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OVG Sachsen-Anhalt: Untersagungsverfügung gegen Streamer wegen streamens seiner Teilnahme an in Deutschland unzulässigen Glücksspielen rechtmäßig

OVG Sachsen-Anhalt
Urteil vom 11.07.2024
3 M 105/24


Das OVG Sachsen-Anhalt hat vorliegend entschieden, dass die Untersagungsverfügung gegen einen Streamer wegen streamens seiner Teilnahme an in Deutschland unzulässigen Glücksspielen rechtmäßig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller in der Vergangenheit bis heute für unerlaubtes Glücksspiel geworben, indem er jedenfalls mittelbar den Absatz durch das Wecken des Interesses der Konsumenten seiner gestreamten Glücksspiel-Inhalte an den dort gezeigten Produkten zu Gunsten des jeweiligen Unternehmens gefördert hat bzw. fortgesetzt fördert.

Die Antragsgegnerin ist zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 6. Juli 2023 zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller als sog. Streamer betätigt und unter dem Profil namens „...“, insbesondere auf der von Deutschland aus zu erreichenden Streaming-Plattform K. unerlaubte öffentliche Glücksspiele, die im Internet in mehr als einem Land angeboten werden, beworben hatte, indem er virtuelle Automatenspiele u.a. auf den Internetseiten https://...com und https://... … spielte, deren Anbieter bis heute über keine Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen in Deutschland verfügen, sich hierbei filmte und die Aufnahmen als Video im Livestream veröffentlichte. Für den Zeitraum des Verwaltungsverfahrens ist insbesondere auch belegt, dass der Antragsteller durch die Verwendung verschiedener Links (im Einzelnen: S. 2 f. der streitbefangenen Verfügung) für kostenlose Freispiele geworben bzw. zeitweise die Glücksspielseite V. sowie weitere Online-Casinos auf der Internetseite … beworben hat. Dies stellt der Antragsteller auch nicht in Abrede, sondern wendet ein, im Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung dieses Verhalten „weitgehend“ - mit Ausnahme des Streams seiner Teilnahme an Glücksspielen des in Deutschland nicht lizensierten Anbieters S. - eingestellt zu haben bzw. gibt vor, dass eine Wiederholung nicht drohe. Damit genügt der Antragsteller den durch die Verfügung gestellten Anforderungen, die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel dauerhaft und gesichert einzustellen, jedenfalls noch nicht. Der Antragsteller ist aus der Vergangenheit bis hinein in den Zeitraum des Erlasses der Verfügung als Streamer von Teilnahmen an unerlaubten Glücksspiel bekannt. Bis heute veröffentlicht der Antragsteller auf der Streaming-Plattform K. nahezu täglich im Livestream Videos zu seiner Teilnahme an virtuellen Automatenspielen (und Online-Casinospielen) auf der - jedenfalls derzeit ausschließlich von ihm genutzten - Internetseite https://S..com. Während der Livestreams ist stets eindeutig das Logo der ausschließlich verwendeten Glücksspielseite S. zu erkennen, so dass seine Zuschauer ohne Weiteres nachvollziehen können, auf welcher Webseite bzw. bei welchem Anbieter der Antragsteller sich am Glücksspiel beteiligt. Weder hat der Antragsteller damit vollständig im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung die Live-Übertragung seiner Teilnahme an in Deutschland nicht erlaubtem Online-Glücksspiel eingestellt noch kann aus seiner fortgesetzten Handlung geschlossen werden, dass hinsichtlich anderer Glücksspiel-Anbieter, etwaiger Verlinkungen etc. keine Wiederholungen drohen.

3.2. Das Streamen der Teilnahme an unerlaubten Online-Glücksspiel ist - entgegen der Darstellung des Antragstellers - nicht lediglich unterhaltend, sondern geeignet, ein Interesse an den gezeigten Glücksspiel-Angeboten zu wecken.

Voranzustellen ist, dass der Senat bereits hinsichtlich der Möglichkeit der Werbung durch Streamer im Rahmen des erlaubten Glücksspiels in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden hat (Beschluss vom 15. Juni 2023, a.a.O. Rn. 66 f.):

„Der Einsatz sog. Streamer als Werbepartner für virtuelle Glücksspiele geht über das zulässige Maß an Werbung hinaus. Dem Werbeformat im Rahmen des Streamings ist immanent, dass durch Filmen und Verbreiten/Liveübertragen des eigenen oder fremden Spiels - hier im vorliegenden Fall des zu bewerbenden virtuellen Automatenspiels - für den Zuschauer die Emotionen des Streamers sicht- und erlebbar werden, so dass sie auf emotionaler Ebene mit dem (Glücks-)Spiel konfrontiert werden. Typische, mit der Teilnahme an Glücksspielen verbundene Sinnesreize sprechen überdurchschnittlich Problemspieler an (vgl. Glücksspiel-Survey 2021, Seite 48; siehe auch Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23. Dezember 2022, Seite 17 f. betreffend die Einwände der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 8. Dezember 2022). Diese spielsuchtspezifischen Sinnesreize werden durch den Streamer in Abbildung eigenen oder fremden Glücksspiels erzeugt und dem Zuschauer zugänglich gemacht. In die Betrachtung ist auch das besondere Gefahrenpotential der hier vorliegenden Spielform einzustellen. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass sich eine übermäßige emotionale Einflussnahme durch Vorgaben zur Ausgestaltung von Streamer-Videos verhindern ließe, etwa durch ein Verbot übermäßiger Gefühlsausbrüche und ein Sachlichkeitsgebot, folgt der Senat dem nicht. Vorliegend geht es nicht nur darum, eine übermäßige emotionale Einflussnahme zu verhindern, sondern spielsuchtspezifische Sinnesreize zu unterbinden. Mit der kommentierten Wiedergabe einer konkreten Spielsituation des virtuellen Automatenspiels werden Schlüsselreize gesetzt, denen sich insbesondere Problemspieler und Minderjährige nicht entziehen können. Hinsichtlich Minderjähriger ist darüber hinaus festzustellen, dass Streaming die am häufigsten wahrgenommene Werbeform ist. Nach dem Report der UK Gambling Commission zur Spielteilnahme Minderjähriger 2022 waren 36 % der 17- bis 18-jährigen und 47 % der 11 bis 16-jährigen dem Streaming als führende Werbeform der Beeinflussung zur Glücksspielteilnahme ausgesetzt. Streaming-Formate gehen in Verknüpfung von suchtunspezifischen mit spielsuchtspezifischen Inhalten über eine bloße Informationswiedergabe hinaus, so dass eine Wahrnehmungsverzerrung und Risikounterschätzung für Kinder und Jugendliche angesichts deren sozialkognitiven Entwicklungsstandes hiermit verbunden ist (Beutel et al., a.a.O., Seite 113, 124, 134).

Schließlich greift der Einwand der Antragstellerin zu kurz, das „Totalverbot“ berücksichtige nicht die Möglichkeit, das Streaming nur einer geschlossenen Empfängergruppe - etwa durch Registrierungspflichten - zugänglich zu machen. Eine geschlossene Empfängergruppe mag zwar - die technischen Möglichkeiten vorausgesetzt - ein Hinzutreten von Minderjährigen und gesperrten Spielern verhindern. Problemspieler, d.h. Personen mit leichten, mittleren und schweren Glücksspielstörungen, kann hierdurch ein Zugriff auf den Inhalt allerdings nicht verwehrt werden, solange sie nicht der gesperrten und damit individualisierbaren Personengruppe unterfallen. Dass hinsichtlich der Werbewirkung allgemein und so auch bei Streaming-Formaten auf den Durchschnittsspieler abzustellen sei, ist weder verständlich noch wird dies den hier verfolgten Zielen des Glücksspielstaatsvertrags 2021 zureichend gerecht.“

Hieran ist festzuhalten. Mit der Übertragung des Livespiels gehen suchtspezifische Sinnesreize (sog. Trigger) einher. Ein Trigger ist jeder Sinneseindruck, den gefährdete Spieler eng mit dem Spielergebnis assoziieren, wie etwa das Klimpern der Münzen bei einem Gewinn an Geldspielgeräten. Gerade spielsüchtige bzw. spielsuchtgefährdete Spieler sind der Wirkung von Sinnesreizen, die dem Glücksspiel eigentümlich sind, überproportional zugänglich (Glücksspiel-Survey 2021, Seite 48). Durch den Einsatz suchtauslösender Schlüsselreize wird gerade gegenüber dieser Personengruppe - wenn auch nur ungewollt - ein besonderer Anreiz zur Spielteilnahme gesetzt. Bei Patienten mit akuter Glücksspielsucht ist nachgewiesen worden, dass gerade derartige spielbezogene Suchtreize die Potenz haben, schon nach wenigen Bruchteilen einer Sekunde das Gehirn von süchtig Konsumierenden nahezu zu überfluten; im Hirnstromfeld dieser Patienten ist ein konditioniertes Muster höchster Erregung nachzuweisen (vgl. Wölfling/Müller/Giralt/Beutel, Emotionale Befindlichkeit und dysfunktionale Stressverarbeitungen bei Personen mit Internetsucht, Zeitschrift Sucht 2011, Bd. 57, Seite 27). Ausgehend von diesem besonderen Anreiz wird durch die Übertragung der Teilnahme von Glücksspielen ungeachtet der Frage, ob das Glücksspiel in Deutschland erlaubt ist oder nicht, das Interesse am Spiel insbesondere bei spielsüchtigen bzw. spielsuchtgefährdeten Spielern geweckt.

Hinzutritt, dass auch Zuschauer, die nicht spielsüchtig bzw. spielsuchtgefährdet sind, über das Unterhaltungsformat des Antragstellers die Normalität der Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel erfahren und hierdurch angeregt werden könnten, ebenfalls unerlaubtes Glücksspiel auszuprobieren. Auf beliebten Streaming-Plattformen - wie T. und K. - verfügen Streamer wie der Antragsteller, was er selbst auch nicht in Abrede stellt, über eine große und engagierte Anhängerschaft und genießen das Vertrauen bei den von ihnen unterhaltenden Zuschauer. Damit geht einher, dass der Antragsteller mit den regelmäßigen und interaktiven Streams eine starke persönliche Bindung zu seinen Zuschauern bzw. insbesondere bei seinen Followern aufbaut. Die Interaktionen in Echtzeit schaffen ein einzigartiges Gefühl der Zugehörigkeit und Nähe zwischen dem Streamer und seinen Zuschauern. Diese emotionale Bindung und das Engagement sind entscheidend für die besondere Authentizität, die der Streamer als Meinungsführer genießt. Wenn der Antragsteller bei der Erstellung seines Contents, der neben dem Spiel Grand Theft Auto V den Bereich Slots/Casinos umfasst, - wie derzeit hier - ausschließlich einen Glücksspielanbieter (S.) durch sein nahezu tägliches Spiel hervorhebt, wird dies von dem Zuschauer nicht als herkömmliche Werbung wahrgenommen, sondern als authentische, ehrliche und glaubwürdige Empfehlung von jemanden, den sie schätzen und vertrauen (vgl. https://streamboost.de). Folglich werden die Konsumenten des Glücksspiel-Contents des Antragstellers nicht lediglich durch diesen unterhalten, sondern auf die Teilnahme an unerlaubten Glücksspiel beim Anbieter S. aufmerksam gemacht.

Dem Einwand des Antragstellers, es trete bereits kein „Werbeeffekt“ ein, da seine Zuschauer bereits aus der Glücksspielbranche kämen und nicht durch ihn animiert würden, kann nicht gefolgt werden. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die Zuschauer entweder bereits eine gewisse Affinität zum Glücksspiel entwickelt haben und durch die „unterhaltsamen“ Streams des Antragstellers im Glücksspielkontext gehalten werden, was ggf. bewirkt, dass die von ihrem Idol gespielten Spiele des Anbieters S. ausprobiert werden, oder aber, dass die Zuschauer des Antragstellers, die ihn aus Streams mit anderem Inhalt (Grand Theft Auto V, Only Chatting) kennen, angesichts einer ggf. über diese Streams aufgebauten besonderen Beziehung ein Interesse daran entwickeln, am Leben des Antragstellers darüber hinaus teilzuhaben, was einschließen kann, dass diese zu dem von ihm gestreamten Glücksspiel bei S. geführt werden.

In diesem Zusammenhang führt auch der Vortrag des Antragstellers nicht weiter, wonach der gewöhnliche Vorgang des Streamens nicht mit Werbung gleichgesetzt werden dürfe, weil das Verhalten eines Streamers „glaubwürdiger“ erscheine. Hierbei ist ohne Relevanz, dass sich Menschen mit Streaming-Diensten analog zum klassischen Fernsehen ein Programm suchten, welches ihrem Interesse entspreche, so dass sie sich nur die Zeit vertrieben und sich unterhalten ließen. Denn es handelt sich schon angesichts des festzustellenden werblichen Charakters nicht um ein nur „privates Verhalten“ des Antragstellers. Anders als der Antragsteller meint, ist eine nahezu tägliche mehrstündige Übertragung seiner Teilnahme am Glücksspiel auch nicht mit der Wiedergabe einer „Glücksspielszene“ im Rahmen eines Spielfilmes etc. vergleichbar.

Der werbliche Charakter wird auch nicht dadurch ausgeglichen, indem der Antragsteller während seines Online-Glücksspielstreams einblendet:

„Dieser Stream dient nur der Unterhaltung.

Er stellt keine Aufforderung dar, an Glücksspielen teilzunehmen. Glücksspiel kann süchtig machen und in deinem Land erst ab einem bestimmten Alter (> 18 Jahren) erlaubt oder generell verboten sein. Du musst die jeweiligen, auf deinen Aufenthaltsort zutreffenden Glücksspielgesetze beachten.“

bzw. deutliche Worte wie:

„So, ganz wichtig! Spielt auf keinen Fall Casino. Ihr werdet 100% Minus machen. Ihr werdet keinen Gewinn machen. Ihr werdet nicht mal Plus-Minus-Null gehen. Ihr werdet euer Geld verhauen. Ich mach das nur wegen Unterhaltung. Ihr könnt bei mir zugucken, aber fang nicht selber an. Nicht anfangen zu spielen.“

an seine Zuschauer richtet. Das von dem Antragsteller als „Anti-Werbung“ beschriebene Verhalten soll zuvorderst dem eigenen Schutz des Antragstellers und der Fortführung seines Glücksspiel-Contents dienen, so dass mit der Antragsgegnerin davon auszugehen ist, dass es lediglich eine Alibi-/Haftungsausschlussfunktion hat. Es kommt allein auf die Sichtweise des mit der Werbebotschaft angesprochenen Verkehrskreises an (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 - juris). Folglich kann dahinstehen, ob der Antragsteller meint, sich dadurch hinreichend distanziert zu haben. Die Einblendung sowie die zeitweise gewählten warnenden Worte wiegen den werblichen Charakter seines Unterhaltungsformats, das insbesondere durch eine reißerische Darstellung der Gewinnerzielung und die daneben erfolgenden Einblicke in die von erheblichen finanziellen Ressourcen getragene Lebensführung des Antragstellers (Sportwagen, Reisen etc.) gekennzeichnet ist, nicht auf. Dass die Zuschauer der Glücksspiel-Inhalte auch mit Blick auf die regelmäßigen hohen Gewinne des Antragstellers trotz der „Anti-Werbung“ eine entsprechende Verbindung herstellen, mithin gleichwohl ein Anreiz zum eigenen Spiel in Entsprechung ihres Vorbildes entsteht, ist naheliegend. Für den Senat liegt auf der Hand, dass die zu dem übrigen Verhalten des Antragstellers während seiner Glücksspielstreams im absoluten Gegensatz stehenden Aussagen weder ernsthaft noch authentisch sind und dementsprechend von den Zuschauern auch eingeordnet werden.

Dem Einwand des Antragstellers, bei der Veranlassung zum Spiel handele es sich um einen unvermeidbaren Nebeneffekt, der jedoch nicht zum Nachteil des Antragstellers gereichen dürfe, solange es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, folgt der Senat nicht. Wie dargestellt ist das Werbeverbot weit zu verstehen und schließt auch einen etwaigen werblichen Überschuss mit ein. Dass der GlüStV 2021 keine eigenständige Verbotsregel für den Werbeeffekt von Streaming-Aktivitäten vorsieht, ändert hieran nichts. Es greift zu kurz, darauf zu verweisen, dass der Antragsteller als bekannte Persönlichkeit mit irgendeiner Marke in Verbindung gebracht werde. Tatsache ist, dass sein Streaming-Inhalt auf unerlaubtes Online-Glücksspiel ausgerichtet ist.

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3.3. Soweit der Antragsteller vorträgt, für die Übertragung seiner Online-Glücksspielteilnahme beim Anbieter S. keine Gegenleistung von dem Glücksspielanbieter zu erhalten, folgt der Senat dem nicht. Denn dem Rechtsgedanken des § 5a Abs. 4 UWG folgend ist der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung zu vermuten, solange der Antragsteller nicht glaubhaft macht, dass er eine solche nicht erhalten hat. An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es vorliegend.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es fernliegend, dass der Antragsteller für seine täglichen, oft auch mehrstündigen Streams über seine Teilnahme am Online-Glücksspiel des Anbieters S. auf der Streaming-Plattform K. keine finanziell bewertbaren Vorteile außerhalb der gewöhnlichen Einnahme als K.-Streamer (Umsatzbeteiligung von 95/5 zugunsten des Content-Creators) zieht. Zwar hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vom 30. Juni 2024 vorgelegt, wonach er „keinen Werbevertrag“ mit S. oder anderen Glücksspielanbietern habe, nur unterhaltsamen Content mit dem Zeigen einer seiner Freizeitbeschäftigungen - nämlich das Spielen von Glücksspielen bei S. - bieten wolle und sich freue, dass dies bei seinen Zuschauern ankomme. Dies schließt für sich betrachtet jedoch nicht aus, dass der Antragsteller durch den Anbieter oder die Streaming-Plattform bevorteilt wird.

Allgemein bekannt ist, dass die Spielbedingungen beim Glücksspiel und damit die Gewinnwahrscheinlichkeit so gestaltet sind, dass der jeweilige Glücksspielanbieter als ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen jedenfalls auf längere Sicht einen Gewinn gegenüber dem Glücksspielkonsumenten erwirtschaftet. Weshalb der Antragsteller fortgesetzt „sein eigenes Geld“ zu bloßen Unterhaltungszwecken („Spannungsbogen hoch halten“) verspielen sollte, wenn seine Zuschauerzahlen im Glücksspielbereich nicht annährend an die seiner sonstigen Streaming-Inhalte heranreichen (im Einzelnen: vgl. streitbefangene Verfügung S. 6), mithin seine dadurch erzielten Einnahmen auf der Plattform K. aus der Anzahl der Abonnenten gegenüber seinen sonstigen Einnahmen zu vernachlässigen sein dürften, erschließt sich ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Antragsteller regelmäßig höhere Gewinne beim Online-Glücksspiel des nach seinen eigenen Angaben seit ca. 1,5 Jahren ausschließlich genutzten Anbieters S. erzielt (vgl. https://K..com/“...“).

Der Antragsteller trägt selbst vor, seinen Lebensunterhalt auf der Streaming-Plattform T., hinsichtlich derer er aufgrund der dortigen Rahmenbedingungen seinen Glücksspiel-Content nicht mehr veröffentlicht bzw. veröffentlichen kann, und nicht etwa auf der Streaming-Plattform K. erziele. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es unverständlich, dass der Antragsteller seine auf der Plattform T. durch Reichweiten/Zuschauer-/Abonnentenzahlen verdienten Einnahmen ohne nennenswerten Ertrag allein aus Freizeit- und Unterhaltungszwecken einsetzt. Hiervon dürfte mit Blick auf die tägliche, oft auch mehrstündige Übertragung einer - gewöhnlichen - Spielteilnahme und die deutlich limitierte Zuschauer- und Abonnentenzahl auszugehen sein. Für den Senat liegt auch nicht auf der Hand, dass der Antragsteller mit seinem Glücksspiel-Content bei K. seine Zuschauerzahlen in anderen Bereichen in einem solchen Maße steigert, dass ein etwaiger Nachteil ausgeglichen werden könnte. Unwidersprochen bleibt zudem das Vorbringen der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid, wonach der Antragsteller in einem Livestream auf der Streaming-Plattform K. am 2. Mai 2023 während eines virtuellen Automatenspiels beim Anbieter S. seine Zuschauer darauf hingewiesen habe, von diesen keine Spenden mehr zu benötigen, da er als „Casinostreamer“ pro Spinn 38 € „mache“.

Auch legen die regelmäßigen hohen Gewinne des Antragstellers bei seiner ausschließlichen Glücksspielteilnahme bei dem Anbieter S. den Schluss nahe, dass ihm Sonderbedingungen für seine Teilnahme am Glücksspiel eingeräumt sind, um fortgesetzt zu spielen. Der Antragsteller verhält sich dazu nicht, sondern beschränkt sich darauf, keinen Werbevertrag mit dem Anbieter S. eingegangen zu sein und seinen Lebensunterhalt mit den Einnahmen aus T. zu erwirtschaften. Dies genügt indes nicht, um den Nichterhalt einer Gegenleistung glaubhaft zu machen. Denn er lässt offen bzw. belegt nicht im Ansatz dar, welche Einnahmen er wo konkret erwirtschaftet, in welchem Umfang er täglich sein „eigenes Geld“ für Glücksspiel-Streams einsetzt bzw. welche Gewinne er dabei erzielt. Für eine besondere Verflechtung zwischen dem Antragsteller und dem Anbieter S. spricht zudem, dass der Antragsteller vorgibt, Einfluss auf S. dahingehend genommen zu haben, dass dieser ein Geoblocking für Deutschland einrichte, so dass ein gewöhnlicher Zugriff auf das Spieleangebot des Anbieters nicht mehr erfolgen könne. Dass dies auf Zuruf eines gewöhnlichen Glücksspielteilnehmers erfolgt, ist bereits wenig wahrscheinlich. Insbesondere das ausschließliche Spiel bei S. deutet darauf hin, dass der Antragsteller Vorteile zieht. Es ist unverständlich, dass eine glücksspielaffine Person - wie der Antragsteller („Freizeitbeschäftigung“) - seit 1,5 Jahren ausschließlich bei einem Anbieter spielt, nur weil ihr die Bedienung und Optik der Seite gefielen. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass sich der von dem Antragsteller mit der Glücksspielteilnahme beabsichtigte „Spannungsbogen“ nach 1,5 Jahren bei einem Anbieter abgenutzt haben dürfte.

Selbst wenn der Antragsteller mit dem Glücksspielanbieter S. keine geschäftliche Beziehung (Werbevertrag, Sonderbedingungen etc.) unterhalten sollte, so liegt es ebenso nahe, dass die Streaming-Plattform K. und der Glücksspielanbieter S. ihrerseits geschäftlich verbunden sind und der Antragsteller hiervon mittelbar profitiert. Betrieben wird die Plattform K. von der K. Streaming Pty Ltd. Alleiniger Anteilseigner von K. ist die E. E. Pty Ltd, welche wiederum zu einem Drittel im Besitz eines anderen Unternehmens ist, der A. H. Pty Ltd. Die A. H. befindet sich vollständig im Besitz des S..com Mitbegründers C.. Die restlichen zwei Drittel von E. E. gehören dem anderen Mitbegründer von S..com, B.. Obwohl K. nicht direkt im Besitz von S..com oder den Mitbegründern von S. ist, deuten die Aufzeichnungen darauf hin, dass sie die Mehrheitsaktionäre an der Streaming-Seite K. sind und es Verbindungen zu S. und der Förderung des Glücksspiel-Streamings gibt. Sowohl die Unternehmensstruktur als auch die Finanzierung der Plattform K. wirft erhebliche Fragen auf (zum Ganzen: vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/K..com). Dies zugrunde gelegt kann jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller über seine regelmäßigen Einnahmen als Content-Creator bei K. (s.o.) hinaus aufgrund weiterer Vertragsabsprachen mit der Streaming-Plattform K. für das von ihm gestreamte Online-Glücksspiel bei dem Anbieter S. bevorteilt wird.

Fehlt es damit an einer hinreichenden Glaubhaftmachung des Antragstellers ist mit der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen luxuriösen Lebensstil jedenfalls auch durch Werbeeinnahmen im Rahmen seines Glücksspiel-Contents finanziert. Der Vortrag des Antragstellers zur Art und Weise der Einnahmeerzielung erfolgreicher Streamer (Erzeugen von Reichweite, Abonnements, Spenden) insbesondere auch im Unterschied zu Influencern, zur exponentiellen Steigerung der Einnahmen über Streaming-Plattformen (Marktvolumen etc.) sowie dazu, dass sich der Antragsteller seine Bekanntheit als GTA RP Streamer erarbeitet und es angesichts seiner T.-Einnahmen „nicht nötig“ habe, Glücksspielwerbung zu betreiben, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung und mangels hinreichender Glaubhaftmachung nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller eine Gegenleistung für seinen Glücksspiel-Content erhält. Dass Streamer „denklogisch“ kein Interesse daran hätten, ihre Zuschauer auf andere Plattformen - so auch auf Plattformen von Glücksspielanbietern - zu bewegen, weil sie sie an ihre Streams binden wollten, greift zu kurz. Der Antragsteller kann seine Zuschauer von vornherein nur für die Dauer seiner Streams binden. Daneben steht den Zuschauern ein ausreichender Zeitkorridor zur Verfügung, um sich auf andere Plattformen zu begeben bzw. an Online-Glücksspielen teilzunehmen. Gerichtsbekannt ist darüber hinaus, dass erfolgreiche Glücksspiel-Streamer Verträge mit der Streaming-Plattform K. in Fortsetzung ihres Glücksspiel-Contents auf der Plattform eingegangen sind. Schließlich rechtfertigt die „Anti-Werbung“ des Antragstellers keine abweichende Bewertung (s.o.). Insbesondere teilt der Senat mit Blick auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Aussagen die Einschätzung nicht, dass ein Glücksspielanbieter unter diesen Umständen keinen Werbevertrag anbieten würde.

3.4. Ausgehend von einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines anderen Unternehmens (Gegenleistung durch Dritten) bedarf die Frage keine Beantwortung mehr, ob eine geschäftliche Handlung zur Förderung des eigenen Unternehmens eines Streamers durch das Werbeverbot in § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 erfasst wird (werblicher Überschuss, vgl. zum Influencer-Marketing: BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20 - juris).

3.5. Der werbende Effekt geht nicht dadurch ins Leere, dass der Antragsteller seit geraumer Zeit nur noch die Teilnahme an Online-Glücksspielen des Anbieters S. streame (https://S..com), der wegen des mittlerweile eingerichteten Geoblockings (technische Ländersperre) von Deutschland aus nicht (mehr) aufrufbar sei.

(1) Nach summarischer Prüfung bestehen bereits berechtigte Zweifel daran, ob der Anbieter S. das von ihm eingerichtete Geoblocking fortgesetzt und kontinuierlich anwendet, um den gewöhnlichen Zugriff von Deutschland aus auszuschließen. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass der Anbieter S. bereits im Jahr 2022 die sog. Ländersperre eingerichtet haben soll und allein aus technischen - vom Antragsteller nicht zu verantwortenden - Gründen bis zum 5. Januar 2023 Zugriffsmöglichkeiten bestanden hätten. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs war jedoch zeitweise der gewöhnliche Zugriff auf dieses Online-Glücksspielangebot von Deutschland aus (bspw. Login und Spiel am 25. Mai 2023 bzw. am 10. Juli 2023, Bl. 258, 274), mithin unmittelbar vor als auch während des Erlasses der streitbefangenen Verfügung möglich. Hierzu verhält sich der Antragsteller nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Glücksspielbehörde gehalten, fortgesetzt die Einhaltung der bestehenden Beschränkungen hinsichtlich des Werbenden und des Anbieters zu kontrollieren. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller vorgibt, persönlich gegenüber dem Anbieter S. darauf hingewirkt zu haben, dass der Anbieter S. eine Ländersperre für Deutschland einrichte, um fortgesetzt die Teilnahme an den Online-Glücksspielen des Anbieters S. live übertragen zu können. Denn es ist bereits fraglich, welche Möglichkeiten des „Einwirkens“ der Antragsteller als gewöhnlicher Konsument des Glücksspielangebotes des Anbieters S. haben soll, wenn er selbst vorträgt, über das bloße Spiel hinaus keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen gegenüber dem Anbieter zu unterhalten. Dessen ungeachtet belegt der Antragsteller seinen Vortrag nicht.

(2) Dessen ungeachtet geht der in Deutschland eintretende werbende Effekt durch eine etwaige Ländersperre (sog. Geoblocking/IP-Blocking) des Anbieters S. nicht verloren und kann dem Antragsteller entgegengehalten werden.

Fest steht, dass der Anbieter S. über keine glücksspielrechtliche Erlaubnis in Deutschland verfügt und eine solche auch nicht beantragt hat, mithin unerlaubtes Glücksspiel i.S.d. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 vorliegt. Er darf damit weder in Deutschland sein Online-Glücksspiele veranstalten, durchführen und vermitteln noch selbst hierfür werben (vgl. §§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 5 Abs. 7 GlüStV 2021).

Nach § 3 Abs. 4 GlüStV 2021 wird ein Glücksspiel zwar nur dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird, so dass gegenüber dem Glücksspielanbieter die Geolokalisation und das damit in Zusammenhang stehende Geoblocking als ein geeignetes Instrument angesehen wird, um die Möglichkeit der Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel zu begrenzen (vgl. Dietlein in: Dietlein/Ruttig, a.a.O. § 3 GlüStV Rn. 20). Der vorliegende Sachverhalt macht jedoch deutlich, dass dieses Mittel den Zugriff nicht in Gänze ausschließt. Allgemein bekannt ist, dass durch den Einsatz eines VPN-Netzwerks die für Deutschland eingerichtete Ländersperre ohne Weiteres umgangen werden kann (vgl. https://www.S.fans.com/de/S.-standort-registrien/). Hierzu hat auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in einem anderen beim Senat geführten Verfahren zum Payment-Blocking vorgetragen (vgl. Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2023, a.a.O.). Mittels VPN-Nutzung kann das unerlaubte Glücksspiel von Deutschland aus aufgenommen werden. Dies geschieht sodann bspw. über Österreich, was den in Deutschland verorteten Spielern einen stabilen Empfang, ein weitgehend uneingeschränktes Spielerlebnis sowie die Nutzung in deutscher Sprache erlaubt. Der Senat geht davon aus, dass der Anbieter S. regelmäßig keine weiteren - über das Geoblocking hinausgehenden - Prüfungen vornimmt, so dass eine Registrierung eines neuen Nutzerskontos bzw. ein Zugriff auf ein vorhandenes Benutzungskonto durch Spieler, die sich tatsächlich örtlich in Deutschland aufhalten und lediglich vorgeben, nicht von Deutschland aus zu spielen, erfolgen kann. Auch wird der Zahlungsverkehr nicht eingeschränkt. Da S. ein Online-Casino ist, das finanzielle Transaktionen generell in Form von Krypto-Währungen durchführt, wird mit der Einrichtung eines Wallets für Krypto-Währungen der Zahlungsverkehr - anders als bei nicht lizensierten Anbietern, deren Auszahlungen auf Bankkonten, Kreditkarten und Echtgeld-Wallets erfolgt, was sodann eingeschränkt werden könnte - relativ verlässlich abgewickelt (vgl. https://www.S.fans.com/de/S.-standort-registrien/). Diese fortschreitende technische Entwicklung und damit verbundene - dem Antragsteller auch bekannte - allgemein üblich werdende Handhabung durch Anwender bedingt, dass der werbende Effekt sodann nicht ins Leere läuft, wenn ein Zugriff auf das unerlaubte Glücksspielangebot unter Umgehung der Ländersperre gleichwohl erfolgen kann und - wie hier - erfolgt.

Der Vortrag des Antragstellers, der Staatsvertrag erfasse kein ausländisches Glücksspiel, für das keine Teilnahme im Inland eröffnet sei, greift mit Blick auf das gesetzlich statuierte weitreichende Werbeverbot und die festzustellenden Umgehungsmöglichkeiten zu kurz. Der Antragsteller führt selbst aus, dass der Staatsvertrag das Bewerben einer Teilnahmemöglichkeit von nicht in Deutschland konzessioniertem Glücksspiel umfasst. Es kommt für das Bewerben indes nicht darauf an, ob der Glücksspielanbieter alles Erforderliche getan hat, um die Teilnahmemöglichkeit von Deutschland aus wirksam zu begrenzen. Denn auch einem Glücksspielanbieter wäre nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 die Werbung in Deutschland für sein unerlaubtes Glücksspiel fortgesetzt untersagt, auch wenn dieser durch Unterbindung des gewöhnlichen Zugriffs, die Teilnahme von Deutschland aus nicht (mehr) eröffnet. Folglich hat es der Antragsteller - wie der Anbieter unerlaubten Glücksspiels - selbst in der Hand, seine Werbehandlungen in Deutschland dem gewöhnlichen Zugriff zu entziehen, mithin nicht abrufbar zu machen, indem er - wie die Antragsgegnerin in ihrer Untersagungsverfügung unwidersprochen ausführt - die Einrichtung eines IP-Blockings in Bezug auf seine Glücksspiel-Inhalte auf den genutzten Streaming-Plattformen vornehmen lässt. Der Antragsteller wirbt jedoch fortgesetzt für in Deutschland nicht erlaubtes Online-Glücksspiel, das mittels Umgehungsmöglichkeiten auch durch örtlich in Deutschland verortete Spieler gespielt werden kann, und verstößt damit gegen § 5 Abs. 7 GlüStV 2021. Die Einrichtung eines Geoblockings durch den Anbieter führt nicht dazu, dass es sich nicht mehr um unerlaubtes Glücksspiel im Sinne der Norm handelt, sondern allein dazu, dass der gewöhnliche Zugriff auf das unerlaubte Glücksspiel von Deutschland aus beschränkt wird. Nach der hier allein möglichen summarischen Prüfung bewirkt die Maßnahme zur Beschränkung des Zugriffs folglich nicht, dass ein Werbender lediglich für „ausländisches“ nicht aber für unerlaubtes Glücksspiel wirbt, wenn - wie hier - ein werblicher Effekt zugunsten des Glücksspielanbieters gleichwohl gewöhnlich in Deutschland eintreten kann und eintritt. Dies ist dem Antragsteller auch bewusst.

Für das vorliegende Verfahren kann offenbleiben, ob ein Glücksspielanbieter angesichts der bestehenden und ihm auch bekannten Umgehungsmöglichkeiten bei einer eingerichteten Ländersperre sein Online-Glücksspiel nicht mehr i.S.d. § 3 Abs. 4 GlüStV 2021 in Deutschland veranstaltet und vermittelt oder es neben der Geolokalisation zusätzlicher Maßnahmen des Anbieters bedarf (bspw. im Registrierungsprozess), um eine Teilnahme von Deutschland aus zu begrenzen.

(3) Selbst wenn - entgegen der hier vertretenen Rechtssauffassung - angesichts der sich stellenden Rechtsfragen zur Möglichkeit der Werbung für unerlaubte Glücksspielanbieter, die über ein Geoblocking verfügen, lediglich offene Erfolgsaussichten zu attestieren wären, fiele die danach anzustrengende Interessenabwägung mit Blick auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Suchtbekämpfung zum Nachteil des Antragstellers aus. Nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung überwiegt der gesetzlichen Wertung aus § 9 Abs. 2 GlüStV 2021 folgend das öffentliche Interesse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der Schutz der Allgemeinheit vor den Folgen des Glücksspiels allgemein, insbesondere des unerlaubten Glücksspiels kann u.a. dadurch erreicht werden, dass die Werbung durch das Streamen von Glücksspielinhalten unterbunden wird. Hinter den öffentlichen Interessen am Gesundheits- und Minderjährigen-/Jugendschutz bleiben die Interessen des Antragstellers zurück. Insbesondere besteht für ein überwiegendes wirtschaftliches Interesse des Antragstellers kein konkreter Anhalt. Der Antragsteller gibt selbst vor, weder eine Gegenleistung für seine Glücksspiel-Inhalte noch sonstige Vorteile - außer die an ihn geleisteten Auszahlungen der Streaming-Plattform K. aufgrund der Zuschauer- und Abonnentenzahlen (Quote 95/5) - zu erhalten. Diese Angaben als zutreffend unterstellt sowie der Umstand, dass es sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einer Teilnahme am Online-Glücksspiel bei einem Regelspielbetrieb auf lange Sicht um ein - wie er selbst vorgibt - „100% Minus“- Geschäft handelt, ist der wirtschaftliche Wert seines Glücksspiel-Streamings angesichts der vielfältigen anderweitigen Streams des Antragstellers zu vernachlässigen.

5. Verstößt der Antragsteller damit gegen das Verbot aus § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 kann die Antragsgegnerin als zuständige Glücksspielbehörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 treffen. Die Ermessensausübung der Antragsgegnerin begegnet - entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts - keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5.1. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen in rechtlich zulässiger Weise ausgeübt.

Sie hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Gemäß der Begründung des Bescheides soll mit der Untersagung der legitime Zweck verfolgt werden, die Werbung für unerlaubte öffentliche Glücksspiele in Deutschland zu unterbinden und damit die Ziele des GlüStV 2021 zu fördern. Die Geeignetheit der Maßnahme ist - wie dargestellt - auch nicht deshalb zu bezweifeln, weil der Antragsteller erklärt hat, sich an die Vorgaben der Verfügung „weitgehend“ zu halten, indem er nur noch seine Teilnahme am Online-Glücksspiel des Anbieters S. übertrage. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist zwar bei einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung - jedenfalls hinsichtlich der Regelungswirkungen für Gegenwart und Zukunft - der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, da der streitgegenständliche Bescheid als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist und die einschlägigen gesetzlichen Regelungen - wie hier - keinen abweichenden Zeitpunkt bestimmen (vgl. Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2023, a.a.O. Rn. 64, juris m.w.N.). In Bezug auf den derzeit vom Antragsteller bevorzugten Anbieter ist allerdings nicht sichergestellt, dass dieser an dem eingerichteten Geoblocking fortgesetzt und ununterbrochen festhält (vgl. Zugriffsmöglichkeit nach Erlass der streitbefangenen Verfügung), so dass mit der vorliegenden Verfügung auch die Wiederaufnahme der Tätigkeit zu untersagen ist. Im Übrigen geht der Senat zudem davon aus, dass auch bei einem lückenlosen Geoblocking durch den Anbieter unerlaubten Glücksspiel das Werbeverbot mit Blick auf die bestehende und allgemein bekannte Umgehungsmöglichkeit Geltung beansprucht (s.o.).

Die Untersagung der Werbung ist zur Gewährleistung eines effektiven Spielerschutzes erforderlich, da zu verhindern ist, dass potentielle Spieler mit Aufenthaltsort Deutschland (registrierte bzw. neue Spieler) durch die Werbehandlungen des Antragstellers zur Teilnahme an unerlaubten Glücksspiel verleitet und damit den erheblichen Risiken des unerlaubten Glücksspiels ausgesetzt werden bzw. sich nach § 285 StGB strafbar machen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschränkung auf bestimmte andere Maßnahmen den gleichen Erfolg erzielen würden.

Die Anordnung ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Anordnung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Antragsteller das Übertragen seines Glücksspiel-Content gegebenenfalls vollständig aufgeben müsste. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass der Antragsteller im Wege des Geoblockings verhindern könne, dass seine Werbehandlungen von Deutschland aus gewöhnlich abgerufen werden könnten. Hierzu verhält sich weder der Antragsteller noch liegt für den Senat Gegenteiliges auf der Hand.

5.2. Gegen die Ermessensentscheidung, den Antragsteller als Verhaltensstörer heranzuziehen, ist rechtlich ebenfalls nichts zu erinnern.

