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OLG Düsseldorf: Sonderkündigungsrecht gemäß § 57 TKG nach Wegfall von Nulltarif-Streamingoptionen wie Vodafone Pass oder Stream On

OLG Düsseldorf
Urteil vom 21.09.2023
I-20 U 72/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 57 TKG nach Wegfall von Nulltarif-Streamingoptionen wie Vodafone Pass oder Stream On besteht

Aus den Entscheidungsgründen:
1. (zum Antrag zu 1.) Gegenstand des Antrags sind nach Erläuterung des Antragstellers nicht Mobilfunkverträge, bei denen die Antragsgegnerin als Kompensation unbegrenzte Datenvolumina eingeräumt hat. Bei diesen kommt ein Kündigungsrecht auch nach Auffassung des Antragstellers im Hinblick auf § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG von vornherein nicht in Betracht. Diese Einschränkung soll sich nach Ansicht des Antragstellers aus der Bezugnahme auf AS 2 ergeben, in der nur ein begrenztes Datenvolumen zur Verfügung gestellt wurde. Der Senat hat dies vorsorglich im Tenor klargestellt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts greift § 57 Abs. 1 TKG n.F. mit der Kündigungsmöglichkeit des Kunden im vorliegenden Fall ein.

Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert nicht, anders als die Antragsgegnerin mein , bereits daran, dass es sich um eine Kündigung/Vertragsanpassung nach §§ 313, 314 BGB gehandelt habe. § 313 BGB gewährt einem Vertragspartner kein einseitiges Änderungsrecht, wie es die Antragsgegnerin für sich in Anspruch nimmt, vielmehr lediglich einen Anspruch auf Vertragsverhandlungen über eine Anpassung des Vertrages (vgl. Senat EnwZ 2023, 273 Rn. 29 m.w.N.).

Eine Kündigung hat die Antragsgegnerin nicht erklärt, auch nicht eine Änderungskündigung (vgl. § 2 KSchG); die Antragsgegnerin wollte die Verträge nicht kündigen, sie hat die Fortsetzung des Vertrages auch nicht von der Annahme der Vertragsänderungen durch den Kunden abhängig gemacht. Die Antragsgegnerin hat sich den Kunden gegenüber auch nicht auf § 313 BGB berufen.

Es bedarf keiner Erörterung, ob die einseitige Vertragsänderung in den Fällen, in denen es an einer entsprechenden Klausel fehlt, unwirksam ist. Die Vorschrift des § 57 Abs. 1 TKG greift auch dann ein. Wie aus Art. 105 Abs. 4 RL (EU) 2018/1972 hervorgeht, gilt das Kündigungsrecht bei (von gleich zu erörternden Ausnahmen abgesehen) allen einseitigen Vertragsänderungen. Der Gesetzgeber des TKG wollte in § 57 die Richtlinie ordnungsgemäß umsetzen (BT-Drs. 19/26108, S. 289). Fallgestaltungen, in denen ein Mobilfunkunternehmen eine einseitige Vertragsänderung ohne entsprechende AGB-Klausel vornehmen würde, lagen dem Gesetzgeber erkennbar vollständig fern. Auch der Streit darüber, ob die AGB die vorgesehene Änderung erlaubt, sollte ersichtlich ein Kündigungsrecht nicht ausschließen. Auch Vertragsänderungen, die „kraft höherer Gewalt“ notwendig werden und die nach allgemeinem Recht Reaktionen nach § 313 BGB auslösten könnten, hat der Gesetzgeber, wie sich aus § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TKG ergibt, berücksichtigt. § 314 BGB gewährt einer Vertragspartei lediglich ein Kündigungsrecht, nicht ein Vertragsänderungsrecht. Von daher ist es unerheblich, dass die Antragsgegnerin die Fallgestaltung (nunmehr) unter §§ 313, 314 BGB subsumiert.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts spielt auch keine Rolle, dass ein erheblicher Teil der fraglichen Verträge vor dem Inkrafttreten des TKG n.F. am 01. Dezember 2021 abgeschlossen worden wäre. Mangels einer Übergangsvorschrift sind die Richtlinie und das Gesetz auch auf vorher abgeschlossene Verträge anzuwenden (vgl. für eine vergleichbare Fallgestaltung EuGH NJW 2022, 529).

