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Volltext BGH liegt vor: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III
UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; TabakerzV § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2; Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Das Vorenthaltungsverbot gemäß § 5a Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 5b Abs. 4 UWG umfasst alle Informationen, die dem Zweck dienen, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Das können auch Informationen sein, die den Verbraucher von einem Vertragsschluss abhalten können (beispielsweise die Nährwertdeklaration bei Lebensmitten, vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 33 und 35] - Knuspermüsli II) oder (wie die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV und Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU auf den Packungen und Außenverpackungen eines Tabakerzeugnisses anzubringenden gesundheitsbezogenen Warnhinweise) sogar davon abhalten sollen.

b) Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses sind nicht allein deshalb im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV "verdeckt", weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. März 2023 - C-356/22, GRUR 2023, 501 = WRP 2023, 549 - Pro Rauchfrei II).

c) "Abbildungen von Packungen" im Sinne von § 11 Abs. 2 TabakerzV liegen auch dann vor, wenn es sich bei (hier auf einem Ausgabeautomaten für Zigaretten angebrachten) Abbildungen zwar nicht um naturgetreue Abbilder von Zigarettenpackungen handelt, der Verbraucher die Abbildungen aber aufgrund ihrer Gestaltungen hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit Zigarettenpackungen assoziiert (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - C-370/20, GRUR 2022, 93 = WRP 2022, 159 - Pro Rauchfrei I).

BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 - I ZR 176/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III


Der BGH hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Die Pressemitteilung des BGH:
Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Ausgabeautomaten müssen gesundheitsbezogene Warnhinweise
zeigen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU (Tabakerzeugnisrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (siehe Pressemitteilung Nr. 81/2020 vom 25. Juni 2020). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93) nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 24. Februar 2022 (GRUR 2022, 993) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dieser hat die weiteren Fragen mit Urteil vom 9. März 2023 (C-356/22, GRUR 2023, 501) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Abweisung des vorrangig verfolgten Hauptantrags bestätigt, mit dem der Kläger der Beklagten verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV bestimmt, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürfen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Aus der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht werden. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher - wie im Streitfall - die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.

Die Revision des Klägers hat allerdings Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 2 TabakerzV müssen Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, den Anforderungen der Tabakerzeugnisverordnung zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist deshalb gleichfalls richtlinienkonform auszulegen. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen liegt eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung - wie im Streitfall - an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 05. Juli 2018 - 17 HK O 17753/17, juris

OLG München - Urteil vom 25. Juli 2019 - 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 TabakerzV

(1) Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen: Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise …

4. dürfen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden; …

(2) Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen den Anforderungen dieses Unterabschnitts genügen.

Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. …

(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.