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LAG Baden-Württemberg: Zur hinreichenden Bestimmtheit eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 17.3.2021
21 Sa 43/20


Das LAG Baden-Württemberg hat sich in dieser Entscheidung mit der hinreichenden Bestimmtheit eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO befasst.

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Informationsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antragsteller konkret mitteilt, welche Informationen er im Rahmen von lit. a bis h der Norm für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehrt.

2. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zulässigkeit der Klaganträge

Die Klaganträge Ziffer 5 und 6 vom 01.02.2019 sind zulässig.

1. Grundsätze

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klagschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und sogleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klagantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, da er den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH 14. Dezember 1998 – II ZR 330/97 in NJW 1999, 954 mwN.). Vermeidbare Ungenauigkeiten dürfen danach grundsätzlich nicht in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 14. Februar 2017 – 9 AZB 49/19 Rn. 10-12 und vom 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 Rn. 16 – juris). Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht. Soweit ist auch das Rechtsstaatsprinzip zu beachten, da der Schuldner wissen muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert es aber gerade auch das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch in der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Das kann es rechtfertigen, auch das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit zu entheben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob gegen die aus einem Titel folgende Verpflichtung verstoßen wurde (BAG 15. April 2009 aaO. Rn. 18 mwN.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegend streitgegenständlichen Anträge ergibt sich deren Zulässigkeit. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinen geltend gemachten Informationsansprüchen gemäß Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO Auskunft über alle Daten geltend machen kann, die seine Person betreffen und die von der Beklagten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet werden oder worden sind. Was unter Verarbeiten zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 4 Nr. 2 DSGVO hinreichend deutlich, ohne dass der Kläger dies näher bestimmen müsste. Ebenfalls ist die vom Kläger in der Formulierung des geltend gemachten Informationsanspruchs gemachte Einschränkung dahingehend, dass er von der Beklagten - nur – Information über die seine Person betreffenden Daten geltend macht, die sein Verhalten und seine (Arbeits)Leistung betreffen haben will, hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die von ihm insoweit gewählten Begriffe stellen eine Datenkategorie im Sinne des Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. lit. b DSGVO dar. Die von ihm insoweit gewählten Begriffe des „Verhaltens“ und der „Leistung“ sind ihrerseits hinreichend bestimmt. Diese sind nach der Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG hinreichend konkretisiert (vgl. hierzu etwa BAG 11. März 1986 – 1 ABR 12/84 und BAG 27. Mai 1986 – 1 ABR 48/84 Rn. 63 für die Frage, was unter Verhalten zu verstehen ist; BAG 23. April 1985 – 1 ABR 2/82 – juris zur Frage, was unter der Leistung eines Arbeitnehmers zu verstehen ist). Dies gilt auch, soweit der Kläger leistungs- und verhaltensbezogene Daten von seiner Person nicht zur Auskunft verlangt, die in seiner Personalakte enthalten sind. Dass bei der Beklagten eine (elektronische) Personalakte des Klägers geführt wird, ist zwischen den Parteien unstreitig. Insoweit ist für die Beklagte ohne Weiteres erkenntlich, dass er nicht die Daten zu Auskunft und zur Fertigung einer Kopie verlangt, die sich in dieser den Parteien bekannten, elektronischen Personalakte des Klägers befinden, in die der Kläger im Sinne des § 83 BetrVG Einsicht nehmen kann.

Eine weitergehende konkretere Benennung der von ihm verlangten Daten ist dem Kläger nicht möglich und deshalb auch eine weitergehende Konkretisierung von dem, was er von der Beklagten will, nicht zumutbar. Dies deshalb, weil der Kläger gerade nicht weiß oder nicht mehr ohne Weiteres wissen kann, welche verhaltens- und leistungsbezogene Daten seiner Person die Beklagte verarbeitet hat. Würde man dem Kläger insoweit eine weitere Konkretisierung zur Herbeiführung einer hinreichenden Vollstreckbarkeit seiner Forderungen abverlangen, würde sich sein in Art. 15 Abs. 1 DSGVO weit gefasster Auskunfts- und Informationsanspruch derart gegen ihn wenden, dass ihm die Unkenntnis der von der Beklagten für seine Person verarbeiteten Daten diese Ansprüche rauben würde. Damit könnte effektiver Rechtsschutz betreffend seine Ansprüche gemäß Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO gerade nicht erreicht werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Arbeitnehmer eine Verpflichtung hat, die personenbezogenen Daten, die für ihn erkennbar von der Beklagten verarbeitet werden, selbst zu dokumentieren, um sie später als Grundlage für seinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber einsetzen zu können. Würde man diese Verpflichtung des Arbeitnehmers bejahen, würde er Auskunft über etwas begehren können, was ihm ohnehin schon bekannt ist. Das wäre widersinnig. Soweit der betreffenden Person vom Arbeitgeber bereits Auskünfte im Rahmen seiner Informationspflicht gem. den Art. 13 und 14 DSGVO erteilt worden sind, sind die Auskunftsverpflichteten berechtigt, bei einem Auskunftsersuchen hierauf Bezug zu nehmen (siehe hierzu noch unten). Im Hinblick darauf ist es dem Arbeitnehmer weder möglich noch zumutbar, konkrete Angaben über die Daten zu machen, die ihn konkret interessieren. Es genügt, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, dass er über Daten, die seine Person betreffen und die der Arbeitgeber im Sinne des Art. 15 Abs. 1 1. HS DSGVO verarbeitet hat, Auskunft verlangt. Ansonsten würde sein Recht aus Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO leerlaufen. Im Hinblick darauf ist es unvermeidbar, dass ein eventueller Streit über die Vollständigkeit der Auskunftserteilung des Arbeitgebers, jedenfalls teilweise, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird.

Dasselbe gilt für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO. Auch hier ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, genauere Angaben dazu zu machen, von welchen personenbezogenen Daten er eine Kopie zur Verfügung gestellt haben will. Dies ist nämlich seinerseits abhängig davon, welche personenbezogene Daten des Klägers/Arbeitnehmers der Arbeitgeber verarbeitet hat. Wenn der Kläger danach – wie vorliegend – aufführt, dass es ihm insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf Kopien von verarbeiteten Leistungs- und Verhaltensdaten seiner Person in bestimmten IT-Systemen, in bestimmten Kommunikationssystemen und in bestimmten Akten ankomme, stellt dies keine prozessual notwendige – wenn auch mögliche – Präzisierung seines Klagantrags, sondern eine Kundgabe seines besonderen Interesses an der Kenntnis bestimmter verarbeiteter personenbezogener Daten dar.

3. Der Kläger hat aus Sicht der erkennenden Kammer kein besonderes Rechtsschutzinteresse an den von ihm gestellten Anträgen darzulegen. Alleinige Voraussetzung des Auskunfts-, Informations- und des Zurverfügungstellungsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1 2. HS und Abs. 3 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten der die Ansprüche geltend machenden Person durch den Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nrn. 1, 2 und 7 DSGVO. Insoweit genügt für das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses die Behauptung des Klägers, dass dies der Fall sei. Vorliegend ist im Übrigen zwischen den Parteien sogar unstreitig, dass die Beklagte Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers verarbeitet hat.

4. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der zur Entscheidung gestellten Klaganträge bestehen nicht.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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