Auch der Auffassung des Landgerichts, im Übrigen greife die Ausnahmevorschrift des § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TKG ein, vermag der Senat nicht beizutreten. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei den Urteilen des EuGH und der darauf fußenden geänderten Rechtsauffassung des Aufsichtsbehörde um nachträglich eingetretene Änderungen des Unionsrechts handelt oder solchen gleichzustellen sind. Selbst wenn man dies zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, greift die Ausnahmevorschrift aus einem anderen Grunde nicht ein. Es reicht nicht aus, dass der Anlass der Änderung in Unionsrecht begründet ist, vielmehr muss das Ergebnis der Änderung unionsrechtlich zwingend sein. Dies ergibt sich eindeutig bereits aus dem deutschen („es sei denn, die vorgeschlagenen Änderungen sind unmittelbar durch Unionsrecht oder nationales Recht vorgeschrieben“), englischen („unless the proposed changes … are directly imposed by Union or national law“) und französischen („sauf sie les modifications envisagées … sont directement imposées par le droit de l‘Union ou le droit national“) Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Auch Sinn und Zweck sprechen dafür, das Kündigungsrecht nur dann auszuschließen, wenn das Ergebnis der Vertragsänderung zwingend ist. Nur in diesem Fall kann dem Kunde angesonnen werden, eine einseitige Vertragsänderung hinzunehmen. In dem – auch hier vorliegenden - Falle, in dem dem Mobilfunkunternehmen mehrere Möglichkeiten zur Anpassung zur Verfügung stehen, muss der Kunde auf die vom Mobilfunkunternehmen getroffene Wahl reagieren können.

Der Antragsgegnerin war zwar aufgegeben worden, auch in Bestandsverträgen die Verstöße gegen die Netzneutralität abzustellen. Wie sie dies bewerkstelligte, ob sie beispielsweise sämtlichen Verbrauchern unbegrenzte Datenvolumina anbot oder ob sie die Verträge aus wichtigem Grunde kündigte, war jedoch ihr überlassen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Nulltarif-Optionen wie Stream On und Vodafone Pass verstoßen gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet und Grundsatz der Netzneutralität

EuGH
Urteile vom 02.09.2021
C-854/19, C-5/20 und C-34/20


Der EuGH hat entschieden, dass Nulltarif-Optionen wie Stream On und Vodafone Pass gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet und Grundsatz der Netzneutralität verstoßen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

„Nulltarif-Optionen“ verstoßen gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet

Folglich sind auch Beschränkungen der Bandbreite sowie von Tethering oder Roaming, die auf der Aktivierung einer solchen Option beruhen, mit dem Unionsrecht unvereinbar.

Bei einer sogenannten „Nulltarif-Option“ handelt es sich um eine Geschäftspraxis, die darin besteht, dass ein Anbieter von Internetzugangsdiensten auf den mit einer bestimmten Anwendung oder einer bestimmten Kategorie von Anwendungen, die von Partnern dieses Zugangsanbieters angeboten werden, verbundenen Datenverkehr ganz oder teilweise einen „Nulltarif“ oder einen vergünstigten Tarif anwendet. Diese Daten werden daher nicht auf die im Rahmen des Basistarifs erworbene Datenmenge angerechnet. Eine solche, im Rahmen beschränkter Tarife angebotene Option ermöglicht es den Internetzugangsanbietern, die Attraktivität ihres Angebots zu erhöhen.

Zwei deutsche Gerichte möchten vom Gerichtshof wissen, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass ein Anbieter von Internetzugangsdiensten die Bandbreite limitiert bzw. Tethering oder Roaming einschränkt, wenn der Kunde eine solche „Nulltarif-Option“ wählt. Diese Gerichte sind mit Rechtsstreitigkeiten über derartige Beschränkungen zwischen Vodafone bzw. Telekom Deutschland auf der einen sowie der Bundesnetzagentur (Deutschland) bzw. dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, einer deutschen Verbraucherschutzorganisation, auf der anderen Seite befasst.

Bei Vodafone gelten die „Vodafone Pass“ genannten „Nulltarif-Optionen“ („Video Pass“, „Music Pass“, „Chat Pass“ und „Social Pass“) nur im Inland, d. h. in Deutschland. Im Ausland wird das für die Nutzung der Dienste von Partnerunternehmen verbrauchte Datenvolumen auf das Inklusivdatenvolumen des Basistarifs angerechnet. Darüber hinaus rechnet Vodafone den Datenverbrauch bei einer Nutzung über Hotspot („Tethering“) auf das im Tarif enthaltene Datenvolumen an.

Telekom Deutschland bietet ihren Endkunden für einige Tarife eine Zubuchfunktion (auch als „Addon option“ bezeichnet) in Form einer „Nulltarif-Option“ namens „Stream On“ an. Bei Aktivierung dieser Option wird das auf Audio- und Videostreaming von Contentpartnern der Telekom entfallende Datenvolumen nicht auf das Inklusivdatenvolumen des Basistarifs angerechnet, nach dessen Verbrauch die Übertragungsgeschwindigkeit generell reduziert wird. Bei Aktivierung dieser Option willigt der Endkunde allerdings in eine Bandbreitenlimitierung auf maximal 1,7 Mbit/s für Videostreaming ein, unabhängig davon, ob es sich um Videostreaming von Contentpartnern oder sonstigen Anbietern handelt.

Mit seinen heutigen Urteilen weist der Gerichtshof darauf hin, dass bei einer „Nulltarif-Option“ wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf der Grundlage kommerzieller Erwägungen eine Unterscheidung innerhalb des Internetverkehrs vorgenommen wird, indem der Datenverkehr zu bestimmten Partneranwendungen nicht auf den Basistarif angerechnet wird. Eine solche Geschäftspraxis verstößt gegen die allgemeine, in der Verordnung über den Zugang zum offenen Internet aufgestellte Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln.

Da die Limitierung der Bandbreite sowie die Einschränkungen von Tethering oder Roaming nur zur Anwendung kommen, wenn die gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet verstoßende „Nulltarif-Option“ aktiviert wird, sind auch sie mit dem Unionsrecht unvereinbar.


Den Volltext der Entscheidungen finden Sie hier:

C-854/19

C-5/20

C-34/20




EuGH: Mobilfunkanbieter mussten den ab dem 15.06.2017 regulierten Roamingtarif automatisch auf alle Kunden anwenden ganz egal welcher Tarif mit dem Kunden bestand

EuGH
Urteil vom 03.09.2020
C‑539/19
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
gegen
Telefónica Germany GmbH & Co. OHG


Der EuGH hat entschieden, dass Mobilfunkanbieter den ab dem 15.06.2017 regulierten Roamingtarif automatisch auf alle Kunden anwenden mussten, ganz egal welcher Tarif mit dem Kunden bestand.

Tenor der Entscheidung:

Art. 6a und Art. 6e Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union in der durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Roaminganbieter ab dem 15. Juni 2017 verpflichtet waren, den u. a. in Art. 6a dieser Verordnudownloadng vorgesehenen regulierten Roamingtarif automatisch auf alle ihre Kunden anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Kunden zuvor einen regulierten Roamingtarif oder einen anderen Tarif als den regulierten Roamingtarif gewählt hatten, es sei denn, dass sie vor dem Stichtag des 15. Juni 2017 gemäß dem dafür in Art. 6e Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung vorgesehenen Verfahren ausdrücklich erklärt haben, dass sie einen solchen anderen Tarif nutzen möchten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Köln legt EuGH vor: Ist Streaming-Zusatztarif StreamOn der Telekom Deutschland GmbH mit Grundsatz der Netzneutralität gemäß Verordnung (EU) 2015/2120 vereinbar ?

VG Köln
Beschluss vom 20.01.2020
9 K 4632/18


Das VG Köln hat dem EuGH im Rechtsstreit um den Streaming-Zusatztarif StreamOn der Telekom Deutschland GmbH zur Entscheidung vorgelegt, ob der Tarif mit dem Grundsatz der Netzneutralität gemäß Verordnung (EU) 2015/2120 vereinbar ist.

