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VGH Baden-Württemberg: Eilantrag gegen Löschung von E-Mail-Dateien des früheren Ministerpräsidenten Mappus abgelehnt - kein überwiegendes öffentliches Interesse

VGH Baden-Württemberg
Beschluss vom 16.10.2014
10 S 2043/14


Der VGH Baden-Württemberg hate einen Eilantrag gegen die Löschung von E-Mail-Dateien des früheren Ministerpräsidenten Mappus abgelehnt. Nach Ansicht des Gerichts besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung.


Die Pressemitteilung des VGH:

"
Begründung für Ablehnung des Eilantrags gegen Löschungzugestellt

Kurzbeschreibung: Mit Beschluss vom 16. Oktober 2014 hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) die Beschwerde eines Bürgers (Antragsteller) gegen die Ablehnung seines Eilantrags zurückgewiesen, dem Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg (Antragsgegner) vorläufig zu untersagen, die Sicherungskopien der E-Mail-Account-Daten des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (Beigeladener) zu löschen, bis über seine Klage auf Zugang zu Umweltinformationen in diesen E-Mails rechtskräftig entschieden ist (Pressemitteilung Nr. 34 vom 16. Oktober 2014). Heute wurde den Beteiligten nunmehr der vollständige begründete Beschluss zugestellt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart habe - so der 10. Senat in seiner Begründung - den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Zwar bestehe im Hinblick auf die für den 17. Oktober 2014 angekündigte Löschung der umstrittenen Dateien ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe aber einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Der Senat lasse offen, ob die umstrittenen Dateien Umweltinformationen im Sinne des Umweltinformationsgesetzes (UIG) enthielten. Dies bedürfe keiner Entscheidung, weil einem Informationsanspruch des Antragstellers nach dem UIG jedenfalls der Ablehnungsgrund nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegenstehe. Danach bestehe kein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen hätten zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege.

Bei den streitigen Dateien handele es sich um personenbezogene Daten. Die E-Mail-Postfach-Daten des Beigeladenen beträfen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten. Durch eine Bekanntgabe an den Antragsteller würden die Interessen des Beigeladenen erheblich beeinträchtigt. Diese hätten insbesondere deshalb erhebliches Gewicht, weil der Beigeladene einen Anspruch auf Löschung der Dateien habe. Insoweit folge der 10. Senat der eingehend begründeten Rechtsauffassung des 1. Senats in seinem rechtskräftigen Urteil vom 30. Juli 2014 (1 S 1352/13). Dieses Urteil entfalte zwar keine Rechtskraft gegenüber dem Antragsteller. Ein rechtskräftig festgestellter Löschungsanspruch sei aber ein gewichtiger und auch grundrechtlich gestützter datenschutzrechtlicher Belang. Das individuelle Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen rechtfertige die Ablehnung des Informationszugangs. Denn andernfalls würde sein datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch vollständig entwertet.

Schließlich bestehe auch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe. Das vom Antragsteller verfolgte öffentliche Informationsinteresse überwiege das Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen nicht. Der Bezug seines Auskunftsersuchens zu den mit dem UIG und der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Zwecken sei gering. Wie seinem Vorbringen zu entnehmen sei, gehe es ihm in erster Linie um die Aufklärung der Rolle des Beigeladenen beim "Schwarzen Donnerstag", also dem Polizeieinsatz zur Räumung des Stuttgarter Schlossparks im Zusammenhang mit Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21. Demgegenüber zielten das UIG und die Umweltinformationsrichtlinie auf eine Schärfung des Umweltbewusstseins und die Verbesserung des Umweltschutzes durch einen freien Meinungsaustausch. Anders als beim Beigeladenen, der sich auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berufen könne, stünden Grundrechte des Antragstellers nicht in Rede. Anderes folge auch nicht aus dem Unionsrecht, insbesondere der EU-Grundrechte-Charta. Hinsichtlich der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. September 2014 (I ZR 490/12) lägen noch keine Entscheidungsgründe vor. Aus einer Pressemitteilung des BGH werde aber erkennbar, dass die vom BGH entschiedene Fallkonstellation mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sein dürfte.

Der Beschluss ist unanfechtbar (10 S 2043/14)."



Früherer Ministerpräsident Mappus hat Anspruch auf Löschung von E-Mail-Dateien seines Outlook-Postfachs gegen das Land Baden-Württemberg

VGH Mannheim
Urteil vom 30.07.2014
1 S 1352/13


Die Pressemitteilung des VGH Mannheim:

"Früherer Ministerpräsident Mappus hat Anspruch auf Löschung von E-Mail-Dateien

Kurzbeschreibung: Im Streit um die Kopien von E-Mails aus dem Herbst 2010 hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe bestätigt: Der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus kann vom Land Baden-Württemberg verlangen, dass dieses drei Dateien mit "Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs sowie sämtliche Kopien dieser Dateien löscht, nachdem diese zuvor dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind.

Im Herbst 2010 erstellte ein Mitarbeiter des IT-Bereichs des Staatsministeriums eine Kopie des auf dem Server dieses Ministeriums liegenden und Stefan Mappus zugewiesenen Original-Outlook-Postfachs. Dies geschah, weil technische Probleme bezüglich des elektronischen Terminkalenders dieses Postfachs aufgetreten waren. Nachdem der Fehler nicht hatte gefunden werden können, blieben die kopierten Postfach-Daten gespeichert. Demgegenüber wurden die Original-E-Mail-Accounts von Stefan Mappus nach dem Regierungswechsel auf dem Server des Staatsministeriums endgültig gelöscht. Erst im Sommer 2012 wurde das Staatsministerium auf die nach seinen Angaben zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen kopierten Dateien wieder aufmerksam.

Im Oktober 2012 erhob Stefan Mappus Klage auf Löschung der Dateien mit der Begründung, die Dateien mit "Arbeitskopien“ seines früheren Outlook-Postfachs seien personenbezogene Daten nach dem Landesdatenschutzgesetz (LDSG) und daher zu löschen, weil ihre Kenntnis für das Staatsministerium zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das beklagte Land wandte hiergegen ein, sowohl die Speicherung der Dateien als auch deren Nutzung seien zur Erfüllung staatlicher Aufgaben erforderlich, da Stefan Mappus seine dienstliche E-Mail-Korrespondenz pflichtwidrig nicht vollständig zu den Sachakten genommen habe.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage überwiegend statt und ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG habe Stefan Mappus Anspruch auf Löschung der Daten in den von seinem damaligen Outlook-Postfach gefertigten "Arbeitskopien“. Die Sicherungskopien seien ausschließlich zum Zweck der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage erstellt worden. Sie dürften daher gemäß § 15 Abs. 4 LDSG nur für diesen Zweck verwendet werden. Vor der Löschung der Dateien seien diese jedoch gemäß § 23 Abs. 3 LDSG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut nach Maßgabe des § 3 Landesarchivgesetz anzubieten. Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende "Vorrang des Archivrechts“ vor dem allgemeinen Datenschutzrecht begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Land Berufung eingelegt mit dem Ziel, dass die Klage auf Löschung der Dateien vollständig abgewiesen wird. Zur Begründung hat es geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe die Zweckbindung der angelegten Sicherungskopien zu eng verstanden. Stefan Mappus hat seinerseits Berufung eingelegt; er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Löschung der Dateien, ohne dass diese zuvor dem Landesarchiv als Archivgut angeboten würden.

Der 1. Senat hat mit den Beteiligten heute bekannt gegebenem Urteil vom 30. Juli 2014 beide Berufungen zurückgewiesen. Stefan Mappus habe einen Anspruch auf Löschung der drei Dateien mit "Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs sowie sämtlicher Kopien dieser Dateien, nachdem diese dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind. Die Dateien seien personenbezogene Daten und zur Erfüllung der Aufgaben des Staatsministeriums nicht mehr erforderlich. Hierfür komme es auf den datenschutzrechtlichen Zweck der Sicherungskopien an, den diese bei ihrer Erstellung gehabt hätten. Der habe darin bestanden, technischen Probleme im Outlook-Terminkalender von Stefan Mappus zu begegnen. An diese Zweckbestimmung sei der Beklagte gebunden. Der Löschungsanspruch bestehe selbst dann, wenn man zugunsten des Landes unterstelle, es habe ein allgemeiner Zweck der Datensicherung bestanden. Denn eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie sei unzulässig, wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert worden seien, inzwischen weggefallen sei. Dies sei hier der Fall. Im Staatsministerium habe keine Regelung zur Speicherung von E-Mails bestanden. Die Speicherung von Postfachinhalten habe nach der allgemeinen Praxis im Staatsministerium den persönlichen Belangen des Postfachinhabers gedient; dieser Zweck könne nach dem Ausscheiden von Stefan Mappus aus dem Amt nicht mehr erreicht werden.

Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch könne im Einzelfall der Einwand des Rechtsmissbrauch entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder Obliegenheit verstoßen habe, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden Daten stehe. Dies sei hier jedoch nicht festzustellen. Zwar habe Stefan Mappus möglicherweise gegen seine Pflichten, vollständige Akten zu führen, verstoßen. Jedoch fehle es an einem offenkundigen und schwerwiegenden Verstoß. Denn es habe bereits eine eindeutige und klare Regelung zur Aktenführung gefehlt.

Der Löschungsanspruch sei jedoch dadurch beschränkt, dass die Dateien zuvor dem Landesarchiv als Archivgut anzubieten seien. Es handele sich entgegen der Auffassung von Stefan Mappus nicht um Archivgut eines Privaten, das nur mit dessen Einvernehmen dem Landesarchiv angeboten werden könne. Die Anbietungspflicht ergebe sich aus § 23 Abs. 3 LDSG. Die Regelungen des Archivrechts genügten dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung und seien verfassungsgemäß.

Das Urteil vom 30. Juli 2014 (1 S 1352/13) ist nicht rechtskräftig. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden."