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LAG Hamm: DSGVO-Verstoß durch nicht notwendige Datenübermittlung innerhalb eines Konzerns - Unterlassungsanspruch und Schadensersatz in Höhe von 2.000 EURO

LAG Hamm
Urteil vom 14.12.2021
17 Sa 1185/20


Das LAG Hamm hat entschieden, dass einem Arbeitnehmer ein Unterlassungsanspruch und immaterieller Schadensersatz in Höhe von 2.000 EURO zusteht, wenn der Arbeitgeber durch Datenweitergabe innerhalb des Konzerns, die nicht für die Durchführungen des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist, gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Übermittlung der streitgegenständlichen Daten an die AKG. Der Anspruch folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1, Art. 6 Abs. 1 DSGVO.

a) Nach allgemeinen Grundsätzen kann in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB die Unterlassung objektiv rechtswidriger Eingriffe in geschützte Rechtsgüter im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangt werden. Demnach ist derjenige, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB verstößt, dem anderen entsprechend § 1004 Abs. 1 BGB zur Unterlassung verpflichtet. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Unterlassungspflicht - anders als die Ersatzpflicht (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB) - auch ohne ein Verschulden des Verletzers ein (BGH 17.07.2008 – I ZR 219/05 – Rn. 13; Grüneberg/Sprau BGB 81. Aufl. Einf. v. § 823 Rn. 27ff.).

b) Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO sind Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB.

aa) Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie dasjenige der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH 25.05.2020 – VI ZR 252/19 - Rn. 73 mwN).

bb) Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 DSGVO müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in den Buchstaben a bis f aufgeführten Bedingungen erfüllt ist. Die zitierten Bestimmungen dienen dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl. Art. 1 Abs. 1 DSGVO). Der in ihnen zum Ausdruck kommende Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten schützt gemeinsam mit den anderen in Art. 5 DSGVO niedergelegten Grundsätzen die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten (vgl. Art. 1 Abs. 2 DSGVO). Dass dieser Schutz im Aufgabenbereich der Normen liegt, wird auch aus den Erwägungsgründen (fortan: EG) der DSGVO deutlich: Gemäß EG 2 DSGVO sollen durch die Grundsätze zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten - zu diesen gehört nach EG 39 Satz 1 DSGVO auch der hier maßgebliche Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung - gewährleistet werden, dass ihre Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere ihr Recht auf Schutz personenbezogener Daten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gewahrt bleiben. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO sind daher als Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB einzuordnen (im Ergebnis ebenso Frenzel in Paal/Pauly DSGVO 3. Aufl. Art. 6 Rn. 2; zur Einordnung von Regelungen des BDSG als Schutzgesetze vgl. BGH 24.07.2018 – VI ZR 330/17 – Rn. 30; 27.02.2018 – VI ZR 489/16 – Rn. 42).

c) Der Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet (Art. 2 DSGVO). Die von der AKG angefragten Informationen über die Klägerin stellen personenbezogene Daten iSd. Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar. Durch die Übermittlung an die AKG hat die Beklagte diese Daten iSv. Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet. Es liegt auch eine zumindest teilweise automatisierte Verarbeitung vor, weil die Daten per E-Mail übermittelt wurden (vgl. Ernst in Paal/Pauly DSGVO 3. Aufl. Art. 2 Rn. 5). Zudem ist davon auszugehen, dass die AKG die übermittelten Daten zur Vergleichsbildung in einem Dateisystem iSd. Art. 4 Nr. 6 DSGVO gespeichert hat. Ein Ausnahmetatbestand nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO liegt im Streitfall nicht vor.

d) Die Beklagte ist im Hinblick auf die streitgegenständliche Datenübermittlung „Verantwortlicher“ iSd. Art. 4 Nr. 7 DSGVO, weil ihr die Entscheidungsgewalt über die Daten oblag und sie über das Ob und den Umfang der Datenübermittlung entschied (vgl LAG Baden-Württemberg 25.02.2021 – 17 Sa 37/20 – Rn. 45; EuArbRK/Franzen 4. Aufl. Art. 4 DSGVO Rn. 12; Hartung in Kühling/Buchner DSGVO 3. Aufl. Art. 4 Nr. 7 Rn. 13; Spindler/Dalby in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien 4. Aufl. Art. 4 DSGVO Rn. 18). Die Beklagte war damit gemäß Art. 5 Abs. 2 DSGVO für die Einhaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO verantwortlich.

e) Es liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 DSGVO („Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) vor. Keiner der in Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a bis f genannten Tatbestände ist im Streitfall erfüllt.

aa) Eine Einwilligung der Klägerin iSv. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO liegt nicht vor. Auch die Tatbestände in Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c, d und e kommen hier als Rechtsgrundlage erkennbar nicht in Betracht.

bb) Die Beklagte kann die Verarbeitung auch nicht auf § 26 BDSG stützen, der als speziellere Vorschrift Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO im Beschäftigungskontext verdrängt.

(1) § 26 BDSG stellt eine spezifischere Vorschrift iSv. Art. 88 DSGVO dar, welche ihrerseits den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO im Beschäftigungskontext konkretisiert. Demnach verdrängt § 26 BDSG in seinem Anwendungsbereich die Regelung des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO (LAG Baden-Württemberg 25.02.2021 – 17 Sa 37/20 – Rn. 74; ErfK/Franzen 22. Aufl. § 26 BDSG Rn. 4f. mwN; HWK/Lembke Arbeitsrecht Kommentar 9. Aufl. Einl. DSGVO Rn. 64; Buchner/Petri in: Kühling/Buchner Art. 6 DSGVO Rn. 49f.). Demgegenüber bleiben die übrigen Tatbestände des Art. 6 Abs. 1 DSGVO weiterhin anwendbar (ErfK/Franzen 22. Aufl. § 26 BDSG Rn. 4f.; Gola in: Gola DSGVO 2. Aufl. Art. 6 Rn. 101; Gräber/Nolden in: Paal/Pauly DSGVO 3. Aufl. § 26 BDSG Rn. 10).

(2) Die Verarbeitung ist nicht nach § 26 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt.

(a) Nach dieser Vorschrift dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten danach erforderlich, wenn und soweit der Arbeitgeber sie benötigt, um die Pflichten zu erfüllen und die Rechte geltend machen zu können, welche im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis in gesetzlichen Vorschriften, Kollektivverträgen und Individualvereinbarungen mit dem Arbeitnehmer geregelt sind (vgl. HWK/Lembke Arbeitsrecht Kommentar 9. Aufl. Art. 88 DSGVO Rn. 29; BeckOK DatenschutzR/Riesenhuber, 37. Ed. § 26 BDSG Rn. 114).

(b) Die streitgegenständliche Datenübermittlung war zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht erforderlich. Die AKG ist keine Personalabteilung oder personalverwaltende Stelle der Beklagten. Sämtliche das Arbeitsverhältnis der Klägerin betreffenden Abrechnungs- und Personalverwaltungsvorgänge werden ohne Mitwirkung der AKG vorgenommen. Das Arbeitsverhältnis weist auch keinen anderweitigen Konzernbezug auf (vgl. hierzu allg. Gola in: Gola/Heckmann BDSG 13. Aufl. § 26 Rn. 92; BeckOK DatenschutzR/Riesenhuber, 37. Ed. § 26 BDSG Rn. 183; Gola in: Gola DSGVO 2. Aufl. Art. 6 Rn. 104). Insbesondere ist ein konzernweiter Einsatz der Klägerin nicht vorgesehen; die Versetzungsklausel in § 1 Abs. 5 des Arbeitsvertrags beschränkt den Einsatz auf andere Orte „innerhalb des Unternehmens“. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, sie sei zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin auf die Übermittlung der Daten angewiesen. Sie hat vielmehr geltend gemacht, eine Übermittlung der Daten an die AKG sei für interne Verwaltungszwecke, nämlich zur Schaffung einer einheitlichen Vergütungsstruktur im Konzern, erforderlich.

(3) Die Verarbeitung ist auch nicht nach § 26 Abs. 4 BDSG gerechtfertigt. Zwar existiert die BV LNT. Die hier im Streit stehende Datenübermittlung erfolgte jedoch nicht unter Nutzung der Software, auf die sich die BV LNT bezieht, sondern per E-Mail.

cc) Die Datenverarbeitung ist auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO gerechtfertigt.

aa) Nach dieser Bestimmung ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Ob die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind, ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu ermitteln (LAG Baden-Württemberg 25.02.2021 – 17 Sa 37/20 – Rn. 75; Buchner/Petri in: Kühling/Buchner Art. 6 DSGVO Rn. 146).

(1) Zunächst ist zu klären, ob zum Zeitpunkt der Verarbeitung ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten, dem die Daten übermittelt werden, vorliegt. Zu den berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder Dritten zählen neben rechtlichen auch tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen, nicht jedoch bloße Allgemeininteressen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, Art. 6 DS-GVO Rn. 146 f.). Die in den EG 47–50 der DSGVO genannten Beispiele berechtigter Interessen wie unter anderem die Verarbeitung im Rahmen einer konzerninternen Übermittlung (EG 48 Satz 1 DSGVO) zeigen, dass vielfältige und unterschiedlich bedeutsame berechtigte Interessen berücksichtigungsfähig sind (BGH 12.07.2018 – III ZR 183/17 - Rn. 76).

(2) Sind die Interessen, die mit einer Datenverarbeitung verfolgt werden, grundsätzlich als berechtigte Interessen einzustufen, ist in einem weiteren Schritt zu klären, ob die konkrete Datenverarbeitung zur Wahrung dieser berechtigten Interessen auch erforderlich ist. Der EuGH hat im Hinblick auf das Kriterium der Erforderlichkeit darauf hingewiesen, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 7 Buchst. f der RL 95/46/EG EuGH 11.12.2019 – C-708/18 –Rn. 46; 04.05.2017 – C-13/16 – Rn. 30). Das Gericht hat im Einzelfall zu prüfen, ob das berechtigte Interesse des Verantwortlichen nicht mit anderen Mitteln, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen, vernünftigerweise ebenso wirksam erreicht werden kann (EuGH 11.12.2019 – C-708/18 – Rn. 46). Entsprechende Anhaltspunkte für das Kriterium der Erforderlichkeit finden sich auch in EG 39 DSGVO: Nach dessen Satz 7 soll die Verarbeitung der personenbezogen Daten auf das für sie notwendige Maß beschränkt sein. Satz 9 bestimmt, dass personenbezogene Daten nur verarbeitet werden dürfen, wenn der Zweck der Verarbeitung nicht in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann. Die Datenverarbeitung ist daher erforderlich, wenn kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die Interessen des Verantwortlichen zu erreichen (BGH 12.7.2018 – III ZR 183/17 - Rn. 82; ebenso zum Begriff der Erforderlichkeit in Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c und e DSGVO BAG 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A) - Rn. 31).

[...]

bb) Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO liegen im Streitfall nicht vor.

(1) Es besteht allerdings grundsätzlich ein berechtigtes Interesse der Beklagten, der AKG und der DRV KBS an der Übermittlung der Gehaltsdaten der Klägerin. Diese Verarbeitung soll einen konzernweiten Vergleich der Gehälter und sonstigen Entgeltbestandteile der im Konzern beschäftigten AT-Mitarbeiter ermöglichen. Das damit verbundene Ziel, die Vergütungspraxis von außertariflichen Angestellten in vergleichbaren Positionen konzernweit einheitlich und widerspruchsfrei zu gestalten, ist ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse iSd. Vorschrift. Die konzerninterne Datenübermittlung für solche internen Verwaltungszwecke wird auch durch EG 48 Satz 1 DSGVO grundsätzlich anerkannt.

Dieses berechtigte Interesse hat zum einen die AKG als „Dritter“ iSd. Vorschrift, weil sie die übermittelten Daten unmittelbar für die genannten Ziele nutzen kann. Daneben besteht auch ein eigenes berechtigtes Interesse der Beklagten an der Verarbeitung. Den bezweckten Gehältervergleich kann sie zwar nicht unmittelbar selbst nutzen, weil sie nach eigenem Vortrag keinen Zugriff auf die Daten hat. Die Verarbeitung kommt ihr aber jedenfalls mittelbar zugute, indem die Erkenntnisse bei zukünftigen Vertragsabschlüssen und - änderungen, die gemäß § 7 Abs. 2 Buchstabe e GO-AKG jeweils der Zustimmung der AKG bedürfen, zu ihren Gunsten Berücksichtigung finden. Ein durch Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO geschütztes Interesse an der Schaffung konzernweit einheitlicher Vergütungsstrukturen hat schließlich auch die DRV KBS als Konzernobergesellschaft.

(2) Die Übermittlung der Daten war in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch nicht erforderlich. Die Gehaltsdaten der Klägerin hätten in pseudonymisierter Form übermittelt werden können.

(a) Der Zweck der Verarbeitung bestand nach dem Vorbringen der Beklagten darin, einen Überblick über das aktuelle Gehaltsgefüge der AT-Mitarbeiter der Verbundkliniken zu erhalten, um zukünftig homogene Arbeitsbedingungen für diese Personengruppe zu schaffen und die Gehälter der AT-Mitarbeiter bei zukünftigen Vertragsabschlüssen bzw. -änderungen an vergleichbare Positionen anzupassen. Zur Erreichung dieses Zwecks war lediglich die Übermittlung der Gehaltsdaten (Jahresbruttogehalt, Zielprämie und sonstige Leistungen), der Funktion des jeweiligen Beschäftigten und seiner Organisationseinheit erforderlich. Die weiteren von der Beklagten übermittelten Daten der Klägerin (Name, Vorname, Personalnummer, Geburtsdatum, Privatadresse, Konzerngesellschaft, bei der sie tätig ist, Krankenhaus, in dem sie tätig ist, Arbeitsvertrag) sind für die Vergleichsdatenbildung hingegen nicht erforderlich. Denn auch ohne diese Daten könnte die AKG das Gehaltsgefüge vergleichbarer AT-Mitarbeiter in den Verbundkliniken feststellen und in der Zukunft für homogene Arbeitsbedingungen sorgen. Dass die Beklagte mehr Daten übermittelte, als zur Erreichung des Zwecks erforderlich waren, belegt auch der Umstand, dass die AKG nach dem Vortrag der Beklagten unmittelbar nach Erhalt der Daten einige dieser Daten wieder löschte und auf den Arbeitsverträgen schwärzte. Soweit die Beklagte zur Rechtfertigung dieses Vorgehens vorbringt, es habe verhindert werden sollen, dass „Daten durcheinander geraten“ und „falsche Zuordnungen“ erfolgen, ist dies für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Eine ordnungsgemäße Nutzung und Einordnung der Daten für den angestrebten Zweck wäre ohne weiteres auch dann möglich gewesen, wenn nur die notwendigen, oben aufgeführten Daten übermittelt worden wären. In diesem Fall hätten die Gehaltsdaten der Klägerin nicht ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen zugeordnet werden können (vgl. zum Begriff der Pseudonomysierung Art. 4 Nr. 5 DS-GVO).

(b) Die Beklagte hat eingewandt, dass eine derart eingeschränkte Datenübermittlung nicht zielführend sei. Da nur ein kleiner Personenkreis von der Datenverarbeitung betroffen sei und zum Teil in den einzelnen Unternehmen nur jeweils eine Person mit einem entsprechenden Tätigkeitsfeld arbeite, was auch auf die Klägerin zutreffe, könnten die Gehaltsdaten der Klägerin auch ohne Mitteilung des Namens und weiterer persönlicher Daten zugeordnet werden. Dieser Einwand greift nicht durch. Zum einen handelt es sich nicht um einen kleinen Personenkreis, sondern um 156 Mitarbeiter, davon 21 bei der Beklagten. Für die Kammer ist zudem nicht nachvollziehbar, wie die Identität der Klägerin ohne weitere Informationen herausgefunden werden könnte, wenn lediglich ihre Gehaltsdaten, ihre Funktion und ihre Organisationseinheit mitgeteilt würden. Da keine weiteren Daten, insbesondere auch nicht die Konzerngesellschaft und das Krankenhaus, in dem die Klägerin beschäftigt ist, übermittelt werden müssen, handelte es sich, selbst wenn die Position der Klägerin in jeder Klinikgesellschaft nur einmal vorhanden wäre, um einen Kreis von dann immerhin sechs Personen. Aber selbst wenn eine Identifizierung der Klägerin auch bei einer Datenübermittlung in dem oben dargelegten, eingeschränkten Umfang noch (theoretisch) möglich wäre, wäre die Identifizierung jedenfalls erheblich erschwert, weil diese erst unter Zuhilfenahme anderer Informationsquellen durchgeführt werden könnte. Durch eine solche Pseudonymisierung würden die datenschutzrechtlichen Risiken für die Klägerin folglich gesenkt (vgl. EG 29 Satz 1 DSGVO). Zudem entspräche ein solches Vorgehen dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c DSGVO). Eine pseudonymisierte Übermittlung der Gehaltsdaten würde daher in jedem Fall weniger stark in die Grundrechte der Klägerin eingreifen, den von der Beklagten erstrebten Zweck aber ebenso wirksam erreichen. Die Datenübermittlung in ihrer konkreten Ausgestaltung war daher nicht erforderlich.

[...]

dd) Art. 6 Abs. 4 DSGVO kann die Datenübermittlung an die AKG ebenfalls nicht rechtfertigen.

(1) Zwar liegt im Streitfall eine Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, vor (s.o.). Die Klägerin hat in diese jedoch nicht eingewilligt. Die Datenübermittlung beruht auch nicht auf einer Rechtsvorschrift zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele iSv. § 6 Abs. 4 DSGVO. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BDSG liegen ebenfalls nicht vor.