Vorlage an den EuGH im „StreamOn“-Verfahren

Mit Beschluss vom gestrigen Tage hat das Verwaltungsgericht Köln das Klageverfahren der Telekom Deutschland GmbH betreffend „StreamOn“ ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung der Verordnung (EU) 2015/2120 und den darin enthaltenen Vorschriften über die sog. Netzneutralität vorgelegt.

„StreamOn“ ist eine (in unterschiedlichen Ausgestaltung buchbare) kostenlose Zubuchoption zu Mobilfunktarifen der klagenden Telekom Deutschland GmbH, bei deren Buchung das auf Audio- und Videostreaming so genannter Contentpartner entfallende Datenvolumen nicht auf das mit dem jeweiligen Mobilfunktarif vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen für die Nutzung der per Mobilfunk bereitgestellten Internetverbindung angerechnet wird (so genanntes Zero-Rating). Im Falle von „StreamOn Music&Video“ willigt der Endkunde allerdings in eine grundsätzliche Bandbreitenlimitierung auf maximal 1,7 Mbit/s für Videostreaming ein. Der Endkunde kann die Zubuchoption und demzufolge auch die Bandbreitenlimitierung jederzeit deaktivieren und reaktivieren, um unter Anrechnung auf sein Inklusivdatenvolumen wieder eine maximale Übertragungsqualität auch für Videostreaming zu ermöglichen. Erfolgt innerhalb von 24 Stunden keine Reaktivierung durch den Kunden, stellt die Klägerin automatisiert die Standardeinstellungen (Nichtanrechnung auf das Inklusivdatenvolumen und Bandbreitenlimitierung) wieder her.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 untersagte die Bundesnetzagentur insbesondere, in der Zubuchoption „StreamOn“ die Datenübertragungsrate für Videostreaming auf bis zu 1,7 Mbit/s zu reduzieren. Den durch die Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Bundesnetzagentur mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2018 als unbegründet zurück. Am 22. Juni 2018 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheids vom 15. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2018 erstrebt. Nachdem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln (1 L 253/18) sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (13 B 1734/18) ergangen sind, erachtet das Gericht im nunmehr zur Entscheidung anstehenden Hauptsacheverfahren eine Beteiligung des Europäischen Gerichtshofes für geboten.

Das Gericht möchte vom Europäischen Gerichtshof vornehmlich wissen, ob Vereinbarungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern namentlich über Merkmale von Internetzugangsdiensten wie Preis, Datenvolumina oder Geschwindigkeit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 und dem dort geregelten Gleichbehandlungsgrundsatz genügen müssen. Des Weiteren hat es dem Europäischen Gerichthof verschiedene Fragen im Hinblick auf die Reichweite von Art. 3 Abs. 3 Uabs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 vorgelegt, wonach in unterschiedlichem Ausmaß sog. Verkehrsmanagementmaßnahmen zulässig sein können. Damit möchte das Gericht geklärt wissen, ob die Bandbreitenreduzierung im Falle von „StreamOn“ als eine zulässige Verkehrsmanagementmaßnahme eingestuft werden kann. Schließlich hat das Gericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 dahingehend auszulegen ist, dass die Bandbreitenreduzierung im Falle von „StreamOn“ das Recht der Endnutzer im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 einschränkt.


VG Köln: EuGH muss entscheiden ob Vodafone Mobilfunk-Option "Vodafone Pass" mit der Roaming-Verordnung vereinbar ist

VG Köln
Beschluss vom 19.11.2019
9 K 8221/18


Das VG Köln hat entschieden, dass der EuGH entscheiden muss, ob die Vodafone Mobilfunk-Option "Vodafone Pass" mit der Roaming-Verordnung vereinbar ist. Das VG Köln hat dem EuGH diverse Fragen zur Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Verwaltungsgericht Köln ruft wegen „Vodafone Pass“ EuGH an

Das Verwaltungsgericht Köln hat Zweifel an der Vereinbarkeit der von dem Telekommunikationsunternehmen Vodafone angebotenen Mobilfunk-Option „Vodafone Pass“ mit europarechtlichen Vorgaben. Es hat deshalb mit Beschluss vom gestrigen Tag in einem von Vodafone angestrengten Klageverfahren den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen und ihm Fragen zur Auslegung der so genannten Roaming-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 531/2012) vorgelegt.

Bei der kostenlosen Tarifoption „Vodafone Pass“ wird das durch die Nutzung der Dienste von Partnerunternehmen verbrauchte Datenvolumen nicht auf das Inklusivdatenvolumen des jeweiligen Mobilfunktarifs angerechnet (sog. Zero-Rating). Dies gilt allerdings nur im Inland. Im Ausland wird die Nutzung der betreffenden Dienste hingegen auf das Datenvolumen angerechnet. Ferner behält sich Vodafone vor, die Tarifoption künftig auch im europäischen Ausland anzubieten. Für diesen Fall soll eine „Fair Use Policy“ mit einer maximal möglichen Nutzung der Tarifoption im europäischen Ausland im Umfang von fünf Gigabyte Datenvolumen monatlich gelten. Die Bundesnetzagentur sieht in der Tarifoption einen Verstoß gegen die Vorgaben der Roaming-Verordnung. Mit Bescheid vom 15. Juni 2018 untersagte sie daher die Fortführung des Angebots. Hiergegen erhob Vodafone im Dezember 2018 Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Das Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Beschränkung der Tarifoption auf das Inland mit dem in der Roaming-Verordnung enthaltenen Verbot vereinbar ist, für Roaming-Dienste im europäischen Ausland ein zusätzliches Entgelt gegenüber dem inländischen Endkundenpreis zu verlangen. Des Weiteren hat es dem EuGH Fragen dazu vorgelegt, ob die von der Klägerin vorgesehene „Fair Use Policy“ mit der Verordnung vereinbar ist. Insoweit hält das Gericht für klärungsbedürftig, inwieweit die Tarifoption „Vodafone Pass“ einer Nutzungsgrenze im Ausland unterworfen werden darf.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

OVG Münster: Streaming-Zusatztarif StreamOn der Telekom darf vorläufig nicht weiter angeboten werden - Verstoß gegen Grundsatz der Netzneutralität und europäische Roaming-Regelungen

OVG Münster
Beschluss vom 12.07.2019
13 B 1734/18


Das OVG Münster hat im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass der Streaming-Zusatztarif StreamOn der Telekom vorläufig nicht weiter angeboten werden darf. Es liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Netzneutralität und europäische Roaming-Regelungen vor.

Damit bestätigte das Gericht die Ansicht der Bundesnetzagentur und die Vorinstanz (siehe dazu VG Köln: Zusatzangebot StreamOn der Telekom für Streamingdienste rechtswidrig - Verstoß gegen Grundsatz der Netzneutralität und europäische Roaming-Regelungen )

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OVG NRW bestätigt vorläufiges Aus für "StreamOn"

Die Telekom Deutschland GmbH darf das von ihr angebotene Produkt "StreamOn" in der bisherigen Form vorläufig nicht weiterbetreiben. Dies hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem durch die Telekom Deutschland GmbH gegen die Bundesnetzagentur angestrengten Eilverfahren entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.

Bei "StreamOn" handelt es sich um ein kostenloses Zusatzangebot für Mobilfunk-Kunden. Bei Buchung wird der Datenverkehr für Audio- und Videostreaming sog. Contentpartner der Antragstellerin nicht auf das mit dem Mobilfunktarif vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen angerechnet. Für bestimmte Mobilfunktarife willigt der Kunde allerdings in eine generelle Bandbreitenbegrenzung für Videostreaming auf maximal 1,7 Mbit/s ein, was für eine Auflösung in HD-Qualität nicht mehr genügt. Eine Nutzung von "StreamOn" ist zudem nur innerhalb Deutschlands vorgesehen. Im Ausland wird der Datenverkehr für Audio- und Videostreaming immer auf das Inklusivdatenvolumen angerechnet.

Die Bundesnetzagentur stellte fest, dass "StreamOn" gegen den europarechtlich verankerten Grundsatz der Netzneutralität sowie gegen europäische Roaming-Regelungen verstoße, und untersagte die Fortführung von "StreamOn" in der derzeitigen konkreten Ausgestaltung. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte einen hiergegen gerichteten Eilantrag der Antragstellerin ab. Mit heute bekanntgegebenem Beschluss vom 12. Juli 2019 wies der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts auch die Beschwerde der Antragstellerin zurück.

