßig erschweren.

4. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand,

– zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, d. h., sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist;

– von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass der Verkäufer rechtlich hinreichend nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: