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OLG München: Bestreiten eines Behandlungskontaktes durch bewerteten Arzt löst immer Prüfpflichten des Bewertungsportalbetreibers aus

OLG München
Urteil vom 06.08.2024
18 U 2631/24


Das OLG München hat entschieden, dass das Bestreiten eines Behandlungskontaktes durch einen bewerteten Arzt immer Prüfpflichten des Bewertungsportalbetreibers auslöst.

Aus den Entscheidungsgründen:
B. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der angegriffenen (Text- und Sterne-) Bewertung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die Äußerungen verletzen den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1. Den vom Verfügungskläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch hat das Landgericht – was in der Berufungsinstanz ebenfalls von Amts wegen zu prüfen ist – ohne Rechtsfehler gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht beurteilt; denn der maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland. Der Verfügungskläger hat sein Bestimmungsrecht in der Antragsschrift (auf S. 16) sogar ausdrücklich ausgeübt. Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-Verordnung) ist vorliegend nicht anwendbar, da gemäß deren Art. 1 Abs. 2 lit. g außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Im Übrigen käme aber auch nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung deutsches Recht als das am Erfolgsort geltende Recht zur Anwendung.

2. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG die Sperrung der streitgegenständlichen Bewertung verlangen.

a) Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass die Verfügungsbeklagte insoweit nicht als unmittelbare Störerin bzw. Täterin (siehe dazu BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3074, Rn. 23) haftet (LGU, S. 7 f. unter Ziffer 1).

b) Der Verfügungskläger kann die Verfügungsbeklagte jedoch als mittelbare Störerin in Anspruch nehmen. Denn die Beanstandung der Bewertung durch den Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten hat bei dieser eine Prüfpflicht ausgelöst; sie war daher gehalten, eine Stellungnahme der bewertenden Person einzuholen.

aa) Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.).

Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass Bewertungsportale eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllen. Der vom Hostprovider zu erbringende Prüfungsaufwand darf den Betrieb seines Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Ein solches Gewicht haben rein reaktive Prüfungspflichten, um die es im Streitfall allein geht, in der Regel aber nicht. Auf der anderen Seite kann bei der Bestimmung des zumutbaren Prüfungsaufwands nicht außer Betracht bleiben, dass der Betrieb eines Portals mit Bewertungsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Portalen, insbesondere Nachrichtenportalen, schon von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt. Es birgt die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht wird. Der Portalbetreiber muss deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen – rechtlich zulässig (vgl. § 19 Abs. 2 TTDSG [bzw. seit 14.05.2024: § 19 TDDDG]) – anonym oder unter einem Pseudonym abgegeben werden können. Die Möglichkeit, Bewertungen verdeckt abgeben zu können, erschwert es dem Betroffenen zudem erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßgaben trifft die Verfügungsbeklagte hier eine Verantwortlichkeit als mittelbare Störerin.

(1) Die vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten beanstandete Bewertung betraf die Rezension des Verfügungsklägers als Arzt. Die Bewertende machte u.a. geltend, der Verfügungskläger habe sie zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber jeweils alles andere als zufriedenstellend gewesen. Es liegt auf der Hand, dass der Durchschnittsleser bei dieser Sachlage davon ausgeht, die Bewertende habe sich als Patientin beim Verfügungskläger in ärztlicher Behandlung befunden. Dies war auch für die Verfügungsbeklagte ersichtlich, zumal diese in ihren Richtlinien selbst ausdrücklich u.a. darauf hinweist, dass Beiträge „auf tatsächlichen Erfahrungen und Informationen basieren“ müssen (Anlage AS 2). Als „verbotene und eingeschränkt zulässige Inhalte“ benennt die Verfügungsbeklagte u.a. solche, „die nicht auf realen Erlebnissen basieren“ (Anlage AS 3).

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, anders als bei einem reinen Hotelbewertungsportal könne man bei ihrem Dienst z.B. auch Parks, Gebäude oder Naturschauspiele bewerten, bei denen es nicht Voraussetzung sei, dass der Bewertende eine – zumal vertragliche – Beziehung zum bewerteten Ort oder der bewerteten Unternehmung habe, sondern maßgeblich sei allein „eine tatsächliche, wie auch immer geartete Erfahrung des Bewerteten“ greift daher zu kurz. Lediglich der Vollständigkeit halber darf angemerkt werden, dass – sollte die Bewerterin sich nicht – wie in der Rezension explizit behauptet – zweimal vom Verfügungskläger operieren lassen haben, insoweit nicht nur keine vertragliche Beziehung oder zumindest ein Behandlungskontakt vorläge, sondern noch nicht einmal eine betreffende „Erfahrung“. Der Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass Besonderheiten wohl z.B. in einer Sachverhaltskonstellation gelten könnten, in der ein Rezensent in einer Bewertung moniert, ein Regenbogen, den er im Wartezimmer der Praxis des Verfügungsklägers sitzend aus dem Fenster blickend betrachtet habe, habe nur unschön blasse Farben gehabt. Da insoweit nach dem Verständnis des Durchschnittslesers ersichtlich kein Behandlungsverhältnis behauptet wird, sondern der Bewertende ebenso gut etwa auch eine im Wartezimmer des Verfügungsklägers tätige Reinigungskraft sein könnte, wäre ggf. näher zu prüfen, ob die Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten auch eine Stellungnahme des Rezensenten zum klägerseits bestrittenen Behandlungsverhältnis beinhalten müsste. Dies hat mit dem hier einschlägigen – ersichtlich anders liegenden – Fall indes nichts gemein.

Der Verfügungskläger hat bei der Verfügungsbeklagten beanstandet, er bestreite, „dass der Verfasser der Bewertung eine irgend geartete tatsächliche Erfahrung“ mit seiner Arztpraxis gemacht habe. Auf der Grundlage dieser Behauptung, der angegriffenen Bewertung liege kein Patientenkontakt zugrunde – die richtig oder falsch sein kann (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 28) –, war ein Rechtsverstoß für die Verfügungsbeklagte hinreichend unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – zu bejahen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.). Der (unter Bezugnahme auf OLG Köln, Urteil vom 01.09.2015 – 15 U 27/15, BeckRS 2015, 134477 [Anlage AG 4] erhobene) Einwand der Verfügungsbeklagten, die Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens habe von ihr nicht verlangt werden können, weil sie selbst bereits auf der Grundlage der klägerischen Beanstandung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung habe verneinen können, verfängt daher nicht. Vielmehr wusste und weiß die Verfügungsbeklagte im hier zu entscheidenden Fall nicht, ob die Bewerterin überhaupt den behaupteten Behandlungskontakt zum Verfügungskläger hatte; sie konnte und kann daher auch nicht ausschließen, dass dies nicht der Fall war und deshalb eine Verletzung des klägerischen Persönlichkeitsrechts vorliegt.

(2) Zu weitergehenden Angaben als der, dass die Bewertende nicht seine Patientin war, war der Verfügungskläger – anders als die Verfügungsbeklagte meint – auch angesichts der in der angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person der Bewerterin sowie den (angeblichen) Operationen des Verfügungsklägers, denen diese sich unterzogen habe und den betreffenden Folgen nicht verpflichtet. Auf die Frage, ob der Verfügungskläger aufgrund der in der angegriffenen Bewertung enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Patientinnen einzugrenzen, kommt es nicht an (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 39 m.w.N.).

In einer früheren Entscheidung betreffend die Bewertung eines dort klagenden (Zahn-) Arztes durch einen Dritten auf einem von der dortigen Beklagten als Hostproviderin betriebenen Ärztbewertungsportal hatte der Bundesgerichtshof zwar noch wie folgt formuliert: „Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte, die er nicht weiter unterlegt hat. Denn zu konkreteren Darlegungen der Beklagten gegenüber war der Kläger angesichts der Tatsache, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Behandlung beschreibende Angaben enthielt, nicht in der Lage“ (BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – „Ärztebewertungsportal III“, NJW 2016, 2106, 2108, Rn. 26). Inzwischen hat der Bundesgerichtshof aber ausdrücklich klargestellt, dass ein bewerteter Betreiber eines Ferienparks grundsätzlich schon mit der Rüge, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, Prüfpflichten des Bewertungsportals auslöse. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 37).

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass es in dem der letztgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt nicht um die Bewertung eines Arztes, sondern um diejenige eines Ferienparkbetreibers ging. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof nicht judiziert, nur bei Ferienparkbetreibern sei keine nähere Begründung der Behauptung eines fehlenden Gästekontakts geboten, wohingegen es bei bewerteten (Zahn-) Ärzten davon abweichend bei die konkrete Behandlung beschreibenden Bewertungen geboten sei, dass der Bewertete der Beklagten gegenüber konkretere Darlegungen zu seiner Behauptung tätige, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde. So hat der Bundesgerichtshof mit seiner „Hotelbewertungsportal“-Entscheidung seine einen (Zahn-) Arzt betreffenden Ausführungen in der „Ärztebewertungsportal-Entscheidung III“ ausdrücklich „klargestellt“ (siehe BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20 – „Hotelbewertungsportal“, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 37); schon hieraus ergibt sich, dass diese „Klarstellung“ eben nicht nur für Hotelbewertungen, sondern sogar explizit auch für Ärztebewertungen Geltung beansprucht. Der Senat versteht mithin nicht nur den Bundesgerichtshof so, dass insoweit kein Unterschied zwischen der Bewertung von Ärzten und Ferienparkbetreibern/Hoteliers besteht (so wohl auch OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, GRUR-RS 2024, 1814, Rn. 9 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 12.01.2018 – 324 O 63/17, BeckRS 2018, 726, Rn. 24; Frey in Gerecke: Handbuch Social-Media-Recht, 1. Aufl., Kap. 2, Rn. 83 m.w.N.; BeckOGK/T. Hermann, 01.03.2024, § 823 BGB, Rn. 1650; Bauermeister, NJW 2022, 3072, 3076), sondern hält es auch selbst nicht für geboten, insoweit unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Das Landgericht hat zwar zutreffend erläutert, dass es für einen Hotelbetreiber oftmals schwerer sein dürfte, anhand einer Bewertung zu erkennen, ob und ggf. um welchen Gast es sich bei dem Bewerter gehandelt hat, als es für einen plastischen Chirurgen wie den Kläger ist, anhand der Bewertung festzustellen, ob die Bewertende seine Patientin war oder nicht. Allgemeingültige und halbwegs konkrete und abgrenzbare Fallgruppen lassen sich nach diesen Kriterien aber nicht bilden. So gibt es etwa auch größere Arztpraxen oder Krankenhäuser, bei denen eine vergleichbare „Anonymität“ wie in einem Hotel besteht. Andererseits gibt es auch familiäre Pensionen mit nur zwei Gastzimmern, deren Betreiber ihre wenigen Stammgäste sogar besser kennen, als der durchschnittliche Arzt seine Patienten (gegen einen abweichenden Beurteilungsmaßstab in Bezug auf ein dort verfahrensgegenständliches Arbeitgeber-Bewertungsportal auch OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24, GRUR-RS 2024, 1814, Rn. 13 f.). Im vorliegenden Verfahren sind jedenfalls keine Umstände dargetan oder ersichtlich, angesichts derer der Verfügungskläger nach den betreffenden Maßgaben des Bundesgerichtshofs – denen der Senat sich anschließt – noch detaillierter als geschehen der Verfügungsbeklagten gegenüber hätte untermauern müssen, worauf er seine Rüge eines fehlenden Behandlungskontakts stützt.

Hinzu kommt, dass die gemäß der Rechtsprechung für ein Bewertungsportal / einen Hostprovider einschlägigen Prüfpflichten auch hinreichend konkret, verständlich und handhabbar sein müssen. Eine allzu „verästelte“ Entwicklung von Ausnahmefallgruppen brächte – auf beiden Seiten – für die betroffenen Akteure auch keine sachgerechte Entlastung. In der Gesamtschau führt die Bejahung einer Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten – in deren Rahmen sie auch gehalten gewesen wäre, die Beanstandung an die Bewerterin zur Stellungnahme weiterzuleiten (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 31) – vorliegend auch bei Berücksichtigung der von der Rechtsordnung gebilligten und gesellschaftlich erwünschten Funktion von Bewertungsportalen nicht dazu, dass diese – rein reaktive – Pflicht und der damit verbundene von der Verfügungsbeklagten zu erbringende Prüfungsaufwand ihren Geschäftsbetrieb wirtschaftlich gefährden oder unverhältnismäßig erschweren würde (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 30). Denn die klaren Kriterien unterliegende und mit nur relativ geringem Durchführungsaufwand verbundene Prüfpflicht stellt sich angesichts des nicht unerheblichen Gewichts der klägerseits angezeigten Rechtsverletzung nicht als überzogen dar.

cc) Somit war die Rüge des Verfügungsklägers, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, hinreichend konkret, um eine Prüfpflicht der Verfügungsbeklagten inklusive der Weiterleitung der Beanstandung des Verfügungsklägers an die Bewerterin zur Stellungnahme auszulösen.

dd) Es ist auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem es einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedurft hätte, weil sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 30). Diese Fallgruppe ist also nicht bereits dann einschlägig, wenn dem Verfügungskläger die Möglichkeit offenstünde, einen etwaigen Behandlungskontakt durch Prüfung einer Vielzahl von Patientenakten und/oder Abrechnungsunterlagen zu ermitteln. Vielmehr müsste die Patienteneigenschaft der Bewertenden sich dem Verfügungskläger „ohne Weiteres aus der Bewertung“ – also ohne längere Prüfung sowie ohne – über die Lektüre der Bewertung hinausgehende – zusätzliche Rechercheanstrengungen – erschließen. Dies ist vorliegend indes weder dargetan noch ersichtlich:

Der Verfügungskläger hat u.a. insbesondere auch „ausdrücklich und wörtlich bestritten, dass es sich bei dem Verfasser / der Verfasserin um einen Patienten des [Verfügungsklägers] oder um eine Person handelt, die eine eigene Erfahrung mit der Praxis gemacht hat“ (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 08.07.2024, S. 1 = Bl. 50 LG-Akte); hierzu hat er auch eidesstattliche Versicherungen (Anlagen AS 4 und AS 11) vorgelegt.

Der Senat hat den Verfügungskläger im Termin am 06.08.2024 ergänzend auch noch informatorisch angehört. Der Verfügungskläger hat schlüssig und im Einklang mit seinen eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen AS 4 und AS 11) im Einzelnen erläutert, dass und warum er anhand der Bewertung nicht erkennen könne, dass es sich bei der Bewertenden um eine seiner Patientinnen gehandelt hätte und gegebenenfalls um welche. Er führe seit über 20 Jahren nur Nasenoperationen durch; im Schnitt etwa fünf bis sechs pro Woche sowie ca. 300 im Jahr. Die Behandlung ziehe sich im Regelfall über Jahre. Das Risiko einer Revisionsoperation liege bei etwa 20%. Die Bewertung passe – auch wenn man sich insoweit auf die „hard facts“ beschränke – auf keine seiner Patientinnen. Dies betreffe nicht nur Unfallpatientinnen, sondern gelte für seinen gesamten Patientenstamm. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (auf Seiten 2/3) Bezug genommen.

Auf Grundlage der schlüssigen und trotz Detailreichtums widerspruchsfreien Angaben des Klägers, hinsichtlich dessen Glaubwürdigkeit der Senat keinen Anlass für Zweifel hat, ist der Senat in der Gesamtschau mit dessen eidesstattlichen Versicherungen davon überzeugt, dass es diesem auf Grundlage der Bewertung nicht möglich ist, ohne Weiteres auf die Identität des Bewertenden zu schließen.

ee) Die Grenze des Rechtsmissbrauchs (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 37) ist vorliegend ebenfalls nicht überschritten.

(1) Dies könnte etwa angenommen werden, wenn – anders als im hiesigen Verfahren – davon auszugehen wäre, dass der Verfügungskläger in Wahrheit weiß, dass die Bewerterin eine seiner Patienten war. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wäre es dem Verfügungskläger bei dieser Sachlage verwehrt, gegen die Verfügungsbeklagte den streitgegenständlichen Anspruch geltend zu machen (siehe dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.09.2022 – 5 U 117/21, GRUR 2023, 91, 93 f., Rn. 25).

Zwar muss der Verfügungskläger seine Behauptung, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, darlegen und beweisen (bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft machen). Dies andererseits aber grundsätzlich eben erst auf Grundlage der ihm von der Verfügungsbeklagten nach Aufforderung der Bewerterin zur Stellungnahme übermittelten Informationen. In Fällen, in denen indes schon vor Einholung der Stellungnahme der Bewerterin feststeht, dass der Verfügungskläger wahrheitswidrig behauptet, es hätte keinen Behandlungskontakt gegeben, kann dem Anspruch beklagtenseits schon auf dieser Ebene der Einwand der Treuwidrigkeit entgegengehalten werden. Zum Bestehen eines Behandlungskontaktes hat das Landgericht im angegriffenen Urteil keine Feststellungen getroffen.

Zuzugeben ist der Verfügungsbeklagten zwar, dass der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers sich ausweislich des Internetauftritts seiner Kanzlei darauf spezialisiert hat, bundesweit Google-Bewertungen löschen zu lassen. Hierbei wirbt er insbesondere auch damit, man könne sogar rechtmäßige Bewertungen löschen lassen, indem man den Portalbetreiber durch eine Beanstandung bzw. Beschwerde veranlasse, ein Prüfverfahren einzuleiten, wenn sich in dessen Rahmen herausstelle, „dass die Bewertung nicht rechtens war“. Der Senat verkennt nicht diesbezüglich denkbare Missbrauchsgefahren bezüglich der Rechtsprechung zum Prüfverfahren. Dies kann aber gleichwohl keinen Generalverdacht rechtfertigen und schon gar nicht erbringt dies den Nachweis, dass der Verfügungskläger nicht nur aus Prozesstaktik, sondern überdies auch noch wahrheitswidrig behaupten würde, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde.

Zur Frage eines etwaigen Behandlungskontakts hat der Senat den Verfügungskläger deshalb im Termin am 06.08.2024 ebenfalls informatorisch angehört. Der Verfügungskläger hat dargelegt, dass und warum er davon ausgehe, dass die Bewertung nicht von einer Patientin stamme. Der Ton in der „Branche“ sei „rauher“ geworden. Nicht nur Kollegen, sondern auch der Berufsverband warne bereits vor kursierenden Falschbewertungen. Er habe im betreffenden Zeitraum keine Patientin gehabt, auf welche die Bewertung passe. Dies gelte auch, wenn man etwaige „Übertreibungen“ in der Bewertung „ausklammere“. Es passe auch schlicht nicht zusammen, dass man eine Patientin, deren Nase gebrochen gewesen sei und die präoperativ über Atemschwierigkeiten geklagt habe, operiere und die Nase dann postoperativ größer sei. Größer werde die Nase vielmehr nur, wenn man dies absichtlich durch den Eingriff herbeiführe. Gegebenenfalls plane er dies mittels Computersimulation im Beisein der Patientin. Es gebe zwar einzelne Details aus der Bewertung, die bei Patientinnen tatsächlich vorkämen; in der in der Bewertung geschilderten Kombination sei ein solcher Fall, wie er in der Bewertung geschildert werde, aber bei keiner seiner Patientinnen passiert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auch diesbezüglich auf das Sitzungsprotokoll (auf Seiten 2/3) Bezug genommen.

Insoweit überzeugten die Angaben des Verfügungsklägers den Senat ebenfalls. Auch auf kritische Nachfragen zu Einzelheiten seines Sachvortrags und seiner beiden eidesstattlichen Versicherungen blieb der Verfügungskläger keine schlüssige Erklärung schuldig, sondern konnte durchweg überzeugend erläutern, dass und warum er davon ausgehe, dass es sich nicht um die Bewertung einer tatsächlich von ihm behandelten Patientin handeln könne.

Wenn man unterstellt, die Bewerterin wäre tatsächlich beim Verfügungskläger in Behandlung gewesen und hätte sich von diesem zweifach an der Nase operieren lassen, müsste der Verfügungskläger sie aus Sicht des Senats zwar wohl grundsätzlich identifizieren können. So äußert sich die Bewertung recht detailliert zu den seitens der Rezensentin prä- und postoperativ beklagten Beschwerden sowie zum Behandlungsablauf. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Verfügungskläger die Patientin in Wahrheit kennt. Denn in den Blick genommen werden muss die Tatsache, dass nach dem Sach- und Streitstand gar nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Bewerterin überhaupt beim Verfügungskläger in Behandlung war. Vielmehr kann die gesamte Bewertung z.B. von einem Konkurrenten stammen bzw. beauftragt worden sein und jeglicher Tatsachengrundlage entbehren. Es steht also gerade nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Bewertung tatsächlich von einer Patientin stammt, die beim Verfügungskläger in Behandlung war und die er anhand der detaillierten Angaben zu einem angeblichen Behandlungsverlauf tatsächlich erkennen könnte. In der Gesamtschau kann zur Überzeugung des Senats daher nicht davon ausgegangen werden, dem Verfügungskläger wäre bekannt, dass die Bewerterin tatsächlich Patientin bei ihm war und dass er wahrheitswidrig das Gegenteil behauptet, um in diesem Verfahren zu obsiegen.

(2) Von Rechtsmissbrauch wäre ferner auszugehen, wenn sich die Geltendmachung des verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruchs als treuwidrig (§ 242 BGB) bzw. als Verstoß gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) darstellen würde.

Die Argumentation der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Bewertung sei bereits derart detailreich, dass von der seitens des Verfügungsklägers begehrten, von der Verfügungsbeklagten bei der Bewerterin zu erholenden Stellungnahme ohnehin keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten wären, greift indes in zweierlei Hinsicht zu kurz.

Erstens könnte selbst dann nicht ohne Weiteres vom Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses des Verfügungsklägers an der Durchsetzung des verfahrensgegenständlichen Anspruchs ausgegangen werden, wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten unterstellen wollte, dass eine von dieser bei der Bewerterin angefragte Stellungnahme zur Beanstandung des Verfügungsklägers keine über die angegriffene Bewertung hinausgehenden Erkenntnisse bringen würde. Denn der Verfügungskläger macht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht etwa einen betreffenden Auskunftsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte geltend. Vielmehr nimmt er die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der Verbreitung der Bewertung in Anspruch. Die die Verfügungsbeklagte diesbezüglich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung treffenden Prüfpflichten und das Erfordernis, insoweit die Bewerterin zur Stellungnahme aufzufordern (siehe dazu BGH, 2110, Rn. 42 f.), ist lediglich ein prozeduraler „Zwischenschritt“ im Rahmen der die Verfügungsbeklagte treffenden sekundären Darlegungslast (siehe dazu BGH, 2110, Rn. 42 ff.). Auf Grundlage der ihm übermittelten – ggf. hinreichend anonymisierten – Stellungnahme hätte es dem Verfügungskläger dann im Weiteren ggf. oblegen, den fehlenden Behandlungskontakt zu beweisen. Hinsichtlich der Durchsetzung des verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruchs kann dem Verfügungskläger indes ein schutzwürdiges Eigeninteresse nicht abgesprochen werden.

Zweitens ist auch nicht etwa dargetan oder ersichtlich, dass eine etwaig eingeholte Stellungnahme der Bewerterin für den Verfügungskläger keinen über die Bewertung hinausgehenden Erkenntnisgewinn gebracht hätte. Vielmehr ist diese Frage gänzlich offen. Es steht noch nicht einmal fest, ob die anonym verfasste Bewertung tatsächlich von einer Patientin des Verfügungsklägers stammt oder etwa von einem Konkurrenten, der diesen lediglich schädigen will. Außerdem ist es möglich, dass die Erstellerin der Rezension trotz Aufforderung der Verfügungsbeklagten gar keine Stellungnahme abgegeben hätte, so dass die Verfügungsbeklagte die Bewertung schon deshalb hätte sperren müssen. Ferner hätte es passieren können, dass die Bewerterin Rechnungen (vgl. dazu Bauermeister, NJW 2022, 3072, 3076) oder Behandlungsunterlagen vorgelegt hätte, die – dem Verfügungskläger in anonymisierter Fassung zur Verfügung gestellt – diesem die Beweisführung eines fehlenden Behandlungskontakts ermöglicht hätten. In den Blick zu nehmen ist überdies, dass die Rezension zwar umfangreich ist, aber in vielen Punkten aus Wertungen / Meinungen besteht, die nicht „objektiv richtig oder falsch sind“; selbst, wenn es sich tatsächlich um Formulierungen einer Patientin des Verfügungsklägers handeln sollte, lassen weite Teile der Bewertung für den Verfügungskläger daher potentiell selbst dann keine belastbare Zuordnung zu konkreten Behandlungsvorgängen zu, falls diese tatsächlich stattgefunden haben sollten.