Zur Begründung führte der 13. Senat aus, der Grundsatz der Netzneutralität verpflichte die Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Gleichbehandlung allen Datenverkehrs. Hiergegen werde verstoßen, wenn die Übertragungsgeschwindigkeit für Videostreaming gegenüber anderen Diensten oder Anwendungen gezielt gedrosselt werde. Da der Grundsatz der Neutralität ein grundlegendes Funktionsprinzip des Internets zugunsten sämtlicher Nutzer schütze, sei es auch unerheblich, ob der Kunde mit der Buchung von "StreamOn" in die Drosselung eingewilligt habe. Außerdem sei es nach europäischen Roaming-Regeln verboten, für Roaming-Dienste im europäischen Ausland ein zusätzliches Entgelt gegenüber dem inländischen Endkundenpreis zu verlangen. Die Antragstellerin verletze dieses Verbot, soweit sie den Datenverkehr für Audio- und Videostreaming bei Nutzung im europäischen Ausland abweichend zu einer Nutzung im Inland auf das Inklusivdatenvolumen anrechne. Für den Kunden bestehe damit bei Nutzung im europäischen Ausland ein ungünstigerer Entgeltmechanismus. Da die Entscheidung der Bundesnetzagentur aus diesen Gründen voraussichtlich rechtmäßig sei, könne sie auch bereits vor einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren vollzogen werden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 1734/18 (I. Instanz: VG Köln - 1 L 253/18 -)



LG Düsseldorf: Vodafone Pass muss auch im EU-Ausland gelten - Mobilfunktarif für Internetnutzung darf im EU-Ausland nicht teurer wie im Inland sein

LG Düsseldorf
Urteil vom 08.05.2019
12 O 158/18


Da LG Düsseldorf hat entschieden, dass der Vodafone Pass nicht nur in Deutschland, sondern auch im EU-Ausland gelten muss. Ein Mobilfunktarif für die Internetnutzung darf im EU-Ausland nicht teurer wie im Inland sein

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Köln: Zusatzangebot StreamOn der Telekom für Streamingdienste rechtswidrig - Verstoß gegen Grundsatz der Netzneutralität und europäische Roaming-Regelungen

VG Köln
Beschluss vom 20.11.2018
1 L 253/18


Das VG Köln hat entschieden, dass das Zusatzangebot StreamOn der Telekom für Streamingdienste rechtswidrig und damit unzulässig ist. Das Gericht sieht einen Verstoß gegen Grundsatz der Netzneutralität und europäische Roaming-Regelungen

Die Pressemitteilung des Gerichts:

"StreamOn“-Angebot der Telekom ist rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen Antrag der Telekom Deutschland GmbH gegen eine Anordnung der Bundesnetzagentur in Bezug auf das Produkt „StreamOn“ abgelehnt.

Bei dem kostenlos buchbaren Produkt „StreamOn“ handelt es sich um ein Zusatzangebot für bestimmte Mobilfunk-Kunden der Antragstellerin, bei dem Datenmengen, die beim Audio- und Videostreaming von so genannten Content-Partnern übertragen werden, nicht auf das nach dem Tarif zur Verfügung stehende Datenvolumen angerechnet werden. Dies gilt jedoch nur für eine Nutzung im Inland. Nutzt der Kunde „StreamOn“ im europäischen Ausland, so erfolgt weiterhin eine Anrechnung auf das im jeweiligen Tarif enthaltene Datenvolumen. Durch die Buchung des Produkts „StreamOn“ willigt der Kunde in bestimmten Tarifen zudem ein, dass die Bandbreite (Datenübertragung) für Streamingdienste auf maximal 1,7 Mbit/s reduziert wird. Diese Bandbreite genügt nicht für ein Streaming in HD-Qualität.

Die Bundesnetzagentur stellte fest, dass dieses „StreamOn“-Angebot gegen den europarechtlich verankerten Grundsatz der Netzneutralität sowie gegen europäische Roaming-Regelungen verstoße, und untersagte die Fortführung von „StreamOn“ in der derzeitigen konkreten Ausgestaltung.