Die Beschwerde wendet gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht ein, dass ein Ermessensausfall nicht vorliegt. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass im streitgegenständlichen Bescheid keine Ermessenserwägungen dahingehend ersichtlich seien, ob Anordnungen gegen die betroffenen Plattformen ausreichend seien, um der aus ihrer Sicht vorhandenen Werbung durch die von dem Antragsteller veröffentlichten Videos und Live-Streams wirksam zu begegnen, greifen zu kurz.

Ein gesetzliches Rangverhältnis zwischen der Inanspruchnahme des Verhaltens- und des Zustandsstörers nach § 27a Abs. 4 GlüStV 2021 i.V.m. §§ 7 f. SOG LSA besteht nicht, so dass die Maßnahmen gegen die Person, die eine Gefahr verursacht hat (vgl. § 7 Abs. 1 SOG LSA, sog. Handlungsstörer) ebenso gerichtet werden können wie gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Sache, von der eine Gefahr ausgeht (vgl. § 8 Abs. 1 SOG LSA, sog. Zustandsstörer). Die Störerauswahl wird von dem Prinzip der Effektivität der Gefahrenabwehr beherrscht, so dass im Rahmen des bestehenden Auswahlermessens insbesondere zu berücksichtigen ist, wer am erfolgversprechendsten einwirken kann, um die Störung abzuwenden. Daneben können die Leistungsfähigkeit, Sach- und Ortsnähe sowie andere Kriterien von Relevanz sein (zum Ganzen: vgl. Peters in: Dietlein/Ruttig, a.a.O. § 9 GlüStV Rn. 12).

Dementsprechend setzt die ordnungsgemäße Ausübung des Auswahlermessens in der Regel voraus, dass die Behörde die Frage der tatbestandsmäßigen Verantwortlichkeit der ihr zur Kenntnis gelangten Personen prüft und - wenn sich als Ergebnis dieser Prüfung herausstellt, dass eine Mehrzahl von ihnen verantwortlich ist - eine bewusste Entscheidung darüber trifft, gegen welche dieser Personen sie aus welchen Gründen ihre Maßnahme richtet (vgl. Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2021 - 3 M 169/21 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als sog. Handlungsstörer anzusehen ist. Unzweifelhaft verursacht der Antragsteller fortgesetzt die Gefahrenlage, indem er durch das Hochladen seiner Live-Streams und Video, unerlaubtes Online-Glücksspiel u.a. in Deutschland bewirbt. Zwar bedient er sich hierbei sog. Streaming-Plattformen (Zustandsstörer), die die tatsächliche Gewalt über den hochgeladenen Content ausüben, so dass ihnen ohne Weiteres eine Einwirkungsmöglichkeit zukommt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht allein seinen Glücksspiel-Content, sondern in vielfältiger anderer Weise auf verschiedenen Internetplattformen als Streamer bzw. Content-Creator aktiv ist. Dies macht es erforderlich, dass der jeweilige Inhaber der Internet-Plattform, die der Antragsteller zur Verbreitung seines Glücksspiel-Contents verwendet - ggf. in Echtzeit - den hochgeladenen Inhalt prüft, dem Antragsteller im bestehenden Vertragsverhältnis beschränkende Regelungen auferlegt (wie bspw. T.) bzw. ein Geoblocking für die Glücksspiel-Inhalte einrichtet oder ähnliche Maßnahmen ergreift. Dies vorausgesetzt, liegt mit der Antragsgegnerin für den Senat schon nicht auf der Hand, dass das Ziel der Gefahrenabwehr - anders als bei der Heranziehung des Antragstellers - ebenso einfach, schnell und endgültig durch den alleinigen Zugriff auf verschiedene - zum jetzigen Zeitpunkt ggf. noch unbekannte - Zustandsstörer erreicht werden kann. Die Notwendigkeit näherer Ausführungen zum Auswahlermessen besteht jedenfalls dann nicht, wenn das von der Behörde verfolgte Ziel durch die Inanspruchnahme Dritter offensichtlich nicht oder nicht in gleich effektiver Weise erreichbar ist.

Die Antragsgegnerin hat mit der Anordnung das Ziel verfolgt, unerlaubte Werbung des Antragstellers für illegales Glücksspiel zu unterbinden. Dem Antragsteller wurde mit der Verfügung generell, d.h. ungeachtet der konkreten Streaming-Plattform, untersagt, für unerlaubte Glücksspiele, die im Internet in mehr als einem Land angeboten werden, zu werben, soweit seine Werbehandlungen in Deutschland abrufbar sind. Die in der Verfügung genannten Internetseiten https://T..tv/“...“ und https://K..com/“...“ sind nur beispielhaft erwähnt, was durch den verwendeten Begriff „insbesondere“ klar hervortritt. Die Antragsgegnerin führt in ihrer Verfügung hierzu aus, dass diese nicht auf die vorbezeichneten Internetseiten beschränkt sei, damit im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr verhindert werde, dass die Verfügung durch die Verwendung einer anderen Domain oder schlichte Auswechselung der Domain unterlaufen werde (vgl. dort S. 10 Absatz 4). Hierdurch werden insbesondere auch etwaige Ausweichbewegungen des Antragstellers auf andere Streaming-Plattformen umfasst. Mithin soll wird umfänglich sichergestellt werden, dass eine Werbung für unerlaubte Glücksspiele auf in Deutschland abrufbaren Internetseiten künftig unterbleibt. Die Antragsgegnerin ist davon ausgegangen, dass es zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, Ausweichbewegungen auf andere Streaming-Plattformen zu vermeiden. Sie hat deutlich gemacht, dass es aus ihrer Sicht zur Gefahrenabwehr nicht ausreicht, Werbung für unerlaubtes Glücksspiel des Antragstellers auf bestimmten Internetseiten zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist das von der Behörde verfolgte Ziel - anders als in Fällen, in denen die angeordnete Maßnahme sowohl vom Verhaltensstörer und vom Zustandsstörer durchgeführt werden könnte (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2021, a.a.O. Rn. 8) - durch Anordnungen gegen Zustandsstörer nicht erreichbar. Die alleinige Inanspruchnahme der bezeichneten beiden Streaming-Plattformen T. und K. hätte Ausweichbewegungen nicht unterbunden. Eine - vorsorgliche - Untersagungsverfügung gegen andere Plattformen kam ersichtlich nicht in Betracht, zumal unabsehbar war, um welche Plattformen es sich handeln könnte.

Vor diesem Hintergrund ist Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Einzelfallumstände bezüglich der alleinigen Inanspruchnahme der betroffenen Plattformen geprüft habe, nicht tragfähig. Angesichts der klar aus der Begründung des Bescheides hervorgehenden Zielrichtung und den Erwägungen zu etwaigen Ausweichbewegungen auf anderen Plattformen war es nicht geboten, explizit im Rahmen der Begründung des Auswahlermessens näher zu erwägen, ob die Gefahrenabwehr gleichermaßen durch Untersagungsverfügungen gegen Streaming-Anbieter zu gewährleisten wäre. Vielmehr war in diesem Zusammenhang die Einschätzung ausreichend, dass mit der Heranziehung des Handlungsstörers das Ziel, künftig Werbehandlungen des Antragstellers für unerlaubtes Glücksspiels zu unterbinden, erreicht werden kann. Es liegt auf der Hand, dass allein durch die Inanspruchnahme des Antragstellers der erstrebte Erfolg auf einfache Weise und endgültig erreicht werden kann, wenn dieser in Deutschland abrufbare Werbehandlungen unterlässt. Dies kann der Antragsteller durch die Einrichtung eines effektiven Geoblockings für Deutschland, ggf. durch entsprechende Vereinbarungen mit den von ihm gewählten Internetplattformen, oder durch endgültige Aufgabe der werbenden Handlungen erreichen. Die Frage, ob die beiden bezeichneten Plattformen als Zustandsstörer neben dem Antragsteller als Handlungsstörer hätten herangezogen werden können, kommt es mithin nicht entscheidend an.


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BGH legt EuGH vor: Kann Inhaber einer nationalen Marke verbieten lassen dass Dritter markenverletzende Ware im Ausland besitzt um diese im Schutzland anzubieten

BGH
Beschluss vom 23. Januar 2024
I ZR 205/22
Extreme Durable
Richtlinie (EU) 2015/2436 Art. 10 Abs. 3 Buchst. b


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob der Inhaber einer nationalen Marke verbieten lassen kann, dass ein Dritter markenverletzende Ware im Ausland besitzt, um diese im Schutzland anzubieten.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336 vom 23. Dezember 2015, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?

2. Kommt es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware an oder reicht die Möglichkeit aus, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat?

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 - I ZR 205/22 - OLG Nürnberg

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VG Düsseldorf auch im Hauptsacheverfahren: Landesmedienanstalt NRW kann Verbreitung ausländischer pornografischer Internetangebote ohne ausreichende Altersverifikation untersagen

VG Düsseldorf
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3604/20
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3605/20
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3606/20


Das VG Düsseldorf hat auch im Hauptsacheverfahren entschieden, dass die Landesmedienanstalt NRW die Verbreitung ausländischer pornografischer Internetangebote ohne ausreichende Altersverifikation untersagen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Eilentscheidung bestätigt - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig

Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht auf Grundlage des Jugendmedienschutzstaatsvertrages gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit den Beteiligten heute zugestellten Urteilen entschieden. Das Gericht hat damit seine Eilentscheidungen aus November 2021 (27 L 1414/20, 27 L 1415/20 und 27 L 1416/20) auch in der Hauptsache bestätigt, nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gegen die Eilbeschlüsse erhobene Rechtsmittel im September 2022 zurückgewiesen hatte
(13 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21).

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben wird, sind die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzrechts anwendbar. Der hierauf gestützte angefochtene Bescheid verstößt weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen - im vorliegenden Fall die zypriotischen - Regeln gelten. Es kommt vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht zur Anwendung, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohen. Studien haben gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hatte, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt hatte, um solche Inhalte zu blockieren. Die Anbieter müssen daher sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Rechtslage sich zwischenzeitlich in Deutschland und Zypern geändert hat. Denn für die Frage, ob der Bescheid zu Recht ergangen ist, kommt es auf den Zeitpunkt seines Erlasses im Sommer 2020 an.

Soweit die Landesanstalt für Medien ihre Beanstandungs- und Untersagungsverfügung dagegen zusätzlich darauf gestützt hatte, dass die Angebote neben Pornografie auch andere entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte aufwiesen bzw. kein Jugendschutzbeauftragter bestellt war, hat die Kammer den Klagen stattgegeben und den Bescheid insoweit aufgehoben. Hinsichtlich dieser Verstöße konnte die Kammer ernste und schwerwiegende Gefahren nicht feststellen, die es rechtfertigen würden auch insoweit das Recht des Herkunftsstaates der Klägerinnen - Zypern - unangewendet zu lassen.

Gegen sämtliche Urteile kann Berufung eingelegt werden, die die Kammer wegen der grundsätzlichen Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfragen zugelassen hat und über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.

Aktenzeichen: 27 K 3604/20, 27 K 3605/20 und 27 K 3606/20



OVG Münster: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation untersagen

OVG Münster
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1911/21
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1912/21
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1913/21


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Landesmedienanstalt die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote, die über kein nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation verfügen, untersagen kann.

Oberverwaltungsgericht bestätigt Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern

Die Eilanträge von zwei Anbietern pornografischer Internetseiten mit Sitz in Zypern bleiben auch in zweiter Instanz ohne Erfolg. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit drei heute bekannt gegebenen Beschlüssen vom 7. September 2022 entschieden.

Die Landesanstalt für Medien NRW hatte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegenüber den zypriotischen Gesellschaften insgesamt drei Internetangebote mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren weitere Verbreitung in Deutschland untersagt, solange die pornografischen Inhalte nicht entfernt werden oder durch die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu diesen erhalten. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die Anträge der Anbieter auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat nun die hiergegen gerichteten Beschwerden zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die von den Anbietern vorgebrachten Gründe geben keine Veranlassung, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu ändern. Es unterliegt bei vorläufiger Einschätzung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über deren Vereinbarkeit mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag allein der von den Ländern gemeinsam errichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugewiesen ist. Ihre Einbindung in den Entscheidungsprozess verstößt weder gegen das Bundesstaats- noch das Demokratieprinzip. Trotz ihrer Aufgabe einer länderübergreifenden einheitlichen Spruchpraxis im Jugendmedienschutz dient die KJM - ein sachverständiges Gremium, dessen Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an Weisungen gebunden sind - formal als ein Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt. Die ihr in der Sache zugewiesenen weitreichenden Entscheidungsbefugnisse sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Telemedienaufsicht gerechtfertigt, um staatlichen Einfluss zu begrenzen. Die Reglementierung jugendgefährdender Inhalte erfordert wertende Entscheidungen, die eine gewisse Gefahr einer politischen Instrumentalisierung zur Einflussnahme auf die freie Kommunikation bergen. Es dürfte daher jedenfalls zulässig sein, den für die Rundfunkaufsicht entwickelten Grundsatz der Staatsferne auch auf den Bereich der Telemedien zu erstrecken.

