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LG Magdeburg: Wettbewerbsverstoß durch Anbieten von Dienstleistungen zur Suchmaschinenmanipulation durch das künstliche Erzeugen von Klicks per Clickworker

LG Magdeburg,
Urteil vom 11.10.2022
36 O 26/22 (007)


Das LG Magdeburg hat entschieden, dass das Anbieten von Dienstleistungen zur Suchmaschinenmanipulation durch das künstliche Erzeugen von Klicks per Clickworker wettbewerbswidrig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die angebotenen Leistungen tatsächlich funktionieren oder nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist gem. § 14 Abs. 1 UWG sachlich und gem. § 14 Abs. 2 UWG örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz gem. § 17 Abs. 1 ZPO und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in M. hat.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, weil es sich bei ihm unstreitig um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen handelt, dem eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört und der nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben zur Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 3 UWG. Das Anbieten von Klicks zur Verbesserung des Rankings auf der Google-Suchmaschine ist eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten gem. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Die geschäftliche Handlung besteht in dem Anbieten, die von der Beklagten erzeugten Klickvorgänge käuflich zu erwerben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ist „geschäftliche Handlungen“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Indem die Beklagte den zunächst zu Testzwecken kostenlosen, im Übrigen aber entgeltlichen Erwerb von Klickvorgängen angeboten hat, hat sie eine solche geschäftliche Handlung durchgeführt. Sie hat damit den Nutzern ihrer Website in Aussicht gestellt, dass diese durch den Erwerb der Klicks ein besseres Ranking erreichen und dadurch ihren Absatz fördern können.

Diese geschäftliche Handlung ist auch irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG. Denn sie ist geeignet, den Nutzer der Website der Beklagten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus enthält sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften und Befähigungen der Beklagten und die Art ihres Vertriebs. Die Täuschung besteht darin, dass die von der Beklagten verkauften und mit sogenannten Clickworkern erzeugten Klicks nicht von „echten“ Nutzern stammen, sondern ohne ein echtes Interesse an der Nutzung generiert werden. Die für die Bewertung maßgebliche Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers geht dahin, aufgrund des Rankings einer Firma in der Suchmaschine ein entsprechendes Prestige und eine damit verbundene hochwertige Güte des Unternehmens anzunehmen. Die Vorstellung des Nutzers geht dabei davon aus, dass das Ranking durch den Aufruf der Website von real existierenden Nutzern gefördert wird. Der durchschnittliche Verbraucher rechnet indes nicht damit, dass in Wahrheit uninteressierte und nur für die Verbesserung des Rankings speziell beschäftige Mitarbeiter – so wie die Clickworker der Beklagten – die Klicks erzeugt haben.

Das künstliche Erzeugen der Klicks mit dem Versprechen, dadurch das Ranking des Nutzers zu verbessern, ist auch geeignet, Verbraucher über den Stellenwert des Unternehmens zu täuschen. In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung der Kammer entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht darauf an, dass die Klick-Rate nur einer von mehreren Faktoren ist, die das Ranking bei Google beeinflussen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte sowohl in dem postalisch versandten Schreiben als auch auf ihrer Website die Klick-Rate als einen wichtigen Rankingfaktor beschreibt. Auf Seite 2 der Anlage K3 heißt es hierzu explizit, eine Studie vor einigen Jahren habe belegt, dass Klicks in weniger als 3 Stunden eine Firma von Platz 7 auf Platz 1 katapultiert hätten. Dieselbe Information ist auch auf der Website (K4) enthalten. Damit wird den Nutzern suggeriert, dass die von der Beklagten angebotenen Klicks das Ranking bei Google mit großer Wahrscheinlichkeit verbessern. Ob dieser Erfolg tatsächlich eintritt, kann im Ergebnis dahinstehen, weil es nach § 5 Abs. 1 UWG ausreicht, dass die Angaben zur Täuschung „geeignet“ sind.

Im Ergebnis handelt es sich bei dem Angebot der Beklagten nicht um eine erlaubte Suchmaschinenoptimierung, sondern um eine verbotene Suchmaschinenmanipulation (Ernst, WRP 2004, 278 bis 282, zitiert in juris; OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2009, 4 U 53/09, zitiert in juris, Rn. 29, 30).

Daneben hat der Kläger ebenfalls Anspruch auf Unterlassung aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG. Denn das Angebot der Beklagten entspricht nicht der unternehmerischen Sorgfalt und ist dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Der Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt ergibt sich daraus, dass die Beklagte selbst einräumt, der Erfolg der von ihr versprochenen Suchmaschinenoptimierung sei vollkommen ungewiss und wissenschaftlich nicht nachweisbar. Dies vorausgesetzt, dürfte die Beklagte jedoch dem Verbraucher nicht suggerieren, dass der Erwerb von Klicks das Ranking auf der Google-Suchmaschine tatsächlich verbessere.

Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers i.H.v. 374,50 € ist gem. § 13 Abs. 3 UWG begründet. Die Abmahnung vom 09.03.2022 war aus den o.g. Gründen berechtigt und entsprach auch den Voraussetzungen nach § 13 Abs. 2 UWG.

Der Zinsanspruch ist gem. § 291 BGB begründet. Die Klage wurde der Beklagten am 12.05.2022 zugestellt, so dass der Zinslauf am Folgetag beginnt.

Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte hat keinen Aufwendungsersatzanspruch i.H.v. 374,50 €, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 UWG nicht gegeben sind. Danach hat der Abgemahnte einen Aufwendungsersatzanspruch, sofern die ihm gegenüber ausgesprochene Abmahnung unberechtigt war oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Wie bereits erläutert, war die Abmahnung des Klägers gegenüber der Beklagten vom 09.03.2022 jedoch berechtigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen für die Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, für die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 25.000,- €, §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 S. 3 GKG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Clickbaiting mit Foto eines Prominenten ohne Bezug zum redaktionellen Inhalt ist Verletzung des Rechts am Eigenen Bild

BGH
Urteil vom 21. Januar 2021
I ZR 120/19
Clickbaiting
KUG § 22 Satz 1, § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2; ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Clickbaiting mit Foto eines Prominenten ohne Bezug zum redaktionellen Inhalt ist Verletzung des Rechts am Eigenen Bild - Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Das Berufungsgericht ist bei der Überprüfung eines erstinstanzlichen Grundurteils auch dann befugt, über den Betrag des Klageanspruchs zu entscheiden, wenn es das Grundurteil nicht beanstandet und der Streit über den Betrag zur Entscheidung reif ist. Hierfür bedarf es weder einer Anschlussberufung des Klägers noch einer Zustimmung der Parteien noch einer Wiederholung des erstinstanzlichen Sachantrags des Klägers.

b) Die Nutzung des Bildnisses einer prominenten Person im Internet als "Clickbait" ("Klickköder") ohne redaktionellen Bezug zu dieser greift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt ihres Rechts am eigenen Bild ein.

c) Eine prominente Person muss nicht hinnehmen, dass ihr Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt wird, die sie nicht betreffen.

BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 120/19 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Clickbaiting mit Foto eines Prominenten ohne Bezug zum redaktionellen Inhalt ist Verletzung des Rechts am Eigenen Bild - Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr

BGH
Urteil vom 21. Januar 2021
I ZR 120/19


Der BGH hat entschieden, dass Clickbaiting mit dem Foto eines Prominenten ohne Bezug zum redaktionellen Inhalt eine Verletzung des Rechts am Eigenen Bild ist und einen Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr auslöst.

Die Pressemitteilung des BGH:

Unzulässige Nutzung eines Prominentenbildes als "Klickköder

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Nutzung des Bildes eines Prominenten als "Clickbait" ("Klickköder") für einen redaktionellen Beitrag ohne Bezug zu dem Prominenten in dessen Recht am eigenen Bild eingreift und das Presseunternehmen zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr an den Prominenten verpflichtet.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein in Deutschland sehr bekannter und beliebter Fernsehmoderator. Die Beklagte bietet eine Programmzeitschrift an und unterhält zudem eine Internetseite sowie ein Facebook-Profil. Auf diesem Profil postete sie am 18. August 2015 folgende Meldung:

+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht.

Der Post enthielt vier Bilder prominenter Fernsehmoderatoren, darunter ein Bild des Klägers, der der Verwendung seines Bildes nicht zugestimmt hatte. Beim Anklicken des Posts wurde der Leser auf das Internetangebot der Beklagten weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die tatsächliche Erkrankung eines der drei anderen Fernsehmoderatoren berichtet wurde. Informationen über den Kläger fanden sich dort nicht. Die Beklagte gab die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Wegen der Nutzung seines Bildnisses hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr, mindestens jedoch 20.000 €, in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat entschieden, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte zur Zahlung von 20.000 € verurteilt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebte, zurückgewiesen und das Berufungsurteil damit bestätigt.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr für die Nutzung seines Bildnisses zu. Die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, ist wesentlicher - vermögensrechtlicher - Bestandteil des Persönlichkeitsrechts. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, dass der Kläger von der redaktionellen Berichterstattung in dem verlinkten Artikel selbst nicht betroffen war, zutreffend geschlossen, dass die Beklagte sein Bildnis allein zu dem Zweck verwendet hat, die Aufmerksamkeit der Leser auf ihr Presseerzeugnis zu lenken. Eine solche Nutzung des Bildnisses des Klägers als "Clickbait" ("Klickköder") ohne redaktionellen Bezug zu ihm greift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Rechts am eigenen Bild ein.

Dieser Eingriff ist rechtswidrig. Eine Einwilligung des Klägers (§ 22 Satz 1 KUG) liegt nicht vor. Die Beurteilung, ob das Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen ist und damit ohne Einwilligung des Abgebildeten genutzt werden darf, erfordert eine Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Interessen des Klägers höher gewichtet als die der Beklagten. Auf Seiten der Beklagten hat es keine berechtigten Belange mit Gewicht in die Abwägung eingestellt und dies unter anderem damit begründet, dass das Posting bezogen auf den Kläger an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und damit allenfalls am äußersten Rand des Schutzbereichs der Pressefreiheit liege. Mit dem durch den Klickköder veranlassten Anklicken des Posts werden zwar Werbeeinnahmen erzielt, die der Finanzierung der journalistischen Arbeit dienen; dies rechtfertigt es aber nicht, das Bildnis einer prominenten Person für eine Berichterstattung zu nutzen, die keinen inhaltlichen Bezug zu ihr aufweist. Der Kläger muss nicht hinnehmen, dass sein Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt wird, die ihn nicht betreffen.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die von der Beklagten an den Kläger zu zahlende fiktive Lizenzgebühr mit 20.000 € bemessen hat. Das Berufungsgericht hat mit Recht einerseits den ganz überragenden Markt- und Werbewert und die außergewöhnlich hohe Beliebtheit des Klägers berücksichtigt. Es hat andererseits zutreffend angenommen, dass bei der hier allein vorliegenden Aufmerksamkeitswerbung im Vergleich etwa zu einer unzulässigen Testimonial-Werbung mit einem Prominenten eine der eher schwächeren Werbeformen vorliegt. Es hat ferner dem Umstand, dass die Beklagte mit der beanstandeten Nutzung des Bildnisses eine Krebserkrankung des Klägers als möglich in den Raum gestellt hat, ohne Rechtsfehler wesentliche Bedeutung für die Höhe der Lizenzgebühr beigemessen.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 25. Juli 2018 - 28 O 74/18

OLG Köln - Urteil vom 28. Mai 2019 - 15 U 160/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 818 Abs. 2 BGB

Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

§ 22 Satz 1 KUG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KUG

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

(…)

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.



OLG Köln: 20000 Euro Geldentschädigung für unzulässiges Clickbaiting auf Facebook wenn Bild eines Prominenten grundlos mit Frage nach Krebserkrankung in Verbindung gebracht wird

OLG Köln
Urteil vom 28.05.2019
15 U 160/18


Das OLG Köln hat einem Fernsehmoderator eine Geldentschädigung in Höhe von 20.000 EURO für unzulässiges Clickbaiting auf Facebook zugesprochen, da das Bild des Prominenten grundlos mit der Frage nach einer Krebserkrankung in Verbindung gebracht wurde.