(2) In einem solchen Fall berücksichtigt der Verantwortliche – um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist – unter anderem die in Art. 6 Abs. 4 Buchstabe a bis e DSGVO genannten Kriterien. Der Rechtscharakter dieser Regelung wird uneinheitlich beurteilt. Nach einer Ansicht ist sie als ein Erlaubnistatbestand für eine zweckändernde Weiterverarbeitung personenbezogener Daten einzuordnen. Wenn die Voraussetzungen der Regelung vorliegen, bedarf es danach für die Zulässigkeit der Weiterverarbeitung keiner gesonderten Rechtsgrundlage iSv. Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Ausreichend soll dann vielmehr gemäß EG 50 Satz 2 DSGVO der ursprüngliche Legitimationstatbestand für die Datenerhebung sein (Schulz in: Gola DSGVO 2. Aufl. Art. 6 Rn. 210 mwN; EuArbRK/Franzen 4. Aufl. Art. 6 DSGVO Rn. 14). Nach der Gegenansicht beschränkt sich die Funktion des Art. 6 Abs. 4 DSGVO auf einen Kompatibilitätstest. Danach bedarf auch eine nach Abs. 4 zweckkompatible Weiterverarbeitung von Daten darüber hinaus stets zusätzlich noch einer entsprechenden Rechtsgrundlage iSd. Art. 6 Abs. 1 DSGVO (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner DSGVO 3. Aufl. Art. 6 Rn. 182ff. mwN; BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit 38. Ed. Art. 6 DSGVO Rn. 96 ff.; Heberlein in: Ehmann/Selmayr 2. Aufl. DSGVO Art. 6 Rn. 48).

(a) Aus Sicht der Berufungskammer ist der letztgenannten Ansicht zu folgen. Der Einordnung von Art. 6 Abs. 4 DSGVO als selbständiger Erlaubnistatbestand steht der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 DSGVO entgegen, nach dem eine Verarbeitung „nur rechtmäßig“ ist, wenn einer der dort genannten Erlaubnistatbestände erfüllt ist; einen Vorbehalt hinsichtlich Abs. 4 macht Art. 6 Abs. 1 DSGVO gerade nicht (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner 3. Aufl. Art. 6 DSGVO Rn. 183). Ein entsprechendes Verständnis kommt auch in der englischen und der französischen Fassung von Art. 6 Abs. 1 DSGVO zum Ausdruck.

Art. 6 Abs. 4 DSGVO betrifft nicht den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung iSv. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 DSGVO, sondern konkretisiert den Grundsatz der Zweckbindung iSd. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO und regelt die Frage, ob der neue mit einer Datenverarbeitung verfolgte Zweck mit dem ursprünglich verfolgten vereinbar ist (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner 3. Aufl. Art. 6 DSGVO Rn. 183; Heberlein in: Ehmann/Selmayr 2. Aufl. DSGVO Art. 6 Rn. 48). Die Grundsätze der Zweckbindung und der Rechtmäßigkeit sind jedoch unabhängig voneinander zu erfüllen (EuGH 01.10.2015 – C-201/14 – Rn. 30 mwN.).

(b) Selbst wenn man der Gegenansicht folgte, führte dies im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte, die als Verantwortliche für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung verantwortlich ist und die Einhaltung dieses Grundsatzes nachweisen muss (Art. 5 Abs. 2 DSGVO), hat nicht behauptet, vor der Datenübermittlung den nach Art. 6 Abs. 4 vorgesehenen Kompatibilitätstest durchgeführt zu haben (vgl. zum Charakter der Regelung als Vorgabe für den Verantwortlichen auch BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 38. Ed. Art. 6 DSGVO Rn. 102; Heberlein in: Ehmann/Selmayr 2. Aufl. DSGVO Art. 6 Rn. 49). Zudem ist die Datenübermittlung an die AKG unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 4 Buchstabe a bis e DSGVO genannten Kriterien mit dem ursprünglichen Erhebungszweck nicht kompatibel. Eine Pseudonymisierung wurde im Streitfall nicht vorgenommen, obwohl dies möglich gewesen wäre (Buchstabe e). Die Datenübermittlung hätte wie oben dargelegt nachteilige Auswirkungen für die Klägerin haben können (Buchstabe d). Die Daten wurden ausschließlich zum Zwecke der Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses erhoben. Die Klägerin musste nicht davon ausgehen, dass die Daten für andere Zwecke genutzt würden (Buchstabe b, vgl. auch EuArbRK/Franzen 4. Aufl. Art. 6 DSGVO Rn. 17). Es handelt sich um Personaldaten, die der Arbeitgeber grundsätzlich vertraulich zu behandeln hat (Buchstabe c). Der ursprüngliche Zweck für die Erhebung der Daten steht auch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Übermittlung der Daten zum Zwecke der Schaffung einer konzernweiten Vergleichsdatenbank (Buchstabe a).