Umstände, die es rechtfertigen würden, dem Verfügungskläger wegen Treuwidrigkeit bereits in der „Vorstufe der Prüfungspflichten“ der Verfügungsbeklagten die Möglichkeit abzuschneiden, im Wege der Einholung einer Stellungnahme der Bewerterin die Frage des Vorliegens eines klägerseits bestrittenen Behandlungskontakts zu hinterfragen, sind hier mithin weder dargetan noch ersichtlich.

ff) Somit hat die Rüge des Verfügungsklägers bei der Verfügungsbeklagten einer Prüfpflicht ausgelöst. Dieser ist die Verfügungsbeklagte unstreitig nicht nachgekommen; vielmehr hat sie jede Nachfrage bei ihrer Nutzerin verweigert. Daher ist davon auszugehen, dass der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde liegt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 40). Bei diesem Sach- und Streitstand stellen sich etwaige in der Bewertung enthaltene Tatsachenbehauptungen als unwahr dar; soweit es Meinungsäußerungen / Werturteile betrifft, entbehren diese jeglicher Tatsachengrundlage. Die Bewertung verletzt daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.; siehe auch BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – Ärztebewertungsportal III, NJW 2016, 2106, 2108, Rn. 36 m.w.N.). Die Verfügungsbeklagte als mittelbare Störerin, die ihre Prüfungspflicht verletzt hat, ist verpflichtet, derartige Störungen künftig zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072, 3075, Rn. 27 m.w.N.), so dass der Verfügungskläger verlangen kann, dass sie die Bewertung sperrt.

3. Die für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der von der Verfügungsbeklagten mit der Veröffentlichung der Bewertung begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung vermutet. Die Verfügungsbeklagte hat diese Vermutung nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.

4. Ob der Verfügungskläger den Unterlassungsanspruch – wie von ihm geltend gemacht – überdies auch auf eine Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stützen kann, kann dahinstehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich

BGH
Urteil vom 25.07.2024
I ZR 143/23
durchschnittliche Sternebewertung
UWG aF § 5a Abs. 2 Satz 1; UWG nF § 5a Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich über die Entscheidung berichtet,

Leitsatz des BGH:
Bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung von Kunden stellt die Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen keine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF/§ 5a Abs. 1 UWG nF dar, wenn die Gesamtzahl und der Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen angegeben ist.

BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 143/23 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bei Werbung mit Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum ist keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich

BGH
Urteil vom 25.07.2024
I ZR 143/23


Der BGH hat entschieden, dass bei der Werbung mit einem Sternebewertungsdurchschnitt unter Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum keine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anforderungen an die Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung neben der Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums der zugrundeliegenden Kundenbewertungen eine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte bot auf ihrer Internetseite die Vermittlung von Immobilienverkäufern an Immobilienmakler an. Sie warb unter anderem mit durchschnittlichen Sternebewertungen ihrer Kunden, ohne Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen, zum Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen und zur Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen zu machen.

Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung zu werben, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl und den Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen zu nennen. Den Antrag auf Unterlassung einer Werbung ohne Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat gemeint, bei der von der Klägerin begehrten Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen handele es sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zwar um eine nützliche, nicht aber um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG, weil ihr neben der Angabe der durchschnittlichen Sternebewertung kein erhebliches Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zukomme.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Aufgliederung nach Sterneklassen handele es sich nicht um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, begegnet auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Bedenken. Danach ist dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher aufgrund seiner Erfahrung bekannt, dass einer durchschnittlichen Sternebewertung in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde liegen und die Bewertungen - zum Teil erheblich - divergieren. Anhand der Gesamtzahl und des Zeitraums der berücksichtigten Bewertungen kann er abschätzen, wie aussagekräftig die angegebene Durchschnittsbewertung ist. Die von der Klägerin begehrte Aufgliederung nach Sterneklassen vermittelt daneben keine wesentliche Information. Insbesondere kann sie keinen Aufschluss über die Gründe geben, die einen Kunden zur Abgabe einer bestimmten Bewertung bewogen haben.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 16. September 2022 - 315 O 160/21

OLG Hamburg - Urteil vom 21. September 2023 - 15 U 108/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]

§ 5a UWG

(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irre-führt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. […]

§ 8 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […] Frankfurt-Microsoft-haftet-fuer-Setzen-von-Cookies-ohne-Einwilligung-ueber-Websites-Dritter.html


Volltext BGH liegt vor: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt

BGH
Urteil vom 28.09.2022
VIII ZR 319/20
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
§ 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, wonach die von Nutzern abgegebenen Bewertungen sachlich gehalten sein müssen und Schmähkritik nicht enthalten dürfen, enthält keine vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren von Nutzern, die über die deliktsrechtlichen Grenzen wertender Äußerungen hinausgehen.

BGH, Urteil vom 28. September 2022 - VIII ZR 319/20 - LG Weiden in der Oberpfalz - AG Weiden in der Oberpfalz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Negative eBay-Bewertung mit Zusatz "Versandkosten Wucher!!" kann zulässig sein - keine unzulässige Schmähkritik und von Meinungsfreiheit gedeckt

BGH
Urteil vom 28.09.2022
VIII ZR 319/20


Der BGH hat entschieden, dass eine negative eBay-Bewertung mit dem Zusatz "Versandkosten Wucher!!" zulässig sein kein.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Zur Zulässigkeit einer negativen Bewertung bei eBay (hier: "Versandkosten Wucher!!")

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform eBay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer von diesem abgegebenen negativen Bewertung hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:

"§ 8 Bewertungen

[…]

2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.

[…]".

Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag "Ware gut, Versandkosten Wucher!!".

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die auf Entfernung dieser Bewertung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Amtsgerichts handele es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Aus Sicht des Berufungsgerichts habe der Beklagte eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB). Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (nachfolgend: eBay-AGB). Daraus ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehender Schutz. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" handele es sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, die nicht gerechtfertigt sei, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten aus Sicht des Käufers als "Wucher" darstellten.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht zusteht, auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt einer (nach-)vertraglichen Nebenpflichtverletzung.

Anders als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren.

Zwar ist der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Für das Verständnis, dem Sachlichkeitsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB solle gegenüber dem Verbot der Schmähkritik ein eigenständiges Gewicht nicht zukommen, spricht aber bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen fehlen. Es liegt in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit von grundrechtsrelevanten (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG [beim Verkäufer], Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [beim Käufer]) Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schmähkritik auszurichten und hierdurch die Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren für die Nutzer und eBay selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren. Zudem hätte es der gesonderten Erwähnung der Schmähkritikgrenze nicht bedurft, wenn dem Nutzer schon durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung hätte auferlegt werden sollen. Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstufte, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht. Eine solche, die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspricht nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.

Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.

Vorinstanzen:

AG Weiden in der Oberpfalz – 1 C 140/20 – Urteil vom 22. Juni 2020

LG Weiden in der Oberpfalz – 22 S 17/20 – Urteil vom 28. Oktober 2020

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Grundgesetz

Artikel 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person]

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

[…]

Artikel 5 [Recht der freien Meinungsäußerung, Medienfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit]

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. […]

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

[…]

BGH: Schon bloße Rüge eines Bewerteten gegenüber Bewertungsportal dass Bewertung kein Kundenkontakt zugrunde liegt löst Prüfpflichten des Bewertungsportals

BGH
Urteil vom 09.08.2022
VI ZR 1244/20
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823


Der BGH hat entschieden, dass schon die bloße Rüge eines Bewerteten gegenüber einem Bewertungsportal, dass der Bewertung kein Kundenkontakt zugrunde liegt, Prüfpflichten des Bewertungsportals auslöst.

Leitsatz des BGH:
Bei einem Bewertungsportal (hier: Hotelbewertungsportal) reicht die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.

BGH, Urteil vom 9. August 2022 - VI ZR 1244/20 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Berlin: Berliner Senatsverwaltung muss personenbezogene Daten der Berliner Richterinnen und Richter dem Bewertungsportal Richterscore nicht zur Verfügung stellen

VG Berlin
Urteil vom 08.11.2021
VG 2 K 6.19


Das VG Berlin hat entschieden, dass die Berliner Senatsverwaltung personenbezogene Daten der Berliner Richterinnen und Richter dem Bewertungsportal Richterscore nicht zur Verfügung stellen muss.

Richterdaten müssen nicht herausgegeben werden (Nr. 59/2021)

Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (fortan: Senatsverwaltung) muss personenbezogene Daten der Berliner Richterinnen und Richter nicht zugänglich machen, sofern diese nicht eingewilligt haben. Das hat das Verwaltungsgericht entschieden.

Die Klägerin betreibt das digitale Bewertungsportal „richterscore“. Dort können sich Anwälte über Richter austauschen, um sich auf Gerichtsprozesse vorzubereiten. Die Klägerin beantragte im Jahr 2016 bei der Senatsverwaltung unter Berufung auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz die Übermittelung im Einzelnen aufgeschlüsselter Informationen über die im Land Berlin beschäftigten Richterinnen und Richter, wie z.B. Name, Vorname, Titel, Geburtsdatum, Amtsbezeichnung und Beschäftigungsumfang. Dies lehnte die Senatsverwaltung unter anderem wegen datenschutzrechtlicher Bedenken ab. Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie wolle die Gerichtsbarkeiten transparenter machen; dies liege im öffentlichen Interesse und wiege schwerer als gegenläufige Interessen. Letzteren komme schon deshalb ein geringeres Gewicht zu, weil die Daten bereits im vom Deutschen Richterbund herausgegebenen Handbuch der Justiz veröffentlicht seien. Davon unabhängig stehe der Klägerin auch wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Übermittelung derselben Daten zu, die der Deutsche Richterbund erhalte.