Der Untersagung können die Anbieter auch nicht das sogenannte Herkunftslandprinzip entgegenhalten, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, Kindern und Jugendlichen drohten ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten. Dem setzen die Anbieter mit ihren Beschwerden nichts Durchgreifendes entgegen. Nachdem die Landesmedienanstalt den EU-Mitgliedstaat Zypern hinreichend in die Maßnahmen eingebunden hatte, musste sie auch nicht die (ungewisse) Umsetzung einheitlicher Jugendschutzvorschriften in Zypern abwarten. Wenn ein Mitgliedstaat sich für andere Schutzmodalitäten als ein anderer Mitgliedstaat entscheidet, kann das keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen nationalen Bestimmungen haben. Vielmehr müssen die Beeinträchtigungen der zypriotischen Anbieter in ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes zurücktreten.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 27 L 1414/20, 27 L 1415/20, 27 L 1416/20)

OLG Nürnberg: Verwechslungsgefahr zwischen Lavera und Levrana - Messeauftritt in Deutschland genügt für markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auch wenn Vertrieb in Deutschland nicht geplant

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 16.02.2022
3 U 3933/21


Das OLG Nürnberg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass Messeauftritt in Deutschland für einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auch dann genügt, wenn ein Vertrieb in Deutschland nicht geplant geplant ist. Ferner hat das Gericht Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen "Lavera" und "Levrana" im Bereich Naturkosmetik angenommen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klagepartei begehrt Unterlassung, in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Zeichen „Levrana“ Naturkosmetik und / oder flüssige Pflaster zu bewerben und / oder dies durch Dritte tun zu lassen. Die für diesen Anspruch erforderliche Wiederholungsgefahr setzt unter anderem voraus, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Zeichen in der Werbung im Inland verwendete. Eine derartige Verwendung ist vorliegend durch den Messeauftritt zu bejahen.

1. In rechtlicher Hinsicht ist von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

a) Nach dem Territorialitätsprinzip, das auf Unternehmenskennzeichen anwendbar ist, beschränkt sich der Schutzbereich eines inländischen Kennzeichens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Benutzung des Unternehmenskennzeichens ohne jeden Inlandsbezug stellt deshalb keine Verletzung eines inländischen Kennzeichenrechts dar (BGH, Urteil vom 29.07.2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239, Rn. 44 - BTK). Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nach § 15 Abs. 4 MarkenG ist somit eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung im Inland durch die Beklagte.

b) Für die Feststellung einer Verletzungshandlung kann - auch wenn der Unterlassungsanspruch nicht auf § 14 Abs. 5 MarkenG, sondern auf § 15 Abs. 4 MarkenG gestützt wird - auf die Bestimmungen der § 14 Abs. 3 und Abs. 4 MarkenG zurückgegriffen werden. Daher kann auch in einer Benutzung in der Werbung i.S.v. § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG eine Verletzung eines Unternehmenskennzeichens liegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2018 - I ZR 201/16, GRUR 2018, 935, Rn. 50 - goFit).

Der Begriff der „Werbung“ als eigenständige markenrechtliche Verletzungsform ist dabei im denkbar weitesten Sinne zu verstehen. Unter ihn fallen alle Formen der Werbung. Inhaltlich genügt jede unmittelbar oder mittelbar absatzfördernde Zielrichtung einschließlich bloß imagepflegender oder aufmerksamkeitserzeugender Maßnahmen, solange die Zuordnung zu der Art nach bestimmbaren Waren/Dienstleistungen noch möglich ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 256).

Für die Handlungsform der Benutzung kommt es nicht auf eine bestimmte äußere Form der Verwendungshandlung an. Vielmehr kommt grundsätzlich jede wahrnehmbare Wiedergabe des Zeichens in Betracht (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 257).

Maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer Verletzungshandlung sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2014 - I ZR 133/13, GRUR 2015, 603., Rn. 19 - Keksstangen).

c) Die Präsentation als Unternehmen und das Ausstellen von schutzrechtsverletzenden Produkten anlässlich einer Fachmesse in Deutschland kann eine in das Unternehmenskennzeichenrecht eingreifende Benutzungshandlung der Bewerbung im Inland begründen.

Stellt ein Unternehmen ein Erzeugnis im Inland auf einer Messe aus, wird zwar noch keine Vermutung für ein Anbieten oder Inverkehrbringen dieses Produkts im Inland begründet. Die Ausstellung stellt jedoch eine Benutzung im Inland im Rahmen einer kommerziellen Tätigkeit dar, sodass eine rechtsverletzende Verwendung in Form der Bewerbung gegeben ist (BGH, Urteil vom 22.04.2010 - I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103, Rn. 20 ff. - Pralinenform II; BGH, Urteil vom 21.10.2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197, Rn. 46 - Bounty). In der Verwendung eines mit einer geschützten Marke verwechslungsfähigen Zeichens auf dem Stand einer in Deutschland stattfindenden internationalen Fachmesse durch ein ausländisches Unternehmen liegt somit eine Benutzung des beanstandeten Zeichens gegenüber dem auf dieser Messe anwesenden Fachpublikum in der Werbung im Inland (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 12.05.2015 - 6 W 43/15, GRUR 2015, 903, Rn. 11 - Tuppex).

Diese Grundsätze zum Begriff des Benutzens in der Werbung haben durch das Urteil des BGH vom 23.10.2014 (I ZR 133/13, GRUR 2015, 603 - Keksstangen) keine Änderung oder Einschränkung erfahren. Zwar führte der BGH in dieser Entscheidung aus, dass die Ausstellung einer Ware auf einer Messe keine Begehungsgefahr für ein Bewerben des fraglichen Produkts gegenüber dem allgemeinen Publikum begründe (BGH, a.a.O. Rn. 32 - Keksstangen). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, der den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG betraf, ging es jedoch nur um die Frage, ob die Ausstellung einer Ware auf einer lediglich dem Fachpublikum zugänglichen Messe eine Begehungsgefahr für ein Anbieten der Ware an das allgemeine Publikum im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG hervorruft. Nur dies ist verneint worden. Da es im Rahmen einer Markenrechtsverletzung nicht darauf ankommt, ob die Werbung gegenüber dem Fachverkehr oder dem allgemeinen Publikum erfolgt, hat sich für das Markenrecht insoweit keine Änderung ergeben (OLG Frankfurt a. M., a.a.O., Rn. 12 - Tuppex; Hacker, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 221), zumal der Bundesgerichtshof auch in dieser Entscheidung bestätigte, dass in dem Ausstellen der Produkte auf einer Messe in Deutschland die Benutzung im Inland im Rahmen der kommerziellen Tätigkeit erfolgte (BGH, a.a.O. Rn. 32 - Keksstangen). Denn anders als für die Tatbestandsmerkmale der vermeidbaren Herkunftstäuschung und der unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 3 lit. a bzw. lit. b UWG ist für eine Markenrechtsverletzung auf einer reinen Fachmesse gerade (auch) das Verständnis der Fachkreise relevant (Schmitt, WRP 2017, 26 [28]).

Gleiches gilt für die Entscheidung des BGH vom 23.02.2017 (I ZR 92/16, GRUR 2017, 793 - Mart-Stam-Stuhl). Zwar führte der BGH in diesem Urteil aus, dass in der Präsentation eines Produkts auf einer internationalen Messe nicht ohne Weiteres eine gezielte Werbung für den Erwerb des ausgestellten Erzeugnisses im Inland zu sehen sei. Für international ausgerichtete Fachmessen sei es charakteristisch, dass sich dort Aussteller aus verschiedenen Staaten an in- und ausländische Interessenten wenden. Bei internationalen Messen gehe es mithin gerade auch um die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Parteien ohne Inlandsbezug (BGH, a.a.O., Rn. 25 - Mart-Stam-Stuhl). In diesem zum Urheberrecht ergangenen Urteil war jedoch die Frage maßgeblich, ob ein Aussteller durch die Präsentation des Produkts auf der Messe das Verbreitungsrecht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 UrhG - also das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen - verletzte, weil das bloße Bewerben der Verbreitung von urheberrechtsverletzenden Produkten noch keinen Eingriff in ein Verwertungsrecht des Urhebers darstellt. Für ein somit im Urheberrecht erforderliches Anbieten an die Öffentlichkeit ist - wie der Bundesgerichtshof zutreffend ausführte - Voraussetzung, dass die ausgestellten Erzeugnisse zum (späteren) Erwerb (im Inland) angeboten und damit verbreitet werden, wofür die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Parteien auf internationalen Messen ohne Inlandsbezug nicht ausreicht. Dagegen greift der eigenständige, markenrechtliche Verletzungstatbestand der Benutzung in der Werbung (vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG) ohne Rücksicht darauf ein, ob das beworbene Geschäft im In- oder Ausland abgeschlossen werden soll (Hacker, a.a.O., § 14 Rn. 221). Ausreichend ist eine allgemeine absatzfördernde Zielrichtung, auch wenn die Ware ausschließlich außerhalb Deutschlands vertrieben werden soll. Auch durch diese Entscheidung des BGH hat sich somit für das Markenrecht nichts geändert.

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist im vorliegenden Fall durch den Auftritt der Beklagten auf der Fachmesse für Naturkosmetik in Nürnberg „VIVANESS 2020“ bei Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ein Eingriff in das Unternehmenskennzeichenrecht der Klägerin in Form der Benutzung in der Werbung zu bejahen.

a) Unstreitig produziert und vertreibt die Beklagte unter dem Firmenschlagwort „Levrana“ unter anderem Naturkosmetik. Außerdem ist unstreitig, dass die Beklagte auf der internationalen Fachmesse „VIVANESS 2020“, die vom 12.02.2020 bis 15.02.2020 in Nürnberg stattfand und zu der jeweils die Hälfte der Fachbesucher aus dem In- und Ausland kam, unter ihrem Firmennamen einen Messestand betreiben und dort ihre Produkte unter der Bezeichnung „Levrana“ präsentieren wollte. Schließlich ist unstreitig, dass ein entsprechender Eintrag mit einer Präsentation als Ausstellerin auf der Homepage der genannten Messe in einem auf Deutsch gehaltenen Online-Messekatalog veröffentlicht wurde, in welchem der Firmenname der Beklagten und ihr Logo sowie mit dem Kennzeichen „Levrana“ versehene Produkte - darunter auch Naturkosmetikprodukte - bildlich einsehbar waren.

b) Damit liegt ein Bewerben der Produkte im Inland an die Messebesucher aus dem In- und Ausland - was einen selbständigen kennzeichenrechtlichen Verletzungstatbestand darstellt - vor, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte beabsichtigte, den deutschen Markt zu adressieren, oder ob die präsentierten Produkte in Deutschland verkehrsfähig waren.

In Bezug auf die ausländischen Fachbesucher ist eine Benutzung in der Werbung bereits deshalb zu bejahen, weil der markenrechtliche Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG ohne Rücksicht darauf eingreift, ob das beworbene Geschäft im In- oder Ausland abgeschlossen werden soll. Aber auch hinsichtlich der deutschen Fachbesucher erfolgte die Präsentation auf der Messe im Rahmen der kommerziellen Tätigkeit der Beklagten. Da unter Werbung auch imagepflegende oder aufmerksamkeitserzeugende Maßnahmen fallen, kann ein Profitieren der Beklagten durch die Messeteilnahme auch gegenüber der inländischen Besucher nicht verneint werden, weil dadurch - unabhängig davon, ob die mit LEVRANA gekennzeichneten Produkte tatsächlich nach Deutschland geliefert werden oder die Präsentation am Messestand nur auf Russisch und Englisch erfolgte - auch bei diesen Aufmerksamkeit erweckt wurde. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte ihre Produkte zu einem späteren Zeitpunkt in Deutschland auf den Markt bringen wird. Dabei würde sie davon profitieren, dass die Marke LEVRANA bereits in Deutschland bekannt gemacht wurde.

Vor diesem Hintergrund steht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch die Tatsache, dass die Produkte der Beklagten nicht nach Deutschland geliefert werden sollten und - weil sie nicht den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung entsprachen - für den deutschen Markt nicht verkehrsfähig waren, nicht entgegen. Gleichermaßen wird ein Benutzen in der Werbung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte an ihrem Messestand den Hinweis anbringen wollte, ihre Produkte nicht dem deutschen Fachpublikum anzubieten und nicht nach Deutschland zu liefern. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Hinweis letztendlich nicht aufgestellt wurde. Sofern sich die Beklagte darauf beruft, dass die einstweilige Verfügung verhindert habe, dass sie auf der Messe einen entsprechenden Hinweis platziert habe, ist darauf hinzuweisen, dass sie auch ohne Verwendung des streitgegenständlichen Kennzeichens LEVRANA auf ihrem Messestand einen entsprechenden Hinweis hätte präsentieren können.

Schließlich steht den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen, dass die Beklagte aufgrund der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung, die der Beklagten bereits vor Eröffnung der Messe überreicht worden war, bereits im Laufe des ersten Messetags die streitgegenständlichen Kennzeichen unkenntlich machte. Denn eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr besteht auch dann, wenn es nur zu einem kurzzeitigen Markenverstoß gekommen ist. Dabei ist auch die zumindest seit 05.01.2020 bestehende Präsenz der Beklagten im Messekatalog zu berücksichtigen.

3. Da somit nach den Maßstäben des Markenrechts für den eigenständigen Verletzungstatbestand „Benutzung in der Werbung” nach § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG das „bloße“ Ausstellen eines mit der Marke gekennzeichneten Produkts auf einer Fachmesse genügt, um eine Markenrechtsverletzung herbeizuführen, und diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, kommt es auf die von der Beklagten problematisierte wirtschaftliche Relevanz des Inlandsbezugs oder die Notwendigkeit einer Gesamtabwägung nicht an. Denn es liegt - da es um die Beurteilung des Bewerbens auf einer Messe in Deutschland geht - ein (reiner) Inlands-Sachverhalt vor.

III. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG zwischen den Kollisionszeichen „Laverana“ und „Levrana“.