Unzulässiger Klickköder ("Clickbaiting")

Fernsehzeitschrift darf nicht grundlos das Bild eines Prominenten mit Frage nach Krebserkrankung in Zusammenhang bringen

Eine Programmzeitschrift muss einem bekannten Fernsehmoderator 20.000 Euro bezahlen, weil sie unerlaubt sein Bild als "Klickköder" verwandt hat. Dies hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 28.05.2019 entschieden.

Die Zeitschrift hatte auf ihrem Facebook-Profil vier Bilder von Prominenten veröffentlicht, verbunden mit dem Text: "Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen". Durch Anklicken der Meldung wurden die Leser auf die Internetseite der Zeitschrift weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die Erkrankung eines der abgebildeten Moderatoren berichtet wurde. Informationen über den unstreitig hiervon nicht betroffenen Kläger fanden sich dort nicht. Nach öffentlicher Kritik löschte die Redaktion den Text nach kurzer Zeit.

Der 15. Zivilsenat bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln, wonach dem Kläger ein Anspruch gegen den Zeitschriftenverlag zusteht, und setzte die zu zahlende Summe auf 20.000 Euro fest. Das Bild des Klägers sei unzulässig kommerziell genutzt worden. Mit der Veröffentlichung sei keinerlei Informationswert mit Blick auf den Kläger verbunden gewesen. Die haltlosen Spekulationen über eine mögliche Krebserkrankung bezogen auf den Kläger hätten an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung gelegen. Die redaktionelle Berichterstattung im Zielartikel habe keinen Bezug zum Kläger gehabt. Das Bild des Klägers habe weder den Teaser noch den Zielbericht ergänzt.

Insgesamt handele es sich um ein Beispiel für einen "Klickköder" ("clickbaiting"), bei dem die reißerische Überschrift in Verbindung mit Bildern Prominenter bei den Lesern eine "Neugierlücke" öffne. Die Nachricht gebe einerseits genug Informationen aus einem emotionsbehafteten Bereich, um die Leser neugierig zu machen, andererseits als bloßer "Informationsschnipsel" nicht genug, um diese Neugier vollends zu befriedigen. Um die Leser gezielt zum Weiterklicken zu animieren, sei bewusst in Kauf genommen worden, dass die verlinkte Meldung im Zielartikel keinerlei Bezug zu drei der vier Abgebildeten gehabt habe. Vielmehr sei die Beliebtheit der Abgebildeten gezielt zu dem (einzigen) Zweck ausgenutzt worden, um möglichst viel "Traffic" auf die eigene Internetseite umleiten zu können, den eigenen Internetauftritt bekannter zu machen und durch die so erzeugten "Klicks" dort Werbemehreinnahmen zu erzielen.

Rechtlich hat der Kläger die Forderung nicht - wie häufig in anderen Fällen unzulässiger Verwendung von Bildern - als Geldentschädigungsanspruch und damit als besondere Form des Schmerzensgeldes begründet. Er hat vielmehr einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der sog. "Lizenzanalogie" geltend gemacht. Danach muss der Verlag den Betrag bezahlen, den er dadurch "gespart"“ hat, dass er vom Abgebildeten keine Lizenz für die Abbildung erworben hat. Ein solcher Betrag wird vom Gericht geschätzt und muss auch dann gezahlt werden, wenn der Abgebildete überhaupt nicht bereit gewesen wäre, sein Bild für die fragliche Nutzung lizensieren zu lassen. Der Zahlungsanspruch fingiert nämlich nicht die Zustimmung zur Veröffentlichung, sondern er stellt einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff dar. Bei der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger einen überragenden Markt- und Werbewert hat und außergewöhnlich beliebt ist und dass es sich bei der in den Raum gestellten Krebserkrankung des Klägers um ein sensibles Thema gehandelt hat.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die rechtliche Behandlung von "Klickködern" grundsätzliche Bedeutung hat und eine klärende und richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28.05.2019 - Az. 15 U 160/18.