Die 2. Kammer hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Dem Auskunftsanspruch stehe der Schutz personenbezogener Daten entgegen, soweit die Richterinnen und Richter nicht in die Weitergabe ihrer Daten gegenüber der Klägerin eingewilligt hätten. Die Klägerin verfolge überwiegend Privatinteressen, weil sie mit den begehrten Daten ihr Bewertungsportal auf- bzw. ausbauen und damit ihr Geschäftsmodell verwirklichen wolle. Ihr Interesse, die Gerichtsbarkeiten transparenter zu machen, sei nicht vom Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes erfasst. Mit den begehrten Daten könne weder staatliches Verwaltungshandeln kontrolliert, noch die demokratische Meinungs- und Willensbildung gefördert werden. Darüber hinaus stünden auch bundesrechtliche Geheimhaltungspflichten der beantragten Datenübermittlung entgegen, da es sich um Daten aus Personalakten handele. Auf das Datennutzungsgesetz und den Gleichbehandlungsgrundsatz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber dem Deutschen Richterbund sei nicht zu beanstanden, weil bezüglich des Handbuchs der Justiz entsprechende zweckbezogene Einwilligungserklärungen der Richterschaft vorlägen.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Urteil der 2. Kammer vom 18. November 2021 (VG 2 K 6.19)




BMJV: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

Das BMJV hat den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vorgelegt.

Die dazugehörige Meldung des BMJV:

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

Der Entwurf verbessert den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren geschäftlichen Handlungen insbesondere im Kontext digitaler Geschäftsmodelle verbessert und ermöglicht eine wirksamere Durchsetzung des Verbraucherrechts. Hierfür enthält der Entwurf Regelungen zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei Rankings und Verbraucherbewertungen.

Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten zudem einen Anspruch auf Schadensersatz bei schuldhaften Verstößen von Unternehmern gegen verbraucherschützende Vorschriften des UWG. Bei weitverbreiteten Verstößen in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegen Vorschriften, die die Richtlinie 2005/29/EG umsetzen, erhalten die zuständigen Behörden die Möglichkeit, im Rahmen von gemeinsamen Durchsetzungsmaßnahmen ein umsatzabhängiges Bußgeld zu verhängen. Die neue Öffnungsklausel wird für Verschärfungen der für Kaffeefahrten geltenden Regelungen über Wanderlager genutzt. Darüber hinaus sieht der Entwurf Klarstellungen zum Anwendungsbereich des UWG vor, insbesondere zur Abgrenzung von privater Meinungsäußerung und kommerzieller Kommunikation im Internet.



OLG München: Anspruch auf Wiederveröffentlichung einer positiven Bewertung in Arztbewertungsportal wenn diese zu Unrecht durch Algorithmus als Fake-Bewertung eingestuft und gelöscht wurde

OLG München
Urteil vom 27.02.2020
29 U 2584/19


Das OLG München hat entschieden, dass ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung einer positiven Bewertung in einem Arztbewertungsportal besteht, wenn diese zu Unrecht durch Algorithmus als Fake-Bewertung eingestuft und gelöscht wurde. Im vorliegend Fall hat das Gericht aber einen Anspruch verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger ist durch die Löschung der positiven Bewertungen nicht in seinen Rechten verletzt.

1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine vertraglichen Schadensersatzansprüche zu. Die Beklagte hat mit der Löschung der positiven Bewertungen unabhängig davon, ob diese zu Recht oder zu Unrecht erfolgte, keine vertraglichen Schutzpflichten verletzt.

Zwar erwachsen aus dem vertraglichen Schuldverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB auch Rücksichtnahme- und Schutzpflichten, insbesondere die Pflicht, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Die hier streitgegenständliche Löschung der positiven Bewertungen erfolgte aber nicht in Abwicklung des Schuldverhältnisses, sondern steht mit diesem in keinerlei Zusammenhang. Hinsichtlich der Löschung eingestellter Bewertungen ergeben sich aus dem vertraglichen Schuldverhältnis keine Besonderheiten.

Ausweislich der für den Inhalt der vertraglichen Hauptleistungspflichten vom Kläger vorgelegten Anlage K 3 umfasste das von ihm gebuchte Premium-Paket Gold die Option, auf jameda.de ein persönliches Portraitbild, individuelle Inhalte und Bilder sowie eine eigene PraxisHomepage zu hinterlegen. Darüber hinaus besteht für Premium-Paket Gold Kunden die Möglichkeit, Artikel im Experten Ratgeber zu publizieren und für Fachgebiete auffälliger dargestellt zu werden. Zudem umfasst das Angebot, mit dem Profil bei Google auf Seite 1 gefunden zu werden und den Profil-Service (Erstellung & Pflege) zu genießen sowie die OnlineTerminvergabe zu nutzen. Die streitgegenständliche Löschung der Bewertungen erfolgte nicht bei oder im Zusammenhang mit der Erbringung dieser Hauptleistungspflichten, sondern völlig losgelöst und unabhängig von diesen, sodass die Löschung der Bewertungen keine Vertragspflichtverletzung begründen kann.

2. Die Löschung der positiven Bewertungen verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

Beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb handelt es sich um einen offenen Auffangtatbestand, der auch die Angehörigen freier Berufe, die eigentlich kein Gewerbe betreiben, wie Zahnärzte, schützt (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 79. Aufl., § 823 Rn. 134 m.w.N.).

Schutzgegenstand des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb ist alles, was in seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt und damit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht, also nicht nur den Bestand des Betriebs, sondern auch einzelne Erscheinungsformen, Geschäftsideen und Tätigkeitskreise, Kundenstamm und Geschäftsbeziehungen, Organisationsstruktur, Know-How und good will (vgl. Palandt-Sprau, a.a.O. § 823 Rn. 134 m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch von Dritten auf Bewertungsportalen eingestellte Meinungen vom Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb umfasst, auch wenn sie nicht vom Bewerteten initiiert worden sind. Schutzgegenstand des Rechts ist auch der „gute Ruf“ eines Unternehmens, das unternehmerische Ansehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18 juris, dort Rn. 41), und dieses wird maßgeblich durch Bewertungen auf Bewertungsportalen mitbestimmt, so dass in einer Löschung von positiven Bewertungen auch ein Eingriff in den Schutzbereich liegen kann.

In der Löschung positiver Bewertungen auf einem Bewertungsportal kann auch ein betriebsbezogener Eingriff liegen, denn er führt zur Beeinträchtigung des Betriebs als solchem. Durch die Löschung können wesentliche Geschäftsaktivitäten, wie die Kundenakquise, unmittelbar beeinträchtigt sein (vgl. PalandtSprau, a.a.O. § 823 Rn. 135 m.w.N).

Die Löschung der streitgegenständlichen Bewertungen stellt vorliegend aber keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb des Klägers dar. Inhalt und Grenzen des Schutzes einschließlich der Rechtswidrigkeit des Eingriffs ergeben sich, entsprechend der Natur als offener Tatbestand, erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphären Dritter gemäß den zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Grundsätzen (PalandtSprau, a.a.O. § 823 Rn. 133 m.w.N; vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18 juris, dort Rn. 43).

Das von der Beklagten betriebene Ärztebewertungsportal erfüllt eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion und der Portalbetrieb ist vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG erfasst (BGH GRUR 2016, 855, Rn. 40 - jameda.de II; vgl. auch BGH, Urteil vom 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18 juris, dort Rn. 46). Der Wert des Bewertungsportals der Beklagten hängt maßgeblich davon ab, dass es ihr entsprechend den von ihr selbst formulierten Ansprüchen (vgl. Anlage K 1) gelingt, manipulierte Bewertungen, also käuflich erworbene oder in sonstiger Weise von dem bewerteten Arzt beeinflusste Bewertungen, von ihrem Portal zu verbannen, sei es dadurch, dass sie gar nicht erst eingestellt werden, sei es dadurch, dass sie, wenn entsprechende Verdachtsmomente auftauchen, gelöscht werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, offenzulegen, wie der von ihr eingesetzte Algorithmus zum Aufspüren verdächtiger, also nicht „authentischer“, sondern vom Arzt beeinflusster Bewertungen funktioniert. Hierbei handelt es sich um ein nicht zu offenbarendes Geschäftsgeheimnis der Beklagten, denn wenn dem Verkehr dies bekannt würde, würden seitens der Ärzte bzw. der seitens von diesen beauftragten Agenturen Umgehungsmöglichkeiten entwickelt (vgl. Büscher, Soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co, GRUR 2017, 433, 441 m.w.N.). Die Beklagte könnte dann dem von ihr selbst formulierten Anspruch, für „echte Bewertungen“ zu sorgen, nicht mehr gerecht werden, die Plattform würde für die Nutzer an Wert verlieren und die Beklagte würde somit durch die Offenlegung der Prüfungskriterien ihr eigenes Geschäftsmodell gefährden.