1. Die Beurteilung der Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Nähe der Unternehmensbereiche, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens der Klagepartei und dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen (BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705, Rn. 23 - ConText).

2. Im vorliegenden Fall ist von mindestens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft des Klagezeichens „Laverana“ auszugehen.

a) Die Kennzeichnungskraft einer Firmenbezeichnung wird durch den Grad der Eignung des Zeichens bestimmt, sich auf Grund seiner Eigenart und seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name des Unternehmensträgers einzuprägen. Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft kommt es bei einem Unternehmenskennzeichen deshalb - anders als bei der Marke - darauf an, ob der Verkehr das fragliche Kennzeichen nicht nur einem bestimmten, sondern gerade dem Unternehmen zuordnet, das für diese Bezeichnung Schutz beansprucht (BGH, Urteil vom 22.03.2012 - I ZR 55/10, GRUR 2012, 635, Rn. 18 - METRO/ROLLER's Metro).

b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs verfügt das Unternehmensschlagwort „Laverana“ über mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft.

Zum einen weist er für die angesprochenen Verkehrskreise keine beschreibenden Anklänge für die von der Klägerin angebotenen Waren auf. Weder für die Fachkreise noch für den Durchschnittsverbraucher erschließt sich - selbst wenn diese teilweise über Lateinkenntnisse verfügen - ein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt des Zeichens „Laverana“ in Bezug auf Naturkosmetik. Denn die Zusammensetzung des Unternehmenskennzeichens aus „la vera Na(turkosmetik)“ für die wahre Naturkosmetik ist für weite Teile des angesprochenen Publikums nicht selbsterklärend und erkennbar.

Zum anderen ist gerichtsbekannt, dass die Klägerin ein Naturkosmetikunternehmen ist, das mit viel Werbeaufwand seit vielen Jahren unter ihrem Unternehmenskennzeichen Körperpflege- und Kosmetikprodukte über Drogerien und einen eigenen Onlineshop vertreibt. Dies führt - zusammen mit den von der Klägerin vorgetragenen und unter Beweis gestellten Auszeichnungen für das klägerische Unternehmen, der Presseberichterstattung über die Klägerin und den von ihr herausgegebenen Pressemeldungen - zu einer Stärkung der Kennzeichnungskraft des Unternehmensschlagworts „Laverana“. Zwar ist der Einwand der Beklagten zutreffend, dass die Klägerin teilweise auch unter dem Namen „Lavera Naturkosmetik“ auftritt; dies führt jedoch nicht zu einer Schwächung des Unternehmenskennzeichens dahingehend, dass es lediglich über unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt.

3. Es besteht Branchenidentität, da beide Kennzeichen (auch) von den Parteien in der Branche der Naturkosmetik verwendet werden.

4. Die erforderliche Zeichenähnlichkeit ist bei den sich gegenstehenden Zeichen „Laverana“ und „Levrana“ ebenfalls gegeben.

a) Auf Beklagtenseite ist das Zeichen „Levrana“ in die Prüfung der Verwechslungsgefahr einzustellen.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit von Unternehmenskennzeichen ist grundsätzlich sowohl bei dem geschützten Zeichen als auch dem Kollisionszeichen auf den Teil des gesamten Zeichens abzustellen, der gesonderten kennzeichenrechtlichen Schutz genießt. Der Grund für diesen selbständigen Schutz besteht in der Neigung des Verkehrs, längere Firmenbezeichnungen auf den (allein) unterscheidungskräftigen Bestandteil zu verkürzen (BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705, Rn. 28 - ConText), der seiner Art nach geeignet ist, im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen verwendet zu werden; beschreibende Zusätze in den Firmierungen bleiben daher regelmäßig außer Betracht (BGH, Urteil vom 14.02.2008 - I ZR 162/05, GRUR 2008, 803, Rn. 19 - HEITEC). Vor diesem Hintergrund ist bei der Firmierung der Beklagten der Zusatz „OOO“ - der die Rechtsform nach russischem Recht ausdrückt - bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für den Zusatz „NATURAL“ im Rahmen der markenmäßigen Verwendung der Zeichen

Zwar sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen grundsätzlich jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Die Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks schließt es allerdings nicht aus, einem einzelnen Zeichenbestandteil unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen daher im Falle der Übereinstimmung der Zeichen in ihren sie jeweils prägenden Bestandteilen zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 31.07.2008 - I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104, Rn. 27 - Haus & Grund II). Im vorliegenden Fall ist die Bezeichnung „levrana“ der prägende Bestandteil des Gesamtzeichens, weil der Teilbestandteil „NATURAL“ durch die deutlich kleinere Schrift und den beschreibenden Charakter für die bezeichnete Naturkosmetik zurücktritt.

b) Zwischen „Laverana“ und „Levrana“ besteht mindestens durchschnittliche Zeichenähnlichkeit.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus; es genügt daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind. Allerdings kann eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt. Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne Weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus; ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 02.03.2017 - I ZR 30/16, GRUR 2017, 914, Rn. 27 - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke).

Im vorliegenden Fall führt das Landgericht zutreffend aus, dass die sich gegenüberstehenden Kennzeichen klanglich sowie schriftbildlich ähnlich sind. Beide Bezeichnungen beginnen mit dem Buchstaben „L“ und enden mit dem Bestandteil „-rana“. Dazwischen finden sich die Buchstaben „ev“ (angegriffene Bezeichnung) bzw. „ave“ (Klagezeichen), so dass sämtliche Buchstaben der angegriffenen Bezeichnung - wenn auch in anderer Reihenfolge - im Unternehmenskennzeichen der Klägerin enthalten sind. In der gesprochenen Form kann der fehlende Vokal zwischen „v“ und „r“ als durch den Aussprechenden „verschluckt“ betrachtet werden. Die übrigen Vokale tauschen allenfalls ihre Reihenfolge. Von geringerem Gewicht ist deshalb, dass sich die angegriffene Bezeichnung aus lediglich drei Silben zusammensetzt, das Klagezeichen jedoch aus vier Silben. Denn auf Grund undeutlicher Erinnerung an eine Bezeichnung fallen übereinstimmende Merkmale stärker ins Gesicht als Unterschiede. Eine begriffliche Bedeutung der angegriffenen Bezeichnung bzw. des Unternehmenskennzeichens ist - wie bereits ausgeführt - für das Publikum nicht ohne weiteres erkennbar.

5. Der Verwechslungsgefahr steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Verletzungshandlung - die Bewerbung auf der Messe in Nürnberg - ausschließlich gegenüber Fachbesuchern erfolgte. Zwar kann von Fachkreisen grundsätzlich ein höherer Aufmerksamkeitsgrad erwartet werden als vom Verbraucher im Allgemeinen (vgl. BGH, Beschluss vom 01.06.2011 - I ZB 52/09, GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY). Doch bei den streitgegenständlichen Naturkosmetikprodukten handelt es sich nicht um Spezialprodukte, sondern um Alltagswaren, die in Drogerie- und Supermärkten zu finden sind und sich damit an den Durchschnittsverbraucher richten. Bei derartigen Produkten wenden auch Fachbesucher einer Messe keine größere Aufmerksamkeit bei der Erfassung der Marken auf.

6. Schließlich ist die Verwechslungsgefahr nicht deshalb zu verneinen, weil sich vorliegend ein Unternehmenskennzeichen und (zumindest teilweise) eine produktkennzeichnende Verwendung gegenüberstehen.

Die Klägerin kann, gestützt auf ihr Unternehmenskennzeichen, der Beklagten die Benutzung in der Werbung sowohl im Zusammenhang mit der Verwendung der angegriffenen Kennzeichnung „Levrana“ als Marke auf den Produkten als auch zur Bezeichunung ihres Unternehmens untersagen. Denn der Schutz des Unternehmenskennzeichens erstreckt sich auf jede kennzeichenmäßige Verwendung der Bezeichnung und erfasst daher nicht nur eine firmenmäßige, sondern auch eine markenmäßige Benutzung (BGH, Urt. v. 21.10.2015 - I ZR 173/14, GRUR 2016, 201, Rn. 65 - Ecosoil). Die Rechtsprechung, wonach ein rein firmenmäßiger Gebrauch keine markenmäßige Benutzung darstellen kann, ist auf den umgekehrten Fall nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 14.04. 2011 - I ZR 41/08, GRUR 2011, 623, Rn. 44 - Peek & Cloppenburg II).

Auch soweit die Beklagte das Zeichen „Levrana“ produktbezogen verwendete, ist Verwechslungsgefahr gegeben. Zwar kann eine Verwechslungsgefahr unter Umständen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn durch besondere Umstände ausgeschlossen ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der verwendeten Form der Geschäftsbezeichnung (auch) einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung sehen (BGH GRUR 2012, 635 Rn. 38 - METRO/ROLLER’s Metro). Diese Ausnahme ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Beklagte sowohl unter dem Firmenschlagwort „Levrana“ als auch unter Verwendung des im prägenden Teil identischen Zeichens „LEVRANA NATURAL“ Naturkosmetikprodukte produziert und vertreibt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Düsseldorf: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen

VG Düsseldorf
Beschlüsse vom 30.11.2021
27 L 1414/20
27 L 1415/20
27 L 1416/20

Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass die Landesmedienanstalten die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Jugendmedienschutz im Internet - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig

Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschlüssen vom 30. November 2021 entschieden, die den Beteiligten heute zugestellt wurden, und entsprechende Anträge der zypriotischen Gesellschaften auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzstaatsvertrages seien anwendbar, auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben werde. Das von der zuständigen Landesanstalt für Medien NRW betriebene Verfahren verstoße weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere könnten sich die Anbieter nicht auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Es müsse vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht Anwendung finden, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohten. Studien hätten gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hätten, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt habe, um solche Inhalte zu blockieren. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass nach deutschem Recht eine reine Kennzeichnung solcher Internetseiten mit sog. Jugendschutzlabeln nicht ausreiche. Die Anbieter müssten vielmehr sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation. Der EU-Mitgliedstaat Zypern sei von den deutschen Behörden auch hinreichend in die Maßnahmen eingebunden gewesen.

Gegen sämtliche Beschlüsse kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.


Leitsätze des Entscheidungen:

1. Der Anwendbarkeit der Vorschriften des Jugendmedienschutzstaatsvertrages a.F. steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat. Insbesondere ist das sog. Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) nicht als Kollisionsregel einzuordnen.

2. Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F., die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.

3. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG gebieten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten.

4. Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen:

a) Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. stellt ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

b) Dieses Schutzgut ist bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet.

c) Die streitbefangenen Maßnahmen - die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält - dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass es der Antragstellerin freigestellt ist, den Anforderungen durch Implementierung eines Altersverifikationssystems nachzukommen.

d) Der Umfang der von Art. 3 Abs. 4 b) E-Commerce-Richtlinie geforderten Konsultations- und Informationspflichten gegenüber dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Anbieter seinen Sitz hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch danach, ob das in Rede stehende Verhalten im Sitzland der dortigen Rechtsordnung entspricht.

Die Entscheidungen finden Sie im Volltext hier:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1414_20_Beschluss_20211130.html

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1415_20_Beschluss_20211130.html

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1416_20_Beschluss_20211130.html

BGH: Zu den Ansprüchen bei Patentverletzung bei einem Hersteller im Ausland und Abnehmer im Ausland wenn Patentverletzung in Deutschland zu befürchten ist

BGH
Urteil vom 08.06.2021
X ZR 47/19
Ultraschallwandler
PatG § 139 Abs. 2, § 140a Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit den Ansprüchen bei einer Patentverletzung bei einem Hersteller im Ausland und einem Abnehmer im Ausland befasst, wenn eine Patentverletzung in Deutschland zu befürchten ist.

Leitsätze des BGH:

a) Hat ein im Ausland ansässiger Hersteller einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, obwohl konkrete Anhaltspunkte es als naheliegend erscheinen ließen, dass der Abnehmer die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird, bestehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Bezug auf andere Abnehmer nur insoweit, als in Bezug auf diese dieselben charakteristischen Umstände vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Lieferung an den einen Abnehmer begründen.

b) Diese Umstände sind im Klageantrag oder in der Klagebegründung sowie in einem der Klage stattgebenden Urteil oder dessen Gründen konkret zu umschreiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 62 ff. - Abdichtsystem).

BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Relevante Markenrechtsverletzung im Inland regelmäßig bereits dann wenn im Inland unter dem Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden

BGH
Urteil vom 07.11.2019
I ZR 222/17
Club Hotel Robinson
MarkenG § 14 Abs. 2, Abs. 5, Abs. 6, § 19 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass eine relevante Markenrechtsverlerzung im Inland regelmäßig bereits dann gegeben ist, wenn im Inland unter dem Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden

Leitsatz des BGH:

Zur Beantwortung der Frage, ob eine relevante Verletzungshandlung im Inland vorliegt, bedarf es nicht in jedem Fall einer inländischen Kennzeichenbenutzung mit Auslandsberührung besonderer, im Wege der Gesamtabwägung der betroffenen Interessen und Umstände zu treffenden Feststellungen. Solche Feststellungen sind nur erforderlich, wenn das dem Inanspruchgenommenen vorgeworfene Verhalten seinen Schwerpunkt im Ausland hat. Fehlt es an einem solchen ausländischen Schwerpunkt, kann eine Verletzungshandlung im Inland nach den allgemeinen Grundsätzen auch in Fällen mit Auslandsberührung regelmäßig bereits dann gegeben sein, wenn im Inland unter dem Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Januar 1989 - I ZR 217/86, GRUR 1990, 361, 363 [juris Rn. 21] - Kronenthaler; Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 [juris Rn. 21] - HOTEL MARITIME; Urteil vom 8. März 2012 - l ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 34 - OSCAR; Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16, GRUR 2018, 417
Rn. 37 - Resistograph).