Der hiergegen erhobene Eilantrag der Telekom blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Grundsatz der Netzneutralität verpflichte Anbieter von Internetzugangsdiensten, wie die Telekom einer sei, den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich zu behandeln. Hiergegen werde durch die Drosselung der Übertragungsgeschwindigkeit für Streaming-Dienste verstoßen. Diese Drosselung stehe auch nicht zur Disposition des Kunden, so dass es unerheblich sei, ob dieser durch Vertragsabschluss „freiwillig“ die Drosselung hinnehme. Schließlich stehe die derzeitige Ausgestaltung auch nicht im Einklang mit europäischen Roaming-Regelungen. Danach dürften für Roaming-Dienste im europäischen Ausland keine zusätzlichen Entgelte im Vergleich mit den inländischen Endkundenpreisen verlangt werden. Dadurch, dass die Telekom eine Anrechnung der gestreamten Datenmengen auf das jeweilige Datenvolumen nur bei einer Inlandsnutzung ausschließe, werde sie diesen Anforderungen nicht gerecht.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.


Urlaubszeit - Roamingzeit - Kostenfalle Internetnutzung und Handynutzung im Ausland

Aus aktuellem Anlass unser Hinweis auf einen weiteren alljährlichen sommerlichen Dauerbrenner

Urlaubszeit - Roamingzeit - Kostenfalle Internetnutzung und Handynutzung im Ausland


BGH: Nachzahlungspflicht bei Prepaid-Mobilfunkverträgen für nachträglich abgerechnete Roamingverbindungen und Premiumdienste bei vorheriger Belehrung - Negativsaldoklausel

BGH
Urteil vom 09.10.2014
III ZR 33/14
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2


Der BGH hat entschieden, dass auch bei Prepaid-Mobilfunkverträgen eine Nachschusspflicht des Kunden für aus technischen Gründen verspätet abgerechnete Roamingverbindungen und Verbindungen zu Premiumdiensten bestehen kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Handynutzer deutlich und unmissverständlich über die Rechtslage informiert wird.

Leitsatz des BGH:

Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen über vorausbezahlte Mobilfunkleistungen ("prepaid"-Vertrag), in der geregelt ist, dass bei Roamingverbindungen, bei Verbindungen zu Premiumdiensten sowie bei über das Sprach- oder Datennetz in Anspruch genommenen Mehrwertdiensten die für die Abrechnung erforderlichen Daten verzögert vom Netzbetreiber übermittelt werden können, so dass aufgrund von verzögerten Abbuchungen ein Negativsaldo auf dem Guthabenkonto des Kunden entstehen kann, den dieser auszugleichen hat, ist wirksam, sofern diese Rechtslage klar und unmissverständlich
verdeutlicht wird.

BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 33/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



KG Berlin: Handynutzer mit Prepaid-Tarif muss keine 14698 EURO für Datenverbindungen zahlen - Simply

KG Berlin
Urteil vom 28.06.2012
22 U 207/11
Simply


Das KG Berlin hat völlig zu Recht entschieden, dass ein Handynutzer mit einem Prepaid-Tarif keine 14698 EURO für Datenverbindungen zu zahlen hat, wenn der Mobilfunkanbieter nicht deutlich und unmissverständlich auf das hohe Kostenrisiko bei der Nutzung von Datenverbindungen hinweist. Damit bestätigt das Gericht die Vorinstanz ( LG Berlin, Urteil vom 18.07.2011 - 38 O 350/10 ) sowie die gängige Rechtsprechung zur verwandten Roaming-Problematik (z.B. LG KLeve, Urteil vom 15.06.2011 -2 O 9/11 - siehe auch "Urlaubszeit - Roamingzeit: 10.000 EURO für 4 Stunden Internetnutzung").

Kein Handynutzer würde ernsthaft derartige Kosten auf sich nehmen, um sein Handy und den Tarif für Datenverbindungen zu nutzen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Roaming-Gebühren innerhalb der EU zum 01.07.2012 gesunken

Die Europäische Parlament hatte vor einiger Zeit eine Senkung der Roaming-Gebühren innerhalb der EU beschlossen. Die Änderungen sind am 01.07.2012 in Kraft getreten. Das Telefonieren per Mobiltelefon, SMS und auch mobile Datenverbindungen im europäischen Ausland werden somit billiger.