Eine über die hier erfolgten allgemeinen Ausführungen zur Prüfung der Echtheit von Bewertungen hinausgehende (sekundäre) Darlegungslast hinsichtlich der Löschung von positiven Bewertungen würde die Beklagte erst dann treffen, wenn der Kläger konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen und ggf. unter Beweis gestellt hätte, dass die Löschung nicht aufgrund eines begründeten Verdachts hinsichtlich der Validität der Bewertungen erfolgt ist, sondern entweder willkürlich oder aus sachfremden Gründen. Denn bei einer willkürlichen oder auf sachfremden Erwägungen erfolgten Löschung der Bewertungen würden die Interessen des Klägers, durch die Löschung nicht in seiner Kundenakquise behindert zu werden, die dann nicht schützenswerten Interessen der Beklagten an der Löschung überwiegen.

Ein Anhaltspunkt für die Löschung der Bewertungen aus sachfremden Motiven könnte sich vorliegend aus dem nahen zeitlichen Zusammenhang der Kündigung des Premium-Pakets Gold am 10.01.2018 seitens des Klägers und der Löschung der Bewertungen in der Zeit vom 11.18.01.2018 ergeben. Insoweit trifft die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast. Dieser ist die Beklagte jedoch nachgekommen, denn sie hat im Einzelnen dargestellt und unter Nennung einer der für das Qualitätsmanagement zuständigen Mitarbeiterin Beweis dafür angeboten, dass der Prüfalgorithmus der Beklagten die streitgegenständlichen Bewertungen schon vor Ausspruch der Kündigung „gelb“, also dahingehend, dass ein Verdacht auf Manipulationen bei der Bewertung erfolgt ist, eingestuft hat, und die Beklagte hinsichtlich der Bewertungen schon am 28.12.2017 dem Qualitätsmanagementteam den Auftrag zur Überprüfung der Bewertungen erteilt hat. Der Kläger hat diesen Vortrag schon nicht substantiiert bestritten, geschweige denn vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Bewertungen nicht schon deutlich vor Ausspruch seiner Kündigung als „verdächtig“ eingestuft worden seien und eine entsprechende Überprüfung angeordnet worden sei. Dies wäre ihm, nachdem die Beklagte zu den Umständen der Löschung vorgetragen und die zuständige Mitarbeiterin benannt hatte, ohne weiteres möglich gewesen. Hiervon hat er jedoch abgesehen.

Tatsächlich bestehen vorliegend unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass die Bewertungen schon vor der Kündigung als „verdächtig“ eingestuft worden sind und das Verifikationsverfahren bereits eingeleitet worden ist, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständlichen Bewertungen willkürlich oder aus sachfremden Gründen gelöscht wurden. Es ist schon nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt, welches Interesse die Beklagte daran gehabt haben könnte, die bestehenden Bewertungen des Klägers, bei dem es sich um einen ihrer zahlenden „Premium-Paket Gold“-Kunden handelte, ohne dass sich ein begründeter Verdacht der Manipulation ergeben hätte, einer - letztlich nicht erfolgreichen - Verifikationsprüfung zu unterziehen.

Das Interesse der Beklagten und ihrer Nutzer daran, die streitgegenständlichen „verdächtigen“ Bewertungen zu löschen, um das sich auf der Plattform ergebende Meinungsbild nicht zu verfälschen, überwiegt das Interesse des Klägers daran, nicht durch die Löschung nicht ausschließbar doch valider Bewertungen in seiner Kundenakquise beeinträchtigt zu werden.

3. Der geltend gemachte Anspruch auf Wiederveröffentlichung der gelöschten Bewertungen ergibt sich auch nicht aus § 9, § 3, § 5 Abs. 1 UWG.

a) Der Anspruch besteht schon nicht, weil die Parteien keine Mitbewerber sind. Die Eigenschaft als Mitbewerber erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGHZ 168, 314 = NJW 2006, 3490 Rn. 14 - Kontaktanzeigen; BGH, GRUR 2012, 193 = WRP 2012, 201 Rn. 17 - Sportwetten im Internet II); auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (BGH NJW 2019, 3065 Rn. 232; BGH GRUR 2017, 918 = WRP 2017, 1085 Rn. 16 u. 19 m.w.N. - Wettbewerbsbezug; BGH NJW 2019, 763 = GRUR 2019, 189 = WRP 2019, 317 Rn. 58 - Crailsheimer Stadtblatt II). Nicht ausreichend ist es, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft. Eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (BGH GRUR 2017, 918 Rn. 16 - Wettbewerbsbezug).

aa) Die Parteien versuchen nicht, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Der Kläger bietet zahnärztliche Leistungen an. Die Beklagte betreibt ein Ärztebewertungsportal und bietet Ärzten auf diesem Präsentationsmöglichkeiten und die Nutzung einer Online-Terminvergabe über das Portal an. Es handelt sich nicht um gleichartige Dienstleistungen.

bb) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ergibt sich auch nicht aus der angegriffenen Maßnahme, der Löschung der streitgegenständlichen Bewertungen. Zwar wird der Kläger durch die Löschung in seinem Bestreben, Patienten zu akquirieren, beeinträchtigt. Da es jedoch an jeglichem Konkurrenzmoment zwischen den Parteien im Angebots- und Nachfragewettbewerb fehlt, ist diese Beeinträchtigung in dem Marktstreben des Klägers zur Begründung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht ausreichend.

cc) Die Mitbewerbereigenschaft ergibt sich vorliegend auch nicht unter dem Aspekt der Förderung fremden Wettbewerbs. Zwar werden andere gleichartige Leistungen wie der Kläger anbietende Zahnärzte durch die Löschung der streitgegenständlichen Bewertungen mittelbar begünstigt. Es handelt sich jedoch nur um eine gleichsam reflexartige Begünstigung, die nur dadurch eintritt, dass die Beklagte als Plattformbetreiberin, um ihr Geschäftsmodell zu erhalten, dafür sorgen muss, dass manipulierte Bewertungen möglichst erkannt und von dem Portal gelöscht werden. Die mit der aus diesen Gründen erfolgenden Löschung von Bewertungen einhergehende Begünstigung der Konkurrenten desjenigen, dessen Bewertungen gelöscht wurden, reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses unter dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs nicht aus (vgl. Büscher, a.a.O., GRUR 2017, 433, 436)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH: Darstellung der Bewertungen durch Bewertungsportal Yelp zulässig - Yelp darf Bewertungsdurchschnitt aufgrund empfohlener Beiträge berechnen

BGH
Urteil vom 14.01.2019
VI ZR 495/18 und VI ZR 496/18 und VI ZR 497/18
Brüssel I-VO Art. 7 Nr. 2; Rom II-VO Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 lit. g; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2; BGB § 823 Abs. 1, § 824 Abs. 1, § 1004 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Darstellung der Bewertungen durch Bewertungsportal Yelp zulässig - Yelp darf Bewertungsdurchschnitt nur aufgrund empfohlener Beiträge berechnen über die Entscheidungen berichtet.

Leitsatz des BGH:

Zur Zulässigkeit der Bewertungsdarstellung eines Unternehmens in einem Internet-Bewertungsportal (hier: www.yelp.de).

BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 - VI ZR 495/18 - OLG München - LG München I


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VI ZR 495/18 und VI ZR 496/18 und VI 497/18



BGH: Darstellung der Bewertungen durch Bewertungsportal Yelp zulässig - Yelp darf Bewertungsdurchschnitt nur aufgrund empfohlener Beiträge berechnen

BGH
Urteil vom 14.01.2019
VI ZR 496/18 und VI ZR 495/18


Der BGH hat entschieden, dass die Darstellung der Bewertungen durch das Bewertungsportal Yelp nicht zu beanstanden sind. Insbesondere darf Yelp den Bewertungsschnitt nur aufgrund empfohlener Beiträge berechnen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Zulässigkeit der Bewertungsdarstellung von Unternehmen auf einem Internet-Bewertungsportal (www.yelp.de)

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt wegen ihrer Bewertungsdarstellung auf einem Internetportal dessen Betreiber auf Unterlassung, Feststellung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte betreibt im Internet unter www.yelp.de ein Bewertungsportal, in dem angemeldete Nutzer Unternehmen durch die Vergabe von einem bis zu fünf Sternen und einen Text bewerten können. Das Internetportal zeigt alle Nutzerbeiträge an und stuft sie ohne manuelle Kontrolle durch eine Software automatisiert und tagesaktuell entweder als "empfohlen" oder als "(momentan) nicht empfohlen" ein. Bei Aufruf eines Unternehmens werden mit dessen Bezeichnung und Darstellung bis zu fünf Sterne angezeigt, die dem Durchschnitt der Vergabe in den "empfohlenen" Nutzerbeiträgen entsprechen (Bewertungsdurchschnitt). Unmittelbar daneben steht "[Anzahl] Beiträge". Unter der Darstellung des Unternehmens ist eine entsprechende Anzahl von Bewertungen - überschrieben mit "Empfohlene Beiträge für [Unternehmen]" - jeweils mit den vergebenen Sternen und dem Text wiedergegeben. Am Ende dieser Wiedergabe steht "[Anzahl] andere Beiträge, die momentan nicht empfohlen werden". Nach Anklicken der daneben befindlichen Schaltfläche wird folgender Text angezeigt:

"Was sind empfohlene Beiträge?

Unsere User veröffentlichen auf Yelp Millionen von Beiträgen. Aus diesem Grund benutzen wir eine automatisierte Software um die hilfreichsten Beiträge hervorzuheben. Diese Software zieht mehrere Faktoren in Betracht, wie z.B. die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Users auf Yelp. Dieser Vorgang ist gleich für alle Geschäftsauflistungen und hat nichts damit zu tun ob ein Unternehmen ein Anzeigenkunde bei uns ist oder nicht. Die Beiträge die nicht direkt auf der Geschäftsseite hervorgehoben und auch nicht in die Gesamtbewertung einberechnet werden sind aber unten aufgeführt. Hier mehr darüber erfahren."

Darunter befindet sich die Überschrift "[Anzahl] Beiträge für [Unternehmen] werden momentan nicht empfohlen" mit dem nachfolgenden "Hinweis: Die Beiträge unten werden nicht in der gesamten Sternchen-Bewertung für das Geschäft berücksichtigt." Danach folgt die Wiedergabe der nicht empfohlenen Beiträge.

Die Klägerin betreibt ein Fitness-Studio, zu dem das Bewertungsportal am 10. Februar 2014 aufgrund eines empfohlenen Beitrags vom 7. Februar 2014 drei Sterne und 24 ältere Beiträge mit überwiegend positiven Bewertungen als momentan nicht empfohlen anzeigte.

Nach Auffassung der Klägerin hat die Beklagte den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass der Bewertungsdurchschnitt aller Beiträge angezeigt worden sei. Die Unterscheidung zwischen empfohlenen und momentan nicht empfohlenen Beiträgen sei willkürlich und nicht anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgt, wodurch ein verzerrtes und unrichtiges Gesamtbild entstehe.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite für das Fitness-Studio eine Gesamtbewertung oder eine Gesamtzahl der Bewertungen auszuweisen, in die Beiträge (Bewertungen), die von Nutzern der vorgenannten Internetseite abgegeben worden waren und welche die Beklagte als "momentan nicht empfohlen" wertet, nicht einbezogen werden. Außerdem hat das Oberlandesgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz entstandenen sowie noch entstehenden Schadens festgestellt und die Beklagte zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat auf die Revision der Beklagten das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 824 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat nicht - wie in dieser Bestimmung vorausgesetzt - unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts äußerte die Beklagte mit der angegriffenen Bewertungsdarstellung nicht, dass es sich bei dem angezeigten Bewertungsdurchschnitt um das Ergebnis der Auswertung aller für das Fitness-Studio abgegebenen Beiträge handele und dass der danebenstehende Text deren Anzahl wiedergebe. Denn der unvoreingenommene und verständige Nutzer des Bewertungsportals entnimmt der Bewertungsdarstellung zunächst, wie viele Beiträge die Grundlage für die Durchschnittsberechnung bildeten, und schließt daraus weiter, dass Grundlage für die Durchschnittsberechnung ausschließlich der "empfohlene" Beitrag ist sowie dass sich die Angabe der Anzahl nur darauf bezieht. Die Bewertungsdarstellung der Beklagten greift auch nicht rechtswidrig in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ein (§ 823 Abs. 1 BGB). Die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überwiegen nicht die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Die Anzeige des Bewertungsdurchschnitts und der Einstufung von Nutzerbewertungen als "empfohlen" oder "nicht empfohlen" sind durch die Berufs- sowie Meinungsfreiheit geschützt; ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht München – Urteil vom 13. November 2018 – 18 U 1282/16

Landgericht München I – Urteil vom 12. Februar 2016 – 25 O 24646/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

§ 824 BGB Kreditgefährdung

(1) Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss.



LG München: Arzt hat keinen Anspruch auf Wiederveröffentlichung einer positiven Bewertung bei Jameda wenn Zweifel an der Authentizität bestehen und nicht hinreichend ausgeräumt werden

LG München
Urteil vom 16.04.2019
33 O 6880/19


Das LG München hat entschieden, dass ein Arzt keinen Anspruch auf Wiederveröffentlichung einer positiven Bewertung bei Jameda hat, wenn Zweifel an der Authentizität bestehen und vom Arzt nicht hinreichend ausgeräumt werden

Die Pressemitteilung des Gerichts:

JAMEDA: Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen?

Die insbesondere für das Marken- und das Wettbewerbsrecht zuständige 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute die Klage eines Zahnarztes gegen ein Internetbewertungsportal für Ärzte auf Wiederveröffentlichung gelöschter positiver Bewertungen abgewiesen (33 O 6880/18).

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Bis zum 28.12.2017 hatte der Kläger auf dem Portal insgesamt 60 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,5. Am 10.01.2018 kündigte er sein „Premium Paket Gold“ bei der Beklagten. Im Zeitraum vom 11. bis 18.01.2018 löschte die Beklagte 10 zugunsten des Klägers abgegebene Bewertungen, weil – nach Darstellung der Beklagten – Prüfverfahren über die Validität der Bewertungen negativ verlaufen seien. Am 18.01.2018 waren für den Kläger noch 51 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,6 abrufbar.

Der Arzt konnte nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen, dass, wie von ihm behauptet, die Löschungen als Reaktion auf seine Kündigung erfolgt seien. Der zeitliche Zusammenhang allein genügte nach Auffassung der Kammer hierfür nicht, weil die Beklagte unbestritten bereits in der Vergangenheit positive Bewertungen des Klägers aufgrund eines negativ verlaufenen Prüfverfahrens gelöscht hatte. Weitere belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Löschungen nicht ausschließlich der Qualitätswahrung der auf dem Portal eingestellten Bewertungen dienten, sondern den Kläger sanktionieren sollten, waren weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch im Übrigen lagen nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen für eine Wiederveröffentlichung der gelöschten positiven Bewertungen nicht vor. Die Kammer hat für den Anspruch auf Wiederveröffentlichung gelöschter positiver Bewertungen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für den (spiegelbildlichen) Anspruch auf Löschung negativer Bewertungen (BGH, Urteil vom 1.3.2016, Az: VI ZR 34/15 – „www.jameda.de“) herangezogen und auf die vorliegende umgekehrte Konstellation übertragen. Danach hat zunächst der klagende Arzt den behaupteten Rechtsverstoß konkret zu rügen. Nur eine hinreichend konkrete Rüge einer behaupteten Rechtsverletzung löst sodann eine Prüfpflicht des beklagten Bewertungsportals aus, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. Darlegungs- und beweisbelastet für die Unrichtigkeit der Löschung und damit für die Validität der Bewertung ist jedoch zunächst der klagende Arzt, die Beklagte trifft allerdings eine sog. sekundäre Darlegungslast.