BGH, Urteil vom 7. November 2019 - I ZR 222/17 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG wenn Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.12.2019
6 U 83/18

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG greift, wenn die Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1.) Es fehlt schon an der für ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 3 UWG notwendigen Nachahmung.

a) Eine Nachahmung setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (vgl. BGH GRUR 2008, 1115, Rnr. 24 - Büromöbel; BGH, GRUR 2002, 629, 633 - Blendsegel). Liegt diese Kenntnis nicht vor, sondern handelt es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbstständige Zweitentwicklung, ist schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG das Vorliegen eines subjektiven Unlauterkeitstatbestands nicht erforderlich ist.

b) An einer solchen Nachahmung fehlt es hier, da die Herstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Produkt „Shoeps“ nicht nach dem klägerischen Produkt auf den Markt gebracht hat, was eine Vermutungswirkung für eine Nachahmung auslösen würde (BGH GRUR 1998, 477, 480 - Trachtenjanker), sondern zeitgleich oder sogar früher.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen (Anlage B 11 ff.) ergibt sich, dass die Markteinführung der Shoeps-Produkte im April 2014 erfolgte und bis Jahresende ca. 4000 Exemplar verkauft wurden.

Die Authentizität der vorgelegten Rechnungen hat der Zeuge A bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat erläutert, erstmals 2013 von der Fa. Miyali auf die „Shoeps“ aufmerksam gemacht worden zu sein und daraufhin Kontakt mit möglichen Abnehmern in Deutschland aufgenommen zu haben. Dann seien die Schnürsenkel auf der Fachmesse GDS im März 2014 ausgestellt worden (Anlage B 29, Bl. 432). In unmittelbarer Folge dieser Messe habe er dann begonnen, von der Fa. Miyali „Shoeps“ zu beziehen und an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass nur ein Teil der Rechnungen tatsächlich vom Zeugen A erstellt worden sind und ein Teil gefälscht sind. Der Zeuge A hat in der mündlichen Verhandlung die Rechnungen stichprobenartig geprüft und inhaltlich näher erläutern können. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit jeder Rechnung auch eine entsprechende Lieferung korrespondiert, hat doch der Zeuge ausgesagt, die Rechnung zwei Tage vor der Lieferung zu versenden.

Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, in sich konsistent und frei von Widersprüchen. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Senats in Beweisaufnahme ergibt sich insbesondere, dass der Zeuge keinen Be- oder Entlastungseifer für eine Partei an den Tag gelegt hat

Damit ist der Senat mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die „Shoeps“-Produkte in signifikanten Umfang bereits ab April 2014 auf dem deutschen Markt verfügbar waren und somit keine Nachahmung der klägerischen Produkte vorgelegen hat.

c) Der Ablehnung einer Nachahmung steht auch nicht entgegen, dass der Herstellerin Miyali im Jahr 2014 das seit 2012 in den USA und anderen Ländern bereits vertriebene Produkt der Klägerin bekannt gewesen sein mag. Der ergänzende Leistungsschutz ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Dementsprechend kann die Übernahme einer Gestaltung eines außerhalb der Bundesrepublik bereits vertriebenen Produktes grundsätzlich eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG nicht begründen. Der Inländergleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 1 II, 2 I PVÜ ändert nichts daran, dass die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BGH, GRUR 1992, 523, 524 - Betonsteinelemente; BGH, GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse).

2.) Aus den eben dargestellten Gründen lässt sich auch eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen „Hickies“ nicht begründen.

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 18 - Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rn. 10 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn. 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 - Herrnhuter Stern). Zwar setzt dies keine Neuheit voraus; diese kann jedoch ein Indiz für die Eigenart darstellen. Treten jedoch zwei Produkte ähnlicher Ausgestaltung zeitgleich auf den Markt, kann der Verkehr von Anbeginn der Ausgestaltung keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft entnehmen.

3.) Jedenfalls aber konnte der Senat die zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens der „Shoeps“ notwendige „gewisse Bekanntheit“ der „Hickies“-Produkte nicht hinreichend sicher feststellen, so dass es an einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3a UWG fehlt.

a) Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine „gewisse Bekanntheit“ bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH GRUR 2005, 166, 169 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege; Harte/Henning/Sambuc § 4 Nr. 3 Rn. 86). Denn andernfalls kann die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen. Ist nämlich dem Verkehr nicht bekannt, dass es ein Original gibt, scheidet eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich aus. Für das erforderliche Maß an Bekanntheit gilt: Das Erzeugnis muss bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege). Eine Verkehrsgeltung iSd § 4 Nr. 2 MarkenG ist nicht erforderlich (BGH GRUR 2002, 275 (277) - Noppenbahnen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I). Dagegen muss eine gewisse Bekanntheit auf dem inländischen Markt bestehen (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse). Daher kommt es auf eine etwaige Bekanntheit auf einem ausländischen Markt nicht an, selbst wenn der ausländische Wettbewerber nach Art. 1 II, 2 I PVÜ Gleichbehandlung genießt (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse). Maßgebender Zeitpunkt für die Bekanntheit ist die Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse) sowie beim Unterlassungsanspruch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Für die Feststellung der Bekanntheit gilt: Die Bekanntheit kann sich nicht nur aus entsprechenden Werbeanstrengungen (zB Prospekte, Kataloge, Messeauftritte; OLG Köln WRP 2014, 875 Rn. 7), sondern auch aus der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder dem hohen Marktanteil ergeben (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 - Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 - Regalsystem; OLG Frankfurt GRUR-RR 2019, 77 Rn. 26)

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Klägerin ist unstreitig im April 2014 in den deutschen Markt eingetreten. Vorherige Verkäufe über den internationalen Shop der Klägerin nach Deutschland sind schon deshalb nicht zur Begründung einer „gewissen Bekanntheit“ geeignet, weil nicht vorgetragen ist, welchen Umfang diese Verkäufe erreicht haben. Die Klägerin hat im Jahr 2014 ca. 10.000 Verkaufseinheiten abgesetzt, im Jahr 2015 60.000 Verkaufseinheiten. Hinzu kommt die flankierend zum Markteintritt einsetzende Presseberichterstattung.

Die Herstellerin der Shoeps hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihrerseits von April - Dezember 2014 4.004 Verpackungen an die Handelsagentur A geliefert, die diese an Einzelhändler in Deutschland weitergeliefert hat. Der Zeuge A hat ausgesagt, die von der Fa. Miyali an ihn gelieferten Shoeps-Produkte unmittelbar an Abnehmer in Deutschland weitergeliefert zu haben.

Hieraus ergibt sich, dass die Herstellerin Miyali erstmals im April 2014 mit ihren Produkten auf den Markt getreten ist; dieser Zeitpunkt ist daher für die Betrachtung der Unlauterkeit zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es den klägerischen Produkten jedoch noch an der für eine Herkunftstäuschung notwendigen gewissen Bekanntheit. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt erst vereinzelt Exemplare ihrer Schnürsenkel verkauft. Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass bereits zu einem Zeitpunkt Presseberichterstattung über die Produkte der Klägerin in Deutschland stattgefunden hatte, als diese noch gar nicht erhältlich waren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dem Produkt schon vor dem Markteintritt die notwendige gewisse Bekanntheit zuzusprechen. Der wettbewerbliche Leistungsschutz dient dem Schutz des Leistungsergebnisses eines Mitbewerbers vor einer Übernahme mit unlauteren Mitteln oder Methoden (BGH WRP 2010, 94 Rn. 17 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 19, 21 – Herrnhuter Stern). Der Schutz kann sich aber nur auf das auf dem deutschen Markt erworbene Leistungsergebnis beziehen, nicht hingegen auf im Ausland erworbene Leistungsergebnisse. Die (vorbereitende) Presseberichterstattung vor Markteinführung kann daher höchstens dazu führen, dass die notwendige gewisse Bekanntheit auf dem deutschen Markt schneller eintritt.

Im vorliegenden Fall ist die vorgelegte Presseberichterstattung indes nicht geeignet, einen derartigen Einfluss zu begründen. Die in der Anlage K 3 vorgelegten Berichte datieren überwiegend aus der Zeit nach Markteinführung der „Shoeps“ (11.04.14, 04/2014, 23.09.14). Die in Anlage K 17 - K 24 vorgelegten Presseberichte wiederum richten sich an Fachpublikum („Daily Business Inspiration“, www.fuer-gruender.de,) oder Special-Interest-Medien wie kleine Blogs o.ä. Beides ist nicht geeignet, eine hinreichende Bekanntheit der Produkte zu begründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch auf die Markteinführung der Produkte an sich im Jahr 2014 abzustellen und nicht auf das Jahr 2016, in dem die Beklagte erstmals die Shoeps-Produkte selbst vertrieben hat (BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2007, 339, Rnr. 39 - Stufenleitern). Soweit die Klägerin darauf verweist, jedenfalls im Fall des Inverkehrbringens eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts nunmehr auch im Inland sei der Zeitpunkt nicht auf das erstmalige Inverkehrbringen „vorzuverlagern“, da sonst besonders schnelle Nachahmer den Vertrieb des „Originals“ im Inland verhindern könnten, kann dahinstehen, ob jenseits einer möglichen Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG dem Originalhersteller eine gewisse Karenzzeit zuzubilligen ist. Wenn nämlich nach einem Zeitraum von zwei Jahren, in dem beide Produkte parallel auf dem Markt verfügbar waren, sich nunmehr die Beklagte im Jahr 2016 entschlossen hat, dieses Produkt (auch) zu vertreiben, kann es jedenfalls keinen Anlass geben, den Zeitpunkt derart zurückzuverlagern.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob tatsächlich alle an die Abnehmer des Zeugen A gelieferten Produkte unmittelbar an Endabnehmer weiterkauft wurden oder vom Zeugen A an Zwischenhändler geliefert wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch über die Zwischenhändler die Produkte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang an Endabnehmer angeboten wurden. Der von der Klägerin angedeutete Weiterverkauf in das Ausland ist vollkommen spekulativ.

4.) Aus den dargestellten Gründen fehlt es auch einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung des klägerischen Produkts im Sinne von § 4 Nr. 3 b) UWG. Auch hierfür ist nämlich erforderlich, dass eine Wertschätzung bereits entstanden ist, also bereits eine gewisse Bekanntheit vorliegt.

5.) Schließlich stellt sich das Verhalten der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nicht als unlauter im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG dar.

a) Nach Schaffung eines eigenen gesetzlichen Unlauterkeitstatbestands der gezielten Behinderung besteht kein Bedürfnis mehr, eine allgemeine Behinderung des Originalherstellers unabhängig von den in § 4 Nr. 3 UWG angeführten Unlauterkeitsmerkmalen zur Begründung eines Anspruchs nach dieser Bestimmung ausreichen zu lassen. Den Aspekt einer allgemeinen Behinderung beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als eigenständiges Unlauterkeitskriterium im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 4 Nr. 3 UWG oder der Generalklausel des § 3 I UWG hat der BGH in der Entscheidung „Segmentstruktur“ im Interesse einer systematisch klaren Abgrenzung aufgegeben (BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 79 – Segmentstruktur). Spielt allein bei der Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Produkts der Gesichtspunkt der Behinderung als Unlauterkeitskriterium eine Rolle, müssen für ein Verbot die Voraussetzungen der gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erfüllt sein.

b) Eine Behinderung kann danach in Betracht kommen, wenn der Hersteller des Originalerzeugnisses zwar noch nicht unmittelbar auf dem deutschen Markt aufgetreten ist, nach der Lebenserfahrung aber damit zu rechnen ist, dass die Originalerzeugnisse in Kürze auch in Deutschland vertrieben werden sollen. Die Sachlage liegt insofern nicht anders, als wenn ein deutsches Unternehmen durch das Dazwischentreten eines Mitbewerbers an der bevorstehenden Einführung eines bestimmten neuen Produkts gehindert wird. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1976 stellt das Anbieten einer identischen Nachahmung eine wettbewerbswidrige Behinderung des Originalherstellers dar, wenn dieser beabsichtigt, das Original in Kürze auch auf dem deutschen Markt zu vertreiben und dies dem Anbieter der Nachahmung bei der ihm zumutbaren Marktbeobachtung bekannt sein musste. Von einer Absicht des Originalherstellers, das Originalerzeugnis in Kürze auch im Inland zu vertreiben, müsse insbesondere ausgegangen werden, wenn der Originalhersteller im Inland eine Niederlassung unterhält und das Produkt bereits in anderen Mitgliedsstaaten der EU vertrieben hat. Auf eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht des Nachahmers komme es dagegen nicht an (BGH WRP 1976, 370, 371 - Ovalpuderdose; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Sambuc, 4. Aufl. 2016, UWG § 4 Abs. 3 Rn. 189-190; Werner in: FS Köhler, Vor- und nachwirkender wettbewerblicher Leistungsschutz, S. 790 f.).

c) Ob an dieser fast vierzig Jahre alten Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses des Unlauterkeitsrechts festzuhalten ist, kann hier dahinstehen, da die Voraussetzungen für eine Unlauterkeit unter diesem Aspekt nicht vorliegen. Zwar hatte die Klägerin ihre Produkte seit 2012 zunächst in den USA und sodann auch in Asien sowie ab 2014 über ihren internationalen Online-Shop vertrieben, bevor sie 2014 auch den deutschen Markt betreten wollte. Auch hatte sie 2013 bereits Vorbereitungen hierfür getroffen (Gründung Hickies Europe SA, Deutsche USt-ID, Schaffung eines Lagers in Deutschland). Der Vorwurf der Unlauterkeit wegen eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb könnte die Beklagte vor diesem Hintergrund jedoch nur treffen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem geplanten Markteintritt der Klägerin ihrerseits den Markt betreten hätte, der Klägerin somit zuvorgekommen wäre und diese damit behindert hätte. Im Jahr 2014 war es allerdings nicht die Beklagte, sondern die Herstellerin Miyali selbst, die den deutschen Markt betrat. Die Beklagte hat erst im Jahr 2016 – also zwei Jahre später - mit dem Vertrieb der „Shoeps“-Produkte begonnen, nachdem sie zuvor zwei Jahre die Produkte der Klägerin vertrieben hatte. Die Beklagte hat sich also zu dieser Zeit nach einem anderen Anbieter auf dem Markt der elastischen Schnürsenkel umgesehen und die „Shoeps“-Produkte als eingeführte, am Markt erhältliche Wettbewerbsprodukte ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Behinderung der Klägerin nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine derartige Behinderung nach der Rechtsprechung des BGH nur bei einer identischen Leistungsübernahme in Betracht kommt, an der es hier jedoch fehlt. Nähme man eine Nachahmung überhaupt an (vgl. oben), läge schon aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der elastischen Schnürsenkel in der nicht benutzten Form nur eine nachschaffende oder nahezu identische Nachahmung vor.

d) Schließlich lässt sich eine Unlauterkeit durch gezielte Behinderung auch nicht mit dem Argument begründen, dass die Beklagte zuvor die Produkte der Klägerin vertrieben hat. Eine Unlauterkeit kann sich zwar aus einem Vertrauensbruch im Rahmen einer vertraglichen Verbindung ergeben. Eine vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte war lediglich Zwischenhändlerin für die Produkte der Klägerin ohne besonderes Vertrauensverhältnis zu dieser. Der Wechsel eines Lieferanten für eine bestimmte Produktgattung durch einen Zwischenhändler ohne weitere besondere Umstände kann jedoch grundsätzlich eine Unlauterkeit nicht begründen; er ist vielmehr selbstverständlicher Teil eines wettbewerblichen Marktgeschehens.

6.) Der Verweis der Klägerin auf eine ungerechtfertigte Schutzlücke kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da diese Schutzlücke im Falle eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb zuvorderst durch den Gesetzgeber zu schließen wäre und im Übrigen § 4 Nr. 4 UWG in bestimmten Konstellationen Schutz bietet. Im Übrigen bieten die Sonderschutzrechte Möglichkeiten, die (spätere) Produkteinführung eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts auch im Inland hinreichend abzusichern."

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VG Köln: EuGH muss entscheiden ob Vodafone Mobilfunk-Option "Vodafone Pass" mit der Roaming-Verordnung vereinbar ist

VG Köln
Beschluss vom 19.11.2019
9 K 8221/18


Das VG Köln hat entschieden, dass der EuGH entscheiden muss, ob die Vodafone Mobilfunk-Option "Vodafone Pass" mit der Roaming-Verordnung vereinbar ist. Das VG Köln hat dem EuGH diverse Fragen zur Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Verwaltungsgericht Köln ruft wegen „Vodafone Pass“ EuGH an

Das Verwaltungsgericht Köln hat Zweifel an der Vereinbarkeit der von dem Telekommunikationsunternehmen Vodafone angebotenen Mobilfunk-Option „Vodafone Pass“ mit europarechtlichen Vorgaben. Es hat deshalb mit Beschluss vom gestrigen Tag in einem von Vodafone angestrengten Klageverfahren den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen und ihm Fragen zur Auslegung der so genannten Roaming-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 531/2012) vorgelegt.

Bei der kostenlosen Tarifoption „Vodafone Pass“ wird das durch die Nutzung der Dienste von Partnerunternehmen verbrauchte Datenvolumen nicht auf das Inklusivdatenvolumen des jeweiligen Mobilfunktarifs angerechnet (sog. Zero-Rating). Dies gilt allerdings nur im Inland. Im Ausland wird die Nutzung der betreffenden Dienste hingegen auf das Datenvolumen angerechnet. Ferner behält sich Vodafone vor, die Tarifoption künftig auch im europäischen Ausland anzubieten. Für diesen Fall soll eine „Fair Use Policy“ mit einer maximal möglichen Nutzung der Tarifoption im europäischen Ausland im Umfang von fünf Gigabyte Datenvolumen monatlich gelten. Die Bundesnetzagentur sieht in der Tarifoption einen Verstoß gegen die Vorgaben der Roaming-Verordnung. Mit Bescheid vom 15. Juni 2018 untersagte sie daher die Fortführung des Angebots. Hiergegen erhob Vodafone im Dezember 2018 Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Das Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Beschränkung der Tarifoption auf das Inland mit dem in der Roaming-Verordnung enthaltenen Verbot vereinbar ist, für Roaming-Dienste im europäischen Ausland ein zusätzliches Entgelt gegenüber dem inländischen Endkundenpreis zu verlangen. Des Weiteren hat es dem EuGH Fragen dazu vorgelegt, ob die von der Klägerin vorgesehene „Fair Use Policy“ mit der Verordnung vereinbar ist. Insoweit hält das Gericht für klärungsbedürftig, inwieweit die Tarifoption „Vodafone Pass“ einer Nutzungsgrenze im Ausland unterworfen werden darf.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

LG Düsseldorf: Vodafone Pass muss auch im EU-Ausland gelten - Mobilfunktarif für Internetnutzung darf im EU-Ausland nicht teurer wie im Inland sein

LG Düsseldorf
Urteil vom 08.05.2019
12 O 158/18


Da LG Düsseldorf hat entschieden, dass der Vodafone Pass nicht nur in Deutschland, sondern auch im EU-Ausland gelten muss. Ein Mobilfunktarif für die Internetnutzung darf im EU-Ausland nicht teurer wie im Inland sein

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BGH: Ein im Ausland zulässiger Metatag kann Markenbenutzung im Inland einer primär auf das Ausland ausgerichteten Internetseite sein

BGH
Urteil vom 09.11.2017
I ZR 134/16
Resistograph
MarkenG § 14 Abs. 2

Der BGH hat entschieden, dass ein im Ausland zulässiger Metatag Inlandsbezug einer primär auf das Ausland ausgerichteten Internetseite begründen und eine Markenbenutzung im Inland darstellen kann.

Leitsatz des BGH:

Wird für eine primär auf das Ausland ausgerichtete Internetseite in zulässiger Weise ein Metatag gesetzt, der eine bessere Erreichbarkeit dieser Internetseite auch im Inland begründet, so kann das ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme eines relevanten Inlandsbezugs einer Markenbenutzung nur sein, wenn es sich dabei um einen von dem Betreiber der Internetseite in zumutbarer Weise beeinflussbaren Umstand handelt.

BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

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BGH: Zur Unterscheidungskraft einer originär schutzunfähigen Unionsmarke bei Erlangung von Unterscheidungskraft infolge Benutzung - OXFORD ./. Oxford Club

BGH
Beschluss vom 09.11.2017
I ZB 45/16
OXFORD/Oxford Club
Verordnung (EG) Nr. 40/94 Art. 7 Abs. 3; MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2

Leitsätze des BGH:


a) Eine originär schutzunfähige Unionsmarke, deren Eintragung im Register erfolgt ist, weil sie gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 infolge Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat, verfügt im Inland grundsätzlich über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, wenn im Eintragungsverfahren der Nachweis geführt worden ist, dass das Schutzhindernis im Inland überwunden worden ist.

b) Ist ein solcher Nachweis im Eintragungsverfahren nicht erfolgt, muss der Widerspruchsmarke, auch wenn sie originär schutzunfähig ist, im Inland Schutz zugebilligt werden. Macht der Widersprechende geltend, die Widerspruchsmarke verfüge mindestens über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, muss er Umstände vortragen, die eine entsprechende Annahme
rechtfertigen.

BGH, Beschluss vom 9. November 2017 - I ZB 45/16 - Bundespatentgericht

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Volltext BGH liegt vor - Vorbenutzungsrecht nach§ 41 Abs. 1 GeschmMG bzw DesignG setzt Vorbereitungshandlungen im Inland voraus - IKEA MALM

BGH
Urteil vom 29.06.2017
I ZR 9/16
Bettgestell
DesignG § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2, §§ 15, 41 Abs. 1, § 42 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 1 und 3, § 72 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Vorbenutzungsrecht nach§ 41 Abs. 1 GeschmMG bzw DesignG setzt Vorbereitungshandlungen im Inland voraus - IKEA MALM über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Als wirkliche und ernsthafte Anstalten, die ebenso wie die Benutzung eines Designs ein Vorbenutzungsrecht im Sinne von § 41 Abs. 1 DesignG begründen können, sind Vorbereitungshandlungen aller Art anzusehen, die auf die Benutzung des Designs gerichtet sind und den ernstlichen Willen sicher erkennen lassen, die Benutzung alsbald aufzunehmen.

b) Nur im Inland getroffene wirkliche und ernsthafte Anstalten zur Benutzung eines Designs können ein Vorbenutzungsrecht im Sinne von § 41 Abs. 1 DesignG begründen.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2017 - I ZR 9/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Vorbenutzungsrecht nach§ 41 Abs. 1 GeschmMG bzw DesignG setzt Vorbereitungshandlungen im Inland voraus - IKEA MALM

BGH
Urteil vom 29.06.2017
I ZR 9/16


Der BGH hat entschieden, dass ein Vorbenutzungsrecht nach§ 41 Abs. 1 GeschmMG bzw DesignG Vorbereitungshandlungen im Inland voraussetzt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechts im Designrecht

Der unter anderem für Designrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Annahme eines auf die Vornahme von Vorbereitungshandlungen gestützten Vorbenutzungsrechts gemäß § 41 Abs. 1 GeschmMG/DesignG voraussetzt, dass die Vorbereitungshandlungen im Inland stattgefunden haben.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin eines eingetragenen Designs (Klagedesign), das ein Bettgestell zeigt. Das Klagedesign ist am 15. Juli 2002 angemeldet und am 25. November 2002 in das Register beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden. Während des Berufungsverfahrens ist für das Klagedesign im Register die Priorität der Ausstellung auf der Internationalen Möbelmesse in Köln am 14. Januar 2002 veröffentlicht worden.

Die Beklagte gehört dem IKEA-Konzern an. Sie ist für die Organisation und Belieferung der IKEA-Filialen in Deutschland zuständig. Seit dem Jahr 2003 vertreibt sie unter der Bezeichnung "MALM" ein Bettgestell, das mit dem im Klagedesign gezeigten Bettgestell weitgehend übereinstimmt. Bereits im August 2002 hatte sie unter der Bezeichnung "BERGEN" ein Bettgestell mit einem geringfügig höheren Kopfteil beworben.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb des Bettgestells "MALM" eine Verletzung ihres Klagedesigns. Sie hat die Beklagte auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Die Beklagte hat behauptet, die IKEA of Sweden AB habe von September bis Dezember 2001 das Bettgestell "BERGEN" für den weltweiten Vertrieb entwickelt und konstruiert. Es sei ab Ende März 2002 an die IKEA-Filialen in Deutschland ausgeliefert worden. Sie hat die Klägerin im Wege der Widerklage auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten für die Abwehr der Abmahnung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Klägerin könne der Beklagten den Vertrieb des Bettgestells "MALM" nicht untersagen, selbst wenn dem Klagedesign eine Priorität vom 14. Januar 2002 zukomme. Die IKEA of Sweden AB habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits vor dem 14. Januar 2002 Anstalten zum Vertrieb des Vorgängermodells "BERGEN" auch in Deutschland getroffen, ohne das Klagedesign gekannt zu haben. Dadurch habe sie ein Vorbenutzungsrecht nach § 41 Abs. 1 GeschmMG* (jetzt § 41 Abs. 1 DesignG**) erlangt, das sich auf den Vertrieb des Bettgestells "MALM" über die Beklagte erstrecke.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Anders als das Oberlandesgericht hat der Bundesgerichtshof die von der IKEA of Sweden AB im Ausland vorgenommen Vorbereitungshandlungen zum Vertrieb des Bettgestells "BERGEN" in Deutschland für die Entstehung eines Vorbenutzungsrechts nach § 41 Abs. 1 GeschmMG/DesignG nicht ausreichen lassen. Erforderlich ist vielmehr, dass die vom Gesetz verlangten wirklichen und ernsthaften Anstalten zur Benutzung ebenso wie eine Benutzung selbst in Deutschland stattgefunden haben.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 26. Juli 2013 - 34 O 121/12

OLG Düsseldorf - Urteil vom 15. Dezember 2015 - I-20 U 189/13 -

Karlsruhe, den 29. Juni 2017

§ 41 Abs. 1 GeschmMG lautet:

Rechte […] können gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Muster, das unabhängig von einem eingetragenen Geschmacksmuster entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden. Der Dritte ist berechtigt, das Muster zu verwerten. […]

§ 41 Abs. 1 DesignG lautet:

Rechte […] können gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Design, das unabhängig von einem eingetragenen Design entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden. Der Dritte ist berechtigt, das Design zu verwerten. […]