f) Es besteht auch die erforderliche Wiederholungsgefahr.

aa) Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des auf §§ 1004, 823 BGB gestützten Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82 mwN). Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (BAG 18.11.2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 39). Für sie besteht eine tatsächliche Vermutung, wenn es bereits zu einer Verletzung des geschützten Rechts gekommen ist (BAG 07.06.2017 – 1 ABR 32/15 – Rn. 24).

bb) Angesichts des Verstoßes der Beklagten gegen Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1, Art. 6 Abs. 1 DSGVO besteht eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist. Sie macht vielmehr weiterhin geltend, dass die streitgegenständliche Datenübermittlung rechtmäßig gewesen sei (vgl. hierzu Staudinger/Thole BGB Neubearb. 2019 § 1004 Rn. 461).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens. Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. Sie gehört zu den von Art. 82 Abs. 1 DSGVO geschützten betroffenen Personen iSv. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Verletzung von Bestimmungen der DSGVO geschah bei der Verarbeitung „ihrer“ personenbezogenen Daten (vgl. BAG 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 33; LAG Niedersachsen 22.10.2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 185).
b) Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet. Wie bereits oben ausgeführt, ist sie im Hinblick auf die durchgeführte Datenübermittlung „Verantwortlicher“ iSd. Art. 4 Nr. 7 DSGVO und haftet daher für den Schaden, der durch eine nicht der DSGVO entsprechende Verarbeitung verursacht wurde.

c) Es liegt ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Die personenbezogenen Daten der Klägerin wurden entgegen den Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht in rechtmäßiger Weise übermittelt. Auf die Ausführungen im Rahmen des Klageantrags zu 1) wird verwiesen.

d) Die Beklagte ist für den Verstoß gegen die DSGVO auch verantwortlich iSv. Art. 82 Abs. 3 DSGVO.

aa) Die Haftung des Verantwortlichen nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist verschuldensunabhängig, dh. sie setzt nicht das Vorliegen oder den Nachweis eines Verschuldens voraus (BAG 26.08.2021 - 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 39). Aus Art. 82 Abs. 3 DSGVO ergibt sich nichts Abweichendes. Die darin enthaltene Bestimmung, wonach bei Nachweis der Nichtverantwortlichkeit für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, eine Befreiung von der Haftung eintritt, betrifft nach Auffassung des BAG nicht das Verschulden im Sinne eines „Vertretenmüssens“, sondern die Frage nach einer „Beteiligung“ bzw. nach der Urheberschaft im Sinne der Kausalität (BAG 26.08.2021 - 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 40). Danach ist die Beklagte hier verantwortlich, weil sie den Verstoß gegen die DSGVO durch die von ihr vorgenommene Datenübermittlung kausal verursacht hat.

bb) Selbst wenn man demgegenüber Verantwortlichkeit iSd. Art. 82 Abs. 3 DSGVO im Sinne von Verschulden verstünde (vgl. LAG Niedersachsen 22.10.2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 223; EuArbRK/Franzen 4. Aufl. Art. 82 DSGVO Rn. 17); führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Verschulden der Beklagten wird nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO vermutet. Die Beklagte hat keinen entgegenstehenden Vortrag geleistet. Sie handelte zumindest fahrlässig, was unter näher ausgeführt wird.

e) Durch den Verstoß der Beklagten gegen Bestimmungen der DSGVO ist der Klägerin ein immaterieller Schaden entstanden.

Der Rechtsanspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO erfordert über eine Verletzung der DSGVO hinaus nicht zusätzlich, dass die verletzte Person einen (weiteren) von ihr erlittenen immateriellen Schaden darlegt. Sie muss also keine „Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung von zumindest einigem Gewicht“ oder das Überschreiten einer „Erheblichkeitsschwelle“ darlegen. Bereits die Verletzung der DSGVO selbst führt zu einem auszugleichenden immateriellen Schaden (BAG 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 33; LAG Hamm 11.05.2021 – 6 Sa 1260/20 – Rn. 62ff.; LAG Niedersachsen 22.10.2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 228). Für dieses Verständnis spricht EG 146 Satz 3 DSGVO, wonach der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des EuGH weit und auf eine Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Bereits der - auch hier eingetretene - Verlust über die Kontrolle der eigenen personenbezogenen Daten kann nach EG 75 und 85 DSGVO einen immateriellen Schaden begründen. Bei diesem Verständnis bleiben die Schwere eines Pflichtenverstoßes und das Ausmaß der damit einhergehenden Beeinträchtigungen auch nicht unberücksichtigt. Sie können effektiv im Rahmen der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes berücksichtigt werden (LAG Niedersachsen 22.10.2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 228).

f) Die Klägerin hat die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt, § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles geht die Berufungskammer im Einklang mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts davon aus, dass der Klägerin zur Abgeltung des immateriellen Schadens ein Geldanspruch in Höhe von 2.000,00 € zusteht.

aa) Nach EG 146 Satz 6 der DSGVO sollen die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Bei der Bemessung des immateriellen Schadenersatzes durch das Gericht sind daher alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es soll ein tatsächlicher und wirksamer rechtlicher Schutz der aus der DSGVO hergeleiteten Rechte gewährleistet werden BAG 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A) – Rn. 36).

bb) Unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist ein Schadensersatz in Höhe von 2.000,00 € angemessen.

(1) Ein vorsätzliches Handeln der Beklagten ist nicht festzustellen. Sie holte vor Durchführung der streitgegenständlichen Verarbeitung eine rechtliche Stellungnahme eines Rechtsanwalts und Fachanwalts für Arbeitsrecht und Informationstechnologierecht ein, nach der die Datenübermittlung aufgrund eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes grundsätzlich zulässig sein sollte. Zu berücksichtigen ist auch, dass die konkrete Rechtsfrage im Zeitpunkt der Datenverarbeitung nicht höchstrichterlich geklärt war. Die Beklagte hat den Verstoß gegen die DSGVO jedoch fahrlässig herbeigeführt. Sie hätte bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) erkennen können und müssen, dass die Verarbeitung in ihrer durchgeführten Form nicht erforderlich war, sondern über das für den Zweck erforderliche Maß hinausging. Das eingeholte rechtliche Gutachten wies selbst darauf hin, dass eine anonymisierte Weitergabe der Daten Vorrang hätte, wenn die Vorgaben der Geschäftsführung durch eine solche Weitergabe ebenso erreicht werden könnten. Der Personalleiter der Beklagten E. hatte in seiner E-Mail vom 22.01.2019 (Bl. 157 GA) ebenfalls auf die Möglichkeit einer anonymisierten bzw. pseudonymisierten Datenübermittlung hingewiesen. Darüber hinaus sieht auch die BV LNT, die nur drei Wochen vor der hier in Rede stehenden Datenvereinbarung abgeschlossen worden war, vor, dass Beschäftigtendaten für Controlling- und Benchmark-Zwecke grundsätzlich nur pseudonymisiert genutzt werden dürfen. Auch vor diesem Hintergrund lag eine pseudonymisierte Verarbeitung der Daten nahe. Die Übermittlung beinhaltete in ihrer konkreten Form schließlich auch Daten wie das Geburtsdatum und die Privatadresse der Klägerin, die von vornherein und ganz offensichtlich nicht vom Zweck der Übermittlung gedeckt waren.

(2) Zulasten der Beklagten war darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sie den Grundsatz der Transparenz (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 3 DSGVO) nicht beachtet und die ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Informationspflichten im Hinblick auf die Datenübermittlung nachhaltig nicht erfüllt hat, obwohl sie in dem eingeholten Rechtsgutachten vom 05.03.2019 ausdrücklich auf die ihr obliegenden Informationspflichten nach der DSGVO hingewiesen worden war. Deshalb hatte die Klägerin keine Möglichkeit, ihr Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO rechtzeitig und effektiv auszuüben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen. Zudem entsprach die Datenübermittlung in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c DSGVO). Die Klägerin musste auch nicht mit einer Übermittlung ihrer Daten an die AKG rechnen. Die Verarbeitung betraf Personaldaten der Klägerin, die grundsätzlich vertraulich zu behandeln sind. Die Datenübermittlung war auch - jedenfalls bis zur Löschung der Daten durch die AKG - geeignet, sich für die Klägerin nachteilig auszuwirken. Ergänzend wird auch bezüglich dieser Aspekte auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

(3) Die Berufungskammer hat auch berücksichtigt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 16.01.2020 – und damit wenige Tage vor dem am 22.01.2020 stattfindenden Termin vor dem Landgericht Bochum – einen Versuch unternommen hat, die streitgegenständliche Datenübermittlung im Nachhinein zu legitimieren. Sie übersandte der Klägerin eine „Information und Einverständniserklärung zur Verarbeitung ihrer Beschäftigtendaten“ mit dem Ziel, dass die Klägerin ihr schriftliches Einverständnis zur Übermittlung von Daten an die AKG geben würde. Dabei hat die Beklagte der Klägerin jedoch keine vollständige Wahlfreiheit im Hinblick auf die Erteilung einer Einwilligung eingeräumt, sondern mitgeteilt, dass die Klägerin ihre Zielvereinbarung für das Jahr 2020 (erst) erhalten würde, wenn sie die beigefügte Einverständniserklärung unterzeichnet an die Personalabteilung zurückgegeben hätte. Ein solches Vorgehen steht im Widerspruch zu Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Die Klägerin hat gemäß § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf eine jährliche Zielvereinbarung. Die von der Beklagten verlangte Einwilligungserklärung war für den Abschluss der Zielvereinbarung nicht erforderlich und stand mit dieser in keinem Zusammenhang.

(4) Zugunsten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass sie Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten der Klägerin ergriffen hat. Einer ersten Aufforderung zur Datenübermittlung hat sich der Personalleiter der Beklagten E. mit E-Mail vom 22.01.2019 unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken widersetzt. In der Folge wurde ein Rechtsgutachten eingeholt, um die Rechtslage klären zu lassen. Vor der Datenübermittlung wurde erörtert, wer Zugriff auf die Daten erhalten sollte, was sich unter anderem aus der E-Mail der MKSG vom 17.01.2019 (Bl. 65 GA) ergibt. Für die Datenübermittlung innerhalb des Konzerns bestand auch grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Eine Weitergabe der Daten an externe Dritte außerhalb des Konzerns ist nicht erfolgt. Es handelte sich um eine einmalige Datenübermittlung. Es ist nicht erkennbar, dass aus ihr konkrete nachteilige Folgen materieller Art für die Klägerin resultieren. Die Berufungskammer hat allerdings auch berücksichtigt, dass die wenn auch nur einmalige Datenübermittlung dauerhafte, auch nachteilige Auswirkungen für die Klägerin hätte haben können (s.o.). Dass derartige Auswirkungen zukünftig nicht eintreten werden, beruht nicht auf einem Verhalten der Beklagten, sondern auf dem Umstand, dass die AKG gerichtlich zur Löschung der Daten verurteilt wurde.

(5) Die Berufungskammer hat beachtet, dass die AKG im Hinblick auf die im Anschluss an die Übermittlung erfolgte Speicherung und Nutzung der personenbezogenen Daten der Klägerin durch das rechtskräftige Urteil des OLG Hamm vom 31.08.2021 zur Zahlung eines Schadensersatzes gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO iHv. 4000,00 € verurteilt worden ist. Im vorliegenden Verfahren war allein der immaterielle Schaden der Klägerin zu bemessen, der durch die Datenübermittlung an die AKG entstanden ist.

(6) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte und aller weiteren Umstände des vorliegenden Streitfalls, welche die Berufungskammer bei ihrer Entscheidung ebenfalls berücksichtigt hat, hält sie einen Schadensersatz iHv. 2.000,00 € für angemessen. Nach Überzeugung der Berufungskammer erhält die Klägerin damit einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden, der gleichzeitig gegenüber der Beklagten eine abschreckende Wirkung entfaltet.

g) Die Beklagte haftet allein und nicht gemeinsam mit der AKG als Gesamtschuldner. Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nach Art. 82 Abs. 4 DSGVO nur bei der Beteiligung mehrerer Verantwortlicher an „derselben Verarbeitung“ in Betracht. Hier liegen mit der Übermittlung der Daten durch die Beklagte einerseits und der Speicherung und Nutzung der Daten durch die AKG andererseits zwei unterschiedliche Verarbeitungsvorgänge iSd. Art. 4 Nr. 2 DSGVO mit jeweils unterschiedlichen Verantwortlichen vor. Das in zweiter Instanz durch das OLG Hamm entschiedene Verfahren der Klägerin gegen die AKG betraf nicht den hier streitgegenständlichen Verarbeitungsvorgang, sondern ausschließlich die Speicherung und Nutzung der Daten durch die AKG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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