Im Streitfall bedeutet dies, dass es zunächst dem Kläger oblegen hätte, konkret, wenn auch ggf. anonymisiert, zur Validität jeder einzelnen Bewertung und zum jeweiligen Behandlungskontakt auszuführen. Dabei durfte sich der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht darauf zurückziehen, es sei ihm nicht möglich, hierzu im Einzelnen vorzutragen. Denn die im Streitfall auszugsweise vorgelegten Bewertungen enthalten eine Reihe von Anhaltspunkten, anhand derer er die Person des Bewertenden feststellen oder zumindest eingrenzen hätte können. Die Beklagte hat demgegenüber im Einzelnen dazu Stellung genommen, wie und warum sie zu der Auffassung gelangt ist, dass sie die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleisten könne. So hat die Beklagte ausgeführt, dass sie zur Qualitätswahrung und zur Validitätsprüfung der auf ihrem Bewertungsportal eingestellten Bewertungen einen automatischen, selbstlernenden Prüfalgorithmus einsetze, dessen Verdachtsmeldungen von ihrem aus 20 Mitarbeitern bestehenden Qualitätsmanagementteam nochmals geprüft würden. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Gericht dargelegt, dass eine anschließende zur Prüfung der Validität der Bewertungen durchgeführte SMS-Verifikation im Hinblick auf acht der streitgegenständlichen Bewertungen negativ verlaufen sei. Hinsichtlich der beiden weiteren Bewertungen seien sodann sämtliche weiteren Versuche, mit dem Nutzer in Kontakt zu treten, gescheitert, weshalb letztlich auch diese Bewertungen gelöscht worden seien, weil sich deren Validität nicht bestätigen habe lassen.

Darüber hinaus war – so das Landgericht München I – auch die Eingriffsintensität im Streitfall derart gering, dass die Kammer eine relevante Schädigung des Klägers ausschließen konnte. Denn nach der Löschung der von der Beklagten als nicht valide eingestuften zehn Bewertungen blieben zum Profil des Klägers immer noch 51 Bewertungen abrufbar, und die Gesamtnote des Klägers sank durch die Löschung nur unmaßgeblich um 0,1 ab, nämlich von 1,5 am 11.01.2018 auf 1,6 am 18.01.2018.

Die Kammer hat bei ihrer Abwägung sowohl das Recht auf freie Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG auf Seiten des Klägers als auch die Meinungs- und Medienfreiheit im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG sowie die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG auf Seiten der Beklagten berücksichtigt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



OLG Stuttgart: Zahnarzt darf keine positiven Fake-Bewertungen über sich und negative Fake-Bewertung über Mitbewerber in Bewertungsportal posten

OLG Stuttgart
Entscheidung vom 13.02.2019
4 U 239/18


Das OLG Stuttgart hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass ein Zahnarzt keine positiven Fake-Bewertungen über sich und negative Fake-Bewertung über Mitbewerber in Bewertungsportalen posten darf.

Dass das Posten von Fake-Bewertungen unzulässig ist, ist rechtlich eindeutig. Schwieriger ist mitunter die Beweisführung. Das OLG Stuttgart kam aufgrund eines Sprachgutachtens und einer Gesamtschau aller Umstände zu dem Ergebnis, dass die falschen Bewertungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von dem in Anspruch genommenen Zahnarzt stammen.


LG Frankfurt: Inkenntnissetzung ersetzt keine Abmahnung - Kostenfolge des § 93 ZPO bei sofortigem Anerkenntnis im einstweiligen Verfügungsverfahren

LG Frankfurt am Main
Urteil vom 06.02.2019
2-03 O 414/18


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Inkenntnissetzung eines Bewertungsportalbetreibers über eine rechtswidrige Bewertung keine Abmahnung ersetzt, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO bei sofortigem Anerkenntnis im einstweiligen Verfügungsverfahren eintritt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Kosten des Eilverfahrens fallen gemäß § 93 ZPO dem Antragsteller zur Last. Grundsätzlich sind gemäß § 93 ZPO, der auch auf das einstweilige Verfügungsverfahren Anwendung findet (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 31. Ed. 2018, § 93 Rn. 8 m.w.N.), die Kosten einer einstweiligen Verfügung dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn der Antragsgegner zur Beantragung der einstweiligen Verfügung keinen Anlass gegeben hat, wenn also bei vernünftiger Würdigung des Verhaltens des Antragsgegners der Antragsteller zu dem Schluss berechtigt ist, er werde ohne Einleiten eines gerichtlichen Verfahrens nicht zu seinem Recht gelangen, § 93 ZPO (BGH NJW-RR 2005, 1005. 1006; Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 93 Rn. 2). Hiervon ist in der Regel - auch in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten - aber nicht auszugehen, wenn der Antragsgegner zuvor nicht abgemahnt wurde (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.03.2014 - 16 W 15/14; OLG München NJW-RR 2001, 42; vgl. auch (für Wettbewerbssachen) OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.02.2018 - 6 W 6/18, BeckRS 2018, 9083 m.w.N.). Von dem Erfordernis, den Schuldner vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abzumahnen, kann unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden. Entscheidend ist das vorprozessuale Verhalten des Beklagten. Dem nachfolgenden Gebaren kann allerdings indizielle Bedeutung zukommen (Musielak/Voit-Flockenhaus, a.a.O., § 93 Rn. 2 m.w.N.).

Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegt hier vor. Der Antragsteller beruft sich insbesondere darauf, dass er gegenüber dem Bewertungsportal Jameda tätig geworden sei. Dieses habe die Antragsgegnerin angeschrieben, die Antragsgegnerin habe die streitgegenständlichen Bewertungen jedoch nicht entfernt. Aus diesem Verhalten der Antragsgegnerin lässt sich jedoch nicht hinreichend sicher der Schluss ziehen, dass die Antragsgegnerin auf eine Abmahnung hin nicht anders reagiert hätte.

Insoweit verkennt der Antragsteller, dass er gegenüber Jameda Ansprüche nicht auf Unterlassung, sondern auf Entfernung gestellt hat. Ein Anspruch auf Unterlassung gegenüber der Antragsgegnerin selbst stand insoweit noch nicht im Raum. Der Antragsteller konnte auch vor Durchführung der Anhörung im hiesigen gerichtlichen Verfahren nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Antragsgegnerin seine Zuschriften an Jameda in vollem Umfang mitgeteilt würden, was zwischen den Parteien streitig ist.

Es stellt zudem durchaus einen Unterschied dar, wenn der Äußernde einerseits von einer Plattform wegen einer Beschwerde zu seiner Äußerung angeschrieben wird oder er andererseits vom Betroffenen unmittelbar durch anwaltliche Abmahnung zur Unterlassung einer Äußerung für die Zukunft verpflichtet wird. Insoweit misst die Kammer der Reaktion der Antragsgegnerin auf die gerichtliche Anhörung auch eine gewisse indizielle Bedeutung bei. Es lässt sich daher gerade nicht feststellen, dass eine Abmahnung im hiesigen Fall entbehrlich gewesen wäre.

Darüber hinaus begehrt der Antragsteller mit seinen Anträgen zu 1. und 2. die Unterlassung wegen Äußerungen nicht bei Jameda, sondern bei Google, so dass es insoweit auf die Anfrage von Jameda bei der Antragsgegnerin ohnehin nicht ankam.

Nach alledem hat die Antragsgegnerin für die Beantragung einer einstweiligen Verfügung keinen hinreichenden Anlass gegeben, so dass dem Antragsteller die Kosten für das Verfahren aufzuerlegen waren.

Die Entscheidung erfolgte in Form eines Anerkenntnisurteils, bei der gemäß § 307 S. 2 ZPO die mündliche Verhandlung entbehrlich ist. § 307 ZPO findet auch auf das Eilverfahren Anwendung (Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 307 Rn. 2; BeckOK-ZPO/Elzer, a.a.O., § 307 Rn. 4). Zwar scheidet grundsätzlich das Anerkenntnis vor Rechtshängigkeit aus (Zöller/Feskorn, a.a.O., § 307 Rn. 3), im einstweiligen Verfügungsverfahren wird die Rechtshängigkeit jedoch schon mit Einreichung des Antrags bei Gericht begründet (Zöller/G.Vollkommer, a.a.O., vor § 916 Rn. 5b; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 55 Rn. 1 m.w.N.; a.A. (erst bei tatsächlicher Beteiligung) Mertins, JuS 2008, 692, 694). Dementsprechend ist der Anspruchsgegner jedenfalls mit der Einreichung einer Schutzschrift am Verfahren beteiligt (Zöller/G.Vollkommer, a.a.O., vor § 916 Rn. 5b), gleiches gilt für die hier durch das Gericht erfolgte Anhörung und die - auch § 78 ZPO genügende - Reaktion der Antragsgegnerin.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Likes gelten nicht ewig - Wenn sich ein Unternehmen verändert kann es sich nicht auf alte Bewertungen berufen

In Ausgabe 17/2018, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Likes gelten nicht ewig - Wenn sich ein Unternehmen verändert kann es sich nicht auf alte Bewertungen berufen".

Siehe auch zum Thema:
OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Irreführung durch alte Likes und Bewertungen wenn Restaurant Gastronomiekonzept ändert