Wichtig: Die neuen Höchstgrenzen gelten nur innerhalb der EU !

Die Einzelheiten finden Sie in der Pressemitteilung "Günstigere Roaming-Gebühren und Datentransfers für Mobilfunknutzer" des Europäischen Parlaments.

Roaming-Gebühren innerhalb der EU zum 01.07.2012 gesunken

Die Europäische Parlament hatte vor einiger Zeit eine Senkung der Roaming-Gebühren innerhalb der EU beschlossen. Die Änderungen sind am 01.07.2012 in Kraft getreten. Das Telefonieren per Mobiltelefon, SMS und auch mobile Datenverbindungen im europäischen Ausland werden somit billiger.

Wichtig: Die neuen Höchstgrenzen gelten nur innerhalb der EU !

Die Einzelheiten finden Sie in der Pressemitteilung "Günstigere Roaming-Gebühren und Datentransfers für Mobilfunknutzer" des Europäischen Parlaments.

LG Berlin: Kein Anspruch auf Zahlung von 14.706,19 EURO für GRPS-Verbindung bei Verwendung einer 10-EURO Prepaid-Karte

LG Berlin
Urteil vom 18.07.2011
38 O 350/10


Das LG Berlin hat völlig zu Recht entschieden, dass ein Mobilfunkbetreiber gegen seinen Kunden keinen Anspruch auf Zahlung von 14.706,19 EURO für 15 GRPS-Verbindungen bei Verwendung einer 10-EURO Prepaid-Karte hat.

Aus der Pressemitteilung des LG Berlin:
"Der Kunde hatte einen Prepaid-Tarif gewählt, den der Anbieter im Internet mit „Einfach abtelefonieren, erhöhte Kostenkontrolle, automatische Aufladung möglich“ beworben hatte. Dabei hatte der Kunde sich für die Option „Webshop-Aufladung 10“ entschieden. Ende August 2009 stellte ihm der Mobilfunkanbieter dann 14.727,65 EUR für die Telefonnutzung in Rechnung. Hiervon entfielen nach seiner Darstellung 14.706,19 EUR auf 15 GPRS-Verbindungen über die SIM-Karte des Kunden aus der Zeit vom 8. August 2009 um 0.47 Uhr bis zum 9. August 2009 um 15.15 Uhr.

Nach Auffassung des Landgerichts enthält die nicht näher erläuterte Klausel zur Webshop-Aufladung allenfalls das Einverständnis des Kunden mit einer einmaligen automatischen Aufladung in Höhe von 10,00 EUR vor erneutem aktivem Aufladen. Ein fortwährendes unbegrenztes automatisches Aufladen während der Verbindungsnutzung sei damit nicht vereinbart worden."


Die vollständige Pressemitteilung des LG Berlin finden Sie hier:

"LG Berlin: Kein Anspruch auf Zahlung von 14.706,19 EURO für GRPS-Verbindung bei Verwendung einer 10-EURO Prepaid-Karte" vollständig lesen

LG Kleve: Mobilfunkanbieter hat keinen Anspruch auf Roamingkosten von 6.000 EURO ohne deutlichen Warnhinweis

LG KLeve
Urteil vom 15.06.2011
2 O 9/11
Roaming


Das LG Kleve hat völlig zu Recht entschieden, dass ein Mobilfunkanbieter keinen Anspruch auf Zahlung von Roamingkosten in Höhe von 6.000 EURO hat, wenn dieser den Kunden nicht vorab durch einen deutlichen Wahrhinweise auf die hohen Roamingkosten hingewiesen hat.

Wir hatten bereits mehrfach über diese Problematik berichtet (Update: Urlaubszeit - Roamingzeit - Kostenfalle Internetnutzung und Handynutzung im Ausland) berichtet. In dem dort geschilderten und von uns betreuten Fall hat der Mobilfunkanbieter erst gar keine gerichtlichen Schritte eingeleitet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

"LG Kleve: Mobilfunkanbieter hat keinen Anspruch auf Roamingkosten von 6.000 EURO ohne deutlichen Warnhinweis" vollständig lesen